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Rückenschule Rückenschule - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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Dr. Peter Wastl<br />

Institut für Sportwissenschaft<br />

<strong>Heinrich</strong>-<strong>Heine</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Düsseldorf</strong><br />

Dr. Peter Wastl<br />

Institut für Sportwissenschaft<br />

<strong>Heinrich</strong>-<strong>Heine</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Düsseldorf</strong><br />

<strong>Rückenschule</strong><br />

<strong>Rückenschule</strong><br />

• Produktionsfaktor Gesundheit<br />

• Epidemiologische Situation und Perspektive<br />

• Wirtschaftliche Konsequenzen<br />

• Ursachen und Lokalisation von Rückenbeschwerden<br />

• <strong>Rückenschule</strong> als Gesundheitsförderung<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Produktionsfaktor Gesundheit<br />

Fakten:<br />

• Der Mensch verbringt durchschnittlich 80.000 Std. im Büro während<br />

des Berufslebens, davon ca. 85 % im Sitzen<br />

(Quelle: Innungskrankenkasse, Symposium "Gesundes Sitzen 91")<br />

• 80 % der Bevölkerung leiden unter Rückenschmerzen<br />

(Quelle: Umfrage Fraunhofer-Institut)<br />

• Rückenleiden sind der häufigste Grund für Arztbesuche<br />

(Quelle: Aktion Gesunder Rücken)<br />

• 1 /3 der Bevölkerung zwischen 35 - 50 Jahren leidet an chronischen<br />

Rückenschmerzen<br />

(Quelle: Aktion Gesunder Rücken)<br />

• 1/3 aller Fehlzeiten im Beruf sind auf Muskel- und Skeletterkrankungen<br />

zurückzuführen<br />

(Quelle: Untersuchung der BKK)<br />

• Rückenleiden sind einer der häufigsten Gr ünde für<br />

Frührentengewährung<br />

(Quelle: Globus '91)<br />

Rückenschmerzen - Epidemie unseres Jahrzehnts<br />

Gründe und Fakten:<br />

• Sozioökonomisches Problem (hohe Behandlungskosten,<br />

große Zahl von Arbeitsunfällen, viele Invalidenrenten<br />

• 80% der Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten<br />

leiden mindestens einmal in ihrem Leben an<br />

Rückenschmerzen<br />

• 15% chronisch, 5% Problemfälle<br />

• 80% der Behandlungskosten werden durch den so<br />

genannten unspezifischen Rückenschmerz verursacht,<br />

d. h. keine Diagnostik aufgrund von Schmerz auslösenden<br />

Strukturen im Bereich von Muskeln, Bändern, Knochen,<br />

Bandscheiben oder Nerven<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Rückenbeschwerden<br />

Epidemiologische Situation und Perspektive<br />

• Rückenschmerzen gehören zu den zweithäufigsten bis<br />

häufigsten Schmerzproblemen der Bevölkerung.<br />

• Im Mittel leiden die Betroffenen viele Jahre an den Schmerzen<br />

• Der Anteil der chronisch Leiden beträgt 15 – 35 Prozent.<br />

Diese Gruppe führt zu einer intensiven Inanspruchnahme des<br />

Gesundheitswesens.<br />

• Frauensind im Allgemeinen häufiger und schwerer betroffen<br />

als Männer.<br />

• Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Alter und dem<br />

Ausmaß der Beschwerden besteht nicht.<br />

• Das Gesundheitsproblem Rückenschmerzen bleibt nicht<br />

konstant, sondern nimmt jährlich zu.<br />

(nach BRATTENBERG/THORSLAND/WIKMAM 1989; PALMER 2000)<br />

Arbeitsunfähigkeit bedingt durch Rückenschmerzen<br />

… in Deutschland<br />

• 4% der gesamten Arbeitskraft<br />

• 10 Tage Arbeitsunfähigkeit / Jahr pro<br />

betroffenen Patienten<br />

• Kosten der Rentenversicherungsträger<br />

über 1 Mio. Euro im Jahr<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Krankgeschrieben warum?<br />

