Haus mit Garten wird zum unleistbaren Luxus - AK - Vorarlberg
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6 Gemeinnütziger Wohnbau November 2011<br />
Dr. Hans-Peter Lorenz, Geschäftsführer der Vogewosi, ist <strong>mit</strong> einer rasant wachsenden Anzahl an Wohnungssuchenden konfrontiert<br />
Auslaufmodell Einfamilienhaus:<br />
Sozialbau gefragter denn je<br />
„Schaffa, schaffa, Hüsle baua“ – diese<br />
Tugend der <strong>Vorarlberg</strong>er ist weitläufig<br />
bekannt. Ein <strong>Haus</strong> <strong>mit</strong> <strong>Garten</strong> erträumen<br />
sich viele, doch es <strong>wird</strong> immer<br />
schwieriger, diesen Wunsch auch in<br />
die Realität umzusetzen. Das Problem:<br />
Es fehlt an leistbaren Grundstücken<br />
und die Einkommensschere öffnet<br />
sich immer weiter.<br />
Dr. Hans-Peter Lorenz, Geschäftsführer<br />
der <strong>Vorarlberg</strong>er gemeinnützigen<br />
Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft<br />
m.b.H., kurz Vogewosi, zur<br />
steigenden Nachfrage nach Sozialwohnungen,<br />
zur politischen Entscheidung,<br />
dass Einfamilienhäuser weniger gefördert<br />
werden, und <strong>zum</strong> Passivhausstandard.<br />
<strong>AK</strong>tion: Wer hat Anspruch auf eine gemeinnützige<br />
Wohnung?<br />
Dr. Hans-Peter Lorenz: Um eine Wohnung<br />
zu erhalten, müssen die Interessenten<br />
eine gewisse Zeit in der jeweiligen<br />
Stadt oder Gemeinde wohnen.<br />
Nur in Bregenz <strong>wird</strong> das – soweit ich<br />
weiß – anders gehandhabt, deshalb<br />
gibt es dort auch so viele Wohnungssuchende.<br />
Derzeit verfügen wir über<br />
3700 Wohnungen in Bregenz. Das<br />
heißt, jeder dritte Bregenzer wohnt in<br />
einer verwalteten Wohnung der Vogewosi.<br />
Eine weitere Voraussetzung: Die<br />
Wohnungsinteressenten dürfen die<br />
80-Prozent-Grenze der Neubauförderungsgrenzen<br />
für Eigentum nicht<br />
überschreiten. Der Wert für drei Personen<br />
liegt im Moment bei etwa 3440<br />
Euro Nettoverdienst.<br />
Wie sieht es derzeit bezüglich der Wohnungsnachfrage<br />
aus?<br />
Die Nachfrage nach Mietwohnungen<br />
ist stark steigend. Das kann man ohne<br />
Übertreibung sagen. Wir haben im<br />
Jahr 2008 zwölf Millionen an Bauvolumen<br />
gehabt, im Jahr 2009 waren es<br />
20 Millionen und 2010 sind es bereits<br />
über 30 Millionen Euro.<br />
Wer ist an Ihren Wohnungen interessiert?<br />
Es drängen sehr viele junge Menschen<br />
auf den Wohnungsmarkt und auch<br />
viele Migranten.<br />
Woran liegt das?<br />
Die finanziellen Möglichkeiten und<br />
die Einkommenssituation verbessern<br />
sich nicht. Die Schere geht mehr auseinander.<br />
Natürlich <strong>wird</strong> es immer<br />
Menschen geben, die nichts <strong>mit</strong> uns<br />
am Hut haben. Diese Personen wachsen<br />
sozusagen nach oben weg, aber viel<br />
mehr Personen fallen zu uns herunter.<br />
In diesem Zusammenhang stellt<br />
sich die Frage, ob der gemeinnützige<br />
Wohnbau nicht etwas ausgedehnt<br />
werden sollte – in einen Mittelstands-<br />
Vogewosi-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Lorenz: „Im Jahr 2010 hatten wir ein Bauvolumen<br />
in der Höhe von 30 Millionen Euro.“<br />
<strong>AK</strong> <strong>Vorarlberg</strong> fordert mehr Wohnraum für Jungfamilien und leistbare Mietpreise<br />
Einfamilienhäuser zählen bald <strong>zum</strong><br />
<strong>unleistbaren</strong> <strong>Luxus</strong>. Ökologie lautet<br />
heute das Stichwort, wenn um Wohnbauförderung<br />
angesucht <strong>wird</strong>. Die soziale<br />
Komponente <strong>wird</strong> immer mehr<br />
außer Acht gelassen.<br />
Der Wohnungsbedarf im niedrigen<br />
Mietpreissegment steigt kontinuierlich<br />
