TiTelsundheitsschädigende Fasern vieleher freisetzen. Beispiele dafür sindSpritzputze, aber auch Dämm- undFüllstoffe wie Brandschutzplatten.In den 1980er Jahren, als die Kritikimmer lauter wurde, verschwand<strong>Asbest</strong> mehr und mehr aus demFertigungsverfahren. Es dauerte jedochbis 1993, ehe in DeutschlandHerstellung und Verwendung von<strong>Asbest</strong> generell verboten wurden.„Mit der Entsorgung des Schadstoffes<strong>Asbest</strong> haben wir uns ab Endeder 1980er beschäftigt und immerwieder diskutiert, was man machenkann“, erinnert sich Axel Jaiser. Da-Jahr muss nun auch der Kleber entferntwerden, weil Handwerker ihmoft genug selbstständig lose <strong>Asbest</strong> -fasern beimischten, um ihn so besserverarbeiten zu können. „DerGrundsatz lautet heute: Alle Arbeitenmit <strong>Asbest</strong> sind verboten. Davonausgenommen sind lediglich Abbrucharbeiten,notwendige Instand-miert werden kann. Zwar wird nochimmer eine Schleuse aufgebaut, umdie Zimmer, in denen der Fußbodenherausgebrochen wird, hermetischabzuschließen. Aber ein starker Saugerdrinnen nimmt allen Staub unddamit die beim Fräsen austretendenFasern auf. Außerdem wird die Luftim Raum abgesaugt und gefiltert.Fotos: Sabine MünchDie Entfernung undEntsorgung von <strong>Asbest</strong>-FußbödenerfordertumfänglicheSchutzmaßnahmenmals mussten viele Schüler und Lehrerim Westteil Berlins ihre Oberstufenzentrenverlassen, weil dort inder einen oder anderen Form <strong>Asbest</strong>verbaut worden war. Der Ingenieur,heute Geschäftsführer der Bau-Schütze GmbH, einer Firma, die diefachgerechte Entsorgung von Schadstoffenübernimmt, hat bei derenSanierung mitgeholfen. Über gut 25Jahre konnte er die Entwicklung derAnalysetechnik und der <strong>Asbest</strong>sanierung,aber auch die zunehmendeSensibilisierung für die Gefahr beobachten:„Bis zum Jahr 2000 wussteman beispielsweise nicht, dass auchder Kleber asbesthaltig ist. Man hatnur die Fliesen entsorgt.“ Danachwurde der Kleber noch lange Zeitmit einer Schutzschicht abgedeckt,so dass keine Fasern mehr austretenkonnten. „Aus meiner Sicht war daszu kurzsichtig, wir haben das Problemdamit nur versiegelt.“Seit einer Novellierung der Gefahrstoffverordnungim vergangenenhaltungsarbeiten und sogenannteSanierungsarbeiten an schwach gebundenem<strong>Asbest</strong>“, sagt HaraldHenzel vom LAGetSi. Tätigkeiten mit<strong>Asbest</strong> müssen in seiner Behörde vonden Fachfirmen sieben Tage vor Beginnder Arbeiten angezeigt werden.Derzeit gehen monatlich etwa 500solcher Meldungen beim LAGetSiein. Sie reichen von komplexen Bauvorhabenbis hin zu einzelnen Wohnungen,in denen der Fußbodenbelagentfernt werden muss.Wohnungswirtschaftvom Ausmaß überraschtEgal wie umfangreich ein solcherAbbruch ist, Firmen, die dies durchführen,müssen entsprechend personellund technisch ausgestattet sein.Es sind Firmen wie die BauSchützeGmbH. Die hat sogar ihr eigenesVerfahren entwickelt und genehmigenlassen, mit dem der gewaltigeSicherheitsaufwand ein wenig mini-Als zusätzliche Sicherheit tragen dieArbeiter trotz allem einen Schutzanzugund Atemmasken. Die werdenim Anschluss an die Arbeiten zusammenmit den herausgerissenen Plattenund dem Kleber entsorgt – alsSondermüll, der derzeit mangels andererMöglichkeiten nur unterirdischgelagert werden kann.„Die Wohnungsbaugesellschaft Gewobagnimmt das Thema <strong>Asbest</strong>sehr ernst, wir gehen jeder Schadensmeldungnach“, so die ImmobilienwirtschafterinTraute Blanck.„Was wir aber nicht erwartet haben,ist der Umfang des Schadensbildes.“Bei einem Bestand von 57 000 Wohnungengeht man derzeit davon aus,dass etwa 14 000 einen asbesthaltigenFußboden haben. Um es genauzu wissen, hat das Unternehmen imletzten Jahr damit begonnen, seineigenes „<strong>Asbest</strong>-Register“ zu erstellen.Das heißt, all jene Gebäude zuerfassen, in denen der Stoff in dereinen oder anderen Form eingesetzt16MieterMagazin 9/2013
