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Brunch-Zeitung 2008 - Link Grischun

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1. August <strong>2008</strong> | <strong>Brunch</strong> HINTERGRUND<br />

bands (SBV) lagen im Januar<br />

<strong>2008</strong> die Preise für Nahrungsmittel<br />

in der Schweiz insgesamt<br />

um 2,3% höher als im<br />

gleichen Vorjahresmonat. Interessant<br />

ist der Vergleich (Januar<br />

2007 bis Februar <strong>2008</strong>)<br />

zur Entwicklung der Preise,<br />

den die produzierenden Bauern<br />

für ihre Waren lösten:<br />

Insgesamt lag hier die Zunahme<br />

bei 7,7%, wobei sie für<br />

pflanzliche Produkte wie Getreide,<br />

Kartoffeln, Zuckerrüben<br />

oder Obst 2,6% und für tierische<br />

Erzeugnisse wie Fleisch,<br />

Milch oder Eier 10,1% mehr<br />

lösten.<br />

Konkurrenzfähigere<br />

Schweizer Bauern<br />

Die weltweit hohen Preise für<br />

Nahrung wertet der Schweizerische<br />

Bauernverband als positiv<br />

für die Schweizer Bauernfamilien.<br />

«Die Differenz der<br />

Produktionspreise zwischen<br />

der Schweiz und der EU sowie<br />

auf dem Weltmarkt wird kleiner.<br />

Unsere Bauern werden<br />

somit wettbewerbsfähiger», erklärt<br />

SBV-Pressesprecherin<br />

Sandra Helfenstein. Und: «Ein-<br />

kaufen in der Schweiz lohnt<br />

sich wieder.»<br />

Obwohl die steigenden Lebensmittelpreise<br />

die Menschen<br />

auf der ganzen Welt betreffen,<br />

sehen die Konsequenzen<br />

überall anders aus.<br />

Während bei Herr und Frau<br />

Schweizer gemäss Eidgenössischer<br />

Verbrauchserhebung der<br />

Anteil der Haushaltsausgaben<br />

für Nahrungsmittel in den<br />

letzten Jahren auf 7,7% gesunken<br />

ist, geben die Ärmsten<br />

der Armen gemäss Angaben<br />

der Uno oft bis zu vier<br />

Fünftel ihres Budgets für<br />

Brot, Reis und Wasser aus. Minimale<br />

Preissteigerungen wirken<br />

sich daher für sie verheerend<br />

aus.<br />

Die höheren Preise für Lebensmittel<br />

in der Schweiz werden<br />

durch die vergleichsweise sehr<br />

hohen Löhne und tiefen Abgaben<br />

ausgeglichen. Die Schweizer<br />

verfügen gemäss einer Studie<br />

der Grossbank UBS – gefolgt<br />

von Personen die in Los Angeles<br />

oder Dublin wohnen – über<br />

die höchste Kaufkraft. Sie arbeiten<br />

gerade mal fünf Minuten,<br />

um sich beispielsweise ein Kilo<br />

Reis leisten zu können. In<br />

München müssen die Menschen<br />

dafür 15 Minuten, in Sofia<br />

sogar 31 Minuten arbeiten.<br />

Hohe Produktionskosten<br />

drücken Produzentenpreise<br />

Alles in Butter also für die<br />

Schweizer Bauernfamilien? –<br />

Sorgen bereiten die in den letzten<br />

Monaten stark angestiegenen<br />

Produktionskosten, die die<br />

höheren Erlöse beim Verkauf<br />

landwirtschaftlicher Erzeugnisse<br />

schmälern. Seit dem letzten<br />

Quartal des Jahres 2007 hat<br />

eine Teuerungswelle, die vor<br />

allem durch international steigende<br />

Preise für Rohstoffe –<br />

dazu gehören Erdöl, Dünger,<br />

Futtermittel (vor allem Soja)<br />

und Metalle (Landmaschinen<br />

und Einrichtungen) – die<br />

Schweiz erfasst.<br />

Zum Vergleich: die Jahresteuerung<br />

in der Schweiz betrug<br />

im März <strong>2008</strong> 2,6%. Zwischen<br />

März 2007 und März <strong>2008</strong> stiegen<br />

die Preise für Düngemittel<br />

im Durchschnitt um 33,7%.<br />

Die Preise für Treibstoffe stiegen<br />

in derselben Periode um<br />

21,1%. Für Futtermittel waren<br />

7<br />

es zwar lediglich 1,8%. Die Situation<br />

ist hier jedoch vor allem<br />

bei Soja als wichtigem Proteinlieferant<br />

kritisch, da der<br />

Weltmarktpreis für Sojabohnen<br />

sich innert weniger Monate<br />

fast verdoppelte.<br />

Schweizer Bäuerinnen und<br />

Bauern liefern den Konsumenten<br />

