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Vincenz Aktuell - St. Vincentius-Kliniken gAG

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mindestens 30% aller in einer Klinik<br />

Verstorbenen zu obduzieren.<br />

Für die Angehörigen<br />

Der Verlust eines Angehörigen führt<br />

bei den Hinterbliebenen nicht selten<br />

zu Unsicherheit und Fragen, wenn<br />

nicht sogar zum (unausgesprochenen)<br />

Misstrauen gegenüber den Ärzten.<br />

Eine Obduktion kann den Angehörigen<br />

in sehr vielen Fällen Klarheit über<br />

die Art und den Verlauf der Erkran -<br />

kung und ggf. über ein Therapienansprechen<br />

geben. Eine Obduktion<br />

kann für Angehörige Klarheit bringen,<br />

ob von ärztlicher Seite die richtigen<br />

diagnostischen oder therapeuti -<br />

schen Maßnahmen ergriffen wurden,<br />

insbesondere wenn der Tod unerwartet<br />

bzw. rasch eintrat. So kann<br />

eine Obduktion für Ärzte und Angehörige<br />

entlastend sein, indem sie<br />

etwa eine symptomarme Erkrankung<br />

aufdeckt, die zu einem schnell eintretenden<br />

Tode führte. Als Beispiel sei<br />

hier die vom Patienten häufig unbemerkte<br />

Gerinnselbildung in den Beinvenen<br />

(tiefe Beinvenenthrombose) mit<br />

plötzlichem Tod durch Abschwemmung<br />

in die Lungenarterien (Lungen -<br />

embolie) genannt.<br />

Aber eine Autopsie kann auch eine<br />

Krankheit nachweisen, die für die<br />

Hinterbliebenen direkte Bedeutung<br />

hat, nämlich wenn es sich um eine<br />

Erbkrankheit oder Erkrankung mit<br />

erblicher Komponente handelt. So ist<br />

die oben genannte Lungenembolie<br />

manchmal Folge einer angeborenen<br />

Gerinnungsstörung (Protein-S-Mangel).<br />

Angehörige, die bislang symptomfrei<br />

sind, können auf diese<br />

<strong>St</strong>örung hin untersucht und vorbeugend<br />

behandelt werden.<br />

Sofort einzusehen ist die Bedeutung<br />

für die Angehörigen auch bei<br />

ansteckenden Erkrankungen mit sehr<br />

unspezifischen Symptomen, wie etwa<br />

bei der Tuberkulose, die manchmal<br />

erst bei einer Obduktion entdeckt<br />

werden, aber nicht schon zu<br />

Lebzeiten bekannt waren.<br />

Eine Autopsie kann klären, ob der<br />

Tod einen Zusammenhang mit den<br />

behandelten Leiden hat, oder auf<br />

eine unabhängige Ursache zurückzuführen<br />

ist. Daher wird beim Verdacht<br />

auf das Vorliegen einer Berufserkrankung<br />

von den Berufsgenossenschaften<br />

eine versicherungsmedizini -<br />

sche Autopsie angestrebt, damit<br />

Angehörige ggf. eine Rente erhalten<br />

können.<br />

Vielleicht können diese Beispiele (von<br />

denen es noch zahllose gibt) Angehörige,<br />

die eine Autopsie mit dem<br />

Hinweis ablehnen, dass der Verstor-<br />

22<br />

bene davon auch nicht wieder<br />

lebendig würde, von der Sinnhaftig -<br />

keit der Obduktion überzeugen.<br />

Um etwaige Zweifel auszuräumen,<br />

sei erwähnt, dass die obduzierenden<br />

Pathologen ihre Befunde unabhängig<br />

und vollständig erheben, d.h. es werden<br />

selbstverständlich auch „unangenehme<br />

Wahrheiten“ benannt.<br />

Für die Gesellschaft<br />

Dieser gute Grund Autopsien<br />

durchzuführen, klingt zunächst<br />

abstrakt und ohne Bezug zum Verstorbenen,<br />

den Angehörigen oder behandelnden<br />

Ärzten. Einige Beispiele<br />

sollen dies erläutern: Hätte es in den<br />

60er Jahren ein obduktionsgestütztes<br />

Missbildungsregister gegeben, so<br />

wären – wie entsprechende Berechnungen<br />

später ergaben – die fatalen<br />

Folgen der Anwendung von Contergan<br />

um zwei Jahre früher entdeckt<br />

worden und so zahlreichen Kindern<br />