Anteil am<br />

krankheitsbedingten<br />

Arbeitsausfall<br />

1990 in %<br />

Bluthochdruck<br />

Krebs<br />

Venen, Arterien<br />

Nerven<br />

Herz<br />

Bronchitis u. ä.<br />

Magen, Darm<br />

Verletzung<br />

Rücken<br />

Grippe u. ä.<br />

Rheumatismus<br />

Gelenke<br />

Neurosen<br />

Harnorgane<br />

Infektionen<br />

Haut<br />

1,2<br />

2,1<br />

2,3<br />

2,3<br />

1,8<br />

2,6<br />

2,7<br />

2,4<br />

3,1<br />

5<br />

5<br />

4,6<br />

6,5<br />

9,9<br />

14,2<br />

17,3<br />

0 5 10 15 20<br />

andere 17,0<br />

Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Dr. P. Wastl<br />

Krankheiten im Betrieb Krankheitsgruppen nach Fällen<br />

in Prozentangaben<br />

Muskel- und<br />

Skeletterkrankungen<br />

20 %<br />

Erkrankungen der<br />

Verdauungsorgane<br />

14,3 %<br />

Verletzungen und<br />

Vergiftungen<br />

9,7 %<br />

(Bundesverband der Betriebskrankenkassen 1993)<br />

Fälle<br />

Atemwegserkrankungen<br />

30,9 %<br />

Herz-Kreislauferkrankungen<br />

4,3 %<br />

Dr. P. Wastl


Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Krankheiten im Betrieb Arbeitsunfähigkeitstage nach Krankheitsgruppen<br />

in Prozentangaben<br />

Muskel- und<br />

Skeletterkrankungen<br />

29,7 %<br />

Erkrankungen der<br />

Verdauungsorgane<br />

8,9 %<br />

Tage<br />

(Bundesverband der Betriebskrankenkassen 1993)<br />

Atemwegserkrankungen<br />

19,0 %<br />

Herz-Kreislauferkrankungen<br />

7,8 %<br />

Verletzungen und<br />

Vergiftungen<br />

11,7 %<br />

Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Krankheitsartenstatistik 1996<br />

Krankheitsgruppen<br />

Atmungsorgane<br />

Skelett, Muskeln u. Bindegewebe<br />

Verdauungsorgane<br />

Verletzungen und Vergiftungen<br />

Herz-Kreislaufsystem<br />

Infektionen<br />

Nervensystem u. Sinnesorgane<br />

Psychiatrische Krankheiten<br />

Harn- und Geschlechtsorgane<br />

Haut<br />

Schwangerschaft<br />

Immunsystem<br />

1<br />

3<br />

2<br />

2<br />

1,5<br />

1<br />

2,5<br />

3<br />

(AOK-Bundesverband 1996)<br />

4<br />

4<br />

3<br />

5<br />

6<br />

Arbeitsunfähigkeitsfälle<br />

11<br />

15<br />

15<br />

17<br />

19<br />

24<br />

30<br />

Dr. P. Wastl<br />

je 100 Pflichtmitglieder im Jahr<br />

1996<br />

1985<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

34<br />

Dr. P. Wastl


Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Krankheitsartenstatistik 1996<br />

Krankheitsgruppen<br />

Atmungsorgane<br />

Skelett, Muskeln u. Bindegewebe<br />

Verdauungsorgane<br />

Verletzungen und Vergiftungen<br />

Herz-Kreislaufsystem<br />

Infektionen<br />

Nervensystem u. Sinnesorgane<br />

Psychiatrische Krankheiten<br />

Harn- und Geschlechtsorgane<br />

Haut<br />

Schwangerschaft<br />

Immunsystem<br />

15<br />

15<br />

30<br />

20<br />

60<br />

60<br />

60<br />

80<br />

50<br />

50<br />

(AOK-Bundesverband 1996)<br />

100<br />

80<br />

100<br />

Arbeitsunfähigkeitstage<br />

170<br />

200<br />

210<br />

200<br />

200<br />

370<br />

350<br />

360<br />

0 100 200 300 400 500 600 700 800<br />

400<br />

je 100 Pflichtmitglieder im Jahr<br />

500<br />

1996<br />

1985<br />

Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Ursachen vorzeitiger Rentengewährung<br />

27% Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />

20% Rückenleiden<br />

11% Neurosen, Psychosen<br />

9% Krebs<br />

Männer Frauen<br />

8% Gelenkleiden<br />

6% Lungen-, Atemwegs-Erkrankungen<br />

(AOK-Bundesverband 1996)<br />

20% Neurosen, Psychosen<br />

19% Rückenleiden<br />

11% Krebs<br />

10% Gelenkleiden<br />

4% Nervenleiden<br />

19% Sonstige 19% Sonstige<br />

750<br />

Dr. P. Wastl<br />

15% Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />

Dr. P. Wastl


Arbeitsunfähigkeit und wirtschaftliche Konsequenzen<br />

• Auf 100 Mitarbeiter im Büro- und Verwaltungsbereich<br />

entfallen durch Rückenbeschwerden durchschnittlich:<br />

� 30 AU-Fälle mit durchschnittlich 28 AU-Tagen (= 840 Tage)<br />

Kosten pro Arbeitstag: 400 € im Durchschnitt<br />

Kosten je Krankheitsfall: 11.200 € (28 Tage x 400 €)<br />

Kosten je 100 Mitarbeiter: 336.000 € (840 x 400 €)<br />

• Volkswirtschaftliche Kosten pro Jahr in der BRD:<br />

- für die Arbeitgeber: 13,8 Milliarden €<br />

- für die Kostenträger: 23,0 Milliarden<br />

(Quelle: Assistenz Forum 9/92; BKK-Statistik 1993)<br />

• Indirekte Kosten bei Rückenleiden aufgrund von:<br />

- Leistungsminderung<br />

- Fehlerhäufigkeit<br />

- Schmerzpausen<br />

Rückenbeschwerden in den Industrienationen<br />

Land<br />

USA<br />

Canada<br />

United<br />

Kingdom<br />

Deutschland<br />

(West)<br />

Niederlande<br />

Schweden<br />

Population<br />

(Mio)<br />

240<br />

23<br />

55<br />

61<br />

14<br />

8,5<br />

AU-Tage /<br />

Jahr (Mio)<br />

20<br />

10<br />

33<br />

16<br />

4<br />

28<br />

Produktivitätsverlust<br />

(%)<br />

2<br />

2<br />

2<br />

4<br />

4<br />

8<br />

Arbeitsunfähigkeit<br />

(Tage/Patient/Jahr)<br />

9<br />

20<br />

30<br />

10<br />

25<br />

40<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Ursachen von Rückenbeschwerden<br />

