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Anziehungskraft. Da waren zunächst die verschiedenen „Gotscheer" mit ihren<br />
Bauchladen. „Grad oder ungrad" riefen sie und hielten den Gästen ihre einmal<br />
grün gewesenen Nummernsäckchen unter die Nase, in denen sich die hölzernen<br />
Nummernplättchen befanden. Was war das für ein aufregender Moment, wenn<br />
man einige Nummern ziehen durfte, gewann, und sich aus den vielen süßen<br />
Herrlichkeiten etwas auswählen konnte! Manche dieser „Gotscheer" hatten<br />
hauptsächlich Galanterie- und Schmiedewaren zum feilbieten. Wer sie kannte<br />
wußte, daß man ihnen nie das geben durfte, was sie verlangten, weil es meist<br />
geriebene Burschen waren. Nicht mindere Anziehungskraft besaß der<br />
Mandolettimann, der mit seiner Tasse, auf der er die auf Holzstäbchen<br />
aufgespießten kandierten Früchte, wie Mandeln, Marillen, Nüsse, Weintrauben,<br />
Datteln usw. aufgehäuft hatte, zwischen den Tischreihen hindurchbalanzierte.<br />
Auch mancher Exote, z. B. ein Japaner, der aus Stein gearbeitete Aschenbecher<br />
und Vasen mit merkwürdigen Tieren feilbot, vergaß nicht, dieses Lokal mit<br />
seinem Besuch zu beehren, ebenso wie ein kleiner Chinese mit phantastischen<br />
bunten Papierfächern, die durch leichtes Schütteln allerhand Formen annahmen,<br />
oder der Mann mit den Patent-, Hosen- und Kragenknöpfen, ferner die<br />
Blumenfrau und der alte invalide Artist mit seinen beiden dressierten Hunden, die<br />
allerhand Kunststücke vollführten. Sie alle fanden hier ein dankbares Publikum,<br />
das manche Krone springen ließ.<br />
Ja, die Brünner fühlten sich hier wohl bei ihrem Dämmerschoppen, besonders<br />
wenn die Juli- und Augusthitze in den Straßen brütete und das Bier so schön<br />
kühlend durch die Gurgel rann. Wie sollte es denn nicht kühl sein an einem Ort,<br />
der von innen und von außen gekühlt wurde! Von innen kühlte sich der Gast mit<br />
dem frischen Bier, von außen wurde die Veranda, die ein Glasdach besaß, durch<br />
Berieseln mit Wasser gekühlt. Beschwören kann ich es zwar nicht, daß das Dach<br />
wirklich eine Wasserspülung besaß, aber nach unbestätigten Gerüchten soll es so<br />
gewesen sein.<br />
Nicht minder lebhaft ging es im Schankraum zu, hinter dessen langem<br />
Schanktisch der wohlbeleibte Kellermeister seines Amtes waltete. An der Kassa,<br />
einem kleinen Holzkäflg, kauften sowohl Kellner als auch Gäste die nur auf ein<br />
Stehbier gekommen waren (aus dem oft mehrere wurden) die Marken, gegen<br />
deren Abgabe sie das Bier eingeschenkt erhielten. An dieser Kassa hing auch<br />
unter Glas und Rahmen ein Bild, einen Ortspolizisten mit der Trommel darstellend<br />
und darunter folgenden Text: „Es wird hiemit kund und zu wissen getan,<br />
daß das Hineinspucken in den Ortsbach ab Dienstag bei Strafe verboten ist, weil<br />
der Bürgermeister am Donnerstag Bier brauen will".<br />
Spielte sich das feuchtfröhliche Leben und Treiben während der schönen<br />
Jahreszeit hauptsächlich in der Veranda ab, bevölkerten sich im Winter die<br />
Bierstuben hinter dem Schankraum und im ersten Stock mit durstigen Seelen. Es<br />
waren richtige Stuben, ziemlich kahl und nüchtern, vor dem ersten Weltkrieg<br />
noch mit melancholischem Gaslicht erleuchtet. Hinter dem Schankraum gab es<br />
noch so allerhand diskrete Zimmerchen und Logen, wo man ungestört dem Gott<br />
Bacchus opfern konnte und ganz rückwärts befand sich das „Lurloch", ein<br />
ziemlich kleiner Raum, der ehemals, wenn man den Erzählungen alter Brünner<br />
glauben darf, das Beinhaus gewesen sein sollte, als nämlich die benachbarte<br />
Jakobskirche von einem Friedhof umgeben war. Jedenfalls lief manchem Gast bei<br />
diesem Bewußtsein ein heimliches Gruseln über den Rücken, das er dann rasch<br />
mit einem tiefen Zug verscheuchte. Es gab auch böswillige Zungen, die<br />
behaupteten, daß gewisse Örtlichkeiten, die hier weniger denn je fehlen durften,<br />
einen besonders penetranten Geruch verbreiteten. Das waren aber wie gesagt<br />
Verleumdungen.<br />
Der „Hradetzki" war aber nicht nur ein gemütliches, sondern auch ein solides