an. Viele junge Menschen können sich<br />
eine Wohnung auf dem privaten Markt<br />
nicht mehr leisten und suchen gehäuft<br />
um gemeinnützige Wohnungen an.<br />
„Wir haben die fehlende soziale Komponente<br />
bei der Wohnbauförderung<br />
bereits öfters kritisiert. Ökologie gut<br />
und recht, aber Wohnen muss wieder<br />
leistbar werden“, fordert <strong>AK</strong>-Direktor<br />
Rainer Keckeis. Die nun vorliegenden<br />
Zahlen der Wohnbedarfserhebung für<br />
Vorarl berg sprechen für sich. Natürlich<br />
sind Wohnungen sehr wohl vorhanden,<br />
aber zu horrenden Preisen. „Gehen<br />
wir von einem Single aus, der seit<br />
drei Jahren Tischlergeselle ist und nun<br />
von zuhause auszieht. Er muss heute<br />
für eine 32 Quadratmeterwohnung<br />
in Lustenau 530 Euro inklusive Betriebskosten<br />
und Heizung berappen.<br />
Im Gegensatz dazu verdient er weniger<br />
als 1300 Euro netto. Also geht fast die<br />
Hälfte des Einkommens für das Wohnen<br />
drauf“, rechnet Keckeis vor. Was<br />
auf dem privaten Markt zudem häufig<br />
hinzu kommt: Eine Kaution (ca. drei<br />
Monatsmieten), Finanzamtgebühr,<br />
Ver<strong>mit</strong>tlungsgebühr usw.<br />
So viel verdienen <strong>Vorarlberg</strong>er<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Vorarlberg</strong> hat auf Basis der<br />
Statistik der Sozialversicherungsträger<br />
errechnet, dass mehr als die Hälfte der<br />
<strong>Vorarlberg</strong>er weniger als 1398 Euro<br />
netto verdient. Im Gegensatz dazu<br />
sind die Mietpreise horrend – von<br />
Eigentum ganz zu schweigen. „Entwickelt<br />
sich das weiter in diese Richtung,<br />
haben wir innerhalb kürzester Zeit ein<br />
riesiges Wohnungsproblem. Stehen die<br />
Wohnungen leer, weil sich die Men-<br />
wohnbau. Aber das entscheidet die Politik.<br />
Wichtig in unseren Anlagen ist,<br />
dass auch sozial besser gestellte Menschen<br />
in die Wohnungen kommen.<br />
Eine gute Durchmischung ist extrem<br />
wichtig. Und natürlich stabile Preise.<br />
Apropos Preise – in welcher Höhe bewegen<br />
sich die Mietpreise der Vogewosi<br />
beim Neubau?<br />
Pro Quadratmeter Wohnfläche beläuft<br />
sich die Gesamtmiete auf ca. 8,30<br />
Euro. In diesem Preis sind Betriebskosten,<br />
Müll, Kanal, Wasser, Strom, Lift,<br />
Heiz- und Warmwasserkosten sowie<br />
<strong>Garten</strong>pflege enthalten. Und natürlich<br />
die Mehrwertsteuer. Auch der Annuitätenzuschuss<br />
für Neubauwohnungen<br />
(siehe Factbox) ist in diesen Preis eingerechnet.<br />
Hier achten wir aber darauf,<br />
diesen niedrig zu halten. Kann sich das<br />
ein Mieter dennoch nicht leisten, deckt<br />
die Differenz die Wohnbeihilfe ab.<br />
Ist Mietkauf noch ein Thema?<br />
Früher haben wir das schon gemacht.<br />
Heute scheitert das meist an den finanziellen<br />
Möglichkeiten der Bewerber.<br />
Wir stellen das Finanzierungsmodell<br />
zwar vor, merken aber bald, dass das<br />
nicht mehr umsetzbar ist.<br />
Haben Sie in Bezug auf die Wirtschaftskrise<br />
Veränderungen auf dem<br />
Wohnungsmarkt bemerkt?<br />
Interessanterweise war das im Jahr<br />
2010 der Fall. Damals sind die Wohnungswechsel<br />
um knapp 20 Prozent<br />
zurückgegangen. Das habe ich noch<br />
nie erlebt. Hintergrund dafür dürfte<br />
sein, dass niemand mehr ein Risiko<br />
eingehen möchte. Zumindest trifft das<br />
auf unsere Klientel zu. Bei uns liegt<br />
die Fluktuation grundsätzlich bei ungefähr<br />
800 Wohnungen im Jahr. Im<br />
letzten Jahr waren es jedoch deutlich<br />
unter 700.<br />
Wie beurteilen Sie den Passivhaus-<br />
Standard, der seit dem Jahr 2007 für<br />
gemeinnützige Wohnungen vorgeschrieben<br />
<strong>wird</strong>?<br />
Energetisch bringt das viel, aber die<br />
