franziskus-bote - Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn
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Über die Schulter geschaut: Ehrenamtliche Trainerin Claudia Gertsch<br />
„Ich wäre am liebsten durchs ganze Dorf<br />
gelaufen und hätte es allen erzählt!“<br />
<strong>Heiligenbronn</strong>. Montags um fünf – Zeit<br />
für die lauffreudigen Beschäftigten in der<br />
Werkstatt für behinderte Menschen,<br />
die Schrauben, den Gewindeschneider, die<br />
Magnetschnäpper oder Kugelschreiber mit<br />
Nordic Walking-<strong>St</strong>öcken zu vertauschen:<br />
die Walkinggruppe mit Claudia Gertsch und<br />
Bianca Hock startet nämlich gleich nach<br />
Arbeitsschluss.<br />
Die begeisterte Leichtathletin Claudia<br />
Gertsch aus Schramberg wartet schon in<br />
Laufkleidung auf die Teilnehmer. Heute<br />
fehlen etlich urlaubs- oder krankheitsbedingt<br />
und haben sich abgemeldet. Karl-Heinz<br />
King ist dafür erstmals dabei und will das<br />
Walken mal ausprobieren. Und auch Sozialdienstmitarbeiterin<br />
Bianca Hock kommt<br />
schon und schleppt in einer Riesentasche<br />
den großen Satz von Walkingstöcken an.<br />
Die <strong>St</strong>öcke werden verteilt und noch an die<br />
Körpergröße angepasst. „Oh, Isabel, was<br />
ist das für ein Gewurstel?“, fragt Claudia<br />
Gertsch lachend eine fragend dreinschauende<br />
Teilnehmerin.<br />
Seit dreieinhalb Jahren kommt Langstreckenläuferin<br />
Claudia Gertsch nach <strong>Heiligenbronn</strong><br />
und trainiert ehrenamtlich den seh-, körperund<br />
sprachbehinderten Bewohner Matthias<br />
Maier, der nach seiner Hirnschädigung<br />
und einem langen Klinikaufenthalt zunächst<br />
kaum selbständig gehen konnte. Inzwischen<br />
nimmt er in Begleitung von Claudia Gertsch<br />
oder einem anderen befreundeten Läufer<br />
regelmäßig an <strong>St</strong>adt- , Volks- und Halbma-<br />
Der erstmals mittrainierende Karl-Heinz King bekommt von Claudia Gertsch die richtige Körperhaltung<br />
und den <strong>St</strong>ockeinsatz erklärt. Fotos: Graf<br />
16<br />
rathonläufen teil und löst dort immer wieder<br />
<strong>St</strong>aunen und Bewunderung aus.<br />
„Es gibt mir auch persönlich etwas“<br />
Im vergangenen Jahr hat Claudia Gertsch<br />
ihr ehrenamtliches Engagement auch auf<br />
die Walkinggruppe für Anfänger vor allem<br />
aus der Werkstatt ausgedehnt. Sie habe<br />
gelernt, meint sie im Gespräch mit dem<br />
<strong>franziskus</strong>-<strong>bote</strong>n, dass es noch andere<br />
Dinge gebe als den eigenen Erfolg. Sie<br />
habe sich irgendwie nach <strong>Heiligenbronn</strong><br />
hergezogen gefühlt „und es gibt auch<br />
mir persönlich etwas“. So habe sie gelernt,<br />
Hemmungen in der Kommunikation mit<br />
Menschen besser zu überwinden. „Und oft<br />
fahre ich mit schlechter Laune her und mit<br />
guter Laune nach Hause – es ist unglaublich!“,<br />
berichtet die Sportlerin. Sie kam auch<br />
erst im Erwachsenenalter durch ihren Mann<br />
zum Laufen, startete als Langstreckenläuferin<br />
für die Turnerschaft Schramberg und<br />
erreichte insbesondere im Berglauf viele Er -<br />
folge, darunter zwei Europameister- und<br />
einen Weltmeistertitel bei den Seniorinnen.<br />
In der Walking-Gruppe der Werkstatt läuft<br />
Claudia Gertsch ohne <strong>St</strong>öcke mit, um besser<br />
Hilfestellungen geben zu können. Dem<br />
Neuling Karl-Heinz King erklärt sie gleich,<br />
worauf es ankommt beim Nordic Walking<br />
und korrigiert bei ihm oder anderen immer<br />
wieder den Bewegungsablauf: „Immer die<br />
Arme einsetzen, ruhig etwas kräftiger!“<br />
Kleine Erfolgserlebnisse wichtig<br />
Schon nach wenigen Monaten erkennt<br />
die Trainerin bei vielen gute Fortschritte:<br />
„Anja setzt jetzt die <strong>St</strong>öcke ein, am Anfang<br />
hat sie sie nur getragen.“ Bei Isabel lag der<br />
Fortschritt auf einer ganz anderen Ebene:<br />
anfangs habe sie sie nicht berühren dürfen,<br />
das letzte Mal bekam die Trainerin von ihr<br />
sogar ein Küsschen – „einfach ein Erfolgserlebnis“.<br />
Letztlich gehe es auch gar nicht um<br />
eine perfekte Technik, meint Claudia Gertsch,<br />
die Bewegung an der frischen Luft, die<br />
persönliche Fortentwicklung und die Beziehung<br />
in der Gruppe seien viel wichtiger.<br />
<strong>franziskus</strong>-<strong>bote</strong> 3/09