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wären, erhielt er von allen Seiten abweisende Gesten zur Antwort. Da entdeckte<br />
Nowak neben dem Tisch einen jungen Mann, den sicherlich das nasse Wetter<br />
zufälligerweise in das „Post-Cafe" gelockt hatte, und der stumm dem bisherigen<br />
Verlauf des Spieles zugesehen hatte.<br />
„Vielleicht wollen Sie es probieren?" fragte ihn Herr Nowak.<br />
„Bitte!" meinte der Unbekannte ein wenig verlegen.<br />
Wir alle wendeten uns voll Interesse dem jungen Mann zu. Er wird ihm doch<br />
nicht ins Garn gehen?<br />
„Können Sie überhaupt spielen" fragte Herr Nowak streng den zögernden jungen<br />
Mann.<br />
„Ein wenig".<br />
„Dann können wir ja einen Hunderter machen."<br />
„Meinetwegen".<br />
Herr Nowak musterte seinen Partner und wollte anscheinend seinen Wert in<br />
punkto Zahlkräftigkeit abschätzen.<br />
„Spielen wir um 10 Kč. Nur, damit das Spiel doch einen Sinn hat . . ."<br />
Herr Nowak, der meistens die Höchstgrenze des Einsatzes bei 5 Kč beantragte,<br />
fühlte sich allzu sicher, wenn er gleich den doppelten Betrag vorschlug. Einige<br />
Herren wollten den unglücklichen Fremden warnen, aber es war bereits zu spät.<br />
„Meinetwegen", willigte er gleichgültig ein.<br />
Herr Nowak legte einen 10 Kč-Schein auf den Tisch und grinste den fremden<br />
Jüngling an:<br />
„Erlegen wir auf jeden Fall den Einsatz, nur der Ordnung halber ..."<br />
Der junge Mann legte seine 10 Kč neben das Geld des Herrn Nowak, trat dann zu<br />
dem Queue-Ständer und entnahm diesem aufs Geradewohl einen Billardstock. Er<br />
wog ihn weder in der Hand, noch musterte oder untersuchte er ihn. Er wählte<br />
ganz einfach blindlings, wie ein echter Anfänger, den erstbesten Billardstock. In<br />
den Mundwinkeln des Herrn Nowak erschien ein höhnisches Lächeln. Vielleicht<br />
war dies sogar der Grund, daß er mit einer bei ihm ganz ungewohnten<br />
Zuvorkommenheit auf den Tisch deutete:<br />
„Bitte, Sie haben den Vortritt".<br />
Was jetzt folgte, mutete fast wie ein Märchen an. Um mit dem Ende zu beginnen:<br />
Der junge Mann machte in einem Zug die Serie voll. Nach der Anfangsaufstellung<br />
folgte eine derartig blendende Serie von Hoch- und Tiefstößen, Ziehern,<br />
Rückziehern, Effet-, Kontereffet- und Massestößen, daß wir wie verzaubert den<br />
Tisch umstanden. Nach der zehnten Karambolage erklärte Herr Nowak, das Spiel<br />
sei noch nicht zu Ende, bei der zwanzigsten blickte er unruhig um sich, bei der<br />
fünfzigsten beklagte er sich, daß man gegen Professionsspieler so wenig<br />
geschützt sei. Nach der siebzigsten Karambolage setzte er sich totenbleich auf<br />
einen Stuhl und trocknete sich die Stirne.<br />
Das ganze Kaffeehaus war auf. Die Kellner vergaßen zu bedienen, alles scharte<br />
sich um den Billardtisch. Als der junge Mann auch die hundertste Karambolage<br />
gemacht hatte, stellte er den Billardstock bescheiden auf seinen Platz zurück,<br />
nahm seine 20 Kc vom Tisch, bezahlte seinen Mokka, wünschte leise „Guten<br />
Abend" und entfernte sich aus dem Lokal.<br />
Herrn Nowak sah ich seit damals nicht mehr in der alten „Post"; und der Krieg,<br />
mit seinen für uns so unglücklichen Folgen hatte auch alle anderen so treuen<br />
Stammgäste dieses traulichen Cafelokales von einander getrennt.<br />
A. D ö 11 e r, Ehningen<br />
(BHB 1952)<br />
Beim „Hradetzky"