psychische<br />

Belastungen<br />

Veranlagung<br />

Bewegungsmangel<br />

Rückenschmerzen<br />

einseitige körperliche<br />

Belastungen<br />

Ursachen von Rückenbeschwerden<br />

Gute Motorik<br />

sicherte die<br />

Existenz<br />

Fehlendes<br />

Körperbewusstsein<br />

Fehlernährung<br />

Veränderung im privaten- und beruflichen Bereich<br />

Belastung früher und heute<br />

physisch<br />

psychisch<br />

Zeitachse<br />

Dr. P. Wastl<br />

50% klagen über Stress<br />

10% sind körperlich<br />

stark belastet<br />

Dr. P. Wastl


Ursachen von Rückenbeschwerden<br />

Veränderung im privaten- und beruflichen Bereich<br />

Ursachen von Rückenbeschwerden<br />

Der Mensch im<br />

Passivitätskreislauf<br />

Veränderung im privaten- und beruflichen Bereich<br />

< 2.500 Kcal<br />

> 3.000 Kcal<br />

früher<br />

heute<br />

Dr. P. Wastl<br />

> 3.000 Kcal<br />

< 2.500 Kcal<br />

Dr. P. Wastl


Schmerzkreislauf bei chronischen Rückenschmerzen<br />

Somatische Faktoren<br />

(genetisch, traumatisch …)<br />

gestörte Krankheitsverarbeitung<br />

Belastende Lebenssituation,<br />

aktuelle psychische Konflikte<br />

Schädigung des Bandscheibenund<br />

Stützapparates<br />

Rückenschmerzen<br />

Depression<br />

Angst<br />

Lokalisation der Rückenschmerzen<br />

• Zervikalsyndrom<br />

• Thorakalsyndrom<br />

• Lumbalsyndrom � 2/3 der Beschwerden<br />

Soziale Faktoren<br />

(Arbeitsplatz …)<br />

erhöhter Dauertonus<br />

der Rückenmuskulatur<br />

Psychische Traumen,<br />

Persönlichkeitsfaktoren<br />

• Lokales Syndrom � auf die Region beschränkt<br />

• Wurzelsyndrom � Ausstrahlen in die Extremitäten<br />

• mono- und polyradikuläres Syndrom<br />

� je nach Anzahl der affizierten<br />

Nervenmuskeln<br />

Unterscheidung nach zeitlichem Auftreten:<br />

• akut<br />

• Subakut<br />

• rezidivierend<br />

• chronisch<br />

Dr. P. Wastl


Lokalisation der Rückenschmerzen<br />

Lokalisation der Rückenschmerzen<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Gezielte Maßnahmen<br />

RÜCKENSCHULE<br />

• Erziehung zu einem rückenkonformen Verhalten<br />

• Anleitung zu ergonomisch korrektem Einsatz des Rückens<br />

im Alltag<br />

• Anleitung zur Stress- und Schmerzbewältigung<br />

• Anleitung zur Selbsthilfe beim Auftreten von<br />

Rückenschmerzen und<br />

• Anleitung zur Verbesserung der allgemeinen körperlichen<br />

Leistungsfähigkeit<br />

Wirtschaftliche Konsequenzen<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung zahlt sich aus:<br />

Beispiele aus der Wirtschaft:<br />

C + A Dick GmbH:<br />

(Quelle: Blick durch die Wirtschaft 01.03.1994,<br />

WHO Datenbank BKK Bundesverband Essen)<br />

Krankenstand: 1988 8,2 %<br />

1993 4,8 %<br />

jährliche Einsparung nach Abzug<br />

der Investitionen: 460.000 €<br />

Pinneberger Verkehrsgesellschaft:<br />

(Quelle: Amtliche Mitteilungen der BAU, April 1994)<br />

Krankenstand: 1988 12,5 %<br />

1993 8,5 %<br />

jährliche Einsparung nach Abzug<br />

der Investitionen: 750.000 €<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Geschichte der <strong>Rückenschule</strong><br />

