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Innenland: Ein Wegweiser in die Seele der Bibel und in ... - Plough

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Eberhard Arnold<strong>Innenland</strong><strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>Wegweiser</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong><strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> denKampf um <strong>die</strong> Wirklichkeit


<strong>Innenland</strong>e I N w E G W E I S E R I N D I E S E E L E D E R b I B E L u n d<strong>in</strong> den Kampf um <strong>die</strong> wirklichkeitEberhard ArnoldHerausgegeben von<strong>Plough</strong> Publish<strong>in</strong>g House


Dieses Buch sollten Sie nicht für sich behalten.Schicken Sie es ruhig an Fre<strong>und</strong>e weiter. Sie können auchgerne das ganze Werk o<strong>der</strong> Auszüge davon ausdrucken,aber bitte nehmen Sie ke<strong>in</strong>erlei Verän<strong>der</strong>ungen vor. Bittebieten Sie auch ke<strong>in</strong>e Kopien <strong>die</strong>ses E-Buches zurWie<strong>der</strong>gabe <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Webseiten o<strong>der</strong> irgendwelchenan<strong>der</strong>en Internet-Diensten an. Bei <strong>der</strong> Vervielfältigung <strong>in</strong>größerem Umfang sowie bei Abdruck <strong>und</strong>Veröffentlichung von Auszügen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Me<strong>die</strong>nerfüllen Sie bitte folgende Bed<strong>in</strong>gungen: (1) Diekommerzielle Nutzung des Werkes ist untersagt. (2)Jegliche Nutzung nur unter Vermerk folgen<strong>der</strong> Quelle:“Copyright © 2012 The <strong>Plough</strong> Publish<strong>in</strong>g House.Veröffentlicht mit Genehmigung des Urhebers.”This e-book is a publication of The <strong>Plough</strong> Publish<strong>in</strong>gHouse.Copyright © 2012by The <strong>Plough</strong> Publish<strong>in</strong>g HouseRifton, New YorkRobertsbridge, Englandwww.plough.comAll Rights Reserved


Me<strong>in</strong>er treuen Frau als besten Hilfeauf <strong>die</strong>sem Wege auch <strong>die</strong>smalgewidmetDas hier vorliegende Buch will <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen politischen,sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Erregung zur religiösen Entscheidungaufrufen. Es sucht <strong>die</strong> Herzen aller <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> Gott<strong>und</strong> se<strong>in</strong> letztes Reich nicht vergessen <strong>und</strong> verlieren wollen.Es will im <strong>E<strong>in</strong></strong>klang mit den Ereignissen <strong>der</strong> Zeitgeschichtedarauf h<strong>in</strong>weisen, daß das Heranrücken des Gerichtes Gottesunser Herz treffen will, daß <strong>der</strong> lebendig machende Geistunser Innerstes bewegen will. Duch <strong>die</strong> alles bewegendeAnregung <strong>die</strong>ses Geistes sollen wir von Innen her e<strong>in</strong> Lebengew<strong>in</strong>nen, das nach Außen h<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e Lebensgestaltung <strong>der</strong>tätigen Liebe Gottes Gerechtigkeit, Friede <strong>und</strong> Freude imheiligen Geist beweist.Aus <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>führung zur ersten Ausgabe 1936


INHALTSVERZEICHNISVorwort des VerlagesDas <strong>in</strong>wendige LebenDas Herz<strong>Seele</strong> <strong>und</strong> GeistDas Gewissen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> ZeugnisDas Gewissen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>ungDas Erleben GottesDer GottesfriedeLicht <strong>und</strong> FeuerDer heilige GeistDas lebendige WortAus dem Leben Eberhard Arnolds


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 4Vorwort des Verlages<strong>Innenland</strong>, das wichtigste Buch von Eberhard Arnold, hattebereits e<strong>in</strong>e Geschichte, als es 1936 e<strong>in</strong> Jahr nach se<strong>in</strong>emunerwarteten Tod erschien. <strong>E<strong>in</strong></strong>e Art Urfassung wurde im Herbst1914 unter dem <strong>E<strong>in</strong></strong>druck des beg<strong>in</strong>nenden Weltkrieges veröffnetlicht.<strong>E<strong>in</strong></strong>e zweite, erweiterte Ausgabe erschien 1918 <strong>und</strong>Ende 1920 hat sich Eberhard Arnold erneut an <strong>die</strong> überarbeitung<strong>und</strong> Erweiterung des "<strong>Innenland</strong>es" gemacht - <strong>die</strong>smal mite<strong>in</strong>em "bezw<strong>in</strong>genden, propehtischen Weitblick" - wie es se<strong>in</strong>deutscher Biograf Markus Baum 1995 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vorwort zurüberarbeiteten Neuersche<strong>in</strong>ung schrieb.Am 16. Novemeber 1933 umstellte e<strong>in</strong> starkes Aufgebotvon SS <strong>und</strong> Polizei den sogenannten Rhönbru<strong>der</strong>hof , <strong>in</strong> <strong>der</strong>hessischen Rhön zwischen Neuhof <strong>und</strong> Schlüchtern gelegen.Die gewaltsame Hausdurchsuchung erfolgte 4 Tage nach jenerVolksbefragung <strong>in</strong> <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Deutsche se<strong>in</strong>e rückhaltlose Unterstützungfür <strong>die</strong> Regierung H<strong>in</strong>denburgs <strong>und</strong> Hitlers bestätigensollte. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft hatten es jedoch gewagt,stattdessen zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen, dass sie <strong>die</strong> neueRegierung zwar respektieren, sie sich jedoch <strong>der</strong> NachfolgeJesu <strong>und</strong> dem ganz an<strong>der</strong>s gearteten Reich Gottes <strong>und</strong> <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de Christi verpflichtet haben <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Berufung treubleiben müssen. Die Razzia am 16. November war <strong>die</strong> Antwort<strong>der</strong> Gestapo (Geheimen Staatspolizei) auf <strong>die</strong>se Erklärung.Um <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>stellung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft zu Staat <strong>und</strong> Regierungverständlich zu machen, hatte Eberhard Arnold wenigeTage vor <strong>der</strong> Volksbefragung neben an<strong>der</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>gaben auche<strong>in</strong>e an den Reichskanzler Adolf Hitler selbst gerichtet. Zur weiterenErläuterung hatte er das erste Druckexemplar e<strong>in</strong>er soebenfertig gestellten Schrift beigefügt. Sie trug den Titel LICHTUND FEUER <strong>und</strong> war eigentlich e<strong>in</strong> weiteres Kapitel aus se<strong>in</strong>emBuch INNENLAND, welches zuerst <strong>in</strong> 5 <strong>E<strong>in</strong></strong>zelbändenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 5erschien. Durch e<strong>in</strong>e bemerkenswerte Fügung hatte sich <strong>die</strong>Drucklegung <strong>die</strong>ses Kapitels bis auf gerade <strong>die</strong>sen geschichtlichenAugenblick verzögert.Gegenüber den totalitären Staatsideen des Nationalsozialismusbezeugt Licht <strong>und</strong> Feuer unmissverständlich, dass<strong>die</strong> Erde Gott gehört <strong>und</strong> nicht als Herrschaftsbereich e<strong>in</strong>zelnerMenschen beansprucht werden darf.DAS LEBENDIGE WORT ist <strong>der</strong> fünfte <strong>und</strong> letzte Band <strong>der</strong>überarbeiteten Neuauflage. Dieser Band unterscheidet sich<strong>in</strong>sofern von den an<strong>der</strong>en Bänden <strong>die</strong>ses Werkes, als hier<strong>die</strong>jenigen Zeugen <strong>der</strong> Reformationszeit selbst zu Wortkommen, <strong>die</strong> – ähnlich wie Eberhard Arnold – den notwendigenZusammenhang erkannten, <strong>der</strong> zwischen dem neu entdeckten<strong>Bibel</strong>wort <strong>und</strong> dem frei wehenden, alle Gottesoffenbarungenklar <strong>und</strong> verständlich machenden Heiligen Geist bestehenmuss. Während e<strong>in</strong>gangs das lebendige Wort im Zeugnis<strong>der</strong> hutterischen Ältesten Ulrich Stadler <strong>und</strong> Peter Ridemanndargestellt wird, br<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> darauf folgenden Seiten e<strong>in</strong>enebenso wichtigen Auszug aus den Bekenntnisschriften HansDencks. Daran schließt sich e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> zum Teil sehrverwandten Gedankengänge Sebastian Francks an.Trotz <strong>der</strong> seit 1933 anhaltenden Störungen, unter denen <strong>die</strong>Bru<strong>der</strong>hof-Geme<strong>in</strong>schaft zu leiden hatte, konnte <strong>die</strong> Arbeit andem ursprünglichen Werk nahezu vollendet werden. Nach demplötzlichen Tod Eberhard Arnolds im Jahre 1935 wurde dasBuch von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft fertig bearbeitet.INNENLAND erschien 1975 <strong>und</strong> 1999 <strong>in</strong> verschiedenenenglischen Ausgaben. In deutscher Sprache waren <strong>die</strong>seSchriften jahrzehntelang be<strong>in</strong>ahe unzugänglich, da nur nochRestexemplare <strong>der</strong> 1936er Ausgabe vorlagen. Von 1994 bis1996 veröffentlichte <strong>der</strong> Brendow Verlag e<strong>in</strong>e überarbeiteteNeuersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> 5 <strong>E<strong>in</strong></strong>zelbänden.Mit <strong>der</strong> Herausgabe als E-Buch soll <strong>die</strong>ses herausfor<strong>der</strong>ndeWerk erneut allen denen zugänglich gemachtwerden, <strong>die</strong> nach Verän<strong>der</strong>ung suchen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


DAS INWENDIGE LEBENVor dem Ersten Weltkrieg war es <strong>der</strong> Wille zur Macht, <strong>der</strong> sich<strong>in</strong> vielfältigster Weise äußerte. Er suchte <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> dasäußere Getriebe zu verstricken <strong>und</strong> alle ihre Kräfte für <strong>die</strong> Erweiterungdes greifbaren Besitzes zu verbrauchen.Heute ist es von neuem <strong>der</strong> Wille zur gewalttätigen Selbstbehauptung<strong>und</strong> zur rücksichtslosen Machterweiterung, <strong>der</strong> nebenan<strong>der</strong>en Völkern auch unsere Nation wie e<strong>in</strong> wüten<strong>der</strong> Sturm durchpeitscht.Damit soll <strong>die</strong> nationale Freiheit, <strong>die</strong> Arbeitsbeschaffung <strong>und</strong>auch <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>schaftliche Eigenwille <strong>und</strong> das persönliche Eigentumzu neuem, alles an<strong>der</strong>e verdrängenden Auftrieb gebracht werden.Der Wille zur Selbstverwirklichung des Volkes <strong>und</strong> des e<strong>in</strong>zelnennimmt heute <strong>in</strong> gesteigerter Rücksichtslosigkeit unser ganzes Se<strong>in</strong> für<strong>die</strong> Erhaltung <strong>und</strong> Verbesserung <strong>der</strong> mehr denn je erschwerten materiellenExistenz <strong>in</strong> Anspruch; er kann jedoch ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerste Gr<strong>und</strong>legunggeben. Demgegenüber steht <strong>der</strong> Wille zum <strong>in</strong>nersten Leben<strong>und</strong> zur alles beherrschenden Macht des Reiches Gottes als Reich<strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit. Er nötigt uns <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Abgeschiedenheit,<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> zur Zweisamkeit mit Gott <strong>und</strong>zur Geme<strong>in</strong>samkeit se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de werden soll.Deshalb hat Meister Eckhart 1 , <strong>der</strong> <strong>in</strong> mancher Beziehung das <strong>in</strong>nereLeben wie kaum e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er gekannt hat, sagen müssen: “Nirgendsist volle Ruhe, als alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem abgeschiedenen Herzen. Darum istGott lieber dort, als <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Wesen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>en Tugend.”Dieses Wort trifft jedoch <strong>die</strong> Wahrheit nur dann, wenn <strong>die</strong>Abgeschiedenheit zur Abson<strong>der</strong>ung von den unfruchtbaren<strong>und</strong> toten Werken <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis <strong>und</strong> zu dem lebendigen Aufbau<strong>der</strong> Lichtstadt führt. In ihr wird das Wesen des ReichesGottes mit aller Tüchtigkeit <strong>und</strong> Tapferkeit des Liebenden Geme<strong>in</strong>schaftswerkesallen Menschen als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit offenbar.________________________________1Meister Eckhart, dt. Mystiker, ca. 1260-1327


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 7Wo Gott ist, rückt se<strong>in</strong> Reich als das letzte Reich heran. Erist <strong>der</strong> Gott des Friedens, dessen Gegenwart <strong>die</strong> Befreiung vonaller <strong>in</strong>neren Unruhe, von allem Zwiespalt des Herzens <strong>und</strong> vonje<strong>der</strong> fe<strong>in</strong>dseligen Regung bedeutet. Meister Eckhart vergißt esallzu leicht, daß <strong>der</strong> lebendige Gott ebensosehr Tätigkeit wieFriede ist. Se<strong>in</strong> Friede ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerste <strong>E<strong>in</strong></strong>heit desHerzens <strong>in</strong> dem harmonischen <strong>E<strong>in</strong></strong>klang größter Vielfalt allerGaben <strong>und</strong> Kräfte <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Aber auf <strong>die</strong>ser Gr<strong>und</strong>lage br<strong>in</strong>gter als das Ziel se<strong>in</strong>er Schöpfung <strong>die</strong> äußere <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aller Betätigunghervor. Als Freude an jedem Gegenstand <strong>der</strong> Liebe<strong>und</strong> als wirksame Gerechtigkeit für alle Menschen baut sie e<strong>in</strong>eAußenwelt auf, <strong>die</strong> im Heiligen Geist nach allen Seiten h<strong>in</strong> denFrieden verwirklicht.Gott will dem <strong>in</strong>wendigen Leben e<strong>in</strong>e unzerstörbare Harmonieschenken, <strong>die</strong> <strong>in</strong> gewaltigen Melo<strong>die</strong>n <strong>der</strong> Liebe nach Außenwirksam werden soll. Es ist Kraft zur Betätigung, <strong>die</strong> sichaus <strong>der</strong> Energie <strong>in</strong>nerer Sammlung ergibt. Die Sammlung <strong>der</strong>Herzen führt zur Sammlung e<strong>in</strong>es Volkes, das <strong>in</strong> tätiger Arbeitdas Reich Gottes als Gerechtigkeit, Friede <strong>und</strong> Freude im HeiligenGeist erkennen läßt.Heute gilt es für <strong>die</strong>se Lebensaufgabe <strong>der</strong> Berufung Christivon neuem zu betonen, daß unsere Arbeitskraft leer <strong>und</strong>mechanisch werden muß, ja daß ihr Lebensnerv verzehrtwird, wenn dem <strong>in</strong>neren Leben ke<strong>in</strong>e Vertiefung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stillegeschenkt wird. Die heiligen Quellen <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Welt, <strong>die</strong>unserem Geistesleben das befruchtende Wasser geben, müssen<strong>in</strong> sich selbst zum Versiegen kommen, sobald <strong>die</strong> <strong>in</strong>nereStille verlorengegangen ist. Der heutige so überlastete Menschsehnt sich wie e<strong>in</strong> Verdursten<strong>der</strong> nach stärken<strong>der</strong> Erquickungdes <strong>in</strong>wendigen Lebens, weil er es fühlt, wie elend er ohne siezugr<strong>und</strong>e gehen muß.Die <strong>in</strong>nere Quellkraft, <strong>die</strong> <strong>in</strong> schweigen<strong>der</strong> Stille Gott selbstreden <strong>und</strong> wirken läßt, führt <strong>die</strong> Glaubenden vom Untergangdes Todes zum Aufgang des Lebens; e<strong>in</strong>es Lebens, das imStrome schöpferischen Geistes nach Außen drängt, ohne sich<strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenwelt verlieren zu können. Als “werktätige Stille“ führt<strong>die</strong>se Kraft zu e<strong>in</strong>er Arbeit an <strong>der</strong> Welt, <strong>die</strong> den Glaubendennicht verweltlichen <strong>und</strong> doch niemals untätig werden läßt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 8Die Not <strong>der</strong> Zeit erlaubt es nicht, sich menschlicher Gesellschaft<strong>in</strong> selbstgewollter Bl<strong>in</strong>dheit gegen <strong>die</strong> Fülle <strong>der</strong> gewaltigandr<strong>in</strong>genden Aufgaben zu entziehen. Wir können <strong>die</strong> <strong>in</strong>nereAbgeschiedenheit nicht mit Hilfe <strong>der</strong> leicht mißzuverstehendenAussagen Meister Eckharts <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeitsuchen. Wir s<strong>in</strong>d dankbar dafür, daß <strong>der</strong> angespannteMechanismus <strong>der</strong> heutigen Weltwirt schaft <strong>die</strong>se fromme Selbstsuchtnicht mehr zulassen will. Denn dadurch s<strong>in</strong>d wir mehrals <strong>in</strong> früheren Zeiten vor Selbsttäuschung bewahrt. Wir fühlenes im praktischen Leben an dem Mangel lebendiger Wirkung,wenn unser Streben nach Abgeschiedenheit nicht bis zu den<strong>in</strong>nersten Quellen schöpferischer Kraft vorgedrungen ist. Wo<strong>die</strong>se Kraft im Menschen wirksam ist, sammelt <strong>die</strong> Abgeschiedenheit<strong>in</strong> völligster Gelassenheit <strong>und</strong> deshalb <strong>in</strong> aktivster Arbeite<strong>in</strong> glaubendes Volk lebendigster Geme<strong>in</strong>schaft. Dessen Liebezu allen Menschen drängt nunmehr aus aller <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit bis an<strong>die</strong> Enden <strong>der</strong> Erde h<strong>in</strong>aus, ohne doch dabei <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>sameSammlung im Brennpunkt <strong>der</strong> Kraft aufgeben zu können.<strong>E<strong>in</strong></strong>e Flucht aus <strong>der</strong> verwirrenden Drehschaukel <strong>der</strong> überhastetenGegenwart <strong>in</strong> das Innerste unseres Hauses läßt sichvor dem verantwortlichen Gewissen nur durch bereicherteFruchtbarkeit rechtfertigen. Dort im Innersten gilt es, durch <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit den ewigen Kräften <strong>die</strong> Stärke des im Strom <strong>der</strong>Welt zu erprobenden Charakters zu gew<strong>in</strong>nen. Sie alle<strong>in</strong> kannden For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zeit gewachsen se<strong>in</strong>.Nicht Flucht, sondem Sammlung zum Angriff ist <strong>die</strong> Losung.Wir dürfen uns dem reißenden Strom des gegenwärtigenLebens niemals <strong>in</strong> jenem seelischen Eigennutz entziehen, <strong>der</strong>unsere Liebe gegenüber <strong>der</strong> Not <strong>und</strong> ihren unzähligen Irrwegen<strong>der</strong> Schuld zur Abkühlung br<strong>in</strong>gt. Dann wäre unsere Abgeschiedenheitals Kaltherzigkeit zu e<strong>in</strong>er so gesteigerten Ungerechtigkeitgeworden, daß sie <strong>die</strong> Ungerechtigkeit <strong>der</strong> Welt übertroffenhatte. Ohne das Mittragen <strong>der</strong> Weltnot <strong>und</strong> <strong>der</strong> Weltschuld verfallenwir <strong>der</strong> Unwahrhaftigkeit <strong>und</strong> Unlebendigkeit, dem ewigen<strong>und</strong> zeitlichen Tod. Und wer das Leben halbieren will, <strong>in</strong>dem ernur an <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Not, nicht aber auch ganz <strong>und</strong> völlig an <strong>der</strong>äußeren Not se<strong>in</strong>er Mitmenschen teilnimmt, verliert damit auchw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 9<strong>die</strong> verme<strong>in</strong>tlich so gewonnene o<strong>der</strong> so zu bewahrende <strong>in</strong>nereHälfte des Lebens. Denn er hat Christus Jesus vergessen,<strong>der</strong> sich <strong>der</strong> äußeren Not ebenso wie <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren angenommenhat, weil vor se<strong>in</strong>em Auge beides untrennbar e<strong>in</strong>es ist.<strong>E<strong>in</strong></strong> liebendes <strong>und</strong> kämpfendes Miterleben unserer Zeit istnur dann möglich, wenn jede Faser unserer Nerven mit denFor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeit mitschw<strong>in</strong>gt, wenn je<strong>der</strong> Tropfenunseres Herzblutes mit <strong>der</strong> Not mitempf<strong>in</strong>det, sie miterleiden<strong>und</strong> deshalb tätig überw<strong>in</strong>den will. Den Weg zu <strong>die</strong>ser Hilfe f<strong>in</strong>denwir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stille.Jean Paul 2 beschreibt den wütenden Sturm, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong>Wasserspiegel zackig <strong>und</strong> schäumend durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>geworfenwird, während <strong>die</strong> Sonne ihn bestrahlt, ohne daß unruhigeWolken sie verdecken. Auch <strong>in</strong> dem uns umtosenden Treiben,<strong>in</strong> dem wir zu leben <strong>und</strong> zu wirken haben, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Spiegelunserer Gefühle <strong>in</strong> Sturm <strong>und</strong> Wallung kommt, weiß das Herzvon e<strong>in</strong>em Himmel mit e<strong>in</strong>er Sonne, <strong>die</strong> <strong>in</strong> strahlen<strong>der</strong> Ruheunberührte <strong>und</strong> unangetastete Kraft bewahrt. Dieser Himmelist <strong>die</strong> aufgehende Sonne des herannahenden Gottesreichs.Jesus Christus, <strong>der</strong> Morgenstern <strong>der</strong> Zukunft, hat <strong>die</strong>s nicht nurangesagt, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben <strong>und</strong> Sterben, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emWort <strong>und</strong> Werk an uns alle herangebracht. Wer <strong>die</strong>sen Himmelsieht, versteht das Wort Fichtes 3 : “Willst du Gott schauen,wie er <strong>in</strong> sich selbst ist, von Angesicht zu Angesicht? Such' ihnnicht jenseits <strong>der</strong> Wolken; du kannst ihn allenthalben f<strong>in</strong>den,wo du bist.” Das Reich Gottes naht auf <strong>der</strong> ganzen Erde. Gottist überall nahe, wo <strong>die</strong> gänzliche Verän<strong>der</strong>ung aller D<strong>in</strong>ge gesuchtwird, <strong>die</strong> se<strong>in</strong>e Herrschaft mit sich br<strong>in</strong>gt. Se<strong>in</strong> Reich istnicht räumlich beschränkt.Man ist nicht eher e<strong>in</strong> Christ – <strong>in</strong> dem alle<strong>in</strong> möglichen, <strong>in</strong>dem <strong>in</strong>nerlichen <strong>und</strong> deshalb zugleich auf alles Äußere e<strong>in</strong>wirkendenS<strong>in</strong>ne –, bevor man das entscheidende Wort vondem Nahese<strong>in</strong> des Christus im eigenen Herzen erlebt hat:“Die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht also: Sprich nicht<strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Herzen: ,Wer will h<strong>in</strong>auf gen Himmel fahren?' (Dasist nichts an<strong>der</strong>es, denn Christus herab holen.) O<strong>der</strong>: ,Wer will______________________________2Jean Paul, Pseudonym für Jean Paul Richter, 1763-18253Fichte, Johann Gottlieb, dt. Philosoph, 1762-1814w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 10h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe fahren?' (Das ist nichts an<strong>der</strong>es, denn Christumvon den Toten holen.) Aber was sagt sie: ,Das Wort ist dirnahe, <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em M<strong>und</strong>e <strong>und</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Herzen' (Röm. 10,6-8).”Das Wort kommt <strong>in</strong>s Herz, weil es <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt gekommen ist.Das ewige Wort wurde zeitliches Fleisch; <strong>der</strong> Gottessohn istMenschensohn geworden. So oft <strong>in</strong> Wahrheit getan wird, wasman mit dem Herzen glaubt <strong>und</strong> mit dem M<strong>und</strong>e bekennt, wirddas Wort wie<strong>der</strong> Leib <strong>und</strong> Leiblichkeit <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em M<strong>und</strong>e, <strong>in</strong>de<strong>in</strong>em Herzen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> demOrganismus ihrer liebenden <strong>und</strong> tätigen Geme<strong>in</strong>schaft. Diesgeschieht durch den Heiligen Geist wie <strong>in</strong> dem ersten Kommendes Sohnes.Um <strong>in</strong> das Menschenleben e<strong>in</strong>zudr<strong>in</strong>gen, geht das Wort stetsvon neuem <strong>in</strong> das Inwendige e<strong>in</strong>. Das Reich ist nicht zeitlichbeschränkt. Ke<strong>in</strong> Auge kann außer sich, sondem nur <strong>in</strong> sichselbst das Licht erblicken. Das Licht kommt von Außen <strong>und</strong> erstrahltim Inneren. Gottes Morgenstern <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e aufgehendeSonne naht aus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt zu uns heran. Wenn wir<strong>die</strong>se Tatsache glauben, wenn <strong>die</strong>se Nachricht das <strong>in</strong>wendigeLeben erreicht, ist <strong>der</strong> Morgenstern aufgegangen <strong>in</strong> unserenHerzen. Es wird Licht <strong>in</strong> uns, weil das Licht <strong>der</strong> Welt von fernher angekommen ist. So erleuchtet es jeden Menschen, <strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>die</strong>se Welt kommt. Alles Sehen kommt dadurch zustande,daß das Auge <strong>die</strong> Strahlen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe se<strong>in</strong>es eigenen Gr<strong>und</strong>esaufgenommen hat. “So kannst du Gott nicht außer dir erfassen.Er selbst muß tief <strong>in</strong> de<strong>in</strong>es Herzens Gr<strong>und</strong>e <strong>die</strong> Strahlense<strong>in</strong>es Geistes gleiten lassen, se<strong>in</strong> Bildnis dre<strong>in</strong> zu prägen, dirzur K<strong>und</strong>e.” In Jesus ist das Bild Gottes so klar <strong>und</strong> so unwi<strong>der</strong>sprechlicherschienen, daß nunmehr <strong>die</strong> Berufung des Menschenvon ihm aus <strong>in</strong> unser Herz e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt. Das Bild Gottes,das er uns br<strong>in</strong>gt, ist <strong>die</strong> Liebe als Wille zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Es ist <strong>die</strong>Berufung zur Ebenbildlichkeit Gottes, <strong>in</strong> welcher se<strong>in</strong> Geist alleMenschen <strong>und</strong> D<strong>in</strong>ge zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit beherrschen <strong>und</strong> formen will.Das Reich ist nicht subjektiv beschränkt.Sobald das verdunkelnde Getriebe unseres eigenwillig <strong>in</strong>sÄußere sich dehnenden Selbst uns nicht mehr im Lichte steht,sehen wir Gott unmittelbar vor dem <strong>in</strong>nersten Herzen. Gottw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 11erweist sich uns als <strong>die</strong> strahlende Sonne, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> das bleibendeLeben br<strong>in</strong>gen kann. Er führt den neuen Tag herauf, <strong>der</strong>als se<strong>in</strong> Tag das Dunkel des Ichlebens richtet, e<strong>in</strong>en jeden zumLicht erlösen <strong>und</strong> alle unter se<strong>in</strong>er Herrschaft vere<strong>in</strong>en will.In Gott, als <strong>der</strong> Zentralsonne unseres Se<strong>in</strong>s, f<strong>in</strong>den wirden Mittelpunkt unseres <strong>in</strong>neren Lebens, weil wir <strong>in</strong> ihm dasZentralfeuer <strong>der</strong> ganzen Schöpfung <strong>und</strong> aller Geschichte<strong>und</strong> Endgeschichte erkennen. Ohne ihn muß <strong>die</strong> Sammlungunseres Geistes <strong>in</strong> dem Gr<strong>und</strong>e unserer <strong>Seele</strong> uns stets aufsneue zerflattern; sie wird nur dadurch ermöglicht, daß wir <strong>in</strong> <strong>der</strong>Tiefe des Se<strong>in</strong>s mit Gott e<strong>in</strong>s werden.Die Schlacht kann nur dann gewonnen werden, wenn <strong>der</strong>Feldherr mit se<strong>in</strong>em Stabe <strong>in</strong> all ihrem Toben völlige Ruhebewahrt. So s<strong>in</strong>d wir alle nur dann den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>heutigen Not gewachsen, wenn wir <strong>in</strong>nerlich <strong>die</strong> Sammlung <strong>in</strong>Gott gef<strong>und</strong>en haben. Und wir f<strong>in</strong>den sie nur dann, wenn <strong>der</strong>Blitz des Reiches Gottes hernie<strong>der</strong>gefallen ist <strong>und</strong> den ganzenHorizont erleuchtet hat.Es gibt ke<strong>in</strong> Leben, welches nicht se<strong>in</strong> Zentrum im Innernhätte. Wie <strong>der</strong> Erdkörper ohne se<strong>in</strong> glühendes Innere nichtweniger tot wäre als <strong>der</strong> Mond, wie <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Kern <strong>die</strong> Lebenskraft<strong>der</strong> Frucht enthält, wie <strong>die</strong> schönen Kelchblätter <strong>der</strong> Blume <strong>die</strong>Organe ihrer Befruchtung <strong>in</strong>nerlich verborgen halten, so kannes für jede Lebensenergie nur e<strong>in</strong> Zentrum geben: das Inwendige<strong>und</strong> Verborgene. Die Kraft des Reiches Gottes liegt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emInnersten, im Herzen Gottes, verborgen. Sie tritt hervor <strong>in</strong>Jesus als dem verborgenen Mittelpunkt aller Geschichte.Im Herzpunkt des Glaubens offenbart Jesus <strong>die</strong>se Kraft denUnmündigen. Den Weisen <strong>und</strong> Klugen bleibt sie verborgen, weilnur das k<strong>in</strong>dliche Herz den Plan <strong>der</strong> Liebe zu fassen vermag.Nur wenn wir <strong>in</strong> unserem eigenen Innersten mit dem Zentrumaller Welten <strong>und</strong> ihres gesamten Lebens e<strong>in</strong>s geworden s<strong>in</strong>d,hat unsere <strong>Seele</strong> Gott erkannt <strong>und</strong> ist von Gott erkannt worden.Der <strong>in</strong>nerste Kern entscheidet über Leben <strong>und</strong> Tod.Die schwerste Erkrankung des Lebens bleibt deshalb nichtbei den nach Außen gewandten Lebensformen stehen, son<strong>der</strong>nergreift mit ihrer Zersetzung <strong>und</strong> Zerstörung das Innerste. Inw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 12Wahrheit könnte es für das Leben ke<strong>in</strong>e wirkliche Krankheit geben,wenn <strong>der</strong> Kern des Se<strong>in</strong>s von ihr unberührt geblieben wäre.Wir s<strong>in</strong>d krank <strong>und</strong> verfallen dem Tode, weil wir uns dem Kernfeuerallen Lebens <strong>und</strong> allen Geschehens entfremdet haben. In<strong>die</strong>sem Zustand begreifen wir nichts von dem Gericht Gottes <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Geschichte. Unser <strong>in</strong>wendiges Auge ist an <strong>die</strong>ser Krankheitdem Reich Gottes gegenüber erbl<strong>in</strong>det. Jede Schwächung<strong>der</strong> Innerlichkeit hat den Quellort unserer Lebenskraft getroffen.Jede Verstärkung des äußerlichen Dase<strong>in</strong>s auf Kosten des<strong>in</strong>neren verschwendet unser Lebensmark <strong>und</strong> gefährdet unsere<strong>in</strong>nere Existenz. Nur <strong>der</strong> im Innersten gesammelte Reichtumdes Lebens befähigt uns zur schenkenden Tugend, <strong>die</strong> im Gebenihre Glückseligkeit f<strong>in</strong>det.Der <strong>in</strong>nerste Kern des Reiches Gottes ist <strong>die</strong> sich h<strong>in</strong>gebendeLiebe, das tätige Opfer des re<strong>in</strong>sten Lebens; so entzündet <strong>die</strong>Liebe des geopferten Christus im Innersten unseres Herzensdas reiche Feuer <strong>der</strong> Gelassenheit, <strong>in</strong> dem wir alles loslassen<strong>und</strong> h<strong>in</strong>geben, was uns an eignen Kräften <strong>und</strong> Gütern gegebenwurde. Jede Verarmung <strong>und</strong> Erkrankung des <strong>in</strong>neren Menschenbedeutet e<strong>in</strong>en Verlust an Wärme <strong>und</strong> Wesenhaftigkeit, <strong>der</strong> <strong>in</strong>allem unserem Wirken <strong>und</strong> Treiben nachzuweisen se<strong>in</strong> muß.Jede Ges<strong>und</strong>ung des <strong>in</strong>neren Lebens führt zur Aufopferung <strong>in</strong><strong>der</strong> Liebe als zu re<strong>in</strong>erer <strong>und</strong> stärkerer Tätigkeit.Jesus hat wie niemand sonst das Schwert se<strong>in</strong>er gewaltigenRede gegen <strong>die</strong> Gefahr <strong>der</strong> Veräußerlichung <strong>der</strong> religiösen, <strong>in</strong>nerlichstenGüter des Menschen gewandt. Niemand hat mehrals er alles Gewicht auf den wirklichen Zustand des <strong>in</strong>wendigenLebens gelegt. Weil er das Herz Gottes ist, hat er das ReichGottes gebracht, das über alles Geltung gew<strong>in</strong>nen will, <strong>in</strong>demes <strong>die</strong> Herzen trifft <strong>und</strong> von dort aus alles verän<strong>der</strong>t. So suchter das <strong>in</strong>wendige Leben aller Menschen. Von ihm wissen wir,daß selbst <strong>der</strong> gottentfremdetste <strong>und</strong> unehrlichste Mensch e<strong>in</strong>Inneres hat.Mit allen Mitteln des Gerichtes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Liebe sucht Gott dasHerz e<strong>in</strong>es jeden Menschen zu bewegen. Das Herannahense<strong>in</strong>es Tages soll ebenso wie <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>wirkung se<strong>in</strong>er Liebe <strong>die</strong>Herzen zur <strong>E<strong>in</strong></strong>kehr <strong>und</strong> Umkehr <strong>und</strong> zur umstürzenden <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 13neu anrichtenden Verän<strong>der</strong>ung aller D<strong>in</strong>ge br<strong>in</strong>gen. Und er siehtdas Herz, wie es ist. Alle Re<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> alle Übertünchung desÄußeren ist umsonst: “Von <strong>in</strong>nen seid ihr voll Heuchelei <strong>und</strong>Gesetzlosigkeit”; “Inwendig s<strong>in</strong>d sie voll Raub <strong>und</strong> Gier, ... vollerTotengebe<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Verwesung” (nach Matth. 23,25-28). Jesushaßt den äußeren Sche<strong>in</strong> <strong>der</strong> Frömmigkeit <strong>und</strong> Heiligkeit, wennsich das Herz <strong>in</strong> Unwahrhaftigkeit frem<strong>der</strong> geistlicher Güterrühmt <strong>und</strong> dabei immer tiefer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ferne von Gott vers<strong>in</strong>kt.Er selbst hat das ernsteste Wort ausgesprochen, das hierübergesagt werden kann: “Dieses Volk nährt sich mir mit se<strong>in</strong>emM<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ehrt mich mit se<strong>in</strong>en Lippen; aber ihr Herz ist weitentfernt von mir. Aber vergeblich <strong>die</strong>nen sie mir, weil sie solcheLehren lehren, <strong>die</strong> nichts s<strong>in</strong>d als Menschengebote” (Matth.15,8-9).Infolge des Krieges <strong>und</strong> aller ihm notwendig folgendenSchrecken <strong>und</strong> Zusammenbrüche hat es mancher gefühlt, daßGott ihn durch <strong>die</strong> schwere Belastung unserer Zeit zur <strong>E<strong>in</strong></strong>kehrleiten will. Wie<strong>der</strong> kommt alles darauf an, daß wir nicht nur mitdem M<strong>und</strong>e Än<strong>der</strong>ung versprechen <strong>und</strong> daß wir nicht nur mitden Lippen den Gebieter ehren, dem alle<strong>in</strong> alle Gewalt gegebenist. Der Wille des Herzens muß Tat werden, wenn er ernsthaft<strong>und</strong> aufrichtig ist. Die Aufrichtigkeit entscheidet. Durch dasGericht se<strong>in</strong>er ernsten Liebe will Gott es dah<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gen, daß beiallen Menschen, <strong>die</strong> dazu bereit s<strong>in</strong>d, das Herz, <strong>der</strong> wirkliche<strong>in</strong>nere Zustand <strong>und</strong> damit <strong>die</strong> gesamte Lebenshaltung wahrhaftverwandelt wird.Und welche <strong>E<strong>in</strong></strong>blicke hat <strong>der</strong> grausame Krieg <strong>und</strong> <strong>die</strong> ihmbis heute folgende Existenzangst, Besitzgier <strong>und</strong> nationale <strong>und</strong>revolutionäre Leidenschaft <strong>in</strong> das f<strong>in</strong>stere Innere <strong>der</strong> Menschenvon heute eröffnet! Unsere Zeit hat von neuem e<strong>in</strong>en Zustanddes <strong>in</strong>neren Menschen offenbart, <strong>in</strong> dem ihn alles an<strong>der</strong>e erfülltals Gott, <strong>der</strong> doch alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Bestimmung befriedigt. Unddennoch will man sich täuschen.Man spricht vom <strong>E<strong>in</strong></strong>satz <strong>und</strong> Opfer des Lebens, von se<strong>in</strong>erH<strong>in</strong>gabe <strong>in</strong> den Tod um <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>, um <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong>Genossen <strong>und</strong> um des Vaterlandes, um <strong>der</strong> Freiheit <strong>und</strong> um<strong>der</strong> Gerechtigkeit willen <strong>und</strong> me<strong>in</strong>t mit dem allen <strong>die</strong> Tötungw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 14<strong>und</strong> Beraubung aller <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> man als <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>de <strong>die</strong>ser hohenGüter ansieht. Wie warnt demgegenüber Jesus vor denen,<strong>die</strong> im Gewande des Lammes kommen, “<strong>in</strong>wendig aber s<strong>in</strong>dsie reißende Wölfe”! Ihre <strong>in</strong>wendige Ges<strong>in</strong>nung ist Raub <strong>und</strong>Zerstörung. Denn das Wesen <strong>der</strong> Sünde, <strong>die</strong> ungebrocheneIchsucht, regiert trotz aller christlicher Verkleidung <strong>und</strong> trotzaller prophetisch anmuten<strong>der</strong> Paniere <strong>der</strong> Gerechtigkeit nachwie vor <strong>in</strong> ihnen.Die großen Kriege <strong>und</strong> <strong>die</strong> ihnen folgenden machtpolitischenAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen haben es erschreckend enthüllt, wienoch heute das Innere <strong>der</strong> Menschen mit grausigster Gewalttaterfüllt ist. In Wahrheit zeigt sich <strong>der</strong> Zustand <strong>der</strong> Menschen vonheute als <strong>der</strong> des Psalmwortes, das <strong>der</strong> Römerbrief so ernstbeleuchtet: “Ihr Inneres ist Ver<strong>der</strong>ben” Ver<strong>der</strong>ben, das man sichselbst <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en bereitet.Wie das Schicksal <strong>der</strong> im Weltkrieg verwüsteten Län<strong>der</strong> istdas Innere des heutigen Menschen e<strong>in</strong>er tiefen Gebirgsschluchtvergleichbar: Dunkle Schatten des Gerichts s<strong>in</strong>d darüber ausgebreitet.Nur verdorrte Stämme <strong>und</strong> knöcherne Wurzeln s<strong>in</strong>des, <strong>die</strong> dem heller Sehenden verraten, daß hier nicht immer <strong>der</strong>Tod geherrscht hat. Das Wasser ist verschüttet, das für <strong>die</strong>sesTal das Leben war. Ste<strong>in</strong>iges Geröll erfülit <strong>die</strong> Schlucht <strong>und</strong>sche<strong>in</strong>t jede Hoffnung begraben zu haben.Je tiefer <strong>und</strong> wahrhaftiger <strong>der</strong> Mensch den wirklichen Zustandse<strong>in</strong>es Inneren erkannt hat, um so hoffnungsloser <strong>und</strong>trostloser wird ihm se<strong>in</strong> Schicksal. Welches Staunen mußtejene Frau erfüllen, als ihr <strong>der</strong> untrügliche M<strong>und</strong> des Messiasverkündete, daß ihr verschüttetes Innenleben gänzlich erneuert<strong>und</strong> für immer mit frischer Kraft <strong>und</strong> reichem Inhalt erfülltwerden sollte! Es gibt e<strong>in</strong> belebendes Wasser, das auch heuteden f<strong>in</strong>stersten Abgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> furchtbarste Verwüstung <strong>in</strong>e<strong>in</strong>e Stätte <strong>der</strong> Freude <strong>und</strong> des quellenden Lebens verwandelt.Es ist <strong>der</strong> Geist dessen, <strong>der</strong> gesagt hat: “Das Wasser, das ichihm geben werde, wird <strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>e Quelle des Wassers werden,das <strong>in</strong>s ewige Leben quillt” (Joh.4,14). Von <strong>die</strong>ser <strong>in</strong>nerstenQuelle aus soll auch <strong>die</strong> äußerste Verwüstung, <strong>die</strong> über <strong>die</strong>Völker <strong>und</strong> Län<strong>der</strong> gekommen ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Landschaft <strong>und</strong> Volkheitdes weith<strong>in</strong> wirkenden Friedens verwandelt werden. Diesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 15geschieht überall dort, woh<strong>in</strong> sich durch den Heiligen Geist <strong>die</strong>Kräfte <strong>der</strong> zukünftigen Welt Gottes ergießen.Gott will nicht, daß unser Inneres <strong>in</strong> trostloser Verwüstunge<strong>in</strong> dunkler Abgr<strong>und</strong> bleibt. Die Unwetter se<strong>in</strong>es Gerichts, <strong>die</strong><strong>die</strong> geängstete <strong>Seele</strong> bedrohen, weiß er <strong>in</strong> den Sonnensche<strong>in</strong>unver<strong>die</strong>nter Liebe zu verwandeln. Friede <strong>und</strong> Klarheit will erdem Herzen br<strong>in</strong>gen, wo bis heute Zerrissenheit <strong>und</strong> Dunkelgeherrscht hat. Se<strong>in</strong> Tag des Gerichts droht besiegte <strong>und</strong> unbesiegteVölker, ja <strong>die</strong> ganze Weltwirtschaft des Mammons zuzerschmettern. Doch wenn wir dem Reich des Mammons <strong>und</strong>des Mordes, <strong>der</strong> Lüge <strong>und</strong> <strong>der</strong> Unre<strong>in</strong>heit entsagen, um fortandem Reiche Gottes anzugehören, wird <strong>der</strong> Tag des Herrn zumTag des Heils.Gott kennt den <strong>in</strong>neren Kampf, wie er sich mit tiefem Wehim Verborgenen des Herzens abspielt. Er weiß, daß dort dasGewissen lebt <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Zeugnis immer wie<strong>der</strong> zum Bewußtse<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Er kennt <strong>die</strong> <strong>in</strong>neren Gedanken, wie sie sich anklagen<strong>und</strong> entschuldigen. Er weiß, wie mancher vergeblich mit den<strong>in</strong>neren Geb<strong>und</strong>enheiten r<strong>in</strong>gt, <strong>die</strong> ihn an das Nie<strong>der</strong>e fesseln.Er weiß, mit welcher Lügenmacht sich <strong>die</strong> falschen dämonischenIdeale <strong>und</strong> Idole zu behaupten suchen. Er weiß, daßdas reißende Raubtier als Lichtengel verme<strong>in</strong>tlicher Befreiung<strong>die</strong> Gewissen verwirrt.Der <strong>in</strong>wendige Mensch hat Lust am Gesetz Gottes. Er würdeso gerne danach leben. Zugleich mit den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong>Gerechtigkeit Gottes erregen jene Anfor<strong>der</strong>ungen des persönlichen<strong>und</strong> des nationalen Lebens sowie <strong>der</strong> unterdrücktenKlassen se<strong>in</strong> Innerstes. Er möchte frei werden für GottesGerechtigkeit nach <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> nach Außen. Und er vermages nicht. Der Geist zieht ihn nach <strong>der</strong> oberen Stadt <strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>de<strong>und</strong> des Gottesreichs. Und das Bleigewicht <strong>der</strong>Eigengesetzlichkeit jener D<strong>in</strong>ge hält ihn an <strong>die</strong> unteren Städte<strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft <strong>und</strong> an ihre blutigen Belangegeb<strong>und</strong>en.Gott weiß, daß alle Völker <strong>und</strong> alle Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<strong>in</strong>neren Kampf leben, denn Gott hat allen Völkern das Werk desGesetzes <strong>in</strong> ihre Herzen geschrieben. Er alle<strong>in</strong> <strong>und</strong> nur <strong>der</strong>, <strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 16<strong>in</strong> dem alles durchschauenden Geist mit ihm <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit steht,kann das Verborgene <strong>der</strong> Menschen richten <strong>und</strong> beurteilen. DerVater sieht <strong>in</strong> das Verborgene. Er hat Lust an <strong>der</strong> Wahrheit imInnern. Im Verborgenen, im Innern des Herzens, will er uns <strong>die</strong>Wahrheit kennen lehren. Und alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e Wahrheit Gottes<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er völligen Liebe, wie sie <strong>in</strong> Jesus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er erstenGeme<strong>in</strong>de Gestalt gewann, vermag uns frei zu machen. Allesan<strong>der</strong>e ist Lüge <strong>und</strong> Täuschung.Das Schicksal <strong>der</strong> heute so schwer getroffenen Län<strong>der</strong>er<strong>in</strong>nert an e<strong>in</strong>e merkwürdige Erzählung von e<strong>in</strong>em abgelegenenvertrockneten Tal, dessen verarmte Bewohner sich leisean e<strong>in</strong>e Zeit er<strong>in</strong>nerten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es an<strong>der</strong>s <strong>und</strong> besser war. <strong>E<strong>in</strong></strong>stfloß dort e<strong>in</strong> lebenspenden<strong>der</strong> Gebirgsstrom <strong>und</strong> schenkte demTal Reichtum <strong>und</strong> Glück. Aber eigene Schuld, an <strong>der</strong> alle teilhatten,<strong>die</strong> das Tal bewohnten, hatte alles verdorben. Der großeBerg begann sich zu regen. Gewaltige Ste<strong>in</strong>massen stürzten<strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe. Alles bis aufs Letzte schien unter den Trümmernbegraben zu werden. Ke<strong>in</strong> schützendes Gebäude, ke<strong>in</strong>eschirmende Flucht bot Hilfe. Aber noch e<strong>in</strong>mal zögerten <strong>die</strong>stürzenden Massen. Vor den Häusern blieben sie stehen. Aber<strong>der</strong> Strom war verschüttet. Das blühende Leben schien fürimmer vemichtet. Armut <strong>und</strong> Not begannen ihre Herrschaft.Selbst <strong>die</strong> Er<strong>in</strong>nerung an das Vergangene schien langsam zuschw<strong>in</strong>den. Aber e<strong>in</strong> Sohn des Tales wuchs auf, von den an<strong>der</strong>enverachtet. Ihn bewegte das Schicksal <strong>der</strong> Se<strong>in</strong>en. Tag <strong>und</strong>Nacht sann er auf Rettung, bereit, sie zu vollbr<strong>in</strong>gen. – Denn erkannte den Strom, wo er verschüttet war. Aber als er das Ungeheurevollbrachte <strong>und</strong> den bergschweren Felsen bewegte,da wurde er, <strong>der</strong> Retter <strong>der</strong> Se<strong>in</strong>en, unter dem letzten Blockbegraben, durch dessen Beseitigung er das Wasser von neuem<strong>in</strong> das Tal strömen ließ. – Doch er erstand zum Leben, <strong>der</strong> für<strong>die</strong> Se<strong>in</strong>en den Tod gewagt hatte; <strong>und</strong> er herrschte fortan überse<strong>in</strong> neu beschenktes Volk.Es ist Jesus, <strong>der</strong> den Felsblock unserer bergschwerenSchuld von se<strong>in</strong>er Stelle gebracht hat, daß sich <strong>der</strong> Strom desLebens ungehemmt <strong>in</strong> unser Inneres ergießen kann. Jesus alsHerr über unser <strong>in</strong>nerstes Se<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt unserem <strong>in</strong>wendigen Le-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 17ben Reichtum <strong>und</strong> Glück. Und wie er <strong>die</strong> Leiber <strong>der</strong> Kranken<strong>und</strong> Besessenen heilte, will er auch jetzt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser anhaltendenKatastrophe <strong>der</strong> Weltgeschichte <strong>die</strong> verschütteten Leiber <strong>und</strong>ver<strong>der</strong>bten Arbeitsstätten befreien <strong>und</strong> e<strong>in</strong> neues Leben <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Land ermöglichen. Unser Herz kann von demertötenden Druck verborgener Sünde nicht an<strong>der</strong>s befreitwerden, als wenn <strong>die</strong> befreiende Tat se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>gabe <strong>in</strong> unseremInneren Raum gew<strong>in</strong>nt. Und wenn <strong>die</strong>ses Erlebnis uns gewordenist, gilt es, ihn mehr <strong>und</strong> mehr zur Geitung kommen <strong>und</strong>regieren zu lassen.Wenn so se<strong>in</strong> Reich zu uns kommt, leben wir von <strong>in</strong>nen herauch <strong>in</strong> unserer Arbeit <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>schaftlichen Lebensordnungnach dem Geistesgesetz se<strong>in</strong>es Reiches. Auch unsere äußereLebensgestaltung soll dann dem Gottesreich entsprechen, wiees se<strong>in</strong>e Propheten gezeichnet haben. Wenn se<strong>in</strong> Wort <strong>in</strong> unsgebietet, wenn se<strong>in</strong> Wesen sich <strong>in</strong> uns entfaltet, überströmt e<strong>in</strong>ungeahnter Lebensreichtum <strong>die</strong> vertrockneten Tiefen unseresInneren. Von dort aus ergießt er sich als lebendige Wirksamkeit<strong>der</strong> Liebe <strong>in</strong> <strong>die</strong> Außenwelt. An <strong>die</strong> Stelle <strong>der</strong> alles bedrohendenGerichtswolke tritt das überströmende Licht se<strong>in</strong>er Offenbarung.Dieses Licht zeigt den lebendigen Weg. Die Geme<strong>in</strong>dedes Glaubens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Liebe gew<strong>in</strong>nt durch se<strong>in</strong>en Geist schonheute <strong>die</strong> Möglichkeit, das <strong>in</strong>nere wie das äußere Leben nach<strong>der</strong> Gerechtigkeit, dem Frieden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Freude se<strong>in</strong>es Reichsausrichten zu lassen.Die düstere Dunkelheit <strong>der</strong> großen Kriege mit ihren Ursachen<strong>und</strong> ihren Folgen offenbart sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Licht als <strong>die</strong>Schuld, <strong>die</strong> für viele den Lebensstrom verschütten ließ. WeiteVolksschichten wollten es vergessen, daß Jesus das Leben ist.Weil sie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Gewässern ihr Leben suchten, mußte ihnenalles verschüttet werden. Der tief e<strong>in</strong>greifende Wille Gottes zur<strong>in</strong>neren Hilfe läßt solche Kriege wie e<strong>in</strong>en schweren Bergsturzüber uns kommen. Aber wie<strong>der</strong> zeigt es sich, wie es <strong>die</strong> OffenbarungJohannes' für <strong>die</strong> letzten Tage voraussagt: “Und <strong>die</strong>Übriggebliebenen, <strong>die</strong> nicht durch <strong>die</strong>se Plagen getötet wurden,taten dennoch nicht Buße für <strong>die</strong> Werke ihrer Hände. Sie tatenauch nicht Buße für ihr vielfaches Morden. Ja, sie lästerten Gottim Himmel, anstatt Buße für ihre Werke zu tun” (Offb. 9,21).w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 18Ungezählte wenden sich scharf vom Weg Jesu ab. Sie suchenden Weg <strong>der</strong> Götzen auf, um <strong>in</strong> ihnen dann um so eifrigerden Mammon, den Mör<strong>der</strong> von Anfang, den Vater <strong>der</strong> Lüge, denFürsten <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>en Geister anzubeten. An unre<strong>in</strong>en Strömenmenschlicher Blutsbande suchen sie sich stark zu machen,anstatt endlich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Quelle aufzusuchen.Ernster als je zuvor s<strong>in</strong>d wir durch den Zusammenbruch aufallen Seiten auf den <strong>E<strong>in</strong></strong>en h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>der</strong> unsere Armut <strong>und</strong>Not auf sich genommen hat, um uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geist re<strong>in</strong> <strong>und</strong>stark zu machen. <strong>E<strong>in</strong></strong> je<strong>der</strong> sollte es endlich erkannt haben, daßke<strong>in</strong> selbstgemachter Aufschwung, son<strong>der</strong>n nur <strong>die</strong> KönigsherrschaftGottes <strong>der</strong> Erde Frieden <strong>und</strong> Leben br<strong>in</strong>gen kann. Mitten<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> jetzigen Lage will Gott selbst für unserInneres <strong>und</strong> für jedes Gebiet unseres Lebens <strong>der</strong> Retter <strong>und</strong>Helfer se<strong>in</strong>. Es gibt nur e<strong>in</strong> Evangelium für alle Kreatur, nur e<strong>in</strong><strong>und</strong> dasselbe für alle Völker, für jede Volksklasse <strong>und</strong> für jedesVaterland. Wer e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Evangelium für sich selbst, für se<strong>in</strong>eNation o<strong>der</strong> für se<strong>in</strong>e Klasse vertritt, br<strong>in</strong>gt den Fluch mit sich.Die Wirklichkeit Gottes beweist sich dar<strong>in</strong>, daß er unseremHerzen <strong>die</strong> Erneuerung <strong>und</strong> Kräftigung bewirkt, <strong>die</strong> wir ohneihn nicht f<strong>in</strong>den können. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Jesu mit dem Vater, <strong>die</strong>lebendige Wirklichkeit se<strong>in</strong>er Gottessohnschaft, Gottes <strong>und</strong>Christi <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit dem Heiligen Geist erweisen sich <strong>in</strong> unserem<strong>in</strong>nersten Leben. Denn dort bewirkt se<strong>in</strong> Geist mit Macht jenereligiöse <strong>und</strong> sittliche Umgestaltung, wie sie ohne ihn niemalszu gew<strong>in</strong>nen wäre. Wie er <strong>in</strong> sich selbst <strong>und</strong> <strong>in</strong> uns <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitist, so kann se<strong>in</strong> Geist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Friedenauch im Leben draußen vertreten <strong>und</strong> vorbereiten. Er kennt nure<strong>in</strong>en Weg <strong>und</strong> nur e<strong>in</strong>e Führung. Jesus Christus, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Herr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Geist ist, geht ke<strong>in</strong>en Umweg <strong>und</strong> kennt ke<strong>in</strong>e fremdeVermittlung.Es ist <strong>die</strong> Gewißheit des Unmittelbaren, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gott sich zueigen gibt. In ihm alle<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det das Sicherheitsbedürfnis desHerzens den festen Punkt des Jetzt <strong>und</strong> Hier, nach dem esununterbrochen verlangen muß. Die Gegenwart des Christusist das wun<strong>der</strong>bare Gottesgeschenk, <strong>in</strong> dem wir mit Gott <strong>die</strong>vollkommene <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Glaubens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Liebe empfangen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 19Mit <strong>der</strong>selben Stärke aber geht uns durch <strong>die</strong>sen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck <strong>die</strong>tiefste Verschiedenheit zwischen se<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> unsererSchuld auf. Wir stehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Un-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Menschen, ihrerKlassen <strong>und</strong> Völker, während er <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist <strong>und</strong> bleibt.Gerade im völligen <strong>E<strong>in</strong></strong>sse<strong>in</strong> werden wir uns des abgr<strong>und</strong>tiefenUnterschiedes bewußt, <strong>der</strong> unser Wesen von dem se<strong>in</strong>en verschiedense<strong>in</strong> läßt.Die Schriften <strong>der</strong> Apostel nennen <strong>die</strong>ses Erlebnis <strong>die</strong>Erleuchtung unserer Herzen durch Gott, <strong>die</strong> den Lichtglanzse<strong>in</strong>er Herrlichkeit <strong>in</strong> unser Inneres br<strong>in</strong>gt. In Christus <strong>und</strong> <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Angesicht leuchtet er auf. In <strong>die</strong>ser Erleuchtung durch<strong>die</strong> Gegenwart Gottes wird das Verborgene des Herzens offenbar,so daß wir uns nie<strong>der</strong>werfen <strong>und</strong> Gott anbeten müssen.Die Überwältigung besteht dar<strong>in</strong>, daß se<strong>in</strong>e unfaßbar herrlicheWesenheit das Dunkel unseres eigenen Se<strong>in</strong>s durch ihr Lichtum so tiefer empf<strong>in</strong>den läßt. Unser ganzes persönliches <strong>und</strong>öffentliches Leben wird als ihm völlig entgegengesetzt <strong>und</strong>fe<strong>in</strong>dlich offenbar, wenn wir das Leben Jesu mit se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>deutigenWort <strong>und</strong> Werk unverfälscht <strong>in</strong> uns aufnehmen, ohne jede<strong>die</strong> Wahrheit abbiegende Auslegung.Der <strong>in</strong>nere Mensch kann nur <strong>in</strong> Jesus se<strong>in</strong> Glück <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e<strong>in</strong>nerste Befriedigung f<strong>in</strong>den. Nichts an<strong>der</strong>es entspricht dem,was wir dem Ursprung nach <strong>in</strong>nerlich s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> se<strong>in</strong> sollen. Erstwenn unser Leben mit Christus <strong>in</strong> Gott verborgen ist, erlebenwir unsere eigentliche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zige Bestimmung, <strong>die</strong> ohne ihnverf<strong>in</strong>stert <strong>und</strong> verschüttet bleiben muß. Diese Bestimmungist <strong>die</strong> Ebenbildlichkeit Gottes; sie offenbart sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erHerrschaft des Geistes über alles durch <strong>die</strong> Liebe <strong>und</strong> ihreschöpferische Kraft. Je mehr wir von se<strong>in</strong>en Lebensgüternerfahren, um so tiefer verlangen wir danach, <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem <strong>in</strong>nerenErlebnis <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser schöpferischen Gestaltung fortzuschreiten<strong>und</strong> zu wachsen. Denn <strong>die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> GeschenkeGottes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erkenntnis se<strong>in</strong>er Gottesherrschaft über alleD<strong>in</strong>ge kann <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Leben niemals zum Abschluß gelangen.Sie bedarf täglich <strong>der</strong> Erneuerung.Die große Erregung <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Welt macht es uns immerdr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>, <strong>in</strong>nerlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> stillen Begegnung mit Christus zuw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 20erstarken, um unter se<strong>in</strong>em herrschenden <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß bleiben zukönnen. Weil wir mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er so schwer kämpfenden Weltstehen, brauchen wir beständig Nahrung für unser <strong>in</strong>neresLeben. Es gilt, zu suchen <strong>und</strong> zu bedenken, was über denäußeren D<strong>in</strong>gen steht im Gegensatz zu ihren heutigen Ersche<strong>in</strong>ungsformen.Anstatt den fremden <strong>und</strong> schwachen Geisterndes Hasses <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gewalt, <strong>der</strong> Lüge <strong>und</strong> <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>enBesitzgier zu folgen, dürfen wir dem e<strong>in</strong>en Geist folgen, <strong>der</strong>alle<strong>in</strong> stärker ist als alle an<strong>der</strong>en Geister. Nur stärkste <strong>in</strong>nereWi<strong>der</strong>standskraft verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t es, daß das, was sich jetzt auf <strong>der</strong>Erde um uns her abspielt, das <strong>in</strong>wendige Leben verschüttet.Ohne <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>geburt des Herzens werden wir dem h<strong>in</strong><strong>und</strong>herwogenden Weltgeschehen entwe<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong>en falschenS<strong>in</strong>n abgew<strong>in</strong>nen können, das heißt e<strong>in</strong>en nur materiell o<strong>der</strong>nur seelisch <strong>und</strong> menschlich begründeten, o<strong>der</strong> aber überhauptke<strong>in</strong>en.Von sehr vielen wird <strong>der</strong> Ablauf <strong>der</strong> Geschichte falsch, zumBeispiel aus <strong>der</strong> Sicht des eigenen Vaterlandes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> eignenKlasse gedeutet. Für <strong>die</strong> meisten aber bleibt er s<strong>in</strong>nlos. Nure<strong>in</strong>e Möglichkeit beendet <strong>die</strong>se Verwirrung: Der ganze Mensch<strong>und</strong> se<strong>in</strong> gesamtes Leben muß auf das Reich Gottes h<strong>in</strong> umgestelltwerden.Die k<strong>in</strong>dlich vertrauende <strong>und</strong> mannhaft feste Erwartung desgöttlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>greifens steht <strong>in</strong> vollendetem Gegensatz zu demfrüheren Leben. Nur e<strong>in</strong>e so radikale Umstellung kann als Wie<strong>der</strong>geburtbezeichnet werden. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er so völligen Verän<strong>der</strong>ungwird man <strong>in</strong> allem Geschehen auch durch das Gerichth<strong>in</strong>durch das Herannahen <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen <strong>der</strong> Herrschaft Gotteserkennen können. Ohne <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>geburt des Herzens, <strong>die</strong>unsre gesamte Lebensgestaltung abbricht <strong>und</strong> <strong>in</strong> vöilig an<strong>der</strong>emAnsatz neu beg<strong>in</strong>nt, können wir das Reich Gottes niemalssehen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>erlei Anteil an ihm haben. Nur e<strong>in</strong> Neubeg<strong>in</strong>nvon <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>sten Urwurzel <strong>der</strong> Menschwerdung aus, nur <strong>die</strong>im Uranfang e<strong>in</strong>setzende Neugeburt vermag uns für das ReichGottes zuzubereiten. Es muß e<strong>in</strong> Neuanfang des gesamtenpersönlichen Lebens se<strong>in</strong>.Die Neugeburt kann demnach e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> durchdenselben Geist geschehen, <strong>der</strong> alle Kräfte des zukünftigenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 21Gottesreichs umfaßt. Nur <strong>die</strong>ser Geist des Reiches Gotteskann den Paß versiegeln, ohne den das Tor <strong>in</strong>s Reich Gottesgeschlossen bleibt; den Paß des Gottesreichs, <strong>der</strong> bestätigensoll, daß wir schon jetzt im Geist <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ordnung desletzten Reiches leben. Aber wie das neugeborene kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dnoch lange nicht das Leben meistern kann, ist auch <strong>die</strong> Neugeburtdes Heiligen Geistes nicht mehr <strong>und</strong> nicht weniger als <strong>der</strong>Anfang des neuen Lebens, dem <strong>die</strong> Erstarkung <strong>und</strong> Vollendungfolgen soll. Diese aber ist für uns schwache Menschen nur alse<strong>in</strong>e langsam zunehmende Ertüchtigung für das Reich Gottes<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit möglich. Auch nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt,<strong>die</strong> zum ersten Mal den Blick <strong>in</strong>s Reich Gottes erschlossenhat, steht unser Herz noch unter den alten Hemmungen <strong>und</strong>Bed<strong>in</strong>gtheiten.Dies hat schon <strong>der</strong> systematische Denker des Urchristentumsals “Fleisch” bezeichnet <strong>und</strong> zusammengefaßt. Paulusbezeugt es ausdrücklich von sich selbst, daß se<strong>in</strong> Fleisch ke<strong>in</strong>eRuhe hatte, nicht nur durch <strong>die</strong> Kämpfe von Außen, son<strong>der</strong>nebensosehr durch Befürchtungen von <strong>in</strong>nen.Das Unvollendete <strong>in</strong> unserem Dase<strong>in</strong> treibt den Glaubendenaufs stärkste zur beständigen Vertiefung se<strong>in</strong>es <strong>in</strong> wendigenLebens. Es ist von größter Wichtigkeit, daß wir <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen ernstenTagen äußerster Gefährdung über unser Inneres wachsendeKlarheit gew<strong>in</strong>nen. Das Seelische <strong>in</strong> uns darf unser Herz <strong>in</strong><strong>die</strong>ser erregten Zeit nicht betrügen. Unser leicht erregbaresInnere bleibt schwach, selbst wenn es vom heiligen Geist Gottesberührt worden ist. Unser Herz wird von dem Kreislauf unseresBlutes durchspült; <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Blut strömt unser <strong>Seele</strong>nleben; oftbleibt es zeitlebens von den Tiefen <strong>und</strong> Gefühlen des Blutumlaufsbestimmt.Wird nun unsere Umgebung von mitreißenden Erregungendes Blutes ergriffen, so verfallen wir ihnen oft gänzlich, weil wirke<strong>in</strong>en wirklichen Wi<strong>der</strong>stand des Geistes aufzubr<strong>in</strong>gen vermögen.Beson<strong>der</strong>s stark wirkt <strong>die</strong> Not unserer Klasse <strong>und</strong> unseresVolkes auf uns e<strong>in</strong>. Die Massensuggestion großer Volksbewegungen,<strong>die</strong> an unsere Blutverb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> an <strong>die</strong> Solidaritätunserer Klasse appellieren, wirken oft so bestimmend aufw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 22uns e<strong>in</strong>, daß wir <strong>die</strong> Berufung des Reiches Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>esGeistes völlig vergessen o<strong>der</strong> gänzlich verfälschen.Existenzangst <strong>und</strong> seelische B<strong>in</strong>dung haben <strong>in</strong> uns denGeist verdrängt, auch wenn wir uns weiterh<strong>in</strong> zu ihm bekennen.Unser Gewissen braucht allen Befürchtungen gegenüber <strong>und</strong>noch mehr zum Wi<strong>der</strong>stand gegen alle unre<strong>in</strong>e <strong>und</strong> blutige“Begeisterung” <strong>der</strong> Schwärmerei e<strong>in</strong>e sich beständig befestigendeGes<strong>und</strong>ung. <strong>E<strong>in</strong></strong>e solche Ges<strong>und</strong>ung kann nur durchden heiligen, alle<strong>in</strong> Liebenden, völlig re<strong>in</strong>en <strong>und</strong> gänzlich wahrhaftigen,alles Gute <strong>in</strong> sich vere<strong>in</strong>igenden Geist Jesu Christierfolgen. Se<strong>in</strong>e Sachlichkeit ist nüchtern <strong>und</strong> hell.Ke<strong>in</strong> Erleben noch so erregen<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e noch sobittere Erfahrung gewaltiger Erschütterungen darf vorüberrauschen,ohne daß <strong>die</strong> Herrschaft des Christus <strong>in</strong> unseremHerzen <strong>und</strong> <strong>in</strong> unserem ganzen Leben Raum gew<strong>in</strong>nt. Se<strong>in</strong>Regiment will unser <strong>in</strong>wendiges Leben mit sachlicher Klarheiterfüllen, <strong>die</strong> durch ke<strong>in</strong>e Macht <strong>der</strong> Ereignisse zu erschütternist. Se<strong>in</strong> Wort <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Geist wollen als se<strong>in</strong>e Werkzeugeununterbrochen <strong>in</strong> uns tätig se<strong>in</strong>, um uns für jeden Kampf starkzu machen <strong>und</strong> für <strong>die</strong> schwerste Arbeit zu befähigen. DerSegen alles Guten soll uns auf dem geradeaus leitenden WegeJesu Christi so fest <strong>und</strong> klar geleiten, daß we<strong>der</strong> <strong>die</strong> Erfolge <strong>in</strong><strong>der</strong> Welt noch ihre Zusammenbrüche uns auf falsche Bahnenlenken können.Wir haben denselben Weg zu gehen, den Jesus g<strong>in</strong>g; wirmüssen ihn ebenso gehen, wie es Jesus tat. Dann wird uns ke<strong>in</strong>verführerischer Zuruf von <strong>die</strong>ser Sendung abbr<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> er unsals se<strong>in</strong>e Sendung h<strong>in</strong>terlassen hat. Genauso, wie ihn <strong>der</strong> Vater<strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt gesandt hat, sendet er uns – <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Lebenshaltung,ohne jede fremde Beimischung an<strong>der</strong>er Elemente! Soalle<strong>in</strong> wird unser Leben fruchtbar werden. Alle unsere Gabenwill er zu lebendiger Entfaltung br<strong>in</strong>gen, um uns für <strong>die</strong> neuenAufgaben <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Weltlage auszurüsten.Die Herrschaft des Christus bedeutet Kraft nach <strong>in</strong>nen durch<strong>in</strong>wendige Sammlung <strong>und</strong> Weihe; nur so bedeutet sie auch<strong>die</strong> Kraft nach Außen <strong>in</strong> rechter Betätigung <strong>und</strong> lebendigerWirkung.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 23Stark zu werden am <strong>in</strong>neren Menschen kann nichts an<strong>der</strong>esbedeuten, als daß <strong>der</strong> Christus durch den Glauben <strong>in</strong> denHerzen wohnt, <strong>in</strong>dem man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe gewurzelt <strong>und</strong>gegründet wird. Wir brauchen ununterbrochen den für uns gekreuzigten,den für uns lebendigen Christus <strong>in</strong> unserem <strong>in</strong>wendigenMenschen. Er dr<strong>in</strong>gt mit <strong>der</strong> ganzen Fülle Gottes <strong>in</strong> unse<strong>in</strong>, mit se<strong>in</strong>er Fülle, <strong>die</strong> sich über unseren gesamten Wirkungskreisals <strong>die</strong> Übermacht <strong>der</strong> Liebe ergießen will.Gott ist <strong>die</strong> Liebe. Nur wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe bleibt, bleibt <strong>in</strong> Gott<strong>und</strong> Gott <strong>in</strong> ihm (1. Joh. 4,16). Gottes Herrschaft ist das Reich<strong>der</strong> Liebe. Liebe ist se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit. Weil se<strong>in</strong> Reich ke<strong>in</strong>eGrenzen kennt, hat uns se<strong>in</strong> Messiaskönig <strong>die</strong> Liebe Gottes zuFe<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> <strong>in</strong>s Herz gegeben. Sie ist <strong>in</strong> unsere Herzenausgegossen durch den Heiligen Geist. Wer sie verrät, <strong>in</strong>demer se<strong>in</strong>e Liebe gegen se<strong>in</strong>en Gegner o<strong>der</strong> gegen <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>dese<strong>in</strong>er Klasse o<strong>der</strong> gegen <strong>die</strong> se<strong>in</strong>es Volkes abriegelt, vertreibtden Heiligen Geist <strong>und</strong> liefert se<strong>in</strong> Herz irreführenden Geistemaus. Die Liebe will unser persönliches wie unser öffentlichesLeben durchfluten <strong>und</strong> beherrschen, daß neben ihr nichtsan<strong>der</strong>es Geltung gew<strong>in</strong>nen kann. Darum bittet Paulus um <strong>die</strong>wahre <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zige Stärkung des <strong>in</strong>neren Menschen für alle. Wirbrauchen e<strong>in</strong>e alle Erkenntnis übersteigende Erfahrung desChristus <strong>in</strong> unserem <strong>in</strong>wendigen Leben. Das bedeutet, daß erals König des letzten Reichs schon jetzt <strong>und</strong> hier über unserLeben nicht an<strong>der</strong>s regiert, als er es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Endreich tunwird.Wir brauchen Männer des Gebetes, <strong>die</strong> wie Paulus ihre Kniebeugen <strong>und</strong> re<strong>in</strong>e, von allem Blut <strong>und</strong> von aller Unre<strong>in</strong>igkeitunbefleckte Hände erheben, damit <strong>die</strong> Gläubigen durch denGeist Gottes für ihre gesamte Lebenshaltung mit Kraft am <strong>in</strong>wendigenMenschen gestärkt werden. Wir brauchen <strong>die</strong> täglicheEr<strong>in</strong>nerung, daß <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Mensch Tag für Tag erneuertwerden muß, wenn auch <strong>der</strong> äußere verfallen mag – gleich ober <strong>in</strong> Hunger, Not <strong>und</strong> Elend, <strong>in</strong> Verfolgung o<strong>der</strong> im Tod für <strong>die</strong>Wahrheit dah<strong>in</strong>genommen, verzehrt o<strong>der</strong> aufgerieben wird. Wirbrauchen für den verborgenen Menschen des Herzens täglichden stillen Hafen <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>kehr bei Gott, wenn wir <strong>in</strong> dem Sturmw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 24<strong>der</strong> öffentlichen Erregung <strong>und</strong> <strong>in</strong> den hochgehenden Wogenihrer äußeren Umwälzungen nicht <strong>in</strong>nerlich Schiffbruch erleiden,son<strong>der</strong>n klar <strong>und</strong> fest Kurs halten wollen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 25DAS HERZWeltkriege s<strong>in</strong>d Zeiten scharfer Erprobung <strong>und</strong> schwererPrüfung. Ihre Folgen, wie blutiger Aufruhr <strong>und</strong> politischerStraßenmord, Inflation <strong>und</strong> Verwirrung <strong>der</strong> Weltwirtschaft,Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Verelendung, gegenseitige Fe<strong>in</strong>dseligkeit<strong>und</strong> unzählige Erschütterungen des öffentlichen Vertrauensbr<strong>in</strong>gen uns an <strong>die</strong> äußerste Grenze unserer Belastbarkeit.Selbst <strong>der</strong> Gleichgültigste muß es empf<strong>in</strong>den, daß <strong>die</strong> Tragfähigkeitse<strong>in</strong>es Herzens darüber entscheidet, ob er e<strong>in</strong>e solcheProbe bestehen wird. Menschen, <strong>die</strong> für <strong>in</strong>nerliche For<strong>der</strong>ungennur e<strong>in</strong> Lächeln übrig hatten, fühlen es jetzt, wie alles davonabhängt, ob das Herz fest ist. Das sittliche Niveau e<strong>in</strong>esVolkes, <strong>die</strong> Treue wahrer Geme<strong>in</strong>schaft wie <strong>die</strong> Moral <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnen zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Energie <strong>der</strong> Herzen, <strong>die</strong> alle gutenKräfte zusammenhält <strong>und</strong> alle ver<strong>der</strong>blichen Gewalten abwehrt.Innerste Kraft starker Herzen brauchen wir, um <strong>die</strong> Folgen vonKriegen ohne bleibenden Schaden tragen zu können. Die Notist e<strong>in</strong> Appell an das Herz. Sie zw<strong>in</strong>gt alle dazu, Ausschau zuhalten, wie sie <strong>die</strong> Stärkung f<strong>in</strong>den können, <strong>die</strong> sie brauchen.Denn das Herz geht den ganzen Menschen an. Nicht nur fürden Geist, son<strong>der</strong>n ebenso für den Körper bedeutet es mehrals alles an<strong>der</strong>e. Auch <strong>die</strong> körperliche Leistungsfähigkeit hängtvon <strong>der</strong> Kraft des Herzens ab. Ke<strong>in</strong>e Empf<strong>in</strong>dung, ke<strong>in</strong> Gedanke<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Willensregung bleibt ohne <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß auf denKörper. “Selbst <strong>in</strong> dem Leibe des Menschen gilt das Herz vor<strong>der</strong> Händ; <strong>die</strong> belebende Kraft ist im Herzen.” Diese Erkenntnishatte schon Ovid. 4Das Leben des Menschen geht vom Herzen aus; im Innerensitzt das Zentrum se<strong>in</strong>er Kraft. Der äußere Mensch vergeht.Das Herz entscheidet über das Leben. Denn es ist so sehr mit_______________________________4Ovid, römischer Dichter, 43 v. C. – 18. n. C.