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Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker

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20Jean Sibelius: Wirkungsgeschichtephonie, als ob es die ‚Neunte‘ wäre.“ Noch 2001scheint Botho Strauß in seinem Schauspiel „DerNarr und seine Frau heute abend in Pancomedia“auf Adorno anzuspielen, wenn dem für Sibeliusals „melancholische Majestät“ halbherzig schwärmendenZacharias Werner von seinen Gastgeberndie Tür gewiesen wird: „Sibelius ? Bitte, bringHerrn Werner zur Tür. In unserem Haus wurde[soeben] dieser Name ohne Abscheu ausgesprochen!“Bilder und TopoiVielfach ist es die Hilf- und Ratlosigkeit angesichtseiner gleichermaßen fremden wie eigenständigenTonsprache, die zu bestimmten Bildernund Rezeptionsstereotypen führt. Dieses Phänomenäußert sich in Bezug auf nordeuropäischeKomponisten ganz besonders im allseits beliebtenRekurs auf „Licht“ und „Landschaft“, auf„Weite“ und „Unberührtheit“ der Natur – Attribute,die einem Pauschalreisekatalog entstammenkönnten, und die mehr über die allsommerlicheSehnsucht des Rezipienten aussagt als überden Komponisten und sein Werk. Für Sibelius,den vermeintlichen „Poeten schwermutvollerfinnischer Landschaft“, werden „endlose Seen“und „dunkle Wälder“ als primäre Inspirationsquellevermutet; hinsichtlich seiner Auseinandersetzungmit dem Nationalepos „Kalevala“ erscheinter als „Tondichter nordisch-archaischerMythen“, mit Bezug auf den politischen Gehalteinzelner Werke, etwa „Finlandia“, als „Sängerdes aufflammenden finnischen Freiheitswillens“.Der aus diesen zweifellos eng gefassten Bildernsprechende Naturalismus kann sich bei genauererBetrachtung freilich als pure Sehnsucht entpuppen– als Sehnsucht nach einer heilen Welt, nacheiner ungebrochenen Traditionsverbundenheitoder nach einer gesellschaftlich bedeutsamenMusik. Letztlich spiegeln all diese Momente nurFinnlands spätes Erwachen in der europäischenMusikkultur. Umso stärker wirkte Sibelius alsLehrer auf einen großen und bedeutenden Kreisvon Schülern und Enkelschülern. Sein Einfl uss warbisweilen so stark, dass man sich manchmal nurschwer des Eindrucks erwehren konnte, er werfegeradezu einen Schatten auf die musikalischeEntwicklung des Landes im 20. Jahrhundert.Nicht von ungefähr wird Sibelius daher gerne als„Patriarch der finnischen Musik“ bezeichnet; bisheute sind selbst die eigenständigsten seinerSchüler vergessen oder gerade noch dem Namennach bekannt – darunter etwa der SymphonikerLeevi Madetoja. Sie werden wohl erst dann dieihnen fraglos zustehende Anerkennung finden,wenn auch das Werk Sibelius’ vertrauter erscheint.Denn nur so lassen sich Gemeinsamkeiten undvor allem die weit wichtigeren Differenzen ausmachen.Dann aber heißt es auch Abschied nehmenvon den lieb gewonnenen Bildern und Topoi.Werkkanon und Œuvre„Finlandia“, „Valse triste“, die 2. und die 5. Symphonie,das Violinkonzert. Ohne allzu großeMühe lässt sich das umfangreiche kompositorischeSchaffen rasch auf eine Handvoll Werkereduzieren – jedenfalls mit Blick auf die derzeitigeKonzertpraxis und den Schallplattenkatalog.Ob allerdings dieser aus der musikalischen Praxisgewonnene Werkkanon auch tatsächlich denKern des Œuvres ausmacht ? Freilich, Sibeliusselbst sah sich in erster Linie als Symphoniker –

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