Nummer 157 - Nordfriisk Instituut
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Karin Haug:<br />
Zwischen Event-Management<br />
und Notnagel<br />
MarktTreffs in Nordfriesland<br />
Die Dörfer in Nordfriesland verändern sich. Die ortsansässigen Betriebe machen<br />
dicht. Viele Bäcker, Schlachter, Ladenbesitzer und Wirte haben für immer den<br />
Schlüssel umgedreht. Die Entscheidungen der Konsumenten führen zum Ende dörflichen<br />
Einzelhandels und berauben damit der dörflichen Gemeinschaft einen ihrer<br />
wichtigsten sozialen Orte. Die Politik versucht gegenzusteuern.<br />
Sehr viele Schleswig-Holsteiner zieht es aufs<br />
Land. Über 40 Prozent der schleswig-holsteinischen<br />
Bevölkerung leben in Gemeinden mit bis<br />
zu 10 000, mehr als die Hälfte davon in Orten<br />
mit weniger als 2 000 Einwohnern. Abseits der<br />
hektischen Städte suchen die Menschen frische<br />
Luft und Ruhe. Sie arbeiten aber zumeist nicht<br />
im heimischen Dorf, ihre Kinder gehen vielfach<br />
nicht dort zur Schule, und eingekauft wird in<br />
aller Regel auch woanders.<br />
Beispiel Stadum (1 058 Einwohner): Großeinkäufe<br />
erledigen die Stadumer überwiegend<br />
in Schafflund oder Leck, beides nur ein paar<br />
Auto- oder Busminuten entfernt. Da bleibe der<br />
Laden im Dorf nur als „Notnagel“, bedauert<br />
Horst Grube. Seine<br />
Frau Dörte betreibt in<br />
dem Geestdorf einen<br />
schmucken EDEKA-<br />
Markt mit frischen Brötchen, Fleisch und<br />
Waren des täglichen Bedarfs – einen von 22<br />
MarktTreffs in Schleswig-Holstein. Kundin<br />
Manuela Brogmus-Iversen steht für viele: Sie<br />
hat einen Joghurt und eine Tüte Brötchen in<br />
der Hand. Ihre Großfamilie kaufe „nicht sehr<br />
oft“ beim MarktTreff ein, obwohl dieser direkt<br />
gegenüber liege. Sie könne sich das einfach<br />
nicht leisten. Dabei könne zumindest das halbe<br />
Sortiment preislich mit den großen Märkten<br />
mithalten, versichert Grube. Viele Neuzugezogene,<br />
die vor allem dem Arbeitgeber Bundeswehr<br />
den Umzug nach Stadum zu verdanken<br />
haben, kennen aber nicht einmal den Laden im<br />
Spierling.<br />
Nordfriesland-Reportage<br />
Programm für den ländlichen Raum<br />
Seit 1999 versucht das Land Schleswig-Holstein<br />
mit dem Förderprogramm „MarktTreff“, Nachfolger<br />
des Förderprogramms für „Ländliche<br />
Dienstleistungszentren“, ein Gegengewicht zu<br />
bilden. „MarktTreffs sichern Grundversorgung,<br />
fördern die dörfliche Gemeinschaft und schaffen<br />
Arbeitsplätze – alles unter einem Dach“,<br />
lobt sich die Landesregierung im Internet<br />
(www.marktreff-sh.de). Mit durchschnittlich<br />
je 300 000 Euro in den letzten Jahren wurden<br />
dörfliche Gemeinden bei der Gründung von<br />
MarktTreffs unterstützt. Mittel aus Landeshaushalt<br />
und EU-Töpfen stellen bis zu 50 % der Anschubfinanzierung.<br />
Die andere Hälfte muss die<br />
Gemeinde selbst aufbringen.<br />
Dafür bekommt<br />
sie, so heißt es,<br />
ein maßgeschneidertes<br />
Modell für ihre Gemeinde, das technisch auf<br />
dem höchsten Stand ist. Insgesamt vier Typen<br />
sieht das Projekt vor vom ehrenamtlich betriebenen<br />
Kiosk bis zum MarktTreff „XL“, der den<br />
Betreibern eine Vollexistenz ermöglicht.<br />
Jeden Freitag berichtet der Schleswig-Holsteinische<br />
Zeitungsverlag (shz) als offizieller Medienpartner<br />
des Projekts in einer eigens geschaffenen<br />
Rubrik aktuell über die MarktTreffs.<br />
Anlass, sich um die Förderung eines Treffs zu<br />
bemühen, ist meist das drohende Ende des Dorfladens:<br />
„Der Bürgermeister kommt und klagt<br />
darüber, dass der Kaufmann zumacht“, erzählt<br />
Norbert Limberg, Projektleiter für Dorf- und<br />
ländliche Regionalentwicklung des Amtes für<br />
Nordfriesland <strong>157</strong> � März 2007 11