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 26<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> verschmolzen <strong>und</strong> soll dem Geist so sehr offen se<strong>in</strong>,daß es ewig leben soll.Oberflächliche Menschen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>er harten Probe gewachsen.Sie haben e<strong>in</strong>e zu schwache Vorstellung davon, welcherReichtum an Leben <strong>und</strong> Kraft das Herz erfüllen kann. DasWesentlichste des Lebens geht ihnen verloren. Nur gewaltignach außen wirkende Ereignisse geben ihnen e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>druck,welche Macht das <strong>in</strong>nere Leben haben kann.Die große weite Mündung e<strong>in</strong>es mächtigen Stromes zeigtee<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>em Kolumbus, welch <strong>in</strong>nerer Reichtum sich h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong>neu entdeckten Küste verbergen mußte. Unmöglich konnte sielänger für den Saum e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Insel gehalten werden. Niemandkonnte mehr gleichgültig gegen das Herz <strong>die</strong>ses Landesse<strong>in</strong>! Wohl kannte man <strong>die</strong> Sonne, <strong>die</strong> es bestrahlte. Wohl sahman sich Wolken darüber zusammenziehen. Aber niemandkonnte sich fortan mit dem Äußeren befriedigen, dem mitMuscheln <strong>und</strong> Schiffstrümmern besäten Strand, <strong>der</strong> gleichförmigenBerührung mit dem Meere <strong>der</strong> Außenwelt. Die Entdeckerkonnten nicht eher ruhen, als bis <strong>der</strong> unergründlicheReichtum des Inneren vor ihrem staunenden Auge lag.Die ganze Welt soll an dem von den sieben Leuchtern 5ausgehenden Lichtstrom erkennen, welches Licht-Land desReiches Gottes <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi gegeben ist.Die Stadt Gottes als <strong>die</strong> Stadt auf dem Berge soll weith<strong>in</strong> <strong>in</strong>alle Lande sichtbar se<strong>in</strong>, so daß alle Suchenden nach demMittelpunkt ihres Geisteslebens verlangen, nach dem <strong>in</strong>nerenGeheimnis ihrer Stadtfreiheit <strong>und</strong> ihrer Geme<strong>in</strong>de-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit. AlleMenschen <strong>der</strong> ganzen Erde sollen nach dem Bürgertum desReiches Gottes, nach se<strong>in</strong>er gegenwärtigen Gesandtschaft <strong>und</strong>nach se<strong>in</strong>er von ihr vertretenen Zukunftsordnung fragen. Siemüssen vor allem das <strong>E<strong>in</strong></strong>e erkennen, daß man mit dem Herzpunkt<strong>die</strong>ser Stadtgeme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>s geworden se<strong>in</strong> muß, ehe man<strong>in</strong> ihre Tore e<strong>in</strong>gehen kann.Die Weltgeschichte zeigt es uns: Ohne daß das Herz e<strong>in</strong>esLandes gewonnen wird, kann es we<strong>der</strong> für e<strong>in</strong>e Fremdherrschaftnoch für e<strong>in</strong>e eigene Regierung e<strong>in</strong> gutes Ende geben. Denn______________________________5siehe Offb. 1,12 ff.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 27aller Reichtum liegt im Inneren <strong>und</strong> Verborgenen. Wer nicht <strong>in</strong>Jesus Christus das Herz Gottes erfassen lernt, wer nicht beg<strong>in</strong>nenwill, alle Ersche<strong>in</strong>ungsformen des Weltregiments Gottesbis <strong>in</strong> den Mittelpunkt zu durchschreiten, um mit dem letztenWillen des Herzens Gottes e<strong>in</strong>s zu werden, wer nicht das Allerheiligstesucht, wird es niemals verstehen, wie Gott trotz se<strong>in</strong>ergeschichtlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>setzung des blutigen, diplomatischen <strong>und</strong><strong>in</strong> Eigentumsrecht verankerten Weltregimes letztlich nur e<strong>in</strong>eswill: <strong>die</strong> gewaltlose Liebe, <strong>die</strong> rechtlose Eigentumslosigkeit, <strong>die</strong>e<strong>in</strong>fache Wahrhaftigkeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> brü<strong>der</strong>liche Gerechtigkeit, <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>schaft aller mit allen, ohne Eigennutz <strong>und</strong> Eigentum –das Reich <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de.Ebenso ratlos wird e<strong>in</strong> je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> dem Herzen Gottes abgewandtbleibt, auch dem Geheimnis des Menschenherzens gegenüberstehen.Denn an ihm soll <strong>die</strong> Ebenbildlichkeit Gottesoffenbar werden. Er wird es nie fassen können: “Das höchsteWun<strong>der</strong> unter allen, das Meisterwerk <strong>in</strong> Raum <strong>und</strong> Zeit, das istdas Herz <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wallen, das Herz <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Trunkenheit.”Die <strong>Bibel</strong>, <strong>die</strong> so tief <strong>und</strong> reich vom Herzen redet, vermag alsdas e<strong>in</strong>zige unter allen Büchern das Innerste zu befriedigen <strong>und</strong>das Herz zu erfüllen. Wenn sie nicht äußerlich <strong>in</strong> ihren Buchstaben,sondem <strong>in</strong>nerlich <strong>in</strong> ihrer <strong>Seele</strong> geschaut wird, bezeugt sieüberall das Herz als das <strong>in</strong>nerste Geheimnis. Abwechselnd verwendetsie den hebräischen Ausdruck für “Herz” gleichbedeutendmit dem für “das Innere”. Das Herz ist ihr <strong>der</strong> Gegensatzzum Oberflächlichen <strong>und</strong> zum Sche<strong>in</strong>. Was <strong>in</strong>s Innerste dr<strong>in</strong>gt,bleibt nicht nur an <strong>der</strong> Oberfläche.Was aus dem Innersten kommt, ist das Aufrichtigste <strong>und</strong>Edelste, das hervorgebracht werden kann. Ist das Herz verdorben,so bleibt nicht unverdorben, was <strong>der</strong> Mensch berührt. Aberdas Äußere wi<strong>der</strong>strebt <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>streitet dem Inneren. Nurselten steht beides im <strong>E<strong>in</strong></strong>klang.Das Äußere des re<strong>in</strong>en schöpferischen Geistes ist klarster<strong>und</strong> deutlichster Ausdruck des Inneren, während <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>e<strong>und</strong> unwahre Geist <strong>die</strong> äußere Ersche<strong>in</strong>ung zur Verfälschung<strong>der</strong> Tatsachen Mißbraucht. Dann ist das Äußere nur dazu da,das Innere zu verbergen, wie es <strong>die</strong> öffentliche Wirtschaft <strong>und</strong>Politik <strong>in</strong> Krieg <strong>und</strong> Frieden so pe<strong>in</strong>lich offenbart.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 28Wir haben es erschreckend mit ansehen müssen, wie <strong>die</strong>e<strong>in</strong>er haßerfüllten Fe<strong>in</strong>dseligkeit verfallenen Geister mit demgesprochenen, geschriebenen <strong>und</strong> gedruckten Wort den abscheulichstenMißbrauch getrieben haben <strong>und</strong> heute nochtreiben. Welchen Nationen <strong>und</strong> Parteien sie auch angehören:alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> übertreiben <strong>und</strong> erdichten sie <strong>die</strong> Fehler <strong>und</strong>Irrtümer im gegnerischen Lager ebenso wie <strong>die</strong> Vorzüge <strong>und</strong>Wahrheitselemente im eigenen Lager. Jeden ehrlichen Menschenmuß man vor e<strong>in</strong>er täglich heranschwemmenden Flutvon Druckerzeugnissen warnen: Cave canem! (Warnung vordem H<strong>und</strong>!) – Hier wird gebellt <strong>und</strong> gebissen; hier ist man ohneVernunft, ohne Verstand <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht, weil man ohne Gerechtigkeitist. Geh vorüber! Hier schändet das Wort <strong>die</strong> Wahrheit!Hier hat sich das Herz mit Lügen verhüllt.Die Schrift nennt das Herz das Verborgene im Innern desMenschen. Sie steigert <strong>die</strong>sen Gedanken noch <strong>und</strong> spricht vondem Inneren des Herzens, von e<strong>in</strong>em Gr<strong>und</strong> des Herzens. Sieweiß um se<strong>in</strong>e Geheimnisse. Sie kennzeichnet e<strong>in</strong>en jeden alsunglücklich, <strong>der</strong> sich unehrlich verstecken muß, weil er sichmit den Waffen <strong>der</strong> Lüge äußerlich an<strong>der</strong>s zeigen will, als er <strong>in</strong>Wahrheit ist. Wer sich <strong>in</strong> Heuchelei <strong>und</strong> Täuschung verstrickt,kann se<strong>in</strong> Herz auch nicht vor Gott auftun <strong>und</strong> ausschütten. Esist doch Gott alle<strong>in</strong>, <strong>der</strong> das Herz beglücken will, weil er es liebt,weil er ihm Wahrheit <strong>und</strong> Echtheit br<strong>in</strong>gen will.Im letzten Gr<strong>und</strong>e aber kann niemand se<strong>in</strong> Inneres verbergen.Denn <strong>der</strong> Mensch muß tun, was im Herzen ist. Und wenner es auch nicht zugeben will, schließlich werden es se<strong>in</strong>eTaten dennoch offenbaren, ob das Herz richtig o<strong>der</strong> verkehrtist.Die Überraschungen, <strong>die</strong> dar<strong>in</strong> manchem <strong>der</strong> Krieg <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Folgezeit gebracht hat, sollten sich als unvergeßlicheMahnungen dem Herzen e<strong>in</strong>geprägt haben. Wir dürfen nichtgleichgültig dagegen se<strong>in</strong>, welche Abgründe sich vor uns aufgetanhaben; Ungehemmtheit unre<strong>in</strong>er Leidenschaften, Uferlosigkeit<strong>der</strong> Lüge <strong>und</strong> des Betrugs, hemmungslose Wut desMordes <strong>und</strong> Raubes, liebeleerer Triumph rücksichtslosestenProfitgeistes, erneutes Anschwellen sozialer Ungerechtigkeitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 29<strong>und</strong> Unterdrückung, verlogener Klassenhaß <strong>und</strong> Rassenhaß!Im Kriege, während <strong>der</strong> Revolution <strong>und</strong> bei ihrer gewaltsamenZurückdrängung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Inflation <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> neuesten politischenErhitzung fast aller Gemüter ist das alles <strong>und</strong> noch mehr<strong>in</strong> furchtbarster Gewalt hervorgebrochen. Der Schrecken mußsich unvergeßlich <strong>in</strong> uns e<strong>in</strong>graben. Den schauerlichen Kemaller <strong>die</strong>ser Geschehnisse müssen wir erkennen, auch wenn ersich unter <strong>der</strong> schillernden Panzerung idealster Worte <strong>und</strong> Zieleverbergen will. Nicht das Programm, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Tat enthüllt,welche Gewalten das Herz treiben <strong>und</strong> bestimmen.All unser Tun muß kraftlos <strong>und</strong> böse se<strong>in</strong>, wenn das Herzverdorrt <strong>und</strong> krank, beschwert <strong>und</strong> matt ist, vor allem aber,wenn es fe<strong>in</strong>dselig <strong>und</strong> <strong>in</strong> bl<strong>in</strong>dem Haß von unre<strong>in</strong> giftigemFeuer-Rauch erfüllt ist. Nur e<strong>in</strong> gesammeltes Innere, das <strong>in</strong> <strong>der</strong>Kraft konzentrierten Friedens steht, nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>trächtiges Herz,das sich nicht <strong>in</strong> Streit <strong>und</strong> Zank zersplittert, kann Kraft zumHandeln beweisen. Denn nur das gute Werk ist aufbauendeTat. Alles an<strong>der</strong>e ist Zerstörung. Der Mensch sieht <strong>die</strong> äußereWirkung; aber Gott prüft <strong>und</strong> kennt das Innere des Herzens. Erwill es vom mör<strong>der</strong>ischen Nie<strong>der</strong>reißen zum lebendigen Werkdes Aufbaus br<strong>in</strong>gen. Nur er weiß es so zu lenken, wie man daslebendig strömende Wasser für den Garten hierh<strong>in</strong> <strong>und</strong> dorth<strong>in</strong>leitet. Gott will alle Herzen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gartengelände zusammenströmenlassen, <strong>in</strong> das Reich se<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit,wo man das Gute tut, weil das Herz dazu drängt, weil<strong>der</strong> Geist es leitet <strong>und</strong> treibt.Die <strong>Bibel</strong> muß den entscheidenden Wert für das Neue imMenschen <strong>in</strong> das Herz legen. Für sie entscheidet sich alles,was Bedeutung hat, im Innersten. Vom Herzen aus strömennicht nur <strong>die</strong> Bäche des Blutes, <strong>die</strong> unsere A<strong>der</strong>n füllen – ne<strong>in</strong>,auch <strong>die</strong> re<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>de <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wasser des Geistes. Das zeigenauch <strong>die</strong> Gegensätze, denen das Herz <strong>in</strong> den prophetischen<strong>und</strong> apostolischen Schriften gegenübergestellt wird. Nicht dasvon außen <strong>E<strong>in</strong></strong>tretende, son<strong>der</strong>n was aus dem Herzen, ausdem Innem heraustritt, verunre<strong>in</strong>igt den Menschen. Irrig <strong>und</strong>abwegig ist es, wenn man heute <strong>in</strong> ausgesprochenem Gegensatzzu dem Wort <strong>und</strong> Leben Jesu behauptet, daß das Wesenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 30des Menschen durch <strong>die</strong> Nahrung, <strong>die</strong> er zu sich nimmt, <strong>und</strong>durch <strong>die</strong> als Körperkultur angewandte Hygiene bestimmt werdenkönne. Der Wahrheit Jesu hat man das unüberlegte <strong>und</strong>verlogene Wort gegenübergestellt: “Was e<strong>in</strong> Mensch ißt, das ister.” Die Anhänger <strong>die</strong>ser Me<strong>in</strong>ung haben es selbst nur allzu ofterkennen müssen, daß <strong>die</strong> Verunre<strong>in</strong>igung des menschlichenInneren tiefer begründet ist als im Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken.In Wahrheit hat umgekehrt das üppige <strong>und</strong> schwelgerischeLeben se<strong>in</strong>e Ursache im Herzen. Was <strong>der</strong> Mensch ist, das tuter. Dafür aber gibt es tiefere Merkmale als Speisezettel <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsvorschriften.Solange <strong>der</strong> Mensch zuerst <strong>und</strong> zuletztan se<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> an das eigene Wohlergehen denkt,bleibt er e<strong>in</strong> Unerlöster mit e<strong>in</strong>em kranken <strong>und</strong> ich-süchtigenHerzen. Weil er se<strong>in</strong> Leben liebhat, verliert er es. Nur wenn eres aufgibt, gew<strong>in</strong>nt er es.Das entscheidende Merkmal ist das, was aus dem Herzenans Licht dr<strong>in</strong>gt. Jedes Götzentum muß offenbar werden. “Wesdas Herz – das <strong>in</strong>nere Se<strong>in</strong> – voll ist, des geht <strong>der</strong> M<strong>und</strong> – <strong>die</strong>äußere Rede – über” (Matth. 12,34). Wovon man spricht, dasist man – freilich nur, wenn <strong>die</strong> Rede aus dem Herzen kommt.Ob <strong>die</strong> Rede echt o<strong>der</strong> unecht ist, kann jedoch nicht verborgenbleiben. Der wache Geist hört <strong>in</strong> klarer Unterscheidung <strong>der</strong>Geister <strong>die</strong> Töne des Herzens <strong>und</strong> sieht <strong>die</strong> Lichter <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>.Alles leere Gerede ist nichtig, wenn es noch so große Wortebraucht. Was nützt aller äußere Gottes<strong>die</strong>nst, wenn das Herzals das Innere des Menschen ferne bleibt! Nur das hat Wert,was man dem Herrn von Herzen tut. Was bedeuten Wege <strong>und</strong>Schritte, bei denen wohl <strong>die</strong> Füße, aber nicht das Herz mitgehenwollen! Alles Machen <strong>und</strong> Treiben eigener Kraft bleibt e<strong>in</strong>Nichts, wenn nicht das lebendige Herz dar<strong>in</strong> schlägt <strong>und</strong> pulsiert.Der schwächste, zu schwerer Arbeit unfähigste Menschhat <strong>die</strong> stärkste Wirkung, solange se<strong>in</strong> Herz lebendig bleibt.Das Herz ist das Innere, das nicht ruht, wenn auch <strong>der</strong> äußereMensch untätig ist. Gott sieht nicht auf den äußeren Sche<strong>in</strong>,sondem auf das Herz.Im Innersten liegen Kraft <strong>und</strong> Schwäche des Menschen.Denn es ist <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Ges<strong>in</strong>nung, <strong>die</strong> man zwar nach außen h<strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 31verdecken <strong>und</strong> verkleiden kann, <strong>die</strong> aber doch das Wesen desCharakters ausmacht. Nur das hat Wert <strong>und</strong> Kraft, was durchsHerz zu Herzen geht, weil es von Herzen kommt. Wer Begegnungenerlebt hat von Menschen, <strong>die</strong> sich vorher kaum o<strong>der</strong>gar nicht gekannt haben <strong>und</strong> <strong>die</strong> sich nun gegenseitig ihr Innersteserschließen, spürt immer wie<strong>der</strong> den echten Herzschlag <strong>in</strong>jedem wahren Wort. Er wendet sich ab, wo leere Worte gesprochenwerden, ohne daß das Herz etwas zu sagen hat.Der Zusammenklang <strong>der</strong> Herzen erfährt se<strong>in</strong>en Höhepunkt<strong>in</strong> <strong>der</strong> lebendigen Geme<strong>in</strong>de. Sie empfängt ihre <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit stets neu von dem über sie kommenden Geist,denn dort s<strong>in</strong>d alle e<strong>in</strong> Herz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong> geworden. Und siewerden <strong>die</strong>s stets wie<strong>der</strong> von neuem, so oft sie an den HeiligenGeist glauben.Wer nur mit dem M<strong>und</strong>e vergeben o<strong>der</strong> nur mit den Lippenpredigen will, kann uns nichts geben als Enttäuschung. “<strong>E<strong>in</strong></strong>Prediger muß <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Innern zuerst entflammt se<strong>in</strong>, bevor erzu reden anfängt.” Mit <strong>die</strong>sen Worten hat Franz von Assisi dasGeheimnis se<strong>in</strong>es wirksamen Lebens enthüllt. “Denn es mußvon Herzen gehen, was auf Herzen wirken soll.” So for<strong>der</strong>t esPhorkyras <strong>in</strong> Goethes “Faust” 6 als das Höhere im Gegensatz zudem Gemenge <strong>der</strong> alten Götter.Die Kraft des Herzens ist reich. Welche Vielfalt lebendigerRegungen umschließt das Herz! Manche mögen <strong>in</strong> ihm nichtsan<strong>der</strong>es als Gefühle vermuten. Und <strong>der</strong> Sprachgebrauch geht<strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat nicht fehl, wenn er so gem das <strong>in</strong>nere Gefühlslebenals e<strong>in</strong>e Sache des Herzens anspricht. Denn im Innersten desMenschen wohnen se<strong>in</strong>e tiefsten <strong>und</strong> besten <strong>und</strong> nicht wenigerse<strong>in</strong>e schädlichsten <strong>und</strong> bösesten Empf<strong>in</strong>dungen. Alle wahreFreude kommt aus dem Herzen <strong>und</strong> erfüllt es mit jauchzendemJubel o<strong>der</strong> mit stillem Glück. Alle echten Wohltaten berührendas Herz. Jede freudige Hoffnung hat im Inneren ihr Leben.Nicht nur <strong>die</strong> geistlichen, sondem auch <strong>die</strong> leiblichen <strong>und</strong> seelischenErquickungen s<strong>in</strong>d Gaben für das Innere, für das Herz.Denn das Herz ist dankbar für jeden Trost, <strong>der</strong> Brot <strong>und</strong> nichtSte<strong>in</strong>e reicht. Hat es doch mit Angst <strong>und</strong> Unruhe, mit Schmerz<strong>und</strong> Traurigkeit zu kämpfen!______________________________6“Faust”, Johann Wolfgang v. Goethe, dt. Dichter, 1749-1832w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 32Unsere Zeit hat uns nur allzu deutlich gezeigt, daß das Herznicht nur e<strong>in</strong> Entbrennen vor Freude <strong>und</strong> Liebe kennt. Nur zu oftstürzt es sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> verzehrenden Flammen des Unmutes <strong>und</strong>des Hasses. Es muß uns verwun<strong>der</strong>n <strong>und</strong> erschrecken, wie esdurch se<strong>in</strong>e Leidenschaft immer wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Not <strong>und</strong> Wut versetztwird. Wie verhängnisvoll wäre es für das Herz, wenn sich se<strong>in</strong>Reichtum <strong>in</strong> wi<strong>der</strong>streitenden Gefühlen erschöpfte! Und wieirreführend s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se Stürme, wenn sie auch oft nur e<strong>in</strong> Wasserglasausfüllen! Starke <strong>E<strong>in</strong></strong>drücke br<strong>in</strong>gen tiefe Erschütterungenhervor. Elende Süchte verkrampfen das Herz. Tiefe Bewegtheitwechselt mit armen Gefühlchen. Ungeklärte, unbewußte<strong>und</strong> unterbewußte Empf<strong>in</strong>dungen können wohl zuweilen dasGute vorbereiten; oft aber verschleiern sie ver<strong>der</strong>blich dumpfeTriebe, <strong>die</strong> das Herz <strong>in</strong>s Ver<strong>der</strong>ben führen.Es ist nicht wahr, daß das Herz nur zu fühlen vermag. Ne<strong>in</strong>– das Herz als das Inwendige des Menschen ist mehr: Es istDenken <strong>und</strong> Wollen. Es ist <strong>die</strong> Heimat aller tieferen Gedanken,<strong>die</strong> nur dann Bedeutung haben, wenn sie unser Inneres bewegen.“Die großen Gedanken kommen aus dem Herzen.” AllesGroße sucht den lebendigen Kern. Das Herz ist nicht nur das<strong>in</strong>nere Gefühl, es ist auch das <strong>in</strong>nere Denken. Es gibt e<strong>in</strong> Sprechen<strong>und</strong> Reden im Herzen, das alles Gedachte <strong>in</strong>nerlich zuklären sucht. Die Vemunft ist dem Herzen nicht fremd. Gewißgibt es unverständige Herzen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihren Irrungen nichts alsNarrheit erkennen lassen. Aber das kluge <strong>und</strong> verständige Herzs<strong>in</strong>nt auf Weisheit. Es versteht zu wissen <strong>und</strong> zu erkennen, was<strong>der</strong> rechte Rat ist. Gerade <strong>in</strong> dem unvorstellbar Schweren, das<strong>der</strong> Krieg <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Folgen uns allen gebracht haben, <strong>in</strong> denunüberschaubaren Aufgaben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> neue Lage an uns stellt,braucht das Herz <strong>die</strong> tiefsten <strong>und</strong> größten Gedanken, <strong>die</strong> nurGott ihm geben kann.Wohl gibt es Gedanken, <strong>die</strong> dem Herzen fremd bleiben. Wohlgibt es Herzen, <strong>die</strong> das Denken hassen. Aber ohne <strong>die</strong> Fülle bestimmtertiefer Gedankenverb<strong>in</strong>dungen gibt es ke<strong>in</strong> wirksames<strong>in</strong>neres Leben. Der volle Reichtum des Lebens, wie er demHerzen bestimmt ist, kann ihm nur dann erschlossen werden,wenn es sich für das <strong>in</strong>nerlichste Denken <strong>und</strong> S<strong>in</strong>nen öffnenwill. Das Gedenken entspricht dem Wesen des Herzens.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 33“De<strong>in</strong> Herz bist du selbst. Wohl dir, wenn <strong>die</strong> Vemunft immerim Herzen dir wohnt.” Nur geweihte Gedanken e<strong>in</strong>es h<strong>in</strong>gegebenenLebens führen zu <strong>die</strong>ser höchsten Vernunft. Die wahreVemunft ist e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Gedanken Gottes gegeben;durch sie wird se<strong>in</strong> Wille zum heiligen Sollen.Die Wirkung <strong>der</strong> Gedanken auf das Herzensempf<strong>in</strong>den bildete<strong>in</strong>en gewissen, wenn auch nicht immer untrüglichen Maßstabfür ihren Wert. Rusk<strong>in</strong> 7 hat es zum Ausdruck gebracht: “Literatur,Kunst, Wissenschaft, sie alle s<strong>in</strong>d fruchtlos <strong>und</strong> noch schlimmerals <strong>die</strong>s, wenn sie uns nicht <strong>in</strong> den Stand setzen, froh, <strong>und</strong> zwarherzensfroh zu se<strong>in</strong>.” Das lebendige Herz fällt e<strong>in</strong>e Art höhererEntscheidung über Gedanken des Intellekts, <strong>die</strong> sich mit unseremLeben noch nicht o<strong>der</strong> niemals verb<strong>in</strong>den können. “Wiee<strong>in</strong>e Sõnne geht das Herz durch <strong>die</strong> Gedanken <strong>und</strong> löscht auf<strong>der</strong> Bahn e<strong>in</strong> Stembild nach dem an<strong>der</strong>n aus!” In <strong>die</strong>sem Bildesäh Jean Paul se<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Leben vor sich. Alle Wissenschaft,<strong>die</strong> nur dem denkenden Kopf angehört, auch das bloße Kopfwissenbiblischer D<strong>in</strong>ge, bleibt tot. <strong>E<strong>in</strong></strong> solches Wissen gefährdetdas Leben aufs tödlichste, wenn nicht das Herz dazu Stellungnimmt, wenn nicht das Herz <strong>die</strong> lebendig bewegte Entscheidungzu treffen vermag zwischen Licht <strong>und</strong> F<strong>in</strong>sternis, zwischen hellen<strong>und</strong> dunklen Strahlen, zwischen bösen <strong>und</strong> guten Sternen.Nur <strong>die</strong> Gedanken leuchten<strong>der</strong> Wärme <strong>und</strong> Kraft dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>re<strong>in</strong>es Herz <strong>und</strong> strömen daraus hervor. Mirza-Schaffy 8 verrätdas Suchen nach e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlich geschlossenen Innerlichkeit,wenn er ausruft: “Kopf ohne Herz macht böses Blut, Herz ohneKopf tut auch nicht gut. Wo Glück <strong>und</strong> Segen soll gedeih'n, mußKopf <strong>und</strong> Herz beisammen se<strong>in</strong>.”Dies Zusammenwirken zweier Werkzeuge erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nereEnergie, <strong>die</strong> zusammenzufassen <strong>und</strong> zusammenzuhaltenversteht, was so oft ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zustreben droht. Ke<strong>in</strong> Herzist ohne Energie. Ja, das Herz ist Wille. Der geklärte Wille zurSammlung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung ist das <strong>in</strong> Gott ges<strong>und</strong>ete Menschenherz.Genauso offenbart sich das Herz Gottes als Liebe<strong>in</strong> dem zusammenbr<strong>in</strong>genden Willen se<strong>in</strong>es Reiches <strong>und</strong> das______________________________7John Rusk<strong>in</strong>, engl. Schriftsteller <strong>und</strong> Sozialreformer, 1819-19008Mirza-Schaffy, Pseudonym Friedrich von Bodenstedts,deutscher Dichter, 1819-1882w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 34Herz Jesu, das unter se<strong>in</strong>e ausgebreiteten Anne alles sammelnwill, was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>ig werden soll. Wenn unserInneres den tiefen Reichtum wahrhaft großer Gedanken nichtvorüberrauschen lassen soll, so muß es e<strong>in</strong> Herz mit e<strong>in</strong>emglühenden, lebendigen Willen se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Worte <strong>der</strong> Wahrheitaufnehmen <strong>und</strong> festhalten kann, wie Maria es tat. GrübelndeWillensschwäche <strong>und</strong> gefühliges Se<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d noch nie zu etwasGroßem fähig gewesen. Der Glaube nimmt das Wort des HeiligenGeistes <strong>in</strong>s Herz auf. Nur so dr<strong>in</strong>gt es <strong>in</strong> unser Leben vor.Das eigentliche Wesen des Herzens ist se<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Begehren,se<strong>in</strong> tieferer Wille; <strong>die</strong>ser kann alles Gesagte umfassen<strong>und</strong> zu wirkungsvollem Lebenswert gestalten. Alle Vorsätze<strong>und</strong> Wünsche wurzeln im Herzen. Es gibt nicht nur e<strong>in</strong> Gelüstendes Herzens, sondem <strong>die</strong> Quelle se<strong>in</strong>er Beweggründe<strong>und</strong> Entschlüsse liegt viel tiefer. Es hängt mit se<strong>in</strong>em Willenan den Gegenständen se<strong>in</strong>er Liebe <strong>und</strong> Verehrung. Die <strong>in</strong>nereNeigung, <strong>die</strong> tiefere Willensrichtung ist es, <strong>die</strong> den Charakterdes Herzens ausmacht. Wo <strong>der</strong> Schatz des Menschen ist, <strong>der</strong>se<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Leben erfüllt, da ist auch se<strong>in</strong> Herz.“An jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nichtbrechen läßt: das Knochengebäude des Charakters.” 9 DiesesKnochengerüst <strong>in</strong>nerster Festigkeit ist <strong>der</strong> sittliche, liebende<strong>und</strong> vere<strong>in</strong>igende Wille. Ohne e<strong>in</strong>en entschiedenen Willen gibtes ke<strong>in</strong>en Charakter. “Der Charakter ist <strong>die</strong> sittliche Ordnung.'“ 10Er ist <strong>die</strong> ethische Ordnung aller Elemente des Herzens nachden göttlichen <strong>und</strong> menschlichen Lebensgesetzen, nach demWillen <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> deshalb <strong>in</strong> dem tätigen Geist <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<strong>und</strong> wahren Liebe. Diese Ordnung hat zum Rückgrat den Willen.Das Herz ist als Wille <strong>die</strong> Bildungsstätte des Charakters.Gewiß – er braucht den Strom <strong>der</strong> Welt, um dar<strong>in</strong> zu erstarken.Der Wille hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit zu bewähren, <strong>in</strong> dem schaffendenWerk <strong>der</strong> tätigen Liebe. So hilft er e<strong>in</strong> Leben aufzubauen,das se<strong>in</strong>em <strong>E<strong>in</strong></strong>heitsziel entspricht. Im harten Kampf mit allen<strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit entgegenstehenden Gewalten wird er für <strong>die</strong>seAufgabe gefestigt. Aber wenn <strong>der</strong> Wille nicht im Inneren des______________________________9Georg v. Lichtenberg, dt. Schriftsteller, 1742-179910Ralph Waldo Emerson, amerik. Philosoph, 1803-1882w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 35Menschen, im Herzen, gewurzelt ist, so wird <strong>der</strong> Mensch mitdem Strome schwimmen <strong>und</strong> aufhören, e<strong>in</strong> Charakter zu se<strong>in</strong>.Wenn <strong>der</strong> Charakter auf <strong>der</strong> Persönlichkeit ruht, so hat <strong>die</strong>Persönlichkeit ihr Leben <strong>und</strong> ihre Kraft im <strong>in</strong>wendigen Wollen.Nur im Innersten des Herzens wird man wahrhaft frei. Nurdort kommt es zu <strong>der</strong> entscheidenden Haltung, <strong>die</strong> entwe<strong>der</strong>charakterliche Festigkeit o<strong>der</strong> haltlose Unfreiheit bedeutet. Die<strong>in</strong>nerste Ges<strong>in</strong>nungsrichtung macht <strong>die</strong> Persönlichkeit. DieseRichtung aber wird sie verfehlen, solange sie nichts an<strong>der</strong>eswill als sich selbst. Die Persönlichkeit ist nur dann “das höchsteGlück <strong>der</strong> Erdenk<strong>in</strong><strong>der</strong>”, wenn ihr Wille nicht mehr sich selbstsucht, son<strong>der</strong>n sich für das Höchste e<strong>in</strong>setzt <strong>und</strong> drangibt, für<strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Reich <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de.Im letzten Gr<strong>und</strong>e ist es alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Tat, <strong>in</strong> welcher <strong>die</strong> Persönlichkeitihre Ges<strong>in</strong>nung beweist. Nur solche Handlungens<strong>in</strong>d Taten zu nennen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Zusammenfassung aller Kräftedes Herzens erfor<strong>der</strong>n. Die rechte Tat führt durch <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igungaller wirklichen Kräfte jedes e<strong>in</strong>zelnen zur Geme<strong>in</strong>samkeitaller Menschen. Das Reich Gottes unter den Menschenist <strong>die</strong> Zusammenfassung aller ihrer Kräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher Tat.Nur jene Taten entsprechen den Kräften des <strong>in</strong> uns wirkendenGottesgeistes, <strong>die</strong> nicht den eigenen Nutzen, sondem den desan<strong>der</strong>en suchen, <strong>die</strong> das eigene Leben h<strong>in</strong>geben, damit dasgeme<strong>in</strong>same Leben <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, Re<strong>in</strong>heit, Wahrheit <strong>und</strong> Gerechtigkeitersteht.Die größte Tat des stärksten Herzens vollbrachte <strong>die</strong> EntschlossenheitJesu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tode am Kreuz. Hier offenbartsich e<strong>in</strong>e Energie des Willens, e<strong>in</strong>e Glut <strong>der</strong> Liebe, e<strong>in</strong>e Festigkeit<strong>in</strong> dem Tun des vollkommenen Willens, wie sie sonst nirgendszu f<strong>in</strong>den ist. Der Kampf <strong>in</strong> Gethsemane <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schrei<strong>der</strong> Gottverlassenheit am Kreuz gewähren e<strong>in</strong>en entscheidenden<strong>E<strong>in</strong></strong>blick, welch e<strong>in</strong> Wille notwendig war, daß das Herzdes Menschensohnes nicht von <strong>der</strong> Not se<strong>in</strong>es Schmerzes gebrochenwurde. Aber dennoch blieb se<strong>in</strong>e Liebe bis zuletzt <strong>in</strong>ungebrochener Kraft. Der Wille zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, das Vollbr<strong>in</strong>gen des<strong>E<strong>in</strong></strong>igungswerkes, das Vertrauen auf den Vater, <strong>die</strong> Fürbitte für<strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> Fürsorge für den Verbrecher, <strong>die</strong> Versorgungw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 36<strong>der</strong> Se<strong>in</strong>en <strong>und</strong> das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geben se<strong>in</strong>es Geistes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Händedes Vaters hat das Gottesleben <strong>die</strong>ses Herzens mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong>Todesqual gekennzeichnet.Das hohepriesterliche Gebet als das <strong>in</strong>haltstiefste Redenim Herzen hatte kurz zuvor noch e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit als denersten <strong>und</strong> letzten Willen Jesu k<strong>und</strong>getan: “Daß sie alle e<strong>in</strong>sseien, wie du Vater <strong>in</strong> mir <strong>und</strong> ich <strong>in</strong> dir, daß daran, daß sie e<strong>in</strong>ss<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> Welt erkenne <strong>und</strong> glaube, daß du mich gesandt hast!”(Joh. 17,21). Die Abschiedsworte Jesu an <strong>die</strong> Schüler se<strong>in</strong>erLebensgeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Sendung s<strong>in</strong>d von unerschöpflichemGedankenreichtum <strong>und</strong> offenbaren <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zusammenhangden Heiligen Geist als den lebendigen StellvertreterJesu Christi, als den Sachwalter se<strong>in</strong>es Reichs <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> als <strong>die</strong> persönliche Kraft vöiliger Überwältigung<strong>und</strong> Überzeugung, daß <strong>die</strong> Liebe, <strong>die</strong> aus <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit kommt,<strong>die</strong> Wahrheit ist. Der Geist <strong>der</strong> Wahrheit ist es, <strong>der</strong> an alle Worteer<strong>in</strong>nert, <strong>die</strong> Jesus gesagt hatte, auch an <strong>die</strong> letzten Reden se<strong>in</strong>erProphetie für das here<strong>in</strong>brechende Reich <strong>der</strong> Gottese<strong>in</strong>heit.Der lebendigmachende Geist ist es, <strong>der</strong> Inhalt <strong>und</strong> Gestaltungdes zukünftigen Reiches heute mitteilt. Die bedeutsame Symbolikdes Abschiedsmahles verkündet den Tod Jesu als <strong>die</strong>versöhnende Befreiung <strong>und</strong> als <strong>die</strong> lebendige Schöpfung desneuen Leibes Christi zu völliger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des ganzen Lebens.Alle <strong>die</strong>se Worte <strong>und</strong> Handlungen beweisen <strong>die</strong> unüberw<strong>in</strong>dlicheKraft <strong>der</strong> Gedanken Gottes <strong>in</strong> Jesus Christus, <strong>die</strong> imtiefsten Reichtum des Gefühls <strong>und</strong> Willens zur wirksamsten Tatwerden, <strong>die</strong> je e<strong>in</strong> Herz vollbrachte. Als Offenbarung Gottes erweistsich <strong>die</strong> Tat Jesu <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenfassung aller Kräfteauf das e<strong>in</strong>zige Ziel ihrer Aufgabe. Dieses Ziel aber ist nichtsan<strong>der</strong>es als Friede, Versöhnung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung!Das Herz ist <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerste Charakter. In Jesus ist er so fest<strong>und</strong> klar, daß er <strong>die</strong> denkbar größte Tat <strong>der</strong> Befreiung, <strong>E<strong>in</strong></strong>igung<strong>und</strong> Zusammenfassung im Opfer se<strong>in</strong>es Lebens vollbr<strong>in</strong>gt. InJesus offenbart <strong>die</strong> vollendete Tat <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Vollkommenheit.In jedem Menschen offenbart <strong>der</strong> Charakter se<strong>in</strong>er Tat das Herzdes Menschen. Die Tat offenbart den Charakter des Herzens.Ist er nicht klar <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heitlich o<strong>der</strong> “e<strong>in</strong>fältig”, wie es Jesusw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 37nennt, so ist das Herz schwach, matt <strong>und</strong> träge, unfähig zurAufnahme des Gotteswillens, zu großem Entschluß <strong>und</strong> starkerTat. Das ist <strong>die</strong> Ursache, aus welcher Jesus <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren <strong>E<strong>in</strong></strong>falt,<strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit, <strong>E<strong>in</strong></strong>heitlichkeit, Geschlossenheit <strong>und</strong> Entschiedenheit<strong>die</strong> stärkste Bedeutung gegeben hat. Re<strong>in</strong>heit des Herzensist nichts an<strong>der</strong>es als ungeteilte Ganzheit; sie weiß <strong>die</strong> schwächenden<strong>und</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>treibenden Gelüste zu überw<strong>in</strong>den.Nur <strong>in</strong> entschlossener <strong>E<strong>in</strong></strong>falt wird das Herz aufnahmebereit,wahrhaftig <strong>und</strong> aufrichtig, getrost <strong>und</strong> tapfer, fest <strong>und</strong> stark.In <strong>der</strong> Schwäche <strong>und</strong> Gespaltenheit des Herzens liegt <strong>die</strong>Schuld, daß es so selten zur Aufnahme des Geistes JesuChristi <strong>und</strong> zu <strong>der</strong> von ihm bewirkten Festigkeit des Charaktersgelangt. Wie oft sucht es durch kalten Stolz se<strong>in</strong>e Feigheit<strong>und</strong> Verzagtheit zu überw<strong>in</strong>den! Diese zersplitternde Härte desHochmuts ist e<strong>in</strong>e alles ver<strong>der</strong>bende Schwäche, <strong>die</strong> das Innereerstarrt <strong>und</strong> verstockt, <strong>und</strong> dennoch zerrissen <strong>und</strong> zerklüftetmacht. Die Überheblichkeit des sich absplitternden Eigenwillensist <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Liebe Gottes.Vergebens sucht sich das Herz gegen <strong>die</strong> Erkenntnis zu verschließen,daß es zu schwach, zu schlecht <strong>und</strong> böse, zu une<strong>in</strong>heitlich,zu zwiespältig <strong>und</strong> zu fe<strong>in</strong>dselig ist, um sich selbsthelfen zu können. Bei aller Bl<strong>in</strong>dheit gegen sich selbst muß dasHerz gegen se<strong>in</strong>en Willen Hochmut <strong>und</strong> Überhebung, Bosheit<strong>und</strong> Tücke, Unbarmherzigkeit <strong>und</strong> Trügerei als se<strong>in</strong>en sich abtrennendenEigenwillen <strong>und</strong> Eigennutz immer von neuem enthüllen.In unbeugsamem Trotz kann sich se<strong>in</strong>e Umnachtung biszum Versuchen <strong>und</strong> Verfluchen Gottes steigern, bis <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternisdas Herz bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> letzten W<strong>in</strong>kel erfüllt <strong>und</strong> alle Verstellungihr Ende erreicht hat.Aber das Herz sehnt sich nach dem entgegengesetzten Werdegangdes Innenlebens, <strong>der</strong> zu aufrichtiger Selbsterkenntnis,zu e<strong>in</strong>heitlicher <strong>E<strong>in</strong></strong>falt <strong>und</strong> ungeheuchelter Demut führt. In <strong>die</strong>semMut <strong>der</strong> Bescheidung verb<strong>in</strong>det sich das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong>eigenen Kle<strong>in</strong>heit mit <strong>der</strong> göttlichen Berufung wahrer Größe.<strong>E<strong>in</strong></strong>e solche von Gott gewirkte Entwicklung erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e letzte<strong>E<strong>in</strong></strong>sicht <strong>in</strong> alles das, was im eigenen Herzen schlecht ist, e<strong>in</strong>e<strong>E<strong>in</strong></strong>sicht, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Wahrheit e<strong>in</strong>e Revolution des Inneren bedeutet.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 38Bevor <strong>die</strong>se radikale Umwälzung erfolgt ist, hat niemand e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fältiges Herz.Das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schuld <strong>und</strong> <strong>die</strong> ungestillte Sehnsuchtnach Gott kann das Herz nicht nur erweichen, son<strong>der</strong>n geradezuzerreißen <strong>und</strong> zerstoßen. Von <strong>der</strong> verzehrenden Glut <strong>die</strong>serSehnsucht des Herzens wissen viele Erschütterndes zu sagen.Mancher nennt es se<strong>in</strong> Tiefstes, <strong>in</strong> das er <strong>E<strong>in</strong></strong>blick gewährenwill: “In me<strong>in</strong>em Herzen brennt e<strong>in</strong>e ewige Lampe, ruhig <strong>und</strong>stetig; bisweilen nur flackert sie hoch empor, schwillt an zu Gluten,zu feuriger Lohe, <strong>die</strong> rast <strong>und</strong> verzehrt <strong>und</strong> vernichtet –dann spannen sich me<strong>in</strong>e Kräfte alle, nur e<strong>in</strong>en Wunsch habeich dann, nur e<strong>in</strong>e Hoffnung, nur e<strong>in</strong>en Gedanken -. Und <strong>die</strong>ewige Flamme flackert <strong>und</strong> rußt. Lange, lange, bis sie sich wie<strong>der</strong>bescheidet <strong>und</strong> stille wird: me<strong>in</strong>e ewige Sehnsucht.” 11Die lo<strong>der</strong>nde Flamme <strong>der</strong> Sehnsucht ist da. Aber sie wirdweiter <strong>in</strong> ungestillter Unruhe flackem <strong>und</strong> unre<strong>in</strong> bleiben müssen,wenn das Herz sich nicht unter den <strong>in</strong>nerlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>flußdes scharf klärenden Wortes <strong>und</strong> des schneidend wehendenGeistes Gottes stellt. Nur so kann <strong>die</strong> unre<strong>in</strong>e Lohe dem vollkommenenLicht des “Christus <strong>in</strong> uns” weichen. Jedoch, dasebenso schwache wie trotzige Herz, an se<strong>in</strong>e Absplitterung <strong>und</strong>Zertrennung gar zu tief gewöhnt, ergibt sich nicht leicht. Mit allenMitteln sucht es sich zu wehren. Mit allen Süchten sucht essich an eigene, selbsterwählte Ideale zu hängen. Ob e<strong>in</strong>samo<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit an<strong>der</strong>en ebenso eigennützigen Herzen,sollen <strong>die</strong>se Ideale se<strong>in</strong>en Eigenwillen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dseligeSelbstbehauptung bestätigen. Und doch bleibt alles vergeblich,selbst wenn es den Entscheidungskampf lange verhüllen <strong>und</strong>h<strong>in</strong>ausschieben kann.Alle Versuche <strong>der</strong> Täuschung, mit denen man <strong>in</strong> menschlichseelischer “Begeisterung” das Herz zu irgende<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>enGott als zu dem “Vater Jesu Christi” erheben wollte, haben sichals vergeblich erwiesen. Der natürliche menschliche Zustanddes Herzens offenbart <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en Anstrengungen nichts an<strong>der</strong>esals se<strong>in</strong>e Entfremdung von Gott. Alle enthusiastischenBewegungen zeigen, daß sie vergeblich das <strong>E<strong>in</strong></strong>heitsziel <strong>der</strong>______________________________11Michael Grabowsky, 1805-1863w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 39sozialen Gerechtigkeit <strong>in</strong> hassen<strong>der</strong> <strong>und</strong> ungerechter Gottlosigkeitverfolgen. Auch e<strong>in</strong>e verme<strong>in</strong>tlich patriotische, <strong>in</strong> Wahrheitfe<strong>in</strong>dselig abgegrenzte Huldigung stellt dem lebendigen Gotte<strong>in</strong>e Christus fremde <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>dliche Gottheit entgegen.Die verdunkelnde Decke muß fallen, <strong>die</strong> das Herz auf sichselbst o<strong>der</strong> auf blutsverwandte o<strong>der</strong> schicksalsverb<strong>und</strong>eneMenschen beschränkt. Der Blick auf Gott muß frei werden.Nur so kann man festen Herzens unbeirrt <strong>und</strong> frei von je<strong>der</strong>willkürlichen Abgrenzung auf <strong>die</strong> freie <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>es Reichesh<strong>in</strong>ausblicken, <strong>die</strong> nichts an<strong>der</strong>es will als <strong>die</strong> alles umfassendeGerechtigkeit <strong>der</strong> Gottesfreude <strong>in</strong> <strong>der</strong> völligen Liebe zu Fre<strong>und</strong><strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>d. Dieser Ausblick bed<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> for<strong>der</strong>t <strong>die</strong> gänzlicheBefreiung des Herzens von je<strong>der</strong> falschen seelischen B<strong>in</strong>dung,ja, se<strong>in</strong>e völlige Verän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> jener neuen Geburt, <strong>die</strong> durchden Heiligen Geist geschieht. Das Herz darf nicht bleiben, wiees ist. Es muß <strong>die</strong> ges<strong>und</strong>ende Umwandlung erleben, <strong>die</strong> esvon allen unre<strong>in</strong>en Wucherungen <strong>und</strong> von aller selbstsüchtigenIsolierung auf e<strong>in</strong>en Menschen o<strong>der</strong> auf mehrere willkürlichabgegrenzte Menschen <strong>und</strong> Menschheitsgruppen befreit. DasHerz muß “beschnitten”, gere<strong>in</strong>igt <strong>und</strong> geweiht werden, wennes wahrhaft frei se<strong>in</strong> will. Es muß von allen Wucherungen desEigenwillens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Selbstherrlichkeit befreit werden.Die Oden Salomos, e<strong>in</strong>e frühchristliche Lie<strong>der</strong>sammlung deszweiten Jahrhun<strong>der</strong>ts, bezeugen <strong>die</strong>se Herzensbeschneidung<strong>in</strong> tiefen Worten:“Me<strong>in</strong> Herz ward beschnitten, <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Blüte erschien; <strong>die</strong>Gnade wuchs <strong>in</strong> ihm <strong>und</strong> brachte Früchte dem Herrn. Denn<strong>der</strong> Höchste beschnitt mich durch se<strong>in</strong>en Heiligen Geist <strong>und</strong>öffnete me<strong>in</strong>e Nieren für ihn. Er füllte mich aus se<strong>in</strong>er Liebe;so ward <strong>die</strong> Beschneidung mir zur Erlösung. – Ich eilte aufdem Wege se<strong>in</strong>es Friedens, auf dem Wege <strong>der</strong> Wahrheit. VomAnfang bis zum Ende empf<strong>in</strong>g ich se<strong>in</strong>e Erkenntnis. Ich wardfestgegründet auf dem Fels <strong>der</strong> Wahrheit, woh<strong>in</strong> er selbst michgestellt hat. – Der Herr erneuerte mich durch se<strong>in</strong> Kleid <strong>und</strong>schuf mich durch se<strong>in</strong> Licht. Er erquickte mich von oben mitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 40Unvergänglichkeit. So ward ich wie e<strong>in</strong> Land, das fröhlichwächst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Früchten. Wie <strong>die</strong> Sõnne über dem Antlitz<strong>der</strong> Erde, erleuchtete <strong>der</strong> Herr me<strong>in</strong>e Augen. Me<strong>in</strong> Angesichtempf<strong>in</strong>g den Tau, <strong>und</strong> me<strong>in</strong> Odem labte sich an dem köstlichenDuft des Herrn. Er führte mich <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Para<strong>die</strong>s, wo <strong>die</strong>Fülle <strong>der</strong> Labung des Herrn ist. Ich warf mich nie<strong>der</strong> vor demHerrn um se<strong>in</strong>er Herrlichkeit willen <strong>und</strong> sprach: “Selig, <strong>die</strong><strong>in</strong> de<strong>in</strong> Land gepflanzt s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en Platz haben <strong>in</strong> de<strong>in</strong>emPara<strong>die</strong>se, <strong>die</strong> gleich dem Wachstum de<strong>in</strong>er Bäume wachsen<strong>und</strong> aus <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis ans Licht gewan<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d! Siehe, allede<strong>in</strong>e Arbeiter s<strong>in</strong>d schön <strong>und</strong> tun gute Werke; sie wenden sichvon <strong>der</strong> Unfre<strong>und</strong>lichkeit zu de<strong>in</strong>er Liebeskraft. – Sie haben<strong>die</strong> Bitterkeit <strong>der</strong> Bäume von sich abgetan, als sie <strong>in</strong> de<strong>in</strong> Landverpflanzt wurden. Denn es ist viel Platz <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Para<strong>die</strong>se,aber es gibt nichts Unnützes dar<strong>in</strong>, sondem alles ist voll vonde<strong>in</strong>en Früchten'!” 12Deshalb mußte Fichte sagen: “Solange <strong>der</strong> Mensch noch etwasfür sich selbst se<strong>in</strong> will, kann das wahre Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Leben<strong>in</strong> ihm sich nicht entwickeln, <strong>und</strong> er bleibt ebendarum auch <strong>der</strong>Seligkeit unzugänglich.” Denn alles selbstisch iso lierte Se<strong>in</strong> giltFichte mit Recht als Nichtse<strong>in</strong>, weil es tödliche Beschränkungals Abgrenzung von dem alle<strong>in</strong> wahren Se<strong>in</strong> ist. An Stelle <strong>der</strong>Unseligkeit <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nlicher Selbstliebe <strong>und</strong> an Stelle moralischerGesetzlichkeit kann <strong>die</strong> höchste <strong>in</strong>nere Freiheit nur <strong>in</strong> glückseligerGeme<strong>in</strong>schaft mit dem göttlichen Se<strong>in</strong> bestehen. AbgegrenzteSelbstliebe <strong>und</strong> herz lose Gesetzlichkeit s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>dedes Evangeliums <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Freiheit. Die wahre Freiheitdes von Gott re gierten Herzens setzt an <strong>die</strong> Stelle äußerer GesetzmäBigkeitden <strong>in</strong>neren Drang <strong>der</strong> völligen Liebe. Sie ist <strong>der</strong>Trieb des Heiligen Geistes, <strong>der</strong> zur göttlichen Ordnung geme<strong>in</strong>samenLebens <strong>in</strong> vöiliger Geme<strong>in</strong>schaft führt. Dar<strong>in</strong> wird jedeIsolierung <strong>und</strong> willkürliche Abgrenzung durch <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des______________________________12aus “Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe; Dokumente, Briefe <strong>und</strong> Texte <strong>der</strong>Urchristen”. Eberhard Arnold Hrsg. S. 204 f.,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 41Heiligen Geistes so gründlich überw<strong>und</strong>en, daß <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de<strong>und</strong> das Reich sich als das alle<strong>in</strong> wahre Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Leben erweisen.Denn es ist <strong>die</strong> Liebe Gottes, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Reichs offenbart.Dieses Erlebnis Gottes bedeutet <strong>die</strong> entscheidende Bereicherungdes <strong>in</strong>neren Lebens, ohne <strong>die</strong> auch das begabtesteHerz <strong>in</strong>nerlich verkümmern muß. Es ist <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Aufnahmedes Lebendigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>geburt des toten Herzens bedeutet,so daß es nun e<strong>in</strong> neues, e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es geworden ist.Bevor es nicht e<strong>in</strong>e ganze Wendung erlebt hat, kann das Herznicht gut <strong>und</strong> rechtschaffen se<strong>in</strong>. Das Herz braucht e<strong>in</strong>e ungeteilteBekehrung, <strong>die</strong> es von <strong>der</strong> falschen Enge <strong>in</strong> sich selbst zu<strong>der</strong> wahren Weite führt, zu dem Erleben Gottes, <strong>der</strong> größer istals unser Herz. Es braucht e<strong>in</strong>e Erlösung von se<strong>in</strong>em eigenwilligenSelbstleben, weil es nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit dem vollkommenenLeben ges<strong>und</strong>en kann. Das vollkommene Leben istLiebe. Die allgewaltige Weite <strong>und</strong> Tiefe <strong>der</strong> Größe Gottes offenbartsich als <strong>die</strong> Liebe. In Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Geist br<strong>in</strong>gt uns<strong>die</strong> Liebe <strong>die</strong> völlige Vere<strong>in</strong>igung als Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> als Reichso nahe, daß wir <strong>die</strong>sen Weg geme<strong>in</strong>sam beschreiten können.Auf dem Wege des Glaubens wird das Menschenherz vonse<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Wi<strong>der</strong>stand gegen <strong>die</strong> völlige Liebe immer mehrzu <strong>in</strong>nerlich aufgeschlossenem, freiwilligem Gehorsam geleitet.Der Gehorsam des Glaubens öffnet sich dem Herzen Gottes <strong>und</strong>se<strong>in</strong>es Reiches. Nur durch <strong>die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> frei geschenktenLiebe Gottes kann das menschliche Herz von se<strong>in</strong>em Trotz <strong>und</strong>se<strong>in</strong>er Verzagtheit gere<strong>in</strong>igt werden. Nur <strong>die</strong> ungefälschte Liebe<strong>der</strong> re<strong>in</strong>sten Sphären verdrängt <strong>die</strong> ihr fe<strong>in</strong>dlichen Gegensätze,den Eigenwillen, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> sich selbst verschließt, <strong>und</strong> <strong>die</strong> unre<strong>in</strong>eLeidenschaft aller Art, <strong>die</strong> sich selbst <strong>und</strong> ihren Opfern <strong>die</strong>Lebenskraft von Gr<strong>und</strong> auf verdirbt.Das Geschenk <strong>der</strong> re<strong>in</strong>igenden <strong>und</strong> befreienden Liebe desHöchsten ist Gnade. Mit <strong>die</strong>sem e<strong>in</strong>en kurzen Wort umfaßt <strong>die</strong><strong>Bibel</strong> den Reichtum des Herzens Gottes, das sich uns <strong>in</strong> Liebeschenken will. Die Gnade ist es, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gott uns naht. DieHärte <strong>der</strong> Zeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fülle ihrer Aufgaben zeigt uns, wie verloren<strong>und</strong> machtlos wir ohne Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt s<strong>in</strong>d. Im Gerichtw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 42wird <strong>die</strong> Gnade zu dem tiefsten Bedürfhis unseres Herzens.Nur durch das freie, geme<strong>in</strong>schaftswirkende Geschenk desHeiligen Geistes an se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de wird <strong>die</strong> Härte <strong>der</strong> Zeit zue<strong>in</strong>em Stahlbad, das uns <strong>in</strong> <strong>die</strong> Salzkraft des zukünftigen Gottesreichesh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>taucht. Nur so können wir <strong>die</strong> Aufgaben <strong>der</strong>Gerechtigkeit schon jetzt <strong>und</strong> hier <strong>in</strong> völliger Geme<strong>in</strong>schaft verwirklichen.Je härter <strong>die</strong> Not wird, um so näher rückt das ReichGottes heran. In dem härtesten Schicksal des Gekreuzigten, <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er äußersten H<strong>in</strong>gabe an <strong>die</strong> größte aller Aufgaben ist dasWesen <strong>der</strong> Gnade erschlossen worden. Die Schrift nennt es“<strong>die</strong> Besprengung mit dem Blute des Erlösers”, wenn das Herz<strong>die</strong> befreiende Kraft se<strong>in</strong>es Todes erfährt. Das Herz erfaßt <strong>die</strong>Todese<strong>in</strong>heit mit Christus <strong>und</strong> setzt damit das ganze Leben <strong>in</strong>kämpferischen Gegensatz zu allen jenen Gewalten, <strong>die</strong> Jesuszu Tode gebracht haben. So wird <strong>die</strong>se Bluttaufe nicht nur zurTodesbereitschaft, son<strong>der</strong>n noch realer zu e<strong>in</strong>em immer erneutenAufsichnehmen äußerster Todesgefahr im Kampf mit denMächten, <strong>die</strong> dem Reich Gottes entgegenstehen. Es gibt ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>lage für den wahren Frieden unseres Herzens als<strong>die</strong>sen Kampf bis aufs Blut. Er bekräftigt <strong>die</strong> Todese<strong>in</strong>heit mitChristus als <strong>die</strong> absolute Nähe des Herzens Gottes bis zumMärtyrertod. Nur das Kreuz br<strong>in</strong>gt das volle Vertrauen auf Gott.In se<strong>in</strong>em schärfsten Zorngericht über alles Böse offenbart er<strong>die</strong> liebende Gnade zu allen als se<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstes Wesen.In e<strong>in</strong>em solchen mit dem Kreuz vere<strong>in</strong>igten Herzen wohntGott selbst durch se<strong>in</strong>en Geist. Se<strong>in</strong>e Liebe ist dar<strong>in</strong> ausgegossen.Mitten unter den mör<strong>der</strong>ischen Gegnern des Friedens<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit bleibt e<strong>in</strong> so erfülltes Herz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freude<strong>der</strong> Liebe, auch zu allen Fe<strong>in</strong>den. Die Blutzeugen <strong>der</strong> erstenebenso wie <strong>der</strong> reformatorisch-radikalen Christenheit haben<strong>die</strong>s tausendfach bewiesen. Hier am Tode erweist sich <strong>die</strong>gr<strong>und</strong>legende Stärkung des Charakters, <strong>die</strong> das Herz alle zukünftigenKräfte mit dem Eifer <strong>in</strong>nerster Glut entfalten läßt. Sokommen sie im Leben wie im Sterben für <strong>die</strong> ganze Welt zurWirkung. Denn Christus ist darum für alle gestorben, damit <strong>die</strong>Lebenden nicht mehr sich selbst leben, son<strong>der</strong>n dem, <strong>der</strong> fürsie gestorben <strong>und</strong> auferstanden ist (2. Kor.5,15). Damit ist dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 43ganze Leben bis an <strong>die</strong> äußerste Grenze des Todes mit allense<strong>in</strong>en Fähigkeiten <strong>und</strong> Tätigkeiten geme<strong>in</strong>t. Dies zeigt auchdas an<strong>der</strong>e Wort desselben Apostels Jesu Christi, nach dem<strong>die</strong>selben Menschen, <strong>die</strong> sich noch vor kurzem als Werkzeuge<strong>der</strong> Ungerechtigkeit verwenden ließen, nunmehr Gott als Werkzeuge<strong>der</strong> Gerechtigkeit h<strong>in</strong>geben (Röm. 6,13+19). Denn nurso kann <strong>und</strong> wird das Werk des Heiligen Geistes wie e<strong>in</strong>st <strong>in</strong>Jerusalem immer von neuem aufgebaut werden, mag Jerusalemauch noch so oft zerstört <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de auch nochso oft blutig ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>getrieben werden.Aber <strong>die</strong>ser Reichtum <strong>der</strong> Kraft <strong>und</strong> des Wirkens bis <strong>in</strong> denTod ist nur dann zu gew<strong>in</strong>nen, wenn, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de,völlige <strong>in</strong>nere Konzentration <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit den Charakter desHerzens bestimmt. Wir wissen aus <strong>der</strong> Kriegsgeschichte, daß<strong>die</strong> stärkste Macht nicht mehr als e<strong>in</strong> hilfloser Haufe ist, wenn<strong>der</strong> e<strong>in</strong>heitliche Wille fehlt o<strong>der</strong> verloren geht.So können <strong>die</strong> reichsten Kräfte <strong>und</strong> Gaben dem Herzen nurdann Nutzen <strong>und</strong> Segen br<strong>in</strong>gen, wenn es aufhört, sich nachentgegengesetzten Interessen zu zerteilen. Es braucht <strong>die</strong> ungeteilteEntschiedenheit e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Willens, wenn es <strong>die</strong>Siege todesmutigen Glaubens feiern will. Wir können nicht zweiHerren zugleich <strong>die</strong>nen. Wir können nicht zwei Ideale verfolgen.Wir können nicht <strong>in</strong> zwei Richtungen zwei Zielen nachgehen.Das Reich Gottes als das letzte Reich duldet <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Herzene<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Reich neben sich. Der Weg Jesu ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zigeWeg, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Nebenwege, ke<strong>in</strong>e Abwege <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Umwegekennt. Mögen nach Rom o<strong>der</strong> sonstwoh<strong>in</strong> noch so viele Wegeführen: Dieses Reich ist nur e<strong>in</strong>es. Dieser Weg ist nur e<strong>in</strong>er. Esist <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> völligen Vere<strong>in</strong>igung aller Glaubenden <strong>in</strong> allenBetätigungen des Herzens <strong>und</strong> des ganzen Lebens. Durch <strong>die</strong>entscheidende Ausgießung des Heiligen Geistes wurden alleGlaubenden so sehr e<strong>in</strong> Herz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong>, daß sie nicht nurim Wort <strong>der</strong> Apostel <strong>und</strong> im Gebet, sondem auch im Brotbrechen<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> völligen Gütergeme<strong>in</strong>schaft,<strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung ihrer Kräfte erwiesen.Nur wo e<strong>in</strong> für Gott entschlossenes Wollen mit allem gleichenWollen völlig zusammenfließt, kann e<strong>in</strong> Herz bekennen, Gottw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 44<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich zu suchen. Nur an denen will er sich mächtigerweisen, <strong>die</strong> ungeteilten Herzens auf ihn gerichtet s<strong>in</strong>d. <strong>E<strong>in</strong></strong>ungeteiltes Herz duldet ke<strong>in</strong> geteiltes Leben. Nur <strong>der</strong> ist wirklichmit Gott, <strong>der</strong> sich ihm mit allen Gedanken <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dungen,mit allen Kräften, Gaben <strong>und</strong> Gütern als se<strong>in</strong>em König unterstellthat. So lebt er <strong>in</strong> Wahrheit mit ungeteiltem Wesen, mite<strong>in</strong>em ganzen Leben für Gott. Ihm zu folgen, ist nur durch <strong>die</strong>Bekehrung des ganzen Herzens möglich. Wo das ganze Herzihm zugewandt ist, ist es das ungeteilte Leben, das mit allenKräften des Geistes, mit allen Gütern <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> des Leibesalle Lebensgebiete, auch <strong>die</strong> Berufsarbeit mit allem ihrem Können,auch den irdischen Besitz mit allen se<strong>in</strong>en zeitlichen Gütern<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de als Gottes Herrschaft h<strong>in</strong>gibt.Se<strong>in</strong>en Dienst durchführen kann man nur dann, wenn mangeschlossen zu ihm steht. In allen Taten se<strong>in</strong>en Willen zu tun,kann nur dann möglich se<strong>in</strong>, wenn ihn das Herz mit ganzer <strong>Seele</strong>liebt. Von sich selbst aus kann das niemand. Für e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>gabealler Kräfte <strong>und</strong> Güter brauchen wir <strong>die</strong> Kraft des HeiligenGeistes, <strong>die</strong> nicht aus uns stammt, <strong>die</strong> uns aber im Wort <strong>der</strong>Apostel, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des Brotbrechens <strong>und</strong> des Gebetsgegeben wird. Wer das Gebet aus e<strong>in</strong>fachem, ungeteiltemHerzen kennt, dankt für Gottes Tun <strong>und</strong> Reden. Er f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>eGlückseligkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anbetung <strong>der</strong> Größe Gottes <strong>und</strong> im Tunse<strong>in</strong>es Willens. <strong>E<strong>in</strong></strong>em solchen Gebet, das mit ganzem Herzenauf Gott hört, wird nichts unmöglich se<strong>in</strong>. Es schenkt dem <strong>in</strong>nerenLeben den une<strong>in</strong>geschränkten Reichtum <strong>der</strong> WahrheitGottes. <strong>E<strong>in</strong></strong> solches Gebet führt das Herz zu <strong>der</strong> Erkenntnis,daß <strong>die</strong> Wahrheit unumstößlich ist, weil sie das Wesentlichedes Lebens ist. Ihre Kraft vermag alles zu bewältigen. Das Unmöglichewird möglich. Es wird <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> <strong>die</strong> zerrissene Weltgestellt. Es wird e<strong>in</strong>e völlige Geme<strong>in</strong>schaft errichtet <strong>und</strong> auf gebaut,<strong>die</strong> im Werk menschlicher Arbeit <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Gottesgeistesals Wirklichkeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, als Stadt auf dem Bergeaufleuchten läßt.Wenn wir <strong>die</strong> Geisteskriege Jehovas führen wollen, um dasLand für ihn e<strong>in</strong>zunehmen, so muß unser ganzes Herz demKönig zujauchzen! Wenn se<strong>in</strong> Wille unser Inneres regiert, sow w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 45wird er dem <strong>in</strong>wendigen Se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Reichtum im Erleben <strong>und</strong>Wirken schenken, den es alle<strong>in</strong> unter Gottes Herrschaft gew<strong>in</strong>nenkann. Nur wenn unser Herz von Jesus Christus als unseremGebieter erfüllt ist <strong>und</strong> regiert wird, können wir für <strong>die</strong>großen Aufgaben ausgerüstet <strong>und</strong> befähigt werden, <strong>die</strong> unsereschwere Zeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> harte Zukunft an uns stellen müssen. Sieumfassen nichts an<strong>der</strong>es als den Ruf des Reiches Gottes <strong>und</strong><strong>die</strong> Aufgabe se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 46SEELE UND GEISTNachdem schon so viele, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Blüte des Lebens standen,durch Kriege umkamen, nachdem Hunger, Arbeitslosigkeit<strong>und</strong> Verzweiflung <strong>die</strong> Selbstmordrate immer mehransteigen lassen, nachdem bei politischen Unruhen mehr <strong>und</strong>mehr Manner <strong>und</strong> Frauen ermordet werden, nachdem das Verbrechenam Leben <strong>in</strong> Krieg <strong>und</strong> Bürgerkrieg wie auch an denungeborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ungeheuerlich zugenommen hat, mußuns mehr als je zuvor <strong>die</strong> Frage nach Tod <strong>und</strong> Leben bewegen.Wenn <strong>der</strong> Menschengeist zu allen Zeiten um <strong>die</strong> Fragenach se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> gerungen hat, so sollte <strong>der</strong> Ernst <strong>der</strong> jetzigenSt<strong>und</strong>e alles an<strong>der</strong>e zurücktreten lassen, so daß wir uns gänzlichauf das sammeln, was <strong>Seele</strong>, Geist <strong>und</strong> Leben bedeutet.Ist es nicht e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> erstaunlichsten Behauptungen, daß <strong>der</strong>Tod stärker sei als das Leben? Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d kann den Tod begreifen.Am allerwenigsten könnte es das Töten von Menschen imDienste e<strong>in</strong>er höheren Sache als möglich annehmen. Aber auchohne <strong>die</strong>s muß ihm <strong>der</strong> Gedanke, daß das menschliche Lebene<strong>in</strong>es Tages aufhören könnte, wirklichkeitsfremd <strong>und</strong> wahrheitswidrigbleiben. Die Unnatur des Sterbens liegt <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>falt se<strong>in</strong>erLebensbejahung zu fem. Deshalb hat das lebensfrohe heidnischeAltertum an <strong>die</strong> Unsterblichkeit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> geglaubt. Auch<strong>der</strong> ihm nahestehende Goethe hat gegenüber Eckermann 13 <strong>die</strong>Überzeugung se<strong>in</strong>es Lebens bekannt: “Ich möchte mit Lorenzovon Medici sagen, daß alle <strong>die</strong>jenigen auch für <strong>die</strong>ses Lebentot s<strong>in</strong>d, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es hoffen.” Das Leben bezeugt sich alsunbesiegliche Kraft. Die Hoffnung ist <strong>der</strong> Charakter alles Lebendigen.Solange wir dem Leben <strong>die</strong> Ewigkeit absprechen wollen,bleibt alles, was zum Leben gehört, <strong>in</strong> quälende Rätsel gehüllt.So bleibt <strong>die</strong> Ewigkeit das tiefste Verlangen des menschlichen______________________________13Johann Peter Eckermann, dt. Schriftsteller,Goethes Privatsekretär1792-1854w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 47Geistes. Weiß sich <strong>der</strong> Mensch als e<strong>in</strong> unsterbliches Wesen,so ist alles, was er erlebt, verständlich <strong>und</strong> groß; betrachtet ersich aber als sterblich, so wird es alles f<strong>in</strong>ster <strong>und</strong> nichtig. Wennes ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Zukunft <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Welt gibt, <strong>die</strong> als<strong>die</strong> bessere zum Siege kommen muß, macht <strong>die</strong> überall herrschendeUngerechtigkeit das menschliche Dase<strong>in</strong> zur S<strong>in</strong>nlosigkeit,<strong>in</strong>dem sie “<strong>die</strong> schlechteste aller Welten” endgültigtriumphieren läßt.Jede lebendige <strong>Seele</strong> kann <strong>die</strong>se an<strong>der</strong>e Welt <strong>in</strong> <strong>der</strong> ihr gegebenenInnenwelt <strong>und</strong> Außenwelt erkennen lernen. Fichtehat es uns zugerufen, daß wir uns nur zum Bewußtse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>esre<strong>in</strong>en sittlichen Charakters zu erheben brauchen, um zu f<strong>in</strong>den,wer wir selbst s<strong>in</strong>d. Dieser Erdball mit allen se<strong>in</strong>en Herrlichkeiten,<strong>die</strong>se Sonne <strong>und</strong> <strong>die</strong> tausendmal tausend Sonnen,<strong>die</strong> sie umgeben, <strong>die</strong>ses ganz unermeßliche All, vor dessenbloßem Gedanken unsere s<strong>in</strong>nliche <strong>Seele</strong> bebt <strong>und</strong> erzittert -das alles ist nicht mehr als e<strong>in</strong> matter Abglanz unseres eigenen,<strong>in</strong> uns verschlossenen <strong>und</strong> bis <strong>in</strong> alle Ewigkeit zu entwickelndenewigen Dase<strong>in</strong>s. Das bedeutet umgekehrt <strong>die</strong> seit uraltenZeiten <strong>der</strong> Menschheit gegebene Wahrheit, daß ihre so sehrkle<strong>in</strong>e Welt nichts an<strong>der</strong>es se<strong>in</strong> kann als e<strong>in</strong> zwar verpfuschtes,aber dennoch erkennbares Abbild e<strong>in</strong>er größeren, wahreren<strong>und</strong> echteren Welt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Raum <strong>und</strong> Zeit ke<strong>in</strong>e Grenzen gesetzts<strong>in</strong>d. Dieser größeren Welt gehört unsere kle<strong>in</strong>ere an <strong>und</strong>soll ihr von neuem entsprechen. So bleibt - nach Kant 14 - füralle Menschen das moralische Gesetz <strong>in</strong> uns <strong>und</strong> <strong>der</strong> gestirnteHimmel über uns das, was uns <strong>die</strong>se Tatsache <strong>in</strong> lebendigerAhndung nahe br<strong>in</strong>gt.Unser Leben wurzelt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ewigkeit. Se<strong>in</strong> Wesen for<strong>der</strong>tUnauslöschlichkeit. Der menschliche Geist geht im Raum weitüber alle faßbaren Grenzen h<strong>in</strong>aus. Und ebenso kennt <strong>die</strong> Absolutheitse<strong>in</strong>er ethischen For<strong>der</strong>ungen ke<strong>in</strong>e Grenzen. UnserGeist hat <strong>die</strong> sichere Gewißheit, daß aus e<strong>in</strong>er lebendigen Welt,<strong>die</strong> jenseits aller Räume liegt <strong>und</strong> dennoch alle Räume umfaßt,<strong>der</strong> Strahl <strong>der</strong> Wahrheit, <strong>die</strong> Kraft des Lebens <strong>und</strong> <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ungheiligen Sollens immer von neuem zu uns kommt. Mit______________________________14Immanuel Kant, dt. Philosoph. 