Drei Basismodelle<br />

Gründung<br />

Personal<br />

Dauer<br />

Klientel<br />

Gruppengröße<br />

Verbreitung<br />

Besonderheiten<br />

Setting<br />

Hauptziele<br />

Svenska<br />

Ryggskola<br />

1969 Stockholm<br />

(Zachrisson-Forssell)<br />

Physiotherapeut<br />

4 Sitzungen á 45 min<br />

2 Wochen<br />

Patienten bes. mit akuten<br />

Beschwerden<br />

6 – 8 Personen<br />

Skandinavien, England,<br />

Irland, Niederlande<br />

Stufenlagerung während<br />

der Informationsvermittlung<br />

ambulant<br />

„Rückenvorsorge“,<br />

ergonomische Beratung<br />

Canadian Back<br />

Education Units<br />

1974 Toronto<br />

Hall<br />

4 Sitzungen á 90 min in<br />

4 Wochen, nach 6 Wochen<br />

Abschlusssitzung<br />

Patienten bes. mit<br />

chronischen Beschwerden<br />

15 - 20 Personen<br />

Kanada und USA<br />

Kooperation mit Psychiatern<br />

und Psychologen<br />

ambulant<br />

Geschichte der <strong>Rückenschule</strong><br />

<strong>Rückenschule</strong>n in Deutschland<br />

Physiotherapeut, Orthopäde,<br />

Psychiater, Psychologe<br />

„Rückenvorsorge“,<br />

Einstellungsänderungen<br />

gegenüber Beschwerden<br />

• Die Bochumer <strong>Rückenschule</strong> (KRÄMER 1984)<br />

• Die Mettmanner <strong>Rückenschule</strong> (NENTWIG 1985)<br />

• Karlsruher <strong>Rückenschule</strong> (KEMPF 1989)<br />

• …..<br />

California Back School<br />

1976 San Francisco<br />

White u. Mattmiller<br />

Physiotherapeut, Orthopäde<br />

4 Sitzungen á 90 min<br />

7 Wochen<br />

Patienten bes. mit akuten<br />

Beschwerden<br />

4 Personen, auch<br />

Einzelsitzungen<br />

USA und Deutschland<br />

Medizinische Betreuung,<br />

Einzelkurse<br />

Ambulant und stationär<br />

„Rückenvorsorge“<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Definition von <strong>Rückenschule</strong><br />

<strong>Rückenschule</strong>n sind Einrichtungen vorbeugender Gesundheitspflege<br />

„Die <strong>Rückenschule</strong> ist eine Einrichtung der vorbeugenden Gesundheitspflege zur<br />

Prävention und Rehabilitation von Wirbels äulenschäden. Es gibt Fehlhaltungen<br />

und fehlerhaftes Verhalten, z. B. beim Sitzen, Heben, Tragen und Bücken, die bei<br />

gegebener Veranlagung zu Rückenschäden führen könnten. In der <strong>Rückenschule</strong><br />

werden wirbels äulenschädliche Haltungen durch wirbels äulenfreundliche<br />

ersetzt.“<br />

(KRÄMER 1984)<br />

� Orthopädische <strong>Rückenschule</strong> � Risikofaktorenmodell<br />

„<strong>Rückenschule</strong>n sind gruppentherapeutische Verfahren und dienen in e rster<br />

Linie der Erziehung von Personen mit und ohne Rückenschmerzen zu einem<br />

rückenkonformen Verhalten. Vermittelt werden Anleitungen zu ergonomisch<br />

korrektem Einsatz des Rückens im Alltag, zur Stress- und Schmerzbew ältigung,<br />

zur Selbsthilfe beim Auftreten von Rückenschmerzen und zur Verbesserung der<br />

allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit.“<br />

(SCHLAPBACH 1994)<br />

� Präventive ganzheitliche <strong>Rückenschule</strong> � Salutogenesemodell<br />

Geschichte der <strong>Rückenschule</strong><br />

<strong>Rückenschule</strong> in Deutschland<br />

Klientel<br />

Gruppengröße<br />

Rückenschullehrer<br />

Räumlichkeiten<br />

Requisiten<br />

Inhalte<br />

Methoden und<br />

Didaktik<br />

Zertifikate und<br />

Kosten<br />

Patienten mit den Diagnosen: degenerative Wirbelsäulenerkrankungen, Lumboischialgie,<br />

Facettensyndrom, akute und chronische Rückenschmerzen unterschiedlicher<br />

Genese, Zustand nach Wirbelfrakturen, Zustand nach Diskotomie,<br />

Wirbelkanalstenose, Osteoporose, stressbedingte Rückenschmerzen ohne<br />

anatomisches Substrat, Personen ohne Rückenbeschwerden<br />

6 – 20 Personen<br />

Orthopäden, Krankengymnasten, Psychologen, Sporttherapeuten<br />

variabel,: Seminarräume, Gymnastiksäle, Therapieräume, Wohnungen,<br />

Volkshochschulräume, Räume in Kureinrichtungen<br />

Overhead- und Diaprojektion, Poster, Stehtafeln, Viedeofilme, Möbel,<br />

Haushaltsgeräte, Bälle, Gymnastikgeräte, Fitnessgeräte …<br />

informativ-demonstrierend, krankengymnastisch-übend, verhaltensmedizinisch,<br />

spielerisch-sportlich, trainierend-sportlich<br />

Zwischen 5 und 20 € je Teilnehmer und Sitzung; die Krankenkassen erstatten in<br />

einigen Fällen Teile der Kosten (meist gegen Vorlage TN-Zertifikat)<br />

Dr. P. Wastl<br />

Theoretische Kenntnisse zur Anatomie, Physiologie und Pathologie der<br />

Wirbelsäule, Informationen und praktische Übungen zum Bewegungsverhalten im<br />