worden ist. „<strong>Asbest</strong> war ja über Jahrzehnteein völlig legaler und auchüblicher Baustoff, und es wurdenicht festgehalten, wo der eingesetztworden ist“, erklärt TrauteBlanck. “Allein vom Baujahr her könnenwir heute nicht darauf schließen.“Betroffen sind keineswegs nur Häuseraus den 1960er oder 70er Jahren.Zwar wurden gerade währenddieser Zeit Floor-Flex-Platten imWest-<strong>Berliner</strong> Sozialen Wohnungsbaunahezu flächendenkend verlegt,aber es sind eben auch Gründerzeithäusersaniert und mit „modernen“Materialien ausgestattet worden.„Wir haben durchaus aus Erfahrungender Vergangenheit gelernt undschicken heute in jedes Gebäude,aus dem Schadensmeldungen kommen,Gutachter für Gefahrenstoffe“,erklärt die Gewobag-Mitarbeiterin.„Die gehen vom Keller bis zum Dachund nehmen auch Proben aus einzelnenWohnungen.“ Über 500 Gutachtenwurden so bisher erstellt, für280 Gebäude liegen damit die Datenerhebungenvor. „Und das ist erstder Anfang.“Parallel dazu wurden alle Mieterüber die Problematik des Umgangsmit <strong>Asbest</strong> schriftlich und in sechsSprachen informiert. Traute Blanck:„Wir wollen das Thema sachlich behandeln,dazu gehört auch die offeneKommunikation mit den Mietern.“Die Mieter sollen auch wissen, wasmit einer <strong>Asbest</strong>entfernung aus ihrerWohnung auf sie zukommt: Sie erhalteneine Ausweichwohnung, ihreMöbel werden für die Zeit der Arbei -ten ausgelagert und nach etwa 14Foto: Thomas BuchwalderTagen können sie in ihre Wohnungzurückziehen. Mit der gesamten Planungkann die Prozedur allerdingsgut drei Monate dauern und bis zu8000 Euro kosten.8000 Euro Kostenpro WohnungEtwa 700 Wohnungen sind bei derGewobag allein in diesem Jahr saniertworden – rund 5,6 MillionenEuro hat das gekostet. Mittel, dieerst einmal so nicht eingeplant waren.„Aber wenn uns ein Schadensfallan einem Fußboden gemeldet wirdund es bewahrheitet sich der Verdachtauf <strong>Asbest</strong>anteile, dann wirddas Geld dafür selbstverständlich dasein“, betont sie. Intakte Fußbödenallerdings werden nicht angerührt.Und das scheint auch dem Fachmannnicht notwendig: „Sind die Plattenin Ordnung“, so der Inge nieur AxelJaiser, „geht das Gefahrenpotenzialgegen Null, dann kann der Fußbodendrin bleiben.“Der aber wird benutzt – und vor allemgereinigt. Irgendwann beginnter deshalb zu brechen und zu bröckeln.Heute ist es übrigens verboten,einen Teppichboden darüber zudecken oder einfach Laminat draufzu kleben. Weil irgendwann der Bodenbelagdarunter in Vergessenheitgerät – und das kann Folgen haben.„Die Gefahrstoffverordnung ist imDer Jurist SvenLeis tikow hat einenArbeitschwerpunktin der Ver -tretung potenzieller<strong>Asbest</strong>-GeschädigterAm Anfang steht der Schadstoff-NachweisMieterMagazin: Was tun, wennman defekte Fußbodenplatten inseiner Wohnung feststellt?Sven Leistikow: Zuerst geht es darumnachzuweisen, ob die Fliesentatsächlich <strong>Asbest</strong> enthalten.Da ist der Vermieterin der Pflicht.Man sollte ihn umgehendverständigen –und eine kurze Fristsetzen, vielleicht eineWoche. Tut er nichts,sollte der Mieterselbst ein Gutachtenveranlassen. Denn wenn es spätereinmal um Schadensersatzansprüche,Schmerzensgeldforde rungenvergangenen Jahr vom Gesetzgebernoch einmal deutlich verschärftworden“, erklärt David Eberhart,Pressesprecher des Verbandes Berlin-BrandenburgischerWohnungsunternehmen(BBU). „Sie machtdie <strong>Asbest</strong>sanierung in den <strong>Berliner</strong>Wohnungen noch einmal deutlichaufwendiger, da ja jetzt auch derKleber entfernt werden muss. Aberes führt kein Weg dran vorbei.“ Undes sei ja durchaus auch schon einigesgeschafft: Waren es im Jahr 2000noch circa 90 000 Wohnungen, dieasbestsaniert werden mussten, sosind es heute schätzungsweise noch48 000. Wobei diese Zahl lediglichfür die kommunalen Wohnungsbauunternehmensteht. Eberhart: „Zur<strong>Asbest</strong>belastung in privaten Beständengibt es keine Angaben.“Vor Dieter Pietsch auf dem Tischliegt ein großer Stapel mit Akten.Recherchen, Forderungen, Beschwerden– es hat sich vieles in drei Jahrenangesammelt. Seit sich der Ruheständlerimmer intensiver mitder <strong>Asbest</strong>problematik in seinemWohn umfeld und bei seinem privatenVermieter beschäftigt, umsoenttäuschter ist er – und umso wütender:„Es gibt kein Gesetz, dasVermieter zwingt, ihre Wohnungenzu überprüfen und was zu unternehmen.“Im Gegenteil, bei seinem„Hausherrn“ scheint „Entsorgung“eher etwas mit Sorglosigkeit zu tunL Der <strong>Berliner</strong><strong>Mieterverein</strong> hältdas Infoblatt 35„<strong>Asbest</strong>“ für Siebereit unterwww.berlinermieterverein.deoder in derGeschäftsstelleoder in denBeratungszentren.oder Mietminderungen geht, mussder Nachweis auf dem Tisch liegen,dass es sich tatsächlich um <strong>Asbest</strong>fliesengehandelt hat.MieterMagazin: Habe ich schonAnsprüche, wenn ich gebrochenePlatten bemerke?Leistikow: Nach einem Urteil des<strong>Berliner</strong> Landgerichts vom 16. Januar2013 hat der Mieter Anspruchauf Mietminderung. In dem Fallstellten die Richter fest, dass bereitsder Bruch einer Vinyl-<strong>Asbest</strong>platteeine Mietminderung von 10 Pro -zent rechtfertigt. (Aktenzeichen 65S 419/10 – MM 4/2013, Seite 30)Das Interview führte RosemarieMiederMieterMagazin 9/201317