1724-1804w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 48demselben Absolutheitsanspruch geht <strong>der</strong> menschliche Geist,dem Strom <strong>der</strong> Zeiten bis weit über den Anfang <strong>und</strong> das Endefolgend, über alle Grenzen h<strong>in</strong>aus. Das stärkste Verlangen desGeistes gilt <strong>der</strong> Frage nach dem Ursprung <strong>und</strong> Ziel aller D<strong>in</strong>ge.Nach ihrem Urquell <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Mündung ihres Stromeslechzt <strong>die</strong> durstige <strong>Seele</strong>. Ist sie zu dem Bewußtse<strong>in</strong> ihrer selbst<strong>und</strong> ihrer göttlichen Bestimmung erwacht, so erblickt sie <strong>in</strong> demTod e<strong>in</strong>en unnatürlichen, dem Wesen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge wi<strong>der</strong>streitendenFe<strong>in</strong>d des Lebens. Dasselbe gilt auch für alles an<strong>der</strong>e, das<strong>die</strong> Klarheit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit des Ewigen beflecken <strong>und</strong> vernichtenwill. Alles, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> jetzigen Zeit <strong>und</strong> im irdischen Raum demheiligen Müssen <strong>und</strong> Sollen <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> entgegensteht, muß <strong>und</strong>soll nach ihrem tiefsten Glauben jenseits aller irdischen D<strong>in</strong>ge<strong>und</strong> am Ende aller Zeiten vom Reich Gottes überw<strong>und</strong>en werden.Das “Himmelreich” <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt greift als <strong>die</strong> Kraft <strong>der</strong>zukünftigen Welt <strong>in</strong> das zeitliche <strong>und</strong> irdische Leben e<strong>in</strong> <strong>und</strong>will es jetzt <strong>und</strong> hier nach dem jenseitigen <strong>und</strong> zukünftigen Bildeumgestalten. Das tut es, sobald <strong>und</strong> solange <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> denGlauben herrschen läßt.Dieses an<strong>der</strong>e schon jetzt <strong>und</strong> hier mögliche Leben ist <strong>die</strong>Freiheit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Es kommt jedoch niemals zu e<strong>in</strong>em solchenFlügelschlag <strong>der</strong> freien <strong>Seele</strong>, solange ihr e<strong>in</strong>e lebensfe<strong>in</strong>dlicheAtmosphäre den Atem nimmt <strong>und</strong> den Ausblick <strong>in</strong> das Ewige<strong>und</strong> Unendliche verdunkelt.Die Freiheit <strong>und</strong> Kraft <strong>der</strong> glaubenden <strong>Seele</strong> geht so weit,daß sie mit dem prophetischen Geist auch <strong>die</strong> heilige Umgestaltung<strong>die</strong>ser materiellen Welt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Welt <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit erwartet, <strong>und</strong> <strong>die</strong>s bis <strong>in</strong> jede <strong>E<strong>in</strong></strong>zelheit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. In <strong>der</strong>Hoffnung des Reiches Gottes entdeckt <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> ihr Leben. Fürsie enden alle Wege Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Leiblichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Die <strong>Bibel</strong> führt deshalb den leiblichen Tod darauf zurück, daß<strong>die</strong> Sünde als Abson<strong>der</strong>ung, als Trennung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>zelung,<strong>in</strong> den lebendigen Schöpfungszusammenhang e<strong>in</strong>en verhängnisvollenBruch gebracht hat. Sie beschreibt das Böse als <strong>die</strong>lebensfe<strong>in</strong>dliche Macht, <strong>die</strong> durch ihre Trennung von Gott <strong>und</strong>durch ihre Scheidung <strong>der</strong> Menschen vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>die</strong> Gefahrewigen Todes mit sich br<strong>in</strong>gt. Die Sünde ist Frevel am Lebenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 49<strong>und</strong> an <strong>der</strong> Liebe. Deshalb mußte <strong>der</strong> erste Sohn <strong>der</strong> sich vonGott trennenden Menschen zum Bru<strong>der</strong>mör<strong>der</strong> werden.Aber dennoch erklären es <strong>die</strong> uralten Schriften <strong>der</strong> Wahrheitfür unmöglich, das Leben auszulöschen, das Gott dem Menschenaus se<strong>in</strong>em eignen Wesen gegeben hat. Der leiblicheTod kommt als Folge <strong>der</strong> Trennung von Gott zu allen Menschen.Wohl stirbt <strong>der</strong> Leib, wenn ihn <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> verläßt. Derohne sie zurückgelassene Körper muß zerfallen. Der Tod kannse<strong>in</strong> trennendes <strong>und</strong> auflösendes Wesen, wie er es durch <strong>die</strong>Loslösung von Gott von Anfang an bewiesen hat, niemals verleugnen.Aber <strong>der</strong> Tod ist nicht Vernichtung.Die Schriften alter <strong>und</strong> neuer Wahrheitskün<strong>der</strong> sprechen immerwie<strong>der</strong> von den <strong>Seele</strong>n <strong>der</strong> Gestorbenen. Jede lebendige<strong>Seele</strong> hat <strong>die</strong> Kraft zukünftigen Lebens <strong>in</strong> sich. Alle lebendigenBewegungen <strong>der</strong> Menschheit s<strong>in</strong>d auf <strong>die</strong> Zukunft gerichtet. Wo<strong>die</strong> <strong>Seele</strong> durch den Geist zu neuem Leben kommt, wartet sieauf <strong>die</strong> Zukunft Gottes. Und wenn sie nicht ganz <strong>und</strong> völlig andas Reich <strong>der</strong> Zukunft glauben kann, so sucht doch ihr Glaube<strong>die</strong>sen o<strong>der</strong> jenen Ausschnitt <strong>der</strong> zukünftigen Welt zu retten, umsich an ihn mit um so größerer Leidenschaftlichkeit zu hängen.Bei den e<strong>in</strong>en ist es wenigstens e<strong>in</strong> kommunistischer Zukunftsstaat,bei den an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong> Drittes Reich nationaler Freiheit <strong>und</strong>Stammesverb<strong>und</strong>enheit, wenn sie für das letzte Reich <strong>der</strong> Liebe<strong>und</strong> Gerechtigkeit noch nicht zu kämpfen <strong>und</strong> zu sterbenvermögen. Und ebenso taucht, selbst <strong>in</strong> dem Ungläubigsten,immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Rest des Unsterblichkeitsglaubens <strong>und</strong> <strong>der</strong>an<strong>der</strong>en Welt auf, den er niemals ganz verlieren kann. Irgendetwas an unserem Leben soll e<strong>in</strong>e unendliche Wirkung behalten.Die göttliche Heimat ruft zur Heimkehr. Der Geist will zuGott zurückkehren, woher er se<strong>in</strong>en Ursprung hat. Und ist Gottselbst noch nicht erkannt, so soll wenigstens e<strong>in</strong> wenig von se<strong>in</strong>erunendlichen Bedeutung vertreten werden, sei es auch imGötzen<strong>die</strong>nst.So hat auch <strong>der</strong> heutige Mensch alle Ursache, sich anden Ewigkeitsglauben <strong>und</strong> Unendlichkeitsglauben <strong>der</strong> erstenChristen zu er<strong>in</strong>nern. Wenn er ohne Rücksicht auf <strong>die</strong> unbegründetenVorurteile unserer Zeit <strong>die</strong> Wahrheit sucht <strong>und</strong> will,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 50muß <strong>und</strong> wird er erkennen, daß hier e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> letzteWirklichkeit gegeben ist. Ke<strong>in</strong>e lebendige <strong>Seele</strong> kann ihren Wi<strong>der</strong>spruchdagegen aufrechterhalten. Denn hier steht <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>dem lebendigmachenden Geist Jesu Christi gegenüber. Wer anJesus glaubt, wird leben, wenn er auch stürbe. Und es kommt<strong>der</strong> Tag, an dem er zu e<strong>in</strong>em vollkommenen Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emunsterblichen Leibe aufwachen <strong>und</strong> auferstehen wird.Die Geister <strong>der</strong> vollendeten Gerechten ruhen <strong>in</strong> dem lebendigenGott <strong>und</strong> warten auf den Tag se<strong>in</strong>er Zukunft. Das Wesen<strong>die</strong>ses vollkommenen Lebens im Reich Gottes zeigt sichim Bild <strong>der</strong> Hochzeit als Freude <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung, im Vergleichmit dem Geme<strong>in</strong>schaftsmahl <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong> Throne(Offb. 20,4). Es ist e<strong>in</strong> Leben völlig vere<strong>in</strong>en<strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit.In <strong>die</strong>sem Reich wird am Ende aller D<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> e<strong>in</strong>eHeilige Geist alles beherrschen <strong>und</strong> durchdr<strong>in</strong>gen. Wo jetzt <strong>die</strong><strong>Seele</strong> im Blut das Leben bedeutet, wird dann <strong>der</strong> Geist e<strong>in</strong>engeistlichen Leib anstatt des seelischen beherrschen (3. Mose17,11+14).In <strong>die</strong>sem Reich nimmt <strong>der</strong> wehende Geist <strong>die</strong> Stelle desfließenden Blutes e<strong>in</strong>. Dieser Geist beendet alle seelisch unsicherenB<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> schafft statt dessen e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> erständig lebendig erhält, <strong>die</strong> völlig klar <strong>und</strong> dennoch <strong>in</strong> ständigerBewegung ist. Die e<strong>in</strong>en, <strong>die</strong> <strong>in</strong> solchem Leib allezeit vere<strong>in</strong>t mitihrem Meister s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> ihm als ihrem Herrscher <strong>die</strong>nen, leben <strong>in</strong>vollendetem Gegensatz zu den an<strong>der</strong>en, <strong>der</strong>en Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> Gottesferne ver<strong>der</strong>ben müssen. Weil sie <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit desLebens verwarfen, haben sie selbst den Tod als <strong>die</strong> Abtrennungerwählt. Aber auch <strong>die</strong>ser zweite Tod kann ke<strong>in</strong>e Vernichtungse<strong>in</strong>. Auch er muß se<strong>in</strong> Wesen als Loslösung <strong>und</strong> Scheidungbeweisen. Es kann ke<strong>in</strong> furchtbareres Schicksal für e<strong>in</strong>e lebendige<strong>Seele</strong> gedacht werden, als für ewig von dem Leben, das <strong>in</strong>Gott ist, h<strong>in</strong>ausgeschieden zu se<strong>in</strong>.Sich für immer außerhalb des Lebenszentrums gestellt zuwissen, ist <strong>der</strong> ewige Tod. Die Hölle ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong>Fortsetzung des Lebens <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> für sich selbst leben. Dernicht sterbende Wurm <strong>der</strong> Zersetzung <strong>und</strong> Aufzehrung, dasnicht verlöschende Feuer <strong>der</strong> Verbrennung <strong>und</strong> Verzehrung,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 51das Gericht <strong>der</strong> Auflösung <strong>und</strong> Zertrennung, ist das e<strong>in</strong>zige,das ihr Dase<strong>in</strong> ausmacht. Der reiche Mann, vor dessen Tür <strong>der</strong>arme Lazarus lag, hatte <strong>die</strong>sen ewigen Tod durch nichts an<strong>der</strong>esverursacht, als daß er se<strong>in</strong>en Reichtum für sich selbstbehalten <strong>und</strong> ihn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abson<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong> Not an<strong>der</strong>er alsberechtigter Eigentümer genossen hatte. Er hatte nichts an<strong>der</strong>esversäumt, als all se<strong>in</strong>en Besitz für <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit denArmen h<strong>in</strong>zugeben.Nur wer alles verkauft <strong>und</strong> es den Armen gibt, kann den Schatzim Himmel erlangen, welcher nichts an<strong>der</strong>es als das Leben <strong>in</strong>Gott ist. Zu <strong>die</strong>ser absolut notwendigen Tat for<strong>der</strong>t Jesus jedenreichen Jüngl<strong>in</strong>g auf. So alle<strong>in</strong> kann er <strong>in</strong> <strong>die</strong> eigentumsloseWan<strong>der</strong>geme<strong>in</strong>schaft Jesu, <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>er Jüngerschafte<strong>in</strong>treten. Menschlich gesehen ist <strong>und</strong> bleibt es unmöglich, daßAlte o<strong>der</strong> Junge, <strong>die</strong> e<strong>in</strong> wertvolles Eigentum haben, <strong>die</strong>senWeg beschreiten. Aber von Gott aus s<strong>in</strong>d alle D<strong>in</strong>ge möglich.Das beweist <strong>die</strong> Geschichte. Reichtum ist Tod, weil er das Herzvon <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> damit von <strong>der</strong> Liebe abson<strong>der</strong>t.Aber Gott will <strong>und</strong> kann auch dem Reichsten das Leben geben,<strong>in</strong>dem er ihn von <strong>die</strong>sem Tode aufruft <strong>und</strong> wegnimmt, <strong>in</strong>dem erihn zur Liebe völliger Gelassenheit führt.So müssen wir uns bis <strong>in</strong> alle Folgen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> darüber klar werden,wie das unbegrenzte Leben Gottes unser beschränktesDase<strong>in</strong> ergreift <strong>und</strong> erfüllt. Gott ist das Leben. Nur <strong>in</strong> ihm leben,weben <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d wir. Das körperliche Leben <strong>der</strong> ganzen Naturhat wie alles Leben se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>und</strong> Bestand alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gott.Gott verleugnet se<strong>in</strong>e Schöpfung nicht. Er wird sie durch dasFeuer h<strong>in</strong>durch e<strong>in</strong>em neuen Tag entgegenführen. Aber <strong>die</strong><strong>Seele</strong> des Menschen verdankt das nur ihr eigene Wesen <strong>in</strong>ganz beson<strong>der</strong>er Weise e<strong>in</strong>er unmittelbaren Mitteilung Gottes.Von Gott haben wir den Hauch des Lebens. Er ist <strong>der</strong> Vater <strong>der</strong>Geister. Wie er <strong>die</strong> Heere <strong>der</strong> Himmel durch se<strong>in</strong>en Atem geschaffenhat, so ist es auf <strong>der</strong> Erde <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> auf <strong>die</strong>seWeise Geist von ihm empf<strong>in</strong>g.Das Leben des Menschen erschöpft sich nicht im Pulsierendes Blutes. Tiefer ist ihm <strong>der</strong> wehende Atem Gottes als <strong>der</strong>Geist e<strong>in</strong>gehaucht, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Berufung des Lebens aufnimmt. Diew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 52Berufung des Geistes will das Leben <strong>der</strong> menschlichen <strong>Seele</strong>bestimmen. Das Blut darf nicht über <strong>die</strong> Berufung herrschen. Eshat ihr zu <strong>die</strong>nen. Sonst verdirbt es sie. Es ist von Bedeutung,daß auf den ersten Seiten <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> das Wort Geist mit dem für<strong>Seele</strong> wechselt, wenn von dem Schöpfungsakt berichtet wird,<strong>der</strong> dem Menschen den Odem Gottes e<strong>in</strong>hauchte. Der Atem,den wir von Gott haben, ist Geist <strong>und</strong> ist <strong>Seele</strong>. Denn <strong>die</strong>serGeist, <strong>der</strong> unserer <strong>Seele</strong> e<strong>in</strong>gegeben wurde, ist ihr tiefstes, ihre<strong>in</strong>zigartiges Leben.Was <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> des Menschen auszeichnet <strong>und</strong> bestimmt, istse<strong>in</strong> Geist. Hier liegt <strong>die</strong> Grenze zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier.Auch Tiere haben Blut <strong>und</strong> <strong>Seele</strong>. Was ihnen fehlt, ist <strong>der</strong> Geist,<strong>der</strong> mehr ist als Vernunft <strong>und</strong> Verstand. Das Vergießen des tierischenBlutes ist e<strong>in</strong>e verantwortliche Sache. Wer aber das Opferndes geschlachteten Tieres ähnlich ansieht wie das Tötenvon Menschen, wer zwischen beidem e<strong>in</strong>en nur relativen <strong>und</strong>graduellen Unterschied zu sehen vermag, hat den Geist verraten,den Gott ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Erdenwesen als e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong>dem Menschen gegeben hat. Der Mensch ist über das Tier gesetzt.Der Geist des Menschen hat <strong>die</strong> Tiere zu beherrschen.Nur dann aber kann er das, <strong>und</strong> nur dann darf er von ihnendas Letzte, das Opfer ihres Blutes, annehmen, wenn das Lebendes Menschen den Aufgaben des Geistes gehört, wenn es alsGottes Ebenbild <strong>die</strong> Erde für Gottes Reich erobert. Wer aberMenschen tötet, vergreift sich an Gottes Antlitz. Er schändet<strong>die</strong> Aufgabe des Geistes, <strong>der</strong> alle Menschen zusammenbr<strong>in</strong>gen<strong>und</strong> vere<strong>in</strong>igen will. Denn ke<strong>in</strong> Mensch ist ohne Geist. DasZusammenwirken mit jedem Atemzug des Geistes schließt esaus, daß Menschen mör<strong>der</strong>isch gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kämpfen <strong>und</strong>sich gegenseitig töten. Der Mensch ist dem Menschen zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heitdes Lebens gegeben, weil Menschengeist zu Menschengeistgehört. Indem <strong>der</strong> Geist Gottes <strong>die</strong> Menschen beherrscht,vere<strong>in</strong>igt er Menschengeist mit Menschengeist.Der Geist des Menschen soll nunmehr als das Höhere überalle nie<strong>der</strong>en <strong>Seele</strong>nkräfte herrschen <strong>und</strong> sie alle unter se<strong>in</strong>erHerrschaft vere<strong>in</strong>igen. Schon Aristoteles 15 hat <strong>die</strong>s erkannt._______________________________15Aristoteles, griech. Philosoph, 384-322 V.Chr.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 53Die Eigenart <strong>der</strong> Menschenseele ist nie <strong>und</strong> nimmer nur e<strong>in</strong>Produkt <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en <strong>Seele</strong>nkräfte. Der Geist kann se<strong>in</strong>en Ursprungnicht verleugnen. Deshalb ersche<strong>in</strong>t es für den Menschenunwürdig, wenn ihn das Blut beherrscht o<strong>der</strong> wenn erse<strong>in</strong>e Befriedigung <strong>in</strong> dem Äußeren <strong>und</strong> Nie<strong>der</strong>en des Lebenserschöpfen will. Niedrig wird ihm alles, was <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftim Geist verrät <strong>und</strong> verdirbt. Deshalb empf<strong>in</strong>den wir jede Erniedrigungdurch ungezügelte Triebe als etwas Tierisches <strong>und</strong>Untertierisches, weil sie <strong>die</strong> höhere Berufung des Menschenschlimmer als Wahns<strong>in</strong>n <strong>in</strong> den Boden tritt.Die höchste Bestimmung des menschlichen Geistes ist Gott<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich. Gerade deshalb aber wurde <strong>die</strong>ser zu Hohemberufene Geist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Abwendung vom Höchsten e<strong>in</strong> wuchern<strong>der</strong>Nährboden für das antigöttliche Pr<strong>in</strong>zip, so wie <strong>der</strong>satanische Geist Luzifers. In se<strong>in</strong>er Loslösung von Gott suchter sich selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong> eigenes Reich. Nunmehr behauptet ereigenmächtig Hohes <strong>und</strong> Edles, ohne <strong>die</strong> Herrschaft <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitGottes. Für <strong>die</strong> Erhöhung des Menschen kämpft er, ohne<strong>die</strong> Tat Gottes anzuerkennen. Für <strong>die</strong> menschliche Selbsterlösunglebt er, ohne <strong>die</strong> Tat Jesu Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Erlösung zuehren <strong>und</strong> anzunehmen. Für das Volk des eigenen Blutes <strong>und</strong><strong>der</strong> eigenen Klasse will er das Leben von Menschen opfern, umGottes Reich <strong>und</strong> Gottes Volk zu verwerfen.In unserer Zeit sollte es für jeden mit Händen zu greifen se<strong>in</strong>,wie alle <strong>die</strong>se von Gott abgetrennten Ideale des menschlichenGeistes zuschanden geworden s<strong>in</strong>d. Sie wurden zuschanden <strong>in</strong>ihrer Vorstellung des Weltfriedens ohne Christus; zuschanden <strong>in</strong>ihrem Streben nach Gerechtigkeit <strong>und</strong> Freiheit ohne se<strong>in</strong> Reich<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de; zu schanden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorspiegelung e<strong>in</strong>er<strong>in</strong>ternationalen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ohne <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit im Geist <strong>der</strong> Wahrheit.Die wirtschaftliche Welte<strong>in</strong>heit des großen Geldes war auf dasmaterielle Wohlergehen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong> auf ihren gegenseitigenVorteil aufgebaut. Ebenso basierte <strong>der</strong> Wohlstand dese<strong>in</strong>zelnen Volkes auf Eigentum <strong>und</strong> Eigennutz. Auch e<strong>in</strong>e proletarischeInternationale richtete ihre Solidarität weit mehr nachdem augenblicklichen materiellen Vorteil für e<strong>in</strong>en Bruchteil,wenn auch noch so großen Bruchteil benachteiligter Menschen,als nach e<strong>in</strong>er zukünftigen Gerechtigkeit für alle Menschen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 54Wenn nun demgegenüber Völker ihre Grenzen schließen,um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu wahren, so verleugnensie, daß <strong>die</strong> Erde Gott gehört, daß Gott <strong>der</strong> Gott aller Völkerse<strong>in</strong> will. Se<strong>in</strong> Reich will alle Völker <strong>in</strong> gegenseitigem Dienstvere<strong>in</strong>igen <strong>und</strong> alle Ergebnisse ihrer Arbeit Geme<strong>in</strong>gut allerwerden lassen. Aber es ist unmöglich, daß <strong>die</strong> Menschheit e<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>heitliche Erdgesellschaft, e<strong>in</strong>e Erdgeme<strong>in</strong>schaft des Geisteswerde, solange sie nicht Gottes Geist über sie rechten, richten<strong>und</strong> regieren lassen will. Das Regiment Gottes aber bedeutet,daß ke<strong>in</strong> Mensch mehr den eigenen Vorteil, daß niemand mehrdas eigene Vorrecht sucht, daß nirgends <strong>die</strong> eigene Selbsterhaltungüber <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitssache des Geistes gestellt wird.Bis heute gibt es ke<strong>in</strong>en politischen Faktor von Weltgeltung,<strong>der</strong> <strong>die</strong>sen Weg <strong>der</strong> Weltherrschaft Gottes verfolgt. So mußtedenn jede große Bewegung <strong>die</strong> Hoffnung auf Gerechtigkeitimmer wie<strong>der</strong> begraben. Ebenso aber ist zuschanden geworden<strong>und</strong> wird abermals <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> zuschanden werdenjede Art von nationaler Selbsterlösung. In ihrem Götzentum,an dem <strong>die</strong> Welt genesen sollte, verwirft <strong>und</strong> verschmäht siedas Wesen <strong>der</strong> göttlichen Befreiung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>ung. Allemenschlichen Fortschrittsbestrebungen müssen immer wie<strong>der</strong>scheitern, solange sie <strong>die</strong> Herrschaft Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>esReiches h<strong>in</strong>tenan stellen. Alles menschliche Selbst-Heil geht anse<strong>in</strong>em Irrwahn zugr<strong>und</strong>e, <strong>in</strong> dem es <strong>die</strong> Menschen ohne Gottmit <strong>der</strong> Kraft von Götzen auf <strong>die</strong> Höhe führen will. Der Glaubean <strong>die</strong> Masse, <strong>der</strong> Glaube an das Blut o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Glaube ane<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Macht ohne Gottes Geist wird im Feuer <strong>der</strong> Zukunftgründlicher vemichtet werden als jeglicher Irrglaube, <strong>der</strong> bereits<strong>in</strong> den Schrecken <strong>der</strong> Weltkriege zusammengebrochen ist.Was aber <strong>in</strong> allen Wogen <strong>die</strong>ser brandenden Kämpfe aufallen Seiten unzerstörbar bleibt, ist <strong>der</strong> Geist. Er wird sich alsdas erste im Menschen dem Willen Gottes ergeben. Schonbeg<strong>in</strong>nt sich se<strong>in</strong> Inneres hier <strong>und</strong> da <strong>in</strong> allen Lagern aufzuschließen.Der Geist steht auf. Se<strong>in</strong> Wille erwacht. Noch hat<strong>die</strong> Verirrung <strong>der</strong> Geister ihn verblendet. Noch hält ihn <strong>die</strong> Trennungvon Gott umnachtet. Aber <strong>die</strong> St<strong>und</strong>e ist nahe, <strong>in</strong> welcher<strong>der</strong> Geist des Menschen weith<strong>in</strong> von Gottes Geist ergriffen <strong>und</strong>berufen wird.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 55Die Ursache aller Verwirrung, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Berufung aufhält, liegt<strong>in</strong> <strong>der</strong> doppelten Verknüpfung <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Durch ihren Geist wirdsie auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite zu Gott gezogen; durch ihr Blut bleibt sieauf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dem Körperlichen <strong>und</strong> Materiellen verb<strong>und</strong>en.Aufs gefährlichste bleibt sie <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zwiespalt Strömungendes Ungeistes ausgesetzt, <strong>die</strong> sie <strong>in</strong> stets erneutemAnsturm von Gottes Geist abdrängen wollen.Das Körperliche <strong>und</strong> Stoffliche ist nicht <strong>der</strong> eigentlicheFe<strong>in</strong>d <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, sondem es ist <strong>die</strong> Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, <strong>die</strong>seGebiete zu durchdr<strong>in</strong>gen. Der Fe<strong>in</strong>d des Lebens ist vielmehr<strong>die</strong> seelische Ver<strong>der</strong>bnis, <strong>die</strong> jede Bewältigung <strong>die</strong>ser Aufgabevereitelt. Erst <strong>die</strong> Entartung <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> brachte sie unter <strong>die</strong>nie<strong>der</strong>drückende Gewalt des Körperlichen <strong>und</strong> Stofflichen. Dievon Anfang an gegebene Tatsache, daß sich Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong>gegenseitig durchdr<strong>in</strong>gen, wollte ursprünglich den Geist überdas Seelische <strong>und</strong> Körperliche herrschen lassen. Diese Zurückdrängungdes Geistes brachte <strong>die</strong> erkrankte <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> denheutigen Zustand, so daß nunmehr das geistige Leben denkörperlichen Bed<strong>in</strong>gungen versklavt ist.Die aufwühlende Gegenwart beweist es deutlicher, als esruhige Zeiten vermögen, daß sich ke<strong>in</strong> Menschengeist <strong>und</strong>ke<strong>in</strong>e Bewegung menschlichen Geistes rühmen kann, durchsich selbst frei <strong>und</strong> unabhängig zu se<strong>in</strong>. Der heutige Menschist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>nersten Wesen an se<strong>in</strong>e Rasse <strong>und</strong> Nationgeb<strong>und</strong>en. In se<strong>in</strong>er Lebensart <strong>und</strong> Körperkraft ist er vonse<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Lage <strong>und</strong> von se<strong>in</strong>er bevorrechtigteno<strong>der</strong> benachteiligten Ausbildung abhängig. Er ist von <strong>der</strong>suggestiven Kraft an<strong>der</strong>er Menschen <strong>und</strong> großer Volksbewegungenbee<strong>in</strong>flußt. Nicht zuletzt ist er se<strong>in</strong>er eigenen körperlichen<strong>und</strong> seelischen Veranlagung unterworfen <strong>und</strong> von allenSeiten im Inneren <strong>und</strong> Äußeren unter <strong>die</strong> Macht geisteswidrigerGewalten gebeugt. Der gegenwärtige Zustand des Menschenist <strong>in</strong> sich selbst <strong>der</strong> Beweis, daß nur Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Geist <strong>die</strong>Freiheit br<strong>in</strong>gen kann.Jede an<strong>der</strong>e Freiheit ist erlogen. Es gibt nur e<strong>in</strong>e Möglichkeit<strong>der</strong> Befreiung aus den Knechtungen des Individualismus, aus<strong>der</strong> Sklaverei <strong>der</strong> Völker <strong>und</strong> Massen: Die Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 56Menschengeister mit Gottes Geist! Ohne <strong>die</strong>ses unmittelbare<strong>E<strong>in</strong></strong>sse<strong>in</strong> mit dem Ganzen bleibt <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelne <strong>Seele</strong> wie auch<strong>die</strong> Kollektivseele e<strong>in</strong>es Familienverbandes, e<strong>in</strong>es Volkes, e<strong>in</strong>erGesellschaftsschicht o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Zusammenschlussesgeknechtet, armselig <strong>und</strong> beschränkt. Alles an<strong>der</strong>e Zusammenfließenvon Menschen <strong>und</strong> Kräften führt durch ständigsteigende gegenseitige Fe<strong>in</strong>dseligkeit zu immer tiefergreifendemVerfall. Erst wenn <strong>der</strong> Mensch von <strong>der</strong> höchsten <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong>Gott <strong>in</strong> Besitz genommen ist, wird ihm das Höchste <strong>und</strong> Letztewahrer Befreiung <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>igung geschenkt.Die menschliche <strong>Seele</strong> ist e<strong>in</strong>e untergeordnete Bewußtse<strong>in</strong>se<strong>in</strong>heit,<strong>die</strong> trotz aller ungöttlichen Zusammenschlüsse mitgleichgeartetem Leben e<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> verkümmert bleibt, bis siean <strong>die</strong> übergeordnete <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes geb<strong>und</strong>en ist. Fechner 16ahnt im Suchen <strong>der</strong> Menschheit <strong>die</strong>se höchste <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Bewußtse<strong>in</strong>sals das wahrhaft Ewige <strong>und</strong> Unverän<strong>der</strong>liche. Es istihm das <strong>E<strong>in</strong></strong>e, sich immer Gleiche, das sich <strong>in</strong> reichstem Wechsel<strong>und</strong> <strong>in</strong> unendlicher Mannigfaltigkeit betätigen will. Wir s<strong>in</strong>dohne Gottes Geist une<strong>in</strong>heitlich, vergänglich, verän<strong>der</strong>lich, <strong>in</strong>uns selbst <strong>und</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ungleichmäßig <strong>und</strong> ungleich, zerspalten<strong>und</strong> fe<strong>in</strong>dselig. Deshalb muß es e<strong>in</strong> Erlebnis absoluter<strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> absoluter Verschiedenheit zugleich se<strong>in</strong>, welchesdas Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> mit Gott verb<strong>in</strong>det.In <strong>die</strong>ser Erfahrung wird unser Leben zu e<strong>in</strong>er Geburtsst<strong>und</strong>e<strong>der</strong> Ewigkeit, <strong>die</strong> wir durch unsere H<strong>in</strong>gabe zu weihenhaben. Denn <strong>die</strong>ses Erlebnis wird <strong>in</strong> stetem Anfang täglich neu.Sooft wir <strong>in</strong> Gott das Leben erfassen, drückt sich <strong>der</strong> Stempel<strong>der</strong> Ewigkeit auf unser stets neu beg<strong>in</strong>nendes Tun <strong>und</strong> Wirken.Die Ewigkeit dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zeit. Der Geist <strong>der</strong> Schöpfung suchtdas Leben <strong>der</strong> Erde auf. Die Erfüllung mit den ewigen Inhaltendes Gotteswillens kann niemals e<strong>in</strong>e Entfremdung vom Lebenbewirken. Vielmehr kann <strong>der</strong> Geist des Lebens nur zurKraft-entfaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vielfalt aller Beziehungen führen. InFamilie <strong>und</strong> Beruf, <strong>in</strong> Arbeit <strong>und</strong> Wirkung, <strong>in</strong> Gesellschaft <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>de will <strong>der</strong> schöpferische Geist das Leben zur schaffenden<strong>E<strong>in</strong></strong>heit gestalten._______________________________16Gustav Theodor Fechner, dt. Philosoph, 1801-1887w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 57Es ist, wie Jacobi 17 es zum Ausdruck gebracht hat: “<strong>E<strong>in</strong></strong> Geist,<strong>der</strong> auf zur Gottheit strebt, muß zwar vom Staube sich erheben;doch kann, wer nicht <strong>der</strong> Erde lebt, auch nicht dem Himmelleben.” Wer von Gottes Geist ergriffen ist, wendet sich mit demganzen Interesse <strong>der</strong> Liebe Gottes <strong>der</strong> Schöpfung zu. Se<strong>in</strong>Leben gehört dem Ziel, daß Gottes Reich über <strong>die</strong> Menschen<strong>der</strong> Erde zur Herrschaft komme, daß se<strong>in</strong> Wille <strong>in</strong> unserer Weltebenso geschehe wie im Reich <strong>der</strong> Himmel, daß se<strong>in</strong> Name<strong>in</strong> <strong>der</strong> tätigen Anerkennung se<strong>in</strong>es Wesens geehrt werde, daßse<strong>in</strong>e Heiligkeit nirgends <strong>und</strong> niemals durch e<strong>in</strong> ihr entgegengesetztesTun entweiht werde, daß vielmehr <strong>der</strong> Glaube e<strong>in</strong>eLiebe hervorbr<strong>in</strong>gt, an <strong>der</strong>en Taten Gottes Wesen erkanntwird.Der Geist des Menschen kann auf ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Wege<strong>die</strong>sem hohen <strong>und</strong> letzten Ziel näherkommen, als daß ihn <strong>der</strong>Geist Gottes mehr <strong>und</strong> mehr beherrscht. In <strong>die</strong> Tiefe <strong>der</strong> Offenbarungvermag nur <strong>der</strong> von Gott beherrschte Geist zu schauen.Ihre Wahrheit wurde dem Menschen durch das prophetischeWort <strong>in</strong> Jesus Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er apostolischen Geme<strong>in</strong>de geschenkt.Der Geist Gottes will den Menschengeist so <strong>in</strong> <strong>die</strong>seWahrheit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führen, daß sie das Leben <strong>der</strong> Menschen erfüllt<strong>und</strong> bestimmt.Das Wort Gottes durchdr<strong>in</strong>gt den Menschen bis zur Scheidungvon <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Geist, um ihn <strong>die</strong> geistlose S<strong>in</strong>nlichkeit desunerlösten seelischen Lebens ohne Schleier erkennen zu lassen<strong>und</strong> um se<strong>in</strong>en nach Freiheit dürstenden Geist dem GeistGottes gegenüberzustellen. Wenn sich <strong>in</strong> unserem Inneren <strong>der</strong>Geist nicht scharf <strong>und</strong> deutlich von <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> abhebt, bleibenwir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dumpfheit geistlichen Todes. Seelische Menschen,<strong>die</strong> das eigene ungere<strong>in</strong>igte Leben ihrer <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> sich herrschenlassen, können den göttlichen Geist nicht empfangen. Es gibtke<strong>in</strong>en schärferen Kontrast zu <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heitlichen Weisheit ausGott als jene irdische Weisheit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, <strong>die</strong> sich immer wie<strong>der</strong><strong>in</strong> Unwahrhaftigkeit verstricken muß, wenn sie ihre e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprechendenZiele notdürftig <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>klang br<strong>in</strong>gen will.______________________________17Friedrich He<strong>in</strong>rich Jacobi, dt. Philosoph, 1743-1819w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 58Die Entwicklung <strong>der</strong> Weltlage durch <strong>die</strong> Kriege muß es demBl<strong>in</strong>desten zeigen: Das natürliche Leben <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> steht demLeben aus Gott <strong>in</strong> entfremdeter Ferne gegenüber. Man glaubt,<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Menschheit, <strong>in</strong> patriotischen Anstrengungeno<strong>der</strong> im Kampf <strong>der</strong> Klassen um Gerechtigkeit Lebengenug zu haben <strong>und</strong> Gottes nicht zu bedürfen. Man maßt sichD<strong>in</strong>ge an, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> Gott zukommen. Selbst über Leben <strong>und</strong> Todvon Menschen <strong>und</strong> Völkern will man entscheiden. Man vergißt,daß <strong>der</strong> Herr es ist, <strong>der</strong> tötet <strong>und</strong> lebendig macht. Man verachtetes, daß Gott das Leben ist. Er ist alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Herr über Leben<strong>und</strong> Tod. Wer ihn <strong>in</strong> Christus ehrt, kann ke<strong>in</strong>en Menschen töten<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong> richten. Man hat das Gefühl dafür verloren,daß das Leben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Hand liegt, daß alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Beschlußdas Schicksal <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> bestimmen darf. Man ist ohne Furchtvor dem, <strong>der</strong> Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> ver<strong>der</strong>ben kann. Man steht ohneScheu vor se<strong>in</strong>em Gericht. Man hat <strong>die</strong> Ehrfurcht vor Gott e<strong>in</strong>gebüßt.Man weiß, daß das Erlöschen <strong>der</strong> Sonne für unserenPlaneten den augenblicklichen Tod allen Lebens bedeutet. Mansieht e<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong> altes Flußbett ke<strong>in</strong> lebendiges Wasser mehrhaben kann, sobald <strong>der</strong> Strom e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Weg geleitet ist.Jedem ist klar, daß ohne Verb<strong>in</strong>dung mit den Quellen das besteWasser zu e<strong>in</strong>er elenden Lache werden muß. Aber manwollte se<strong>in</strong> Gewissen ertöten, sooft es auch sagte, daß jedeEhrfurchtslosigkeit unsere <strong>Seele</strong> tödlich verletzt. Man wolltevergessen, daß <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>die</strong> Sünde als Frevel am Leben denTod br<strong>in</strong>gt, daß sie das Ver<strong>der</strong>ben des Menschen ist.Die geistlosen Lüste <strong>und</strong> ihr Betrug <strong>der</strong> Lüge, <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeit<strong>und</strong> ihre Mordlust, <strong>der</strong> Mammon <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Eigentum streitenwi<strong>der</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>. Denn <strong>die</strong>se Gewalten bilden <strong>die</strong> lebensfe<strong>in</strong>dlicheMacht, <strong>die</strong> sich von Gott losgelöst hat. Der mit dem <strong>Seele</strong>nlebenverb<strong>und</strong>ene Geist des Menschen kann nicht re<strong>in</strong> se<strong>in</strong>,wenn <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit Gottes lebt, so oft sie <strong>die</strong>Fäulnis des Unre<strong>in</strong>en anrührt <strong>und</strong> sich von ihr durchseuchenläßt. Der Geist des Menschen ist mit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> befleckt <strong>und</strong>deshalb unfähig, sie zu erlösen. Er lebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Alles seelischeLeben bee<strong>in</strong>flußt <strong>die</strong>sen Geist <strong>und</strong> alle se<strong>in</strong>e Regungen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 59Man soll nicht me<strong>in</strong>en, daß das geistige Leben e<strong>in</strong>e von demganzen Lebenskreis <strong>der</strong> Körperseele unabhängige Arbeit leistenkönne, als ob es auf e<strong>in</strong>er Insel glänzenden Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong>svon allen seelischen <strong>E<strong>in</strong></strong>drücken <strong>und</strong> Ausbrüchen des großenLandes unberührt sei. Die gesamte Lebensatmosphäre desganzen Menschen bee<strong>in</strong>flußt se<strong>in</strong> Denken. Ke<strong>in</strong>e Schw<strong>in</strong>gung<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> bleibt ohne <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß auf unseren Geist. Nach neuerenForschungen ist das Gehirn von dem Thron se<strong>in</strong>er Alle<strong>in</strong>herrschaft,den es nach <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> zweiten Hälfte desneunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts über das Geistesleben behauptete,h<strong>in</strong>weggewiesen worden. Der Charakter <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, <strong>die</strong> Gesamthaltungdes Menschen mit ihren maßgebenden <strong>E<strong>in</strong></strong>drücken,Gefühlen <strong>und</strong> Emotionen wird nicht vom Gehim bestimmt. <strong>E<strong>in</strong></strong>ekranke <strong>Seele</strong> kann e<strong>in</strong> völlig <strong>in</strong>taktes Gehirn haben. Bei e<strong>in</strong>emkranken Gehirn kann <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> ges<strong>und</strong> se<strong>in</strong>.Das Alte Testament behält recht, daß <strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>,<strong>die</strong> geistige Persönlichkeit des Menschen, durch das Herz<strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Blutkreislauf mit dessen beson<strong>der</strong>en Organen <strong>und</strong>vor allem durch <strong>die</strong> Zusammensetzung des Blutes selbst bestimmtwird. (5. Mose 30,14-20; Sprüche 15,13). Blut <strong>und</strong> Herzkönnen seelische Melancholie <strong>und</strong> geistige Depression auslösen<strong>und</strong> für höchste dichterische, sogar für geistig abstrakteLeistungen <strong>die</strong> entscheidende Disposition <strong>und</strong> Konstitutionschaffen. Wenn auch nach wie vor das Gehirn für <strong>in</strong>tellektuelleArbeiten <strong>der</strong> Auffassungsgabe, <strong>der</strong> Gedankenleistung <strong>und</strong> <strong>der</strong>Er<strong>in</strong>nerung e<strong>in</strong> überaus wichtiges Organ bleibt, so ist es dochfür das Leben <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> des Geistes nicht mehr als nure<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Werkzeuge; es ist nur e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er Arbeitsstätten<strong>und</strong> Durchgangsstationen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich das <strong>Seele</strong>nleben <strong>und</strong>Geistesleben <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise wi<strong>der</strong>spiegelt <strong>und</strong> betätigt.Man darf den Geist des Menschen we<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Gehirnarbeitüberhaupt noch mit <strong>der</strong>en speziellerer Verstandestätigkeitverwechseln. Weit mehr entspricht <strong>der</strong> Menschengeist <strong>der</strong> praktischenVernunft des heiligen Sollens, <strong>die</strong> nach Immanuel Kantihre unwi<strong>der</strong>sprechlichen For<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Festigkeit e<strong>in</strong>es“Du kannst, denn du sollst” erhebt. Der Geist des Menschenist nicht an e<strong>in</strong>em abgegrenzten Ort se<strong>in</strong>es Körpers zu suchen.Der ganze Körper des Menschen trägt se<strong>in</strong>e gesamte <strong>Seele</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 60Der menschliche Geist <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>charakter <strong>der</strong> geistigenHaltung ist <strong>der</strong> ganzen <strong>Seele</strong> als ihr tiefstes <strong>und</strong> göttlichstesElement e<strong>in</strong>gehaucht. Sobald er selbst e<strong>in</strong>e entscheidende Befreiungerfahren hat, vermag sich <strong>die</strong>ser Geist dem Körper gegenüberals überaus unabhängig <strong>und</strong> überlegen zu erweisen.<strong>E<strong>in</strong></strong>e solche Befreiung bleibt jedoch unmöglich, wenn nichtalle Gebiete <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> von ihr ergriffen werden. Der Geist desMenschen muß von je<strong>der</strong> Unfreiheit <strong>und</strong> Verunre<strong>in</strong>igung desmenschlichen Lebens berührt werden. Die <strong>Seele</strong> umfaßt alleÄußerungen des Lebens. Sie trägt alles Lebendige im Menschen.Die <strong>Seele</strong> ist das gesamte Bewußtse<strong>in</strong> des e<strong>in</strong>zelnen,ebensosehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verknüpfung aller se<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nlichen Empf<strong>in</strong>dungenwie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenfassung aller se<strong>in</strong>er geistigen <strong>und</strong>höheren Beziehungen. Es gibt ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Leben <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>als <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Inhalt des Bewußtse<strong>in</strong>s. In ihm werden alle Erfahrungendes Fühlens, Denkens <strong>und</strong> Wollens zum Se<strong>in</strong> <strong>und</strong>Wissen.Das Bewußtse<strong>in</strong> des Menschen ist <strong>die</strong> unbegrenzte Stätte,an <strong>der</strong> alle menschlichen Organe <strong>und</strong> Funktionen zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heitwerden sollen. Bewußtse<strong>in</strong>se<strong>in</strong>heit ist das Geheimnis des organischenLebens. Geistese<strong>in</strong>heit ist das Geheimnis <strong>der</strong> menschlichenBerufung. In dem gesamten lebendigen Leib erkennenwir den Körper mit dem nach außen zeigenden F<strong>in</strong>ger desKörpers, <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> mit dem nach <strong>in</strong>nen weisenden F<strong>in</strong>ger <strong>der</strong><strong>Seele</strong>, den Geist aber durch den auf se<strong>in</strong> Reich verweisendenF<strong>in</strong>ger Gottes.Die <strong>Seele</strong> ist das Leben des Körpers, das ihn e<strong>in</strong>en Leib se<strong>in</strong>läßt. In zahlreichen Belegen <strong>der</strong> alten Schriften müssen deshalb<strong>die</strong> Übersetzer das Wort “<strong>Seele</strong>” mit “Leben” wie <strong>der</strong>geben.Die <strong>Seele</strong> als das Leben umfaßt ebensosehr das geistigewie das körperliche Se<strong>in</strong>, wie es sich von <strong>der</strong> Ge burt bis zumTode abspielt. Sooft es sich um das Erhalten <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>setzendes Lebens o<strong>der</strong> um Lebensgefahr <strong>und</strong> Lebensverlust handelt,f<strong>in</strong>den wir das Wort “<strong>Seele</strong>”, wo wir “Leben” erwarten. Daß <strong>die</strong><strong>Seele</strong> das Leben des Organismus bedeutet, wird mit <strong>der</strong> Wahrheitbezeugt: “Die <strong>Seele</strong> als das Leben ist im Blut.” (3. Mose17,11+14; 5. Mose 12,23). Wie ohne Blut unser Körper ke<strong>in</strong>Leben hat, so ist <strong>der</strong> Leib tot ohne <strong>Seele</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 61Es ist nicht zufällig, daß <strong>die</strong> Vorstellung des vergossenenBlutes, wenn wir z. B. von <strong>der</strong> Rötung <strong>der</strong> masurischen Seenwährend des Ersten Weltkriegs gehört haben, auf unser Gemüte<strong>in</strong>en schauerlicheren <strong>E<strong>in</strong></strong>druck macht, als wenn wir an <strong>die</strong> Gräber<strong>der</strong> Getöteten denken. Der sogenannte Blut- <strong>und</strong> Kriegs-See<strong>in</strong> Sibirien, <strong>der</strong> sich bei jedem großen Blutvergießen verfärbensoll, macht trotz e<strong>in</strong>er naheliegenden naturwissenschaftlichenErklärung e<strong>in</strong>en so tiefen <strong>E<strong>in</strong></strong>druck auf das Volksbewußtse<strong>in</strong>,weil Blut <strong>und</strong> <strong>Seele</strong>, das Rote <strong>die</strong>ses beson<strong>der</strong>en Saftes, <strong>und</strong><strong>die</strong> gewaltige Tatsache des Lebens nicht vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gelöstwerden können. Im Blutstrahl das Leben verströmen zu sehen,bedeutet mehr, als vor e<strong>in</strong>em Leichnam zu stehen.Der Körper, <strong>der</strong> se<strong>in</strong> Blut verloren hat, hat se<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong> aufgegeben.Weil das Blut das fließende Leben ist, verlangt Mephistovon Faust <strong>die</strong> Verschreibung se<strong>in</strong>es Lebens mit e<strong>in</strong>em TröpfchenBlut. Der böse Geist will den ganzen Menschen. Er willse<strong>in</strong> Leben. Er will <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>. Deshalb muß er sich des Blutesbemächtigen. “Blut ist e<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>er Saft.” Deshalbwarnt nach e<strong>in</strong>em alten Faustbuch das geronnene Blut <strong>der</strong> aufgeritztenHand den Menschen, <strong>der</strong> soeben mit <strong>der</strong> blutgefülltenFe<strong>der</strong> den Teufelspakt unterzeichnen will. Das Blut ger<strong>in</strong>nt <strong>in</strong><strong>die</strong> Formung <strong>der</strong> Worte: “O Mensch, entfliehe!” Die unmittelbareGefahr, vom Bösen <strong>in</strong> Besitz genommen zu werden, entpreßtdem schwachen Blut <strong>die</strong>sen Ruf zur Flucht. Die Energiegöttlichen Lebens for<strong>der</strong>t mehr. Sie verlangt den Äußersten aktivstenWi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, “im Kampf gegen <strong>die</strong> Sünde bisaufs Blut Wi<strong>der</strong>stand zu leisten”.Das Wi<strong>der</strong>stehen bis aufs Blut ist überaus selten, weil dasBlut durch <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> nicht nur mit dem höheren Geistesleben,son<strong>der</strong>n ebenso stark o<strong>der</strong> weit stärker mit ungeklärten Empf<strong>in</strong>dungen<strong>und</strong> niedrigsten Trieben verb<strong>und</strong>en ist. Es ist etwasim Blut, das den Wi<strong>der</strong>stand schwach macht. Seelische Menschen,<strong>in</strong> denen das Blut nicht durch den Geist regiert wird, s<strong>in</strong>dsehr leicht zu schwächendem <strong>und</strong> unsachlichem Mitempf<strong>in</strong>denzu bee<strong>in</strong>flussen. Bei ihrem Mangel an Kraft zu tiefgreifen<strong>der</strong>Aktivität gel<strong>in</strong>gt es leicht, sie <strong>in</strong> verweichlichter, schlaffmachen<strong>der</strong>Nachgiebigkeit auf Abwege zu br<strong>in</strong>gen. Jede weitereseelische Schwäche läßt den Geist um so mehr verkümmern,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 62je tiefer man sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal beschrittenen Abwegigkeitverloren hat.Von je<strong>der</strong> Bewegtheit des e<strong>in</strong>zelnen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Volksseele,<strong>die</strong> an das Blut appelliert <strong>und</strong> auf se<strong>in</strong>e Zusammengehörigkeitdr<strong>in</strong>gt, wird <strong>die</strong> geschwächte <strong>Seele</strong> mitgeschwemmt. So erklärensich alle Massenerfolge je<strong>der</strong> öffentlichen Suggestion. Ob<strong>die</strong>se das sexuelle Leben zu entarteter Zügellosigkeit aufpeitschto<strong>der</strong> ob sie zum Krieg <strong>und</strong> Bürgerkrieg <strong>die</strong> Massen bewegt,ob sie Treue <strong>und</strong> Redlichkeit im Geschäftsleben erschütterto<strong>der</strong> zu verschwen<strong>der</strong>ischem Wohlleben aufreizt - <strong>in</strong> all demist es <strong>die</strong> Schwachheit <strong>der</strong> seelisch schwankenden Masse, <strong>die</strong><strong>die</strong>ses überraschende Resultat erklärt. Jede das Blut erregendeLebensschwäche offenbart <strong>die</strong> Herrschaft des Seelischen überdas edlere Element des Geistes. In Wahrheit bedeutet <strong>die</strong>se<strong>in</strong>e unwürdige Knechtung des Höchsten, was <strong>der</strong> Mensch hat,unter das Nie<strong>der</strong>e.Nur wenn vom Geist aus das höchste Leben <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Blutergreift <strong>und</strong> durchdr<strong>in</strong>gt, kann es e<strong>in</strong>e wirksame Lebens-Erneuerunggeben. Vom Geist aus muß sie geschehen, weil nur <strong>in</strong>ihm <strong>die</strong> Freiheit <strong>und</strong> Klarheit beg<strong>in</strong>nen kann. Ins Blut <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>muß sie dr<strong>in</strong>gen, wenn sie lebenswirklich se<strong>in</strong> soll. Denn dasBlut baut den Menschenleib auf. Ohne <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> des Blutes gibtes ke<strong>in</strong>e organische Verb<strong>in</strong>dung zwischen dem Geistesleben<strong>und</strong> dem körperlichen Dase<strong>in</strong>.Aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong> hat nach uralter mystischer Vorstellungalles das Macht über mich selbst, was über me<strong>in</strong> Blut Gewaltgewonnen hat. Hier ist das B<strong>in</strong>deglied <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> ÄußerenWelt. Man muß sich “e<strong>in</strong> Herz fassen”, wenn man <strong>die</strong> D<strong>in</strong>gebewältigen will. Die <strong>Seele</strong> zeigt das Blut als das Element allerunserer Tiefe <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dungen, vor allem auch <strong>der</strong> s<strong>in</strong>nlichenunter ihnen. Die Verb<strong>in</strong>dung des Blutes mit allen Kraftzentrendes Körpers macht se<strong>in</strong>e Wallungen nur zu oft zum Kennzeichene<strong>in</strong>es ungeistigen Trieblebens. Das Blut ist das Scheidewasserfür <strong>die</strong> Herrschaft des Geistes o<strong>der</strong> für <strong>die</strong> des Körpers.Wer von beiden <strong>die</strong>sen Strom überschreitet, hat den Kampf gewonnen.So kostbar uns unser Blut bleibt <strong>und</strong> so heilig uns se<strong>in</strong>eVerb<strong>in</strong>dungen werden sollen, brauchen wir doch e<strong>in</strong> Leben,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 63welches nicht durch <strong>die</strong> S<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> durch das Blut geleitet, sondemvom Geist bestimmt wird. Das Blut ist e<strong>in</strong> ebenso edles wiedurch <strong>und</strong> durch dekadentes Leben. Es trägt den Zerfall <strong>in</strong> sich.Alles, was auf das Blut baut, baut auf fließenden Sand. Das Blutist unbeständig <strong>und</strong> vergänglich. Nur <strong>der</strong> Geist bleibt lebendig.Se<strong>in</strong> Sturm ist stärker als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e W<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong> Leben alle<strong>in</strong>besteht, wenn alles an<strong>der</strong>e dem Untergang geweiht ist.In <strong>die</strong>sen ernsten Tagen brauchen wir mehr als je das Wahrheitszeugnis,daß Gott e<strong>in</strong> ewiges Leben gegeben hat, dasnicht mit dem Blut verströmen kann, weil es als Gottes Lebennicht von den S<strong>in</strong>nen abhängig ist. Nach dem wahrhaftigen Inhaltdes Geistes-Zeugnisses ist <strong>die</strong>ses Leben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Sohn.Durch den Heiligen Geist kommt es zu uns. Es gibt unseremGeist das Zeugnis e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Vaterlandes, als es das Landunseres Blutes ist. Es macht uns so wesentlich zu Söhnen <strong>und</strong>Töchtern Gottes, daß wir ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>en Interessen als <strong>die</strong> se<strong>in</strong>esHerzens <strong>und</strong> Reiches vertreten können. Der Geist führt unszu e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Volk, als es das Volk unseres Blutes ist. Ervere<strong>in</strong>igt uns mit dem Volk Gottes, dessen Verb<strong>und</strong>enheit nichtauf Blut, son<strong>der</strong>n auf dem Heiligen Geist beruht.Nur wer bereit ist, Blut <strong>und</strong> Leben e<strong>in</strong>zusetzen, kann <strong>die</strong>sesReich des Geistes f<strong>in</strong>den. Der Weg <strong>die</strong>ses Volkes ist mitLeichen besät. Man kann <strong>und</strong> will nicht dulden, daß ihr Geistdas Land erobert. An ihnen muß sich <strong>der</strong> Gott <strong>die</strong>ser Welt als<strong>der</strong> Mör<strong>der</strong> von Anfang an offenbaren. Niemals hat <strong>der</strong> GeistJesu Christi durch se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de auch nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigenMenschen töten lassen. Stets aber ist se<strong>in</strong> Volk dah<strong>in</strong>gemordetworden, wie Jesus selbst von dem militärisch <strong>und</strong> juristischbesten Staat, von dem religiös <strong>und</strong> kirchlich bedeutendstenVolk, ja von <strong>der</strong> Mehrheit aller Stimmen eignen Blutes zur H<strong>in</strong>richtunggebracht wurde.Auch heute werden <strong>die</strong> Menschheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Völker, <strong>der</strong> Staat<strong>und</strong> <strong>die</strong> Kirche <strong>die</strong> Zeugen <strong>der</strong> göttlichen Wahrheit nicht ertragen.Es ist nicht nur <strong>der</strong> Staat des Ostens, <strong>der</strong> rufen muß:“H<strong>in</strong>weg mit <strong>die</strong>sen!” Das “Ecrasez l'Infames” (“Zertretet <strong>die</strong>Unwürdigen”) des französischen Denkers Voltaire ist <strong>der</strong> Rufdes Westens. Wer das Zeugnis Jesu <strong>in</strong> Tat <strong>und</strong> Wort vertretenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 64will, muß überall zum Tode bereit se<strong>in</strong>. Der Gr<strong>und</strong> ist klar: DasZeugnis <strong>der</strong> Wahrheit zerreißt alle Schleier, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Auswirkung<strong>der</strong> geltenden Mächte verhüllen sollen.Jesus hat uns <strong>die</strong> alle Täuscherei vernichtende Offenbarungüber <strong>die</strong> Welt <strong>und</strong> ihre Reiche, über ihre fürstlichen Gewalten<strong>und</strong> über ihren Gott <strong>und</strong> Geist wie <strong>die</strong> Enthüllung e<strong>in</strong>es jedene<strong>in</strong>zelnen Menschen gebracht. Nur unter se<strong>in</strong>em <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß werdenwir frei von dem Wahn, als wenn das Leben <strong>in</strong> Staat <strong>und</strong> Wirtschaft,<strong>in</strong> Macht <strong>und</strong> Eigentum, <strong>in</strong> Gewalt <strong>und</strong> Existenzkampf,<strong>in</strong> Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken, <strong>in</strong> Kleidung <strong>und</strong> Wohnung, <strong>in</strong> Genuß <strong>und</strong>Abwechslung, <strong>in</strong> Ehre <strong>und</strong> Ansehen bestehen könnte. Der Leibist mehr als <strong>die</strong> Kleidung. Die <strong>Seele</strong> ist das Leben <strong>und</strong> deshalbmehr als <strong>die</strong> Speise. Das Reich Gottes ist mehr als alle Reiche<strong>der</strong> Welt. Der Geist ist mehr als <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>. Was nützt es, <strong>die</strong>ganze Welt zu gew<strong>in</strong>nen, wenn se<strong>in</strong> Leben geschädigt wird!Das Leben im Krieg <strong>und</strong> <strong>die</strong> nachfolgende steigende Not hatmanche von <strong>der</strong> bürgerlich engstirnigen Verirrung befreit, <strong>in</strong> <strong>der</strong>sie <strong>die</strong> Äußeren Bequemlichkeiten verwöhnter Lebensweise,beschleunigten Verkehrs <strong>und</strong> reichen <strong>E<strong>in</strong></strong>kommens als notwendigeLebensgüter angesehen hatten. Und weiter wurde vielendas Gewissen wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em beständigen Gewitter aus dumpfemSchlaf geweckt <strong>und</strong> wach gehalten, daß sie <strong>der</strong> überall wachsendenNot gegenüber ke<strong>in</strong> Vorrecht bevorzugter Lebenshaltungfesthalten können. Sie müssen aus ihrer Burg heraus, siemüssen alle Türen ihrer Villa öffnen, um <strong>die</strong> im Unwetter Abgebrannten,arbeitslos <strong>und</strong> heimatlos Gewordenen aufzusuchen<strong>und</strong> here<strong>in</strong>zuholen. Das wahre Leben <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mitGott umfaßt das Innerste mit allen Vorposten unserer Festung.Wenn unsere <strong>Seele</strong> für das Reich Gottes wach geworden ist,so wird <strong>der</strong> von ihm aus herrschende Geist unser Dase<strong>in</strong> bisan <strong>die</strong> Äußerste Grenze ergreifen <strong>und</strong> nach se<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n, <strong>der</strong>brü<strong>der</strong>lichen Liebe entsprechend umgestalten müssen. DieseUmgestaltung wird e<strong>in</strong>e so gründliche <strong>und</strong> völlige se<strong>in</strong>, daß nur<strong>die</strong> wenigsten Menschen e<strong>in</strong>e Vorstellung davon haben.Aber bevor an <strong>die</strong> Neugestaltung des Äußeren Lebens gedachtwerden kann, müssen Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> von Gott <strong>in</strong> Besitzgenommen <strong>und</strong> nach se<strong>in</strong>em Bild verän<strong>der</strong>t se<strong>in</strong>. Wir habenes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte unserer Tage erlebt, wie unmöglich e<strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 65Äußerer Umbau <strong>und</strong> Ausbau ist, wenn <strong>die</strong> <strong>in</strong>neren Kräfte <strong>in</strong>Verfall geraten s<strong>in</strong>d. Schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Ersten Weltkriegshat es sich am alten Rußland <strong>und</strong> am alten Österreich gezeigt,wie wenig e<strong>in</strong> noch so großes Reich bedeutet, wenn se<strong>in</strong> <strong>in</strong>neresWesen <strong>in</strong> Auflösung begriffen ist. Was ist e<strong>in</strong> Reich, das <strong>in</strong>sich selbst une<strong>in</strong>s ist? “Was hülfe es dem Menschen, wenn er<strong>die</strong> ganze Welt gewönne, <strong>und</strong> nähme doch Schaden an se<strong>in</strong>er<strong>Seele</strong>?” (Matth. 16,26).Nichts ist nötiger als <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerste Erneuerung des Lebens. Inihr soll <strong>in</strong> Unabhängigkeit von fremden <strong>E<strong>in</strong></strong>flüssen <strong>der</strong> Keim unsererBestimmung zu dem starken, festen Baum auswachsen,<strong>der</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> ihren ganzen Lebenskreis das werden läßt,was se<strong>in</strong> soll. Die Kraft, Ruhe <strong>und</strong> Freiheit für <strong>die</strong>ses Wachstumechten <strong>und</strong> wahren Lebens f<strong>in</strong>den wir nicht <strong>in</strong> uns selbst.Noch weniger herrscht sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> uns umgebenden Umwelt. Nur<strong>der</strong> wahrhaft Lebendige kann sie uns geben. Er alle<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gtdas Leben, se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Erfüllung <strong>und</strong> damit <strong>die</strong> tätige Ruhese<strong>in</strong>es Werkes. Nur wenn er <strong>der</strong> sorgende Herr unserer <strong>Seele</strong>geworden ist, kann <strong>die</strong>se <strong>die</strong> Kraft f<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> sie zu e<strong>in</strong>emneuen, freien <strong>und</strong> wirkenden Leben braucht. Nur er führt zue<strong>in</strong>em Leben, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> aus dem Drehen um sich selbst,aus dem Kreisen um falsche Irrsterne zu e<strong>in</strong>em vom Lebenszentrumher wirksamen Dase<strong>in</strong> erlöst wird.Dieses Leben ist Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Herrschaft. Das Licht des<strong>in</strong> Christus gegebenen Lebens überstrahlt unser schwacheseigenwilliges Se<strong>in</strong> heller als <strong>die</strong> Sonne unsere Nacht. Und wie<strong>die</strong> Sonne unserem Planeten Leben <strong>und</strong> Nahrung erweckt, gibtalle<strong>in</strong> Jesus se<strong>in</strong>en Menschenbrü<strong>der</strong>n <strong>die</strong> nährende Kraft, e<strong>in</strong>wirkliches Leben anstelle unseres bisherigen Sche<strong>in</strong>se<strong>in</strong>s zubeg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> aufzubauen. Jesus ist das Brot des Lebens, nachdem uns hungert. Er hat das Wasser des Lebens, nach demuns dürstet. Se<strong>in</strong> Leben im Übermaß aller Dase<strong>in</strong>smöglichkeitenist es wert, daß wir unserem schwächlichen Eigenleben<strong>und</strong> allen blutmäßig bed<strong>in</strong>gten <strong>und</strong> begrenzten Idealen aufsgründlichste den Abschied geben. Von allen Irrlichtem, <strong>die</strong> <strong>die</strong>Kirchhöfe überall umgeistern, müssen wir uns abwenden. Mitden Händen unseres Gemütes müssen wir se<strong>in</strong> brennendesLicht festhalten, weil es <strong>in</strong> alle Gräber Leben br<strong>in</strong>gen will. Nichtsw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 66an<strong>der</strong>es darf <strong>in</strong> unseren Händen se<strong>in</strong> als se<strong>in</strong> leuchtendes Leben,weil es alle Welten des Todes überw<strong>in</strong>det.Es gibt e<strong>in</strong>e Legende von e<strong>in</strong>em Soldaten, <strong>der</strong> lange Zeitnichts an<strong>der</strong>es zu suchen schien als mör<strong>der</strong>ischen Kampf <strong>und</strong>eitlen Ruhm. Nachdem er alle se<strong>in</strong>e Kräfte dem Krieg gewidmethatte, schien er auch im Kreuzzug nichts Besseres zu f<strong>in</strong>den.Nun war er <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Mauern Jerusalems erstieg.Er war <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Kerze an dem Altar des heiligenGrabes entzünden durfte.Aber <strong>die</strong>se Feuerflamme verwandelte se<strong>in</strong> Leben. Er ließ dasFürstentum, das ihm w<strong>in</strong>kte. Er nahm <strong>die</strong> Kerze. Sie wurde ihmalles. Er ritt <strong>und</strong> wan<strong>der</strong>te e<strong>in</strong>en weiten Weg, um <strong>die</strong>se Flamme,ohne daß sie verlöschte, zu den Se<strong>in</strong>en zu br<strong>in</strong>gen. Vielen galter als e<strong>in</strong> Wahns<strong>in</strong>niger, wie er auf allen Wegen das brennendeLicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Händen hielt, ohne se<strong>in</strong>e Augen davon abzuwenden.Durch tiefste <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit, von Räubem überfallen,<strong>in</strong> Not <strong>und</strong> Ungewitter, <strong>in</strong> Hunger <strong>und</strong> Entbehrung, unter demSpott <strong>der</strong> Menge tat er nichts als das <strong>E<strong>in</strong></strong>e, daß er <strong>die</strong> Flammeschützte. Niemals konnte er nunmehr e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Gedankenhaben, als jede kle<strong>in</strong>ste Flamme heiligen Lebens zu schützen<strong>und</strong> zu hüten. Se<strong>in</strong> Leben wurde e<strong>in</strong> Licht <strong>der</strong> Liebe <strong>in</strong> lebendigerWirkung für viele. 18Wer <strong>die</strong> Flamme <strong>der</strong> Liebe Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> behüten,wer das Licht des Lebens bewahren will, wird <strong>die</strong>selbe Haltungbeweisen müssen. Haben wir unser Leben an <strong>der</strong> Flamme desGekreuzigten entzündet, so wirkt sich se<strong>in</strong> Geist mit allen se<strong>in</strong>enKräften <strong>in</strong> so ungeahnter Weise aus, wie wir es nirgends<strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen konnten. Nun will <strong>die</strong> Fackel des Geistesden Weg weisen. Wollen wir zu <strong>der</strong> Bestimmung unseres Se<strong>in</strong>sgelangen, so kann <strong>die</strong>s nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entfaltung se<strong>in</strong>er göttlichenLiebe von <strong>in</strong>nen nach außen geschehen.Wo im <strong>in</strong>nersten Se<strong>in</strong> jenes Feuer brennend gehalten wird,welches Leben für <strong>die</strong> ganze Welt bedeutet, wird es zum Lichtauf dem Leuchter, <strong>der</strong> für alle aufgestellt ist. Nur e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igungvölliger Geme<strong>in</strong>schaft des Glaubens, <strong>der</strong>en <strong>in</strong>nerstesLeben alle Glie<strong>der</strong> um <strong>die</strong> sorgsam gehütete Zentralflamme wie_______________________________18nach Selma Lagerlöff “Die Flamme”w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 67um e<strong>in</strong> Lagerfeuer sammelt, wird als Stadt auf dem Berge <strong>der</strong>ganzen Welt Licht br<strong>in</strong>gen. Nur wer den Gral <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dehütet, weiß von dem Reichtum des Lebens, das Gott von se<strong>in</strong>erStadt aus <strong>in</strong> alle Lande aussendet.Haben wir Gott als das e<strong>in</strong>zige Element allen wahren Lebensanerkannt, so wollen sich alle <strong>in</strong>neren Kräfte <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> entfalten,um auf ihn konzentriert zu voller Tätigkeit zu gelangen. Dievon Gott erfüllte <strong>Seele</strong> umfaßt das ganze Leben <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en<strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren, <strong>in</strong> allen geistigen wie körperlichen Betätigungen.Um das Leben ganz unter <strong>die</strong> Lebenskraft Gottes zustellen, muß zuerst das Innere unter se<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß gebrachtwerden. Die Kraft des unendlichen Lebens senkt ihre Wurzeln<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>in</strong>nersten Tiefen <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, bevor sie sich <strong>in</strong> starker Wirkungnach außen betätigt. Das Bekenntnis: “Du gibst me<strong>in</strong>er<strong>Seele</strong> große Kraft” (Ps. 138,3) kann nur dann <strong>in</strong> Wahrheit ausgesprochenwerden, wenn <strong>die</strong> Kraft im Inneren des Menschenihre Herrschaft angetreten hat.Das Innere <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> welcher Gottwohnt, ist wie e<strong>in</strong> bewässerter Garten, voll Ruhe, Friede <strong>und</strong>Sicherheit. Die Fe<strong>in</strong>de können den Zugang nicht f<strong>in</strong>den. Gegen<strong>die</strong> draußen tobenden Stürme schützt <strong>die</strong> lebendige Mauerhochgewachsener Bäume, <strong>die</strong> <strong>in</strong> fruchtbarem Boden e<strong>in</strong>gewurzelts<strong>in</strong>d. Der Lärm <strong>der</strong> Außenwelt dr<strong>in</strong>gt nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> tiefeVerborgenheit <strong>der</strong> Mitte des Gartens, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gottes Herz se<strong>in</strong>eWohnung hat. Und doch bleiben <strong>die</strong> Pforten des Gartens weitgeöffnet, daß alles Lebendige e<strong>in</strong>treten kann. Sie bleiben offen,weil alle Kräfte <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> h<strong>in</strong>ausgesandt werden, um an allerNot teilzunehmen <strong>und</strong> überall Hilfe zu br<strong>in</strong>gen.Der Sprachgebrauch denkt vielfach nur an <strong>die</strong>s Innerste desglaubenden Geistes, wenn er von dem <strong>Seele</strong>nleben spricht.Wir müssen im Auge behalten, daß <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> das ganze Lebenumfaßt. So werden wir es verstehen, warum tiefe Geisteraller Zeiten - im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Lebensgebieten - vondem “Innersten <strong>und</strong> Tiefsten <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>”, von ihrem “Mittelpunkt”<strong>und</strong> von ihrem “Gr<strong>und</strong>” gesprochen haben. Sich im Geist ihresGemütes zu erneuern, for<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Apostel Jesu Christi <strong>die</strong>Gläubigen auf. