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1968: Prager Frühling - SLP

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ei über 80%. Am tschechoslowakischen Beispiel zeigte sich, dass das, oft gebrachteArgument, Selbstverwaltung funktioniere nicht, da die ArbeiterInnenalle zu wenig Ahnung von den Aufgaben eines Betriebes hätten, nicht stimmt.Denn die ArbeiterInnen wählten KandidatInnen, die um einiges fähiger waren,als die oft total unqualifizierten, parteitreuen UnternehmensdirektorInnen.Die Zustimmung der Bevölkerung zu diesen Räten und die Sympathiemit den Initiativen der ArbeiterInnen stieg im Laufe des Prozesses an. Sie repräsentiertenfür die Menschen die Hoffnung auf echten demokratischen Sozialismus.Bei einer Meinungsumfrage vom Juni <strong>1968</strong> sprachen sich 75% derBefragten für die Räte aus, die Idee einer Räterepublik hatten jedoch nur wenige.Die „Reformer“ reagierten nichtsdestotrotz auf die Eigendynamik derArbeiterInnenräte-Bewegung mit der Vorbereitung eines Gesetzes, das derenRolle lediglich auf beratende Funktionen beschränken sollte.Eine politische Revolution?In der Tschechoslowakei war eine Bewegung im Entstehen begriffen, die dasrepressive stalinistische System kritisierte und in Frage stellte. Viele Menschenwollten eine demokratisch geplante Wirtschaft, der Sozialismus an sich wurdevon den meisten nicht in Frage gestellt. Grundsätzlich lässt sich die Bewegungalso dadurch charakterisieren, dass die meisten Menschen nicht diewirtschaftliche Grundlage verändern wollten, sondern für echte Demokratieeintraten. Diese zwei wesentlichen Merkmale entsprechen Trotzkis Definitioneiner politischen Revolution. Trotzki, russischer Marxist und Kämpfer gegendie Entartung der KPdSU unter Stalin, formulierte die Frage der Entwicklungdes Stalinismus in seinem Buch „Verratene Revolution“ über den Charakterder Sowjetunion folgendermaßen: „Wird der Beamte den Arbeiterstaat auffressenoder der Arbeiter den Beamten bezwingen?“ In der Tschechoslowakeihätte diese Frage so gestellt werden müssen um tatsächlich etwas zu verändern.Um eine erfolgreiche politische Revolution durchführen zu können, in der dieMacht aus den Händen der Bürokratie in die Hände der ArbeiterInnenklasseübergeht, fehlte aber ein entscheidender Faktor. Es fehlte eine Organisation,die diesen Kurs konsequent vertrat. Sie hätte die Bewegung vereinheitlichen,führen und auf eine höhere Ebene stellen können. Sie hätte die Machtnicht den „Reformern“ überlassen, die sie de facto ohnehin nicht mehr hatten,sondern die Verwaltung und Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft andie entstehenden Räte übergeben. Sie hätte ein Bündnis mit den ArbeiterInnenund Jugendlichen in Ost und West gesucht, sowie mit den revolutionärenBewegungen in den ex-kolonialen Staaten. Obwohl diese Organisation fehlteverfolgte die Bürokratie der Sowjetunion diesen, sich immer mehr radikalisierenden,Prozess, der ihre Macht in Frage stellte und statt ihrer repressivenDiktatur ein demokratisches System forderte, mit wachsendem Unbehagen.Erst nach der Niederschlagung wendeten sich Teile der tschechoslowakischenBevölkerung von Dubček ab und begriffen, dass die Bürokratie die Krise desStalinismus nicht lösen konnte, da sie selbst Teil des Problems war.28 | <strong>1968</strong>: Der <strong>Prager</strong> <strong>Frühling</strong>

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