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Entlang des „Eisernen Vorhangs“ - Archivgemeinschaft Schwarzenbek

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die markanten Merkmale der NS-Diktatur – die volksfestartige Erscheinung nachaußen sowie Verfolgung und Repression nach innen – bis in das kleinste Dorf hineinihre Spuren hinterlassen haben. Es gab keine „glückseligen Inseln“ im NS-Staat.Denunziationen sind bis in die Familien hinein aktenkundig. Es gab im KreisgebietEnteignungen jüdischen Grundbesitzes und Deportationen von „rassischMinderwertigen“. Verfolgungen von anders Denkenden fanden in den kleinstenGemeinden statt. Auf fast allen Höfen sowie in den meisten Betrieben warenZwangsarbeiter bzw. -arbeiterinnen beschäftigt. 26Obwohl nur knapp 10 % der deutschen Bevölkerung letztlich Mitglied derNSDAP wurden, infiltrierten die Partei und die Ideologie durch die zahlreichen NS-Organisationen und -Untergliederungen sämtliche Bereiche <strong>des</strong> öffentlichen undauch privaten Lebens. Adolf Hitler skizzierte im Jahre 1938 seine Vision der totalenErfassung <strong>des</strong> Volkes in einer Rede vor Kreisleitern. Mit 10 Jahren holte er dieKinder ins Jungvolk, mit 14 in die Hitlerjugend (HJ), es folgten Partei,Sturmabteilung (SA) oder Schutzstaffel (SS), Wehrmacht und zahlreiche weitereNS-Organisationen. Hitler schloss mit den Worten: „... und sie werden nicht mehrfrei für ihr ganzes Leben“. 27 Derartige in den Menschen verankerte Denk- undWertkoordinaten verschwinden nicht über Nacht. Die NS-Ideologie war kein„Spuk“, der sich am 8. Mai 1945 plötzlich in Luft auflöste. 28 Im Gegenteil: DieAuseinandersetzung mit der NS-Herrschaft blieb als „Vergangenheitsbewältigung“eins der ausgeprägten Merkmale der Nachkriegsgesellschaft – als „Vergangenheit,die nicht vergehen kann“, wie „Der Spiegel“ 2001 in einem Sonderheftkonstatierte. 29Es stellt sich die Frage nach moralisch-politischen Defiziten derNachkriegsgesellschaft, auch im Kreis Herzogtum Lauenburg. Es gab auf derbun<strong>des</strong>deutschen Kultur- und Feuilleton-Bühne einen lebhaften Diskurs darüber. Essei an dieser Stelle auf die These von der „zweiten deutschen Schuld“ hingewiesen,eben der Verdrängung der eigenen Verstrickungen in dien NS-Gräuel 30 . Erkennbarist es nicht, dass diese Diskussion im Kreis Herzogtum widerhallte. Es herrschte impolitischen Gespräch und in den veröffentlichten Medien ein breites Schweigen überdie nationalsozialistische Vergangenheit. Ehemalige Parteigenossen übernahmen26 Janine Ullrich. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Geesthacht 1939-1945. Hamburg2001. (= Veröffentlichungen <strong>des</strong> Hamburger Arbeitskreises für Regionalgeschichte Bd. 11,Schriftenreihe <strong>des</strong> Stadtarchivs Geesthacht, Bd. 12)27 Zitiert nach: Christian Zentner/Friedemann Bedürftig (Hg.). Das große Lexikon <strong>des</strong> DrittenReiches. München 1985, S. 217.28 So charakterisierte der Lauenburger Heimatforscher Wilhelm Hadeler die NS-Herrschaft inder Stadtchronik Lauenburg/Elbe, die zur 700-Jahr-Feier 1960 erschien.29 Spiegel-Special. Die Gegenwart der Vergangenheit. Die Spiegel-Serie über den langenSchatten <strong>des</strong> Dritten Reichs. Nr. 1. 2001.30 Mit dem Begriff der „zweiten deutschen Schuld“ bearbeitete der Publizist Ralph Giordanodie Thesen <strong>des</strong> Ehepaars Alexander und Margarete Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern.Grundlagen kollektiven Verhaltens. (zuerst 1967 erschienen): Ralph Giordano. Die zweiteSchuld oder Von der Last Deutscher zu sein. Hamburg 1987.24

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