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>kehr <strong>in</strong> ihr Innerstes brauchen <strong>die</strong> Glaubenden,weil ihr Le ben mit Christus <strong>in</strong> Gott verborgen se<strong>in</strong> soll,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 68so daß sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe des Herzens sagen können: “Ich lebe,doch nun nicht ich, sondem Christus lebt <strong>in</strong> mir!” (Gal. 2,20).Der Geist des Menschen ist se<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstes Gut. Wenn ihn <strong>der</strong>Heilige Geist Gottes erleuchtet, kennt <strong>und</strong> weiß nur er, was imMenschen ist. Wenn <strong>der</strong> Geist Jesu Christi ihn führt, kann nurer <strong>die</strong> Leuchte Gottes werden, <strong>die</strong> alle Kammern des Leibesdurchforscht.Da das Herz ganz allgeme<strong>in</strong> das Innere des Menschen umfaßt,werden <strong>die</strong> Lebensäußerungen des Herzens im Denken,Fühlen <strong>und</strong> Wollen, <strong>in</strong> Ges<strong>in</strong>nung <strong>und</strong> Charakter auch <strong>der</strong><strong>Seele</strong> zugeschrieben. Ihrem Wesen nach ist sie das Lebendes Menschen. Deshalb trägt sie auch das Herz als das Inneredes Lebens. Das Leben des Menschen können wir uns<strong>in</strong> konzentrischen Kreisen vorstellen, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> verschiedenenFarben decken <strong>und</strong> umschließen. Der äußere stoffliche Körper,e<strong>in</strong> Stück <strong>der</strong> großen Natur, reicht als weitester grauer Umkreisebenso weit wie <strong>die</strong> blaue Kreisscheibe des organischen Lebens,das wir mit den Pflanzen geme<strong>in</strong>sam haben. DieselbeAusdehnung wird von dem dritten, dem roten Kreis <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>im Blut umschlossen, <strong>die</strong> als das menschliche Subjekt das gesamteBewußtse<strong>in</strong> umfaßt. Diesen Lebenskreis kennt auch dasTierreich.An<strong>der</strong>s steht es mit den kle<strong>in</strong>eren Kreisen. Der großen, sichdreifach deckenden Peripherie gegenüber bildet das Herz e<strong>in</strong>enengeren konzentrischen Kreis. Man könnte ihn durch feurigeFarben darstellen. Dieser Kreis beschränkt sich auf das Leben<strong>in</strong>nerlicher Gefühle <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerer Gedanken <strong>und</strong> Willensregungen,also auf den tieferen Charakter des Menschen. Schoner unterscheidet den Menschen von allen an<strong>der</strong>en Lebewesen.Der herrschende Mittelpunkt des Ganzen aber mit se<strong>in</strong>em <strong>in</strong>nersten<strong>und</strong> verborgensten Umkreis ist <strong>der</strong> Geist des Menschen,<strong>der</strong> im Blick auf se<strong>in</strong>e Bestimmung weiß zu zeichnen wäre. Erist e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> dem Menschen gegeben. Von ihm gilt dasWort Schillers: “Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, soweiß ich auch se<strong>in</strong> Wollen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Handeln.” Auf <strong>die</strong>sen Kernkommt es an. Vom Geist des Menschen aus will Gottes Geistse<strong>in</strong>e Wohnung unter den Menschen anrichten.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 69Der höhere Wille <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> ist Geist. Geist ist <strong>der</strong> tätige schaffendeGenius des Menschen. Er ist <strong>die</strong> bauende Vernunft <strong>der</strong>religiösen, sittlichen <strong>und</strong> sozialen For<strong>der</strong>ungen. Er trägt das unmittelbareEmpf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Erleben des Göttlichen im menschlichenHerzen. Die <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> ihrem mehr durch das Körperliche<strong>und</strong> Blutgemäße vermittelten Lebensgefühl umschließt auchalles Begehrende <strong>und</strong> Empfangende. Sie umfaßt <strong>die</strong> gesamteAufnahme aller Äußeren Anregungen des Lebens. Die <strong>Seele</strong>bleibt das S<strong>in</strong>nlichere, dem Körper näher Verwandte, das <strong>in</strong> ihmstärker Versenkte <strong>und</strong> an ihn fester Geb<strong>und</strong>ene; <strong>der</strong> Geist lebtim Wirken <strong>der</strong> höchsten <strong>und</strong> freiesten Beziehungen <strong>und</strong> Willensziele.Er wohnt <strong>in</strong> dem königlichsten unter den Gemächemdes Bewußtse<strong>in</strong>s. Se<strong>in</strong>e höchste Bestimmung ist <strong>die</strong> Erfüllung<strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit dem Heiligen Geist.Das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> ist <strong>der</strong> lebendige Spiegel aller Beziehungen,<strong>in</strong> <strong>die</strong> das Leben des Menschen verwoben ist. Der<strong>E<strong>in</strong></strong>fluß <strong>die</strong>ser Beziehungen ist je nach ihrer Intensität von sehrverschiedener Stärke. Im <strong>Seele</strong>nleben kommt es zur Entscheidung,welche Gefühle, Begierden, Ideale <strong>und</strong> Gedanken wirüber <strong>die</strong> Schwelle unseres Inneren treten lassen.Solange <strong>die</strong> im Dunkel wirkenden Empf<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Blutseelevon <strong>der</strong> <strong>in</strong> unserem Herzen herrschenden Macht desGeistes beherrscht werden, so lange können sie nicht zu niedrigemWollen, nicht zu böser Tat werden. Aber wir merken es<strong>in</strong> den Erregungen unserer Zeit, wie <strong>die</strong>se Empf<strong>in</strong>dungen aufe<strong>in</strong>en Augenblick warten, <strong>in</strong> dem das Bild Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß<strong>in</strong> uns schwächer wird. Als dann können <strong>die</strong> Begierden desBlutes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er falschen Ideale, mit an<strong>der</strong>en Mächten <strong>der</strong>Nacht verb<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> Schwelle unseres Herzens als böser Willeüberschreiten <strong>und</strong> sich zu böser Tat vere<strong>in</strong>igen. Die Sünde istda. “Die Lust, wenn sie empfangen hat, gebiert <strong>die</strong> Sünde. DieSünde, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod” (Jak. 1,15).Die freudlose Lust des Hasses <strong>und</strong> Mordes, <strong>die</strong> vergiftendeBereitschaft zur Verdächtigung <strong>und</strong> Lüge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herabsetzungdes Gegners, <strong>die</strong> lieblose Freude des Eigentums <strong>und</strong> allereigenen Vorrechte, <strong>die</strong> unre<strong>in</strong>e <strong>und</strong> ungeistige Lust des Körperswartet mit unersättlicher Gier <strong>und</strong> mit den betörendenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 70Lockungen gestohlener sche<strong>in</strong>geistiger Güter auf den Willen,den sie aufgenommen haben muß, ehe sie das Böse vollbr<strong>in</strong>genkann.Die <strong>Seele</strong> vermag sich <strong>die</strong>ser Verlockungen nur dann zu erwehren,wenn <strong>die</strong> Wi<strong>der</strong>standskraft des guten Willens an e<strong>in</strong>emklar bestimmten Inhalt des Geistes ihren unverän<strong>der</strong>lichen Haltgef<strong>und</strong>en hat. Nur wenn <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Herzens Gottes, <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit aller Gedanken se<strong>in</strong>er Liebe, <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aller Bil<strong>der</strong><strong>und</strong> Kräfte se<strong>in</strong>es zukünftigen Reiches, nur wenn das Bild Jesumit allen se<strong>in</strong>en Worten <strong>und</strong> Taten durch <strong>die</strong> stete Er<strong>in</strong>nerungdes Heiligen Geistes fest <strong>und</strong> klar das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>beherrscht, wird <strong>der</strong> Wille alle Reizungen <strong>und</strong> Lockungen irreführen<strong>der</strong>Bil<strong>der</strong>, dunkler Ideale <strong>und</strong> Ziele ablehnen <strong>und</strong> überw<strong>in</strong>den.“Die Kraft des Charakters hängt davon ab, daß e<strong>in</strong>ebestimmte <strong>E<strong>in</strong></strong>heit von Vorstellungen sich dauernd im Bewußtse<strong>in</strong>hält <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>und</strong> entgegengesetzten abschwächt<strong>und</strong> ihren <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt nicht gestattet.” 19 Die <strong>in</strong>nerste Kammer <strong>der</strong><strong>Seele</strong>, wo ihr Geist thront, muß mit dem Geist Jesu Christi, mitallen se<strong>in</strong>en Gedanken, mit se<strong>in</strong>em Willen als mit allen Regungense<strong>in</strong>es Herzens erfüllt bleiben. Nur dann können <strong>die</strong>irreführenden Mächte an<strong>der</strong>er Strebungen ke<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>gang gew<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> über unseren Willen herrschen.In so erregten Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, hat <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dunserer <strong>Seele</strong> e<strong>in</strong>e mächtige Schar von Verbündeten, <strong>die</strong> siezerrütten <strong>und</strong> zerstören wollen. Aber Gott spricht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stille<strong>der</strong> Nacht leuchtend zu unserer <strong>Seele</strong>, um sie dem Ver<strong>der</strong>benzu entziehen <strong>und</strong> zu se<strong>in</strong>em Gefolgsmann zu machen. Er erwecktden Geist <strong>und</strong> zeigt uns den Weg zum Leben. Er will <strong>die</strong>erregte <strong>Seele</strong> mit se<strong>in</strong>em Frieden füllen, daß sie den f<strong>in</strong>stemMächten ke<strong>in</strong>en Platz gewährt. Das Rufen <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> nach Gott,wie es <strong>die</strong> heutige Not bewirkt, wird zum Ziel <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong>des Reiches führen, wenn sie sich mit ihrem Willen zu JesusChristus erhebt, um auf ihn alle<strong>in</strong> gerichtet zu bleiben.____________________________19Johann Friedr. Herbart, dt. Philosoph, 1776-1841w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 71DAS GEWISSEN UND SEIN ZEUGNISDas Leben wehrt sich gegen alles, was es zerstören <strong>und</strong>töten will. Es sucht se<strong>in</strong>e Kraft zu mehren <strong>und</strong> schützt sichdurch se<strong>in</strong>en Inst<strong>in</strong>kt gegen alle <strong>E<strong>in</strong></strong>flüsse des Todes, gegenalle Schädlichkeiten, <strong>die</strong> ihm fe<strong>in</strong>dlich s<strong>in</strong>d. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zugr<strong>und</strong>egehenden,dem Tode verfallenen Leben verzagt <strong>der</strong> Inst<strong>in</strong>kt<strong>und</strong> läßt <strong>die</strong> Gifte here<strong>in</strong>, <strong>die</strong> das Leben zerstören. Derbeseelte Organismus sucht als Ganzes alle Schädigungen desLeibes <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> abzuwehren.Auch das Innerste <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, <strong>der</strong> Geist des Menschen, hate<strong>in</strong>en Inst<strong>in</strong>kt des Lebens. Es ist das Gewissen, welches alse<strong>in</strong> äußeres Zeichen des <strong>in</strong>wendigen Lebens <strong>die</strong> Wacht an<strong>der</strong> Schwelle übernommen hat. Es ist <strong>der</strong> unpersönliche, stilleMitwisser des menschlichen Geistes. “Niemand weiß, was imMenschen ist, als nur <strong>der</strong> Geist des Menschen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> ihm ist”(1. Kor. 2,11). Das Gewissen gehört zu den ursprünglichstenLebensregungen <strong>die</strong>ses Geistes. Der Menschengeist, <strong>der</strong> alsdas Tiefste im Menschen se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerste Bestimmung vertretenmuß, hat <strong>in</strong> dem Gewissen se<strong>in</strong> notwendigstes Werkzeug alse<strong>in</strong> Instrument <strong>der</strong> Warnung, des Weckens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Weisung.Das Gewissen ist das empf<strong>in</strong>dsame Reaktionsorgan desGeistes. Es hat den Charakter, <strong>der</strong> sich <strong>die</strong> ethische Ordnungbewahren soll, vor Entartung <strong>und</strong> Zerstörung zu warnen. Es hatihn dorth<strong>in</strong> zu weisen, wo er <strong>die</strong> ihn bestimmende Lebensrichtung,se<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Kräftigung f<strong>in</strong>det. Das Gewissenweckt das schmerzliche Bewußtse<strong>in</strong> je<strong>der</strong> <strong>in</strong>nersten Verletzung<strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Es gibt das Signal für jede Erkrankung des geistgemäßenLebens. Vor allem zeigt es <strong>die</strong> tödliche <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit an,<strong>die</strong> entsteht, wenn sich <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> von dem Kern des Lebens,von <strong>der</strong> Bestimmung ihres Se<strong>in</strong>s, von Gott selbst geschiedenhat. Deshalb dr<strong>in</strong>gt es mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Liebe auf <strong>die</strong> Versöhnungmit Gott selbst <strong>und</strong> damit auf <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit allenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 72Menschen. Denn <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist <strong>der</strong> Charakter des Lebens. InGott <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Reich f<strong>in</strong>det sie ihre Erfüllung.Das Gewissen erweckt <strong>die</strong> Sehnsucht des <strong>E<strong>in</strong></strong>zel-Bewußtse<strong>in</strong>s,aus aller se<strong>in</strong>er Beengung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>samung <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftmit dem allumfassenden <strong>und</strong> höchsten Bewußtse<strong>in</strong>Gottes zu treten, um so zur Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>und</strong> Lebense<strong>in</strong>heitmit allen an Gott Glaubenden zu gelangen. Dieser Drang zuGott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft des Glaubens <strong>und</strong> Lebens entsprichtdem ursprünglichen Wesen des menschlichen Geistes.Leibniz 20 mußte Gott als den e<strong>in</strong>zigen unmittelbaren Gegenstand<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> bezeichnen, <strong>der</strong> von ihr selbst unterschiedenwerden kann. Gott steht unmittelbar vor <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> gebietetunbed<strong>in</strong>gte Liebe <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.Das Gewissen weckt das unmittelbare Bewußtse<strong>in</strong> um Gut<strong>und</strong> Böse; es erkennt das Lebenfördemde <strong>und</strong> das Lebenzerstörende;es kann niemals von dem unmittelbaren Gottes-Bewußtse<strong>in</strong> des Geistes getrennt werden. Es wirkt mit, sooft<strong>die</strong> Gewißheit des unbed<strong>in</strong>gten Sollens <strong>und</strong> Nichtsollens <strong>in</strong>sBewußtse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt. In <strong>der</strong> Unbed<strong>in</strong>gtheit des Sollens wirktGott unmittelbar auf uns e<strong>in</strong>. Der Antrieb des Gewissens, dasden Gottesgehorsam for<strong>der</strong>t, will dem Gottes-Bewußtse<strong>in</strong> zurSeite treten. Jede Mahnung des Gewissens will den Menschenzum freiwilligen Glaubensgehorsam führen.Gott ist es, <strong>der</strong> durch das Gewissen unserem Leben Bestimmung<strong>und</strong> Verb<strong>in</strong>dlichkeit geben will. Man hat <strong>die</strong> Gewissen <strong>der</strong>Menschen mit Bergen verglichen, an denen <strong>der</strong> Donner Gottes<strong>in</strong> millionenfachem Echo wi<strong>der</strong>hallt. Je größer <strong>die</strong> Entfernungdes aufnehmenden Herzens von dem Rufer ist, um so schwächerwird <strong>die</strong> Stimme des Echos. In je größerer Nähe man denZuruf Gottes vernimmt, um so gewaltiger ist <strong>die</strong> Erschütterung<strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>druck des Gewissens. Immer aber bleibt e<strong>in</strong> notwendigerAbstand zwischen Gottes Wahrheit <strong>und</strong> unserer Antwort.Das Gewissen drängt das bangende, zögernde Herz näher <strong>und</strong>näher an das donnemde Gericht über das Böse <strong>und</strong> an <strong>die</strong> imBlitz aufleuchtende Offenbarung des Guten heran.______________________________20Gottfried Wilhelm von Leibniz, dt. Philosoph, 1646-1716w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 73Und doch hält es uns <strong>in</strong> ehrfurchtgebietendem Abstand. DasEcho muß schweigen, wenn <strong>die</strong> Bergwand jede Distanz verliert.“Niemand ist gut”, sagt uns Jesus, “als nur <strong>E<strong>in</strong></strong>er, Gott!”(Matth. 19,17). <strong>E<strong>in</strong></strong>er ist <strong>der</strong> Gute. Wer sich mit ihm frevlerischidentifiziert, hat se<strong>in</strong>e Stimme verloren. Ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> desMenschen etwas von dem Hauch <strong>die</strong>ses <strong>E<strong>in</strong></strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>zigen, <strong>der</strong>alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gute ist, so muß auch <strong>in</strong> dem Verworfenen <strong>und</strong> Ehrfurchtslosene<strong>in</strong> Zeuge leben, <strong>der</strong> Abstand for<strong>der</strong>t <strong>und</strong> dennoch<strong>in</strong> <strong>die</strong> Nähe drängt, weil er das Böse verurteilt <strong>und</strong> zum Gutenantreibt. Dieser Zeuge ist das Gewissen des menschlichenGeistes. Es mahnt <strong>und</strong> pocht, es schlägt <strong>und</strong> straft, wenn wirdas Böse tun. Es macht <strong>die</strong> Gottesferne offenbar. Aber nochmehr tut es. Wenn wir auch nichts Gutes s<strong>in</strong>d, so lebt doch <strong>die</strong>serZeuge <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, um uns das Gute erkennen zu lassen,um uns Gott als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Quelle des Guten zu versichem <strong>und</strong>uns zu <strong>die</strong>ser Quelle h<strong>in</strong>zudrängen.Selbst wo das Schuldbewußtse<strong>in</strong> erloschen sche<strong>in</strong>t, kannsich <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er egozentrischen Sphäre nicht heimischfühlen. Er merkt, daß ihm <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> daher <strong>die</strong> sieverwirklichende Geme<strong>in</strong>schaft fehlt, nach <strong>der</strong> auch das härtesteHerz verlangt. Zur Geme<strong>in</strong>schaft ist <strong>der</strong> Mensch geschaffen.Se<strong>in</strong> Gewissen kämpft gegen <strong>die</strong> Verkehrung <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge, <strong>in</strong> welcher<strong>die</strong> egozentrische Isolierung das Leben zerstört. Es protestiertgegen jeden Schnitt, <strong>der</strong> den lebendigen Zusammenhangzerschneiden will. Es zeigt se<strong>in</strong>e Verw<strong>und</strong>ung an, so oft e<strong>in</strong> Lebensfadenzerrissen wird. Das Gewissen meldet <strong>die</strong> drohendeZerstörung des Lebens bei je<strong>der</strong> Entzweiung des Inneren <strong>und</strong>ebenso bei je<strong>der</strong> Zertrennung <strong>der</strong> zu verwirklichenden Geme<strong>in</strong>schaft.Das Gewissen empf<strong>in</strong>det jede Disharmonie als erschreckend<strong>und</strong> tödlich, weil <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitlichkeitdes Lebens das eigentliche Wesen <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> ausmacht.Jede Trennung von Gott muß den menschlichen Geist zurtödlichen Entzweiung mit sich selbst <strong>und</strong> zur kalten Entfremdungvon se<strong>in</strong>en Mitmenschen führen. Es handelt sich um denZwiespalt zwischen <strong>der</strong> wahrhaftigen Bestimmung des Ich <strong>und</strong>se<strong>in</strong>em wirklichen Zustand, wenn das Gewissen den <strong>in</strong> unsverborgenen Zug zu Gott bewußt macht. Niemandem als unsw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 74selbst schreibt es <strong>die</strong> Schuld zu, sooft wir <strong>die</strong>sem Zug wi<strong>der</strong>streben<strong>und</strong> zuwi<strong>der</strong>handeln.Julius Müller 21 nennt das Gewissen das göttliche Band, dasden geschaffenen Geist, auch <strong>in</strong> tiefer Zerrüttung noch, an se<strong>in</strong>enUrsprung knüpft. Im Gewissen zeigt es sich, daß wir zuGott gehören, wenn auch entartet <strong>und</strong> verkommen. Die Sehnsuchtnach Gott <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Reich<strong>der</strong> tätigen Liebe erweckt den Wi<strong>der</strong>spruch gegen das Böse,gegen <strong>die</strong> entzweiende Macht des Mammons, se<strong>in</strong>er Lüge, se<strong>in</strong>esMordes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Unre<strong>in</strong>heit. Das Gewissen bewirkt <strong>die</strong>Bes<strong>in</strong>nung auf uns selbst, auf unseren verkommenen Zustand<strong>und</strong> zugleich auf <strong>die</strong> Offenbarung unseres ursprünglichen <strong>und</strong>eigentlichen Wesenskerns. Es zeigt das Elend <strong>und</strong> <strong>die</strong> Größedes Menschen zugleich.Das Gewissen als unauslöschlicher Bestandteil des menschlichenBewußtse<strong>in</strong>s bietet das stärkste Zeugnis für den ursprünglichenGottesadel des menschlichen Geistes. Wenn dasWappen <strong>die</strong>ses Adels auch noch so sehr verwittert, <strong>in</strong> noch sotiefen Rissen zerklüftet <strong>und</strong> mit noch so dunklem Moos überwachsenist, so läßt es das Gewissen doch niemals <strong>in</strong> volligeVergessenheit geraten, daß <strong>die</strong> Berufung <strong>die</strong>ses Adels dasEbenbild Gottes war. Selbst <strong>in</strong> den abgewichensten Verzweigungendes Menschengeschlechtes ist <strong>die</strong> Er<strong>in</strong>nerung an<strong>die</strong>ses Ebenbild niemals so unwie<strong>der</strong>br<strong>in</strong>glich verloren, daß sienicht durch Gottes <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen wie<strong>der</strong> ans Licht gebracht werdenkönnte.Der Apostel Jesu Christi bezeugt deshalb ausdrücklich vonden gottentfremdeten Völkern, daß auch sie e<strong>in</strong> Gewissenhaben. Paulus ist so tief durchdrungen von dem göttlichenUrsprung aller lebendiger <strong>Seele</strong>n, daß er das Werk desGesetzes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzen <strong>der</strong> Heiden geschrieben sieht. Auchihr Gewissen zeigt sich bei allem, was sie erleben <strong>und</strong> tun,<strong>in</strong>dem ihre Gedanken sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> anklagen <strong>und</strong>entschuldigen.Liegt doch vor ihrer aller Augen das lebendige Buch <strong>der</strong>Schöpfung Gottes; verweist es sie doch beständig auf <strong>die</strong>_______________________________21Julius Müller, dt. Theologe, 1801-1878w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 75göttliche Berufung, <strong>in</strong> welcher <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> <strong>die</strong> Natur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gesetztwurde. Die Natur bleibt e<strong>in</strong>e Mahnung an den Menschen.Denn <strong>die</strong> Gottesschöpfung ist nirgends so weit von ihrem Ursprung<strong>und</strong> Urs<strong>in</strong>n abgewichen wie im Menschen. Das beweist<strong>die</strong> Gewissensgeschichte <strong>der</strong> Menschheit.Als <strong>die</strong> zu Gottes Liebe berufenen <strong>und</strong> so bald mör<strong>der</strong>isch gewordenen<strong>und</strong> unre<strong>in</strong> vermischten Menschenwesen sich nichtmehr von Gottes Geist richten <strong>und</strong> regieren lassen wollten, gabes <strong>der</strong> re<strong>in</strong>e <strong>und</strong> freie Geist auf, mit ihnen zu rechten. Er wolltees nicht mehr. Zur Unfreiheit gehört <strong>die</strong> Gewalt. Deshalb sandteihnen Gott das Gericht <strong>und</strong> räumte ihnen <strong>die</strong> Todesstrafe e<strong>in</strong>,zunächst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> geordneten Blutrache: Auge um Auge!Zahn um Zahn! “Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll wie<strong>der</strong>durch Menschen vergossen werden” (1. Mose 9,6).Und als <strong>der</strong> knechtische S<strong>in</strong>n des Volkes, das Gottes Volkse<strong>in</strong> sollte, statt se<strong>in</strong>er Herrschaft, statt des Regiments Gottese<strong>in</strong>en menschlichen König haben wollte, mußte Gottes Zornihnen e<strong>in</strong>e absolut menschliche Obrigkeit geben, <strong>die</strong> den Menschenmord<strong>und</strong> alles Böse mit harter Gewalt strafen sollte (1.Sam. 8). Heute haben es <strong>die</strong> Menschen längst vergessen, wassie durch <strong>die</strong>se Tatsachen verloren haben. Solange man nichtGottes Geist rechten <strong>und</strong> regieren lassen will, müssen menschlicheGesetze zur Verhütung noch schlimmerer Gewalten alsnotwendig anerkannt werden.Die <strong>in</strong>nere Übere<strong>in</strong>stimmung des Gewissens zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong>Haltung aller Menschen <strong>der</strong> gesetzlichen Obrigkeit gegenüber.Ihr als <strong>der</strong> verordneten Diener<strong>in</strong> Gottes untertan zu se<strong>in</strong>, mußallen um des Gewissens willen notwendig bleiben. Denn siestraft <strong>und</strong> verurteilt das Böse, wie es das Gewissen for<strong>der</strong>t.Dennoch aber for<strong>der</strong>t das Gewissen, sobald es durch den GeistGottes erweckt ist, daß man - auch <strong>der</strong> Obrigkeit gegenüber- Gott mehr gehorchen muß als den Menschen. Denn GottesReich beansprucht se<strong>in</strong>e Geltung gegen alle Reiche <strong>der</strong> Welt.Aber erst, wenn <strong>die</strong>ser Geist, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Gottes Reich herrscht, tatsächlichüber uns regiert, wirklich mit uns rechten <strong>und</strong> unserganzes Leben praktisch am Reich Gottes ausrichten kann,ist <strong>die</strong> Voraussetzung zu <strong>die</strong>ser ersten <strong>und</strong> letzten For<strong>der</strong>ungGottes gegeben.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 76Das Gewissen wird durch das Gericht <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gewalt <strong>der</strong>Obrigkeit gestraft <strong>und</strong> geschärft. Durch Gottes Reich <strong>und</strong> Geistwird es befreit <strong>und</strong> erfüllt. Überall sucht es <strong>die</strong> Quelle <strong>der</strong> Schuld,durch <strong>die</strong> wir <strong>der</strong> Herrschaft Gottes verloren g<strong>in</strong>gen. Für alleD<strong>in</strong>ge will es e<strong>in</strong> klares Urteil über <strong>die</strong> Grenze zwischen Gut<strong>und</strong> Böse gew<strong>in</strong>nen, weil das Böse uns von Gott geschiedenhat. Das Böse ist ihm <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d. Ihn sieht es überall: Er stehtrechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks; er umgibt uns von vorn <strong>und</strong> im Rücken; un<strong>der</strong> hält se<strong>in</strong>en gefährlichsten Posten <strong>in</strong> unserem Inneren. Dasüberall unser Leben umgebende <strong>und</strong> durchdr<strong>in</strong>gende Böse istmehr als unser Fe<strong>in</strong>d. Es ist <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d Gottes.Der Charakter des Bösen ist Mord <strong>und</strong> Lüge, Unre<strong>in</strong>heit <strong>und</strong>Eigentum. Jesus hat den bösen Geist als den Mör<strong>der</strong> von Anfang<strong>und</strong> als den Vater <strong>der</strong> Lüge, er hat <strong>die</strong> ihm untergebenenGeister als unre<strong>in</strong>e Geister bezeichnet, <strong>und</strong> er hat uns schließlichvor <strong>die</strong> Entscheidung gestellt: “Ihr könnt nicht Gott <strong>und</strong> demMammon <strong>die</strong>nen” (Matth. 6,24). Gottes Herrschaft verträgt sichnicht mit Töten, Lügen <strong>und</strong> unre<strong>in</strong>er Handlung, am wenigstenaber mit <strong>der</strong> Herrschaft des Eigentums. Deshalb steht GottesReich nicht nur für das persönlichste <strong>E<strong>in</strong></strong>zelleben im Gegensatzzu den bösen Mächten des Todes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Sünde; sondemes steht auch im Gegensatz zu aller menschlichen Obrigkeit<strong>und</strong> Gewalt, <strong>die</strong> das Böse bekämpfen will <strong>und</strong> dennoch auf demMammon des Eigentums beruht, sich von Lüge <strong>und</strong> Unre<strong>in</strong>heitnicht trennen kann <strong>und</strong> den Massenmord betreiben muß.Doch durch <strong>die</strong> Entdeckung des Gegners ist nicht mehr erreichtals <strong>die</strong> Aufklärung vor dem Kampf. Auch <strong>die</strong> Entfaltungdes Kampfes, ja selbst <strong>die</strong> Vernichtung des Fe<strong>in</strong>des bedeutetnoch nicht den Sieg. Erst <strong>der</strong> positive Aufbau gibt dem Triumphse<strong>in</strong>en Wert. Deshalb verlangt das Gewissen nach <strong>der</strong> aktivenBetätigung <strong>in</strong> dem wahrhaft Guten, um über das Böse den Siegfeiern zu können.Das Leben Jesu war frei vom Töten <strong>und</strong> Schädigen an<strong>der</strong>erMenschen, frei von je<strong>der</strong> Art von Unwahrheit <strong>und</strong> Unre<strong>in</strong>heit,frei von jedem <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß des Mammons <strong>und</strong> Eigentums. Und erg<strong>in</strong>g weiter <strong>und</strong> schlug <strong>die</strong> fe<strong>in</strong>dliche Macht <strong>in</strong> ihrem eigenstenGebiet. Se<strong>in</strong> Tod zerbrach alle Waffen des Fe<strong>in</strong>des. Aber erw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 77tat mehr als <strong>die</strong>ses. Er brachte das Reich Gottes an <strong>die</strong> Erdeheran; er erweckte Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> vom Tode; er erstand selbstals <strong>der</strong> Lebendige; er richtete durch se<strong>in</strong>en Geist <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lagedes letzten Reiches auf <strong>in</strong> <strong>der</strong> völligen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit für alleD<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> des Himmeis; er legte <strong>die</strong> Zwischenwändezwischen den Völkem nie<strong>der</strong>; er schuf <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>esGeme<strong>in</strong>de-Leibes als se<strong>in</strong>e erneute Verleiblichung. Auf unsererErde <strong>und</strong> <strong>in</strong> unserer Menschheit lebt <strong>die</strong>se se<strong>in</strong>e neue <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>und</strong> Leiblichkeit.Zu <strong>die</strong>sem Weg s<strong>in</strong>d wir berufen, sobald wir den Ruf annehmen.Wenn wir durch Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Geist an <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitGottes als an das alle<strong>in</strong> Gute glauben, wenn wir aus se<strong>in</strong>erKraft im Glauben leben, so tun wir alles ab, was <strong>der</strong> völligenLiebe entgegensteht, <strong>und</strong> bekämpfen es überall bis <strong>in</strong> den Tod.Wir leben als Glaubende <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> völligen Geme<strong>in</strong>schaft<strong>und</strong> s<strong>in</strong>d Botschafter des Reiches Gottes anstelle <strong>und</strong>im Auftrage Jesu Christi. In <strong>die</strong>sem Kampf um <strong>die</strong> Geltung desReiches Gottes, <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Vertretung des letzten Reiches gegenalle Obrigkeiten <strong>und</strong> Gewalten unserer Zeit ist das Gewissen<strong>der</strong> stille Verbündete des Heiligen Geistes.Das Gewissen ist <strong>die</strong> Gefühlsmacht des <strong>in</strong>neren Menschen,<strong>die</strong> auf jede gute Tat mit Lust <strong>und</strong> auf jede böse Handlungmit Unlust antwortet. Es offenbart das Böse als das unseremursprünglichen <strong>und</strong> endgültigen Wesen Fremde <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>strebende,mit dem es we<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlich höherenStandpunkt noch durch e<strong>in</strong>e sich als fortgeschritten rühmendeErkenntnis versöhnt werden kann. Sobald <strong>der</strong> Geist Gottes denMenschengeist zu geme<strong>in</strong>samem Zeugnis <strong>in</strong> Besitz nimmt,wächst das Gewissen zu äußerster Bestimmtheit heran. Esempört sich mit e<strong>in</strong>em bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Wi<strong>der</strong>willengegen jede Verletzung <strong>der</strong> Liebe, gegen jedes Verlassenihrer Pflicht, gegen jede Trübung ihrer Gerechtigkeit, gegenjeden Verrat an ihrer Wahrheit, gegen jede Verfälschung desReiches Gottes.Zu e<strong>in</strong>em Gewissen im Heiligen Geist geworden, meldetes im Namen des gebietenden Gottes <strong>und</strong> dessen absoluterHerrschaft se<strong>in</strong>en schärfsten Protest an, so oft <strong>die</strong> menschlichew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 78Selbsterhaltung e<strong>in</strong>en Vorteil, e<strong>in</strong>en Genuß o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>flußsucht, <strong>der</strong> im Wi<strong>der</strong>spruch zu <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en, völligen <strong>und</strong> umfassendenLiebe Jesu Christi steht. In <strong>der</strong> gleichen Intensität <strong>der</strong>Freude for<strong>der</strong>t es jede Erfüllung <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> ihrersozialen Verpflichtungen, jede Uneigennützigkeit h<strong>in</strong>geben<strong>der</strong>Liebe <strong>und</strong> jede brü<strong>der</strong>liche Vere<strong>in</strong>igung völliger Geme<strong>in</strong>schaft.Die Gewissensregung <strong>der</strong> freudigen Zustimmung <strong>und</strong><strong>in</strong>neren Befriedigung, wenn man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betätigung <strong>der</strong> Liebewenigstens dem Beweggr<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Richtung nach rechtgehandelt hat, bedeutet Weitung. Ebenso for<strong>der</strong>t <strong>die</strong> beängstigendeGewissensnot <strong>in</strong>nerer Selbstanklage, Beschämung<strong>und</strong> Unruhe, wenn das Böse <strong>und</strong> Gottwidrige über unser LebenMacht gew<strong>in</strong>nt, das Werturteil des Menschen über se<strong>in</strong>eeigenen Handlungen heraus. Das Gewissen ist das Organ beständigwirksamer <strong>und</strong> ununterbrochen erneuerter Wertung. Eswertet durch das Gefühl. Es empf<strong>in</strong>det Freude am Guten als an<strong>der</strong> Gerechtigkeit. Es ist Freude an <strong>der</strong> Liebe als an <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<strong>und</strong> wahrhaftigen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Es fühlt Schmerz<strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>willen gegen das Böse als gegen das Ungerechte.Es ist Schmerz über das Liebewidrige als über alles das Geme<strong>in</strong>schaft-Zerstörende,über das Eigennützige, das Unre<strong>in</strong>e,Unechte <strong>und</strong> Unwahre.Das Gewissen will <strong>die</strong> heilige Stimme des <strong>in</strong>neren Menschense<strong>in</strong>. Es will ihm vor Augen halten, wie <strong>der</strong> Mensch ist, obgleicher an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong> soll; wie er nicht ist, obgleich er wissen kann, wieer se<strong>in</strong> soll, wie se<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftslose Gesellschaft ist <strong>und</strong>wie den Völkern <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Reiches Gottes fehlt. Je mehrGottes Wesen <strong>und</strong> Heiligkeit das Herz berührt, um so deutlichersagt das an Christus geb<strong>und</strong>ene Gewissen, was <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>deGottes ist <strong>und</strong> wie <strong>der</strong> Glaubende von ihr aus <strong>die</strong> völlige Liebe<strong>in</strong> Friede wirken<strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft wirken<strong>der</strong> Gerechtigkeitvertreten soll.Die Bes<strong>in</strong>nung auf <strong>die</strong> göttliche Bestimmung des Menschenmacht den scharfen Gegensatz zwischen dem Se<strong>in</strong> Sollen <strong>und</strong>dem Se<strong>in</strong> Bewußt. Das Gewissen gehört zum menschlichenBewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> vertritt dennoch e<strong>in</strong> Sollen, das ganz an<strong>der</strong>sist, als <strong>die</strong> Menschen s<strong>in</strong>d. Das Gewissen ist e<strong>in</strong>e überaus sub-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 79jektive Empf<strong>in</strong>dung, <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong> durchaus objektives Sollen zurückgeht<strong>und</strong> h<strong>in</strong>zielt. Erst <strong>der</strong> objektive Inhalt se<strong>in</strong>er For<strong>der</strong>unggibt dem subjektiven <strong>E<strong>in</strong></strong>druck Bedeutung <strong>und</strong> Gewicht.Das Gewissen hat e<strong>in</strong>e reale Macht zu vertreten, <strong>die</strong> den Menschenvon <strong>in</strong>nen heraus <strong>in</strong> Besitz nehmen will. Weil es von sichaus <strong>die</strong> subjektiven Möglichkeiten des Menschen nicht übersteigenkann, bedarf es des Heiligen Geistes. Ohne den GeistGottes vermag es <strong>die</strong> Sache, <strong>der</strong> es <strong>die</strong>nen will, nicht deutlichzu vertreten. Immer jedoch, auch im fernsten Heidentum, bleibtes <strong>in</strong> Tätigkeit, wenn auch se<strong>in</strong>e Anklagen <strong>und</strong> For<strong>der</strong>ungenmehr durch ungezügelte Wildheit als durch lichte Klarheit ausgezeichnets<strong>in</strong>d. Auch im Heidentum verfolgt das Gewissenden Fliehenden <strong>und</strong> ergreift den Wi<strong>der</strong>strebenden, wie es <strong>die</strong>Er<strong>in</strong>nyen 22 taten, so daß auch solche Meister im Bösen, wie <strong>der</strong>Kaiser Nero, se<strong>in</strong>e Marter erfahren müssen.Der Vergleich des Gewissens mit den Er<strong>in</strong>nyen, jenen unerbittlichenStraf- <strong>und</strong> Rachegeistern des Altertums, liegt um sonäher, als auch <strong>die</strong>se ebenso <strong>der</strong> Obhut des Guten <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>enwie <strong>der</strong> Sühne für das Verbrechen <strong>die</strong>nstbar waren. Weilsie nichts von dem Heiligen Geist Gottes wissen, können sieauch nicht auf se<strong>in</strong>e Herrschaft verweisen. Sie entsprechendem noch nicht von Christus erleuchteten Gewissen, daswohl um Gut <strong>und</strong> Böse weiß, aber den Weg zum Ziel verfehlt.Diener<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> heiligen Ordnung des natürlichen Lebens s<strong>in</strong>dsie. Die Schöpfungsordnung wollen sie vertreten, ohne <strong>die</strong> dasLeben sich selbst zerstören muß.Sie s<strong>in</strong>d scharf blickende Jäger<strong>in</strong>nen, mit Geißel <strong>und</strong> Speero<strong>der</strong> mit Bogen <strong>und</strong> Köcher bewaffnet, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Nebelhüllenverborgen den Bösen erspähen, bereit, se<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne zuzerreißen, se<strong>in</strong>en Geist zu zerrütten <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Blut auszusaugen.Denn auch sie vertreten <strong>die</strong> alte For<strong>der</strong>ung “Blutum Blut”. So entsprechen sie <strong>der</strong> gnadenlosen Obrigkeit <strong>der</strong>Blutgerichte, für <strong>die</strong> Gott nach <strong>der</strong> Sündflut, als se<strong>in</strong> Geistnicht mehr mit den Wi<strong>der</strong>strebenden rechten wollte, das erschreckendeWort sagen mußte: “Das Blut eurer <strong>Seele</strong>n werde ichfor<strong>der</strong>n. Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll durch Menschen_______________________________22Griechische Sagengestaltenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 80vergossen werden. Gott hat den Menschen nach se<strong>in</strong>em Bildegemacht” (1. Mose 9,5+6).Das Vergehen am Blut <strong>der</strong> mit Gottes Odem begabten<strong>Seele</strong>n ist den Gewissen aller Zeiten das schwerste Verbrechen,das Kapitalverbrechen an Gott <strong>und</strong> an se<strong>in</strong>er Ordnung,so daß se<strong>in</strong>e Rächung als <strong>die</strong> erste Pflicht menschlicherObrigkeit ersche<strong>in</strong>t. Wenn auch <strong>die</strong> rächende Obrigkeit <strong>der</strong>menschlichen Ordnung ebenso wie das wütende Toben <strong>der</strong> Er<strong>in</strong>nyenals S<strong>in</strong>nbild des unerlösten Gewissens fern vom Geist desHerzens Gottes bleiben, wenn dort auch nichts vom EvangeliumJesu Christi offenbar werden kann, so ist doch e<strong>in</strong>e strafendeGerechtigkeit, <strong>die</strong> Gerechtigkeit des Zornes dar<strong>in</strong> verborgen.Es ist <strong>der</strong> Zom Gottes, <strong>der</strong> uns durch se<strong>in</strong> Gericht zur vollkommenenLiebe führen will.So s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> alten Er<strong>in</strong>nyen als Diener<strong>in</strong>nen des notwendigenGesetzes strengste Rächer<strong>in</strong>nen des Bösen. Aber sie s<strong>in</strong>dmehr. Wie <strong>die</strong> Obrigkeiten des Staates sollen sie hilfreicheSchutzgeister für alle Guten <strong>und</strong> Reumütigen se<strong>in</strong>. Gegen dasBöse halten sie den drohenden Biß ihrer Schlangen bereit. DemGuten begegnen sie als segnende Erdgött<strong>in</strong>nen mit fre<strong>und</strong>lichemAuge.Die Er<strong>in</strong>nyen s<strong>in</strong>d quälen<strong>der</strong>, als es <strong>die</strong> richtende Obrigkeitse<strong>in</strong> kann. Denn sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Verkörperung des vom Evangelium<strong>der</strong> völligen Liebe noch nicht ergriffenen Gewissens. Sievers<strong>in</strong>nbildlichen <strong>die</strong>selbe Gewissensstrafe, <strong>die</strong> Jahrtausendespäter e<strong>in</strong> Pestalozzi 23 so erschütternd geschil<strong>der</strong>t hat. Wennse<strong>in</strong> Hans Wüst sich vor Qual über se<strong>in</strong>en Me<strong>in</strong>eid auf demBoden wälzt, wenn er heult wie e<strong>in</strong> H<strong>und</strong>, dem <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>geweidezerrissen s<strong>in</strong>d, wenn er sich <strong>die</strong> Haare ausreißt, wenn ersich mit Fäusten bis aufs Blut schlägt <strong>und</strong> rufen muß: “Der Satan,<strong>der</strong> leidige Satan ist me<strong>in</strong> mächtig”, wenn er Schimpf <strong>und</strong>Schande <strong>und</strong> Gefängnis als e<strong>in</strong> Nichts empf<strong>in</strong>det gegenüberdem Schrecken, <strong>der</strong> Verzweiflung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Furcht, daß ihm Gott<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ewigkeit nicht mehr gnädig se<strong>in</strong> könne, so erstehen <strong>die</strong>Er<strong>in</strong>nyen vor dem Auge <strong>der</strong> Neuzeit als Qual des Gewissens.____________________________23Johann He<strong>in</strong>rich Pestalozzi, 1746-1827,Schweizer Pädagoge <strong>und</strong> Sozialreformerw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 81Dieselbe Qual des Gewissens ist es, <strong>in</strong> welcher Lutherausrief: “O me<strong>in</strong>e Sünde, Sünde, Sünde!” Es ist <strong>die</strong>selbe unbeschreiblicheMarter, von <strong>der</strong> er gesagt hat: “Auch ich kennee<strong>in</strong>en Menschen, <strong>der</strong> es versichert hat, er habe <strong>die</strong>se Strafenöfters erlitten, sie hätten zwar e<strong>in</strong>e sehr kurze Zeit gedauert, siewären aber so groß <strong>und</strong> höllisch gewesen, daß <strong>der</strong>en Größeke<strong>in</strong>e Zunge aussprechen, ke<strong>in</strong>e Fe<strong>der</strong> beschreiben, noch, <strong>der</strong>es nicht erfahren, glauben könne, also, wenn sie sollten ihrenvollkommenen Grad erlangen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e halbe St<strong>und</strong>e, ja nurden zehnten Teil e<strong>in</strong>er St<strong>und</strong>e sollten anhalten, so müßte ergänzlich zugr<strong>und</strong>e gehen, <strong>und</strong> alle se<strong>in</strong>e Gebe<strong>in</strong>e würden <strong>in</strong>Asche verkehrt werden. Hier ersche<strong>in</strong>t Gott als mächtig-zornig<strong>und</strong> mit ihm zugleich <strong>die</strong> gesamte Kreatur, alsdann weiß mannicht aus noch e<strong>in</strong>; da ist ke<strong>in</strong> Trost, we<strong>der</strong> von <strong>in</strong>nen noch vonaußen, son<strong>der</strong>n alles ist Ankläger.”Und dennoch verfolgte schon damals Luthers Gewissen, obgleichnoch vor den Toren <strong>und</strong> außerhalb <strong>der</strong> Gnade Gottes,mitten <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem tödlichen Erschrecken vor dem strafendenZorn das positive Ziel <strong>der</strong> Gottesgerechtigkeit. Das Gewissenist mehr als <strong>der</strong> Schutz des Guten, das vor dem Bösen bewahrtwerden soll. Es ist mehr als <strong>die</strong> erschreckende Entdeckung,daß nichts im Menschen wirklich gut ist. Es ist mehr als dasStrafen des Bösen durch <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes. Es soll vielmehrdurch das vernichtende Gericht über das Böse den <strong>in</strong>nerenBlick aut <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung des Guten vorbereiten.Wenn es durch den Geist Gottes ergriffen <strong>und</strong> erleuchtet ist,soll es durch <strong>die</strong> tiefste Buße <strong>und</strong> völligste S<strong>in</strong>nesän<strong>der</strong>ung denGlauben <strong>und</strong> <strong>die</strong> neue Geburt des Lebens vorbereiten. Das verdüsterte<strong>in</strong>nere Auge soll sonnenhaft werden, daß es das ReichGottes sehen kann. Das unter dem Zom zusammenbrechendeGewissen soll zu <strong>der</strong> Gerechtigkeit geführt werden, <strong>die</strong> dasneue Leben tätiger Liebe aus dem Glauben erstehen läßt.Das Gewissen kann als e<strong>in</strong> Ausdruck des menschlichenGeistes von sich aus das Reich Gottes nie <strong>und</strong> nimmer offenbaren.Es kann nichts an<strong>der</strong>es tun als das Echo verstärken, wenn<strong>der</strong> Ruf zur Buße im Herzen ankommt; <strong>der</strong> Ruf, <strong>der</strong> von Gott ausauf das Reich Gottes h<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Herz dr<strong>in</strong>gt. Der Ruf des Lebensw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 82kann nur von dem Ursprung des Lebens ausgehen, das GottesHerz ist. Das Herz Gottes, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Propheten Stimme geworden,ist <strong>in</strong> Jesus Christus als Fülle <strong>der</strong> Gottheit, als Gnade <strong>und</strong>Wahrheit bei den Menschen angekommen. Das Gewissen alse<strong>in</strong> von Gott geschaffenes Organ des <strong>Seele</strong>nlebens kann nichtmehr tun, als daß es dem Ruf des Heiligen Geistes antwortet;vom Geist des Menschen aus kann es <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ungen Gottes,wie sie im Leben Jesu sichtbar werden, annehmen, bejahen<strong>und</strong> vertreten.Aber weil <strong>der</strong> Wille des Gottesgeistes alle Lebensbereichedurchdr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> beherrschen will, kann sich das von ihmerweckte Gewissen nicht nur auf den moralischen Willen beschränken.Als ästhetisches Gewissen for<strong>der</strong>t es <strong>die</strong> Freudeam Schönen, Erhabenen <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>en. Es re<strong>in</strong>igt den <strong>in</strong>nerstenGeschmack von allem Schmutzigen <strong>und</strong> Häßlichen, vonallem Erkünstelten <strong>und</strong> Unechten, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Formung <strong>der</strong>D<strong>in</strong>ge. Als <strong>in</strong>tellektuelles Gewissen ist es <strong>der</strong> Inst<strong>in</strong>kt für <strong>die</strong>gedankliche Wahrhaftigkeit, <strong>die</strong> alles den Tatsachen entsprechendrichtig versteht <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>gibt. Als soziales Gewissenfor<strong>der</strong>t es <strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe des ganzen Lebens mit allen se<strong>in</strong>en Gütern<strong>und</strong> Kräften an <strong>die</strong> Liebe, an <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit <strong>und</strong> an <strong>die</strong>Gerechtigkeit, an <strong>die</strong> völlige Geme<strong>in</strong>schaft mit den Armen <strong>und</strong>Unterdrückten. Als religiöses Gewissen will es <strong>die</strong>s alles für <strong>die</strong>Wahrheit Gottes, für se<strong>in</strong>e Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit als für <strong>die</strong>letzte For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit ihm selbst <strong>und</strong> mit se<strong>in</strong>er unbed<strong>in</strong>gtenHerrschaft. Überall offenbart sich das Gewissen alsWahrheitswille, Gerechtigkeitswille <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitswille des Herzens,<strong>der</strong> den absoluten Gehorsam for<strong>der</strong>t. Der absolute WilleGottes ist es, <strong>der</strong> das Gewissen auffor<strong>der</strong>t, ihn <strong>in</strong> allen irdischenD<strong>in</strong>gen zur Geltung kommen zu lassen.Jesus Christus alle<strong>in</strong> ist es, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mitdem Gotteswort <strong>der</strong> jüdischen Propheten den Willen <strong>der</strong> LiebeGottes als <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> ihren Menschen zugewandt verkündet.Er alle<strong>in</strong> hat <strong>die</strong> Geltung <strong>und</strong> Wirklichkeit se<strong>in</strong>es Reiches <strong>der</strong>Erde <strong>und</strong> den Menschen nahegebracht. Der soziale Wille brü<strong>der</strong>licherGerechtigkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> aktive Friedenswille tätiger Fe<strong>in</strong>desliebeist nirgends als auf dem Boden des Christentums o<strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 83unter se<strong>in</strong>em bestimmenden <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß möglich. IndividualistischeAnarchisten haben deshalb den atheistischen Sozialismus <strong>und</strong>Kommunismus e<strong>in</strong>e säkularisierte o<strong>der</strong> verweltlichte Sekte desChristentums genannt. Ohne dessen Nächstenliebe, ohne dessenbrü<strong>der</strong>liche Ebenbürtigkeit, ohne dessen Zukunftsglaubenals Glauben an das Reich Gottes, ohne dessen soziales Gewissenfür Gottes Willen wäre <strong>die</strong>se europäische Ersche<strong>in</strong>ungniemals möglich geworden.Wenn das Gewissen <strong>in</strong> Christus <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes gef<strong>und</strong>enhat, erkennt es <strong>die</strong> menschliche Ungerechtigkeit als denGegensatz zur Liebe <strong>und</strong> Lebendigkeit Christi. Die GerechtigkeitGottes, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Jesus Ersche<strong>in</strong>ung geworden ist, bedeutetmehr als alles juristische Recht <strong>der</strong> Staaten <strong>und</strong> ihrer Gerichte,mehr als alle religiöse <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit <strong>der</strong> Theologen<strong>und</strong> Moralisten. Denn sie ist wie e<strong>in</strong> Licht, wie e<strong>in</strong> Salz <strong>und</strong> wiee<strong>in</strong> Baum <strong>die</strong> lebendige Wesenskraft leuchten<strong>der</strong> Wärme, kräftigerErhaltung <strong>und</strong> Bewahrung, <strong>die</strong> Wesenskraft umfassendenLebens. Deshalb muß sie als völlige Liebe e<strong>in</strong> gänzlich an<strong>der</strong>esLeben hervorbr<strong>in</strong>gen, als es jede an<strong>der</strong>e noch so soziale Gerechtigkeitvermag.Auch das soziale Gewissen des Glaubenden erschöpft <strong>die</strong>Wahrheit <strong>die</strong>ses Lebens nicht, wenn sie auch se<strong>in</strong>e wichtigsteLebensäußerung unter den Menschen bleibt. Weil <strong>die</strong> Redlichkeitgegen uns selbst sich als <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>voraussetzung deschristlichen Lebens erwiesen hat, muß es se<strong>in</strong> erbittertsterGegner zugeben, daß <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Geschichte des Christentumsden immer strenger genommenen Begriff <strong>der</strong> Wahrhaftigkeithervorgebracht hat. Er sieht, daß <strong>die</strong> Sensibilität deschristlichen Gewissens auch das wissenschaftliche Gewissenzu vornehmster <strong>in</strong>tellektueller Redlichkeit geführt hat. Derimmer fe<strong>in</strong>er geschärfte Inst<strong>in</strong>kt <strong>der</strong> Wahrhaftigkeit hat se<strong>in</strong>Wachstum an Wissenschaftlichkeit zur Folge, so daß FriedrichNietzsche 24 sagen mußte: “Die Gewissenhaftigkeit im kle<strong>in</strong>en,<strong>die</strong> Selbstkontrolle des religiösen Menschen war e<strong>in</strong>e Vorschulezum wissenschaftlichen Charakter; vor allem <strong>die</strong> Ges<strong>in</strong>nung,welche Probleme ernst nimmt, noch abgesehen davon, was_______________________________24Friedrich Nietzsche, dt. Philosoph, 1844-1900w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 84persönlich für e<strong>in</strong>en dabei herauskommt.” Nietzsche mußte esselbst erkennen, daß <strong>der</strong> wissenschaftliche Positivismus demLeben nicht gerecht wird, wenn er das Wissen zum toten Götzendes Lebens erheben will.Auch das <strong>in</strong>tellektuelle Gewissen des Glaubenden erschöpft<strong>die</strong> Wahrheit des Lebens nicht. Das Gewissen <strong>in</strong> Christus erkennt<strong>die</strong> Unwahrheit als Gegensatz zur Lebendigkeit <strong>und</strong>Wesenhaftigkeit. Die Wahrheit bedeutet mehr als <strong>in</strong>tellektuelleWi<strong>der</strong>spruchslosigkeit, weil sie <strong>die</strong> letzte Wirklichkeit des Lebens<strong>in</strong> allem Echten <strong>und</strong> Wesenhaften, <strong>in</strong> allem Unvermischten<strong>und</strong> Klaren, <strong>in</strong> allem Wirksamen <strong>und</strong> Kraftvollen erfassen muß.So muß sie sich <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit <strong>der</strong> Gerechtigkeit als auf denGr<strong>und</strong> gehende Wesenhaftigkeit, als Lebenskraft <strong>und</strong> Tapferkeit,als tätige Schaffensfreudigkeit <strong>und</strong> Liebesmacht beweisen.Die Wahrheit beherrscht das Wesen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge als Liebe.Die Tätigkeit des Gewissens erschöpft sich nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verurteilungdes Bösen, des Unschönen <strong>und</strong> des Unrichtigen. Sieist für <strong>die</strong> Aufnahme aller Lebenskräfte <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> damit für<strong>die</strong> letzte Wesenhaftigkeit wirksam. Wie <strong>die</strong> Liebe niemals e<strong>in</strong>Ende nimmt, kann auch das für sie wirksame Gewissen nirgendse<strong>in</strong>en Abschluß se<strong>in</strong>er Tätigkeit f<strong>in</strong>den. Das Gewissenkann se<strong>in</strong> Wirken niemals e<strong>in</strong>stellen. Auch wenn es nicht stets<strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Schwere unter dem Bewußtse<strong>in</strong> des Bösen, desHäßlichen <strong>und</strong> Unwahren zu leiden hatte, auch wenn nirgendsetwas Gutes se<strong>in</strong>es Schutzes bedürfte, würde se<strong>in</strong>e Arbeit dennochniemals aufhören.Das gute Gewissen ist mehr als e<strong>in</strong> Gewissen, das nichtschlecht ist. Es kennt nicht nur e<strong>in</strong> verurteilendes <strong>und</strong> zustimmendesZeugnis, son<strong>der</strong>n mehr als alles an<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e Anfeuerungzur H<strong>in</strong>gabe <strong>der</strong> Liebe. Vollkommen tritt es beim ApostelPaulus <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung, wenn se<strong>in</strong> Herz <strong>in</strong> Wahrheit für se<strong>in</strong>Volk geschlagen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bereitschaft zur letzten H<strong>in</strong>gabe gefor<strong>der</strong>that. Das gute Gewissen wird niemals zu e<strong>in</strong>em passiveno<strong>der</strong> abwartenden Schweigen; es bleibt immer e<strong>in</strong> aktives, zurTat drängendes Begehren. Es ist <strong>der</strong> Wille zu e<strong>in</strong>em wahrhaftliebenden Leben, letztlich zu Gott <strong>und</strong> zu se<strong>in</strong>em Reich.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 85Bei allen heidnischen Völkern ist etwas von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<strong>die</strong>ser Aktivität spürbar. So wurde Sokrates 25 vierhun<strong>der</strong>t Jahrevor Christus durch <strong>die</strong> bekannte Stimme se<strong>in</strong>es Innerennicht nur von falschen Schritten zurückgehalten, son<strong>der</strong>n auchzu positiven Handlungen angetrieben. Das zeigte sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>ebeim Suchen <strong>der</strong> Wahrheit im fragenden Gesprächmit allen Menschen. Aber gerade se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Stimme, <strong>die</strong>ebenso starke wie unklare Empf<strong>in</strong>dung se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong>, liefertden Beweis, daß das menschliche Gewissen trotz schärfstenWahrheitsstrebens ohne Erneuerung durch den Heiligen GeistGottes <strong>in</strong> verwirren<strong>der</strong> Unklarheit gefangen bleibt. Daß er <strong>die</strong>se<strong>in</strong>nere Stimme als Dämon bezeichnet, verweist weit mehr auf<strong>die</strong> dunklen Ausstrahlungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt als auf <strong>die</strong> helleOffenbarung <strong>der</strong> Wahrheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en <strong>und</strong> völligen Liebe <strong>der</strong>Gottesgerechtigkeit. Es ist e<strong>in</strong> gefährlicher Irrtum, wenn vielemit dem großen christlichen Dichter Dante 26 me<strong>in</strong>en: “Es stehtmir e<strong>in</strong> Gewissen, re<strong>in</strong> <strong>und</strong> treu, zur Seite als Gewährsmann,dem Vertrauen wohl unbedenklich zukommt ohne Scheu.”Es ist mehr als bedenklich, se<strong>in</strong> Gewissen als unfehlbarenGewährsmann zu betrachten. Weil es an je<strong>der</strong> Entartung <strong>der</strong><strong>Seele</strong> se<strong>in</strong>en Anteil behält, kann es <strong>in</strong> sich selbst we<strong>der</strong> re<strong>in</strong>noch unbestechlich werden. Es gleicht etwa e<strong>in</strong>em Lotsen,<strong>der</strong> - <strong>in</strong> fremde Gewässer h<strong>in</strong>ausgestoßen - se<strong>in</strong>e Orientierungverloren hat. Ob er <strong>in</strong> ehrlicher Beschämung se<strong>in</strong>e Ratlosigkeite<strong>in</strong>gesteht o<strong>der</strong> ob er <strong>in</strong> sche<strong>in</strong>barer Sicherheit das Schiffh<strong>in</strong> <strong>und</strong> her steuert - er kann nicht eher se<strong>in</strong>er Bestimmungentsprechen, als bis er se<strong>in</strong>e ihm von Anfang her vertrautenGewässer wie<strong>der</strong>gewonnen hat. Das Gewissen möchte wohlimmer <strong>und</strong> überall richtig steuem. Aber es hat den Weg verloren.Es begehrt nach dem Hafen <strong>der</strong> Heimat. Aber dichte Nebelverhüllen ihm den Blick. Wie für immer ist ihm das Land <strong>der</strong>Klarheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ferne entschw<strong>und</strong>en. Stets von neuem stellt es<strong>die</strong> beängstigende Frage: “Me<strong>in</strong>e arme irrende <strong>Seele</strong>, wirst dunach Hause f<strong>in</strong> den? Welche Wege mußt du noch gehen, bis due<strong>in</strong> Licht wirst sehen?”_______________________________25Sokrates, griech. Philosoph, 470 od. 469-399 v. Chr.26Dante Alighieri, ital. Dichterphilosoph, 1265-1321w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 86Aber gerade wenn <strong>die</strong> Gefahr offensichtlich wird, wenn <strong>die</strong>Ratlosigkeit des Kopfes, <strong>die</strong> Schwäche des Herzens, das unsichtigeWetter, <strong>die</strong> nächste Nähe vemichten<strong>der</strong> Eisberge o<strong>der</strong>scharfer Felsenriffe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> nahende Zusammenstoß mit an<strong>der</strong>en,<strong>die</strong> ebenso unsicher fahren, den unmittelbar bevorstehendenUntergang drohen - <strong>in</strong> <strong>der</strong> äußersten Not kommt dasbeunruhigte Gewissen se<strong>in</strong>er Aufgabe am nächsten. Deshalbkennen so viele nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong> schlechtes Gewissen,als e<strong>in</strong> sündenbeladenes Gewissen, e<strong>in</strong> böses Gewissen. Denn<strong>die</strong> Tatsache bleibt bestehen <strong>und</strong> muß sich auch den heutigenVerwirrungen gegenüber von neuem offenbaren: das Zeugnisdes Gewissens zeigt sich am schärfsten <strong>der</strong> Schuld <strong>und</strong> demdrohenden Untergang gegenüber.Das Herz des Menschen ist gleichsam <strong>die</strong> verborgene Gerichtskammer,<strong>in</strong> <strong>der</strong> das Gewissen als <strong>in</strong>wendiger Richter allesTun <strong>und</strong> Geschehen vor se<strong>in</strong>e Schranken for<strong>der</strong>t. <strong>E<strong>in</strong></strong> Schattendes Willens Gottes ist wie mit zerlesenen Zeichen im Herzengeblieben. Nach <strong>die</strong>sen schwachen L<strong>in</strong>ien soll <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Richterse<strong>in</strong> Urteil fällen. Tag <strong>und</strong> Nacht ist er tätig. Ununterbrochensucht er Urteil <strong>und</strong> Sühne. Und dennoch bleibt das e<strong>in</strong>e klar:das Gewissen schenkt ke<strong>in</strong>e Sühne. Der Mensch kann von sichaus das Gewissen nicht stillen. So bezeugt es den Frommenaller Zeiten <strong>in</strong> unwi<strong>der</strong>sprechlicher Geltung, daß Brandopfer<strong>und</strong> Schlachtopfer, Opfer <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Opfer des Lebens niemandvollkommen machen.Die besten Zeremonien <strong>und</strong> Symbole völligster Aufopferunghelfen e<strong>in</strong>em brennend gequälten Gewissen nichts, wenn nicht<strong>die</strong> Ursache <strong>der</strong> Gewissensnot gelöscht ist. Das Gewissen hörttrotz <strong>der</strong> ernstesten Frömmigkeit o<strong>der</strong> des echtesten Idealismusniemals auf, <strong>die</strong> Sünden als Sünden <strong>in</strong> ihrer von uns ausunsühnbaren Schwere zu verurteilen. Auch wenn wir für unsereIdeale das Leben aufopfern, so spricht dennoch das Gewissenvon Sünden, sooft wir mitten <strong>in</strong> unserer H<strong>in</strong>gabe etwas tun, wasgegen Gottes Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Wahrheit, gegen se<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong>Liebe verstößt.Zu <strong>die</strong>sen unaufhörlichen Anklagen <strong>der</strong> Sünde konnte es nurdurch <strong>die</strong> Erkenntnis des Guten <strong>und</strong> Bösen kommen, durch <strong>die</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 87Geme<strong>in</strong>schaft des Menschen mit <strong>der</strong> Sünde. Vorher kannte <strong>der</strong>erste Mensch, wie heute noch das K<strong>in</strong>d, ke<strong>in</strong> Gewissen <strong>in</strong> <strong>die</strong>semS<strong>in</strong>ne, nämlich ke<strong>in</strong> böses Gewissen. Wie jedes rechteK<strong>in</strong>d wußte er nichts über das Böse. Von <strong>der</strong> Unterscheidung<strong>und</strong> Wahlentscheidung zwischen Gut <strong>und</strong> Böse konnte se<strong>in</strong>eUnschuld nichts begreifen. Denn nur durch Willense<strong>in</strong>heit <strong>und</strong>Tate<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong> “Erkennen” guter wie böser Geistesmächtemöglich.Wohl hatte <strong>der</strong> erste Mensch wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d das Bewußtse<strong>in</strong>,den Willen Gottes tun zu müssen. In welchem Gegensatz <strong>die</strong>serWille zum Bösen steht, wußte er so wenig, wie <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dweiß. Ohne Zweifel hatte er wie jede k<strong>in</strong>dlich lebendige <strong>Seele</strong>den tiefen Antrieb, den Willen dessen zu tun, dessen Odemer trug. Die ganz an<strong>der</strong>s <strong>und</strong> durchaus neu h<strong>in</strong>zutretende Erkenntnisdes Guten <strong>und</strong> Bösen war ke<strong>in</strong>e Verstärkung <strong>die</strong>sesTriebes. Sie konnte <strong>die</strong>ses erste <strong>und</strong> letzte Begehren des Lebensnur hemmen <strong>und</strong> lähmen.Der Mensch wurde e<strong>in</strong> Feigl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Schwächl<strong>in</strong>g. Se<strong>in</strong> Gewissenerkannte das Böse, das er getan hatte. Aber er war ohnmächtiggefesselt. Er hatte noch etwas von Willen. Aber <strong>die</strong>serWille war durch das Tun des Bösen erkrankt <strong>und</strong> gelähmt. Vonsich aus vermochte er das Gute nicht mehr zu vollbr<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong>Gewissen erkannte das Gute. Aber es führte ihn nicht zu Gott,son<strong>der</strong>n es trieb ihn <strong>in</strong> das Versteck se<strong>in</strong>er Scham <strong>und</strong> Angst.Wie konnte es auch an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong>? Das befleckte Gewissenhat <strong>in</strong> sich selbst ke<strong>in</strong>e Macht zur Re<strong>in</strong>igung. Es sieht ke<strong>in</strong>enAusweg aus <strong>der</strong> Umnachtung <strong>und</strong> Umnebelung, <strong>in</strong> <strong>die</strong> es durchdas Erkennen des Bösen gestürzt ist. Es kann erst dann zuse<strong>in</strong>em Ziel gelangen, wenn <strong>der</strong> abtrünnige Mensch zu dem Leben<strong>in</strong> Gott, das er verlassen hatte, zurückgekehrt ist. Mit freiemWillen <strong>und</strong> re<strong>in</strong>em Gewissen soll er von neuem Gott <strong>die</strong>nen.Diese Freiheit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit ist nirgends als <strong>in</strong> Gott gegeben. Beiden Menschen ist sie nicht zu f<strong>in</strong>den. Sie ist als Bruch mit allemBestehenden <strong>die</strong> H<strong>in</strong>kehr zu dem Leben Jesu <strong>und</strong> zu se<strong>in</strong>emkommenden Reich. Nur dort ist <strong>die</strong> Gewissensbefreiung zu f<strong>in</strong>den,<strong>die</strong> Loslösung von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des Bösen <strong>und</strong> H<strong>in</strong>wendungzur Gottesgeme<strong>in</strong>schaft als völlige Umgestaltung desw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 88<strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Lebens bedeutet, wie sie dem Geist desK<strong>in</strong>des <strong>und</strong> dem Ursprung des ersten Menschen entspricht.Die Güte Gottes will alle Wege ausschöpfen, um das Herzzu <strong>die</strong>ser Umkehr zu bewegen. Alle Ereignisse <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong>großen Geschichte wollen uns durch <strong>die</strong> Güte Gottes - auch <strong>in</strong>dem Zom se<strong>in</strong>er Gerichte - zu <strong>der</strong> radikalen Buße leiten, <strong>die</strong> zurWie<strong>der</strong>geburt <strong>und</strong> zum Reich Gottes führt. Weil wir uns <strong>in</strong> <strong>der</strong>Ruhe des bürgerlichen Wohlstands gegen <strong>die</strong> Botschaft vonGott verhärtet haben, muß <strong>der</strong> eiserne Pflug äußerster Not unserGewissen aufreißen. Die Not soll das Gewissen erwecken,daß es von neuem alles Böse verurteilt <strong>und</strong> alles Gute aufsucht,daß es von neuem lernt, auf das Wort <strong>der</strong> Wahrheit zu hören<strong>und</strong> <strong>die</strong> Zukunft Gottes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gegenwart aufzunehmen.Das Vertreten <strong>der</strong> Wahrheit ist letztlich <strong>die</strong> Sache des Gewissens.Je näher es <strong>der</strong> Umkehr des Menschen <strong>und</strong> aller se<strong>in</strong>erD<strong>in</strong>ge kommt, um so tiefer dürstet es nach <strong>der</strong> letzten Wahrheitmit ihrem alles verän<strong>der</strong>nden <strong>und</strong> alles vermögenden Leben.Das Gewissen reagiert auf <strong>die</strong> Wahrheit. Die Schrift <strong>der</strong> Apostel<strong>und</strong> Propheten bezeugt es, daß sich jede unverfälschteWortverkündigung, daß sich jede unvermischte Offenbarung<strong>der</strong> Wahrheit vor den Gewissen aller als solche bezeugt. DasGewissen erkennt <strong>die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung zwischen <strong>der</strong> Wahrheitdes Wortes <strong>und</strong> <strong>der</strong> persönlichen Lauterkeit des Bekenners.Das alte Wort Becks 27 “Das Christentum sucht se<strong>in</strong>e Legitimation<strong>in</strong> den Gewissen” bezieht sich zuerst <strong>und</strong> zuletzt auf <strong>die</strong><strong>in</strong>nere Bezeugung <strong>die</strong>ser objektiven Wahrheit. Sie umfaßt auch<strong>die</strong> persönliche Legitimation des von Gott berufenen Verkündigersfür <strong>die</strong> Lauterkeit se<strong>in</strong>es Wollens, <strong>die</strong> sich zeigt <strong>in</strong> <strong>der</strong>Übere<strong>in</strong>stimmung se<strong>in</strong>er Lebenshaltung mit se<strong>in</strong>em Wort. DasWort br<strong>in</strong>gt Wahrheit <strong>und</strong> ist Wahrheit. Für se<strong>in</strong>en Verkündigerfor<strong>der</strong>t es <strong>die</strong> Wahrhaftigkeit <strong>und</strong> Wesentlichkeit, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Wahrheitentspricht.Wenn Gott den Menschen für se<strong>in</strong>e Botschaft wach macht,so ist es <strong>der</strong> sachliche Inhalt <strong>der</strong> ihn erreichenden Nachricht,<strong>der</strong> das Gewissen so treffen will, daß es nichts an<strong>der</strong>es mehrsuchen <strong>und</strong> begehren kann als <strong>die</strong> Sache selbst. Es trachtet_______________________________27Johann Tobias Beck, 1804-1878w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 89nunmehr nach dem Reich Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Gerechtigkeit. Inallem, was uns damit für <strong>die</strong> Erde zufällt, verfolgt Gott für unserjetziges Leben das Ziel, uns <strong>die</strong>selbe Aufgabe zu gebenwie den ersten Menschen. Wir sollen ausbauen <strong>und</strong> bewahren,geistig durchdr<strong>in</strong>gen, klar bezeichnen <strong>und</strong> verkündigen, was eruns anvertrauen will. Für <strong>die</strong>se Aufgabe unseres Lebens solldas Gewissen frei werden.Gott schenkt <strong>die</strong>se Aufgabe dem Glaubenden <strong>in</strong> dem neuenGarten des neuen Geistes, wie er e<strong>in</strong>st den ersten Menschenden Frieden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des alten Gartens gab.Für <strong>die</strong> Aufgabe also, <strong>die</strong> Erde für se<strong>in</strong>e Herrschaft zu bebauen,will er das Gewissen von <strong>der</strong> Schuld re<strong>in</strong>igen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> allereigenwilligen <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>dseligen Son<strong>der</strong>ung besteht. Ihr Fluchliegt dem heutigen Menschen offenk<strong>und</strong>iger vor Augen als denGeschlechtern an<strong>der</strong>er Zeiten. Der Garten Gottes ist ferner alsje. Rasende Fahrt vergrößert ständig den Abstand. Der Menschdurchflieht <strong>die</strong> entgottete Erde. Zugleich aber naht <strong>in</strong> <strong>der</strong> VerborgenheitGott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich, um den Garten wie<strong>der</strong>zugeben,wo er verloren war.Selten ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Menschheit <strong>der</strong> Gegensatzzwischen dem Reich Gottes <strong>und</strong> dem Reich des Mammons sodeutlich zutage getreten wie <strong>in</strong> unseren Tagen. Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erähnlichen Lage wie <strong>die</strong> Menschen <strong>der</strong> Reformationszeit.Der Reformator Jakob Hutter war es, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Tirol <strong>und</strong> Mährenvon 1529 bis zu se<strong>in</strong>em im Jahre 1536 erfolgten Märtyrertodewirkte. Für Tausende verkündete er dort von neuem das volleEvangelium Gottes <strong>und</strong> begründete <strong>die</strong> völlige Geme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong> e<strong>in</strong>igen Geme<strong>in</strong>de im Glauben an das Reich Jesu Christi.Er schreibt 1535 von Tirol aus nach Mähren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em durchWolf Zimmermann übersandten Brief:“Damit wolle Gott unsre Herzen überschütten <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Gartensegnen, auf daß er fruchtbar werde mit allen guten Werken.Welcher Garten ist <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de des lebendigen Gottes. Gottwolle auch euch <strong>die</strong>sen Garten umzäunen <strong>und</strong> vermauern, behüten<strong>und</strong> beschirmen, auf daß <strong>die</strong> Frucht reif werde; denn jetztblüht <strong>der</strong> Lustgarten des Herrn! Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> des Herm grünenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 90<strong>und</strong> wachsen <strong>in</strong> göttlicher Gerechtigkeit <strong>und</strong> Wahrheit wie <strong>die</strong>Gilgen <strong>und</strong> Blumen, wie e<strong>in</strong> schöner Garten nach e<strong>in</strong>em liebenMaienregen grünt. Ja, ihre Herzen brennen von dem Feuer <strong>der</strong>göttlichen Liebe. Ihre Herzen s<strong>in</strong>d erleuchtet <strong>und</strong> angezündetvon dem ewigen Licht <strong>und</strong> Feuer Gottes. Darum sie billig e<strong>in</strong>Lustgarten des Herrn <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Para<strong>die</strong>s Gottes genannt werden.Die heilige Stadt mag nicht verborgen se<strong>in</strong>.”Dieser Geme<strong>in</strong>de als dem neuen Gottesgarten ist für unsereZeit <strong>die</strong>selbe Friedensgeme<strong>in</strong>schaft Gottes <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe Liebesarbeitan <strong>der</strong> Erde anvertraut wie e<strong>in</strong>st den ersten Menschen.Ihr ist <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong>selben Gerechtigkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong> Händegelegt, <strong>die</strong> im Endreich Jesu Christi alle Welten erobern wird.Die Herrschaft des Geistes über <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Leib <strong>und</strong> damitüber alle D<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Erde soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de als das EbenbildGottes von neuem so offenbar werden, wie es <strong>in</strong> JesusChristus gegeben ist. Für <strong>die</strong>se Aufgabe des ersten Menschen<strong>und</strong> des letzten Adam will das Evangelium Gottes unser Gewissenerwecken. Diese Aufgabe soll es aufnehmen, ohne ihrgewachsen zu se<strong>in</strong>.Die Erkrankung <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> des Geistes hat das Gewissendes Menschen zu tief durchsetzt, als daß es e<strong>in</strong> klarer Spiegeldes Guten <strong>und</strong> Bösen se<strong>in</strong> könnte. Am wenigsten vermag ese<strong>in</strong> klares Ebenbild Gottes vorzuzeichnen. Trotz se<strong>in</strong>es wie<strong>der</strong><strong>und</strong> wie<strong>der</strong> erneuerten Zeugnisses ist es durch das Böse<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> verunre<strong>in</strong>igt. Wie es sich vor ihrer unre<strong>in</strong>en Trübungnicht zu bewahren vermochte, so vermag es sich auch nichtvon ihr zu re<strong>in</strong>igen. Nicht nur ist es von sich aus außerstande,e<strong>in</strong> klares Bild hervorzubr<strong>in</strong>gen, son<strong>der</strong>n es kann nicht e<strong>in</strong>maldas <strong>in</strong> Jesus so überaus deutlich aufstrahlende Bild Gottes <strong>in</strong>klaren Umrissen wi<strong>der</strong>spiegeln. Es muß stets von neuem gere<strong>in</strong>igtwerden.Das menschliche Gewissen kann ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Re<strong>in</strong>igungerlangen als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e, e<strong>in</strong>zige durch das h<strong>in</strong>gegebene Lebensblutdes Christus, <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> das re<strong>in</strong>e Bild Gottes war <strong>und</strong> ist.Se<strong>in</strong>e geopferte <strong>Seele</strong> br<strong>in</strong>gt uns das Leben Gottes. Der Glaubean unser eigenes Blut, an <strong>die</strong> Schönheit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> o<strong>der</strong> anw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 91<strong>die</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Rasse ist e<strong>in</strong>e Verwirrung <strong>und</strong> Umkehrungdes wahren Tatbestandes. Unser aller Blut erweist sich als mitbösem Erbe belastet. Es zeigt sich als durchaus unre<strong>in</strong>. DerGlaube an Jesus Christus hält sich an e<strong>in</strong> edleres Blut. Die<strong>Seele</strong> se<strong>in</strong>es Blutes war von dem re<strong>in</strong>en Geist <strong>der</strong> Liebe Gottesbestimmt <strong>und</strong> erfüllt. Ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Menschenleben kann damitverglichen werden. Deshalb ist er mehr als e<strong>in</strong>e lebendige<strong>Seele</strong>. Er ist <strong>der</strong> lebendig machende Geist.Das Leben Jesu stellt <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige menschliche <strong>Seele</strong> dar, <strong>die</strong>sich von aller Befleckung freigehalten hat. Auch se<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong>hatte ihr Leben im Blut. Auch se<strong>in</strong> Blut war <strong>in</strong> gegenseitig bed<strong>in</strong>gter<strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit se<strong>in</strong>em Körper verknüpft. Aber se<strong>in</strong> Körperwar ohne Sünde; se<strong>in</strong> Blut war re<strong>in</strong>; se<strong>in</strong> Gewissen war unbefleckt.Als er se<strong>in</strong> Leben für uns opferte, war das Vergießen se<strong>in</strong>esBlutes frei von aller eigenen Schuld. Se<strong>in</strong> Blut war frei vonje<strong>der</strong> Unre<strong>in</strong>heit, von aller Unechtheit <strong>und</strong> von jedem begehrlichenWillen. Es war frei von je<strong>der</strong>, auch von <strong>der</strong> schwerstenSchuld <strong>der</strong> Menschenhand, Menschenblut zu vergießen. Inke<strong>in</strong>er Lage, für ke<strong>in</strong> noch so hohes Ziel wußte er etwas von<strong>die</strong>sem schwersten Frevel am Leben, von dem Frevel an demalle<strong>in</strong> von Gott gegebenen Leben, das nur Gott selbst wie<strong>der</strong>nehmen darf. Ke<strong>in</strong> Krieg <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Blutgericht kann sich auf ihnberufen. Unbefleckt von <strong>die</strong>ser wie von aller Schuld konnte erse<strong>in</strong>en Geist <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hände des Vaters übergeben. Es war e<strong>in</strong>lebendiger Geist, den nichts verdorben hatte, was dem Todeangehört <strong>und</strong> zum Tode führt.Von Gott aus sendet er <strong>die</strong>sen lebendig machenden Geistvon neuem zu uns. Wer <strong>die</strong>sen re<strong>in</strong>en Geist empfängt, dessen<strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Gewissen wird re<strong>in</strong> von aller alten Schuld; <strong>und</strong>se<strong>in</strong> Leben wird bewahrt vor neuer Verschuldung. Denn dasfür ihn h<strong>in</strong>gegebene Leben ist <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> völligen Liebebis <strong>in</strong> den Tod. Das für ihn <strong>in</strong> den Tod gegebene Blut ist stärkerals <strong>der</strong> Tod <strong>und</strong> mächtiger als alle se<strong>in</strong>e tödlichen, vergiftenden<strong>und</strong> entzweienden Gewalten. Denn es trägt e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> sich,das von allen lebenswidrigen <strong>und</strong> gottwidrigen Elementen desTodes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Zersetzung freigeblieben ist. Die Re<strong>in</strong>igungdurch das Blut Christi bedeutet, daß se<strong>in</strong> unberührtes h<strong>in</strong>ge-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 92gebenes Leben durch se<strong>in</strong>en Geist jetzt <strong>und</strong> hier se<strong>in</strong>e Kraftentfaltet. So vermag es unser Gewissen von aller Unre<strong>in</strong>heit zubefreien.Se<strong>in</strong> Opfer vermag durch völlige Vere<strong>in</strong>igung mit unseremLeben unser Gewissen von aller Schuld <strong>und</strong> Verirrung zu re<strong>in</strong>igen.Es verleiht unserem Gewissen <strong>die</strong> höchste <strong>und</strong> re<strong>in</strong>steAufgabe. Denn se<strong>in</strong> Opfer schuf <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> neue <strong>und</strong>e<strong>in</strong>zige <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> es unter den Menschen gibt. Es schuf <strong>die</strong>organische <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Reiches <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>zige Grenze zwischen den Völkern bestehen läßt. Denn se<strong>in</strong>Opfer hat <strong>die</strong> stärkste Mauer zwischen den Völkern nie<strong>der</strong>gelegt,<strong>die</strong> Mauer, <strong>die</strong> zwischen dem jüdischen Volk <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>enNationen bestand. Wer <strong>die</strong>se Mauer wie<strong>der</strong> aufrichtenwill <strong>und</strong> daneben an<strong>der</strong>e Zäune zwischen den Nationen behauptenwill, verrät das Blut Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Opfer. Alle Taten,<strong>die</strong> von e<strong>in</strong>er solchen Ges<strong>in</strong>nung getragen s<strong>in</strong>d, müssen sichals Werke des Todes beweisen, weil sie dem Geist des Lebenszuwi<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d. Alle Werke eigenwilliger Abgrenzung s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> bleiben tote Werke.Das Gewissen ist trotz se<strong>in</strong>er tiefen Schwäche dem Ursprung<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> aus Gott, <strong>der</strong> Quelle des Lebens, so weit treu, daßes alle toten Werke bekämpft. Das Gewissen will, daß alleeigenmächtigen Taten durch das Blut Christi beseitigt werden,denn ohne den Geist Christi <strong>und</strong> ohne <strong>die</strong> Kraft Gottes könnensie niemals <strong>und</strong> nirgends Leben wirken. Tot s<strong>in</strong>d alle Werke,<strong>die</strong> als Taten eigener Kraft aus eigenen Beweggründen stammen<strong>und</strong> eigene Ziele verfolgen. Tot s<strong>in</strong>d alle Taten, welche denUrsprung des Lebens <strong>und</strong> das Ziel Gottes <strong>in</strong> Christus Jesusverleugnen.Das Evangelium will uns zur Ruhe von allen eigenen Werkenbr<strong>in</strong>gen, damit durch se<strong>in</strong>en Geist das Werk Gottes beg<strong>in</strong>ne,wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Jerusalem geschah. Nunbeg<strong>in</strong>nt Gott se<strong>in</strong> Werk. Der Heilige Geist baut es auf. JesusChristus vollbr<strong>in</strong>gt es. In Gott wird es vollendet. Ist das Gewissenvon allem Bösen <strong>und</strong> von allem Toten gere<strong>in</strong>igt, so regt essich jetzt mehr als jemals zuvor. Nun soll das Geheimnis desGlaubens <strong>in</strong> re<strong>in</strong>em Gewissen bewahrt werden. Nun soll sichw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 93das neue Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Liebe betätigen, <strong>die</strong> als Gottes Liebe,als Gottes Werk aus re<strong>in</strong>em Herzen, aus gutem Gewissen <strong>und</strong>ungeheucheltem Glauben kommt.Das erwachte Gewissen setzt <strong>in</strong> stets steigendem Maßese<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Kraft dafür e<strong>in</strong>, daß alle zur Verfügung stehendenMittel <strong>und</strong> Gaben für <strong>die</strong> Erfüllung des Gotteswillens, für dasWerk, das alle<strong>in</strong> Gott wirken kann, verwandt werden. Die völligeLiebe will sich <strong>in</strong> Gottes Werk an allen Menschen auswirken, sodaß nicht nur jedem se<strong>in</strong> Recht geschieht, son<strong>der</strong>n daß so vieleMenschen wie möglich zum Bewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> zur Erfüllung ihrerhöchsten Bestimmung gelangen.Das Gewissen will, daß <strong>der</strong> Mensch se<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Gott wie<strong>der</strong>gewonnenenAdel <strong>in</strong> reicher Wirksamkeit betätigt. Dieser Adelträgt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Wappen das Bild Gottes. Er soll Gottes Reich<strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freude <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit desFriedens auf sich nehmen. Das <strong>in</strong> Christus gere<strong>in</strong>igte Gewissensucht als e<strong>in</strong> Gewissen im Heiligen Geist das Ebenbild Gottes.Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi <strong>und</strong> im Reich Gottes kann es vonneuem unter den Menschen erstehen. Wo <strong>der</strong> Geist des Geme<strong>in</strong>degebietersals <strong>der</strong> Geist des Reichskönigs ist, ersche<strong>in</strong>tse<strong>in</strong> Bild. Klarer <strong>und</strong> klarer, leuchten<strong>der</strong> <strong>und</strong> leuchten<strong>der</strong> treten<strong>die</strong> Charakterzüge Gottes hervor. Das durch den Geist erleuchteteGewissen erkennt das Bild Gottes als <strong>die</strong> Bestimmung desMenschen. Nunmehr kennt es ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Zeugnis. Es ist <strong>der</strong>F<strong>in</strong>ger des Grünewaldbildes 28 geworden, <strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Gestaltdes Gekreuzigten verweist. Im Bild Jesu Christi erneuert, ersche<strong>in</strong>tdas hun<strong>der</strong>tfach übermalte Menschenbild von neuemals das Ebenbild Gottes.______________________________28Geme<strong>in</strong>t ist <strong>der</strong> auf Jesus weisende F<strong>in</strong>ger des Johannes im IsenheimerAltar des Matthias Grünewald, dt. Maler um 1470/80 nach 1529.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 94DAS GEWISSENUND SEINE GESUNDUNGDas Gewissen ist als <strong>in</strong>nerste Empf<strong>in</strong>dung des menschlichenGeistes e<strong>in</strong> Organ von ordentlicher Zartheit <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dlichkeit.Es ist wie e<strong>in</strong> überfe<strong>in</strong>er Meßapparat durch jedeWitterung bee<strong>in</strong>flußbar, bei je<strong>der</strong> Erschütterung aufs äußerstegefährdet. Es ist nicht nur <strong>die</strong> Veräußerlichung des Lebens, esist nicht nur das unbedachte Öffnen aller Tore für jeden W<strong>in</strong>d<strong>und</strong> für jede Temperatur des Zeitgeistes, was das Gewissenaus se<strong>in</strong>em Gleichgewicht zu br<strong>in</strong>gen droht. Auch e<strong>in</strong>e gedanklichgeistige Entwicklung des Inneren kann <strong>in</strong> <strong>die</strong> Irre führen.Selbst religiöser Aufschwung kann f<strong>in</strong>stere Umnachtung br<strong>in</strong>gen.Auch auf den heiligsten Gebieten ist das Gewissen e<strong>in</strong>unsicherer Faktor.Das Gewissen bleibt krankhaft, solange es nicht durch <strong>die</strong>Kraft des h<strong>in</strong>gegebenen Lebens Jesu geheilt ist. Das Gewissenbleibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geb<strong>und</strong>enheit an falsche Ideale, an irrigeMenschengedanken unzuverlässig <strong>und</strong> entartet, bis es <strong>in</strong> demwahren <strong>und</strong> wesenhaften Wort Gottes, <strong>in</strong> dem lebendigen GeistJesu Christi se<strong>in</strong>e Freiheit erlebt <strong>und</strong> behauptet. Ges<strong>und</strong>heitdes Geistes gibt es alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem Tun des Gotteswillens, wie ihnJesus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Bestimmtheit ausgesprochen, gelebt <strong>und</strong>mit dem Tode besiegelt hat. Alle an<strong>der</strong>en noch so stark auftretendenBil<strong>der</strong> machen das Gewissen unsicher <strong>und</strong> leistungsunfähig.Das Gewissen verlangt nach dem Wesen <strong>der</strong> Wahrheit. Se<strong>in</strong>Wille for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> letztes Ziel, dem nicht wi<strong>der</strong>sprochen werdenkann. Gewissenskraft als wachsend sichere Klarheit gibt es nur<strong>in</strong> <strong>der</strong> Herrschaft des Friedens als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong>Gerechtigkeit als Brü<strong>der</strong>lichkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Freudeals <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en, alles <strong>und</strong> alle umfassenden Liebe. Jedes an<strong>der</strong>enoch so großartig ersche<strong>in</strong>ende Ideal, welches – wennauch nur vorläufig – an<strong>der</strong>sartige Ziele verfolgt, wirkt tödlichw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 95<strong>und</strong> mör<strong>der</strong>isch. Überall zweigen von dem alle<strong>in</strong> aufwärts führendenWeg e<strong>in</strong>same Pfade <strong>und</strong> breit befahrene Straßen ab.Sie alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> br<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> Menschen von <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, von<strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Liebe weiter <strong>und</strong> weiter ab. Sieführen <strong>in</strong> Dunkelheit, Unsicherheit <strong>und</strong> Zwiespalt. Sie enden imSturz <strong>in</strong> den Abgr<strong>und</strong>. Das Gewissen als e<strong>in</strong>e überzarte Eigenschaftdes schwachen Menschen ist sehr leicht auf gefährlicheAbwege <strong>und</strong> zu ver<strong>der</strong>blicher Entartung zu br<strong>in</strong>gen.Die Krankhaftigkeit des verirrten Gewissens äußert sich <strong>in</strong>geistesverwirren<strong>der</strong> Heftigkeit fe<strong>in</strong>dseliger Vorwürfe <strong>und</strong> vernichten<strong>der</strong>Selbstanklagen. Zwiespalt <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeit untergraben<strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Lebensfähigkeit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong><strong>der</strong> Völker. Vor allem zeigt sich <strong>die</strong>se Krankheit <strong>in</strong> dem <strong>E<strong>in</strong></strong>setzen<strong>der</strong> empf<strong>in</strong>dsamsten Reaktion am falschen Ort. Es ist <strong>die</strong>typische Wirkung aller falschen Ideale <strong>und</strong> Ziele, daß sie demGewissen <strong>der</strong> Hauptsache gegenüber jede Sicherheit nehmen.Sie alle heften es an Nebensächlichkeiten. Sie alle <strong>die</strong>nen<strong>der</strong> Zersplitterung. Sie alle erschüttern das Vertrauen auf dene<strong>in</strong>igenden <strong>und</strong> re<strong>in</strong>igenden Geist. Denn sie alle wollen <strong>die</strong> vonihnen zu vertretende Sache auf willkürlich gesetzte Grenzenbeschränken. Nach <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite hetzen sie das Gewissenzu wildester Übertreibung <strong>und</strong> Ungerechtigkeit, nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enstumpfen sie es ab.Wo das Vertrauen auf <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>zigkeit <strong>und</strong> Absolutheit des Zielesverloren ist, setzt das Gewissen falsch e<strong>in</strong> <strong>und</strong> gibt schließlich<strong>die</strong> sichere Klarheit für immer verloren. Ohne Treffsicherheitzuckt <strong>die</strong> irritierte Magnetnadel h<strong>in</strong> <strong>und</strong> her, solange neben demmagnetischen Pol an<strong>der</strong>e Saugkräfte Geltung haben. DieseUnruhe erzeugt e<strong>in</strong> flackerndes Urteil, das wie e<strong>in</strong> RaubvogelBeute sucht. Es gibt Fälle, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> krankes Gewissen ke<strong>in</strong>enGedanken aufkommen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en Schritt geschehen läßt,ohne ihm mit schweren Bedenken <strong>und</strong> harten Urteilssprüchenentgegenzutreten. <strong>E<strong>in</strong></strong>e solche Erkrankung erfüllt das ganzeLeben mit Unlust <strong>und</strong> Kränkung, mit Selbstzerfleischung <strong>und</strong>Ungerechtigkeit.Sie kann alle<strong>in</strong> dadurch geheilt werden, daß das an sichselbst leidende Gewissen durch den Geist Christi se<strong>in</strong>en Freisprucherlebt. Wo <strong>die</strong> Anklage gelöscht ist, erlischt das unstetew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 96Flackem <strong>die</strong>ses unre<strong>in</strong>en Feuers. Die Fe<strong>in</strong>dseligkeit <strong>und</strong> Ungerechtigkeits<strong>in</strong>kt <strong>in</strong> Asche, sobald das re<strong>in</strong>e Licht <strong>der</strong> liebendenGnade durchbricht. In <strong>der</strong> Luft Gottes vergeht das Feuer desBösen. Wem viel vergeben ist, <strong>der</strong> liebt viel. Wer <strong>die</strong> Liebe erfährt,vergibt viel. Wo <strong>die</strong> Kraft <strong>der</strong> alles umfassenden <strong>E<strong>in</strong></strong>heitdurchbricht, verschw<strong>in</strong>den alle irreführenden Nebenziele <strong>der</strong>Zersplitterung <strong>und</strong> Zerstörung.Es ist e<strong>in</strong>e Tatsache, daß <strong>die</strong> Bereitschaft zur Ges<strong>und</strong>ung mitdem rückhaltlosen Aufdecken <strong>der</strong> Krankheit beg<strong>in</strong>nt. Wer <strong>die</strong>Anklagen <strong>und</strong> Hemmungen des Gewissens offenherzig preisgibt,wer <strong>die</strong> Macht <strong>der</strong> von ihm verklagten Triebe als Wirklichkeitanerkennt, wer ihre krankhafte Verdrängung ans Lichtbr<strong>in</strong>gt, wer se<strong>in</strong>e Selbstzerfleischung <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeit mitihrer ganzen Ungerechtigkeit herausgibt, ist <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>ungnahe. Das Verschweigen aufreiben<strong>der</strong> Kämpfe führt zur Zerstörung<strong>der</strong> Lebenskraft, wie es <strong>die</strong> Psalmen mit unübertrefflicherKlarheit bezeugen. Die sachliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit allensich wi<strong>der</strong>strebenden Kräften <strong>und</strong> Trieben, <strong>die</strong> Enthüllung allerihrer Motive <strong>und</strong> Ziele vermag dem aufreibenden Wi<strong>der</strong>streitallen Boden zu entziehen.Aber auch hier ist <strong>die</strong> Aufdeckung des Schadens nicht mehrals <strong>der</strong> erste Schritt. Nun gilt es, den entarteten <strong>und</strong> unterdrücktenLebenstrieben den Weg zur Heilung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er gottgewolltenAuswirkung zu zeigen. Das Gewissen muß das LandGottes f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> welchem an <strong>der</strong> Stelle <strong>der</strong> Verzagtheit <strong>und</strong>Verzweiflung, zu <strong>der</strong> alle Unruhe <strong>der</strong> Menschen verdammt ist,<strong>die</strong> Lebensfreude des Gotteswillens tritt.Deshalb bleibt hier je<strong>der</strong> Versuch seelischer Hilfe unzulänglich<strong>und</strong> vergeblich, solange das Gewissen von <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>nmör<strong>der</strong>eigegenseitiger Anklage <strong>und</strong> eigener Selbstanklage wie von<strong>der</strong> verzweifelten Mühe eigener Anstrengung nicht aufs gründlichste<strong>und</strong> völligste befreit wird. Auf <strong>die</strong>sem verfluchten Ackereigener Anstrengung <strong>und</strong> selbstischer Zielsetzung kann nichtsgeschafft werden, was vor dem Gewissen <strong>und</strong> vor dem letztenGericht bestehen könnte. Von dem eigenen Geist, von demeigenen Willen, von dem eigenen Ziel, von dem eigenen Werkdes Menschen muß das Gewissen befreit werden. Alle Lebens-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 97kräfte müssen <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> aktiven <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> positiven Lebensaufgabezugeführt werden, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Schöpfungswille Gottes <strong>und</strong>das Ziel se<strong>in</strong>er neuen Schöpfung ist. Nach <strong>die</strong>sem e<strong>in</strong>en Zielstrebt das Unterbewußtse<strong>in</strong> des Gewissens, selbst wenn essich <strong>in</strong> tiefster Erkrankung <strong>und</strong> Entartung über das alles ke<strong>in</strong>eklare Rechenschaft geben kann.Um so entschiedener muß <strong>der</strong> uralte, immer wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> neuerForm auftretende Versuch zurückgewiesen werden, <strong>in</strong> demman ges<strong>und</strong>este Regungen des Gewissens als e<strong>in</strong>e Erkrankungbezeichnet, <strong>die</strong> man mißachten müßte. Das Gewissendarf niemals betäubt o<strong>der</strong> verachtet werden. Es muß vielmehrzu heller Ges<strong>und</strong>ung geführt werden, <strong>in</strong>dem es von se<strong>in</strong>enfalschen Zielen befreit <strong>und</strong> auf das Reich Gottes h<strong>in</strong>geleitetwird. Das bedeutet niemals Betäubung o<strong>der</strong> Verachtung desGewissens, son<strong>der</strong>n vielmehr se<strong>in</strong>e positive Geltung <strong>in</strong> neuerKlärung <strong>und</strong> Inhaltgebung. Diese Befreiung <strong>und</strong> Erfüllung führtzu lebendiger Aktivität. Das gilt für alle Lebensbereiche, <strong>die</strong> dasGewissen umfaßt. Am deutlichsten wird es für <strong>die</strong> öffentlicheVerantwortung <strong>und</strong> für <strong>die</strong> berufliche Arbeit. Sie wird für alleersichtlich durch das an Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich geb<strong>und</strong>eneGewissen vor gänzlich neue Wege <strong>und</strong> vor unbekannte Möglichkeitengestellt.<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe Inhaltgebung <strong>und</strong> Aktivierung gilt für alleGebiete. Sie gilt für <strong>die</strong> Befreiung von Mord, vom Eigentum<strong>und</strong> von <strong>der</strong> Lüge ebenso wie für <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>igung des sexuellenLebens. Es geht um das menschliche Dase<strong>in</strong> als Ganzes. Manmuß es ganz gew<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> alles auf e<strong>in</strong>mal verloren geben.Das heute bis <strong>in</strong>s Innerste verwirrte Leben hat viele so betäubt,daß sie ke<strong>in</strong>e Gewissenskraft <strong>und</strong> Gewissensklarheit mehraufbr<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> entscheidend e<strong>in</strong>greifen könnte. Dem Ganzengegenüber s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> bleiben sie ratlos.Bis <strong>in</strong> Kreise h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> seit langen Zeiten e<strong>in</strong>e gewissemoralische Inst<strong>in</strong>ktsicherheit bewiesen haben, ist <strong>in</strong> Kriegs<strong>und</strong>Nachkriegszeiten Geschäftsbetrug aller Art vorgedrungen.Politischer Mord, billig als Notwehr gerechtfertigt, leichtfertigsteBereitschaft zu Krieg, Bürgerkrieg <strong>und</strong> Bru<strong>der</strong>mord haben e<strong>in</strong>emGroßteil des Volkes jede Abwehrkraft des Gewissens gegen <strong>die</strong>Mächte <strong>der</strong> Hölle zerstört.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 98Niemand, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Zeichen <strong>der</strong> Zeit versteht, kann es verwun<strong>der</strong>n,daß sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Lage kaum e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e wirklicheBeunruhigung über <strong>die</strong> Ungerechtigkeit des Mammons <strong>und</strong>Eigentums zeigt, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Wahrheit jede Liebe <strong>und</strong> das ganzeLeben ertöten. Auch über <strong>die</strong> immer maßloser werdende Tollheit<strong>der</strong> Untreue, über <strong>die</strong> Unbeherrschtheit aller begehrlichenTriebe darf man bei <strong>der</strong> offenk<strong>und</strong>igen Gewissensverwirrung<strong>der</strong> gesamten Gesellschaft nicht erstaunt se<strong>in</strong>. Die Masse ist <strong>in</strong>Bewegung. Die Menschheit dreht sich um ihren Wendepunkt.Mit größter Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit führt <strong>die</strong>se entscheidende Bewegungzum Untergang. Bedrohliche Anzeichen häufen sichauf allen Gebieten. Das Gefährlichste <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Situation ist<strong>die</strong> Bereitschaft geistiger Führer, <strong>die</strong> sich beständig steigerndeVerworrenheit so verblüffend zu begründen, daß sich niemandmehr beunruhigt zu fühlen hat.Das Unnormalste wird heute zur Norm erhoben; o<strong>der</strong> eswird doch wenigstens zum normalen Lebensbedürfnis e<strong>in</strong>igere<strong>in</strong>zelner o<strong>der</strong> ganzer Bevölkerungsgruppen umgemünzt. Alskennzeichnendes Beispiel, das für alle an<strong>der</strong>en Lebensgebietecharakteristisch ist, muß hier auf <strong>die</strong> sexuelle Gewissensverwirrungunserer Tage h<strong>in</strong>gewiesen werden. In den durch Sigm<strong>und</strong>Freud bee<strong>in</strong>flußten Kreisen will man <strong>die</strong> sexuellen Verirrungenaller Art <strong>und</strong> ohne Unterschied, ob sie am eigenen Leib, aman<strong>der</strong>en Geschlecht o<strong>der</strong> am gleichen Geschlecht frevelnwollen, aus dem schlummemden Unterbewußtse<strong>in</strong> hervorholen.Man bedauert, daß sie dorth<strong>in</strong> durch das Gewissen zurückgedrängtwaren.Bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> jüngste K<strong>in</strong>dheit <strong>und</strong> bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> geistigen Beziehungenh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> sucht man selbst so edle Gefühle wie <strong>die</strong>zwischen Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als das ganze Leben bestimmendesexuelle Triebkraft nachzuweisen. Und was bei Freud selbstRichtl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> Maximen wissenschaftlicher Forschung s<strong>in</strong>d,gestaltet sich bei manchen se<strong>in</strong>er Anhänger zu praktischenPerspektiven <strong>und</strong> Leitsätzen <strong>der</strong> persönlichen Lebenshaltung,<strong>die</strong> von gefährlichstem <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß se<strong>in</strong> müssen.Man will krankhafte Vorstellungen <strong>in</strong>s gedankenhelle Bewußtse<strong>in</strong>h<strong>in</strong>aufführen. Man sucht sie freiwillig <strong>in</strong> <strong>die</strong> Richtungw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 99zu br<strong>in</strong>gen, von <strong>der</strong> sie das ges<strong>und</strong> reagierende Gewissenabgedrängt hatte. In all dem besteht <strong>die</strong> ausgesprocheneNeigung, möglichst alle psychischen Erkrankungen auf sexuelleTriebe zurückzuführen, <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerlich längst überw<strong>und</strong>eno<strong>der</strong> kaum je bemerkbar waren. Das Gefährlichste <strong>und</strong> rechteigentlich Verführerische ist, daß man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewußtmachung<strong>die</strong>ser im Unterbewußten zurückgehaltenen <strong>und</strong> dort <strong>in</strong> Vergessenheitgeratenen Triebe <strong>in</strong> bewußte, willensbetonte, gegenwärtigeVorstellungen <strong>die</strong> Heilung sieht. Damit handelt es sichhier um e<strong>in</strong>en alles verfälschenden Angriff auf das Gewissen,wie er stärker <strong>und</strong> verblendeter nicht gedacht werden kann. Dieverme<strong>in</strong>tliche Heilung führt zu e<strong>in</strong>er weiter <strong>und</strong> weiter um sichgreifenden, zu e<strong>in</strong>er immer schwerer werdenden Erkrankung<strong>und</strong> Vergiftung.Und doch mußten auch <strong>die</strong> Vertreter <strong>die</strong>ser Richtung zugeben,daß “Kultur” <strong>und</strong> “Mensch se<strong>in</strong>” nur durch e<strong>in</strong>e Verdrängung<strong>der</strong> Sexualität möglich ist, <strong>die</strong> niemals krampfhaft se<strong>in</strong>kann, wenn sie vom re<strong>in</strong>en Geist aus geschieht. Man muß auch<strong>in</strong> <strong>die</strong>sen Kreisen <strong>die</strong> Verdrängung <strong>der</strong> Triebe durch das Gewissenals das psychisch notwendige Zwischenglied zwischenSexualität <strong>und</strong> Geist ansehen, ohne welches <strong>der</strong> Geist aus unseremLeben ausgeschaltet würde.Das wohlbedachte Wort von <strong>der</strong> “Verdrängung” ist dem gegenübergeeignet, <strong>die</strong> gesamte Tätigkeit des Gewissens zu verdächtigen<strong>und</strong> herabzusetzen. Dieser Begriff ist unwahr. Dasgefährliche Wort trifft e<strong>in</strong> ges<strong>und</strong>es Gewissen nicht. Und dochist es nicht ohne Bedeutung. <strong>E<strong>in</strong></strong>e wahrhaft ver<strong>der</strong>bliche Verdrängungals krankhafte Unterdrückung lebenswichtiger Triebewäre tatsächlich gegeben, wenn das aktive Gewissen ke<strong>in</strong>enverantwortlichen Weg zeigen könnte, auf dem alle Kräfte desLeibes <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> e<strong>in</strong>er positiven <strong>und</strong> schöpferischen Aufgabezugeführt werden.Hier liegt <strong>die</strong> Ursache für <strong>die</strong> weite Verbreitung <strong>die</strong>ser gefährlichenVerwirrung <strong>in</strong> unserer kranken Zeit. Die heute fastallgeme<strong>in</strong> gewordene <strong>E<strong>in</strong></strong>stellung gegenüber <strong>der</strong> Familie hatden Weg verloren, auf welchem Verantwortung <strong>und</strong> Aufgabedes Familienlebens dem Schöpferwillen Gottes entsprechen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 100Wie bei den Eltem ist es bei den K<strong>in</strong>dem. Die gegenseitigenBeziehungen e<strong>in</strong>er großen Anzahl jünger Menschen entbehrtgenauso wie <strong>die</strong> Beziehungen <strong>der</strong> Eltern <strong>der</strong> tragenden Verantwortung,<strong>die</strong> das ganze Leben <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand Gottes legt.Die Zerstörung <strong>der</strong> tiefsten seelischen Treue-Bedürfnisse bee<strong>in</strong>drucktdas Gewissen zahlloser Zeitgenossen ebensowenigwie <strong>die</strong> Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Vernichtung kle<strong>in</strong>ster Wesen, <strong>die</strong> <strong>in</strong>sLeben gerufen se<strong>in</strong> wollen. Kle<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong>n warten vergebensdarauf, aus <strong>der</strong> Ewigkeit gerufen zu werden. Lebendige Menschenseelenwarten vergebens auf den Ruf beständiger Treue.Der Lebenskreis, <strong>in</strong> dem das Gewissen gegen <strong>die</strong> Verachtungdes schöpferischen Geistes ebenso klar <strong>und</strong> bestimmt protestiertwie gegen jede Emiedrigung des Verlangens nach <strong>E<strong>in</strong></strong>heit,Treue <strong>und</strong> Beständigkeit, sche<strong>in</strong>t immer kle<strong>in</strong>er <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>erzu werden.Wenn man <strong>die</strong>sen <strong>in</strong>nersten Protest, <strong>der</strong> zugleich e<strong>in</strong> lebendigerAufruf zur verantwortlichen <strong>und</strong> treuen Gestaltung desLiebeslebens ist, “Verdrängung” nennen will, so verdächtigtman <strong>die</strong> Schöpfung des Menschen <strong>der</strong> Irreführung. In Wahrheitschafft <strong>die</strong>se Gewissensreaktion <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong>sich <strong>der</strong> Mensch des ihm drohenden Untergangs unter das Tier<strong>und</strong> unter das Raubtier erwehren kann. Der Vergleich mit e<strong>in</strong>emseelisch erkrankten Kriegsteilnehmer o<strong>der</strong> mit den krankhaftenAusschreitungen e<strong>in</strong>es Bürgerkrieges liegt nahe; denn so, wiehier das Gewissen <strong>die</strong> Mordlust unterdrücken muß, auch wenn<strong>die</strong>s zu e<strong>in</strong>em nicht zu bewältigenden Konflikt führt, so ist esdort e<strong>in</strong> Zeichen von Ges<strong>und</strong>heit, wenn unschöpferische <strong>und</strong>lebenswidrige sexuelle Neigungen zum eigenen Leib, zum gleicheno<strong>der</strong> zum an<strong>der</strong>en Geschlecht zurückgedrängt werden.Wenn auf irgende<strong>in</strong>em Gebiet unseres Lebens ke<strong>in</strong>e Möglichkeitzu verantwortlich aufbauen<strong>der</strong> Handlung gegeben ist,müssen wir dankbar se<strong>in</strong>, wenn <strong>die</strong> oft fälschlich so genannte“Verdrängung” zum völligen Vergessen <strong>und</strong> Erlöschen unfruchtbarer<strong>und</strong> mör<strong>der</strong>ischer Impulse führt.Solange das geklärte Gewissen alles als unverantwortlichverurteilen muß, was <strong>die</strong> Triebe tun wollen, darf das dumpfeTriebleben des vorstellungslosen Unterbewußtse<strong>in</strong>s ke<strong>in</strong>enw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 101<strong>E<strong>in</strong></strong>fluß über <strong>die</strong> Gedanken unserer <strong>Seele</strong> gew<strong>in</strong>nen. Niemandkann Verantwortlichkeit als Erkrankung ansehen. Je<strong>der</strong> klareGeist muß es als Beweis e<strong>in</strong>es ges<strong>und</strong>en S<strong>in</strong>nes empf<strong>in</strong>den,wenn sich das Gewissen durch Unlust <strong>und</strong> Pe<strong>in</strong>lichkeitsgefühl,durch Scham <strong>und</strong> Ekel, durch Grauen <strong>und</strong> Angst gegenalle entarteten Triebe <strong>und</strong> ihre unfruchtbare Betätigung wehrt.<strong>E<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Richtung arbeitendes Gewissen ist e<strong>in</strong> gesun<strong>der</strong>psychischer Mechanismus, <strong>der</strong> uns alles das überw<strong>in</strong>den hilft,was <strong>die</strong> heiligsten Kräfte des Lebens zerstören will. Um denS<strong>in</strong>n <strong>die</strong>ser Kräfte handelt es sich. Der schöpferische Geisterweckt <strong>in</strong> dem ges<strong>und</strong>enden Gewissen das Bewußtse<strong>in</strong>, daßalle Lebenskräfte nicht geh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>und</strong> geschändet werden dürfen,<strong>die</strong> für größte <strong>und</strong> erhabenste Aufgaben bestimmt s<strong>in</strong>d.“Der faunische Mensch”, <strong>der</strong> <strong>die</strong> ihn bedrohenden Gewissensmächtezu Boden zw<strong>in</strong>gt, um ohne alle Scham <strong>und</strong> ohneallen Ekel mit je<strong>der</strong> Gottheit des Orgasmus e<strong>in</strong>s zu werden,will ungestört zu jedem Augenblick sagen können: “Ich b<strong>in</strong> <strong>die</strong>Wollust.” Se<strong>in</strong>e Lust ist ohne Geist <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n. Denn sie entbehrtje<strong>der</strong> Aufgabe <strong>und</strong> jeden sittlichen Inhalts. Er ist ke<strong>in</strong> Sieger,sondem e<strong>in</strong> jämmerlicher Knecht <strong>der</strong> geilen Gottheit. Derheidnische Faun ist e<strong>in</strong> Symbol <strong>der</strong> Vergewaltigung allen Edels<strong>in</strong>ns.Er schändet den menschlichen Geist <strong>und</strong> ist <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>ddes göttlichen Geistes. Der schöpferische Geist verne<strong>in</strong>t denLeib <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e körperseelischen Kräfte nicht, wenn er <strong>die</strong>senseelenlos gr<strong>in</strong>senden, alles Heilige bedrohenden Heidengott <strong>in</strong><strong>die</strong> Hölle verweist. Denn er ist tot <strong>und</strong> hat ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Kraft als<strong>die</strong> <strong>der</strong> Umarmung des Todes.Aber gewiß ist er nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Fe<strong>in</strong>d des schöpferischenLebenswillens. Während <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Nähe das Gewissen abgetötetwird, so wird es im Feigl<strong>in</strong>g gegen Gottes Willen zu krankhafterLebenswidrigkeit erzogen. Der nur verme<strong>in</strong>tlich “christliche”Duckmäuser sucht alle Triebe <strong>der</strong> lebendigen S<strong>in</strong>ne als pe<strong>in</strong>lich<strong>und</strong> ängstigend abzulehnen. Er sollte sich besser nach Buddhaals nach Christus nennen. Der Buddhismus vertritt Kräfte e<strong>in</strong>esdem Leben <strong>der</strong> Erde abgewandten Sterbens, <strong>die</strong> durch nichtsübertroffen werden können.Ganz an<strong>der</strong>s ist es <strong>in</strong> Christus, dessen Leben <strong>und</strong> Sterben<strong>der</strong> Erde zugewandt bleibt. Denn er will, daß auf ihr Reichw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 102Gottes werde! Es gilt e<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>ung des Gewissens zu gew<strong>in</strong>nen,<strong>in</strong> welcher <strong>die</strong> Lebenstriebe <strong>die</strong> ihnen bestimmte Richtunge<strong>in</strong>nehmen. Dort werden sie ohne erneute Ver<strong>der</strong>bnis zu<strong>der</strong>jenigen Entfaltung kommen, <strong>die</strong> dem Willen <strong>der</strong> Schöpfungentspricht. Nur <strong>in</strong> dem Glauben an das kommende Reich alsan se<strong>in</strong>e gegenwärtige Kraft gibt es <strong>die</strong>se Ges<strong>und</strong>ung. Es gibtschwerwiegende Gründe für <strong>die</strong> Me<strong>in</strong>ung, daß <strong>die</strong>se Ges<strong>und</strong>ungfür <strong>die</strong> heutigen Menschen zur Unmöglichkeit gewordensei. Denn Entfaltung <strong>der</strong> Lebenskräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> lebendigenRichtung ist nur im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er völligen Verän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> gesamten gesellschaftlichen Situation möglich. Dieseaber ersche<strong>in</strong>t vielen für <strong>die</strong> Gegenwart als unmöglich, weil sieihrer Glaubensschwäche allzu fern gerückt ist.Die besten Sittenlehrer werden unlauter <strong>und</strong> ungerecht, wennsie <strong>die</strong> moralische Re<strong>in</strong>heit vor <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ehe for<strong>der</strong>n, ohne <strong>die</strong>realen Gr<strong>und</strong>lagen für <strong>die</strong> Erfüllung e<strong>in</strong>es so hohen Anspruchszu klären. Selbst dem heute tausendfach potenzierten bethlehemitischenK<strong>in</strong><strong>der</strong>mord am ungeborenen Leben kann manohne den Glauben an das Reich Gottes nichts entgegensetzen.Die verme<strong>in</strong>tlich so hohe Kultur unserer Zeit wird ihn auchweiterh<strong>in</strong> ständig verüben, solange ihre soziale Unordnung <strong>und</strong>Ungerechtigkeit bestehen bleibt. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>mord kann nichtbekämpft werden, solange man das private <strong>und</strong> öffentliche Lebenstehen läßt, wie es ist.Wer das Privateigentum <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lüge <strong>der</strong> ungerechten Gesellschaftsordnungnicht so realistisch bekämpft, daß er e<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e Lebensform als möglich <strong>und</strong> vorhanden nachweist, kannke<strong>in</strong>e Ehere<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Mordfreiheit fordem. Er kann nicht e<strong>in</strong>malden sittlich besten Familien den K<strong>in</strong><strong>der</strong>reichtum wünschen,<strong>der</strong> den schöpferischen Kräften <strong>der</strong> Gottesnatur entspricht. Diechristliche Ehe kann nicht außerhalb des Lebenszusammenhangsgefor<strong>der</strong>t werden, <strong>der</strong> “Reich Gottes” <strong>und</strong> “Geme<strong>in</strong>deJesu Christi” heißt.Die Ehe ist <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Erfüllung des geschlechtlichen Gewissens.Sie ist es im Willen zum K<strong>in</strong>de. Sie ist es als Bild <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes mit se<strong>in</strong>em Volk (s. Eph. 5). Sie ist es als Vorbild<strong>der</strong> Herrschaft des <strong>E<strong>in</strong></strong>heits-Geistes. Sie ist es als Lebens-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 103geme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Gütergeme<strong>in</strong>schaft. Sie vers<strong>in</strong>nbildlicht <strong>die</strong>Herrschaft des Geistes über <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Leib. Das alles ist <strong>die</strong>Ehe als Bild <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Nirgendwo an<strong>der</strong>s ist ihr Platz. Nurwo durch <strong>die</strong> geisterfüllte <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Geme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> allen materiellen D<strong>in</strong>gen bewirktwird, kann man <strong>die</strong>se For<strong>der</strong>ungen an <strong>die</strong> Ehe stellen. Dennnur dort vermag man sie zur rechten Zeit ihrem Wert gemäß zuerfüllen.Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Ehe, wie sie Jesus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>eApostel gewiesen haben, ist <strong>in</strong> ihrer <strong>E<strong>in</strong></strong>zigartigkeit nicht Sache<strong>der</strong> alten Natur, son<strong>der</strong>n vielmehr Sache <strong>der</strong> neuen Geme<strong>in</strong>deordnung,<strong>die</strong> als brü<strong>der</strong>liche Gerechtigkeit den Geist <strong>der</strong> Liebeüber alle D<strong>in</strong>ge herrschen läßt. Sie ist ke<strong>in</strong>e Sache des altenMenschen. Sie kann nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuen Geme<strong>in</strong>de des GeistesJesu Christi gelebt werden. Sie gehört dem Reich Gottes an.Sie ist se<strong>in</strong> Symbol <strong>und</strong> Sakrament.Es ist <strong>die</strong> Liebe Gottes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Auswirkung aller ihrer Gaben,zu welcher uns das Gewissen leitet. Die Berufung <strong>der</strong> Gottesliebeführt durch <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Geistes zur Durchdr<strong>in</strong>gung<strong>und</strong> Beherrschung aller Lebensgebiete. Gott will <strong>die</strong> Betätigung<strong>die</strong>ser Liebe mit allen Kräften des Leibes, <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> desGeistes. Gott ist Liebe. Wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe bleibt, bleibt <strong>in</strong> Gott.Gott bleibt <strong>in</strong> ihm. Das Leben <strong>der</strong> Liebe ist Gottes Leben. DieLiebe des Vaters Jesu Christi ist <strong>der</strong> Erde zugewandt, daß dortihre Herrschaft über alles regieren <strong>und</strong> ihr Wille <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gengeschehen soll. Nur so wird <strong>der</strong> Name Gottes geheiligt.Gott ist unverän<strong>der</strong>lich. Se<strong>in</strong> Name heißt: “Ich b<strong>in</strong>, <strong>der</strong> ichb<strong>in</strong>.” Se<strong>in</strong> Herz umfaßt alles <strong>und</strong> bleibt für alle dasselbe. InJesus Christus ist es offenbar geworden. Jesus Christus istheute <strong>und</strong> immer <strong>der</strong>selbe, <strong>der</strong> er <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en Worten <strong>und</strong>Taten war. Er ist jetzt <strong>und</strong> hier <strong>der</strong>selbe, als <strong>der</strong> er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emReich offenbaren wird. Die Worte se<strong>in</strong>er Liebe zeigen für alleD<strong>in</strong>ge denselben Weg. Was er für <strong>die</strong> Zukunftsglie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>esReiches gesagt hat, gilt für alle se<strong>in</strong>e Schüler zu allen Zeiten.Und alles, was er für sie sagte, gehört zusammen, wie <strong>der</strong> Saftdes Baumes, <strong>die</strong> Kraft des Salzes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Flamme des Lichtese<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>d.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 104Deshalb dürfen <strong>die</strong> Eheworte Jesu Christi von ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>enWort <strong>der</strong> Bergpredigt losgelöst werden. Wie für <strong>die</strong> Ehe hatJesus ebenso <strong>in</strong> <strong>der</strong> Eigentumslosigkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wehrlosigkeit<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rechtlosigkeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freiheit vom Richten, <strong>in</strong> <strong>der</strong>Vergebung <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>desliebe den Willen <strong>der</strong> Liebe alsden Willen zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit vertreten. Die völlige Liebe schreitet zurfreiwilligen Armut, weil sie nichts für sich behalten kann, wasdem Nachbarn fehlt. Sie macht wehrlos, weil sie <strong>die</strong> Selbsterhaltungaufgegeben hat <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Rache kennt. Sie bewahrtihre Haltung <strong>und</strong> trägt um des Gewissens willen Übel <strong>und</strong> Unrecht.Denn sie er<strong>in</strong>nert sich an <strong>die</strong> Bergrede Jesu <strong>und</strong> weiß,daß <strong>die</strong>se Haltung das größte Geschenk Gottes ist, weil siese<strong>in</strong> Herz offenbart. Wehrlose Festigkeit offenbart <strong>die</strong> allesüberw<strong>in</strong>dende Liebe.Die Liebe verzichtet auf alles Eigene. Wer das Geheimnis desGlaubens <strong>in</strong> re<strong>in</strong>em Gewissen bewahrt, bleibt wie <strong>die</strong> Ältesten<strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de von Rechtshändeln <strong>und</strong> fe<strong>in</strong>dseligen Handlungenfrei. Die Gerechtigkeit Christi führt ke<strong>in</strong>e Prozesse. Sietreibt ke<strong>in</strong>en Zwischenhandel. Sie führt ke<strong>in</strong>e Geschäfte zumNachteil des Nächsten. Sie verläßt allen eigenen Vorteil, opfertjedes Vorrecht <strong>und</strong> verteidigt ke<strong>in</strong> Recht. Sie sitzt <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>emSchwurgericht, nimmt niemandem <strong>die</strong> Freiheit <strong>und</strong> fällt ke<strong>in</strong>Todesurteil. Sie kennt ke<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de <strong>und</strong> bekämpft niemanden.Sie zieht gegen ke<strong>in</strong> Volk zu Felde <strong>und</strong> tötet ke<strong>in</strong>en Menschen.Und dennoch ist ihre Arbeit <strong>die</strong> aktivste Gerechtigkeit, <strong>der</strong>tätigste Friede <strong>und</strong> <strong>der</strong> wirksamste Aufbau. Die Summe allesdessen, was zu tun geboten ist, heißt Liebe; Liebe aus re<strong>in</strong>emHerzen, von gutem Gewissen <strong>und</strong> <strong>in</strong> unverfärbtem Glauben.Jesus hat dem Gewissen <strong>in</strong> <strong>der</strong> verantwortlichen Gottesgeme<strong>in</strong>schaft,<strong>in</strong> dem Wesen se<strong>in</strong>es Reiches <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong>freie Bahn <strong>der</strong> völligen Liebe gewiesen.Die Liebe als Agape ist <strong>der</strong> Weg Jesu. Se<strong>in</strong>e Liebe duldet ke<strong>in</strong>eUnklarheit. Diese Liebe ist e<strong>in</strong>zigartig. Sie gibt bestimmtesteWeisung. Sie ist Weg; <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Weg ist sehr deutlich vorgezeichnet.Jesus Christus führt <strong>in</strong> dem Erleben <strong>der</strong> Gottesliebeauf den höchsten <strong>und</strong> re<strong>in</strong>sten Gipfel <strong>der</strong> Willensenergie, <strong>der</strong>Erkenntnisklarheit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Herzenskraft, <strong>die</strong> Freude ist. Er tutw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 105es nicht für uns selbst. Er will, daß wir <strong>die</strong> Ströme <strong>die</strong>ser <strong>in</strong>sHerz gegossenen Liebesmacht weiterleiten. Sie sollen <strong>die</strong> Erdeüberfluten. Sie sollen das Land erobem. Sie sollen das HerzGottes offenbaren. Sie sollen <strong>die</strong> Ehre Gottes aufrichten.Se<strong>in</strong> Herz ist se<strong>in</strong>e Ehre. Die Liebe ist se<strong>in</strong> Herz. Es wendetsich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freude <strong>der</strong> Schenkung allen Menschen zu. DieLiebe ist <strong>die</strong> Ehre Gottes. Se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit ist Liebe. Dasalle<strong>in</strong>ige <strong>und</strong> ausschließliche Trachten nach dem Reich Gottes<strong>und</strong> nach se<strong>in</strong>er Gerechtigkeit br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e solche Liebe zu allenMenschen hervor, daß wir für sie alle <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen dasselbewollen wie für uns selbst. Das alle<strong>in</strong> ist Gerechtigkeit, wenn wirunser Leben für <strong>die</strong> Liebe h<strong>in</strong>geben.Das höchste Ziel <strong>der</strong> unvermischt re<strong>in</strong>en Liebe ist das ReichGottes. Diese Liebe ist <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Erfüllung unserer Gewissenssehnsucht.Alle an<strong>der</strong>en Inhalte unseres Denkens <strong>und</strong> unsererNeigung erweisen sich entwe<strong>der</strong> als schwächeres Symbolihres re<strong>in</strong>en Dienstes o<strong>der</strong> aber als verzerrte Karikaturen <strong>und</strong>fe<strong>in</strong>dliche Gegentypen <strong>der</strong> Liebe. Nichts ist dem gere<strong>in</strong>igtenGewissen denkbar ohne den Gedanken <strong>der</strong> völligen Liebe. Ihrerster <strong>und</strong> letzter Gedanke ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Gott, <strong>die</strong> sich als Geme<strong>in</strong>de-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>esschöpferischen Liebesgeistes offenbart, ist <strong>die</strong> erste <strong>und</strong> letzteBestimmung des Lebens. In <strong>die</strong>ser Liebesgeme<strong>in</strong>schaftgew<strong>in</strong>nt das Gewissen e<strong>in</strong>e Kraft, <strong>die</strong> weit über <strong>die</strong> Abwehrdes Schlechten <strong>und</strong> Bösen h<strong>in</strong>aus zu beglücken<strong>der</strong>, aufbauen<strong>der</strong>Betätigung führt. Das an Christus lebendig gefesselteGewissen ist an den König <strong>und</strong> Gebieter <strong>der</strong> kommenden Gottesordnunggeb<strong>und</strong>en. Es for<strong>der</strong>t <strong>und</strong> bewirkt deshalb überall<strong>und</strong> immer den e<strong>in</strong>en Lebensaufbau, <strong>der</strong> den Ordnungen desReiches Gottes bis <strong>in</strong>s kle<strong>in</strong>ste <strong>und</strong> ger<strong>in</strong>gste entsprechen will.In Christus geht es auf allen Lebensgebieten um das Größte<strong>und</strong> Höchste, was uns anvertraut werden kann, um <strong>die</strong> GeltungGottes <strong>und</strong> um <strong>die</strong> Herrschaft se<strong>in</strong>es Herzens.Aber <strong>die</strong> Apostel <strong>die</strong>ses Messiaskönigs kennen e<strong>in</strong>en geschwächtenZustand des Gewissens, <strong>in</strong>dem es von an<strong>der</strong>erSeite bee<strong>in</strong>flußt <strong>und</strong> an tote D<strong>in</strong>ge gekettet ist: das an Götzengeb<strong>und</strong>ene Gewissen. Auch das gläubige Gewissen kann durchw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 106Bee<strong>in</strong>flussung an<strong>der</strong>er Geister, <strong>die</strong> dem Geist aus Gott entgegengesetzts<strong>in</strong>d, entscheidend geschwächt werden. An<strong>der</strong>eKönige, fremde Diktatoren <strong>und</strong> Führer treten auf, um unser Gewissenzu fesseln <strong>und</strong> von Christus abwendig zu machen.Das Gewissen ist <strong>und</strong> bleibt schwach, solange es durch e<strong>in</strong>enan<strong>der</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß als durch den Geist Jesu Christi geb<strong>und</strong>enist. Es irrt <strong>und</strong> schwankt. Es urteilt falsch. Es stellt For<strong>der</strong>ungenauf, <strong>die</strong> den Sche<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entschiedenheit <strong>und</strong> Mannhaftigkeittragen <strong>und</strong> dennoch <strong>der</strong> Schwäche entstammen. Sie entsprechennicht <strong>der</strong> Sachlage; sie weisen ke<strong>in</strong>e wirkliche Hilfe; sieverb<strong>in</strong>den sich mit lebenswidrigen Kampfmitteln; sie wi<strong>der</strong>sprechen<strong>der</strong> Wahrheit als dem Wort Gottes <strong>und</strong> dem Geist JesuChristi; sie s<strong>in</strong>d tot <strong>und</strong> führen zum Tode.In falscher Gefolgschaft muß das Gewissen notwendig <strong>und</strong>beständig gegen den Lebenswillen <strong>der</strong> Christus-Herrschaft verstoßen.Dies zeigt sich bei allen denen aufs pe<strong>in</strong>lichste, <strong>die</strong> denNamen “Christus” mit e<strong>in</strong>em fremden Namen <strong>und</strong> Ziel verb<strong>in</strong>den.In <strong>die</strong>sem vergeblichen Beg<strong>in</strong>nen verliert <strong>die</strong> Christenheitheute mehr als jemals den Geist dessen, zu dem sie sich nachwie vor bekennen will. Der re<strong>in</strong>e Geist läßt sich zu ke<strong>in</strong>er Vermischungmit an<strong>der</strong>en Geistem br<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong> Reich duldet ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>en Machtgebilde neben sich.Welche Geme<strong>in</strong>schaft hat das Haus Gottes mit den Götzen?Hat <strong>die</strong> Gerechtigkeit etwas mit <strong>der</strong> Ungerechtigkeit zu schaffen?Verknüpft sich das Licht mit <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis? Wann hat sichdas Reich Gottes mit e<strong>in</strong>em Staat menschlicher Gewalt verb<strong>und</strong>en?Hat Jesus jemals se<strong>in</strong>e prophetische Botschaft mitan<strong>der</strong>en Parolen vere<strong>in</strong>igt? Wie kann das Wort Jesu Menschengeboteneben sich zulassen? Wann hat Gott se<strong>in</strong>e Herrschaftmit menschlichen Gebietem geteilt? Kann <strong>die</strong> Stadt Gottes mitBabel gehen? Gibt es e<strong>in</strong>e Gleichung zwischen Christus <strong>und</strong>Belial, zwischen Gott <strong>und</strong> dem Teufel?Doch es nützt nichts, e<strong>in</strong> schwaches <strong>und</strong> krankes Gewissenzu schlagen. Auch das verirrte Gewissen ver<strong>die</strong>nt Schonung<strong>und</strong> Achtung. Es muß e<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß geben, <strong>der</strong> von allen seelischenSchwankungen <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>göttlichen Geb<strong>und</strong>enheitenbefreit, ohne das Gewissen vernichtend zu Boden zu schla-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 107gen. Es muß das strahlende Licht se<strong>in</strong>, das alle Trübungen<strong>und</strong> Schatten überw<strong>in</strong>det. Gegen <strong>die</strong> Sonne ist <strong>die</strong> Dämmerungmachtlos. Es ist <strong>der</strong> Lebensgeist, <strong>der</strong> den Mordgeist besiegt.Ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Autorität kann Frieden br<strong>in</strong>gen. Der Geist des Lebensals <strong>der</strong> Geist des Lichtes ist es, <strong>der</strong> das Gewissen befreit.Er überw<strong>in</strong>det ohne zu vernichten. Die Herrschaft Gottes ist es,<strong>die</strong> das Herz erobert. Ihr Geist verwandelt Herzen <strong>und</strong> Län<strong>der</strong>.Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist es, <strong>die</strong> jetzt <strong>und</strong> hier <strong>die</strong>selbeGesellschaftsordnung schafft, <strong>die</strong> dem Charakter <strong>der</strong> Gotteszukunftentspricht. Ihr Liebesgeist <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitswille verän<strong>der</strong>talles, ohne das Lebendige zu töten.Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem vollkommenen <strong>E<strong>in</strong></strong>klang mit dem Willen Gotteskommt das Gewissen zur Ruhe. Der Geist Jesu wohnt als Wahrheitswilleim Gewissen des glaubenden <strong>und</strong> liebenden Menschen.In <strong>der</strong> schweren St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Weltgeschichte kommt allesdarauf an, daß <strong>die</strong> Nachricht <strong>die</strong>ser Befreiung <strong>in</strong> <strong>die</strong> weitestenKreise getragen wird. Hier wird das Gewissen von je<strong>der</strong> gesetzlichenB<strong>in</strong>dung, von jedem <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß des Zeitgeistes, von je<strong>der</strong>menschlichen Betäubung <strong>und</strong> von je<strong>der</strong> dämonischen Verzauberungfrei. Die Not <strong>der</strong> St<strong>und</strong>e for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e letzte Kraft, wie siealle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>ung <strong>der</strong> Gewissen zu f<strong>in</strong>den ist. Alle<strong>in</strong> <strong>die</strong>seGes<strong>und</strong>ung br<strong>in</strong>gt das Reich Gottes als Leben <strong>und</strong> Liebe e<strong>in</strong>ertödlich erkrankten Menschheit nahe. Diese Botschaft ergeht <strong>in</strong>alle Lande. Der Auftrag ist klar. Die Botschaft lautet: Laßt euchvere<strong>in</strong>igen! Laßt euch <strong>in</strong> Gott vere<strong>in</strong>igen! Laßt euch vere<strong>in</strong>igenmit Gott!Nur durch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erlösung se<strong>in</strong>esChristus kann es Ges<strong>und</strong>ung geben. Ohne Gottes Gerechtigkeitbleibt es bei dem bösen Gewissen. Das gute Gewissen hatalle<strong>in</strong> im Glauben an Gott Bestand. In <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>deerlebt <strong>die</strong>ser Glaube se<strong>in</strong>e tiefste Bestätigung. Alle äußerenAnregungen, alle mitreißende menschliche Begeisterunglassen <strong>die</strong> Befürchtung übrig, ob es wirklich Gott ist, <strong>der</strong> dasInnerste ergriffen hat. Für <strong>die</strong>se beängstigende Frage gibt esnur e<strong>in</strong>en Gradmesser: Maßstab ist alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<strong>der</strong> Glaubenden, nur <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit ihres Gewissensurteils<strong>und</strong> ihres Gewissensauftrags. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> ganzen Geme<strong>in</strong>demit dem Wort <strong>und</strong> Leben des apostolischen Zeugnisses <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 108se<strong>in</strong>er Prophetie beweist <strong>die</strong> im Herzen redende Stimme alsGottes Stimme. Wo es nicht zur <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit <strong>der</strong> Glaubendenuntere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>und</strong> mit dem Leben <strong>und</strong> Geist <strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>dekommt, fehlt dem Gewissen jede Gewißheit. Die Gewißheit <strong>der</strong>Botschaft führt zur Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Glaubenden, zu <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igungmit Gott.Nur von <strong>in</strong>nen heraus kann das Gewissen zu <strong>die</strong>ser Gewißheitgelangen. Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen ist <strong>in</strong>nerste Gewißheit.Je nach dem Stand <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aufnahmese<strong>in</strong>es Willens bleibt <strong>der</strong> Gewissensstand verschieden.Das Gewissen kommt um so mehr auf <strong>die</strong> Höhe, je enger <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott ist. Nur so kommt es zur Übere<strong>in</strong>stimmung.Je tiefer Christus <strong>in</strong> unseren Herzen Wohnung genommenhat, um so schärfer, zarter <strong>und</strong> sorgfältiger br<strong>in</strong>gt dasGewissen <strong>die</strong> Wahrheit als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit zur Geltung.Zuerst ersche<strong>in</strong>en <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ungen des Reiches Gottes nichtnur als allzu streng <strong>und</strong> scharf, sondem geradezu als unmöglich.Aber <strong>der</strong> vollkommene Wille Gottes br<strong>in</strong>gt sich als <strong>der</strong> Wille<strong>der</strong> Freude, als das alle<strong>in</strong> Gute <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> Lebendige mehr <strong>und</strong>mehr zur Geitung. Je mehr er an Raum gew<strong>in</strong>nt, um so mehrwird das Gewissen mit Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>ig. Alsoist <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>ung des Gewissens nichts an<strong>der</strong>es als se<strong>in</strong>eVerschärfung, Verfe<strong>in</strong>erung <strong>und</strong> Klärung für <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit völligerGeme<strong>in</strong>schaft. Allerd<strong>in</strong>gs verliert das Gewissen <strong>in</strong> demselbenGrade se<strong>in</strong>e Klarheit, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Mensch dem Willen zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>die</strong> Gefolgschaft verweigert. Schließlich muß gesagt werden:Ohne <strong>die</strong> beständige Bewährung durch <strong>die</strong> Tat, ohne <strong>die</strong> entsprechendeLebenshaltung <strong>und</strong> -gestaltung kann das Gewissene<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> sich auf e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftmit Gott beruft, niemals anerkennen. Denn das Gewissen me<strong>in</strong>tletztlich immer <strong>die</strong> Tat. Gott ist Tat.Die rechte Lebensführung beweist <strong>die</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft<strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heitlichen Geistesleitung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.<strong>E<strong>in</strong></strong>e durch den Heiligen Geist gere<strong>in</strong>igte <strong>und</strong> gee<strong>in</strong>igte Ges<strong>in</strong>nung<strong>der</strong> Glaubenden br<strong>in</strong>gt <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitlichkeitdes Lebens hervor. Ges<strong>in</strong>nung <strong>und</strong> Lebenshaltung werden <strong>in</strong>Christus e<strong>in</strong>s. Auf <strong>die</strong>ses Ziel h<strong>in</strong> macht das erneuerte Gewis-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 109sen mit aller Kraft des Gefühls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Bestimmtheit <strong>und</strong>Beharrlichkeit den <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß des Geistes Jesu Christi geltend.Das Gewissen soll als sittliche Funktion des menschlichenGeistes zu allem “Ja” sagen, was <strong>der</strong> Geist Gottes dem Geistdes Menschen e<strong>in</strong>sprechen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>geben will. Es soll immenschlichen Geist den Platz des Propheten e<strong>in</strong>nehmen, <strong>der</strong>als Sprecher Gottes wie<strong>der</strong>zugeben <strong>und</strong> weiterzugeben hat,was Gott sagt. Das ges<strong>und</strong>ende Gewissen ruft: “Gott sagt es.Gott will es. Deshalb geschieht es.” Das Gewissen als daslebendigste Instrument des menschlichen Geistes soll dessenVere<strong>in</strong>igung mit dem göttlichen Geist auf das lebendigstevertreten. Der heilige Geist Gottes will sich mit dem Geist desMenschen zu geme<strong>in</strong>samem Zeugnis <strong>der</strong> Wahrheit verb<strong>in</strong>den.Das Gewissen unseres Geistes wird <strong>in</strong> demselben Grade klar<strong>und</strong> ges<strong>und</strong> se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem unser Glaube den Geist Jesu Christiaufgenommen hat.Für das ges<strong>und</strong>ende Gewissen ist es alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Ges<strong>in</strong>nung,<strong>die</strong> <strong>in</strong> Jesus Christus war, welche das Innere unseres Geistesre<strong>in</strong> hält <strong>und</strong> mit Kraft erfüllt. Die Bewahrung e<strong>in</strong>es guten Gewissenshängt gänzlich von <strong>der</strong> Bewahrung des heiligen Glaubensab. Die Rettung <strong>und</strong> Heilung br<strong>in</strong>gende Gnade Gottes erziehtuns zu e<strong>in</strong>em gere<strong>in</strong>igten <strong>und</strong> geheilten Gewissen. Der durchsie bewirkte Glaube verleugnet <strong>in</strong> allem Denken, Wollen <strong>und</strong>Tun <strong>die</strong> Gottlosigkeit <strong>und</strong> alle ihre lebensschädlichen weltlichenLüste. Nur so kann <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> Besonnenheit <strong>und</strong> Gerechtigkeitdas Leben Jesu bejahen <strong>und</strong> aufnehmen. Er kann es nur <strong>in</strong><strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott als mit se<strong>in</strong>em Heiligen Geist.Der Glaube <strong>und</strong> das gute Gewissen s<strong>in</strong>d so eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verknüpft, daß das Wegstoßen des e<strong>in</strong>en den Schiffbruch desan<strong>der</strong>en bedeutet. Deshalb bezeugt <strong>die</strong> Taufe des Glaubensden B<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es guten Gewissens mit Gott. Der Glaube machtdas Gewissen gut. Ohne den Glauben irrt das Gewissen. Eswird schlecht. So sagen <strong>die</strong> Apostel Jesu Christi von denen,<strong>die</strong> nicht glauben, daß sowohl ihre Ges<strong>in</strong>nung als auch ihr Gewissenbefleckt s<strong>in</strong>d. Es muß so se<strong>in</strong>, weil das Gewissen ohneGlauben ke<strong>in</strong>en Halt hat. Und umgekehrt ist es ebenso. Wennwir den Kompaß des von Christus geleiteten Gewissens nichtw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 110achten, wird das Schiff des Glaubens ungewarnt an <strong>der</strong> nächstenKlippe zerschellen.Wenn wir den guten Kampf bis ans Ende durchkämpfen wollen,gilt es ebensosehr den Glauben wie das Gewissen zu erhalten.Der Glaube an <strong>die</strong> frei geschenkte Liebe Jesu Christiwill bewahrt se<strong>in</strong>. <strong>E<strong>in</strong></strong> gutes Gewissen will <strong>in</strong> äußerster Wachsamkeiterhalten werden. Wahrer Glaube for<strong>der</strong>t als Frucht desGeistes e<strong>in</strong> zartes Gewissen. Er br<strong>in</strong>gt todesmutige <strong>und</strong> sieghafteEntschiedenheit gegen alles Böse hervor. <strong>E<strong>in</strong></strong> ges<strong>und</strong>esGewissen <strong>die</strong>nt dem Glauben. Der Glaube for<strong>der</strong>t Betätigung <strong>in</strong><strong>der</strong> Liebe. Er ist nichts an<strong>der</strong>s als Liebe Gottes, Liebe Christi<strong>und</strong> Liebe des Heiligen Geistes. Es bedeutet Wachstum <strong>und</strong>Wirken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gnade <strong>und</strong> Erkenntnis Jesu Christi <strong>und</strong> Verankerungdes <strong>in</strong>wendigen Lebens <strong>in</strong> Gott <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Kräften se<strong>in</strong>esGeistes, wenn wir uns üben, allezeit vor Gott <strong>und</strong> Menschendas Gewissen ohne Anstoß zu bewahren. Nur <strong>die</strong> Liebe istohne Anstoß.Die fortschreitende Heilung <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>igung des Gewissens<strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe bedeutet jedoch nicht etwa unsere eigene Sündlosigkeit.Die Sünde als Sündhaftigkeit bleibt unsere Eigenschaft,aber <strong>die</strong> Gnade des h<strong>in</strong>gegebenen Blutes Christi re<strong>in</strong>igtdurch den Heiligen Geist das Gewissen immer wie<strong>der</strong> von allentoten Werken <strong>und</strong> allen unguten Handlungen, von allem, was<strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Liebe des Glaubens zuwi<strong>der</strong> ist. DerGeist Jesu Christi führt den Glaubenden zu e<strong>in</strong>em immerklarer <strong>und</strong> klarer werdenden Leben. Und dennoch bleibt <strong>der</strong>glaubende Mensch mit allen Menschen <strong>in</strong> ständiger Verknüpfunggeme<strong>in</strong>samer Schuld.Aber <strong>die</strong> Schuld ist gelöscht, wenn sie sich auch noch so sehr<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Schuldverstrickung erweist. Der Schritt ist frei, dasGute zu tun <strong>und</strong> zu fördem <strong>und</strong> das Böse zu lassen <strong>und</strong> zu bekämpfen.Schritt für Schritt geht es vorwärts, dem Reich Gotteszu. Das freie Geschenk Gottes <strong>in</strong> dem geopferten <strong>und</strong> uns nahegebrachten Leben Jesu Christi nimmt unserem Gewissen e<strong>in</strong>eBelastung nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Es macht uns frei, auch wenn wirnicht sündlos werden. Nicht Götter werden wir, son<strong>der</strong>n Menschen,<strong>die</strong> das Reich Gottes zu sich kommen lassen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 111Wir können den Willen Gottes nur dann <strong>in</strong> unser Leben aufnehmen,wenn wir vom Bann des bösen Gewissens befreit werden.Wir können nur dann mit dem Heiligtum Gottes e<strong>in</strong>s se<strong>in</strong>,wenn unsere Herzen entlastet, besprengt <strong>und</strong> geweiht s<strong>in</strong>d.Nur <strong>die</strong> engste Berührung mit dem geopferten Leben Christi,nur <strong>die</strong> Begegnung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit Christus selbst, wieer war <strong>und</strong> ist <strong>und</strong> se<strong>in</strong> wird, setzt das Herz <strong>in</strong> den Stand, vorGott zu treten <strong>und</strong> mit ihm e<strong>in</strong>s zu werden. So gibt es dennke<strong>in</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt <strong>in</strong> das Heilige als nur durch das Blut Jesu: Se<strong>in</strong>unbeflecktes Leben, se<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>gegebene <strong>Seele</strong>, se<strong>in</strong> geopferterLeib, se<strong>in</strong> lebendig machen<strong>der</strong> Geist – <strong>der</strong> ganze Christus mit<strong>der</strong> ganzen Wirkung se<strong>in</strong>es Lebens <strong>und</strong> Todes ist es, was unsmit Gott vere<strong>in</strong>igt.Jesus ist <strong>der</strong> Weg zu Gott. Es gibt ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Gott alsden <strong>E<strong>in</strong></strong>en, <strong>der</strong> se<strong>in</strong> Gott <strong>und</strong> Vater ist. Wo wir ihn auch suchen,wir f<strong>in</strong>den ihn <strong>in</strong> Jesus. Je<strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong> Annäherung an denVater aller, wie ihn <strong>der</strong> Sohn uns nahegebracht hat, ist vergeblich,wenn uns nicht <strong>in</strong> Jesus <strong>die</strong> Befreiung von aller Belastunggegeben wird. Ohne Vergebung <strong>der</strong> Sünden haben wir ke<strong>in</strong>enZugang zu Gott. Jesus gibt sie uns <strong>in</strong> dem Opfer se<strong>in</strong>es Lebens,als <strong>in</strong> dem Opfer se<strong>in</strong>es Leibes, se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> se<strong>in</strong>esBlutes.Der Ankläger <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> ist verstummt. Auch das Gewissendarf nicht mehr Ankläger se<strong>in</strong>. Selbst <strong>die</strong> mör<strong>der</strong>ischsten Anklagen,<strong>die</strong> Menschenblut erheben kann, s<strong>in</strong>d gestillt. Das Blutdes ermordeten Bru<strong>der</strong>s Abel ist gelöscht. Das bessere Blutdes neuen Menschenbru<strong>der</strong>s spricht lauter als jenes. Das Menschenbluthat e<strong>in</strong>en neuen Vertreter <strong>und</strong> Führer gef<strong>und</strong>en, <strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Bessere freispricht <strong>und</strong> frei macht. Ermordet wie Abel,spricht er dennoch für se<strong>in</strong>e Mör<strong>der</strong>, statt gegen sie aufzutreten,weil er als <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Schuldlose e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Ihren gewordenist. Wenn er, <strong>der</strong> Menschensohn, für sie e<strong>in</strong>tritt, kann niemandsie verdammen. Es gibt von nun an ke<strong>in</strong>e Anschuldigung mehr,<strong>die</strong> den Zutritt zu Gott verwehren könnte.In Christus wird das Gewissen unser Fre<strong>und</strong>, wie es vor ihmunser Fe<strong>in</strong>d war. Vorher mußte es unser Leben verdammen.Nun aber sagt es “Ja” zu dem neuen Leben, das uns <strong>in</strong> Christusw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 112gegeben ist. Durch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Christus von aller Unre<strong>in</strong>heitbefreit, nimmt <strong>der</strong> Geist des Menschen <strong>die</strong> Gewißheitauf, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Jesus Christus gegeben ist. So wird das Gewissenals Christusgewissen zum Beauftragten Gottes. Es wird <strong>die</strong>Stimme des Gesandten für unser Bündnis mit Gott. In dem <strong>Innenland</strong>unserer <strong>Seele</strong> beg<strong>in</strong>nt se<strong>in</strong> Auftrag. In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>detritt <strong>die</strong>ser B<strong>und</strong> <strong>in</strong> Kraft. In <strong>der</strong> Aussendung tritt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>deals Botschaft vor alle Welt.Die Geme<strong>in</strong>de ist es, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Taufe den B<strong>und</strong> des guten Gewissensmit Gott bestätigt. Der B<strong>und</strong> des Glaubens vere<strong>in</strong>igt <strong>die</strong>Glaubenden. Die Taufe ist das Kampfzeichen <strong>die</strong>ser Glaubense<strong>in</strong>heitgegen alle Welt. Ohne Geme<strong>in</strong>de ist ke<strong>in</strong>e Taufe. DasWasser <strong>der</strong> Taufe ist re<strong>in</strong>es Wasser des <strong>E<strong>in</strong></strong>heitsgeistes, wie<strong>der</strong> We<strong>in</strong> des Abendmahls <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des re<strong>in</strong>en Blutes Jesuverkündigt. Ohne Geme<strong>in</strong>de gibt es ke<strong>in</strong> Mahl <strong>der</strong> Gewissense<strong>in</strong>heit.Das Geme<strong>in</strong>schaftsmahl <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> Danksagungbekennt <strong>und</strong> verkündigt den neuen B<strong>und</strong> als <strong>die</strong> siegesgewisse<strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Lebens <strong>und</strong> Blutes Christi. Das Brot <strong>und</strong> <strong>der</strong> We<strong>in</strong>s<strong>in</strong>d als Gedächtnis Jesu Christi Lebensbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong>viele Körner <strong>und</strong> viele Beeren gänzlich zu <strong>E<strong>in</strong></strong>em gemacht hat.Nur von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de aus wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung allerGewissenskräfte Geme<strong>in</strong>schaft gebaut. Nur von ihr aus gibt ese<strong>in</strong>e Aussendung <strong>in</strong> alle Welt, <strong>die</strong> sich vor den Gewissen allerlegitimiert. Von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de aus wird <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit als <strong>die</strong> FreiheitGottes proklamiert. Wo ihr Geist ist, ist Freiheit.Der <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Apostel hat Jesus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de se<strong>in</strong>enGeist als entscheidende Vollmacht für <strong>die</strong> Vertretung se<strong>in</strong>esReiches gegeben. Ihre Bevollmächtigung zum Lösen <strong>und</strong> zumB<strong>in</strong>den, zum Vergeben <strong>und</strong> zum Liegenlassen gewährleistet <strong>die</strong>Möglichkeit gänzlicher Entlastung <strong>und</strong> Befreiung für den <strong>E<strong>in</strong></strong>tritt<strong>in</strong> das Reich Gottes. Ohne <strong>die</strong> Vergebung <strong>der</strong> Sünde kann ke<strong>in</strong>Gewissen leben. Ohne sie kann niemand das Reich Gottes sehen.Weil <strong>der</strong> im Glauben <strong>und</strong> Leben vere<strong>in</strong>igten Geme<strong>in</strong>de dasLeben Jesu <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e zukünftige Herrschaft für <strong>die</strong> jetzige Zeitanvertraut ist <strong>und</strong> vorbehalten bleibt, verwaltet sie <strong>die</strong> Vergebungvor dem Gewissen aller.Die falsche Prophetie vergibt ohne Vollmacht. Ihre Vergebungist null <strong>und</strong> nichtig. Denn sie verän<strong>der</strong>t das Leben nicht.