reformiertes gemeindeblatt juni 2012 - Reformierte Kirche Thun
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<strong>Kirche</strong>imMittelpunkt<br />
Wer ist der Heilige Geist?<br />
An Pfingsten feiern wir den Abschluss der<br />
Osterzeit. Pfingsten ist für viele ein willkommenes,<br />
verlängertes Wochenende.<br />
Pfingsten ist auch der Tag, an dem der Heilige<br />
Geist im Mittelpunkt steht. Aber wer<br />
ist dieser Heilige Geist eigentlich?<br />
Julia ist im fünften Monat schwanger, sie erwartet<br />
ihr viertes Kind. Seit einigen Tagen geht es ihr nicht<br />
besonders gut. Sie ist müde. Es ist nicht die Schwan-<br />
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gerschaft, die ihr Mühe bereitet, es ist das Drumherum.<br />
Viel Arbeit steht an, zwei der drei älteren<br />
Kinder sind krank, und da ist ausgerechnet heute<br />
auch noch ihre viel ältere Schwester, die ihr am Telefon<br />
andauernd gute Ratschläge gibt. Ja, sie meint<br />
es gut, aber jetzt reicht es. Julia ist am Ende ihrer<br />
Kräfte und ihrer Aufnahmefähigkeit. Sie kniet vor<br />
ihrem Bett nieder, faltet die Hände und ruft: «Gott,<br />
bitte gib mir Kraft!»<br />
Fast in demselben Moment spürt Julia ein kaum<br />
ermessliches Gefühl des inneren Friedens. Es fühlt<br />
sich an, als hätte sich ein Schleier aus Ruhe und<br />
Geborgenheit über ihr ausgebreitet. Die junge Mutter<br />
atmet dieses Gefühl mehrmals tief in sich hinein.<br />
Die Tränen rinnen über ihre Wangen, auf die Hände<br />
und das Bett. Sie fühlt sich stark und weiss irgendwie,<br />
dass sie getragen und behütet wird. Julia ist<br />
überzeugt, dass ihr der Hei-lige Geist begegnet ist.<br />
Der Heilige Geist begegnet uns auch in der Bibel.<br />
Im Lukasevangelium (Lk. 24,49) sagt der auferstandene<br />
Jesus zu seinen Jüngern, dass sie warten<br />
sollen, bis «die Kraft aus der Höhe» herabkommen<br />
wird. Johannes beschreibt (Joh. 20, 19–23), dass<br />
Pilgern – auf der Suche nach dem Ich<br />
Seit Jahrhunderten pilgern Menschen von A<br />
nach B. Seit einigen Jahren nimmt das Interesse<br />
an sogenannten Pilgerreisen wieder<br />
stetig zu. Zu Tausenden marschieren Frauen<br />
und Männer auf längeren oder kürzeren Fussmärschen<br />
zu Orten, an denen sich irgendeinmal<br />
etwas ganz Besonderes ereignet haben<br />
soll. Auch in unserer Region wird gepilgert.<br />
Zum Beispiel zu den Höhlen des Beatus, zu<br />
den <strong>Kirche</strong>n mit einem besonderen Kraftpunkt<br />
zwischen Spiez und Amsoldingen oder<br />
auf Teilstücken des Jakobsweges.<br />
Kommen die Menschen von ihren Pilgerreisen<br />
zurück, berichten sie von «unglaublichen Erfahrungen»,<br />
«seelischen Reinigungen», «ich habe zu mir<br />
selber gefunden», «ich weiss jetzt, was das Leben<br />
bedeutet» oder von einem totalen Wandel der<br />
gesamten Lebensstruktur nach dem Pilgermarsch.<br />
Dabei, sagen Pilger, komme es nicht immer darauf<br />
an, wohin man gepilgert sei, sondern warum, und<br />
auch darauf, was man dabei erlebt oder eben nicht<br />
erlebt habe.<br />
Die Frage sei deshalb erlaubt, ob es nicht möglich<br />
ist, dieselben Gefühle und innerlichen Veränderungen<br />
