PanoramaNeue WAVRIchtWeRteAn der Wirklichkeit vorbeiDie WAV- ERichtwerte sindauch nach der kürzlichenErhöhungvöllig unrealistischMitten in der Sommerpause hat derSenat neue Richtwerte für Beziehervon Arbeitslosengeld II und Sozialhilfebeschlossen. Von „Kosmetik“sprach der <strong>Berliner</strong> <strong>Mieterverein</strong>(BMV) angesichts einer minimalenAnhebung der Sätze. Der angespanntenWohnungsmarktsituation werdeman damit nicht gerecht.415 Euro erhält ein Einpersonenhaushaltab 1. August je nach Heizungsartund Wohnungsgrößedurchschnittlich für die Bruttowarmmiete.Vorher waren es 394 Euro.Für ein Elternpaar mit zwei Kindernwerden im Durchschnitt 669 Euroübernommen (vorher 665 Euro). DieRichtwerte der Wohnaufwendungenverordnung(WAV) wurden damitan den aktuellen Mietspiegel undden bundesweiten Heizspiegel angepasst.Damit verbunden seienMehrkosten von rund 5 MillionenEuro, heißt es beim Senat.Während der Vermieterverband BerlinBrandenburgischerWohnungsunternehmen(BBU) die Anhebungbegrüßte, hält man beim <strong>Berliner</strong><strong>Mieterverein</strong> die neuen RichtwerteFoto: Peter Homannweiterhin für unzureichend. „SozialsenatorMario Czaja (CDU) ignoriertden Druck, der durch die hohen Mie ten auf die Empfänger von ALG II undGrundsicherung ausgeübt wird“, kritisierteBMVGeschäftsführer ReinerWild. Rund 23 Prozent der Bedarfsgemeinschaften liegen mit ihrer Mieteüber dem Richtwert. Sie müssendie Differenz bei anderen Haushaltsposteneinsparen und rutschen dadurchim mer tiefer in die Armut. AuchSo zial verbände halten die neuen Angemessenheitsgrenzen, für zu niedrig.Nach wie vor stehen praktisch keineWohnungen zu den Grenzen derWAV zur Verfügung, heißt es etwabeim Paritätischen Wohlfahrtsverband.Birgit LeißeNeRGetISche MoDeRNISIeRuNG AM MehRINGplAtzGuter Deal für beide SeitenDie Gesetzeslage ist klar: Die Kosteneiner energetischen Sanierungkönnen vom Vermieter umgelegtwerden. und von diesem Recht machenVermieter – kommunale wieprivate – auch Gebrauch. Dass esauch anders geht, lässt aufhorchen.Eine kleine Pressemitteilung verkündeteEnde Mai: In der südlichenFriedrichstadt verzichtet ein privaterEigentümer nach energetischerSanierung auf die fällige Modernisierungsumlage.Was so ganz unscheinbarund wenig spektakulärin den Zeitungsspalten auftauchte,bezeichnet Werner Oehlert, Geschäftsführervon ASUM (AngewandteSozialforschung und urbanesManagement), als einen bishereinmaligen Fall in Berlin. „Es ist einguter Deal für die Bewohner“, erklärter. Hintergrund war eine – dringendnotwendige – energetische Sanierungan den Häusern um den Mehringplatz.Ihre Fassaden werden miteinem Wärmedämmverbundsystemversehen, und die rund 350 Wohnungenerhalten neue Fenster. Nachersten Schätzungen hätte die Umlage,die nach einer solchen Sanierungvon den Mietern gezahlt werdenmuss, bei 1,60 Euro pro Quadratmetermonatlich gelegen.„Selbst wenn man von einer einkommensabhängigenStaffelung der Modernisierungsumlageausgegangenwäre“, so Werner Oehlert, „hättenviele die höhere Miete nicht verkraftet.Eine Reihe von Bewohnern wäreaus ihren Wohnungen vertriebenworden.