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 113Sie ruft “Friede”, wo ke<strong>in</strong> Friede ist. Sie spricht von Freiheit, woalles unfrei bleibt. Sie nennt Gerechtigkeit, was ungerecht ist.Sie tröstet <strong>die</strong> Freudlosigkeit mit erlogener Freude <strong>und</strong> gestohlenerSeligkeit. Sie verleugnet <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.Unter ihrem <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß wird das Gewissen dumpf <strong>und</strong> stumpf. Esverliert se<strong>in</strong>en Auftrag. Die falsche Prophetie entzieht ihm jedeAngriffsfläche, an <strong>der</strong> es sich betätigen könnte.Wo aber <strong>die</strong> Wahrheit des Gottesgeistes Vergebung <strong>und</strong>Frieden ansagt, wird das Gewissen zu beständig verstärkterTätigkeit aufgerufen. Es geht zum Angriff vor: Es muß Friedenwerden, wo ke<strong>in</strong> Friede war. Die Freiheit bricht an, wo allesgeknechtet war. Es muß Gerechtigkeit kommen, wo Ungerechtigkeitherrschte. Die Freude <strong>der</strong> Liebe bricht here<strong>in</strong>, wo alleLiebe <strong>und</strong> Freude erkaltet war. Es wird Geme<strong>in</strong>schaft, wo allesungeme<strong>in</strong>schaftlich war. Der Generalfeldzug gegen das Böseist eröffnet. Ke<strong>in</strong> Lebensgebiet kann sich dem Angriff entziehen.Der Wi<strong>der</strong>stand bricht. Das Weltgewissen erwacht. DasGewissen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist im Vormarsch.Für <strong>die</strong>sen Angriff <strong>der</strong> Aussendung ist <strong>die</strong> Wirksamkeit desGewissens im Innersten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Voraussetzung.Jedes Wachstum an den Gaben Gottes, je<strong>der</strong> Auftrag se<strong>in</strong>erWahrheit, jede Vertiefung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft verschärftdas Gewissen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Arbeit. In <strong>der</strong> Nähe Jesu erkennen <strong>und</strong>verurteilen wir uns selbst mit wachsen<strong>der</strong> Deutlichkeit <strong>und</strong> Bestimmtheit.Je länger wir den Weg <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de gehen, um somehr wissen wir uns auf <strong>die</strong> vergebende Gnade angewiesen.Es ist e<strong>in</strong> Beweis <strong>der</strong> Gegenwart Gottes, daß das Gewissen <strong>in</strong><strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ebensosehr an Zartheit wie an Kraft gew<strong>in</strong>nt. Eswill nicht nur Liebewidrigkeiten <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftslosigkeitenje<strong>der</strong> Art verurteilen <strong>und</strong> beseitigen lassen. Auch jede Ermüdung<strong>und</strong> Unterlassung greift es an. Alle toten Werke straft es,wo immer sie <strong>die</strong> lebendige Beseelung durch den Geist Gottesvermissen lassen.Solange Gottes Geist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de auf <strong>die</strong> Glaubendene<strong>in</strong>wirkt, spricht <strong>und</strong> wirkt das Gewissen ohne Unterbrechung<strong>und</strong> ohne Aufschub. Das gute Gewissen ist ke<strong>in</strong> grabesstillesGewissen. Sollte <strong>die</strong>se Stimme e<strong>in</strong>mal zu schweigen beg<strong>in</strong>nen,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 114so wäre alles verloren. Nicht an<strong>der</strong>s als durch e<strong>in</strong>en zweifachenBetrug falscher Prophetie kann das Gewissen zu toter Stille gebrachtwerden. Wenn wir uns zu dem Unglauben verleiten lassen,das Böse <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Ungerechtigkeit seien unabän<strong>der</strong>lich<strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrer Eigengesetzlichkeit als unantastbar zu betrachten,ist das Gewissen verloren. Zu falscher Demut gegen das Böse,zu falscher Ergebenheit an fremde Gottheiten erzogen, gibt dasGewissen se<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>stand auf <strong>und</strong> büßt se<strong>in</strong>en Kampfgeiste<strong>in</strong>. Der Gott <strong>die</strong>ser Welt <strong>und</strong> ihres Zeitgeistes hat das Gewissenverblendet. Er hat es um se<strong>in</strong> Ziel betrogen.Wenn es noch Gefährlicheres gibt als <strong>die</strong>se Ergebung unter<strong>die</strong> Weltgeltung des Bösen, so ist es <strong>der</strong> zweite Betrug <strong>der</strong>falschen Prophetie, <strong>der</strong> <strong>in</strong> erheuchelter Selbstsicherheit dasGewissen beschwichtigt. Er ist <strong>die</strong> entgegengesetzte Waffedesselben Fe<strong>in</strong>des. Er rollt <strong>die</strong> Front von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite herauf. Er führt durch krankhaft e<strong>in</strong>gebildete Heiligkeit zu dem gleichenResultat: zur Abstumpfung <strong>und</strong> Abtötung des Gewissens.Sobald wir uns selbst als geheiligt <strong>und</strong> unser Leben als Christusgleichgeformt ansehen, muß das Gewissen verstummen. DemReich Gottes s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser <strong>E<strong>in</strong></strong>bildung ferner als je. UnsereSattheit hat den Hunger <strong>und</strong> Durst verloren, ohne den es unterden Menschen ke<strong>in</strong> Leben aus Gott geben kann, ohne den <strong>die</strong>Gerechtigkeit se<strong>in</strong>es Reiches nicht zu uns kommen kann. Dietödliche Parallele ist <strong>in</strong> beiden Fällen erreicht: Wir gehören zudenen, <strong>die</strong> für ihr eigenes Gewissen verhärtet s<strong>in</strong>d.In se<strong>in</strong>en Selbstzeugnissen schil<strong>der</strong>t Paulus auf das e<strong>in</strong>gehendste,daß auch se<strong>in</strong> Gewissen nicht ruhte, sondem vielmehrdurch das freie Geschenk Gottes e<strong>in</strong> ebenso gutes wie tätigesGewissen geworden war. In <strong>die</strong>ser lebendigen Betätigung ist esdurch <strong>die</strong> Gnade von jeglicher Anfechtung frei geworden. Wasdem Apostel Jesu Christi das Zeugnis se<strong>in</strong>es Gewissens bestätigt,ist <strong>E<strong>in</strong></strong>falt <strong>und</strong> Lauterkeit <strong>in</strong> allem, was er tut <strong>und</strong> verkündigt.Daß <strong>die</strong>s so ist, geschieht durch <strong>die</strong> Gnade Gottes, <strong>die</strong> denAusgesandten zu se<strong>in</strong>em Arbeitsauftrag unter den Menschenbefähigt. Ke<strong>in</strong>e menschliche Kraft <strong>und</strong> Weisheit könnte <strong>die</strong>senAuftrag erfüllen.Bewahrende <strong>und</strong> stärkende Hilfe gibt es für das tätige Gewissennur <strong>in</strong> <strong>der</strong> vergebenden Gnade als <strong>der</strong> unver<strong>die</strong>ntenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 115Befreiung von aller Schuld. Nur durch e<strong>in</strong>en Freispruch kann<strong>der</strong> Gefangene zu neuer freier Lebensarbeit gelangen. Wie esan dem nahenden Gerichtstag <strong>der</strong> Endgeschichte se<strong>in</strong> wird, sokann auch heute vor den Gerichtsschranken des Gewissensnur e<strong>in</strong>s zur Entlastung <strong>und</strong> Freisprechung führen: Die vergebendeGnade durch das Blut des Gekreuzigten: <strong>die</strong> Entlastungvon aller Schuld durch <strong>die</strong> Tat des unschuldig H<strong>in</strong>gerichteten.Das unver<strong>die</strong>nte Geschenk <strong>die</strong>ses Freispruchs ist e<strong>in</strong>e endgültigegerichtliche Begnadigung von höchster Stelle, <strong>die</strong> ihreUrsache nicht <strong>in</strong> dem Verhalten o<strong>der</strong> <strong>in</strong> dem Innenleben desAngeklagten hat. Leben <strong>und</strong> Blut, Geist <strong>und</strong> <strong>Seele</strong> Jesu müssenvon dem Gerichteten angenommen <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Wesenaufgenommen werden. Nur so kann er neues Leben statt desTodes erwarten.Ganz an<strong>der</strong>s ist es bei Christus. Hier entscheidet <strong>der</strong> Geistdes Schöpfers <strong>und</strong> niemals <strong>die</strong> Materie <strong>der</strong> Schöpfung. Hier wirdke<strong>in</strong>e Substanz übertragen. Hier geht es nicht von Blut zu Blut.Hier geht es von Geist zu Geist. Der Geist, <strong>der</strong> Gott ist, kommtzu dem Menschengeist, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Materie, son<strong>der</strong>n Leben ausGott ist. Jesus lebte im Geist Gottes. In <strong>die</strong>sem Geist brachte erse<strong>in</strong> Reich. Das re<strong>in</strong>e Leben Jesu ist <strong>der</strong> Ausgangspunkt, vondem aus se<strong>in</strong> lebendig machen<strong>der</strong> Geist dem menschlichenGeist zuströmte, als er se<strong>in</strong>e vom Heiligen Geist erfüllte <strong>Seele</strong>für uns verströmte. In <strong>die</strong> Hände des Vaters gab <strong>der</strong> Gekreuzigtese<strong>in</strong>en Geist. Vom Vater aus sandte er den Heiligen Geistse<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de. Jetzt ist er als Herr <strong>und</strong> Gebieter <strong>der</strong> Geist<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Im Geist teilt sich Christus den Menschen mit.In <strong>die</strong>sem Geist geschieht es, daß sie nicht mehr ihr eigenesLeben, son<strong>der</strong>n ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es als alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Leben führen.In <strong>die</strong>sem Geist ist Jesus mitten unter denen, <strong>die</strong> an ihn glauben.Mit allem, was se<strong>in</strong> Leben <strong>und</strong> Sterben vollbracht hat, ister im Heiligen Geist gegenwärtig. In <strong>die</strong>sem Geist kommt <strong>die</strong>Kraft zu uns, mit <strong>der</strong> er alle Instrumente <strong>und</strong> Waffen des Todeszerbrochen, alle Gifte <strong>und</strong> Bazillen des Bösen vertilgt hat. DieseTatsache <strong>und</strong> Tathandlung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle Schuld gelöscht ist, wirdim Heiligen Geist als Kraft mitgeteilt.Vom Tode Christi her empfangen wir <strong>die</strong> Kraft, mit allemBestehenden zu brechen <strong>und</strong> dem toten Leben <strong>in</strong> uns selbstw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 116<strong>und</strong> um uns her abzusterben. Dies Sterben erfor<strong>der</strong>t letzte <strong>und</strong>äußerste Kraft. In Jesus wird sie uns gegeben. Nun entscheidetnicht mehr unser <strong>und</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Leben, sondem nur nochse<strong>in</strong> Leben über unser Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Tun. Nun s<strong>in</strong>d wir freigesprochen<strong>und</strong> begnadigt, was immer wir auch vorher waren <strong>und</strong>taten. Das neue Leben beg<strong>in</strong>nt, wo das alte aufgehört hat.Das Geschenk <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>igung des Gewissens durch den TodChristi br<strong>in</strong>gt das <strong>in</strong>wendige Leben <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mitGott. Es geschieht durch den Heiligen Geist. Das Innerste <strong>der</strong><strong>Seele</strong> hat im Glauben Zugang zu Gott. Der glaubende Geisthat Umgang mit <strong>der</strong> Nähe Jesu Christi. Unser Geist br<strong>in</strong>gt dasZeugnis se<strong>in</strong>es Gewissens <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem GeistGottes. Unser Gewissen lebt nun im Heiligen Geist. Der GeistGottes leitet unseren Geist <strong>und</strong> dessen Gewissen. In <strong>der</strong> Kraftwirkung<strong>die</strong>ses se<strong>in</strong>es Geistes erweist sich Christus als <strong>der</strong>Auferstandene <strong>und</strong> Lebendige. Durch ihn bewirkt er <strong>in</strong> uns <strong>und</strong>um uns her das neue Leben, das dem Reich Gottes entspricht.Dies Leben erfor<strong>der</strong>t letzte <strong>und</strong> äußerste Kraft. In Christus, demLebendigen, ist sie uns gegeben.Im Geist Jesu Christi breitet sich das Reich Gottes als Gerechtigkeit,Friede <strong>und</strong> Freude über das ganze Leben aus. Werso an ihn glaubt, vermag se<strong>in</strong> Leben zu üben, daß es ohne Anstoßvor Gott <strong>und</strong> Menschen das lebendige Gewissen bewahrt.Die entschlossene <strong>und</strong> beständige Abkehr von allem Bösenwird zur immer erneuten H<strong>in</strong>kehr zu <strong>der</strong> liebenden Gerechtigkeit,zu <strong>der</strong> friedewirkenden <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, zu <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Wahrheitdes Reiches Gottes. Dieses Leben <strong>in</strong> Christus ist möglich.Im Heiligen Geist wird es überall dort gegeben, wo man anJesus Christus glaubt.Das Gewissen hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geb<strong>und</strong>enheit an Christus se<strong>in</strong> Ziel<strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Bestimmung gef<strong>und</strong>en. Das <strong>in</strong> das Herz aller Menschene<strong>in</strong>gezeichnete Sehnsuchtsbild <strong>der</strong> Gerechtigkeit f<strong>in</strong>det<strong>in</strong> dem Wort <strong>und</strong> Vorbild Jesu se<strong>in</strong> vollkommenes Urbild. Indessen Werk hat es se<strong>in</strong>e Vollendung gef<strong>und</strong>en. Diese heiligeWahrheit will dem Gewissen nicht von außen gegenüberstehen.Das Leben <strong>und</strong> Werk Jesu wird <strong>in</strong> das Herz <strong>und</strong> <strong>in</strong> dasTun h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gegeben. Der Glaubende wird zum lebendigen Briefw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 117Christi. Die Wahrheit Jesu Christi ist zum <strong>in</strong>neren Wort geworden,das <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzen e<strong>in</strong>geschrieben ist. Was <strong>die</strong>se Handschriftfür alle lesbar macht, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Taten, <strong>die</strong> als Buchstabendes Geistes aus dem Herzen hervordr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> dem Lebene<strong>in</strong>geprägt werden. Das Gewissen wird erneuert <strong>und</strong> geklärt,<strong>in</strong>dem <strong>die</strong> Heiligkeit des Willens Gottes im Herzen lebendig ist<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat wirklich wird. Der <strong>in</strong>newohnende Christus durchleuchtetunser ganzes Leben. In allen se<strong>in</strong>en Bereichen verwandelter es von <strong>in</strong>nen nach außen. Er macht alles an<strong>der</strong>s<strong>und</strong> neu.Im Innersten ihres Geistes hat <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>die</strong> Wahrheit aufgenommen.Das Gewissen gibt <strong>der</strong> Wahrheit <strong>die</strong> Ehre, <strong>in</strong>demes ihr gehorcht <strong>und</strong> an ihr Halt gew<strong>in</strong>nt. Das Gewissen darfmit e<strong>in</strong>er zarten Kletterpflanze verglichen werden. Ohne Haltverkümmert es kriechend am Boden. Es sucht das Hohe <strong>und</strong>Starke. Aber woran es sich auch emporrankt, es verän<strong>der</strong>t se<strong>in</strong>Wesen nicht. Der Efeu nimmt niemals Wuchs <strong>und</strong> Blattform desBaumes an, an den se<strong>in</strong> Leben gekettet ist. Und dennoch <strong>die</strong>ntse<strong>in</strong> mühevolles Emporklimmen dem zur Verherrlichung, woraner geb<strong>und</strong>en ist. Der Gegenstand, dem er anhaftet, ist se<strong>in</strong>Schicksal. Stürzt <strong>der</strong> Stamm, so ist <strong>der</strong> Efeu unumgänglich <strong>in</strong><strong>die</strong>sen Sturz verwickelt.Das Gewissen sucht nach dem Felsen, <strong>der</strong> nicht stürzen <strong>und</strong>sich niemals verän<strong>der</strong>n kann. Es sucht nach Gott. Es verlangtnach Christus; es drängt zu se<strong>in</strong>em Geist <strong>und</strong> zu se<strong>in</strong>er Wahrheit.In an<strong>der</strong>en Idealen kann es niemals zur Ruhe, niemals zurFestigkeit gelangen. Gewißheit des Gewissens lebt nur <strong>in</strong> <strong>der</strong>Absolutheit <strong>der</strong> Wahrheit.Das Gewissen hat <strong>in</strong> sich selbst ke<strong>in</strong>e Gewähr. Es ist wiee<strong>in</strong>e Waage, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Gewichte fehlen. Gibt man ihr falsche Gewichte,so lügt sie um so schärfer, je fe<strong>in</strong>er <strong>und</strong> empf<strong>in</strong>dlichersie ist. Das Wiegen auf falscher Waage ist betrügerischer, alses an<strong>der</strong>e Lügen <strong>und</strong> Täuschungen s<strong>in</strong>d. Nur <strong>die</strong> echten Gewichtegeben dem Gewissen Wert. Ohne sie bleibt es bei unsicheremZittem <strong>und</strong> Schwanken, bei gefährlicher Täuschung<strong>und</strong> betrügerischer Irreführung. Nur <strong>die</strong> absolute Wahrheit gibtdem Gewissen Gewähr <strong>und</strong> Geltung. Nur sie <strong>und</strong> ihre Lebensfor<strong>der</strong>ungenkann es mit Sicherheit vertreten.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 118Im Mittelalter haben <strong>die</strong> Femegerichte 29 unendlichen Schadenangerichtet. Ihnen fehlte <strong>die</strong> klare Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>er sachlichbestimmten Norm. Wir haben es erlebt, welche Verwirrung <strong>der</strong>Gewissen durch wi<strong>der</strong>spruchsvolle <strong>und</strong> unübersehbare Verordnungenangerichtet wird, auch wenn sie von wohlme<strong>in</strong>endenRegierungen <strong>und</strong> Behörden erlassen werden. Die sorgfältigstdurchdachte Gesetzgebung bleibt ver<strong>der</strong>blich, wenn sie sichnicht vor den Gewissen als Ausdruck <strong>der</strong> absoluten Gerechtigkeiterweist.Mör<strong>der</strong>ische Befehle <strong>der</strong> Kriegsgerichte, unbegreifliche Urteileemotional aufgeputschter Berichterstatter, unerhörte Ungerechtigkeitenfalsch orientierter Zeitungsschreiber, verwirrendeAufrufe fanatischer Parteien <strong>und</strong> Bürgerkriegsorganisationenhaben uns <strong>die</strong> Schrecken <strong>der</strong> mittelalterlichen Femegerichteunmittelbar nahegebracht. Die Fememorde 30 unserer Tage s<strong>in</strong>dke<strong>in</strong> Zufall. Sie offenbaren den Ungeist unserer Zeit. Fanatismusist rasende Unsicherheit. Nur deshalb überschlägt er sich<strong>in</strong> uns<strong>in</strong>nigster Übersteigerung se<strong>in</strong>es Hasses. Er hat das Licht<strong>und</strong> <strong>die</strong> Wärme e<strong>in</strong>gebüßt. Er ist ohne Herz. Das Gewissen hatse<strong>in</strong>en Maßstab verloren. Es wütet ohne sachlichen Gr<strong>und</strong> gegenalles, was se<strong>in</strong>er krankhaften Erregung zuwi<strong>der</strong> ist.Es war mehr als e<strong>in</strong> grotesker <strong>E<strong>in</strong></strong>zelfall, als e<strong>in</strong> eifrig umKlärung se<strong>in</strong>er politischen Verworrenheit r<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Mann nachden großen Wahlkämpfen des Jahres 1932 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Psychiatrieüberführt werden mußte. Er hatte den Versuch gewagt, denWahlversammlungen aller Parteien <strong>und</strong> sämtlicher RichtungenGlauben zu schenken. – Vielleicht war er verständiger <strong>und</strong>vemünftiger als <strong>die</strong> bl<strong>in</strong>d wählende Masse. Wie viel schwächerist das Gewissen aller <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> ihre Stimme abgeben, ohnejemals <strong>die</strong> Manner <strong>und</strong> Pläne <strong>der</strong> von ihnen gewählten Parteiihrem wirklichen Wesen nach erkannt zu haben._______________________________29Femegerichte = seit dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t nachweisbare öffentlicheGerichte (bes. <strong>in</strong> Westfalen); allm. Übergang zu heiml. Verhandlung;vere<strong>in</strong>zelt bis Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts.30von Geheimgesellschaften verübte polit. Morde, <strong>in</strong> Dtl. nach 1919 bes.an Politikern <strong>der</strong> Mitte- <strong>und</strong> L<strong>in</strong>ksparteien durch rechtsradikale Verbände.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 119Wie groß ist <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong>er, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise <strong>die</strong> Beweggründe<strong>und</strong> Richtl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> durch ihre Wahl verworfenenParteien erforscht haben. Ohne das e<strong>in</strong>e gegen das an<strong>der</strong>ewürdigen zu können, wirft man se<strong>in</strong>e Stimme <strong>in</strong> <strong>die</strong> Waagschale<strong>der</strong> Weltgeschichte. Das Gewissen hat man weggeworfen.Die Verantwortung unübersehbarer Schuld hat man auf sichgeladen. Man hat sich ohne Orientierung des Gewissens angemaßt,schwerwiegende schicksalhafte Entscheidungen vonweltweiter Bedeutung zu treffen.Das Gewissen warnt: Tue nichts ohne zureichenden Gr<strong>und</strong>.Handle niemals ohne tatsächliche Gr<strong>und</strong>lage. Schreite zurHandlung, wenn du weißt, was du tust. Man kann se<strong>in</strong> Lebennicht an<strong>der</strong>s vor dem Fluch unverantwortlicher Schritte bewahren,als wenn man <strong>die</strong> unverfälschten Gewichte <strong>der</strong> Wahrheitannimmt. Alle<strong>in</strong> das im Herzen lebendige Buch <strong>der</strong> Gottesgerechtigkeithat als Norm aller Entscheidungen zu gelten. An<strong>der</strong>shat man ke<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong> unter den Füßen. Das Gewissen kannnur dann zu Urteil <strong>und</strong> Zeugnis gelangen, wenn sich ihm <strong>der</strong>Charakter Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er unverän<strong>der</strong>lichen Gerechtigkeit aufsbestimmteste e<strong>in</strong>prägt.Die sich wi<strong>der</strong>streitenden Menschenme<strong>in</strong>ungen relativerRichtigkeit <strong>und</strong> relativer Verkehrtheit können dem Gewissenzu ke<strong>in</strong>er begründeten Entscheidung verhelfen. Nur durch dasGewicht <strong>der</strong> Wahrheit Gottes kann es zu klarer Stellungnahmegelangen. Es f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>en Halt e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> an dem Felsendes unverfälschten Christus. Er ist alle<strong>in</strong> Vorbild, <strong>Wegweiser</strong><strong>und</strong> Befreier. Er alle<strong>in</strong> gibt F<strong>und</strong>ament, Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ursache zuverantwortlicher Handlung. Es gibt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Gerechtigkeitals <strong>die</strong> se<strong>in</strong>es kommenden Reiches.Alles an<strong>der</strong>e verän<strong>der</strong>t sich. Denn es ist unsicher. Es wandeltsich. Denn es ist unzulänglich. Es kommt <strong>und</strong> geht. Denn eshat ke<strong>in</strong>en Bestand. Es hat ke<strong>in</strong>en zureichenden Gr<strong>und</strong>. DieAnschauungen <strong>der</strong> Menschen – seien sie noch so gebildet –schwanken <strong>und</strong> brechen. In weicher Biegsamkeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> starrerGegensätzlichkeit geht alles Menschliche h<strong>in</strong> <strong>und</strong> her. Nichtsist sicher. Alles ist relativ. Das Resultat ist klar: In ihrem Relativismus,<strong>der</strong> unversöhnlichen Gegensätzen Gleichberechtigungzuspricht, verliert <strong>die</strong> Menschheit jede Wertung.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 120Aller <strong>die</strong>ser Verwirrung gegenüber bleibt Jesus Christus, wietausendfach man auch se<strong>in</strong> klares Bild relativistisch verändem<strong>und</strong> verfälschen mag, heute <strong>und</strong> immer gänzlich <strong>der</strong>selbe, <strong>der</strong>er zur Zeit des Augustus, des Herodes <strong>und</strong> Pilatus war. Er will<strong>und</strong> wirkt heute durchaus <strong>und</strong> absolut dasselbe, was er amEnde <strong>der</strong> Tage <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em letzten Reich aufrichten wird. Nur <strong>der</strong>Unverän<strong>der</strong>liche ist <strong>die</strong> Entscheidung. Alles an<strong>der</strong>e ist Aufschub<strong>und</strong> Verschiebung. Relativismus <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>lichkeit menschlicherMe<strong>in</strong>ungen kann dem Lebenswillen nur Erkrankung <strong>und</strong>Auflösung br<strong>in</strong>gen. Nur <strong>die</strong> Absolutheit des sich überall <strong>und</strong> immergleichbleibenden Christuswillens gibt dem Leben Ges<strong>und</strong>heit.Ges<strong>und</strong>heit ist Tatkraft, <strong>die</strong> <strong>in</strong> geklärter Entscheidung aus<strong>der</strong> Sicherheit des Lebens<strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktes geboren wird. Sie bedarfe<strong>in</strong>es Lebens<strong>in</strong>halts, <strong>der</strong> fest <strong>und</strong> beständig ist.Ges<strong>und</strong> wird das Gewissen nur dann, wenn es völlig anChristus geb<strong>und</strong>en ist. In nichts an<strong>der</strong>em kann es wirklichesLeben geben als <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem unwandelbaren göttlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>fluß.Nur wenn <strong>der</strong> unvermischte Christus <strong>der</strong> Halt des Gewissensgeworden ist, kann das Leben genesen. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>ungdes <strong>in</strong>neren Menschen an Christus kann <strong>die</strong> heutige Not <strong>in</strong>Angriff genommen werden. An Christus orientiert sich <strong>die</strong> Heilungdes Gewissens. Jesus ist es, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Menschen unsererTage heilt, wie er <strong>die</strong> Kranken se<strong>in</strong>er Zeit ges<strong>und</strong> gemacht hat.An Christus orientiert sich <strong>die</strong> Heilung des Gewissens. Jesusist es, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Menschen unserer Tage heilt, wie er <strong>die</strong> Krankense<strong>in</strong>er Zeit ges<strong>und</strong> gemacht hat. Der Zukunftsgeist Christi will<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsgeist <strong>der</strong> Gegenwart se<strong>in</strong>, wie er <strong>der</strong> Geist<strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de war. Der Strom des zukünftigen Reichtumserreicht uns <strong>in</strong> dem lebendigen Christus <strong>der</strong> Propheten <strong>und</strong>Apostel. Im apostolischen Wort kommt Christus zu uns. Durchdas prophetische Wort re<strong>in</strong>igt se<strong>in</strong> Geist unser Gewissen. Wie<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kraftstählendes Wasserbad will er uns <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wahrheit versenken.Abermals erweist sich <strong>der</strong> Geist Jesu Christi als unverän<strong>der</strong>liche<strong>in</strong>s mit sich selbst. Was er heute unserem Gewissene<strong>in</strong>prägt, ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong>se unverän<strong>der</strong>liche Übere<strong>in</strong>stimmungmit sich selbst. Den Propheten <strong>und</strong> Aposteln wie <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de aller Zeiten hat er den e<strong>in</strong>en Weg <strong>der</strong> Wahrheit <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 121des Lebens <strong>in</strong>s Herz geschrieben. Aus <strong>der</strong> selben Quelle br<strong>in</strong>gter auch heute <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de hervor.Zu allen Zeiten verkündigt er <strong>die</strong>selben zukünftigen D<strong>in</strong>ge.Allen Generationen br<strong>in</strong>gt er <strong>die</strong> Kräfte <strong>der</strong>selben zukünftigenWelt. Alle, <strong>die</strong> sie aufnehmen, vermögen zu allen Zeiten danachzu leben. Stets er<strong>in</strong>nert er an <strong>die</strong> ewig gültigen Worte, <strong>die</strong> JesusChristus gesprochen hat. Sie können <strong>und</strong> sollen von allen Bewohnem<strong>der</strong> Erde getan werden. Durch unmittelbare <strong>E<strong>in</strong></strong>igungmit dem e<strong>in</strong>gegebenen Wort <strong>die</strong>ses Geistes, das stets dasselbebleibt, wie das <strong>der</strong> Apostel <strong>und</strong> Propheten, wird das Gewissenaller Glauben den stark <strong>und</strong> bestimmt. In <strong>die</strong>ser letzten <strong>E<strong>in</strong></strong>heitist es <strong>der</strong> Neuheit aller Ereignisse gewachsen.Durch den Geist, <strong>der</strong> Christus <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen Geme<strong>in</strong>de allervergangenen, gegenwärtigen <strong>und</strong> zukünftigen Zeiten als densich gleich bleibenden Gebieter verherrlicht, wird das Gewissenlebendig <strong>und</strong> fest. Der Geist Gottes erweckt aus dem Glaubenden Mut, damit tapfer getan wird, was <strong>die</strong>ser Geist will <strong>und</strong> vermag.So wird <strong>der</strong> Glaube zu tatenfrohem Wirken. Se<strong>in</strong> Werkentspricht dem Reich desselben Christus, <strong>der</strong> da war, <strong>der</strong> da ist<strong>und</strong> <strong>der</strong> da kommt.Im Anfang gewann das Gewissen se<strong>in</strong>e Stimme durch <strong>die</strong>Tatsache, daß <strong>der</strong> erste Mensch e<strong>in</strong>e lebendige <strong>Seele</strong> war,<strong>der</strong>en Atem von Gott kam. Diesem Ursprung wird es seit demSündenfall nur dort gerecht, wo <strong>der</strong> letzte Mensch als lebendigmachen<strong>der</strong> Geist den seelisch dah<strong>in</strong>sterbenden Menschenergriffen hat (Röm. 5,12ff). Der apostolische Auftrag beruftsich nicht schlechth<strong>in</strong> auf das alte Gewissen, wie es jedemMenschen von Natur gegeben ist. Der Apostel Jesu Christistützt se<strong>in</strong> Zeugnis auf se<strong>in</strong> Gewissen im Heiligen Geist.Er nimmt damit nicht e<strong>in</strong> zwiefaches Zeugnis für <strong>die</strong> Wahrheitse<strong>in</strong>er Aussage <strong>in</strong> Anspruch. Es ist vielmehr <strong>die</strong> e<strong>in</strong>igende Wirkungdes heiligen, lebendig machenden Geistes, daß das GewissenGott gegenüber von dem Zwiespalt ges<strong>und</strong>et, <strong>in</strong> den esgeraten war. Gottes Geist re<strong>in</strong>igt den Menschengeist zu solcherKlarheit, daß sich beide zu e<strong>in</strong>em Zeugnis vere<strong>in</strong>igen können.Das Gewissen ges<strong>und</strong>et im Heiligen Geist zum e<strong>in</strong>stimmigenZeugnis mit dem überlegenen Geist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Geist Gottes ist.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 122Wenn das Gewissen im Heiligen Geist lebt, ist es so völlig<strong>in</strong> ihn h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>getaucht, daß es ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e als nur dessen Luftatmet. Dessen Wesen <strong>und</strong> Charakter ist es, was von nun andas Gewissen bestimmt. Als e<strong>in</strong> Gewissen im Heiligen Geistverherrlicht es Christus, er<strong>in</strong>nert an alles, was Jesus gesagthat, <strong>und</strong> führt zu <strong>der</strong> tatkräftigen Erwartung se<strong>in</strong>er Zukunft. Soerweckt es das angespannteste Wachen <strong>und</strong> Beten, daß <strong>der</strong>Mensch <strong>in</strong> gefährlichen Zeiten ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Geist unterliegt,daß er <strong>in</strong> neuer Anfechtung durch fremde Irreführung nicht abermalsabstürzt. Bei dem neuen Sturz würde ihm mit <strong>der</strong> lebendigen<strong>Seele</strong> auch <strong>der</strong> lebendig machende Geist verloren se<strong>in</strong>.Aber <strong>die</strong>ser Geist ist stärker als alle an<strong>der</strong>en Geister. DerHeilige Geist wirkt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Erweckung <strong>und</strong> Bewahrung desGewissens auf e<strong>in</strong>en umfassenden Sieg über alle knechtendenMächte <strong>und</strong> Gewalten h<strong>in</strong>. Er tut <strong>die</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> VerherrlichungChristi, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Offenbarung Gottes <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geltung se<strong>in</strong>erHerrschaft. Die Macht Gottes befreit das Gewissen von allenan<strong>der</strong>en Geistesmächten. Niemand als <strong>der</strong> allgewaltige Gottselbst kann <strong>die</strong>sen Sieg err<strong>in</strong>gen.Im griechischen Urtext ist das “an Gott geb<strong>und</strong>ene Gewissen”so eng <strong>und</strong> fest auf Gott bezogen, daß <strong>die</strong> genaueste Übersetzunges geradezu als “Gewissen Gottes” wie<strong>der</strong>geben müßte.Und so empf<strong>in</strong>det es auch das <strong>in</strong>nere Leben: als e<strong>in</strong> Gewissenvor Gott, zu Gott <strong>und</strong> <strong>in</strong> Gott, als das Gewissen des GeistesJesu Christi, als das Gewissen Gottes. In Gott durch Christusist es von aller Irreleitung <strong>und</strong> knechtenden Geb<strong>und</strong>enheit freigeworden. Es lebt <strong>in</strong> Gott <strong>und</strong> ist Gottes geworden. Gott ist <strong>die</strong>Freiheit des Gewissens.Wenn sich heute alle leidenschaftlichen Bewegungen <strong>der</strong> Völkerauf den Kampf um Freiheit berufen, so schwebt ihnen e<strong>in</strong>letzter Gedanke des Willens Gottes vor. Freiheit ist <strong>der</strong> GedankeGottes für den Menschen. Ohne Freiheit ist niemand Mensch.– Frei aber ist <strong>der</strong> Mensch nur dann, wenn er nichts zu tungezwungen ist, was dem Gewissen wi<strong>der</strong>spricht. Die Freigabegibt dem Gewissen se<strong>in</strong>e ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Wirkungsmöglichkeitzurück. Von Freiheit kann man nur dort sprechen, wo dasganze Leben auf allen geistigen <strong>und</strong> materiellen Gebieten <strong>die</strong>Freiheit se<strong>in</strong>er ursprünglichen Bestimmung behauptet.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 123Frei ist e<strong>in</strong> Leben nur dann, wenn es <strong>in</strong> allen Lebensbereichen– sei es <strong>in</strong> den sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Fragen,sei es im Berufs- <strong>und</strong> Familienleben genauso wie im <strong>in</strong>nerstenGlaubensleben – nach letzter <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerster Berufung gelebtwird. Der Entscheidungskampf um <strong>die</strong> Freiheit geht um denUniversalismus e<strong>in</strong>es alles umfassenden Gewissens. Je<strong>der</strong>an<strong>der</strong>e Freiheitskampf ist vorgetäuscht. Jede Begrenzung desFreiheitsziels br<strong>in</strong>gt Unfreiheit. Die wahre Freiheit besteht <strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränkterEntfaltung <strong>der</strong> vollen Bestimmung des ganzenMenschen. Die Freiheit lebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ganzheit.Bevor man zum Kampf um <strong>die</strong> Freiheit aufruft, sollte zuerst<strong>und</strong> zuletzt <strong>die</strong> Bestimmung des menschlichen Geistes für <strong>die</strong>alles umfassende Freiheit des Gewissens klar gestellt se<strong>in</strong>.Erst dann kann man unternehmen, was zur Freiheit führt. Eheman zur H<strong>in</strong>gabe an <strong>die</strong> Aufgabe schreitet, muß <strong>die</strong> Aufgabeklar se<strong>in</strong>.Der Aufruf zur Freiheit weckt Freiheit für alles, was das ges<strong>und</strong>eteGewissen will; o<strong>der</strong> er ist Täuschung <strong>und</strong> Lüge. DerMensch soll wissen, wofür er befreit werden soll, ehe ihm gesagtwerden kann, wovon er befreit werden muß. “Frei – wozu?” lautet<strong>die</strong> Frage. Freiheit ohne Ziel ist Unfreiheit. Was frei werdensoll, ist <strong>der</strong> Wille zum Guten. Wozu er frei werden soll, ist <strong>die</strong>gute Tat. Was <strong>die</strong> Tat gut macht, ist ihr S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> ihre Bedeutung.Solange das Gewissen ohne letztes Ziel <strong>und</strong> ohne letzten Inhalt<strong>in</strong> ödem Brachland liegt, kann es nicht zur Freiheit berufen se<strong>in</strong>.Nur <strong>die</strong> Wahrheit macht frei; nur ihre Aufgabe gibt <strong>der</strong> freienH<strong>in</strong>gabe ihren Wert. Teilwahrheiten s<strong>in</strong>d unwahr. Ihre Aufgabens<strong>in</strong>d nichtig. Nur <strong>die</strong> ganze Wahrheit ist Freiheit.Es gilt, jede Abhängigkeit von Menschen <strong>und</strong> menschlichenMaßstäben abzutun, um sich zu <strong>der</strong> Freiheit letzter Bestimmungdurchzukämpfen. Sie alle<strong>in</strong> gibt dem Gewissen Ziel <strong>und</strong> Inhalt.Die freiwillige Knechtung unter menschliche Gewalten ist fürdas ges<strong>und</strong>e Gewissen Unfreiheit. Denn sie verlangt e<strong>in</strong>e letztlichziellose <strong>und</strong> wahrhaft <strong>in</strong>haltleere H<strong>in</strong>gabe. Der Apostel JesuChristi ruft uns auf, nicht abermals <strong>der</strong> Menschen Knechte zuwerden. <strong>E<strong>in</strong></strong> Abwerfen <strong>und</strong> Fernhalten sche<strong>in</strong>freier Knechtung<strong>und</strong> verschleierter Sklaverei ist nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zigenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 124Freiheit möglich, zu <strong>der</strong> uns Christus befreit hat. Der Gehorsamse<strong>in</strong>es Glaubens ist <strong>die</strong> Freiheit. Denn er führt zu dem Leben,das dem heiligsten Müssen als dem heiligsten Sollen des ges<strong>und</strong>enGewissens entspricht. Das heilige Sollen Gottes ist <strong>die</strong>heilige Freiheit des Menschen. Es ist das wahre Se<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong><strong>und</strong> ihres Gewissens.Jesus Christus ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Führer <strong>der</strong> Freiheit. Er br<strong>in</strong>gtke<strong>in</strong>e verborgene Unfreiheit. Gegen <strong>die</strong> Freiwilligkeit desmenschlichen Geistes untemimmt er nichts. Er weckt den freienWillen, alles das zu tun <strong>und</strong> nichts an<strong>der</strong>es als das zu tun,wozu jedes von <strong>der</strong> Wahrheit überzeugte Gewissen aufrufenmuß. Der Herr ist <strong>der</strong> Geist. Und wo <strong>der</strong> Geist des Herm ist, daist Freiheit. Sie ist freie Tatkraft zu freiem Handeln.Wer e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Führer <strong>die</strong> Verantwortung für das eigeneHandeln übergeben möchte, wer e<strong>in</strong>em menschlichen FührerGehorsam leisten will, hat <strong>die</strong> Freiheit verraten. Er ist <strong>der</strong>Knecht e<strong>in</strong>es Menschen geworden. Zu völligster Ver<strong>der</strong>bnisaber wird se<strong>in</strong> versklavtes Gewissen gebracht, wenn <strong>die</strong>serverführerische Mensch zu e<strong>in</strong>er Freiheit ruft, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e Freiheitist. Alle Führer menschlicher Geltung ver<strong>der</strong>ben <strong>die</strong> Gewissen.Deshalb sagt Jesus: Ihr sollt euch nicht Führer nennen.Nur e<strong>in</strong>er ist euer Meister, ihr aber seid Brü<strong>der</strong> (Matth. 23,8).Ebenbürtige Brü<strong>der</strong>lichkeit ist <strong>der</strong> Boden <strong>der</strong> Freiheit, auf demdas Gewissen ges<strong>und</strong>et. Sie alle<strong>in</strong> verbürgt <strong>die</strong> Betätigung <strong>der</strong>re<strong>in</strong>en Liebe, <strong>die</strong> aus dem Glauben kommt.Die Freiheit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist Heilung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit desGewissens. Sie ist es <strong>in</strong> dem alle<strong>in</strong> freien Geist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> GeistGottes ist. Die Herrschaft Gottes ist es, <strong>die</strong> dem Gewissen Freiheitbr<strong>in</strong>gt. Das Reich kommt. Die Heilung aller Schäden setzte<strong>in</strong>. Das an Gott geb<strong>und</strong>ene Gewissen wird frei <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>.Jetzt kommt es zur Wirkung. Nun ist <strong>die</strong> Bahn frei. Die Arbeitbeg<strong>in</strong>nt. Das ganze Leben wird frei. Das Werk des Geistes wirdangerichtet. Wen Christus frei macht, <strong>der</strong> ist wirklich frei. Se<strong>in</strong>eFreiheit erobert <strong>die</strong> Wirklichkeit. An ihm ges<strong>und</strong>et das Gewissen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Freiheit sachlich geklärter Entscheidung zu <strong>der</strong>Schaffenskraft <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktsicherer Lebensführung. Es hat <strong>in</strong> demWillen des Geistes se<strong>in</strong>en Inhalt gef<strong>und</strong>en. Das Reich Gottesist <strong>die</strong> Heilung <strong>der</strong> Menschheit.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 125DAS ERLEBEN GOTTESJe erschüttern<strong>der</strong> das geschichtliche Erleben e<strong>in</strong>er Zeit ist,um so notwendiger wird <strong>die</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> letzten Geistesmacht,<strong>die</strong> alles Geschehen durchwirkt <strong>und</strong> bestimmt. So gewaltigeäußere Ereignisse wie <strong>die</strong> jetzigen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht<strong>in</strong> den letzten Willen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Ziel. Aber je unruhiger <strong>die</strong> Zeitenwerden, um so mehr drängen sich Nebensächlichkeiten <strong>in</strong> denVor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Die Verwirrung aller Fäden sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong>artangespannten Augenblick jede Klarheit zu verwehren. Diewachsende Bedrängnis führt zu sche<strong>in</strong>baren Notwendigkeitendes Augenblicks. Zeitlich bed<strong>in</strong>gt, wie <strong>die</strong>se Lösungsversuches<strong>in</strong>d, vermögen sie <strong>die</strong> Not nicht zu wenden. Versuch folgt aufVersuch; <strong>die</strong> Not steigt; nichts kann sie meistern; man vers<strong>in</strong>kt<strong>in</strong> ihren Tageskämpfen <strong>und</strong> verliert den Ausblick auf <strong>die</strong> Wendung.Die e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>en im nationalistischen Gedankengut dasHöchste sehen zu müssen. Die Freiheit des eigenen Volkesersche<strong>in</strong>t als das absolute Ziel, dem sich alles an<strong>der</strong>e unterzuordnen<strong>und</strong> aufzuopfern hat. Dagegen treten <strong>die</strong> Verfechter <strong>der</strong>liberalen Freiheit für den e<strong>in</strong>zelnen mit dem Wettbewerb ihresunternehmungslustigen Individualismus <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Beziehung <strong>in</strong>den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Ke<strong>in</strong> Staatsschutz bewahrt sie vor <strong>der</strong> ihnennahenden Bedeutungslosigkeit. Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e aber glaubenan e<strong>in</strong>en Verlauf <strong>der</strong> Geschichte, <strong>der</strong> <strong>die</strong> bisher im WettbewerbUnterdrückten <strong>und</strong> Ausgebeuteten <strong>in</strong> allen Nationen an <strong>die</strong>Macht br<strong>in</strong>gen soll. Das Ziel e<strong>in</strong>er klassenlosen Gesellschaft<strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> des Friedens schw<strong>in</strong>det jedoch im Kampfum <strong>die</strong> Macht fast gänzlich aus dem Bewußtse<strong>in</strong>.Alle drei Richtungen mit ihrem auf <strong>und</strong> ab tauchenden Hoffen<strong>und</strong> Kämpfen erwarten von <strong>der</strong> prophetischen Kraft <strong>der</strong> Christus-Verkündigungnichts. Die zwischen den beiden politischenExtremen stehende Mitte hat ke<strong>in</strong>e Sorge, dass ihr selbstischesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 126Leben vom Reiche Gottes her erschüttert werden könnte. Wo<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne <strong>die</strong> Wirtschaft sich selbst unterwerfen will, wird dasGewissen für <strong>die</strong> weltweiten Zusammenhänge <strong>der</strong> großen Notabgestumpft. Ernster s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Gedanken zur Rechten <strong>und</strong> zurL<strong>in</strong>ken. Die e<strong>in</strong>en wollen im Gegensatz zu Christus <strong>der</strong> Religionden Dienst zuweisen, <strong>die</strong> von ihnen angestrebte Machtordnungbed<strong>in</strong>gungslos zu unterstützen. Ihr sollen sich <strong>die</strong> christlichenGewissen willig unterordnen. So wird das Gewissen zum Sklaven<strong>der</strong> Staatsmacht. Die an<strong>der</strong>en dagegen sehen im christlichenBekenntnis den verhaßtesten Gegner. Sie kennen vomChristentum nur jene gesellschaftliche Macht, welche im Gegensatzzu Christus alle soziale Ungerechtigkeit mit heuchlerischerGebärde zudeckt <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gequälten auf e<strong>in</strong> besseres Jenseitsverweist. So ersche<strong>in</strong>t das christliche Gewissen als Gipfel <strong>der</strong>Ungerechtigkeit. Deshalb soll es ausgerottet werden.Dem allen gegenüber hat <strong>die</strong> große bekennende Christenheit,von wenigen Ausnahmen abgesehen, nichts zu sagen.Die prophetische Klarheit <strong>der</strong> sicheren Erwartung e<strong>in</strong>es letztenReiches lieben<strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft ist schwächlichenVerfälschungen gewichen. Man glaubt nicht mehr, dass <strong>der</strong>Friede, <strong>die</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit des Gottesreichse<strong>in</strong>e gegenwärtige Realität ist, welche alle an<strong>der</strong>en Zukunftshoffnungenüberstrahlen muss. Und doch s<strong>in</strong>d alle Ausblicke <strong>in</strong>e<strong>in</strong>e bessere Zukunft <strong>in</strong> Wahrheit <strong>der</strong> prophetisch-urchristlichenHoffnung entnommen. Ohne <strong>die</strong>se wären sie nicht vorhanden.Aber nicht e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> geschichtliche Bedeutung <strong>der</strong> urchristlichenProphetie wird ernstgenommen. In <strong>der</strong> tatsächlichenLebenshaltung unterwirft sich <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>e Christenheitrückhaltlos den angeblichen Sachzwängen. Die urchristlicheErwartung wird vergessen. Weil man ihr nicht ernsthaft glaubt,hat sie für das heutige Christentum ihre alles umstürzende <strong>und</strong>verän<strong>der</strong>nde Wirkung verloren.Wohl verweisen viele mit Ernst darauf, dass Gott ganzan<strong>der</strong>s ist als <strong>der</strong> Mensch, ganz an<strong>der</strong>s als alles, was Menschenvon sich aus wollen <strong>und</strong> tun. Sehr kle<strong>in</strong> aber ist <strong>die</strong> Zahl <strong>der</strong>er,<strong>die</strong> an <strong>die</strong>sen ganz an<strong>der</strong>en Gott so wirklich glauben, dasssie das Herannahen se<strong>in</strong>er Herrschaft sehen <strong>und</strong> fassen. Nur<strong>die</strong>se sehr wenigen legen Hand an, damit e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legendew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 127Verän<strong>der</strong>ung beg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> alle Menschen <strong>und</strong> alle D<strong>in</strong>ge erfassenkann. Im Glauben an das Reich Gottes wird das <strong>in</strong>nereDenken so völlig an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> aller menschlichen Religion,dass für alle Verhältnisse das Unmögliche möglich wird. DieserGlaube an Gott mag im Menschen kle<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong> Saatkorn se<strong>in</strong>;dennoch wird er <strong>die</strong> Größten Wi<strong>der</strong>stände überw<strong>in</strong>den.Dieser Glaube läßt das Zukünftige <strong>und</strong> Jenseitige <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gegenwart<strong>die</strong>ser Erde e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen. Von <strong>die</strong>ser Kraft aus nimmter <strong>die</strong> Gestaltung aller D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Angriff. Der Glaubende hat esbegriffen: Wenn man Gott im Jenseits läßt, so verleugnet manJesus. Denn er hat gesagt <strong>und</strong> bewiesen, dass durch GottesNahekommen alles geän<strong>der</strong>t werden muss: “Än<strong>der</strong>t euch vonGr<strong>und</strong> auf. Denn <strong>die</strong> Herrschaft Gottes ist herangerückt. Glaubtan <strong>die</strong>se Nachricht <strong>der</strong> Freude!” (Mark. 1,15). Aber Jesuswußte, dass nur sehr wenige <strong>die</strong>se sieghafte Freude aufnehmen.Die Menschen wollen <strong>der</strong> Eigengesetzlichkeit <strong>der</strong> D<strong>in</strong>gemehr Glauben schenken als <strong>der</strong> alles umstürzenden BotschaftGottes. Ihnen ersche<strong>in</strong>en <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge stärker als Gott. Sie s<strong>in</strong>dGötzen<strong>die</strong>ner. Denn sie <strong>die</strong>nen dem Geschöpf mehr als demSchöpfer. Dem allen gegenüber muss <strong>der</strong> Glaube e<strong>in</strong>setzen,<strong>der</strong> unser Leben mit <strong>der</strong> schöpferischen Macht vere<strong>in</strong>igt. Siealle<strong>in</strong> bleibt allen geschaffenen Gewalten überlegen.Über allem Geschehen steht Gott. Der Glaube kann nur danndem Sturm aller Gewalten standhalten, wenn wir mit Gott e<strong>in</strong>ss<strong>in</strong>d. Nicht Menschen bleiben fest. Nur Gott ist unüberw<strong>in</strong>dlich.In ihm alle<strong>in</strong> gibt es <strong>die</strong> Freiheit <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, <strong>die</strong> <strong>der</strong> mächtigstenGewalt gegenüber vor Knechtung bewahrt. Gott ist naheherangekommen. Der Mensch kann <strong>in</strong> Gott se<strong>in</strong>. Gott willerkannt <strong>und</strong> erlebt se<strong>in</strong>. Davor aber erbeben wir. Das ErlebenGottes ist erschreckend. Denn es br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Entdeckung <strong>der</strong>Wahrheit. Wir fürchten das Licht Gottes, weil es unser Dunkelerkennen läßt.Gott fängt an. Das ist das Ende für den Menschen. Gott nahtsich den erschrockenen Menschen persönlich, wenn sie ihnerkennen <strong>und</strong> von ihm erkannt werden. Das Hernie<strong>der</strong>fahrendes Höchsten zu uns Erniedrigten läßt alle Decken <strong>und</strong> Schrankenfallen. Nur im erschreckenden Erlebnis ist es möglich, dassGott offenbar wird. Im Erleben Gottes ersche<strong>in</strong>en wir selbst vorw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 128ihm, wie wir s<strong>in</strong>d. Solange wir vor <strong>die</strong>sem hüllenlosen Erkanntwerdendurch Gott zurückschrecken, bleiben wir <strong>der</strong> Übermacht<strong>der</strong> Außenwelt gegenüber hilflos <strong>und</strong> hoffnungslos verloren. DerSchrecken Gottes stößt uns ab <strong>und</strong> hält uns fern, solange wirden D<strong>in</strong>gen um uns her ergeben <strong>und</strong> geknechtet bleiben.Gott ist wahrlich an<strong>der</strong>s, als wir s<strong>in</strong>d. Es ist wahr, dass erunserem UnGlauben ferngerückt ist. Wir haben se<strong>in</strong> Bild ausden Augen verloren. Aber es soll nicht dabei bleiben. Und eswar nicht so. <strong>E<strong>in</strong></strong>st waren wir für se<strong>in</strong>e Nähe geschaffen. Gottf<strong>in</strong>g an. Das war <strong>der</strong> Anfang für den Menschen. <strong>E<strong>in</strong></strong>st war se<strong>in</strong>Nahen ke<strong>in</strong> Schrecken für ihn. Gottes Ebenbild war dem Menschene<strong>in</strong>st <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herrschaft des Geistes anvertraut. DiesesEbenbild war als schöpferische Kraft <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, als Liebe <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>schaft am Menschen zu erkennen. Wir haben es e<strong>in</strong>gebüßt.Wir haben Gott verloren. Nur Gott selbst konnte unssich selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong> verlorenes Bild wie<strong>der</strong>geben. Er tat es<strong>in</strong> Jesus Christus. In Jesus ist von neuem das Herz Gottes <strong>in</strong>unsere Mitte getreten. An ihm wurde von neuem deutlich, welche<strong>in</strong> Wille <strong>und</strong> Geist Gott ist. Er erschIoß es von neuem, welche<strong>in</strong> Ziel <strong>und</strong> welche Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Liebe <strong>in</strong> Gottlebt. Er kam, den Willen des Vaters zu tun. Er überbrachte ihnuns. Er vollendet se<strong>in</strong>en Ratschluß. Er <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vater s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>s.In Jesus ist von neuem Gott nahe. Dieser Nachricht gilt es zuglauben.Das Nahen Gottes, das Jesus br<strong>in</strong>gt, läßt Gott als Gott erkennen<strong>und</strong> macht den Menschen zum Menschen. Es verän<strong>der</strong>tuns für ihn, ohne dass wir Gott werden. Durch das Erschreckenvor dem ganz an<strong>der</strong>en Gott ist <strong>in</strong> dem Geschenk se<strong>in</strong>er Nähedas Entscheidende unverän<strong>der</strong>t geblieben: Wir können nichtvergottet werden. Wir bleiben an<strong>der</strong>s, als Gott ist. Aber Gottwird Mensch, um unser Gott zu werden. Gott fängt an. Das istNeuanfang für den Menschen. Dies Erleben Gottes <strong>in</strong> Christusbleibt Unendlichkeiten entfernt von aller menschenvergottendenNaturmystik. Denn jene <strong>E<strong>in</strong></strong>bildung me<strong>in</strong>t <strong>in</strong> ihrem Wahn, e<strong>in</strong>eVerschmelzung mit e<strong>in</strong>em zum Menschen gehörigen All-<strong>E<strong>in</strong></strong>enGöttlichen erlangen zu können. Für Jesus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Apostelaber ist <strong>der</strong> lebendige Gott <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Geist, <strong>der</strong> unseren Geistrichten muss. Er ist <strong>der</strong> Gute <strong>und</strong> Gerechte, <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Hei-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 129lige, wie ihn das Gesetz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Propheten bezeugen. Wir abers<strong>in</strong>d ungut, ungerecht, unre<strong>in</strong> <strong>und</strong> unheilig. Gottes Wesen istunserem Wesen entgegengesetzt.Er ist Geist <strong>und</strong> ist Wille, wie wir es nicht s<strong>in</strong>d. Er ist <strong>der</strong>Wille des Guten <strong>und</strong> Vollkommenen. Das s<strong>in</strong>d wir nicht. Aberse<strong>in</strong> Gericht ist unsere Rettung. Es will aus allem Schutt unsererEntartung das Leben <strong>der</strong> Schöpfung herauslösen. Gottzersprengt unser jetziges Wesen mit allem unseren bisherigenLeben <strong>und</strong> Treiben. Er will das ursprüngliche <strong>und</strong> letzteMenschentum aus den Trümmern hervorholen. Wir liegen unterdem Berge. Die Ste<strong>in</strong>e werden gesprengt. Der Schutt mussweg. Ohne dass <strong>der</strong> Berg gesprengt wird, kann <strong>die</strong> Golda<strong>der</strong>nicht freigelegt werden. Diese Befreiung ist Liebe. Das Goldgehört an <strong>die</strong> Sonne. Ohne sie ist es dunkel wie Kohle. Gott willmit unserer Armut, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir im Geist <strong>und</strong> Willen Verschüttete,Belastete <strong>und</strong> Leidende s<strong>in</strong>d, barmherzig se<strong>in</strong>. Er löst jede Not<strong>und</strong> erfüllt jede Armut.Als befreiende Kraft ist Gott nahe gerückt. Er ist es <strong>in</strong> Christus.Er ist <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> Liebe für Menschen,<strong>die</strong> nicht frei, nicht e<strong>in</strong>s <strong>und</strong> nicht liebend waren. Er führt e<strong>in</strong>eZukunft herauf, <strong>die</strong> se<strong>in</strong>en Willen, se<strong>in</strong>en Geist über alles an<strong>der</strong>eherrschen läßt. Die Zukunft Gottes will jetzt <strong>und</strong> hier überMenschen gebieten, <strong>die</strong> durch sie zum wahren Menschse<strong>in</strong>verän<strong>der</strong>t werden. Se<strong>in</strong> Reich <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit soll alles <strong>in</strong> Besitznehmen, was une<strong>in</strong>ig gewesen ist. Hier ist Christus: Gott bleibtGott. Der Mensch wird Gottes Mensch.Mit ihm gibt es für uns ke<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung wie <strong>die</strong> des Tropfensmit <strong>der</strong> See o<strong>der</strong> wie <strong>die</strong> des Funkens mit dem Flammenmeer.Denn wir s<strong>in</strong>d nicht Lebensteile se<strong>in</strong>es Wesens. Es gibtke<strong>in</strong> “Wir” zwischen uns <strong>und</strong> ihm. Es gibt nur das “Du”. Dieses“Du” aber gibt es; <strong>und</strong> das ist mehr. Von Gott aus kommt es zue<strong>in</strong>er persönlichen Geme<strong>in</strong>schaft des “Du” zum “Du”. Sie ist e<strong>in</strong>sittliches Verhältnis <strong>der</strong> Willense<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Tate<strong>in</strong>heit zwischenGott <strong>und</strong> Mensch. Das ist das Unerhörte <strong>in</strong> Jesus Christus, dasses zu <strong>die</strong>ser <strong>E<strong>in</strong></strong>heit kommt, <strong>in</strong>dem <strong>die</strong> Wahrheit entschleiertwird. Ihr Licht tritt <strong>in</strong> aller Schärfe an uns heran. Wenn <strong>in</strong> JesusChristus Menschen Gott erleben, so erfahren sie se<strong>in</strong> Wesenals Heiligkeit, <strong>die</strong> ihre Sünde verurteilt <strong>und</strong> sie dennoch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>ew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 130<strong>E<strong>in</strong></strong>heit zieht. Gott br<strong>in</strong>gt unsere verdorbenen Zustände als unheiligeUngerechtigkeit zu Bewußtse<strong>in</strong>. Und dennoch br<strong>in</strong>gt eralles zu heiliger Gerechtigkeit.Als schöpferischer Geist kann Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Wirken nicht dabeistehen bleiben, dass er uns zu erschrecken<strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>sichtunserer Ungerechtigkeit br<strong>in</strong>gt. Es ist viel, sehr viel, aber dochnicht genug, wenn wir uns verurteilt wissen, dass wir uns selbst,unser eigenes Wesen <strong>und</strong> Tun <strong>und</strong> alle unsere Verhältnisse mitallen durch sie bed<strong>in</strong>gten Handlungen als Gott durchaus entgegengesetzt<strong>und</strong> fe<strong>in</strong>dlich erkennen. Wenn es klar ist, dass wirmit allen unseren D<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> mit allen unseren Taten durchausan<strong>der</strong>s s<strong>in</strong>d, als es Gott mit se<strong>in</strong>em Werk ist <strong>und</strong> als er es vonuns erfor<strong>der</strong>t, so will se<strong>in</strong> alles neu schaffen<strong>der</strong> Geist, dass wirmit allem unserem Tun nunmehr endlich so werden, wie Gottes will. Unser eigenes Werk soll aufhören, damit se<strong>in</strong> Werk beg<strong>in</strong>nt.In uns soll es beg<strong>in</strong>nen. Mit uns soll es errichtet werden.Wer den Glauben an das gegenwärtige <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen Gottes <strong>in</strong>se<strong>in</strong>e Schöpfung als e<strong>in</strong>en mystischen ErlebnisGlauben ablehnt,wer nicht Glauben kann, dass sich Gott am Herzen <strong>und</strong>im Leben des ihn aufnehmenden Menschen lebendig erweist,hat das Evangelium vergessen, wie es Matthäus, Markus <strong>und</strong>Lukas <strong>und</strong> <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise Johannes weitergegeben haben.Er leugnet <strong>die</strong> Macht Gottes, wie Jesus sie offenbar gemachthat. Wer e<strong>in</strong> auf den menschlichen Kopf beschränktestheologisches Denken als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Erkenntnis des Glaubenshochheben will, verwirft <strong>die</strong> Lebense<strong>in</strong>heit mit Gott <strong>und</strong> ihr ausdem Glauben kommendes Liebeswerk nicht nur für unsere Zeit<strong>und</strong> für unsere Zeitgenossen. Er hat <strong>die</strong> Apostel Jesu Christi<strong>und</strong> damit Jesus selbst verworfen. Wer aber Jesus verwirft, verwirftGott, <strong>der</strong> ihn gesandt hat.Jesus aber hat <strong>in</strong> dem Nahen Gottes, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft se<strong>in</strong>esKommens unsere Kle<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Gegensätzlichkeit klarer offenbart,als es alle menschliche Dialektik vermag. Angesichts allertheologischer Bedenken bleibt das für <strong>die</strong> Evangelien Gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong>ichtig, dass wir <strong>der</strong> Größe Gottes gegenüber unsererKle<strong>in</strong>heit aufs Erschreckendste bewußt werden. Diese überausschwache Kle<strong>in</strong>heit gilt für unser Fühlen, Wollen <strong>und</strong> Tun ebensowie für unser Denken.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 131In Gottes Licht müssen wir vor ihm <strong>und</strong> vor uns selbst immer<strong>und</strong> überall <strong>in</strong> niedriger Kle<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> dunkler Schwäche offenbarwerden. Vor ihm können wir nur so ersche<strong>in</strong>en, wie wir wirklichs<strong>in</strong>d. Selbstvergötterung, Selbsterlösung <strong>und</strong> Eigenwerk vergehen<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Nähe bis auf den letzten Rest. Se<strong>in</strong> Sonnenlichtoffenbart unser Leben als Nacht. Se<strong>in</strong>e Klarheit erweckt dasverdunkelte Auge, dass wir <strong>die</strong> Berge von Schmutz erkennen,<strong>die</strong> uns bedecken <strong>und</strong> vergraben. Se<strong>in</strong>e liebende Gerechtigkeitbeweist <strong>die</strong> Ungerechtigkeit unserer Mammons-Herrschaft.Se<strong>in</strong> alles umfassen<strong>der</strong> Friedenswille macht den Mordwillen<strong>und</strong> <strong>die</strong> Abgrenzung durch alle unserer Ideale offenbar. Ob wirsie <strong>in</strong>dividualistisch, nationalistisch, proletarisch o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>an<strong>der</strong>s begründen wollen, macht wenig Unterschied. GottesWahrheit <strong>und</strong> Wesenhaftigkeit stellt <strong>die</strong> Unwahrhaftigkeit <strong>und</strong>Unwesentlichkeit unseres privaten <strong>und</strong> öffentlichen Lebens <strong>in</strong>sschärfste Licht.Das Erleben Gottes vere<strong>in</strong>igt <strong>und</strong> scheidet zugleich. Je tieferse<strong>in</strong>e Liebe <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit se<strong>in</strong>em Herzen <strong>und</strong><strong>in</strong> <strong>die</strong> brü<strong>der</strong>liche Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Menschen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führt, umso ernster tritt <strong>der</strong> absolute Unterschied <strong>in</strong>s Bewußtse<strong>in</strong>, <strong>der</strong>zwischen unserer Sünde als Abson<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>heitals <strong>E<strong>in</strong></strong>heit besteht. Es ist schärfste Gegensätzlichkeit, <strong>die</strong> zwischendem Menschen <strong>und</strong> Gott besteht. Gott will <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit,ohne <strong>die</strong> Gegensätze zu verschleiern.