das ganze Jahr hindurch<br />

qualitativ hochwertige und sichere<br />

Lebensmittel, die sie unter<br />

strengen ökologischen Vorgaben<br />

und tierfreundlich produzieren.<br />

In der Schweiz hergestellte<br />

Nahrungsmittel bieten<br />

deshalb einen klaren Mehrwert<br />

und dieser hat seinen<br />

Preis.<br />

Salatblatt, Rüeblikraut<br />

und Radieschen<br />

Der Markt in Freiburg erreicht<br />

sein Ende. Die Marktfahrer<br />

packen ihre Restposten zusammen.<br />

Übrig bleiben eine Papiereinkaufstüte,<br />

Rüeblikraut,<br />

einige Salatblätter und ein Radieschen,<br />

die die städtische<br />

Putzequipe mit geübten Besenstrichen<br />

in kurzer Zeit entfernt.<br />

| Christine Caron-Wickli<br />

«Die Schweizer Landwirtschaft ist konkurrenzfähiger geworden»<br />

BRUNCH: Die Preise für Lebensmittel<br />

sind ausserhalb der<br />

Schweizer Grenzen so hoch wie<br />

nie zuvor. In der Schweiz ist davon<br />

kaum etwas zu bemerken. Wieso?<br />

HANSJÖRG WALTER: Das liegt<br />

in erster Linie daran, dass wir uns<br />

bisher in der Schweiz auf einem<br />

höheren Preisniveau bewegten.<br />

Mit den weltweiten Entwicklungen<br />

ist die Schweizer Landwirtschaft<br />

aber konkurrenzfähiger geworden.<br />

Unterdessen ist beispielsweise der<br />

Importweizen teurer als unserer.<br />

Für die Konsumenten hat es den<br />

Vorteil, dass sie die Preissprünge<br />

nur in sehr milder Form spüren.<br />

Der Bundesrat geht davon aus,<br />

dass mit einem Agrarfreihandelsabkommen<br />

mit der EU die Lebensmittelpreise<br />

um 25 Prozent sinken<br />

würden. Was sagen Sie dazu?<br />

WALTER: Diese Behauptung ist<br />

unrealistisch und soll wohl als<br />

Lockvogel für Gutgläubige dienen.<br />

Sogar wenn wir Bauern unsere<br />

Produkte kostenlos abgeben würden,<br />

gäbe es keine Preissenkung<br />

von 25 Prozent. In den letzten<br />

15 Jahren sind die Produzentenpreise<br />

um einen Viertel gesunken<br />

und die Lebensmittelpreise sind<br />

im gleichen Zeitraum dennoch um<br />

15 Prozent gestiegen. Tatsache ist,<br />

dass die Preise für die landwirtschaftlichen<br />

Rohstoffe nur einen<br />

sehr geringen Anteil und kaum<br />

einen Einfluss auf den Ladenpreis<br />

haben.<br />

Ein Agrarfreihandelsabkommen mit<br />

der EU würde die Anzahl Bauernbetriebe<br />

in der Schweiz nochmals<br />

sehr drastisch reduzieren und unser<br />

Landschaftsbild nachhaltig verändern.<br />

Unsere Berechnungen ha-<br />

Hansjörg Walter<br />

ben gezeigt, dass die Bauernfamilien<br />

rund die Hälfte ihres Einkommens<br />

verlieren würden. Da dieses<br />

heute schon tief ist, wäre ein solches<br />

Abkommen der Todesstoss für<br />

viele kleine und mittlere Betriebe.<br />

Wie sieht die Versorgungssicherheit<br />

mit Nahrungsmitteln heute<br />

und in Zukunft in der Schweiz aus?<br />

WALTER: Die Schweiz hat den<br />

grossen Vorteil, dass sie ein reiches<br />

Land ist und über die höchste<br />

Kaufkraft weltweit verfügt. Bevor<br />

wir uns unser Essen nicht mehr<br />

leisten können, sind überall sonst<br />

auf der Welt schon sehr viele Menschen<br />

verhungert. Deshalb ist es<br />

wichtig, dass jedes Land einen<br />

gewissen Grad der Selbstversorgung<br />

aufrechterhalten kann. Die<br />

grossen Agrarexportnationen<br />

dürfen nicht – und dies noch mit<br />

dem Segen der internationalen<br />

Welthandelsorganisation (WTO) –<br />

den Kleinbauern in den Entwicklungs-<br />

und Importländern wie der<br />

Schweiz die Existenz zerstören.<br />

Jedes Land soll das Recht haben,<br />

für seine Bevölkerung Nahrungsmittel<br />

zu produzieren.<br />

| Interview Christine Caron-Wickli<br />

Hansjörg Walter ist Präsident des Schweizerischen<br />

Bauernverbands (SBV), Nationalrat<br />

(SVP) und Landwirt in Wängi TG.

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