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„Anno dazumal"

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Lokal! Um 10 Uhr abends wurden unbarmherzig die Sessel umgekehrt auf die<br />

Tische gestellt, unbekümmert darum, daß so manche fröhliche Zecher ihre Sitzungen<br />

länger ausdehnen wollten. Spätestens aber um ½ 11 Uhr schlossen sich<br />

unweigerlich die gastlichen Pforten, um sich erst früh wieder zu öffnen.<br />

Längst verstummt ist das fröhliche Gläserklingen, versiegt der sprudelnde Quell<br />

des edlen Gerstensaftes, die Gäste sind in alle Welt zerstoben. Im Herzen so<br />

manchen Brüners aber hat neben vielen anderen lieben Erinnerungen, auch der<br />

„Hradetzky" ein bescheidenes Plätzchen.<br />

Erwin Schneider (BHB 1952)<br />

Eine Brünner Gastwirte-Tradition lebt wieder auf Zu<br />

3 F<br />

Von Hans Michalke<br />

Ja, Tradition ist wohl das richtige Wort, denn wenn ich mich in meiner Familie<br />

umsehe, ist alles verbunden mit Gastlichkeit der alten und jungen Zeit in Brünn.<br />

Und davon möchte ich etwas erzählen:<br />

Schon meine Großeltern hatten in der Rennergasse eine Weinstube neben der<br />

„Großen Maß" und es ist bezeichnend für den Geist dieser guten alten Zeit, daß<br />

ein friedliches Nebeneinander mit streng abgegrenzten Interessen möglich war,<br />

denn wollte ein Gast meiner Vorfahren ein Bier, so holte man dieses nebenan,<br />

während umgekehrt der Wein für die Gäste der „Großen Maß" in Pollaks<br />

Weinstube besorgt wurde. Auch die Eltern meines Schwagers Geitner werden<br />

vielen älteren Brünnern durch ihre Tätigkeit als Pächter der Bahnhofsgaststätte<br />

und des Restaurants im Hotel Padowetz bekannt sein, während sie später im<br />

eigenen Hause in der Jesuitengasse eine gutrenommierte Gastwirtschaft<br />

betrieben. Der Bruder meines Schwagers war lange Jahre Geschäftsführer des<br />

weltbekannten Hotels „Karrersee" und nachdem dieses einem Brande zum Opfer<br />

fiel, bewirtschaftete er mit seiner Schwester Käthe die Bahnhofswirtschaft in<br />

Bleiburg/Kämten. Der Bruder meiner Mutter hatte u. a. das „Rebhuhn" inne, im<br />

Gebäude der freiwilligen Feuerwehr, während die Eltern meiner Frau eine<br />

Gastwirtschaft in der Falkensteinergasse betrieben. Meine Eltern werden sicher<br />

allen noch lebenden Brünnem in Erinnerung sein, als sie in der Ferdinandgasse<br />

gegenüber der Konditorei Krinninger eine Gaststätte mit gutem Ruf führten. Oft<br />

erzählte mir meine Mutter Begebenheiten aus dieser Zeit, u. a. auch vom alten<br />

Slezak, dem Vater des Kammersängers und weltberühmten Tenors, der zu den<br />

Stammgästen gehörte. Er wollte es immer nicht zulassen, daß „sein Bub" zum<br />

Theater gehen sollte, und wie es nur der herzensguten Mutter zu verdanken war,<br />

daß „Leo" heimlich ausgebildet wurde. Der alte Slezak taufte in seiner launigen<br />

Art, die sicher auf seinen Sohn als Erbgut übergegangen ist, das Gasthaus<br />

meiner Eltern „zum blechernen Pferd".<br />

Auch von einer anderen sensationellen Begebenheit, die sich in der Gastwirtschaft<br />

meiner Eltern zutrug, wußte meine Mutter zu berichten. Einem<br />

Stammgast wurde von der Verkäuferin eines Tabakladens ein Gewinnrecht auf<br />

ein Wiener Kommunallos angetragen und da er sich nicht zum Kaufe entschließen<br />

konnte, bat sie: „Ach, kaufen Sie doch diese letzte Promesse, übermorgen ist<br />

Ziehung, Sie werden bestimmt Glück haben. Dieser Bitte wollte er sich nicht<br />

verschließen, forderte aber seinen Stammtisch zur Beteiligung an dem<br />

„versprochenen Glück" auf, da ihm die Ausgabe von 30 Kronen allein zu hoch<br />

war. Am 30. Juni 1903 fand die Ziehung statt mit dem Erfolg, daß auf dieses Los<br />

der damals schier unvorstellbare Betrag von 300 000 Gulden ö. W. fiel. Was sich<br />

damals an überströmender Freude tat und wieviel Räusche es gab, kann kaum

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