<strong>E<strong>in</strong></strong>e Vere<strong>in</strong>igung mit Gott ist nur dann möglich, wenn alleGott entgegenstehenden Mächte mit allen ihm wi<strong>der</strong>streitendenTatsachen <strong>und</strong> Handlungen von Gr<strong>und</strong> aus vernichtet werden.Deshalb muss Vergebung <strong>und</strong> Wegnahme, Lossprechen <strong>und</strong>Freimachen <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>legende Inhalt je<strong>der</strong> Gotteserfahrung se<strong>in</strong>.Vergebung ist Wegnehmen des Gegebenen. Das Gottwidrigedarf nicht da se<strong>in</strong>, wenn sich Gott vere<strong>in</strong>igt. Er will vollkommeneRe<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung. Deshalb muss alles weggenommenwerden, was ihr entgegensteht. Das ist Vergebung. Ohne siekommt Gottes Reich nicht.Wer <strong>in</strong> Jesus Gott annimmt, wer <strong>in</strong> ihm Gottes Vergebung<strong>und</strong> Gottes Wirken aufnimmt, umfängt unmittelbar Gott selbst.Im Glauben des Herzens wird Gott umfaßt. Denn Gott selbsthat das Herz ergriffen. Gott aber teilt sich niemals, wenn erw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 132sich mitteilt. Er gibt sich ganz. Das scharfe Bewußtse<strong>in</strong> eigenerNichtigkeit, Gespaltenheit <strong>und</strong> Sündhaftigkeit ermöglicht <strong>die</strong>Aufnahme des unendlich An<strong>der</strong>en <strong>und</strong> ewig Unteilbaren. DerGlaubende ist ganz mit Gott e<strong>in</strong>s, weil nur Gott ganz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>sist. Der Glaube ist Wahrheit. Denn se<strong>in</strong> Inhalt ist Gott. Weil Gott<strong>die</strong> Wahrheit ist, vergeht <strong>in</strong> ihm <strong>die</strong> Selbsttäuschung des Menschen.Das Herz weiß es aufs klarste: Das kle<strong>in</strong>e Ich ist nicht imgroßen Ich aufgegangen. Noch weniger ist <strong>die</strong>s Kle<strong>in</strong>ste <strong>in</strong> e<strong>in</strong>Größtes ausgeweitet worden. Der hernie<strong>der</strong>fahrende Blitz hat<strong>die</strong> Spannung offenbart. Das Herz des Menschen als e<strong>in</strong> sehrkle<strong>in</strong> bleibendes Ich betet <strong>in</strong> völliger Willensh<strong>in</strong>gabe das großeDu an, das sich ihm <strong>in</strong> unbegreiflicher Güte zu eigen gibt.Der Glaubende gibt se<strong>in</strong> schwaches Bewußtse<strong>in</strong> nicht andas allmächtige Bewußtse<strong>in</strong> auf. Der Christ sucht im Gotteserlebniske<strong>in</strong>e Betäubung se<strong>in</strong>es Verstandes. Er sieht <strong>in</strong> GottesGeist ke<strong>in</strong> Entschw<strong>in</strong>den <strong>der</strong> menschlichen S<strong>in</strong>ne. Er me<strong>in</strong>taber ebensowenig durch <strong>die</strong> Erkenntnis se<strong>in</strong>er VerstandeskräfteGottes Geist zu fassen. Er kann nicht glauben, durch <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>sicht se<strong>in</strong>er Gedanken Gott zu erkennen. Der GlaubendeMensch maßt sich nicht an, durch <strong>die</strong> Intensität se<strong>in</strong>es <strong>in</strong>nerenLebens, se<strong>in</strong>es Gefühls o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Willenskraft Gott erfassenzu können. Dem Glauben steht Gottes Größe so unantastbargegenüber, dass <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Menschenkraft ke<strong>in</strong>e Möglichkeitgegeben ist, Gott zu berühren. Vom Menschen her kann nichtszum Ziel führen, was <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit Gott anstrebt. Wäre<strong>der</strong> Glaube e<strong>in</strong>e Funktion des Menschen, so wäre er nichts.Nur Menschliches könnte se<strong>in</strong> Gegenstand se<strong>in</strong>. Nicht aberGott könnte er fassen.Nun aber greift Gott e<strong>in</strong>. Von ihm aus geschieht <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung,<strong>die</strong> von uns aus unmöglich bleibt. Wenn das Wort „ Glaube”se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n behält, so ist er <strong>die</strong> Gewißheit dessen, wasnicht <strong>der</strong> Mensch, son<strong>der</strong>n was Gott, wirklich Gott, ist <strong>und</strong> tut.Der Glaube gehört zu Gott. Er entstammt nicht dem Menschen.Gott ist es, <strong>der</strong> den Glauben schenkt <strong>und</strong> wirkt. Dar<strong>in</strong> bestehtdas <strong>E<strong>in</strong></strong>s-Se<strong>in</strong> des Menschen mit Gott.In <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> des Menschen äußert sich <strong>der</strong> Glaube <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emVerhältnis von Herz zu Herz, das Gott bewirkt. In <strong>die</strong>ser Glaubensvere<strong>in</strong>igungist Gott <strong>der</strong> Wollende, Gott <strong>der</strong> Wirkende. Inw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 133dem nach außen vor <strong>die</strong> Öffentlichkeit tretenden Leben äußertsich <strong>der</strong> Glaube <strong>in</strong> tätig wirksamer Liebe, <strong>die</strong> Gott bewirkt. Gottist <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem neuen Tun des Menschen <strong>der</strong> Liebende <strong>und</strong> Handelnde.Der Mensch glaubt <strong>und</strong> tut, was Gott ist, will <strong>und</strong> wirkt.Der Glaube ist etwas, was nur Gott geben kann. Ohne Gottist <strong>der</strong> Glaube nichts. Wo durch den Glauben Geme<strong>in</strong>schaftgegeben ist, betätigt sie sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lebendigen Wirksamkeit,<strong>die</strong> Gottes Wirken ist. Im Glauben wird Gottes Macht an <strong>der</strong>menschlichen Unmacht, Gottes Größe an <strong>der</strong> menschlichenKle<strong>in</strong>heit offenbar.In jedem entscheidenden Erleben tritt <strong>die</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeit desMenschen <strong>der</strong> Größe Gottes, <strong>die</strong> Unzulänglichkeit des Menschen<strong>der</strong> Gewaltigkeit Gottes, das Unvermögen des Menschen<strong>der</strong> Macht Gottes gegenüber. Die ganze Menschheitsgeschichteist durchzogen von <strong>die</strong>sem Erleben Gottes als Überwältigungdes Menschen durch Gottes übermächtige Überlegenheit. Daserste, was menschliche Ahnung <strong>und</strong> Ehrfurcht von Gott erlebt,ist <strong>die</strong> gewaltige Macht, vor <strong>der</strong> alle Kräfte des Menschen e<strong>in</strong>Nichts s<strong>in</strong>d.Die ersten Propheten verhüllen wie Elias <strong>in</strong> schau<strong>der</strong>n<strong>der</strong>Ehrfurcht ihr Haupt, wenn es geschehen soll, dass Gott ihnennaht. Gott zu sehen bedeutet für alle echten Menschen Entsetzen.Se<strong>in</strong> Anblick wirft <strong>in</strong> prophetischen Zeiten den Schauendenzu Boden <strong>und</strong> tötet ihn. Zu allen Zeiten ist das Geheimnis <strong>der</strong>Größe Gotte über alle Maßen furchterregend für den ehrfürchtigenMenschen. So oft <strong>die</strong>ses gewaltigste Erleben an ihn herantritt,ist alle Menschenkraft bezwungen. Der Mensch musserschrecken <strong>und</strong> erschau<strong>der</strong>n, so oft Gott ihm naht.Die Größe, Macht <strong>und</strong> Stärke Gottes übersteigt alle Vorstellungen,<strong>der</strong>en <strong>der</strong> Mensch fähig ist. Für <strong>die</strong> Anschauungskraftdes Menschen bleibt Gott so unerreichbar, dass er vergehenmüßte, wenn er Gott sehen sollte. Wem könnte er Gott vergleichen?Wie könnte es für <strong>die</strong>se unfaßbare Größe <strong>und</strong> Gewalte<strong>in</strong> Bild geben? Gott ist unerreichbar hoch <strong>und</strong> herrlich. Sowissen es <strong>die</strong> Propheten, dass neben ihm ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Machtbestehen kann. Se<strong>in</strong>em Ratschluß kann nichts Menschlichesgenügen. Ihm kann ke<strong>in</strong>e Menschenmacht begegnen. Dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 134Leben Gottes übersteigt alle Grenzen des Ursprungs <strong>und</strong> desAusgangs. Es überragt alles Geschaffene um Unendlichkeiten.Gott hat Macht über alle Völker <strong>der</strong> Erde. Er gew<strong>in</strong>nt Geltungüber alle menschlichen Gewalten. Er wird über alle Welten gebieten.<strong>E<strong>in</strong></strong>er so übergewaltigen Größe <strong>der</strong> Macht entspricht <strong>der</strong>unerhörte Ernst ihrer For<strong>der</strong>ungen. Der prophetisch ergriffeneMensch ahnt mit scheu erschauern<strong>der</strong> Ehrfurcht <strong>die</strong> Unverletzlichkeit<strong>und</strong> Unerbittlichkeit <strong>die</strong>ses übermächtigen Willens. Vor<strong>der</strong> Größe <strong>die</strong>ser Macht muss <strong>der</strong> Mensch verstummen, wieHiob <strong>die</strong> Hand auf se<strong>in</strong>en M<strong>und</strong> legen musste.Die Größe <strong>und</strong> Macht Gottes ist so überwältigend, dass mit<strong>der</strong> Menschheit auch <strong>die</strong> ganze Erde zu e<strong>in</strong>em Schemel wird,auf dem Gottes Fuss Platz hat. Alles Unsichtbare <strong>und</strong> allesSichtbare liegt unter den Füßen Gottes. Die für das menschlicheAuge überwältigend große <strong>und</strong> übermächtig gewaltigeSchöpfung ist <strong>die</strong> erschütternd großartige Anschauung, <strong>in</strong> <strong>der</strong>Gott dem kle<strong>in</strong>en Menschenherzen entgegentritt. Das k<strong>in</strong>dlicheHerz <strong>der</strong> alten Menschheit verwechselt Gott niemals mit <strong>der</strong>Natur. Auch dem anfänglichsten Glauben liegt jede Naturvergötterungfern. Aber <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dliche Mensch erlebt Gottes Macht<strong>und</strong> Größe nicht ohne <strong>die</strong> Natur. Er kann nicht von <strong>der</strong> Schöpfungabsehen, wenn er vor dem Schöpfer steht. In den geheimnisvollenZusammenhängen <strong>der</strong> geschaffenen Welten ahntdas Glaubende Geschöpf <strong>die</strong> Macht des Schöpfers, <strong>die</strong> allemGeschaffenen Größe, Leben, Zusammenhang <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit gibt.Der kle<strong>in</strong>e Mensch ahnt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur <strong>die</strong> Größe Gottes.Hier müssen wir e<strong>in</strong>en Augenblick <strong>in</strong>nehalten. Wir müssenuns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hetze des heutigen naturfremden Lebens <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerungbr<strong>in</strong>gen, wie überwältigend Gottes Macht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur denMenschen entgegentritt. Ke<strong>in</strong> Fortschritt <strong>der</strong> Wissenschaft hat<strong>die</strong>se gewaltige Tatsache verän<strong>der</strong>t. Die ganze Geschichte <strong>der</strong>Menschheit beweist es. An <strong>der</strong> großen sichtbaren Schöpfunggeht dem kle<strong>in</strong>en Menschen das um Unendlichkeiten Größereunsichtbare Wesen Gottes auf. Die Schöpfung läßt <strong>die</strong> Kraft<strong>und</strong> Gottheit des Schöpfers erkennen.Solange <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landschaft lebt, s<strong>in</strong>d es vor allem<strong>die</strong> furchtbaren Schrecken <strong>der</strong> Naturgewalten, <strong>die</strong> ihn vor <strong>der</strong>Größe Gottes erzittern lassen. In Erdbeben <strong>und</strong> vulkanischenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 135Ausbrüchen zerfließen <strong>die</strong> größten Berge unter Gottes Schrittenwie Wachs. Zu ebenso gewaltigen Zeichen se<strong>in</strong>er unheimlichnahenden Größe werden Blitz <strong>und</strong> Donner, Unwetter <strong>und</strong>Ungewitter, glühen<strong>der</strong> Wüstenw<strong>in</strong>d <strong>und</strong> das lo<strong>der</strong>nde Feuer.Welche gewaltigen Naturersche<strong>in</strong>ungen es auch se<strong>in</strong> mögen, <strong>in</strong>ihnen allen ist es Größe <strong>und</strong> Macht, <strong>die</strong> den Menschen erschüttert.Das Geschaffene ist urgewaltig. Der Mensch aber fühlt es:Über dem allen steht Gott. Der Schöpfer ist unendlich größer<strong>und</strong> mächtiger als <strong>die</strong> Größten Mächtigkeiten <strong>der</strong> Schöpfung.Nicht weniger als vor jenen überlegenen Gewalten erbebt <strong>der</strong>geschaffene Mensch vor dem gewaltigen Geheimnis des Lebens.In allem Lebenden spürt <strong>der</strong> ehrfurchtsvolle Mensch e<strong>in</strong>letztes Geheimnis. Ihm wird bewußt: Der lebendige schöpferischeGeist muss größer se<strong>in</strong> als alles geschaffene Leben. Mitschau<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Ehrfurcht steht <strong>der</strong> staunende Mensch vor demlebensgewaltigen Baum, an <strong>der</strong> lebendig sprudelnden Quelle,unter den Leben spendenden strahlenden Tages- <strong>und</strong> Nacht-Gestirnen, mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fruchtbarkeit <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> ihres Lebens.Wie groß <strong>und</strong> lebensmächtig muss Gott se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> das alleshervorbr<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> am Leben erhält. In e<strong>in</strong> gewaltig erschüttertes<strong>und</strong> bewegtes Gemüt fällt <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung: Über alles <strong>die</strong>ses gewaltigeLeben muss <strong>der</strong> große Schöpfergott zu unbestrittenerGeltung kommen.Mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur wird <strong>die</strong> Geschichte des Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong>alles überwältigenden Macht Gottes als mächtiger Zorn <strong>und</strong>übergewaltiger Schrecken, als Leben wirkende <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igendeLiebeskraft geschaut. Mit beben<strong>der</strong> Ehrfurcht blickt <strong>der</strong> erwachendeMensch auf <strong>die</strong> Anfänge se<strong>in</strong>er eigenen Geschichte zurück.Der <strong>in</strong> tiefem Geheimnis liegende Anfang <strong>der</strong> Menschheitkommt von Gott her. Ebenso liegt das Ende <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Händ. Ohne Gott ist dem menschlichen Auge das Ende<strong>in</strong> das Dunkel des Anfangs gehüllt.Wie an allem Lebendigen wird beson<strong>der</strong>s am Leben des Menschendas Geheimnis des schöpferischen Gottes erlebt. Wieam Anfang <strong>und</strong> Ende ist es auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des Weges: Wiees <strong>der</strong> Weltenuntergang <strong>der</strong> S<strong>in</strong>tflut o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Völkerzerspaltungauf <strong>der</strong> Kulturhöhe Babels bewiesen haben, ist es überall Gott,<strong>der</strong> <strong>der</strong> Menschheit erschreckkend naht, so oft Todeskatastro-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 136phen über sie here<strong>in</strong>brechen. Gott bricht <strong>in</strong> gewaltiger Macht<strong>in</strong> <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> Menschheit e<strong>in</strong>, so oft furchterregendeSchrecknisse <strong>die</strong> Menschheit erschüttern. Staaten <strong>und</strong> Mächtes<strong>in</strong>d Werkzeuge se<strong>in</strong>er Zornesgewalt, so oft Gottes Größe <strong>die</strong>Völker zu Boden schlägt. Alle Völker <strong>der</strong> Welt müssen dazu gebrachtwerden, dem Gott aller Welten zu Füßen zu fallen.Der Schöpfer aller Welt beherrscht den Ratschluß aller Zeiten.Wie an <strong>der</strong> Natur soll auch an <strong>der</strong> Geschichte allen Wi<strong>der</strong>ständenzum Trotz <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>der</strong> Lebenszusammenhang, <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftdes Lebens, Leben <strong>und</strong> Friede als Gottes Wesen<strong>und</strong> als Gottes Kraft offenbar werden. So ersche<strong>in</strong>t Gott demprophetischen Blick als <strong>der</strong> Führer <strong>und</strong> Hirte <strong>der</strong> Geschichte.Alle äußeren Geschicke <strong>der</strong> Menschheit lenkt er auf das e<strong>in</strong>eZiel h<strong>in</strong>: <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung aller Völker.So erlebt das Volk Israel <strong>in</strong> allen Weltereignissen, <strong>in</strong> allenStrudeln <strong>der</strong> Weltpolitik wie <strong>in</strong> dem Untergang ganzer WeltenGott als den Gott <strong>der</strong> Geschichte. Der Schöpfergott alle<strong>in</strong> hatRecht <strong>und</strong> Macht über alle Völker. Was auch geschehe: Gottrichtet sich auf <strong>und</strong> greift nach dem Weltregiment, das ihmalle<strong>in</strong> gebührt. Es ist <strong>der</strong> schöpferische Geist, <strong>der</strong> durch Schreckenh<strong>in</strong>durch auf <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>ung h<strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltengott werden muss.In <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Menschheit f<strong>in</strong>det <strong>der</strong> erwachendeMensch <strong>die</strong> gleichen Spuren Gottes wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur. Wo das Bewußtse<strong>in</strong>zu klarerer Bestimmtheit gelangt, wendet es sich <strong>der</strong>Geschichte zu. Es kann nicht ruhen, ehe es dem vergangenen,dem gegenwärtigen <strong>und</strong> dem zukünftigen Geschehen se<strong>in</strong>enletzten S<strong>in</strong>n abgerungen hat. Dabei erlebt <strong>der</strong> erwachendeGlaube Gott niemals als Geschichte; niemals so, als ob <strong>der</strong>Ablauf des Geschehens mit Gott selbst verwechselt werdenkönnte. Aber er erfährt Gott niemals ohne <strong>die</strong> Geschichte. In<strong>der</strong> Geschichte <strong>und</strong> h<strong>in</strong>ter ihren erschütternden Ereignissenahnt <strong>der</strong> erwachende Mensch Gott. H<strong>in</strong>ter allen geheimnisvollverwobenen Zusammenhängen, h<strong>in</strong>ter jedem kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong>großen Geschehen spürt <strong>der</strong> den Menschen ergreifende Glaubedas alles bestimmende <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen Gottes. Gott wirkt <strong>in</strong> allemGeschehen. Se<strong>in</strong>e Größe überragt alle Geschichte.Auf <strong>die</strong>sem Wege leuchtet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prophetie <strong>und</strong> <strong>der</strong> apostolischenSendung Jesus Christus auf: Jesus als <strong>die</strong> Entschei-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 137dung aller Geschichte für <strong>die</strong> ganze Schöpfung! An Christusgeht dem Menschen das Auge des Glaubens auf. Nun siehter, wie weit <strong>die</strong> Schöpfung Gott gehört <strong>und</strong> wie weit sie Gottentfremdet ist. Nun gew<strong>in</strong>nt er <strong>die</strong> entscheidende Schau für <strong>die</strong>Geschichte, wie weit sie Gottes Geschichte ist <strong>und</strong> wie weit sieGott abgekehrt <strong>und</strong> Gott fe<strong>in</strong>dlich ist. Der Glaube erblickt <strong>die</strong>nahende Entscheidung. In Jesus Christus ist <strong>die</strong> prophetischeWahrheit Wirklichkeit. Der durch ihn erleuchtete Mensch siehtdas geschichtliche Herannahen des Reiches Gottes. In <strong>die</strong> entarteteSchöpfung bricht <strong>der</strong> Schöpfer e<strong>in</strong>. An <strong>die</strong> abwegige Geschichterückt <strong>der</strong> Weltenherrscher heran. Jesus Christus greift<strong>in</strong> <strong>die</strong> Geschichte e<strong>in</strong> <strong>und</strong> macht sie zur Endgeschichte.Das Ende kehrt zum Anfang zurück. Der Morgenstern desneuen Aufgangs ersche<strong>in</strong>t. Das Geheimnis des Lebens ist <strong>die</strong>Sonne <strong>der</strong> Zukunft. Das Ziel Gottes ist ke<strong>in</strong>e Vernichtung <strong>der</strong>D<strong>in</strong>ge. Die Auferstehung des Lebens ist <strong>der</strong> letzte Wille Gottes.Die wi<strong>der</strong>strebende Menschheit muss durch Gericht, Tod <strong>und</strong>Untergang h<strong>in</strong>durch. Im Feuer des Gerichts leuchtet als Endedes Alten <strong>der</strong> Anfang des Neuen auf. Erneuerung <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>herstellungwird als das Ziel allen Geschehens offenbar. Auferstehungaus dem Tode ist das Erleben Gottes.Die kle<strong>in</strong>e Welt des e<strong>in</strong>zelnen Menschen soll <strong>die</strong> große Welt<strong>der</strong> Geschichte Gottes wi<strong>der</strong>spiegeln. Gott erleben heißt, sichso an das Ziel se<strong>in</strong>es Reiches h<strong>in</strong>geben, dass man se<strong>in</strong> Todesgerichtannimmt <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Auferstehung glaubt. Die zukünftigeKraft kommt zu dem Glaubenden. Der wirkende Geist des kommendenChristus verleiht den Auftrag <strong>der</strong> Zukunft für <strong>die</strong> Gegenwart.Der prophetische Geist betreibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auferstehungdes Glaubens <strong>die</strong> Anrichtung des Gottesreichs. An dem hier gegebenenPlatz beg<strong>in</strong>nt im gegenwärtigen Augenblick das neueLeben. Der wirkende Geist des kommenden Christus verleihtden Auftrag <strong>der</strong> Zukunft für <strong>die</strong> Gegenwart. Der prophetischeGeist betreibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auferstehung des Glaubens <strong>die</strong> Anrichtungdes Gottesreichs.Der jetzt lebende Mensch wird im Erleben Gottes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Endgeschichte<strong>der</strong> Schöpfung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen. Die Feuertaufe desGottesgerichts will den Phönix aus <strong>der</strong> Asche erwecken. Dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 138Sterben <strong>der</strong> alten Welt kündigt das Heraufkommen des Neuenan. Wenn das menschliche Herz von Gott berührt wird, ist esdem Tode nahe, weil das Leben zu ihm kommt. Der Tod Christibr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Auferstehung. Das <strong>in</strong> sich selbst dem Tode verfallenefalsche Leben wird beendet. Das <strong>in</strong> Gott zur Zukunft erstehendeLeben beg<strong>in</strong>nt.In <strong>der</strong> persischen Mystik zerstört das Opfer <strong>der</strong> Liebessehnsuchtdas Leben für immer, wie <strong>die</strong> sterbende Motte sich <strong>der</strong>sengenden Flamme h<strong>in</strong>gibt <strong>und</strong> nichts als Verbrennung zurückläßt.Ganz an<strong>der</strong>s ist es <strong>in</strong> Christus, <strong>in</strong> dessen Flamme ke<strong>in</strong>liebend Glauben<strong>der</strong> schweigend vergehen soll. In ihm soll sichdas schwächere Leben nicht an das Stärkere verlieren. DerStärkere will das Schwächere nicht übermannen <strong>und</strong> verzehren.Christus tötet das Alte, um das Neue lebendig zu machen.Der todkranke Eigenwille soll sterben. Der erneuerte <strong>und</strong> verän<strong>der</strong>teWille soll lebendig werden. Der alte Wille verfällt demTode, dem er zugewandt war. Der neue Wille wird frei, um deman<strong>der</strong>en Leben zu gehören. Für das Leben ist er erweckt. InGott ist ihm <strong>die</strong> Kraft gegeben, <strong>die</strong>sem Leben <strong>in</strong> Tat <strong>und</strong> Wahrheitzu <strong>die</strong>nen.Christus tötet das Alte, um das Neue lebendig zu machen.Der todkranke Eigenwille soll sterben. Der erneuerte <strong>und</strong> verän<strong>der</strong>teWille soll lebendig werden. Die Auferstehung aus demTode führt zu e<strong>in</strong>em Leben <strong>der</strong> Freiheit, dessen Realität denwirksamen Auftrag <strong>der</strong> Größten Aufgabe vertritt. Wer das Gerichtdes Todes ohne <strong>die</strong>sen Auftrag des Lebens verkündigt,macht Gott zum tödlichen Richter o<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em kalt abgewandtenFremden. Er hat den lebendigen Gott verleugnet. Derlebendig machende Geist Jesu Christi läßt sich nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ferneverweisen. In ihm bleibt <strong>die</strong> erneuernde Liebesmacht desübermächtigen Lebens <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> ihren Menschen zugewandt.Die neues Leben schaffende Schöpferkraft Gottes nahtallen, <strong>die</strong> das Leben wollen, wie es <strong>in</strong> Gott ist. Dieses Leben ist<strong>die</strong> weltenweite Herrschaft Gottes.Der Leben schaffende Geist weht, wo er will. Er kommt, wieer will. Er weiß, woh<strong>in</strong> er will. Er sucht überall den Glaubenswillen,<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Geist aufnimmt als e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong><strong>die</strong>sen Geist des Lebens. Dem Glauben offenbart er sichw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 139als e<strong>in</strong>e Kraft, <strong>die</strong> alle Fernen durchbricht. Er beweist sich alsAllmacht, gegen <strong>die</strong> unsere Kraft e<strong>in</strong> Nichts ist. Nicht wir erweckenihn, son<strong>der</strong>n er erweckt uns.Se<strong>in</strong>em unmittelbaren <strong>E<strong>in</strong></strong>bruch gegenüber muss allemenschliche <strong>E<strong>in</strong></strong>bildungskraft <strong>die</strong> Waffen strecken. Hier wirdalle menschliche Phantasie durch letzte Wirklichkeit überw<strong>und</strong>en.Die Wahrheit verdrängt alle Illusionen. Das verirrte <strong>und</strong> erkrankteGeistesleben wird beseitigt. Das ohne Licht <strong>und</strong> Wärmezugr<strong>und</strong>egehende Leben <strong>der</strong> sich selbst <strong>die</strong>nenden <strong>Seele</strong> wirdüberwältigt. Das <strong>in</strong> sich selbst zum Tode verurteilte Eigenlebenwird <strong>in</strong> dem verzehrenden Feuer des nahenden Gottes vernichtet.Von dem Lebenskern Gottes abgesplittert, war es verloren,ehe es beseitigt wurde.Das Eigenleben des e<strong>in</strong>zelnen wurde fälschlich noch Lebengenannt, während es längst im Tode lag. Der Wahn, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelne sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Todesrausch als den e<strong>in</strong>zigen wähnt,muss zerschlagen werden. Der krankhafte Hochmut, <strong>in</strong> dem<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne das für se<strong>in</strong> Eigentum hält, was Gott gehört, musssterben. Das an<strong>der</strong>e Leben – Gottes Leben – soll beg<strong>in</strong>nen.Das Eigenleben des e<strong>in</strong>zelnen wurde fälschlich noch Leben genannt,während es längst im Tode lag. Der Wahn, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelne sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Todesrausch als den e<strong>in</strong>zigen wähnt,muss zerschlagen werden. Der krankhafte Hochmut, <strong>in</strong> dem<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne das für se<strong>in</strong> Eigentum hält, was Gott gehört, musssterben. Das an<strong>der</strong>e Leben – Gottes Leben – soll beg<strong>in</strong>nen.Hier wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> persönlichen Berührung mit dem Leben Gottese<strong>in</strong> alles umfassendes Dase<strong>in</strong> gegeben, das nicht erkranken <strong>und</strong>nicht vergehen kann. Das Leben aus Gott verwirklicht se<strong>in</strong>e unendlicheEnergie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betätigung, <strong>die</strong> alle Glie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Kräfteim Dienste <strong>der</strong> Gerechtigkeit lebendig macht. Der Mensch ist <strong>in</strong><strong>die</strong> Sphäre des Gottesreichs aufgenommen. Das Wesen <strong>die</strong>sesReiches ist <strong>die</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Liebe. Die Liebe ist das LebenGottes. Das ethische <strong>und</strong> soziale Leben <strong>der</strong> völligen Liebe wird<strong>in</strong> den Glaubenden durch <strong>die</strong> göttliche Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeithervorgebracht. Der so befreite Mensch wird mehr <strong>und</strong> mehr <strong>in</strong>das Bild <strong>der</strong> strahlenden Liebesmacht verwandelt, wie sie alle<strong>in</strong><strong>der</strong> Schöpfer <strong>und</strong> Gebieter <strong>die</strong>ses Lebens besitzt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 140<strong>E<strong>in</strong></strong> solches Erlebnis Gottes bewirkt e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>geburt, <strong>die</strong>uns über alle ertötenden Abhängigkeiten emporhebt. Die neueGeburt ist <strong>die</strong> Pforte <strong>in</strong> das Reich Gottes. Der Beg<strong>in</strong>n des Lebensmit Gott bedeutet absolute Neuheit an Lebenskraft <strong>und</strong>Lebensfreude. Der Anfang des Lebens ist Geburt. Das neueLeben beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> neuer Geburt. Nur <strong>in</strong> Gott kann das Leben, daseigentliche Leben beg<strong>in</strong>nen. Nur wo Gott <strong>die</strong> unumschränkteHerrschaft hat, kann das Leben freie Entfaltung gew<strong>in</strong>nen. Gottist Leben. Weil Jesus mit Gott e<strong>in</strong>s war, konnte <strong>und</strong> mussteer sagen: “Ich b<strong>in</strong> das Leben.” Weil er <strong>die</strong> Quellkraft se<strong>in</strong>esLebens <strong>in</strong> uns h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gibt, musste er sagen: “Wer an mich glaubt,hat das Leben.”Weil er se<strong>in</strong>en Geist <strong>in</strong> unser Herz sendet, weil er selbst mitdem Vater <strong>in</strong> uns Wohnung macht, sollen <strong>und</strong> können wir se<strong>in</strong>Leben leben. Durch se<strong>in</strong>e Kraft halten wir se<strong>in</strong> Wort <strong>und</strong> tunse<strong>in</strong>e Liebe. Wer behauptet, dass er <strong>in</strong> ihm bleibt, ist schuldig,zu leben, wie er gelebt hat. Weil Jesus uns Gott als das ungehemmtwirksame Leben gebracht hat, kann er alle<strong>in</strong> den Durst<strong>und</strong> Hunger nach <strong>der</strong> lebendigen Gerechtigkeit stillen. NurJesus hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em menschlichen Dase<strong>in</strong> <strong>die</strong> Lebenskraft <strong>der</strong>völligen Liebe zur Auswirkung gebracht. Nur er kann uns Gottals das Leben offenbaren. Nur Jesus, <strong>der</strong> mit dem Vater e<strong>in</strong>sist, nur Jesus, <strong>der</strong> das Leben <strong>der</strong> Liebe auf <strong>der</strong> Erde geschichtlichverwirklichte, vermag uns Menschen das Geheimnis <strong>und</strong><strong>die</strong> Kraft des Lebens zu erschließen.In <strong>der</strong> Kraft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jesus durch den <strong>in</strong> ihm wohnenden Geistalle an<strong>der</strong>en Geister verjagte, ist <strong>die</strong> Herrschaft Gottes zu denMenschen gekommen. An se<strong>in</strong>em Leben sollen wir es erkennen,was es heißt, dem Reich Gottes zuzugehören. Wir solltenvon <strong>die</strong>sem Reich nicht zu sprechen wagen, wenn wir nicht <strong>in</strong>Tat <strong>und</strong> Wahrheit gewillt s<strong>in</strong>d, jetzt <strong>und</strong> hier so zu leben, wieJesus gelebt hat; jetzt <strong>und</strong> hier alle D<strong>in</strong>ge unseres Lebens wieer unter <strong>die</strong> Herrschaft Gottes zu stellen. Wenn wir bitten, dassdas Reich Gottes komme, sollten wir <strong>in</strong>nehalten <strong>und</strong> nach unsererBereitschaft fragen, ob wir alle Verän<strong>der</strong>ungen annehmen<strong>und</strong> vertreten wollen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Herrschaft Gottes mit sich br<strong>in</strong>gt.Jesus zeigt es uns, dass das Reich Gottes nichts an<strong>der</strong>esbedeutet als <strong>die</strong> unbed<strong>in</strong>gte Geltung des höchsten Liebeswil-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 141lens. Das letzte Reich ist <strong>die</strong> vollkommene Verwirklichung desWollens Gottes, <strong>der</strong> das Leben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Liebe ist. Die Unbed<strong>in</strong>gtheitdes Gotteslebens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gottesliebe duldet ke<strong>in</strong>e<strong>E<strong>in</strong></strong>schränkung. Der Wille Gottes läßt ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Willenbestehen. Die Herrschaft <strong>der</strong> Liebe verb<strong>in</strong>det sich mit nichts,was <strong>die</strong> Liebe beschränken, was sie e<strong>in</strong>engen o<strong>der</strong> abgrenzenwill. Die Gottesherrschaft duldet ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Geitung nebensich. Das Reich Gottes besteht dar<strong>in</strong> <strong>in</strong> Kraft, dass es GerechtigkeitGottes, Friede Jesu Christi <strong>und</strong> Freude im Heiligen Geistist.Sie beg<strong>in</strong>nt für <strong>die</strong> Jetztzeit <strong>in</strong> den Herzen, <strong>in</strong> welchen Gott<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Friede regiert, weil Christus <strong>in</strong> ihnen Wohnung gemachthat. Gott hat den Geist se<strong>in</strong>es Sohnes <strong>in</strong> Menschenherzen gesandt.Das bedeutet Verpflichtung <strong>und</strong> Vollmacht, dass <strong>die</strong> von<strong>die</strong>sem Geist ergriffenen Menschen alle an<strong>der</strong>en Geister ausihrem gesamten Lebenskreis h<strong>in</strong>ausweisen. Das Reich Gottesbedeutet <strong>die</strong> Kraft, dass <strong>die</strong> Geistesgesetze <strong>die</strong>ses Reichesauch <strong>in</strong> <strong>der</strong> äußeren Gestaltung des Menschenlebens zur Geltunggebracht werden. Die Gerechtigkeit Gottes regiert durchden Heiligen Geist so wirksam, dass sie im gesamten Umkreis<strong>der</strong> von ihr bestimmten Menschen <strong>die</strong> soziale Gerechtigkeit desprophetischen Wortes aufbaut. Alle Geister menschlicher Vorrechte<strong>und</strong> sozialer Ungerechtigkeit werden durch den HeiligenGeist abgewiesen <strong>und</strong> ausgetrieben.Der Friede Gottes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Menschenherzen regiert, machtMenschen zu Trägern <strong>und</strong> Bauleuten des öffentlichen Friedens.Von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Gottes aus werden alle Geister desUnfriedens, des Krieges <strong>und</strong> Bürgerkrieges wie <strong>die</strong> des Konkurrenzkampfes<strong>und</strong> des Eigentums vertrieben. Die Freude an <strong>der</strong>Liebe Gottes erfüllt <strong>die</strong> glaubenden Herzen so überströmend,dass ihre Liebe sich allen Menschen zuwenden muss. <strong>E<strong>in</strong></strong>ernach dem an<strong>der</strong>en soll als Gegenstand <strong>der</strong> glaubenden Freude<strong>in</strong> den Umkreis <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihre völlige Geme<strong>in</strong>schafth<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen werden. Der Geist <strong>der</strong> Gerechtigkeit, des Friedens<strong>und</strong> <strong>der</strong> Freude ist <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Denn er ist<strong>der</strong> Geist des Reiches. Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist es, <strong>die</strong>das Reich Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegenwart auf <strong>die</strong> Erde br<strong>in</strong>gt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 142Der Geist Gottes ist e<strong>in</strong>e im Inneren wirkende Kraft, <strong>die</strong> nachaußen wirksam ist. Wer ihre soziale Wirkung für den gänzlichenAbbruch <strong>und</strong> Neubau <strong>der</strong> menschlichen Beziehungen verleugnet,hat ihr <strong>in</strong>nerstes Wesen verraten. Denn <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitwill Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen. Er wirkt <strong>E<strong>in</strong></strong>heit unterden Menschen, weil er <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Gott br<strong>in</strong>gt. Das durchihn bewirkte <strong>E<strong>in</strong></strong>sse<strong>in</strong> betätigt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em menschlichen Verhalten,das durch <strong>die</strong> Güte <strong>und</strong> Liebe Gottes alles Böse <strong>und</strong>Ungerechte <strong>der</strong> Menschen zu überw<strong>in</strong>den vermag.<strong>E<strong>in</strong></strong> solcher Geist bewirkt für alle Lebenslagen e<strong>in</strong>e Überlegenheit,wie sie nur <strong>in</strong> Gott ist <strong>und</strong> niemals von Menschenherrühren kann. Der Wille des Glaubens bewirkt e<strong>in</strong>e überströmendeTätigkeit des Lebens. Dieser Glaube ist <strong>die</strong> Zuversichtdes von Gott ergriffenen Herzens. In das glaubende Herz ist<strong>die</strong> Liebe ausgegossen. Durch den Geist ist es geschehen, <strong>der</strong>das Leben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sache Gottes mit sich br<strong>in</strong>gt. Der Glaubeist persönlich, sachlich <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlich so klar bestimmt, dass erwe<strong>der</strong> von dem glaubenden Herzen noch von se<strong>in</strong>em Gegenstandgeschieden werden kann. Christus selbst ist <strong>die</strong>ser Glaube,so dass Paulus sagen muss: “Ich lebe, doch nun nicht ich,son<strong>der</strong>n Christus lebt <strong>in</strong> mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch,das lebe ich <strong>in</strong> dem Glauben des Sohnes Gottes, <strong>der</strong> mich geliebthat” (Gal. 2,20). Es gibt ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Leben des Glaubensals das <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, <strong>in</strong> welcher Christuslebt. Der Glaube lebt <strong>in</strong> Christus. Die <strong>in</strong>nerste <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist <strong>die</strong>Voraussetzung für <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>und</strong> Erneuerung desLebens. Dass <strong>der</strong> Glaubende <strong>in</strong> Christus <strong>und</strong> dass Christus <strong>in</strong>ihm ist, das ist <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> alle Verhältnisse des Lebens von<strong>in</strong>nen heraus umgestaltet. Luther brachte <strong>die</strong>se Gegenseitigkeitzwischen Christus <strong>und</strong> dem e<strong>in</strong>zelnen Herzen <strong>in</strong> den herausfor<strong>der</strong>ndstenWorten zum Ausdruck. Se<strong>in</strong> Erleben Gottes hatdeshalb e<strong>in</strong>e so unerhörte geschichtliche Bedeutung, weil er<strong>in</strong> jahrelangen Kämpfen auf allen Wegen menschlichen Bemühensvergebens um <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes gerungen hatte.Se<strong>in</strong> ihn kennzeichnendes Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sünde hatte ihnvor dem Angesicht Gottes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Qual gebracht, <strong>der</strong>en Größe<strong>und</strong> Schwere heute vielen unfaßbar ist. Wer den Schrecken vorw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 143Gottes Macht verloren hat, wird <strong>die</strong>se Qual niemals begreifenkönnen. Wer aber Luthers Not nicht kennt, kann auch LuthersGlaube nicht fassen.Gott erschien ihm so zornig, dass er nicht aus noch e<strong>in</strong> wußte.Er hatte ke<strong>in</strong>en Trost. Er vermochte we<strong>der</strong> von <strong>in</strong>nen nochvon außen Trost zu f<strong>in</strong>den. Die <strong>Seele</strong>nqual steigerte sich zuso höllischer Stärke, dass es niemand aussprechen o<strong>der</strong> beschreibenkönnte. Er musste das Gefühl bekennen, gänzlichzugr<strong>und</strong>e gehen zu müssen. Die Größe <strong>und</strong> Macht schlug ihnzu Boden. Die Furcht vor <strong>der</strong> Gerechtigkeit zermalmte ihn. Hilfekönnte ihm nur durch das Erleben <strong>der</strong> Liebe kommen. Er erfuhrsie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>der</strong> Gnade. Luther versteht unter demuns so fremd gewordenen Wort <strong>der</strong> Rechtfertigung <strong>die</strong> ErfahrungGottes, <strong>die</strong> uns <strong>in</strong> Christus, ohne unsere eigenen Bemühungen<strong>und</strong> Werke, “das Gutse<strong>in</strong>” des Glaubens verleiht. Ohnedas können wir we<strong>der</strong> vor Gott noch vor uns selbst noch unterden Mitmenschen leben.Das Tauschverhältnis zwischen ihm <strong>und</strong> Christus hat LuthersHerz <strong>und</strong> Leben auf e<strong>in</strong>e völlig an<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>lage gestellt. Aufsschärfste <strong>und</strong> kürzeste hat er es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an se<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>Georg Spenle<strong>in</strong> zum Ausdruck gebracht: “Lerne Christum, <strong>und</strong>zwar den gekreuzigten. Lerne ihm lobs<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> an dir verzweifeln.Sprich zu ihm: 'Du, Herr Jesu, bist me<strong>in</strong>e Gerechtigkeit, ichaber b<strong>in</strong> de<strong>in</strong>e Sünde: du hast das Me<strong>in</strong>e an dich genommen<strong>und</strong> mir das De<strong>in</strong>e gegeben; du hast genommen, was du nichtwarst, <strong>und</strong> mir gegeben, was ich nicht war.' – Ja, lernen wirst duvon ihm selber, dass er, sowie er dich angenommen hat, de<strong>in</strong>eSünden zu den Se<strong>in</strong>en, se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit zu <strong>der</strong> De<strong>in</strong>en gemachthat.”In <strong>die</strong>sem gegenseitigen Verhältnis <strong>der</strong> persönlichen Aufnahme<strong>und</strong> H<strong>in</strong>gabe ist von Luther das Wort erfaßt worden:“Ich lebe, doch nun nicht ich, son<strong>der</strong>n Christus lebt <strong>in</strong> mir” (Gal.2,20). Er versteht <strong>die</strong>ses Bekenntnis ausdrücklich als völligesVerb<strong>und</strong>ense<strong>in</strong> des Gläubigen mit Christus, so dass man denGlauben nicht von Christus trennen kann. Luther ist sich gewiß,dass man im Glauben getrost sagen kann: “Ich b<strong>in</strong> Christus –alles, was er hat, ist me<strong>in</strong>.” Diese Sicherheit des <strong>E<strong>in</strong></strong>sse<strong>in</strong>s mitChristus beruht auf se<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>gabe an uns. Sie lebt <strong>in</strong> unsererw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 144durch Christus bewirkten H<strong>in</strong>gabe an ihn. Der Glaube gibt ihmalles, was <strong>der</strong> Mensch ist <strong>und</strong> hat. Wenn es zu <strong>die</strong>ser Übergabekommt, ist <strong>die</strong>s das stärkste Wollen, das <strong>in</strong> Menschen gewirktwerden kann. Der eigene Wille ist dazu niemals imstande.Von mir aus zu sagen, dass ich nicht mehr lebe, ist nur dannmöglich, wenn me<strong>in</strong> Wille mit dem Todeswillen Christi e<strong>in</strong>sgeworden ist. Alles, was ich gewesen b<strong>in</strong>, was ich gelebt <strong>und</strong>gewirkt habe, musste dort sterben, wo Christus se<strong>in</strong>en Geistaufgab. Nur vom Grabe Christi aus gibt es <strong>die</strong> Auferstehungdes freien Willens.Es s<strong>in</strong>d St<strong>und</strong>en im schwarzen Turm, <strong>in</strong> denen wir zu <strong>die</strong>semErleben kommen. Die Todese<strong>in</strong>samkeit des Gekreuzigtenschenkt uns <strong>die</strong> Befreiung von <strong>der</strong> eigenen Geltung. DerTodesschritt des Glaubens führt durch das Grab h<strong>in</strong>durch zu<strong>der</strong> Gewißheit des Lebens, dass Christus mich wirklich angenommenhat, mit mir e<strong>in</strong>s geworden ist <strong>und</strong> sagen muss: “Ichb<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser arme Sün<strong>der</strong>; alle se<strong>in</strong>e Sünde <strong>und</strong> Tod ist me<strong>in</strong>eSünde <strong>und</strong> me<strong>in</strong> Tod.” In <strong>die</strong>ser Todese<strong>in</strong>heit werden wir trotzdes erschreckendsten Sündenbewußtse<strong>in</strong>s von aller Sündefrei. Wir gelangen <strong>in</strong> dem Auferstandenen zum Leben.Das Neue <strong>die</strong>ses Erlebnisses besteht dar<strong>in</strong>, dass wir Christus<strong>in</strong> uns haben <strong>und</strong> dass er unser Leben an sich genommenhat. Unser altes Leben ist uns abgenommen. Durch se<strong>in</strong> Lebenhaben wir an allem Anteil, was er ist. Alles, was er besitzt, wirduns mit ihm gegeben. Derselbe Jesus, <strong>der</strong> gesagt hat: “Mir istgegeben alle Gewalt im Himmel <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> Erde” (Mt. 28,18),verleiht uns se<strong>in</strong>e Vollmacht. Derselbe Christus, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>eungetrübte <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit dem Vater bekennt <strong>und</strong> den Platz zurrechten Hand Gottes e<strong>in</strong>nimmt, macht uns <strong>der</strong> Gottheit teilhaftig.Der Menschensohn, <strong>der</strong> <strong>der</strong> letzte Adam genannt wird, istunser – se<strong>in</strong>er Brü<strong>der</strong> – Leben geworden. In ihm ist <strong>die</strong> Machtdessen <strong>in</strong> uns, <strong>der</strong> allen alles schenken kann. Der Weltenthronist se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> Reichtum ist unendlich.Man vergißt oft, dass Luther nur das Ergreifen des köstlichen<strong>und</strong> edlen Schatzes – nämlich des Christus — als Glauben anerkannthat. Dem Glauben Luthers konnte nur Christus selbstInhalt geben. Nur Christus, glaubend im Herzen begriffen <strong>und</strong>wohnend, ist <strong>die</strong> Gerechtigkeit. Hier gibt es ke<strong>in</strong>e menschlichew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 145Def<strong>in</strong>ition des Glaubens; es geht e<strong>in</strong>fach um Christus. Christuskommt herab zu uns <strong>und</strong> wird unser Leben. Se<strong>in</strong> Kommenist Glaube; was er tut, ist Glaube. Die natürlichen Kräfte allerFrömmigkeit, Weisheit <strong>und</strong> Religion haben <strong>in</strong> allem ihrem Verstand,Willen <strong>und</strong> Gottes<strong>die</strong>nst ke<strong>in</strong>en Glauben. Sie bemühensich vergebens, zu Gott emporzudr<strong>in</strong>gen. Dass ich an Christusglaube, bedeutet, dass er, Christus, mit mir e<strong>in</strong>s geworden ist.Es bedeutet, dass er <strong>in</strong> mir bleibt. Das Leben, das ich im Glaubenhabe, ist Christus selbst.Die Tatsache, dass Christus <strong>in</strong> mir lebt, ist das Neue <strong>in</strong>me<strong>in</strong>em Leben. Wo Christus ist, bleibt das verurteilende Gesetzaufgehoben. Hier ist Christus, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Sünde verdammt<strong>und</strong> den Tod erwürgt! Wo er ist, muss alles weichen, was dasLeben zerstört. Wer will uns von <strong>der</strong> Liebe Christi scheiden!Christus ist hier! Von <strong>der</strong> Liebe Gottes, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Christus Jesus ist,kann uns ke<strong>in</strong>e Macht abtrennen, solange er, <strong>der</strong> Mächtigste,unser Gebieter ist. Wenn ich Christus verloren habe, ist nirgendsHilfe, nirgends Trost, nirgends Rat zu f<strong>in</strong>den. Nichts alsTodesschrecken ist über mir. Das Leben ohne Christus ist tot.Nur er ist Leben. Mit Christus se<strong>in</strong> ist Leben <strong>und</strong> Friede nach<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen. Das Leben Christi ist Energie. Gott ist Kraftentfaltung.Luther sagt ausdrücklich: “<strong>E<strong>in</strong></strong> gläubiger Mensch hatden Heiligen Geist; wo aber <strong>die</strong>ser ist, <strong>der</strong> läßt den Menschenschon nicht faul o<strong>der</strong> müßig se<strong>in</strong>, sondem treibt ihn zu allerleiGutem, dar<strong>in</strong> er se<strong>in</strong>en Glauben üben <strong>und</strong> christliches Wesenbeweisen kann.” In <strong>die</strong>ser Tatsache gilt es über Luther h<strong>in</strong>auszugehen.Denn hier liegt se<strong>in</strong>e äußerste Grenze.Dass Christus <strong>in</strong> mir lebt, bedeutet, dass er se<strong>in</strong>e Kräfte <strong>in</strong>mir entfaltet. Christus will <strong>in</strong> uns se<strong>in</strong>e Macht <strong>der</strong> Liebe, se<strong>in</strong>enWillen zum Dienst, se<strong>in</strong>en Reichtum zum Schenken lebendigmachen. Er will sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mannigfaltigkeit se<strong>in</strong>er Gabenan allen denen auswirken, <strong>die</strong> ihn als ihr Leben angenommenhaben. Dass Christus <strong>in</strong> uns lebt, bedeutet e<strong>in</strong>en Reichtumdes Dienens <strong>und</strong> des Wirkens, <strong>der</strong> nur an <strong>der</strong> Not gemessenwerden kann, <strong>die</strong> ihm gegenübersteht. Wenn <strong>die</strong> Schalen desZornes über <strong>die</strong> Weit ausgegossen werden, wenn <strong>die</strong> Not <strong>in</strong>sUnerträgliche steigt, so muss e<strong>in</strong>e Gerechtigkeit verkündet <strong>und</strong>gelebt werden, <strong>die</strong> stärker ist als alle Ungerechtigkeit aller Weitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 146<strong>und</strong> <strong>die</strong> zugleich alle strafende Gerechtigkeit des Gerichtes <strong>in</strong><strong>der</strong> Liebe erfüllt.Christus läßt <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben zurGerechtigkeit des Menschen werden. Die Gerechtigkeit Gotteswill allen Menschen <strong>in</strong> gütiger Liebe offenbar werden. DieserGerechtigkeit muss alles weichen, was ungerecht <strong>und</strong> eigennützigist. Die Größe Gottes wird als Macht <strong>der</strong> Liebe offenbar.Es gibt nichts Größeres als sie. Wenn <strong>der</strong> Inhalt des GlaubensChristus Jesus ist, so muss <strong>die</strong>ser Glaube <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er völligen Liebeebenso tätig se<strong>in</strong>, wie er es war. Der Glaubende muss dasselbevertreten <strong>und</strong> tun wie Jesus. Die Liebe des Glaubens wirdvon dem Bewußtse<strong>in</strong> getrieben: Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Jesu mit dem Vaterwar e<strong>in</strong>e so völlige, dass er sagen musste: “Was me<strong>in</strong> ist, istde<strong>in</strong>, <strong>und</strong> was de<strong>in</strong> ist, ist me<strong>in</strong>” (Luk. 15,31). Die Glaubense<strong>in</strong>heitdes Menschenherzens mit Christus ist so völlig klar, dassauch sie zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> sagen müssen: “Das Me<strong>in</strong>e ist de<strong>in</strong>, <strong>und</strong>das De<strong>in</strong>e ist me<strong>in</strong>.”<strong>E<strong>in</strong></strong>e solche Geme<strong>in</strong>schaft völligen Austausches muss füralle D<strong>in</strong>ge <strong>die</strong>selbe Kraft <strong>und</strong> Wesenheit offenbaren. Die füralle tätige Liebe sorgt dafür, dass das Me<strong>in</strong> <strong>und</strong> De<strong>in</strong> <strong>in</strong> völligerH<strong>in</strong>gabe überall <strong>und</strong> für alle <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit zusammengetan wird.Nun müssen auch <strong>die</strong> Glaubenden als Liebende e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zurufen:“Was me<strong>in</strong> ist, ist de<strong>in</strong>. Was de<strong>in</strong> ist, ist me<strong>in</strong>.” Die LiebeChristi drängt sie, danach zu handeln <strong>und</strong> zu leben. Christus<strong>und</strong> se<strong>in</strong> Leben ist <strong>die</strong> Gerechtigkeit des Christen. Der HeiligeGeist treibt zu demselben Guten, wie es Jesus tat. Die für alletätige Liebe sorgt dafür, dass das Me<strong>in</strong> <strong>und</strong> De<strong>in</strong> <strong>in</strong> völliger H<strong>in</strong>gabeüberall <strong>und</strong> für alle <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit zusammengetan wird. Nunmüssen auch <strong>die</strong> Glaubenden als Liebende e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zurufen:“Was me<strong>in</strong> ist, ist de<strong>in</strong>. Was de<strong>in</strong> ist, ist me<strong>in</strong>.” Wenn Jesus alleGewalt <strong>und</strong> Macht übergeben ist, so muss se<strong>in</strong>e Liebe unbed<strong>in</strong>gt<strong>und</strong> ungehemmt das Leben <strong>der</strong>er beherrschen, <strong>die</strong> mitse<strong>in</strong>er Vollmacht ausgerüstet s<strong>in</strong>d. Wenn er von dem Thron <strong>der</strong>Kraft aus se<strong>in</strong>en Geist <strong>und</strong> Auftrag <strong>in</strong> ihr Herz gibt, so muss <strong>der</strong>Inhalt <strong>die</strong>ses Auftrags das gesamte Leben erfüllen. Er muss alleZustände <strong>und</strong> Verhältnisse des Lebens so umgestalten, wie es<strong>die</strong>ser Inhalt erfor<strong>der</strong>t.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 147Wir sollten nicht sagen, dass wir an Christus <strong>und</strong> an se<strong>in</strong>Reich, dass wir an <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit ihm glauben,wenn wir nicht alles ebenso h<strong>in</strong>geben <strong>und</strong> teilen, wie er esgetan hat. Wir dürfen nicht behaupten, dass se<strong>in</strong> Gutse<strong>in</strong> <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit unser Gutse<strong>in</strong> <strong>und</strong> unsere Gerechtigkeit gewordensei, wenn wir den Armen <strong>und</strong> Erniedrigten nicht ebensogehören wie er. Wir können nicht glauben, dass wir an demteilhaben, <strong>der</strong> alle Gewalt zur Rechten <strong>der</strong> Kraft Gottes verwaltet,wenn se<strong>in</strong> heiliger Geist das Werk se<strong>in</strong>er Gerechtigkeit <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>schaft nicht wirklich <strong>in</strong> unserem Leben vollbr<strong>in</strong>gt. Wennwir den Glauben haben, <strong>der</strong> Christus ist, muss <strong>die</strong> Wirkung desGlaubens im Werk <strong>der</strong> völligen Liebe offenbar werden. WennChristus <strong>in</strong> uns herrscht, muss se<strong>in</strong>e Herrschaft von uns aus <strong>in</strong>alle Lande ausgehen. Wenn se<strong>in</strong> Geist <strong>in</strong> uns ist, müssen <strong>die</strong>Ströme <strong>die</strong>ses Geistes alles Land um uns her so verän<strong>der</strong>n,wie es <strong>die</strong>ser Geist von dem kommenden Reich verspricht.Es ist klar, dass so tiefgehende <strong>und</strong> weitgreifende Wirkungenfür uns schwache, wandelbare <strong>und</strong> sterbliche Menschen beständig<strong>der</strong> Erneuerung bedürfen, s<strong>in</strong>d sie doch ständig vonstarken Ablenkungen <strong>und</strong> H<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen bedroht. Zu allen Zeitenist es nötig, dass <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Erfahrung erneuert <strong>und</strong> vertieft wird.Stete Erneuerung gehört zu dem Wesen aller Erfahrung. Für<strong>die</strong> Sache des Geistes gilt <strong>die</strong>se Wahrheit ebenso wie für <strong>die</strong>D<strong>in</strong>ge des natürlichen, leiblichen Lebens. Die Erfahrung, dass<strong>die</strong> Sonne sche<strong>in</strong>t <strong>und</strong> dass unser Auge das Licht sieht o<strong>der</strong>dass <strong>die</strong> Vögel s<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> unser Ohr es hört, ist nur dadurchgegenwärtige Wirklichkeit, dass unser Ohr nicht taub, unserAuge nicht bl<strong>in</strong>d <strong>und</strong> unser Geist nicht stumpf ist. Diese Erlebnisseunserer S<strong>in</strong>ne <strong>und</strong> unseres Geistes können sich nur dannerneuern, wenn das geschieht, was das Erlebnis ausmacht,wenn Gottes Macht <strong>die</strong> Sonne jeden Tag neu aufgehen <strong>und</strong> <strong>die</strong>Vögel jedes Jahr von neuem s<strong>in</strong>gen läßt.Wir werden wie<strong>der</strong>geboren durch das lebendige Wort Gottes<strong>und</strong> durch den wehenden Geist Jesu Christi. Die Kraft <strong>und</strong>Macht Gottes lebt nicht <strong>in</strong> blasser Er<strong>in</strong>nerung. Sie wirkt nicht<strong>in</strong> toter Wissenschaft. Das Wort <strong>der</strong> Wahrheit, durch welchesdas neue Leben gezeugt ist, muss sich immer von neuem anw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 148unserem Inneren als lebendig <strong>und</strong> kräftig erweisen, wenn unserGeist nicht dem Tode verfallen soll. Der Geist des Lebenswill als e<strong>in</strong> Beurteiler <strong>der</strong> Gedanken <strong>und</strong> S<strong>in</strong>ne des Herzens<strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Geist jeden Augenblick vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> scheiden, damitwir nicht zu seelischen Menschen werden, <strong>die</strong> nichts mehr vondem lebendigen Geist wahrnehmen können.Der Geist <strong>der</strong> Wahrheit will uns stets von neuem erfüllen <strong>und</strong><strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de vere<strong>in</strong>igen. Christus will se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>deimmer wie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Vollmacht erteilen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kraft geben,dass sie stets von neuem durch den Heiligen Geist alle an<strong>der</strong>enGeister überw<strong>in</strong>det. Es ist e<strong>in</strong> immer erneutes Werk desGeistes, dass das Wort Gottes unser Innerstes zerschneidet<strong>und</strong> alles <strong>in</strong>s schärfste Licht stellt, was uns verwirren will. Wirbrauchen <strong>die</strong> Erfahrungen des lebendig machenden Geistes fürdas wirkliche Leben nötiger als das tägliche Brot.Mit <strong>der</strong> Kraft <strong>die</strong>ser Wahrheit hat <strong>der</strong> Gebieter über alle Geister<strong>die</strong> andr<strong>in</strong>gende Gewalt des Versuchers abgewiesen: “DerMensch lebt nicht vom Brot alle<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n von e<strong>in</strong>em jedenWort, das durch den M<strong>und</strong> Gottes geht” (Matth.4,4). Die WahrheitGottes muss stets von neuem aufgenommen <strong>und</strong> <strong>in</strong> beständigerErneuerung verwirklicht werden, wenn das Lebennicht sterben soll. Deshalb sagt Jesus: “Me<strong>in</strong>e Nahrung bestehtdar<strong>in</strong>, dass ich den Willen dessen tue, <strong>der</strong> mich gesandt hat”(Joh. 4,34). Gott lebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat. Das immer erneute Aufnehmendes Wortes Gottes gibt jene Lebenskraft, <strong>die</strong> Gottes Leben wirkt<strong>und</strong> Gottes Taten tut, weil sie aus dem Herzen Gottes kommt.In <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne hatte George Fox 31 recht, als er im Jahre1647 se<strong>in</strong>e große Bewegung mit dem Ruf e<strong>in</strong>leitete: “Auf denGeist, auf das <strong>in</strong>nere Licht, auf das <strong>in</strong>nere Wort kommt es an!”Denn das lebendige Wort will jeden Augenblick im <strong>in</strong>nerstenGr<strong>und</strong>e <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> aufgenommen <strong>und</strong> persönlich erfaßt werden,damit es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat verwirklicht wird. Nur so können wirbeständig für <strong>die</strong> schwersten Kämpfe erstarken, wie Johannesse<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>den schreiben konnte: “Ihr seid stark, <strong>und</strong> dasWort Gottes bieibt bei euch, <strong>und</strong> ihr habt den Bösewicht überw<strong>und</strong>en”(1. Joh. 2,14b). Nur wenn <strong>die</strong> lebendige Wahrheit <strong>in</strong>_______________________________31George Fox, 1624-1691, Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Quäker.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 149steter Erneuerung <strong>in</strong> uns bieibt, werden wir mit allem unseremTun <strong>in</strong> dem Vater <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Sohn bleiben.Das Wort Gottes hat uns von Anfang an <strong>in</strong> <strong>die</strong> Atmosphäre<strong>der</strong> Gnade geleitet. Jedes Erleben Gottes ist e<strong>in</strong> unver<strong>die</strong>ntesGeschenk. In dem rückhaltlosen Aufdecken unserer Unfähigkeit<strong>und</strong> Gottwidrigkeit ließen wir uns von Gott erkennen. In <strong>der</strong>vollkommen unver<strong>die</strong>nten Liebe <strong>der</strong> Aufopferung se<strong>in</strong>es Sohneserkannten wir ihn. Wir haben Jesus als den heilenden Rettere<strong>in</strong>es gänzlich zugr<strong>und</strong>e gehenden Lebens erfahren. Durchse<strong>in</strong>en Tod haben wir Vergebung <strong>und</strong> Erlösung von schwersterBelastung erlebt. Jedes erneute Erleben Gottes führt uns immertiefer <strong>in</strong> das Bewußtse<strong>in</strong> des tödlichen Schuldzusammenhangs<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Anbetung <strong>der</strong> unver<strong>die</strong>nten Gnade.Die tägliche Re<strong>in</strong>igung des Herzens übt uns, alles immerdeutlicher zu sehen <strong>und</strong> aufs schärfste klarzustellen, was unsvon Gott trennen will. So oft wir bis <strong>in</strong>s letzte zu allem bereits<strong>in</strong>d, will se<strong>in</strong>e Treue <strong>und</strong> Gerechtigkeit alles vergeben <strong>und</strong>wegnehmen, was se<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit stört. Wenn jemandsündigt, so braucht er den Anwalt, <strong>der</strong> Versöhnung <strong>und</strong>Vere<strong>in</strong>igung erwirkt. Jede Abson<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Auflösung, jedeZerstörung <strong>der</strong> Lebense<strong>in</strong>heit will Christus als <strong>der</strong> Fürsprecherdurch se<strong>in</strong>en Geist, den Sachwalter, zurechtbr<strong>in</strong>gen. Das Werk<strong>der</strong> Versöhnung tilgt <strong>die</strong> Schuld <strong>und</strong> befreit den Schuldigen fürdas Leben <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> Gott.Niemand kann auch nur e<strong>in</strong>en Augenblick <strong>die</strong> Erneuerung<strong>die</strong>ser Erfahrung entbehren. Die Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott <strong>und</strong><strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de wird ununterbrochen von allenGewalten <strong>der</strong> Erde angegriffen. Jeden Augenblick s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong>Gefahr, aufgelöst zu werden. Die Geister des Mammons, <strong>der</strong>Lüge, <strong>der</strong> Untreue <strong>und</strong> <strong>der</strong> Unre<strong>in</strong>heit belagern <strong>und</strong> bestürmen<strong>die</strong> Festung <strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft ohne Ruhepause. Wennwir ihnen <strong>in</strong> unserem äußeren Se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en noch so ger<strong>in</strong>genPlatz e<strong>in</strong>räumen, konzentrieren sie den Angriff auf den Mittelpunkt.Sie wollen das Herz betäuben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lebense<strong>in</strong>heitzerstören. Unsere <strong>Seele</strong> ist beständig zersetzenden Strahlenausgesetzt. Wenn <strong>die</strong> uns umgebende Dunkelheit Macht überunser Leben gew<strong>in</strong>nt, verlieren wir <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 150Wir liefern unsere <strong>Seele</strong> <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>en Macht aus. Wir werdenvon Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Reich abgeson<strong>der</strong>t. Wir s<strong>in</strong>d ohne Gott<strong>und</strong> ohne Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> zersplitterten Welt.Das Licht <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aber überstrahlt <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis desZerfalls. Dem Licht gilt es zu folgen. “Wenn wir im Licht leben,wie er im Licht ist, so haben wir Geme<strong>in</strong>schaft untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,<strong>und</strong> das Blut Jesu Christi, se<strong>in</strong>es Sohnes, macht uns von allerSünde re<strong>in</strong>” (1. Joh. 1,7). Die hellen Strahlen des Gotteslichtss<strong>in</strong>d stärker als <strong>die</strong> schwarzen Ausstrahlungen <strong>der</strong> zersetzendenDämonie. Dunkel kann Licht nicht überwältigen. Nur muss <strong>der</strong>Glaube <strong>und</strong> das durch ihn bestimmte Leben dem Licht <strong>in</strong> steterBeständigkeit zugewandt bleiben. Wer den dunklen Strahlenabgekehrt ist, kann von ihnen nicht ergriffen werden. Der Willeist das Gebiet ihrer <strong>E<strong>in</strong></strong>wirkung. Die Willenskraft ist das Organ,das sie zersetzen wollen. Bleibt <strong>der</strong> Wille von ihrer Vergiftungfrei, so ist <strong>der</strong> Kampf gewonnen. Der im Licht lebende Willeschlägt <strong>die</strong> Angriffe <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis ab. Das Licht siegt über <strong>die</strong>F<strong>in</strong>sternis. Der Lichtwille ist frei.In Geme<strong>in</strong>schaft stehen setzt e<strong>in</strong> Leben im Licht voraus. DieKlarheit <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>heit des Lebens aus Gott führt zu <strong>der</strong> völligenLebense<strong>in</strong>heit, <strong>die</strong> alle Gewalten <strong>der</strong> Zerstörung <strong>und</strong> Auflösungüberw<strong>in</strong>det. Mit Jesus, mit se<strong>in</strong>em Blut <strong>und</strong> Leben e<strong>in</strong>ig se<strong>in</strong> befreitdurch <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>heit se<strong>in</strong>es Opfers von aller Verunre<strong>in</strong>igung<strong>und</strong> durch <strong>die</strong> alles vere<strong>in</strong>igende Machttat se<strong>in</strong>es Todes von allerUne<strong>in</strong>igkeit. Diese Kraft bewirkt e<strong>in</strong> Leben, das <strong>in</strong> <strong>der</strong>selbenHeiligkeit <strong>und</strong> Glut erstrahlt wie das Leben Jesu. Das Licht JesuChristi ist das neue Leben <strong>der</strong> völligen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Jede Geme<strong>in</strong>schaftslosigkeit<strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftswidrigkeit ist Dunkelheit <strong>und</strong>Kälte, <strong>die</strong> dem glühenden Licht Jesu abgewandt ist. Die Vere<strong>in</strong>zelung<strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Unre<strong>in</strong>heit ihres Wollens ist dem LebenJesu fe<strong>in</strong>dlich <strong>und</strong> fremd. Der Wille ist unre<strong>in</strong> <strong>und</strong> verdunkelt, sooft er <strong>die</strong> Klarheit des Lebens Jesu mit an<strong>der</strong>en Elementen vermischt,so oft er gegen <strong>die</strong> Treue <strong>der</strong> völligen Liebe <strong>und</strong> gegen<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> vöiligen Vere<strong>in</strong>igung verstößt, so oft er<strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe <strong>und</strong> Gelassenheit aller Güter verleugnet. Zum Eigenwillen,zum begehrlichen Willen <strong>und</strong> zum Eigentumswillengeworden, verläßt er das Licht <strong>und</strong> erwählt <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis. Jedew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 151Une<strong>in</strong>igkeit <strong>und</strong> Zerspaltung verleugnet <strong>die</strong> Kräfte, <strong>die</strong> von <strong>der</strong>aufgeopferten <strong>Seele</strong> Jesu ausgehen.In dem Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> dem Jesus jetzt <strong>und</strong> hier unteruns ist, bewirkt er <strong>die</strong> e<strong>in</strong>ige Geme<strong>in</strong>schaft. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitist <strong>die</strong> Wirkung des im Sterben h<strong>in</strong>gegebenen Lebens Jesulebendig. In se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de stehen wir <strong>in</strong> dem Erleben desKreuzes. Das Kreuz schuf <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Der Geist br<strong>in</strong>gt sie. Esgibt ke<strong>in</strong> Zeugnis des Geistes Christi ohne das Zeugnis desBlutes Jesu. Der <strong>E<strong>in</strong></strong>heit geht <strong>die</strong> Beseitigung <strong>der</strong> Une<strong>in</strong>igkeitvoran. Der Geist br<strong>in</strong>gt dem Ungeist den Tod. Die Kraft desTodes Christi läßt unser altes Leben sterben, damit das neueLeben beg<strong>in</strong>nen kann. Wer auf dem Kirchhof liegt, ersche<strong>in</strong>tnicht mehr im Wirtshaus o<strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Eigentum. Er treibt ke<strong>in</strong>eigenes Werk mehr. Er ist dem alten Treiben des Eigenwesensentnommen.Wer mit Christus allem Eigenen gegenüber tot ist, bleibt allen<strong>E<strong>in</strong></strong>flüssen des Eigenwillens <strong>und</strong> Eigennutzes abgewandt. Erlebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft des aufgeopferten Lebens Jesu. In <strong>die</strong>ser Kraftopfert er se<strong>in</strong> altes, se<strong>in</strong> eigenes Leben, wie Jesus se<strong>in</strong> re<strong>in</strong>stesLeben geopfert hat. Er ist bereit, <strong>die</strong>selbe Bluttaufe auf sich zunehmen, <strong>die</strong> den Leib Jesu überströmte. Wer an den H<strong>in</strong>gerichtetenglaubt, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>in</strong>neren Sterbens zum Tode bereit.Auch zum leiblichen Tod <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schande öffentlicher Verurteilung<strong>und</strong> H<strong>in</strong>richtung ist er bereit, wenn es um <strong>der</strong> Wahrheit willense<strong>in</strong> muss. Auf <strong>die</strong>se Bereitschaft h<strong>in</strong> wird er <strong>in</strong> das Grab Jesuversenkt. Die urchristliche Taufe ist das Symbol <strong>der</strong> Sterbekraft<strong>und</strong> Auferstehungskraft. Als Zeichen <strong>der</strong> Ausgießung des HeiligenGeistes bezeugt sie den Bruch mit allem Bestehenden<strong>und</strong> den Lebensbeg<strong>in</strong>n des Neuen. Die Todese<strong>in</strong>heit mit Jesusbr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Lebense<strong>in</strong>heit mit Gott. Nur durch das Opfer habenwir den Freimut zum <strong>E<strong>in</strong></strong>gang <strong>in</strong> <strong>die</strong> Nähe Gottes.Wer Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Heiligkeit se<strong>in</strong>er Liebe erlebt hat, wie Jesusihn uns nahegebracht hat, weiß es, warum Jesus gestorben ist.Gott will, dass wir im Sterben des Todes Jesu <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraftse<strong>in</strong>er Auferstehung, im Tun <strong>der</strong> Worte Jesu <strong>und</strong> im Leben desLebens Jesu mit ihm e<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> bleiben. Das geschieht durchden gegenwärtigen Christus, durch den lebendig machendenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 152Geist. Es geschieht durch se<strong>in</strong>e über uns ausgegossene Liebe,<strong>die</strong> im Heiligen Geist unser Herz erfüllt. Se<strong>in</strong>e Liebe ziehtuns durch den Heiligen Geist <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft Gottes. AllemSchlechten <strong>und</strong> Ungerechten abgestorben, leben wir nunmehrdem Guten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>der</strong> völligen Liebe.Gottes Wesen kann sich niemals des Guten berauben. Gottvermag nicht mit dem Bösen <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft zu treten. Er kannsich selbst nicht auflösen. Gott ist das Gute. Für das Gute will er<strong>die</strong> Welt erobern. Nur wo das Böse gestorben ist, vermag dasGute zu leben. Unser gesamtes vom Bösen durchsetztes Wesenmuss den Tod Christi als e<strong>in</strong>en dem Bösen absterbendenTod, als unseren Tod erleben. Mit dem Gekreuzigten erleidenwir e<strong>in</strong> Sterben, das uns von allem befreit, was <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftmit Gott unmöglich macht. Dem Gericht des Todes Jesuausgeliefert, werden wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Leben mit dem HerzenGottes e<strong>in</strong>s: Gott bricht e<strong>in</strong>. Das Neue beg<strong>in</strong>nt. Das Böse brichtab. Das Gute hebt an.Die Liebe Jesu hat das Gericht Gottes zur Erlösung gemacht.Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit dem, <strong>der</strong> am Kreuz gerichtet wurde, br<strong>in</strong>gt das<strong>E<strong>in</strong></strong>sse<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong>, mit dem Wesenskern se<strong>in</strong>es Lebens.Das bedeutet ungetrübte Geme<strong>in</strong>schaft mit dem lebendigenGott. Diese Geme<strong>in</strong>schaft ist <strong>die</strong> Überw<strong>in</strong>dung alles dessen,was Sünde <strong>und</strong> Tod ist. Durch den Tod Christi werden wir zuse<strong>in</strong>er Auferstehung gebracht. In den Kräften se<strong>in</strong>es aufgeopfertenLebens kommt das neue Leben Gottes zu uns. Es erweistdurch <strong>die</strong> Wirkung des Heiligen Geistes Jesus Christusdurch se<strong>in</strong>e Auferstehung als den lebendigen Sohn Gottes. Indem Sohn ist das Herz Gottes zu uns gekommen. Der GeistGottes br<strong>in</strong>gt uns se<strong>in</strong> Herz. In <strong>der</strong> Natur <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte<strong>der</strong> Welt spüren wir se<strong>in</strong>e Hand <strong>und</strong> den Schritt se<strong>in</strong>er Füße. InJesus offenbart sich se<strong>in</strong> Herz. Und se<strong>in</strong> Herz ist mächtiger alsalle se<strong>in</strong>e Gewalt.So wird das Wort vom Kreuz e<strong>in</strong>e Gotteskraft, <strong>die</strong> sich vomHerzen Gottes her als Kraft zur Auferstehung beweist. WennZ<strong>in</strong>zendorf 32 davon spricht, “das herrliche Lamm zu allem zu______________________________32Z<strong>in</strong>zendorf, Nikolaus Ludwig, Graf von, 1700-1760;Grün<strong>der</strong> <strong>und</strong> Organisator <strong>der</strong> Herrnhuter Brü<strong>der</strong>geme<strong>in</strong>e.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 153machen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Seligkeit zu kennen, als um ihn herumzu se<strong>in</strong>, ihm danken, ihm wohlgefallen”, so me<strong>in</strong>t er daslebendige Opfer, das sich am Leben <strong>und</strong> Wirken <strong>der</strong> übermächtigenLiebe freut. Das Lamm nimmt <strong>die</strong> Herrschaft des Gottesreichsauf se<strong>in</strong>e Schultern, weil es das Herz Gottes trägt. Wennwir das Kreuz auf Tod <strong>und</strong> Leben annehmen, so fassen wir <strong>in</strong>dem Gekreuzigten den Auferstandenen. Wir glauben <strong>in</strong> ihm an<strong>die</strong> alles überwältigende Lebensmacht <strong>der</strong> Liebe, <strong>die</strong> GottesHerz ist. Zur Auferstehung <strong>und</strong> Gottesherrschaft offenbart sichdas Kreuz als <strong>die</strong> sieghafte Macht <strong>der</strong> völligen Liebe. JesusChristus ist als <strong>die</strong> Offenbarung <strong>der</strong> Liebe Gottes das Lebenaus dem Tode. Se<strong>in</strong> Tod überw<strong>in</strong>det alle Weltmächte <strong>und</strong> jedetödliche Gewalt. Außerhalb <strong>der</strong> Todeskräfte se<strong>in</strong>er Liebe kannes ke<strong>in</strong>e Erfahrung se<strong>in</strong>es allgewaltigen Lebens geben. Ohneihn können wir nichts tun, was gegen Tod <strong>und</strong> Teufel bestehenkönnte. Nur se<strong>in</strong> Gottesleben macht aus unserem Tun das lebendigeWerk. Nur Werke des lebendigen Gottes s<strong>in</strong>d lebendigesWerk. Die völlige Liebe, das überströmende Leben, istdas lebendige Werk.Wahmehmungen <strong>und</strong> Erfahrungen, Bewegungen <strong>und</strong> Betätigungens<strong>in</strong>d nur so lange möglich, als Leben wirksam ist. Esgibt ke<strong>in</strong> Leben wirkendes Werk außerhalb <strong>der</strong> Kraft des Lebens,das Gott ist, außerhalb des Lebens Gottes, das <strong>in</strong> Christusist. Wenn das Leben entwichen ist, so erbl<strong>in</strong>det das Auge<strong>und</strong> verwelkt <strong>die</strong> Hand. Das Ohr hat aufgehört zu hören. Weil<strong>der</strong> Tod ohne Kraft <strong>und</strong> ohne Werk ist, kann <strong>der</strong> menschlicheGeist ke<strong>in</strong>e Wahrnehmung zur Erfahrung machen, <strong>und</strong> <strong>der</strong>Wille kann ke<strong>in</strong> Werk <strong>in</strong> Angriff nehmen. Die Lebenskraft entscheidetals Erlebniskraft über Tatkraft <strong>und</strong> Schaffenskraft. Gottalle<strong>in</strong> ist Leben ohne Tod. Es gibt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e über Tod, Entartung<strong>und</strong> Ver<strong>der</strong>bnis triumphierende Lebensenergie als <strong>die</strong>Gottes, <strong>der</strong> als das schöpferische Leben unendlicher Kraft alleLebenskreise beherrscht.Das Leben wird um so tätiger, je mehr Lebensgebiete <strong>und</strong>Lebenskräfte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Erlebenskreis aufgenommen werden.Das Leben muss um so mehr verkümmern, je enger <strong>der</strong> Kreis<strong>der</strong> Erfahrungen wird. Das Erleben Gottes umschließt <strong>die</strong> Uni-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 154versalität <strong>und</strong> Totalität se<strong>in</strong>es Wirkens. Se<strong>in</strong> schöpferischerGeist ist ebenso extensiv, wie er <strong>die</strong> absolute Intensität ist. Indas ganze Herrschaftsgebiet des Allmächtigen will uns Jesuse<strong>in</strong>führen. Für das Leben aus Gott ist das e<strong>in</strong>e entscheidend,ob man Gott ganz o<strong>der</strong> gar nicht, ob man den ganzen Christuso<strong>der</strong> nur schwache Reflexe se<strong>in</strong>es Bildes aufnehmen will. DerGlaube, den Gott wirkt, geht aufs Ganze, o<strong>der</strong> er ist nichts.Nur <strong>der</strong> ganze Christus für e<strong>in</strong> ganzes Leben verän<strong>der</strong>t<strong>und</strong> erneuert alles. <strong>E<strong>in</strong></strong> halber Jesus für e<strong>in</strong> halbes Leben istIrrwahn <strong>und</strong> Lüge. Der Geist des Lebens duldet ke<strong>in</strong>e Auswahlvon Richtl<strong>in</strong>ien o<strong>der</strong> Glaubenselementen, <strong>die</strong> sich e<strong>in</strong> eigenwilligerGeist aus <strong>der</strong> Wahrheit Gottes heraussuchen will. DieWahrheit ist unteilbar. Christus läßt sich nicht zerlegen. Wernicht <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen <strong>die</strong>selbe Haltung e<strong>in</strong>nehmen will, wie Jesussie <strong>in</strong> geschlossener Ganzheit bewährt hat, hat ihn verworfen.Ke<strong>in</strong>e noch so kunstreiche Begründung se<strong>in</strong>es halbherzigen Verhaltens schützt ihn vor dem Urteil: “Wer nicht mit mir ist,ist gegen mich” (Matth. 