Sitzen, Stehen, Liegen, heben, Tragen, Kraftübungen, Dehnübungen, Spiele,<br />

Entspannungsübungen …<br />

Dr. P. Wastl


Ziele der <strong>Rückenschule</strong><br />

Zentrales Ziel von <strong>Rückenschule</strong>n<br />

… ist die Veränderung gewohnheitsmäßiger, r ückenunfreundlicher Verhaltens -<br />

weisen. Es geht vor allem um das Erlernen wirbelsäulengerechter Bewegungsformen<br />

und Körperhaltungen sowie deren selbstständige Anwendung im<br />

individuellen Alltag und Beruf.<br />

Die zu verändernden Verhaltensweisen sind Bewegungsabläufe und Verhaltensweisen,<br />

die über Jahrzehnte täglich vielfach ausgef ührt werden, ohne dass es jemals<br />

zu Schmerzen gekommen ist.<br />

Dadurch wird rückenbelastendes Verhalten zu einer stark änderungsresistenten<br />

Gewohnheit. Es reicht daher in aller Regel nicht aus, Patienten nur über die Inhalte<br />

der <strong>Rückenschule</strong> zu informieren.<br />

Ganzheitliche Verhaltensschulung<br />

Das neue, rückenfreundliche Haltungs- und Bewegungsverhalten muss vielmehr<br />

ganzheitlich, das heißt gleichzeitig auf folgenden Ebenen geschult werden:<br />

� auf der Erkennungsebene,<br />

� auf der Bewegungsebene,<br />

� auf der Gefühlsebene,<br />

� auf der Gesellschaftsebene.<br />

Ferner muss es durch bew ährte Verfahren der Verhaltensveränderung, zum Beispiel die<br />