“ Der Mehringplatz gilt alseiner der sozialen Brennpunkte inKreuzberg: 22 Prozent aller erwerbsfähigenAnwohner hier sind arbeitslos.„Was den Vermieter letztlich zu demZugeständnis veranlasst hat“, soWerner Oehlert, „war die Umgehungdes aufwendigen Genehmigungsverfahrens,das ihm im Sanierungsgebietbevorstand.“ Und sonahm er das Angebot des Bezirksamtsdankbar an: Dauerhafter Verzichtauf die Modernisierungsumlage– und dafür grünes Licht für dieFoto: Sabine Münchenergetische Sanierung, die noch indiesem Jahr beginnen soll.Nun liegen den betroffenen Mieternentsprechende Vereinbarungen vor:„Die sollten auch alle unterzeichnen,damit die Vereinbarung zivilrechtlicheGültigkeit erhält“, rät der ASUMGeschäftsführer. Und setzt hinzu:„Die Modernisierungsumlage ist damitausgeschlossen – das heißt allerdingsnicht, dass die Mieten am Mehringplatzdauerhaft eingefroren sind.“Rosemarie MiederAm KreuzbergerMehringplatzverzichtete einVermieter aufdie Modernisierungsumlage12 MieterMagazin 9/2013
uMWANDluNGKündigungssperrfrist verlängertDer Senat verlängert die Kündigungs sperrfrist für in eigentum umgewandelteMietwohnungen in allen Bezirkenauf zehn Jahre. Der <strong>Berliner</strong><strong>Mieterverein</strong> (BMV) begrüßt dieseentscheidung, fordert aber weitereMaßnahmen zur eindämmung derumwandlung.<strong>Berliner</strong> Mieter, deren Wohnung inEinzeleigentum umgewandelt wird,sind künftig zehn Jahre lang vor einerKündigung des Erwerbers geschützt.Diese neue Verordnungtritt am 1. Oktober in Kraft und giltfür alle Bezirke. Bislang galt in Mitte,Pankow, FriedrichshainKreuzberg,TempelhofSchöneberg, CharlottenburgWilmersdorfund SteglitzZehlendorfeine siebenjährige Sperrfrist,in den übrigen Bezirken betrug sienur drei Jahre. Mit zehn Jahren setztder Senat das bundesrechtlich festgelegteHöchstmaß fest.„Wir begrüßen die vom Senat beschlosseneVerordnung zum erweitertenKündigungsschutz“, erklärtBMVGeschäftsführer ReinerWild. Der Schutz sei für Mieter wichtig,denn der Umwandlungsboom istungebrochen. Schon 14 Prozent aller<strong>Berliner</strong> Mietwohnungen sind inEigentum umgewandelt worden. InWilmersdorf sind es bereits 29 Prozent,in Schöneberg 26 Prozent.„Durch die Umwandlung steigt abernicht nur das Risiko der Eigenbedarfskündigung,sondern auch dieGefahr weiterer Mieterhöhungen“,erklärt Wild. Mehrere Sozialstudienbelegen, dass das Mietniveau in um gewandelten Wohnungen um biszu 30 Prozent über den Mieten vergleichbarerWohnungen ohne Eigentumsbildung liegt. Deshalb geht demBMV die neue Kündigungssperrfristverordnungnicht weit genug. Er fordertden Senat auf, für die Milieuschutzgebieteeine Umwandlungsverordnungzu erlassen, mit der dieBezirksämter die Eigentumsumwandlungverbieten können. Hamburgnutzt dieses Instrument seitJahren erfolgreich, um die Vernichtungpreiswerten Mietwohnraumszu verhindern. In Berlin sträubt sichvor allem die CDU gegen eine solcheVerordnung.Jens SethmannUmwandlungtreibt die Mietpreisenach obenFoto: Christian MuhrbeckAnzeigeJeden Mittwoch als Beilagein „Der Tagesspiegel“ beiIhrem ZeitschriftenhändlerJeden Freitag aktuell beiIhrem ZeitschriftenhändlerMieterMagazin 9/201313