auf einerWanderung auf dem Stockhorn, einem<br />
Bummel durch den wunderschönen (Ur-)Wald beim<br />
Chuderhüsi, einem Fussmarsch entlang des <strong>Thun</strong>ersees<br />
zwischen Spiez und Faulensee oder einer Wan-<br />
derung über den Längenberg zu erleben? Wandern<br />
in der Natur ist immer wandern in der Natur. Die<br />
universelle Kraft hat alle Natur und Naturkräfte<br />
geschaffen, diejenigen in <strong>Thun</strong>, in Palästina, in Spanien<br />
oder in Portugal.<br />
Nichtsdestotrotz: Den dort Einheimischen fremde<br />
Menschen pilgern in eine ihnen fremde Welt (pere-<br />
Jesus am Ostertag zu den Jüngern kam, sie<br />
anhauchte und ihnen mit den Worten «Empfanget<br />
den Heiligen Geist» den Geist Gottes übertrug.<br />
Bereits im Alten Testament finden wir die Voraussage<br />
des Propheten Jesaja über den Heiligen Geist:<br />
«Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis<br />
hervor... Der Geist des Herrn lässt sich auf ihm nieder;<br />
der Geist der Weisheit und der Einsicht, der<br />
Geist des Rates und der Stärke, der Geist der<br />
Erkenntnis und der Gottesfrucht» (Jes. 11,2).<br />
Julia ist am 1. Mai 85 Jahre alt geworden. Sie und<br />
ihr um ein Jahr älterer Langlebenspartner mit dem<br />
sie seit 64 Jahren eng verbunden und zusammen<br />
ist, leben ein friedliches Leben. Die Begegnung mit<br />
dem Geist Gottes hat sie nie vergessen. Sie hat<br />
ihren fünf Kindern immer wieder von diesem tiefen<br />
Erlebnis berichtet. Manchmal, wenn sie sich wieder<br />
fürchtete oder wenn sie eine Unsicherheit beschlich,<br />
hat sie die Augen geschlossen, tief eingeatmet und<br />
der Geist des Rates und der Stärke ist ihr wieder<br />
begegnet. Und er begegnet ihr immer noch.<br />
Anna Monti<br />
grinuns/lateinisch der Fremde / peregre, in der Fremde<br />
sein), um besondere Lebenserfahrungen zu<br />
machen. Die Pilgerreisen sind oft mit Funden von<br />
sogenannten heiligen Reliquien, Erscheinungen von<br />
Verstorbenen Figuren aus der Bibel, Kraftorten oder<br />
Geschehnissen aus der biblischen Geschichte verbunden.<br />
Diese Vergangenheit und Begebenheiten<br />
geben Jerusalem, Lourdes, Fàtima und Santiago de<br />
Compostela diesen Hauch des unfassbaren Besonderen.<br />
Mit zwei Angeboten aus unseren Kirchgemeinden<br />
laden Sie die Kirchgemeinden <strong>Thun</strong>-Stadt und die<br />
Kirchgemeinde <strong>Thun</strong>-Strättligen zum Pilgern ein. Im<br />
Rahmen des Jubiläums «1250 Jahre <strong>Kirche</strong> Scherzligen»<br />
findet am Sonntag, 1. Juli, zwischen 10 und<br />
16.30 Uhr ein «Musikalisches Pilgern von Spiez<br />
nach Scherzligen» statt. Auskunft: Sekretariat<br />
<strong>Thun</strong>-Strättligen, Telefon 033 334 67 70.<br />
Unter dem Motto «sich bewegen und sich bewegen<br />
lassen» lädt die <strong>Reformierte</strong> Kirchgemeinde <strong>Thun</strong>-<br />
Stadt zwischen dem 14. und dem 16. September zu<br />
drei Pilgertagen in der Romandie von Rolle nach<br />
Genf ein. (Inserat Seite 13).<br />
Auskunft: Pfarrer Markus Meinen,<br />
Telefon 033 222 40 14.<br />
Debora Stulz<br />
Vesper-Konzert «Für Pilger auf dem Weg»<br />
vom Sonntag, 1. Juli (Informationen Seite 11)