systematische Selbstbeobachtung, ergänzt werden.<br />

Ziele der <strong>Rückenschule</strong><br />

„Karlsruher Modell“<br />

(KEMPF 1996, 18-19)<br />

motorische<br />

Ziele<br />

Verbesserung d. motorischen<br />

Handlungsf ähigkeit<br />

• Sensibilisieren für<br />

- Vorgänge im Körper (Körperwahrnehmung)<br />

- rückenfreundliche Bewegungsmuster<br />

und Verhaltensweisen<br />

• Vermitteln und Erarbeiten von:<br />

- Übungen aus der funktionellen<br />

Gymnastik<br />

- einer ausgewogenen Körperhaltung<br />

- rückenfreundlichem Bewegungsverhalten<br />

- Entlastungshaltungen<br />

- Entspannungsverfahren<br />

• Verbessern der Bewegungssicherheit<br />

u. der Alltagsmotorik<br />

• Erlernen neuer motorischer<br />

Fertigkeiten<br />

• Stabilisierung und Ergänzung<br />

einer krankengymnastischen<br />

Behandlung<br />

kognitive<br />

Ziele<br />

Vermittlung rückenspezifischer<br />

Kenntnisse<br />

• Vermittlung der wichtigsten<br />

Grundlagen<br />

aus den Bereichen:<br />

- Anatomie und<br />

Physiologie<br />

- Funktionsgymnastik<br />

- Entspannung<br />

- Belastungs- und<br />

Risikofaktoren<br />

- Ergonomie<br />

- Trainingslehre (richtigeBelastungsdosierung)<br />

- Verhaltensmedizin<br />

(-modifikation)<br />

- gesunde Lebensführung<br />

(Schutzfakt -<br />

oren) und Gesundheitsvorsorge<br />

affektivemotionale<br />

Ziele<br />

Fördern von freudbetontem<br />

Bewegen<br />

• Erleben von<br />

- Spaß und Freude im Spiel und<br />

in der Bewegung<br />

- positiven Gruppenerlebnissen<br />

• Steigerung der allgemeinen Zufriedenheit<br />

und des Wohlbefindens<br />

• Verbessern der Kö rperwahrnehmungs-<br />

und Entspannungsfähigkeit<br />

• Erkennen der individuellen<br />

Leistungsfähigkeit (realistische<br />

Selbsteinschätzung)<br />

• Fördern von Erfolgserlebnissen<br />

(unter Anerkennung d. eigenen<br />

Leistungsfähigkeit)<br />

• Bewusstmachen der Selbstverantwortung<br />

• Entwicklung der Kreativität<br />

• Fördern des Selbstbewusstseins<br />

soziale<br />

Ziele<br />

Dr. P. Wastl<br />

Motivation zur Anwendung wirkungsvoller Alltagsstrategien,<br />

z.B. Hinführung zu einem rückenfreundlichen Verhalten<br />

Verbesserung der<br />

sozialen Kompetenz<br />

• Stärken der Kommunikationsfähigkeit,Kontaktaufnahme<br />

und Interaktion<br />

zwischen den<br />

Gruppenmitgliedern<br />

• Fördern der kooperativen<br />

Zusammenarbeit<br />

(Teamwork) und Mitverantwortung<br />

• Unterstützen der<br />

Offenheit und Inte -<br />

grationsfähigkeit<br />

• Anregen zur friedlichen<br />

Konfliktbewältigung und<br />

Rücksichtnahme auf die<br />

individuellen Bedürfnisse<br />

einzelner<br />

Gruppenmitglieder


Inhalte der <strong>Rückenschule</strong><br />

1. Verhalten im Alltag<br />

Haltung und Bewegung werden individuell korrigiert.<br />

Rückengerechte Hebe- und Tragetechniken werden so eingeübt und trainiert, dass sie auch in den Alltag<br />

umgesetzt werden können.<br />

2. Bewegung<br />

Über weiterführende rückenschonende Bewegungsaktivitäten wird informiert. Gymnastische Übungen zur<br />

gezielten Kräftigung und Dehnung einzelner Muskelgruppen werden durchgef ührt.<br />

Anleitungen werden gegeben für das gezielte, individuell angemessene Rückentraining zu Hause.<br />

3. Entspannung<br />

Über verschiedene Formen der Entspannung wird informiert. Entspannungstechniken, wie beispielsweise<br />

die so genannte progressive Muskelentspannung, werden durchgef ührt und trainiert.<br />

Anleitungen für selbstständig durchzuf ührendes Entspannungstraining werden vermittelt.<br />

4. Umgang mit Schmerz<br />

Verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Schmerz sowie das Erlernen verschiedener Formen zur<br />

Bewältigung des Schmerzes stehen im Vordergrund.<br />

Verschiedene Möglichkeiten zum Umgang mit Schmerz werden erprobt, so dass sie auch im Alltag<br />

umgesetzt werden können.<br />

5. Arbeitsplatz<br />

Über die rückengerechte Arbeitsplatzgestaltung Tischhöhe, Sitzkissen etc.) wird informiert.<br />

Die „Rückenfreundlichkeit“ des Arbeitsplatzes wird von Experten überprüft oder es werden Anleitungen<br />

zur persönlichen Analyse des Arbeitsplatzes gegeben.<br />

6. Spiele<br />

Spiele zum Kennenlernen, zur Wahrnehmungsschulung und zur Vertrauensbildung werden durchgef ührt,<br />