eine Behinderung erspart geblieben.<br />

In den frühen achtziger Jahren fielen<br />

US-amerikanischen Pathologen immer<br />

häufiger Verstorbene mit ähnlichem,<br />

bis dahin unbekanntem Krankheitsbild<br />

auf. In der Folge wurde die<br />

Immunschwäche AIDS entdeckt.<br />

Oder: Bei Obduktionen wird bei vielen<br />

älteren Männern Prostatakrebs<br />

diagnostiziert, ohne dass hierdurch<br />

irgendwelche Beschwerden beim<br />

Patienten aufgetreten wären und ohne<br />

dass der Tod hierdurch (mit-) verursacht<br />

wäre. Es liegt auf der Hand,<br />

dass diese Erkenntnisse einen direkten<br />

Einfluss z.B. auf Früherkennungsoder<br />

Behandlungsempfehlungen<br />

haben.<br />

Experten schätzen, dass die Diagnosen<br />

auf etwa jedem zweiten Totenschein<br />

unvollständig oder falsch sind.<br />

Aber genau darauf beruhen die<br />

<strong>St</strong>atis tiken, die die gesundheitspoliti -<br />

schen Entscheidungen und Mittelver -<br />

teilungen in unserem Land beeinflussen.<br />

Somit kommt eine hohe Sektionsfrequenz<br />

allen zukünftigen Patienten zu<br />

gute.<br />

Für das Krankenhaus<br />

Die Autopsie ist ein seit langer Zeit<br />

bewährtes Mittel des Qualitätsmanage -<br />

ments, das sowohl ärztliche als auch<br />

pflegerische Tätigkeit einbezieht. Im<br />

Rahmen von Zertifizierungsverfahren<br />

kann daher auch die Obduktionsfrequenz<br />

einer Klinik beurteilt werden.<br />

Durch die Autopsie aufgedeckte<br />

Grundleiden und bedeutsame<br />

Zusatzerkrankungen können bei der<br />

DRG-Kodierung und Fallschwere -<br />

ermittlung berücksichtigt werden.<br />

Nicht zuletzt sind die <strong>St</strong>. <strong>Vincentius</strong>-<br />

<strong>Kliniken</strong> als Akademisches Lehr -<br />

krankenhaus an der Ausbildung von<br />

Medizinstudenten im letzten <strong>St</strong>udienjahr<br />

(„Praktisches Jahr“) beteiligt. Bei<br />

keiner anderen Gelegenheit kann der<br />

Lehrverpflichtung so umfassend wie<br />

bei einer Autopsie nachgekommen<br />

werden.<br />

Häufig gestellte Fragen zur Autopsie<br />

Kann ich meinen Angehörigen<br />

danach noch mal sehen?<br />

Ja, auch gegen eine Aufbahrung ist<br />

nichts einzuwenden. Einem bekleideten<br />

Leichnam, dessen Kopf auf einem<br />

Kissen gebettet ist, sieht man nicht<br />

an, dass eine Autopsie durchgeführt<br />

wurde. Eine Autopsie ist niemals ein<br />

verstümmelnder Eingriff.<br />

Wie erfahre ich als Angehöriger das<br />

Ergebnis der Obduktion?<br />

Fragen zum Obduktionsbericht beantworten<br />

am besten die Ärzte der<br />

zuletzt behandelnden Abteilung. Auf<br />

Anfrage versenden wir den Autopsiebericht<br />

auch an den Hausarzt des<br />

Verstorbenen, damit der Bericht den<br />

Angehörigen angemessen erklärt werden<br />

kann.<br />

Kann ich als Angehöriger eine<br />

Obduktion beauftragen?<br />

Ja, insbesondere wenn ein Patient<br />

zuhause verstirbt, können sich Angehörigen<br />

– am besten über den Arzt,<br />

der den Tod festgestellt hat – mit dem<br />

Wunsch nach einer Autopsie an uns<br />

wenden.<br />

An wen kann ich mich mit Fragen zum<br />

Thema Obduktion wenden?<br />

Erste Ansprechpartner sind die Ärzte<br />

der zuletzt behandelnden Abteilung.<br />

Sollten hier Fragen offen bleiben,<br />

kann man sich auch direkt an die<br />

Pathologie wenden. Wir beantworten<br />

Ihnen gerne offene Fragen.<br />

PD Dr. Helene Geddert, Oberärztin<br />

Institut für Pathologie an den<br />

<strong>St</strong>. <strong>Vincentius</strong>-<strong>Kliniken</strong> Karlsruhe<br />

<strong>Vincenz</strong> <strong>Aktuell</strong> 59/10

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