errechneten Werte stimmen <strong>mit</strong> der<br />
Realität häufig nicht überein. Man darf<br />
auch den Energiebedarf für die Warm-<br />
schen schlichtweg keinen Wohnraum<br />
mehr leisten können, fahren die Bauträger<br />
rasch enorme Verluste ein. Das<br />
wiederum schwächt das Wirtschaftswachstum<br />
und führt zu Arbeitslosigkeit“,<br />
mahnt Keckeis. Für ihn stellt es<br />
eine besondere Herausforderung dar,<br />
wasseraufbereitung nicht vergessen.<br />
Das heißt, scheint die Sonne nicht,<br />
muss Warmwasser über einen anderen<br />
Energieträger – meist über eine<br />
Gastherme – abgedeckt werden. Diese<br />
Situation haben wir den gesamten<br />
Winter hindurch. Zudem ist die Wartung<br />
von Passivhäusern noch teuer.<br />
Energiesparen ist wichtig, keine Frage,<br />
aber die Kosteneinsparung durch Passivhaus-Standard<br />
bei Mehrwohnhäusern<br />
bringt nicht das, was man sich im<br />
Allgemeinen erwartet.<br />
Diese Standards werden bei Einfamilienhäusern<br />
auch immer mehr gefordert?<br />
Es werden sich bei den jetzigen Auflagen<br />
bestimmt immer mehr Private fragen,<br />
ob sie bei diesen Anforderungen<br />
öffentliche Mittel in Anspruch nehmen<br />
oder nicht. Irgendwann <strong>wird</strong> hier<br />
die Grenze erreicht sein.<br />
Hat das klassische Einfamilienhaus<br />
ausgedient?<br />
Also wenn man sich die Förderungszahlen<br />
ansieht, ist das Einfamilienhaus<br />
eher ein Auslaufmodell. Es <strong>wird</strong> zwar<br />
immer welche geben, doch die werden<br />
schwächer gefördert. Das ist eine politische<br />
Entscheidung. Es ist aber klar<br />
Programm der Wohnbauförderung,<br />
dass Einfamilienhäuser weniger forciert<br />
werden.<br />
Anstatt dessen eher Wohnanlagen?<br />
Wir haben den Auftrag des Landes erhalten,<br />
in die kleinen Gemeinden zu<br />
gehen und dort auch kleine Anlagen<br />
zu errichten, die ins Landschaftsbild<br />
passen. Wir haben im Moment 220<br />
Wohnungen in zahlreichen Anlagen<br />
im Bau. Zum Vergleich: Früher haben<br />
wir etwa drei Anlagen <strong>mit</strong> insgesamt<br />
260 Wohnungen gebaut.<br />
Annuitätenzuschuss<br />
Mietunterstützung bzw. Zuschuss<br />
des Landes, der 20 Jahre lang<br />
ausbezahlt <strong>wird</strong>. Wurde in den<br />
letzten Jahren von der Vogewosi<br />
bei abgerechneten Bauten nicht in<br />
Anspruch genommen, <strong>wird</strong> sich<br />
aber künftig aufgrund der höheren<br />
Baukosten ändern.<br />
„Leistbare Wohnungen sind Mangelware“<br />
jungen Familien günstigen Wohnraum<br />
zur Verfügung zu stellen. Passiere hier<br />
nichts, sei die nächste – dieses Mal<br />
hausgemachte – Krise vorprogrammiert.<br />
Für ihn sei es ein Gebot der<br />
Stunde, den Wohnraum wieder an die<br />
Einkommensverhältnisse anzupassen.<br />
<strong>AK</strong>-Direktor Keckeis: „Ökologie gut und recht, aber Wohnen muss wieder leistbar werden.“<br />
Vogewosi-Bauleiter Ing. Hansjörg Österle auf einer B<br />
Die Wohnungswerber (ausschließlich<br />
dringender Wohnbedarf) teilen sich<br />
auf wie folgt:<br />
<strong>Haus</strong>haltsgröße<br />
Bezirke 1 2 3 4 5+<br />
Bludenz 308 124 101 46 21 16<br />
Bregenz 640 298 163 71 55 53<br />
Dornbirn 270 80 87 49 31 23<br />
Feldkirch 160 53 57 26 13 11<br />
<strong>Vorarlberg</strong> 1378 555 408 192 120 103<br />
Quelle: Land <strong>Vorarlberg</strong>, Abteilung<br />
Wohnbauförderung, Stand 14.1.2011<br />
Bestand an gemeinnützigen<br />
Wohnungen<br />
Wohnungen<br />
Bezirke Bestand in Bau<br />
Bludenz 2308 163<br />
Bregenz 6714 60<br />
Dornbirn 4738 97<br />
Feldkirch 3227 98<br />
<strong>Vorarlberg</strong> 16.987 418<br />
Quelle: Land <strong>Vorarlberg</strong>, Abteilung<br />
Wohnbauförderung, Stand 30.6.2010