um die Motivation und die Kooperationsbereitschaft zu f ördern.<br />

Inhalte der <strong>Rückenschule</strong><br />

Beispiel: Arbeitsplatz<br />

Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl


Inhalte der <strong>Rückenschule</strong><br />

Inhalt<br />

Stundenaufbau eines Rückenschul-Kurses<br />

1. Eingangsgespräch<br />

2. Aufwärmphase<br />

funktionell oder spielerisch<br />

3. <strong>Rückenschule</strong><br />

Hebe-, Bück-, Trage-, Sitz- und Liegetechniken; Alltagstransfer<br />

4. Spezielle Funktionsgymnastik<br />

Mobilisation, Dehnung, Stabilisation und Kräftigung<br />

Erarbeitung eines "Heimprogramms"<br />

5. Ausklang<br />

Psycho-Physische Regulation<br />

Spielerische Elemente, Entspannungsübungen<br />

6. Abschlussgespräch<br />

Inhalte der <strong>Rückenschule</strong><br />

Dauer der Kursstunde<br />

Phasen<br />

Eingangsphase<br />

Aufwärmphase<br />

<strong>Rückenschule</strong><br />

Funktionsgymnastik<br />

Ausklang<br />

Abschlußgespräch<br />

(in Anlehnung an WAGUS)<br />

Inhalte<br />

Erfahrungsaustausch, Nachfragen über das Wohlbefinden<br />

evt. Klärung aufgetretener Probleme Kurze Besprechung des Stundenthemas<br />

• Lustige Geh- und Laufspiele mit Musik und<br />

verschiedenen Handgeräten (Pulsmessung)<br />

• Aufwärmgymnastik mit Musik und benutzten<br />

Handgeräten<br />

• Kleine Spiele<br />

alle Formen unter rückengerechten Aspekten durchführen!<br />

• gezielte Haltungs- und Koordinationsschulung<br />

• Einüben und Verbessern von Alltagstechniken<br />

(Sitzen, Stehen, Gehen, Bücken, Tragen u. a.)<br />

• Die jeweiligen Übungen richten sich nach dem<br />

Themenschwerpunkt der Stunde<br />

• Mobilisation, Stabilisation, Dehnung und<br />

Körperwahrnehmung<br />

• Atemübungen<br />

• Übungen erklären, einüben, wiederholen,<br />

intensivieren<br />

Luftballons, Stäbe<br />

Bohnensäckchen<br />

Zeitungen<br />

Seile, Reifen<br />

Keulen, Bälle<br />

Grundstellung<br />

Stand<br />

Sitz auf Stuhl<br />

Rücken-, Bauch-,und<br />

Seitenlage<br />

Bankstellung<br />

Sitz am Boden<br />

Kniestand<br />

• Kleine Spiele<br />

• Körperwahrnehmungsübungen (Eutonie u.a.)<br />

• Entspannungsformen (MTE, Entspannung. mit Musik, Atemübungen u. a.)<br />

• kurze Abschlussbesprechung mit Hinweis auf die nächste Stunde<br />

• evt. individuelle Heimprogramme mitgeben<br />

�<br />

ca. 5 min<br />

ca. 10 min<br />

ca. 15 min<br />

ca. 40 min<br />

ca. 15 min<br />

ca. 5 min<br />

90 min<br />

60 Minuten<br />

Dauer<br />

5 Minuten<br />

10 Minuten<br />

5 Minuten<br />

25 Minuten<br />

13 Minuten<br />

2 Minuten


Effektivität von <strong>Rückenschule</strong>n<br />

Metaanalyse von 18 Studien:<br />

Überprüfungskriterien<br />

Wissen über Rückenschulinhalte<br />

Rückengerechtes Verhalten<br />

Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />

Inanspruchnahme des Gesundheitssystems<br />

Schmerzintensität<br />

Funktionseinschränkung<br />

��� = große Effektstärke<br />

�� = kleine Effektstärke<br />

� = sehr kleine Effektstärke<br />

(MAIER-RIEHLE 1996)<br />

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Resultate bisheriger <strong>Rückenschule</strong>valuationen<br />

Wirksamkeit von <strong>Rückenschule</strong>n ist immer noch nicht gesichert<br />

Nach NENTWIG (1999) kann die <strong>Rückenschule</strong> gesichert gelten für:<br />

• Programme, die im betrieb und arbeitsplatznah durchgeführt werden<br />

• Programme, die ein intensive Schulung beinhalten. Die Intensität steigt<br />

mit der Dauer der Schulung, dem Einsatz von didaktischen Maßnahmen zur<br />

Verhaltens änderung und -stabilisierung<br />

Wirkungen folgender <strong>Rückenschule</strong>n müssen als noch nicht gesichert<br />

betrachtet werden:<br />

• <strong>Rückenschule</strong>n, die außerhalb der Arbeitsumgebung durchgeführt werden<br />

• bei akuten und subakuten Beschwerden weniger als bei chronischen<br />

beschwerden<br />

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Dr. P. Wastl<br />

Dr. P. Wastl

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