12,30).Wer wohl <strong>die</strong>s <strong>und</strong> jenes von ihm hören, lesen <strong>und</strong> erfahrenwill, zugleich aber alles ihm unmöglich Ersche<strong>in</strong>ende durchabschwächende Auslegungen auszutilgen versteht, wird mitse<strong>in</strong>em ganzen noch so christlich ersche<strong>in</strong>enden Lebensbauzusammenstürzen. Deshalb muss Jesus sagen, dass alle, <strong>die</strong><strong>die</strong> Worte se<strong>in</strong>er Bergpredigt (Matth. 5ff.) hören, ohne sie zutun, Bauleuten gleichen, <strong>die</strong> auf Sand bauen. Ihr Gebäude istvon vornhere<strong>in</strong> verloren. Es erliegt dem ersten Ansturm <strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichen Gewalten.So trägt Jesus se<strong>in</strong>en Gesandten auf: “Lehret alles halten,was ich euch geboten habe” (Matth. 28,20). Wer ihn liebt, hältse<strong>in</strong> Wort. Wer an ihn glaubt, tut alles, was er gesagt hat. Werauch nur e<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlich kle<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>er lebendigen Weisungenübergehen will, kann se<strong>in</strong> Leben nicht aufnehmen. DasWesen des Lebendigen ist ganze <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Das Leben Jesu istunteilbar. Es versagt sich ganz, o<strong>der</strong> es schenkt sich ganz. Esist lebendige <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Wer Jesus zerschneiden will, vergreiftsich an se<strong>in</strong>em Leben. In se<strong>in</strong>er mör<strong>der</strong>ischen Hand, <strong>die</strong> nachdem Leben greifen wollte, bleibt nichts als Totes zurück.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 155Der ganze Christus will <strong>der</strong> Gegenstand lebendiger Erfahrung,<strong>der</strong> ganze Christus will <strong>der</strong> Inhalt lebendiger Taten se<strong>in</strong>.Se<strong>in</strong> Leben ist Ganzheit <strong>und</strong> Geschlossenheit, <strong>die</strong> sich mitnichts vermischen läßt, was außerhalb se<strong>in</strong>er Lebensgrenzesteht. Das bedeutet, dass ihm alles zu weichen hat, was se<strong>in</strong>erLebense<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> ihrer lebendigen Aufgabe zuwi<strong>der</strong> ist. Daswahre Leben bekämpft das unechte Leben. Wo Christus se<strong>in</strong>Gottesleben entfaltet, löscht er alles an<strong>der</strong>e Leben aus. Nebense<strong>in</strong>er völligen Liebe kann ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Liebe bestehen. Mitgöttlicher Eifersucht verdrängt er jedes an<strong>der</strong>e Bild, das wir –nur allzu oft als verfälschtes “Christusbild” – neben ihm aufstellenwollen.Bernhard von Clairvaux 33 bezeugt vor achthun<strong>der</strong>t Jahrenvon <strong>die</strong>ser Erfahrung: “Wenn Jesus zu mir kommt, o<strong>der</strong> vielmehr,wenn er <strong>in</strong> mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommt, so kommt er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe,<strong>und</strong> er eifert um mich mit göttlichem Eifer.” Der ganze Christuswill uns ganz. Er liebt <strong>die</strong> Entscheidung. Er liebt se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>demehr als se<strong>in</strong>e halbherzigen Fre<strong>und</strong>e. Er haßt se<strong>in</strong>e Verfälschermehr als se<strong>in</strong>e Gegner. Was er verabscheut, ist das Laue, dasfarblos Graue, das Dämmerlicht, das verschwimmende, allesvermischende, zu nichts verpflichtende fromme Gerede. Dasalles fegt er h<strong>in</strong>weg, so oft er naht.Er kommt zu uns, wie er ist. Er geht mit se<strong>in</strong>em ganzenWort <strong>in</strong> uns e<strong>in</strong>. Er offenbart sich unserem Herzen <strong>in</strong> ganzerGeschlossenheit. In se<strong>in</strong>em Kommen erfahren wir <strong>die</strong> ganzeMacht se<strong>in</strong>er Liebe <strong>und</strong> <strong>die</strong> ganze Kraft se<strong>in</strong>es Lebens. Allesan<strong>der</strong>e ist Trug <strong>und</strong> Lüge. Jesus Christus naht niemandem <strong>in</strong>e<strong>in</strong>igen vorübergehenden <strong>E<strong>in</strong></strong>drücken. Er br<strong>in</strong>gt für immer dasganze Reich Gottes, o<strong>der</strong> er gibt nichts. Nur wer ihn ganz <strong>und</strong>für immer aufnehmen will, kann ihn erleben. Ihm ist es gegeben,das Geheimnis des Reiches Gottes zu wissen. Jedem an<strong>der</strong>enverhüllt er sich <strong>in</strong> unerkennbaren Bildem. Wer außerhalb<strong>der</strong> völligen H<strong>in</strong>gabe steht, hört Gleichnisse, ohne <strong>die</strong> Sache zuverstehen, <strong>die</strong> sie deuten. Mit sehenden Augen sieht er nichts._______________________________33Bernhard von Clairvaux, 1090-1153, Zisterzienserabt,bedeuten<strong>der</strong> Theologe, Grün<strong>der</strong> des Reformklosters Clairvaux u. v. a.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 156Mit hörenden Ohren faßt er nichts. Wer nicht das Ganze habenwill, verliert das Wenige, das er zu haben me<strong>in</strong>t.Die Erfahrung Jesu Christi ist Bewährung, o<strong>der</strong> sie ist Täuschung.Sie erweist sich als wahr, wenn sie den ersten Ursprung,den ganzen Weg <strong>und</strong> <strong>die</strong> letzte Zukunft Jesu Christimit ausharren<strong>der</strong> Beständigkeit festhält. So besteht sie bis ansEnde. Ohne Unterbrechung strömt <strong>die</strong> unüberw<strong>in</strong>dliche Liebedes Geistes über <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis des ungeteilten Christus.Sie erfüllt das Leben mit <strong>der</strong> Frucht beständiger Gerechtigkeit;denn Christus, <strong>der</strong> ganze Christus, ist ihre Gerechtigkeit.Die Lebenshaltung beweist, ob <strong>die</strong>se Glaubenserfahrung<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage des Lebens bildet. Der Vater Jesu Christi ist <strong>der</strong>Schöpfergott. Jedes Erlebnis Gottes bedeutet gestaltende Kraft.Wo Leben aus Gott ist, entsteht <strong>die</strong> Lebensgestaltung, <strong>die</strong> demvollen Bild Jesu Christi <strong>und</strong> damit dem Reich Gottes entspricht.Je schwächer das Leben ist, um so weniger Gestaltungskraftvermag es zu entfalten. Der Unterschied zwischen vorübergehenden,nur <strong>die</strong> Oberfläche streifenden Wahrnehmungen <strong>und</strong>e<strong>in</strong>em tiefgehenden beständigen Erfahren <strong>und</strong> Erleben beweistsich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Wirkung. Wo Gott wirkt, geht er <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe<strong>und</strong> greift zugleich <strong>in</strong> <strong>die</strong> Weite. Er tut es als gestaltende Kraft.Wie manche reisen im eilenden Wagen durch alle Lande <strong>und</strong>streifen <strong>die</strong> Schönheiten <strong>der</strong> ganzen Weit. Ihre Augen überfliegenalle <strong>E<strong>in</strong></strong>drücke. Aber nichts wird ihnen zu e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glicher Erfahrung.Ihr Leben ist unendlich viel ärmer geblieben als dasmancher Nachbarn, <strong>die</strong> nicht mehr gesehen haben als <strong>die</strong> Wiese<strong>und</strong> den Wald vor <strong>der</strong> Stadt, <strong>in</strong> denen aber jedes Aufblühen<strong>und</strong> Verwelken <strong>der</strong> Blumen <strong>und</strong> Bäume wie jede an<strong>der</strong>e Regung<strong>der</strong> Natur zum befruchtenden Erleben geworden ist.In den Städten sehen <strong>die</strong> e<strong>in</strong>en im Vorbeieilen nichts als<strong>die</strong> täuschende Außenseite des Lebens, während an<strong>der</strong>e,ger<strong>in</strong>ger geachtete Mitmenschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freude <strong>der</strong> Liebe, <strong>in</strong><strong>der</strong> täglichen Arbeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Welt <strong>die</strong> erschütterndeWirklichkeit erkennen <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Todeskern wie <strong>in</strong> <strong>die</strong> Lebensmöglichkeitdes Dase<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen. Das wahre Leben ist dasumfassende Bewußtse<strong>in</strong>, das <strong>in</strong> <strong>die</strong> tiefe Wesenhaftigkeit <strong>der</strong>D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> Geschehnisse e<strong>in</strong>zuschauen <strong>und</strong> zugleich <strong>in</strong> allew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 157Weiten auszuschauen vermag. Es trägt das Leid <strong>der</strong> Welt. Eshungert nach Gerechtigkeit. Denn es hat Herz <strong>und</strong> ist Herz. Esist Gottes Herz.Bei den e<strong>in</strong>en haben <strong>die</strong> überwältigenden <strong>E<strong>in</strong></strong>drücke <strong>der</strong> Weltnot,des Krieges <strong>und</strong> <strong>der</strong> ihm folgenden Katastrophen nichtsan<strong>der</strong>es als Abstumpfung des Gewissens bewirkt, während<strong>die</strong> neuen Augen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>die</strong> wirkliche Gegenwart <strong>und</strong> <strong>die</strong>wahrhaftige Zukunft sehen, <strong>die</strong> ihnen vorher verschlossen war.Der neue Blick verän<strong>der</strong>t das Leben <strong>und</strong> belebt das Tun. Nurwer das Wesen aller D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> aller Geschehnisse bis auf denGr<strong>und</strong> aufzunehmen vermag, nimmt <strong>die</strong> Erfahrung des Lebensauf, <strong>der</strong>en Wirkung bleibend ist. Wie <strong>der</strong> Gotteszorn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichteüber <strong>die</strong> Welt dah<strong>in</strong>fegt <strong>und</strong> <strong>in</strong> allem erschütterndenErleben das tiefste Innerste treffen <strong>und</strong> das ganze Leben bewegenwill, so gilt <strong>die</strong>se Wahrheit noch stärker für das Erleben <strong>der</strong>Liebe, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Christus Jesus, <strong>in</strong> dem Herzen Gottes erschienenist.Wir können von dem Wort <strong>und</strong> Leben Jesu noch so viel gehört<strong>und</strong> gelesen haben, wir können dem Buchstaben nachnoch so viel davon zu sagen wissen, – wenn nicht <strong>der</strong> Geist<strong>und</strong> das Wesen se<strong>in</strong>er Liebe das ganze Leben bis <strong>in</strong>s Letzteergreift <strong>und</strong> umspannt, so führt <strong>die</strong> tote Kenntnis zum Ver<strong>der</strong>ben.Der Buchstabe tötet. Der Geist macht lebendig. Se<strong>in</strong> Lebenist Liebe. Wenn <strong>die</strong> Wahrheit nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe zum allesbestimmenden Element des Lebens wird, so tötet ihre Machtdas Gewissen ab. Ohne <strong>die</strong> Liebe stirbt das neue Leben, ehees geboren ist. Die Wahrheit wirkt tödlich, wenn ihre lebendigmachende Wirkung verworfen wird. Wer sich gegen <strong>die</strong> allesverän<strong>der</strong>nde Macht ihres lebendigen Wesens verhärtet, mussan <strong>der</strong> Wahrheit sterben.An den Wirkungen ist es zu erkennen, ob <strong>die</strong> Erfahrung wesentlicho<strong>der</strong> nichtig, ob sie lebenweckend o<strong>der</strong> tötend gewesenist. Jedes Erlebnis des unverfälschten Christus bedeutetEnergie, <strong>die</strong> sich als solche im Leben erweist. Durch Erneuerungdes S<strong>in</strong>nes wird e<strong>in</strong>e Umwälzung <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ung bewirkt,<strong>in</strong> <strong>der</strong> wir uns selbst <strong>und</strong> alles an<strong>der</strong>e aufgeben, um alle<strong>in</strong>Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Reich zu <strong>die</strong>nen. Die Wirkung beweist es,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 158ob unsere Erfahrung Gott wirklich erlebt hat o<strong>der</strong> ob sie <strong>in</strong> <strong>der</strong>Illusion haften blieb. Denn Gott hat e<strong>in</strong>e Kraft des Lebens <strong>und</strong><strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong>en <strong>der</strong> Mensch niemals fähig ist. Die ErfahrungGottes bewirkt e<strong>in</strong>e übermenschliche Liebe, weil sie das LebenGottes br<strong>in</strong>gt. Sie ergießt sich <strong>in</strong>s Herz. Der Heilige Geist br<strong>in</strong>gtihre göttliche Kraft.Erfahrung Gottes bedeutet Kraft zum Wirken. Es gibt ke<strong>in</strong>eLiebe, <strong>die</strong> nicht im Tun lebendig wäre. Das Erleben Gottes istals Leben <strong>der</strong> Liebe das Erlebnis <strong>der</strong> Kraft. In <strong>der</strong> Befreiungvon aller ungerechten, liebeleeren <strong>und</strong> eigenmächtigen Tätigkeitgelangt e<strong>in</strong>e Fülle von Kräften zu fruchtbarer Auswirkung<strong>der</strong> lebendigen Liebe. Die Liebe Gottes wird <strong>in</strong>nerlich erfahren<strong>und</strong> entfaltet sich nach außen. Je mehr <strong>der</strong> Glaube an Erkenntnis,Erfahrung <strong>und</strong> Kraft gewachsen ist, um so mehr müssenwir <strong>die</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> Liebe betätigen. Das Erleben Gottes ist<strong>die</strong> Übermacht <strong>der</strong> Liebe.Die Folgen des Krieges <strong>und</strong> <strong>der</strong> jetzigen Weltlage erfor<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>e Kraft <strong>der</strong> H<strong>in</strong>gabe, wie sie nur <strong>in</strong> Christus lebt, wie sie alle<strong>in</strong>im Herzen des mächtigen Gottes Jesu Christi gegeben ist.Der Not zu steuern, das Leid zu m<strong>in</strong><strong>der</strong>n wird nur e<strong>in</strong>em Herzenmöglich se<strong>in</strong>, das von <strong>der</strong> Übermacht <strong>der</strong> Liebe Gottes erfülltist. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft des allgewaltigen Gottes kann <strong>die</strong> heutigeLast e<strong>in</strong>er geschichtlichen Verantwortung getragen werden, <strong>die</strong>alle menschlichen Kräfte übersteigt. Um <strong>die</strong> jetzt so verwüsteteWelt mit <strong>der</strong> Herrschaft Gottes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Botschaft des Christuszu durchdr<strong>in</strong>gen, bedarf es <strong>der</strong> vollkommenen Kraft <strong>der</strong> übermächtigenLiebe, <strong>die</strong> jede Größe <strong>und</strong> alle Macht übersteigt.Inmitten <strong>der</strong> zunehmenden Gewalt <strong>und</strong> Ungerechtigkeit, <strong>in</strong>mitten<strong>der</strong> weith<strong>in</strong> ausgebreiteten Herzenskälte <strong>und</strong> Grausamkeitunserer Zeit soll <strong>die</strong> Liebe offenbar werden, <strong>die</strong> höher ragtals alle Berge <strong>der</strong> Erde, <strong>die</strong> re<strong>in</strong>er <strong>und</strong> heller erstrahlt als alleGestirne des Himmeis, <strong>die</strong> gewaltiger <strong>und</strong> mächtiger ist als dasErbeben <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ausbruch aller ihrer Vulkane, <strong>die</strong> größerist als alle Weltmächte <strong>und</strong> herrschenden Gewalten, <strong>die</strong>stärker auf alle Geschichte e<strong>in</strong>wirkt als alle Katastrophen,Kriege <strong>und</strong> Revolutionen, <strong>die</strong> lebendiger ist als alles Leben <strong>der</strong>Schöpfung <strong>und</strong> ihrer gewaltigsten Mächte. Über aller Naltur <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 159<strong>in</strong> aller Geschichte erweist sich <strong>die</strong> Liebe als <strong>die</strong> letzte Machtdes Allmächtigen, als <strong>die</strong> letzte Größe se<strong>in</strong>es Herzens, als <strong>die</strong>letzte Offenbarung se<strong>in</strong>es Geistes.Das Erleben Gottes ist <strong>die</strong> Liebe, <strong>die</strong> alles überw<strong>in</strong>det wasihr entgegensteht. Sie ist <strong>die</strong> Kraft <strong>der</strong> neuen Schöpfung. Sieist <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> kommenden Gottesherrschaft. Sie ist das alle<strong>in</strong>igeElement des neuen Aufbaus. Sie ist <strong>der</strong> Vorbote <strong>der</strong> neuenZeit. Sie ist <strong>die</strong> organische Kraft <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Sie ist <strong>der</strong> Aufbau<strong>der</strong> neuen Menschheit. Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist es, <strong>der</strong>en<strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>die</strong>se Liebe verwirklicht. Ihr Aufbau ist <strong>die</strong> SammlungWer nicht mit ihr sammelt, <strong>der</strong> zerstreut. Ihr Leben ist <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung.Wer an ihrer Vere<strong>in</strong>igung nicht teilnimmt, bleibt im Tode.Der Leben wirkende Geist Jesu Christi richtet ihr Werk mitten <strong>in</strong><strong>der</strong> Zeit des Untergangs auf. Hier wird <strong>in</strong> Christus Gott erlebt.In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> völligen Liebe br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Geist Gottes dasChristusreich <strong>der</strong> völligen Gerechtigkeit auf <strong>die</strong> Erde. Das ErlebenGottes bedeutet <strong>die</strong> Herrschaft Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deJesu Christi.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 160DER GOTTESFRIEDEDas Lebensbedürfnis des Menschen verlangt nach Ganzheitlichkeit<strong>und</strong> allseitiger Harmonie. Se<strong>in</strong> Lebensgefühlempf<strong>in</strong>det <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aller Geistes- <strong>und</strong> Willenskräfte als dasdem Menschen bestimmte Leben. Die Realität zeigt jedoch,dass kle<strong>in</strong>liche Beschränkung, disharmonische Zersplitterung,unorganisches Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>und</strong> Gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geister<strong>und</strong> ihrer Strebungen das heutige Schicksal e<strong>in</strong>er unfriedlichenMenschheit s<strong>in</strong>d. Man hat ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Lebensmitte, von<strong>der</strong> das gesamte Denken <strong>und</strong> Wirken ausstrahlen könnte. Esfehlt <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same Beziehung auf e<strong>in</strong>e lebendige Mitte, von<strong>der</strong> aus <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit bestimmt se<strong>in</strong> müßte, wenn das Leben sich<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher Kraft als Leben erweisen sollte. Die Ganzheitlichkeitdes Lebens ist dem e<strong>in</strong>zelnen wie <strong>der</strong> Menschheit alssolcher verloren gegangen.<strong>E<strong>in</strong></strong> klares Gewissen kann den Frieden nur dort anerkennen,wo <strong>die</strong>ser <strong>in</strong> Tätigkeit <strong>und</strong> Harmonie das ganze Leben umfaßt.Wenn <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitlichkeit des Lebens sich nicht <strong>in</strong> bewegter Betätigung<strong>und</strong> Vielfalt beweist, kann we<strong>der</strong> von Friede noch vonHarmonie <strong>die</strong> Rede se<strong>in</strong>. Nur <strong>der</strong> Kirchhofsfriede des Todeskennt unbewegte Ruhe <strong>und</strong> lautlose Stille. Das Leben aber istvielgestaltige Wirklichkeit <strong>und</strong> bewegte Tatkraft. Wo <strong>der</strong> lebendigmachende Geist des Gottesfriedens <strong>die</strong> Menschen erfüllt<strong>und</strong> vere<strong>in</strong>igt, bewirkt er e<strong>in</strong>e Liebe, <strong>die</strong> ebenso vielseitig wiee<strong>in</strong>heitlich, ebenso bewegt wie geschlossen, ebenso vielgestaltigwie ganz <strong>und</strong> ungeteilt ist. Der Friede Gottes ist <strong>die</strong> lebendigwirksame, <strong>in</strong> unendlichem Reichtum bewegte Harmonie desvollkommenen Lebens. “Wer mich f<strong>in</strong>det, f<strong>in</strong>det das Leben”,lautet se<strong>in</strong>e Offenbarung.Das Leben Gottes ist <strong>die</strong> Liebe. Deshalb ist er <strong>der</strong> Gott desFriedens. Er ist <strong>der</strong> Wille <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Die höchste <strong>und</strong> größteMacht des Allmächtigen br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> Jesus Christus als <strong>in</strong> <strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 161Offenbarung se<strong>in</strong>es letzten Willens e<strong>in</strong>en Frieden, wie ihn ke<strong>in</strong>eWelt bieten kann. Jesus br<strong>in</strong>gt den Frieden Gottes zu denMenschen. Das Aufleuchten des Angesichts Gottes <strong>in</strong> JesusChristus gibt den Frieden, <strong>der</strong> <strong>in</strong>nerster Friede des Herzens,Landfriede <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> Waffenfriede <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>desliebeist. Der Friede Gottes ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>es schöpferischenGeistes, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Zerrissenheit des Menschen <strong>und</strong> <strong>der</strong> ganzenWelt <strong>in</strong> Gottes neu zu schaffende Friedense<strong>in</strong>heit br<strong>in</strong>gen will.Wenn Gott se<strong>in</strong> Volk mit Frieden segnet, so wird man niemalsalle<strong>in</strong> an den <strong>Seele</strong>nfrieden <strong>und</strong> ebensowenig ausschließlich anden Waffenfrieden denken dürfen. Der Friede mit Gott bewirkt<strong>die</strong> neue Ordnung e<strong>in</strong>es Friedensreiches, <strong>die</strong> sich nach <strong>in</strong>nen<strong>und</strong> nach außen durchsetzt. Der Friedefürst Gottes, <strong>der</strong> im Landedes Friedens gebietet, macht <strong>die</strong> Treue <strong>und</strong> Gerechtigkeitzur Gr<strong>und</strong>lage des Friedens. In se<strong>in</strong>er Herrschaft küssen sichGerechtigkeit <strong>und</strong> Friede (Ps. 85,11). Wo Gott heilt <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>macht, gewährt er vollkommenen Frieden auf dem Boden <strong>der</strong>Treue <strong>und</strong> des Glaubens. Wer se<strong>in</strong>em Geist folgt, sagt mit demPropheten: “Solange ich lebe, soll Friede <strong>und</strong> Treue herrschen”.Die Beständigkeit des Gottesfriedens erfor<strong>der</strong>t Treue <strong>der</strong> Ges<strong>in</strong>nung<strong>und</strong> Lebenshaltung bis ans Ende.Gott schafft den Frieden auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>er Gerechtigkeit,<strong>die</strong> ihrem Wesen nach zu nichts an<strong>der</strong>em als zum Frieden<strong>die</strong>nen kann. Der Herrscher des Friedens weiht <strong>und</strong> heiligtden Menschen <strong>und</strong> das menschliche Leben durch <strong>und</strong> durchzu völliger Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Er for<strong>der</strong>t <strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe des Lebens<strong>und</strong> aller se<strong>in</strong>er Güter. Se<strong>in</strong>e neue Gerechtigkeit läßt <strong>die</strong>Elenden <strong>und</strong> Armen das ihnen verlorengegangene Land ererben,<strong>in</strong> dem ihre Freude <strong>in</strong> großem Frieden bestehen soll. Ohne<strong>die</strong> Gerechtigkeit gibt es ke<strong>in</strong>en Frieden. Ohne dass das Land<strong>der</strong> Erde den Armen zurückgegeben wird, bleibt <strong>die</strong> Gerechtigkeitauf <strong>der</strong> geraubten Erde verloren. Die Gerechtigkeit für <strong>die</strong><strong>der</strong> Erde beraubten Elenden for<strong>der</strong>t das gute Werk, dass allesherausgegeben wird, was sich <strong>der</strong> Eigenwille gegen GottesWillen angeeignet hat. Die Gerechtigkeit Gottes überw<strong>in</strong>detden Eigenwillen <strong>und</strong> das Eigentum. Das Eigene des Menschenist das H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Gottese<strong>in</strong>heit. Der Friede Gottes tritt <strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 162dem Tun des Guten an <strong>die</strong> Stelle des Bösen, das den Unfriedenbr<strong>in</strong>gt.Allen denen, <strong>und</strong> nur denen, <strong>die</strong> Gutes tun, <strong>in</strong>dem sie alles<strong>der</strong> Liebe h<strong>in</strong>geben, gehört <strong>der</strong> Friede. Er entströmt <strong>der</strong>Barmherzigkeit Gottes. Er offenbart se<strong>in</strong> Herz. Wo se<strong>in</strong> Friedeherrscht, ist alles vollkommen gut. Der Weltfriede Christi br<strong>in</strong>gtfür alle Menschen <strong>und</strong> für alle D<strong>in</strong>ge <strong>die</strong> Ordnung <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong><strong>der</strong> Gerechtigkeit. Der Gottesfriede soll als <strong>die</strong> Zukunft des ReichesGottes sowohl <strong>die</strong> Zustände <strong>der</strong> großen Welt wie <strong>die</strong> Verwaltung<strong>der</strong> Heimatgeme<strong>in</strong>den aufs völligste beherrschen <strong>und</strong>durchdr<strong>in</strong>gen. Er tut es von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi, von <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit des <strong>in</strong>nersten Lebens aus. Der Friede Gottes offenbart<strong>die</strong> e<strong>in</strong>heitliche <strong>und</strong> unendliche Kraft des Herzens Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi. Se<strong>in</strong>e alles überwältigende Übermachtwill alle D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> alle Wesen durchdr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> beherrschen<strong>und</strong> zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Gott führen.Wenn Gott spricht „Friede sei mit dir!”, wenn <strong>der</strong> Auferstandenese<strong>in</strong>en Jüngern Frieden überbr<strong>in</strong>gt, wenn <strong>die</strong> erstenChristen <strong>und</strong> alle gewaltigen Christusbewegungen des Mittelalters<strong>und</strong> <strong>der</strong> Reformationszeit e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> den Frieden angesagthaben, so müssen wir <strong>die</strong> Freude <strong>und</strong> Sicherheit, <strong>die</strong>Gewißheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kraft erkennen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Verkündigung<strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes gegeben ist. Der Friede Gottes br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>Gnade Jesu Christi <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kraft des Heiligen Geistes. Erumfaßt <strong>die</strong> gesamte Macht <strong>der</strong> Gottesherrschaft, <strong>die</strong> als <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit des schöpferischen Geistes alles Geschaffene zuGottes <strong>E<strong>in</strong></strong>heit br<strong>in</strong>gen will. Wer an <strong>die</strong> Macht Gottes glaubt,ist für den Sieg se<strong>in</strong>es Friedens mit Mut <strong>und</strong> Sicherheit erfüllt.Der Glaube an den Frieden Gottes ist Tapferkeit des siegesgewissenHerzens.Der Friede steht im Gegensatz zur Furcht. Denn er überw<strong>in</strong>det<strong>die</strong> Furcht vor <strong>der</strong> Auflösung des Todes. So wurde Gideon<strong>der</strong> Friede als Mut zum Leben angesagt: “Fürchte dichnicht, du wirst nicht sterben!” (Ri. 6,23). Der Unfriede gehörtzu dem Reich des Todes. Der Friede läßt das Leben über denTod triumphieren. Der Unfriede trägt <strong>die</strong> Todesfurcht. Der Friedeist <strong>die</strong> Freiheit für das tapfere Leben <strong>der</strong> Gerechtigkeit. Derw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 163Unfriede ist <strong>die</strong> Knechtung unter <strong>die</strong> Ungerechtigkeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>in</strong>ihr begründete Todesangst. Alle Aufrüstungen werden mit <strong>der</strong>Gefährdung <strong>der</strong> Sicherheit begründet. Sie verweisen auf <strong>die</strong>Angst vor Bedrängnis <strong>und</strong> Gefahr. Sie fürchten Unfreiheit <strong>und</strong>Ungerechtigkeit <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gen doch selbst nichts an<strong>der</strong>es als ungerechteKnechtung. Auch <strong>der</strong> Unfriede des Existenzkampfes,des <strong>E<strong>in</strong></strong>zelkampfes ums Dase<strong>in</strong>, kommt aus <strong>der</strong> Schwäche <strong>und</strong>aus <strong>der</strong> Furcht. Auch er bewirkt nichts an<strong>der</strong>es als Unfreiheit<strong>und</strong> Ungerechtigkeit. Wer sich fürchtet, ist ohne <strong>die</strong> Vollendung<strong>der</strong> Liebe.Die Lebensangst verwehrt es den Menschen, Frieden zu halten<strong>und</strong> Gerechtigkeit zu wirken. Wo <strong>die</strong> Schwäche <strong>der</strong> Furchtdurch <strong>die</strong> Macht <strong>der</strong> Liebe aufgehoben wird, tritt <strong>die</strong> Kraft desbleibenden Friedens auf. Sie bewirkt den Aufbau ewiger Gerechtigkeit.In <strong>der</strong> Liebe ist ke<strong>in</strong>e Furcht. Die völlige Liebe verjagt<strong>die</strong> Angst. <strong>E<strong>in</strong></strong> Waffenstillstand, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Armeen aus Furchtvor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeiten <strong>in</strong> Bereitschaftliegen läßt, darf nicht Friede genannt werden. <strong>E<strong>in</strong></strong> “wehrhafter”Friede ist unwahrhaftiger Friede. Wahrhaftiger Friede ist nurdort, wo se<strong>in</strong>e Herrschaft, wie es dem Hause David zugesagtwird, ewiglich <strong>und</strong> immer bleiben soll (vgl. Jes. 9,6). Nur <strong>der</strong>ewige Friede ist wahrhaftiger Friede.Nur Gott beherrscht <strong>die</strong> Ewigkeit. Der Mensch regiert nichte<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>e Spanne <strong>der</strong> ihm gesetzten Zeit. Es gibt ke<strong>in</strong>enan<strong>der</strong>en Frieden als den Gottesfrieden. Alle Friedensbeschlüsse<strong>der</strong> Völker <strong>und</strong> ihrer großen Kongresse <strong>und</strong> Konferenzenhaben immer wie<strong>der</strong> vom ewigen Frieden sprechen müssen.Sie wissen, dass e<strong>in</strong> vorübergehen<strong>der</strong> Friede bedeutungslosist. Und dennoch meistern sie ihn nicht. Die bedeutsame SchriftImmanuel Kants 34 vom Jahre 1795 trägt von <strong>der</strong> Warte se<strong>in</strong>esreifsten Alters aus <strong>die</strong> kennzeichnende Überschrift “Zum ewigenFrieden”, wie <strong>der</strong> Quäker William Penn hun<strong>der</strong>t Jahre vorherden Frieden für Europa als e<strong>in</strong>en ebenso gegenwärtigenwie zukünftigen Frieden gefor<strong>der</strong>t hat. Beide verweisen auf dengöttlichen Charakter des Friedens. Nur das vollkommene Leben______________________________34Kant, Immanuel; dt. Philosoph, 1724-1804.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 164hat ke<strong>in</strong> Ende. Dem Sterblichen <strong>und</strong> allem se<strong>in</strong>em Beg<strong>in</strong>nen iste<strong>in</strong>e kurze Frist gesetzt. Nur <strong>der</strong> Gottesfriede <strong>und</strong> das Reichse<strong>in</strong>es vom Tode erstandenen Friedefürsten nimmt niemals e<strong>in</strong>Ende. Das Menschenwerk hat Gottes Werk zu weichen: “Wennse<strong>in</strong>e Herrschaft groß wird, nimmt <strong>der</strong> Friede ke<strong>in</strong> Ende.”Beständiger Friede kann nur von <strong>der</strong> unsterblichen Ewigkeither gewährleistet werden. Mit zeitlich bed<strong>in</strong>gten Kräften kanner niemals aufgerichtet werden. Nur <strong>die</strong> unendliche Kraft Gotteskann <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aufbauen <strong>und</strong> Frieden bewahren. Alles Sterblicheverfällt <strong>der</strong> Auflösung <strong>und</strong> Zersetzung. Der Tod muss vom Lebenüberwältigt werden, wenn <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Lebens gewonnen<strong>und</strong> erhalten werden soll. Wenn es heißt, dass Gott se<strong>in</strong> Volkmit Frieden segnen wird, dann wird zugleich zugesagt, dasser <strong>die</strong> Kraft geben wird, <strong>die</strong> Gottes ewige <strong>und</strong> unverän<strong>der</strong>licheMacht ist. Gott ist das Leben. Gott ist <strong>die</strong> Kraft. In <strong>der</strong> Kraft se<strong>in</strong>esLebens ist er <strong>der</strong> Gott des Friedens.Als schöpferische Kraft ist Gott das wirkende <strong>und</strong> schaffendeLeben <strong>der</strong> aufbauenden <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Se<strong>in</strong>e Freude am Frieden ist<strong>die</strong> Lust an <strong>der</strong> tätigen Wirksamkeit, an <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> gegenseitigenHilfe. Sie will <strong>die</strong> Werte schaffende, tätige Geme<strong>in</strong>schaft.Der Gottesfriede beruht auf <strong>der</strong> schöpferischen Gerechtigkeit.Friede ist Gotteswerk. Ohne den Schöpfer ist ke<strong>in</strong> Friede <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schöpfung. Wie es ke<strong>in</strong>en äußeren Frieden ohne den <strong>in</strong>nerenFrieden <strong>der</strong> sozialen Gerechtigkeit gibt, wie es ohne <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftschaffen<strong>der</strong> Arbeit ke<strong>in</strong>e Gerechtigkeit geben kann,so gibt es ohne Gott ke<strong>in</strong>en Frieden. Gott alle<strong>in</strong> ist <strong>die</strong> Liebe. Nur<strong>die</strong> tätige Auswirkung se<strong>in</strong>es Liebesgeistes schafft Frieden.Gibt man den Unterdrückten <strong>und</strong> Armen nicht alle Möglichkeiten<strong>und</strong> Gotteskräfte gegenseitiger Hilfe, beschenkt man sienicht selbst mit allen Kräften <strong>und</strong> Gütem <strong>die</strong>ser Hilfe, so sollman vom Frieden schweigen. Friede ist gegenseitige Hilfe tätigerGottesliebe. Wo <strong>die</strong>se Kraft nicht wirksam ist, bleibt allestot <strong>und</strong> friedlos. Wer nicht den tätigen Frieden des liebendenGeme<strong>in</strong>schaftswerkes aufbaut, dessen nach außen gerichtetesFriedensgerede ist falsche Prophetie. Es kann nicht Friedenwerden, was er Frieden nennt. Es fehlt <strong>die</strong> Sache des Friedens: <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft gegenseitiger Hilfe.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 165Als zu David, dem König Israels, fremde Gesandte von Friedensprachen, sagte er ihnen: “Wenn ihr im Frieden zu mirkommt, was nur heißen kann, mir zu helfen, so soll me<strong>in</strong> Herzmit euch se<strong>in</strong>” (1. Chron. 12,18). Nur <strong>in</strong> aktiver gegenseitigerHilfe <strong>und</strong> im gegenseitigen Dienst ist lebendiger Friede. Dertote Friede, <strong>der</strong> <strong>in</strong> nichts an<strong>der</strong>em als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Negation wie etwa<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beseitigung des Krieges besteht, <strong>die</strong> Friedensfor<strong>der</strong>ung,<strong>die</strong> sich dar<strong>in</strong> erschöpft, dass man ke<strong>in</strong>e Waffen tragen <strong>und</strong>ke<strong>in</strong>e Menschen töten soll, ist e<strong>in</strong>e leere Nichtigkeit. Dasselbegilt von <strong>der</strong> Behauptung e<strong>in</strong>es Herzensfriedens, <strong>der</strong> sich aufnichts an<strong>der</strong>es berufen kann als auf <strong>die</strong> Löschung <strong>der</strong> Qualen<strong>in</strong>nersten Unfriedens.Der Gottesfriede br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Kraft des Lebens Gottes. Er br<strong>in</strong>gt<strong>die</strong> Macht se<strong>in</strong>er Liebe. Er besteht im wirksamen Dienst. Er lebt<strong>in</strong> handeln<strong>der</strong> Tat. Zu dem ersten Ruf “Die Waffen nie<strong>der</strong>!” gehörtdas zweite Wort “An <strong>die</strong> Werkzeuge!”. “Lasse vom Bösen<strong>und</strong> tue das Gute!” (Ps. 34,15). Wende dich vom Kriege ab, <strong>und</strong>baue mit allen Kräften am Geme<strong>in</strong>schaftswerk des Friedens.Friede ist Werk <strong>und</strong> Aufbau.Der Friede wird geboren, <strong>in</strong>dem <strong>die</strong> verkörperte Gerechtigkeitans Licht gebracht wird. Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist <strong>der</strong>Organismus <strong>die</strong>ses Leibes <strong>in</strong> Gerechtigkeit, Friede <strong>und</strong> Freude<strong>die</strong>ses Geistes. Deshalb sagt <strong>der</strong> Psalmist beides: “Die Bergesollen den Frieden br<strong>in</strong>gen; <strong>die</strong> Hügel sollen <strong>die</strong> Gerechtigkeitherantragen! Zur gegebenen Zeit wird dir Gerechtigkeit aufgehen.Mit ihrer Sonne bricht <strong>der</strong> Tag des großen Friedens an”(Ps. 72). In Jesus ist <strong>der</strong> Tag angebrochen. In Christus naht eraufs neue. Der Friede ist gewährleistet, wenn <strong>die</strong> Gerechtigkeitaufleuchtet.Der Liebe soll das Land erschlossen werden. Die Friedenseroberung<strong>der</strong> Erde geschieht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jetztzeit durch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de,vom glaubenden <strong>und</strong> denkenden Herzen aus. Wenn <strong>in</strong>den Mauern <strong>der</strong> Stadt Friede herrschen soll, muss für alle <strong>der</strong>rechte Rat tätiger Gerechtigkeit gef<strong>und</strong>en werden. Die Stadtgeme<strong>in</strong>deGottes verwaltet den Rat des Friedens. Wer den Gottesfriedenwill, muss <strong>die</strong> Gedanken des Friedens denken, <strong>die</strong>Gottes Gedanken s<strong>in</strong>d. Die Geme<strong>in</strong>de trägt das Herz Gottesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 166<strong>in</strong> den Gedanken Jesu. Aus den <strong>die</strong> Wahrheit Jesu denkendenHerzen ersteht <strong>der</strong> Rat <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> <strong>die</strong> Tat des Werkes:Wo Gott wirkt, ist Glaube. Der Glaube ist Tat. Der Glaube wirktLiebe. Die Liebe weiß Rat. Die For<strong>der</strong>ung Jesu, dass wir dasscharfe Salz <strong>der</strong> Wahrheit bei uns zu tragen haben, zielt aufden Frieden ab, den <strong>die</strong> Glaubenden untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> haben <strong>und</strong><strong>der</strong> Welt überbr<strong>in</strong>gen.Die Wahrheit räumt mit <strong>der</strong> Unordnung des Unfriedens auf,damit <strong>die</strong> Ordnung des Friedens erstehe. Der Gott des Friedenswill als Gott <strong>der</strong> Ordnung <strong>die</strong> unorganische Zersplitterung unsererGedankenwelt <strong>und</strong> <strong>die</strong> friedewidrige Mißordnung unsererWelt beseitigen. Die Menschen können ohne Jesus Christusden Weg des Friedens nicht f<strong>in</strong>den, weil sie ihn nicht kennen.Und sie kennen ihn nicht, weil ihre Gedanken auf <strong>die</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>laufendenWege des Unfriedens gerichtet s<strong>in</strong>d. Über <strong>die</strong>Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gungen wahrhaftigen Friedens s<strong>in</strong>d sie ebenso imunklaren wie über se<strong>in</strong>e notwendigen Auswirkungen.Wenn wir alle an<strong>der</strong>en Wege als trennend <strong>und</strong> zum Untergangführend erkennen <strong>und</strong> meiden sollen, wenn wir den Fuß auf denWeg des Friedens setzen <strong>und</strong> mit dem Frieden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand zufriedlosen Menschen gehen sollen, so muss uns <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong>Weisheit <strong>die</strong> ganze Wahrheit erschließen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Gottes <strong>E<strong>in</strong></strong>heitverborgen liegt. Unser Herz muss im Licht <strong>der</strong> Wahrheit unerbittlichwahrhaftig werden, wenn unser Leben <strong>der</strong> Weisheit desFriedens nachkommen soll. Nur <strong>der</strong> Aufrichtigkeit wird durch<strong>die</strong> Wahrheit <strong>der</strong> Gottesfriede gegeben. “Schaue nach dem,was aufrichtig ist, dann wirst du Frieden haben” (Spr. 14,22).Nur dem Aufrichtigen wird Weisheit gegeben. Nur <strong>der</strong> Weisheiterschließt sich <strong>der</strong> Weg des Friedens. So oft Gott vom Friedenredet, spricht er gegen den Unfrieden als gegen <strong>die</strong> Torheit.Die Lebensweisheit Gottes sucht den Frieden. Neid <strong>und</strong> Streits<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Kennzeichen <strong>der</strong> Torheit, <strong>der</strong> irdischen, seelischen <strong>und</strong>teuflischen Weisheit, <strong>die</strong> nichts als Unordnung <strong>und</strong> Böses mitsich br<strong>in</strong>gt. Die von Gott kommende Weisheit br<strong>in</strong>gt den Frieden.Denn sie ist voller guter Taten <strong>der</strong> Barmherzigkeit. OhneHeuchelei wendet sie sich unparteiisch allen Menschen zu.Gottes Weisheit umfaßt alles. Solange wir uns <strong>der</strong> Gesamtheitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 167des Ganzen entziehen, solange wir <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>licher Weise das<strong>E<strong>in</strong></strong>zelne <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>zelte <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stellen, bleibenwir <strong>in</strong> zerrissener Unwahrhaftigkeit <strong>und</strong> Zerrüttung. Wir stehenim Unfrieden. Wir vers<strong>in</strong>ken im Unwesentlichen. Wir verharren<strong>in</strong> <strong>der</strong> Torheit. Wir bleiben im Tode.Wer ausschließlich von se<strong>in</strong>em <strong>Seele</strong>nfrieden reden will, wernicht mehr vom Frieden weiß, als dass er <strong>die</strong>sem <strong>und</strong> jeneme<strong>in</strong>zelnen se<strong>in</strong> <strong>Seele</strong>ngefühl übermitteln will, wer nicht denganzen Gottesfrieden des letzten Reiches vertreten kann, bleibt<strong>in</strong> <strong>der</strong> beschränkten Torheit, <strong>in</strong> dem nie<strong>der</strong>ziehenden Sumpf <strong>der</strong>Vere<strong>in</strong>zelung. Dasselbe gilt von dem entgegengesetzten Fehlerdes Friedensfre<strong>und</strong>es, <strong>der</strong> “Pazifismus” will, <strong>der</strong> ohne denFrieden mit Gott <strong>und</strong> ohne <strong>die</strong> soziale Gerechtigkeit völliger Geme<strong>in</strong>schaftvom Weltfrieden spricht – <strong>und</strong> das alles ohne denKampf gegen <strong>die</strong> Geister des Unfriedens, ohne Fe<strong>in</strong>dschaftgegen das Eigentumswesen des Mammons, ohne <strong>die</strong> Gegnerschaftgegen <strong>die</strong> Lüge gesellschaftlicher Unechtheit <strong>und</strong> ohneden Geisteskrieg gegen <strong>die</strong> Untreue <strong>der</strong> Unre<strong>in</strong>heit. Das Lebenbei<strong>der</strong> Abwege vertritt den Unfrieden, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> törichten Abstumpfunggegen <strong>die</strong> alles umfassende Wahrheit beruht.Friede ist Wirklichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Treue <strong>der</strong> Wahrheit. Das ReichGottes ist <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Liebe mit <strong>der</strong> Wahrheit. Deshalbist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit äußeren Friedens mit <strong>in</strong>nerer Gerechtigkeit <strong>der</strong>vollkommene Wille <strong>der</strong> Liebe Gottes. Nur jene Herzen habenFrieden, nur jene Menschen br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> bewirken ihn, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ganze Wahrheit lieben. Gottes Wahrheit br<strong>in</strong>gt Weisheit <strong>und</strong>Aufrichtigkeit. Denn sie bewirkt <strong>die</strong> völlige Liebe. Die Liebe ist<strong>die</strong> letzte Wahrheit. Sie br<strong>in</strong>gt den Frieden.Menschen können nur dann Frieden halten, wenn sie <strong>die</strong>Wahrheit Gottes im Herzen tragen, wenn sie <strong>in</strong> Aufrichtigkeitse<strong>in</strong>er völligen Liebe nachleben. Alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Wahrheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebeals <strong>die</strong> Liebe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit bewirkt den Frieden. Wennwir tun, was Gott uns aufträgt, werden wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit <strong>der</strong>Liebe allen Menschen Salz <strong>und</strong> Kraft, Güte <strong>und</strong> Hilfe br<strong>in</strong>gen.Güte <strong>und</strong> Treue <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe <strong>der</strong> Wahrheit gewährleisten denFrieden.Aus den Gedanken des Guten wird <strong>der</strong> Friede geboren.In se<strong>in</strong>er Kraft will man für alle <strong>und</strong> für alles das Gute.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 168<strong>E<strong>in</strong></strong> Herz, das Schlechtes denkt, betrügt sich selbst <strong>und</strong> allean<strong>der</strong>en urn den Frieden. Es wird unglücklich <strong>und</strong> verbreitet dasUnglück. Wer aber durch das Gute zum Frieden wirkt, br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>Freude des Lebens zu den Menschen. Gut ist alle<strong>in</strong> <strong>die</strong>Liebe, <strong>die</strong> aus <strong>der</strong> Wahrheit kommt. Schlecht ist alles, was gegen<strong>die</strong> Liebe verstößt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wahrheit Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Weltallsist. Wer <strong>die</strong> Gedanken des Guten für alles <strong>und</strong> für alle mit <strong>der</strong>niemals versagenden Kraft völliger Liebe vertritt, verwirklicht denGottesfrieden, <strong>der</strong> <strong>die</strong> letzte Wahrheit des göttlichenRatschlusses ist.Der Friedefürst heißt zugleich <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>bare Ratgeber, <strong>der</strong>Starke Gottes <strong>und</strong> <strong>der</strong> ewige Vater (Jes. 9,5). Das Reich, dasauf den Schultern des Menschensohnes ruht, ist <strong>die</strong> Herrschaftdes Friedens, weil es den Rat <strong>der</strong> Weisheit, <strong>die</strong> Kraft <strong>der</strong> Stärke<strong>und</strong> <strong>die</strong> Göttlichkeit des Vaters Jesu Christi <strong>in</strong> sich trägt. DerSchöpfer <strong>der</strong> neuen Schöpfung richtet das Gotteswerk des ewigenFriedens auf. Gottes Ratschlag führt den Frieden als dasReich se<strong>in</strong>er Herrschaft herauf.Die Ruhe <strong>und</strong> Sicherheit, <strong>die</strong> Gottes Haushalt des Friedensmit sich br<strong>in</strong>gt, gibt Freiheit für <strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe an <strong>die</strong> Aufgabe.Wenn <strong>die</strong> Hände vom Verteidigungskampf frei s<strong>in</strong>d, sollensie für den Aufbau <strong>der</strong> Gottesstadt gerührt werden. Wenn <strong>der</strong>Faustkeil nicht als Waffe ge braucht wird, <strong>die</strong>nt er als Werkzeug.Wenn <strong>die</strong> Glie<strong>der</strong> nicht mehr <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kämpfe <strong>der</strong> Ungerechtigkeite<strong>in</strong>gesetzt werden, arbeiten sie für <strong>die</strong> Gerechtigkeit. Das alle<strong>in</strong>ist <strong>die</strong> Menschwerdung <strong>der</strong> Menschheit. Die Treue h<strong>in</strong>geben<strong>der</strong>Arbeit ist <strong>der</strong> Gottesfriede tätiger Geme<strong>in</strong>schaft.Der Friede Gottes ist strömende, schaffende, allgewaltigeKraft. Er alle<strong>in</strong> vermag alle Mühlen menschlicher Arbeit <strong>in</strong>Gang zu br<strong>in</strong>gen. Er ist dem gewaltigen übertretenden Stromvergleichbar, dessen Tiefe <strong>und</strong> Bewegtheit mit überwältigen<strong>der</strong>Macht <strong>die</strong> größte Leistung vollbr<strong>in</strong>gt. Wer den Wohlstand desVolkes, wer den Aufbau <strong>der</strong> Stadt, wer <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>ung <strong>der</strong>menschlichen Gesellschaft, wer fruchtbare Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaftan Stelle <strong>der</strong> zerstörenden Arbeitslosigkeit vor Augen hat, mussden Frieden wollen, wie Gott ihn will. Nur im Frieden gibt esschaffenden Wohlstand nach <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen. Der Friede istw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 169als Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit e<strong>in</strong>er völlig e<strong>in</strong>igen Gesellschaft <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>igeGr<strong>und</strong>lage <strong>in</strong>nerer <strong>und</strong> äußerer sozialer Sicherheit.Die Liebe ist als Gottesfriede das Band <strong>der</strong> Vollkommenheit,das alles das zu völliger H<strong>in</strong>gabe <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>samer Tätigkeitvere<strong>in</strong>igt, was zersplitternd ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gebrochen war. Füralle noch so ungleichen D<strong>in</strong>ge will <strong>der</strong> Gebieter des Friedens <strong>in</strong>mannigfaltiger Verschiedenheit <strong>E<strong>in</strong></strong>heit begründen <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heiterhalten. Für <strong>die</strong> Lösung aller noch so weitliegen<strong>der</strong> Fragenhaben <strong>die</strong> Friedenswirker den Gottesfrieden zu vertreten. Das<strong>in</strong>nerste Wesen Gottes offenbart e<strong>in</strong>e Kraft, <strong>die</strong> alles bewältigt.Sie übersieht nichts. Sie läßt nichts liegen. Sie wendet sichallem zu. Gottes Herz ist <strong>die</strong> größte Macht aller überirdischenWelten. Es ist <strong>die</strong> umfassendste Kraft aller ewigen Kräfte. Se<strong>in</strong>eFriedensherrschaft wird von e<strong>in</strong>em Meer zum an<strong>der</strong>en, von<strong>der</strong> äußersten Grenze bis zu den letzten Flüssen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enGrenze reichen.Allen, <strong>die</strong> nahe s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> allen, <strong>die</strong> ferne s<strong>in</strong>d, verkündigtJesus den Frieden. Se<strong>in</strong> Friede gehört zu <strong>der</strong> Waffenrüstungse<strong>in</strong>er Aussendung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> man zu weiter Wan<strong>der</strong>ung beschuhtse<strong>in</strong> muss, urn se<strong>in</strong>e Wahrheit <strong>in</strong> alle Lande tragen zu können.Die Botschaft des Friedens ist e<strong>in</strong>e kämpferische Aufgabe, <strong>die</strong>alle Län<strong>der</strong> durch <strong>die</strong> Waffen des Geistes für Gottes Herrschafterobern soll. Nur für <strong>die</strong>sen Auftrag will <strong>der</strong> Herrscher <strong>und</strong> Feldherrdes Friedens mit uns se<strong>in</strong>. Wie se<strong>in</strong> Friede durch <strong>die</strong> AufopferungJesu begründet wurde, so sollen auch wir bereit se<strong>in</strong>,im Kampf für den Frieden das Leben zu lassen. Wer nicht urn<strong>der</strong> Wahrheit willen zu sterben bereit ist, kann nicht für den Friedenleben.Als Jesus se<strong>in</strong>en Boten den Auftrag gab, das Herannahen<strong>der</strong> Herrschaft Gottes zu verkündigen, sollten sie jedem sichihnen öffnenden Hause <strong>die</strong> Kraftwirkung des Friedens br<strong>in</strong>gen.Mit <strong>der</strong> vollen Unbed<strong>in</strong>gtheit <strong>der</strong> Wahrheit Gottes kam ihr Friedeüber das Haus, das sie besuchten. Sollte das Haus nicht willig<strong>und</strong> bereit se<strong>in</strong>, so musste <strong>der</strong> Friede wie e<strong>in</strong>e Schleu<strong>der</strong>waffewie<strong>der</strong> zu den Händen <strong>der</strong> ihn aussendenden Krieger <strong>der</strong> Friedensarmeezurückkehren. Der Friede ist <strong>die</strong> Salzkraft des Feuers(Mark. 9,49), er ist <strong>die</strong> Geisteswaffe des Reiches Gottes. Erist das Schwert des Geistes.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 170Der Friede Gottes ist <strong>der</strong> Kriegsgesang se<strong>in</strong>er Heerscharen:“Ehre sei Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe! Es sei Friede auf Erden für <strong>die</strong>Menschen des guten Willens!” (Luk. 2,14). In <strong>der</strong> Kraft <strong>die</strong>sesFriedens zog <strong>der</strong> Messiaskönig <strong>in</strong> <strong>die</strong> Mauern Jerusalems e<strong>in</strong>.Nicht das Streitroß, son<strong>der</strong>n das Reittier <strong>der</strong> Armut <strong>und</strong> des Friedenstrug ihn, als ihn <strong>der</strong> Zuruf begrüßte: “Heil dem, <strong>der</strong> im Namendes Herrschers kommt! Friede ist mit ihm!” (Matth. 21,9).Wehrlos zog er se<strong>in</strong>em Tode entgegen. Siegend opferte er se<strong>in</strong>Leben <strong>der</strong> Gründung des Friedens. Der Friede Jesu Christi trägtden Kampf vollkommener Geistesherrschaft gegen <strong>die</strong> Gewaltdes blutigen Schwertes <strong>in</strong> alle Welt. Wer den Friedenskönig erblickt,geht im unbefleckten Frieden <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Reich e<strong>in</strong>, wenner auch wie er den erschreckenden Todesstrom durchschreitenmuss.Der Gottesfriede ist todesmutiger <strong>und</strong> sieghafter Kampf desGeistes wi<strong>der</strong> den Ungeist teuflischen Unfriedens. Der Gottdes Friedens will den Satan <strong>in</strong> kürzester Frist unter <strong>die</strong> Füßedes Geistes zertreten, wie Jesus <strong>die</strong> Todeswaffen des Fe<strong>in</strong>desdurch se<strong>in</strong>e wehrlose H<strong>in</strong>richtung zerschlagen hat. Im äußerstenKampf bis <strong>in</strong> den wehrlosen Tod richtet er den Frieden auf.Er kommt nicht, urn jene schlaffe Kampflosigkeit zu br<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong>man Frieden zu nennen pflegt. Er br<strong>in</strong>gt das scharfe Schwertdes Geisteskampfes, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Geistesträger dem Tode opfert,ohne se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de zu töten.Jesus g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den Tod, um den Frieden zu br<strong>in</strong>gen. Er töteteniemanden. Er wurde getötet. Wehrlos <strong>und</strong> ohne Schonungse<strong>in</strong>er selbst ließ er se<strong>in</strong>en Leib am Holz zerbrechen, um ausfe<strong>in</strong>dlichen Völkern e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges e<strong>in</strong>iges Volk des Friedens zumachen. Er hob <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tode <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft <strong>der</strong> Völker auf,urn <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige e<strong>in</strong>heitliche Menschheit zu schaffen. ImTodeskampf se<strong>in</strong>es sterbenden Leibes hat er <strong>der</strong> Menschheitihren neuen Leib als se<strong>in</strong>en lebendig e<strong>in</strong>heitlichen Organismusdes Friedens gegeben: <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi.Wer <strong>die</strong>sem neuen Leib <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit angehören will, muss bereitse<strong>in</strong>, von Fe<strong>in</strong>deshand denselben Giftkelch anzunehmen,<strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe Bluttaufe fe<strong>in</strong>dlichen Todesgerichts untergetauchtzu werden, <strong>die</strong>selbe fe<strong>in</strong>dselige Ermordung zu erleiden, wie Jesusden schimpflichsten <strong>und</strong> grausigsten Tod erlitten hat. Werw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 171für den Frieden Gottes leben will, muss ohne Schonung se<strong>in</strong>eseigenen Lebens denselben Todeskampf auf sich nehmen, denJesus für das Reich des Friedens bis zum Ende durchgeführthat. Deshalb erbebt das Menschenherz, wenn <strong>der</strong> Auferstandenemit den Zeichen des Todes vor ihm steht <strong>und</strong> ihm se<strong>in</strong>enFrieden mit dessen scharfer Mission übergeben will.Der kämpferische Friede Jesu Christi ist <strong>der</strong> Menschheit unbekannt.Die Welt kennt nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> mör<strong>der</strong>ischeWaffenrüstung des Hasses o<strong>der</strong> <strong>die</strong> unlautere <strong>und</strong> unschöpferischeWeichlichkeit e<strong>in</strong>es kampflosen Friedens, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e<strong>E<strong>in</strong></strong>heit hervorzubr<strong>in</strong>gen vermag. Sie kennt nur <strong>die</strong> bl<strong>in</strong>de Wutdes massenmordenden Krieges o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Unwahrhaftigkeit <strong>der</strong>falschen Prophetie, <strong>die</strong> das eigene Leben schonen will, ohnee<strong>in</strong>en wirksamen Frieden vertreten zu können.Der Menschheit fehlen <strong>die</strong> bis <strong>in</strong>s Letzte durchdachten Gedankendes göttlichen <strong>E<strong>in</strong></strong>heitswillens, weil sie nicht wissen will,welche Opferwege zum Frieden führen. Nur das letzte Opferdes wehrlosen Lebens, das alles rückhaltlos bekämpft, was <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit des schaffenden Friedens verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n will, erweist <strong>die</strong>ungeheuchelte Wahrhaftigkeit, auf <strong>der</strong>en Boden <strong>der</strong> Friede entsteht.Das Herz des vollendeten Opfers ist <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige Kraft,<strong>die</strong> als größte Macht aller Welten den Frieden heraufzuführenvermag.Das völlige Opfer <strong>der</strong> für <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit kämpfenden Liebe erfor<strong>der</strong>t<strong>in</strong>nerste Herzensre<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> gesamten Lebenshaltung.Weil das Todesopfer Jesu <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong>en Lebens verströmte,weil er e<strong>in</strong>en unbefleckten Geist unvermischter Gottesliebeden Händen des Vaters übergeben konnte, siegte erals <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>e über den Todesfürsten <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>en Geister. DieRe<strong>in</strong>heit sühnt <strong>und</strong> muss auferstehen. Ungesühnte Unre<strong>in</strong>heitführt zum Tode <strong>und</strong> bleibt im Tode. <strong>E<strong>in</strong></strong> unre<strong>in</strong>es Leben konnteauch durch se<strong>in</strong> Todesopfer ke<strong>in</strong>en Frieden erkämpfen. Die<strong>E<strong>in</strong></strong>heit erfor<strong>der</strong>t Re<strong>in</strong>heit.Die ungezügelten Triebe <strong>der</strong> Jugend br<strong>in</strong>gen den tödlichenUnfrieden <strong>der</strong> unre<strong>in</strong>en Geister. Sie untergraben das Vertrauen<strong>und</strong> zerstören <strong>die</strong> Treue. Sie lösen den Zusammenhang desLebens auf. Der Friede <strong>der</strong> lebendigen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit vermag nur <strong>in</strong><strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Luft vertrauen<strong>der</strong> Treue zu leben. Die Atmosphärew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 172des Lebens <strong>und</strong> aller lebensfähigen Geme<strong>in</strong>schaft ist Re<strong>in</strong>heit,Vertrauen <strong>und</strong> Treue. Wer se<strong>in</strong>e Kraft für den lebendigen Friedene<strong>in</strong>setzen will, muss <strong>die</strong> Heiligung erjagen, welche das gesamteLeben für Gottes re<strong>in</strong>e Sache weiht.In dem mutigen Erdulden <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demut des Opfers JesuChristi ist <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>er Gott geweihten Lebenshaltungverborgen. Sie will unser Leben erobern. Sie soll unserem Leben<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em re<strong>in</strong>en Geist unvermittelt geschenkt werden. DerGottesfriede ist unmittelbar e<strong>in</strong>s mit <strong>der</strong> unver<strong>die</strong>nten Gnade.Nur durch das unmittelbare Geschenk Gottes kann unser Lebenje<strong>der</strong>zeit unbefleckt <strong>und</strong> unsträflich im Frieden angetroffenwerden. Was Gottes unmittelbares <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen schenkt, wirkt unbed<strong>in</strong>gtenFrieden. Gottes Herz ist Friede. Alle Gaben se<strong>in</strong>esGeistes s<strong>in</strong>d Gaben des Friedens, <strong>die</strong> <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Lebense<strong>in</strong>heitse<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong>nen.Das Haus Gottes trägt den Frieden. Es duldet ke<strong>in</strong>en Hausfriedensbruch,ke<strong>in</strong>erlei Ärger <strong>und</strong> Zank im Inneren <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>enHaß <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dschaft nach außen. Je<strong>der</strong> Unfriede ist aus<strong>die</strong>sem Hause verbannt. In ihm wohnt <strong>die</strong> Freude an allen GabenGottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Liebe. Wo Gott das frohe Herz <strong>der</strong> allesumfassenden Liebe schenkt, sammelt se<strong>in</strong> Friede das Volk <strong>in</strong>schaffen<strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Wo Gott <strong>die</strong> Gerechtigkeit des Glaubenswirkt, gibt <strong>die</strong>se den Frieden mit Gott als se<strong>in</strong>en Friedenswillenfür alle Menschen. Die Ges<strong>in</strong>nung des Heiligen Geistes, <strong>der</strong> <strong>die</strong>Glaubensgeme<strong>in</strong>de erfüllt, ist Leben aus Gott, Friede mit Gott<strong>und</strong> Friede für alle Menschen. Die Frucht, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>debewirkt, ist Friede durch <strong>die</strong> Liebe, weil sie <strong>die</strong> Freudedes Gotteslebens ist.Der Friede ist <strong>die</strong> Tochter des Glaubens. Wie <strong>der</strong> Glaube übersteigt<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihm geborene Friede alle menschliche Vernunft.Als Geburt des Geistes Jesu Christi bewahrt er <strong>die</strong> Herzen <strong>und</strong>S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> Jesus Christus. Was <strong>die</strong> Gedanken <strong>und</strong> For<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Vernunft niemals können, vermag <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> <strong>der</strong> GeistGottes erzeugt. Der Glaube empfängt sie, wie es <strong>in</strong> Maria geschah.Was geboren wird, ist hier wie dort <strong>der</strong> Leib Jesu Christi.Die Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Geistesgeburt aus dem Glauben ist Gottes<strong>E<strong>in</strong></strong>heit des schöpferischen Geistes. Sie übersteigt als solchealles Menschliche. Sie hat <strong>die</strong> Kraft, das Herz des Glaubendenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 173zu regieren <strong>und</strong> zu bestimmen. Vom glaubenden Herzen ausbr<strong>in</strong>gt sie den Frieden <strong>in</strong> alle Welt. Wie <strong>die</strong> Geburt Christi, sogeschieht jede Berufung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitdes Friedens. Ihre Wege s<strong>in</strong>d nichts als Friede, wie <strong>der</strong> Friedeunter allen Völkern das Ziel des ganzen Wirkens Jesu Christiwar <strong>und</strong> ist <strong>und</strong> bleibt. Deshalb ist es <strong>die</strong> Seligkeit <strong>der</strong> von Gottgezeugten Söhne <strong>und</strong> Töchter, Frieden zu schaffen, nichts an<strong>der</strong>esals Frieden zu bewirken. Dem Frieden gehört das ReichGottes.Gott selbst ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Söhnen <strong>und</strong> Töchtern, denn als Friedenswirkertragen sie den Segen Gottes. Weil sie Gottes Befehleausrichten <strong>und</strong> zu se<strong>in</strong>er Freude leben, setzen sie allesdaran, mit je<strong>der</strong>mann Frieden zu halten. Sie wissen wohl, dass<strong>der</strong> Friede <strong>der</strong> Erde nur <strong>die</strong> Frucht des Glaubens an Christusse<strong>in</strong> kann, obgleich sie volle Klarheit darüber haben, dass ohnedessen Gottesgeburt <strong>die</strong> Gottlosen ke<strong>in</strong>en Frieden halten können,solange sie dem Leben fern bleiben. Wie das Ziel allerWorte Jesu <strong>die</strong> Lebense<strong>in</strong>heit mit Gott <strong>und</strong> <strong>der</strong> Friede unter allenVölkern ist, bieten se<strong>in</strong>e Boten allen Menschen den Friedenals den Weg des Lebens an.Der Friede ist <strong>die</strong> Verkündigung <strong>der</strong> Boten Jesu Christi. Erbeherrscht alle Gebiete ihres Lebens <strong>und</strong> alle Bereiche ihresWirkens. So wie Christus <strong>der</strong> Gebieter <strong>und</strong> König des göttlichenFriedens ist <strong>und</strong> das alles umfassende Reich ewigen Friedens<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er mächtigen Händ hält, tragen auch sie den Namen desFriedefürsten. Se<strong>in</strong> Reich besteht ihnen nicht <strong>in</strong> machtlos friedlichenWorten, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Friede wirkenden <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Sie erfahren <strong>die</strong> Kräfte se<strong>in</strong>er zukünftigen Friedenswelt.Von <strong>der</strong> Friede wirkenden Gegenwart des Geme<strong>in</strong>degeistesausgesandt, tragen sie <strong>die</strong> Macht des Friedens <strong>in</strong> alle Welt.Deshalb kämpfen sie urn alle <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> dem Frieden <strong>die</strong>nen.Sie bemühen sich urn <strong>die</strong> Besserung aller Verhältnissezum heiligen Aufbau des Gottesfriedens.Als Glaubenshoffnung <strong>und</strong> Zukunftserwartung ist ihnen <strong>der</strong>Friede <strong>die</strong> Sache gegenwärtiger Kraft. Als größte Zukunftshoffnungist ihnen <strong>der</strong> Friede <strong>die</strong> Summe aller Ratschlüsse Gottes.Gott als <strong>der</strong> Beherrscher ihrer Zukunft, Christus als ihre Erwartungdes Kommenden, <strong>der</strong> Heilige Geist als <strong>die</strong> offenbarendew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 174Kraft aller zukünftigen D<strong>in</strong>ge erfüllt sie mit gewissester Freude<strong>und</strong> unantastbarem Frieden. Ihr Friede steht über allen For<strong>der</strong>ungendes Augenblicks. Denn er kommt von dem, <strong>der</strong> da ist,<strong>der</strong> da war, <strong>und</strong> <strong>der</strong> da kommt (Offb. 1,4).Wie <strong>die</strong> neue Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> ihre prophetische Sendung hat<strong>die</strong> ganze Prophetie des alten B<strong>und</strong>es den Frieden als <strong>die</strong> ZukunftGottes verkündet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Krieg <strong>und</strong> alle Fe<strong>in</strong>dschaftihr Ende f<strong>in</strong>den. Die alte Prophetie <strong>und</strong> <strong>die</strong> neue Prophetie s<strong>in</strong>de<strong>in</strong>s. Was <strong>die</strong> Propheten des alten <strong>und</strong> des neuen B<strong>und</strong>es <strong>der</strong>blutenden Menschheit zu br<strong>in</strong>gen haben, ist das Gottesreichdes Gottesfriedens. Der B<strong>und</strong> des Friedens, den Gott aufrichtet,soll <strong>die</strong> Raubtiernatur aller herrschenden Gewalten beseitigen.Die tierische Wildheit <strong>und</strong> Bosheit wird aus dem Lande desFriedensreiches gänzlich verbannt.Die Opfernatur des mutigen Erduldens siegt über <strong>die</strong> Raubtiernatur<strong>der</strong> Vergewaltigung. Anstelle <strong>der</strong> listigen Beschleichung<strong>und</strong> gewalttätigen Tötung tritt <strong>die</strong> Regierung des Lammes. Dieihr Leben h<strong>in</strong>gebende Liebe des neuen Menschen tritt an <strong>die</strong>Stelle <strong>der</strong> Leben mordenden Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Gottesentfernungdes alten Menschen, <strong>der</strong> von dem ersten Adam <strong>und</strong>dem ersten Bru<strong>der</strong>mör<strong>der</strong> her das Menschenbild e<strong>in</strong>gebüßthatte. Zu <strong>der</strong> letzten Menschwerdung <strong>der</strong> Menschheit führt e<strong>in</strong>Menschensohn, <strong>der</strong> <strong>der</strong> letzte Adam heißt (s. Röm. 5,12-19).Die ganze <strong>Seele</strong> <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> ist von <strong>die</strong>ser Gewißheit erfüllt. AlleWege ihrer Gottesgeschichte führen <strong>die</strong> Menschheit zu <strong>die</strong>semZiel. Das ist das Ziel Gottes <strong>in</strong> aller Geschichte <strong>der</strong> Menschen.Das Buch <strong>der</strong> menschheitsgeschichtlichen OffenbarungGottes beg<strong>in</strong>nt mit Frieden <strong>und</strong> endet im Frieden. Die <strong>in</strong>nerstenTiefen <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>, ihres Lebens <strong>und</strong> ihrer <strong>Seele</strong>, s<strong>in</strong>d Friede <strong>und</strong>bleiben Friede. Immer führt <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaftzu mör<strong>der</strong>ischem Unfrieden. Aber niemals erlischt <strong>der</strong> Morgenstern<strong>der</strong> kommenden Friedense<strong>in</strong>heit. Nach dem Bruch mitdem ersten Friedensreich des menschlichen Ursprungs erfolgtsofort <strong>der</strong> Schritt zum Bru<strong>der</strong>mord, <strong>der</strong> nicht gerächt werdendarf. Das Geschlecht des Bru<strong>der</strong>mör<strong>der</strong>s schreitet zur Städtegründung.Die großstädtische Geme<strong>in</strong>samkeit des Hochbausvon Babel führt zu schwerster Verwirrung, Zersplitterung <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 175Kriegsspannung <strong>der</strong> gegensätzlichen Völker. Die Empörung gegenGott hat überall Aufruhr <strong>und</strong> Krieg zur Folge. Nach se<strong>in</strong>emalles überflutenden Gericht über e<strong>in</strong>e unorganische, se<strong>in</strong>emGeist wi<strong>der</strong>streitende Menschheit offenbarte sich dennoch dasHerz Gottes von neuem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufrichtung des Friedensb<strong>und</strong>esunter dem Zeichen des Regenbogens.Abraham, <strong>der</strong> Vater des Glaubens, wird von <strong>der</strong> geheimnisvollenPriestergestalt Melchisedek zum Friedefürsten geweiht(1. Mo. 14,18-20). Der patriarchalische Glaube wendet sich stetsvon neuem dem Frieden zu, weil <strong>der</strong> Glaube Abrahams, Isaaks<strong>und</strong> Jakobs als Glaube an den e<strong>in</strong>en Gott sich als Kraft <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>igung bek<strong>und</strong>en muss. Daher ist <strong>der</strong> Friedenssegen <strong>der</strong>beste Segen <strong>die</strong>ser Erzväter des Gottesvolkes, wie auch <strong>der</strong>spätere Segen se<strong>in</strong>es ersten Versöhnungspriesters Aaron(4. Mo. 6,22-27). Obgleich Mose, <strong>der</strong> erste Hohepriester, <strong>der</strong>Kriegszeit des Gesetzes angehört, gipfelt se<strong>in</strong> Segen <strong>in</strong> demFrieden, den <strong>der</strong> letzte Hohepriester verwirklichen sollte: “Jehovasetze, wirke, gebe dir Friede!” Durch Mose kommt das Gesetzzum Volk. Mit dem Gesetz greift das Schwert <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kriege<strong>in</strong>. Die israelitische Kriegsmacht gew<strong>in</strong>nt ihren Höhepunktdurch das dem verlangenden Volk im Zorn Gottes gegebeneKönigtum (1. Sarn. 8). Aber trotz aller Kriegslie<strong>der</strong> ersehnen<strong>die</strong> Volkspsalmen <strong>und</strong> Königslie<strong>der</strong> den Frieden, <strong>der</strong> von Gottkommen soll.Die Propheten verkündigen den Frieden als <strong>die</strong> Gabe <strong>der</strong>Gerechtigkeit, <strong>die</strong> vor Gott besteht <strong>und</strong> von Gott aus <strong>die</strong> ganzeWelt besetzen soll. Mitten <strong>in</strong> dem Sturm erschütterndsterweltgeschichtlicher Ereignisse steht <strong>die</strong> unantastbare prophetischeFriedensbotschaft wie e<strong>in</strong> Fels, <strong>der</strong> nicht zerbrochenwerden kann. Der kommende Helfer <strong>und</strong> Führer des Gottesvolkeswird den Sturm des tosenden Völkermeers zu stillenwissen. Als Friede <strong>der</strong> Menschen erhält er für uns den Namen:“Unser Friede”. Vor <strong>der</strong> Kraft <strong>und</strong> Wahrheit se<strong>in</strong>es Friedensvergeht jede Täuschung. Der alttestamentliche Prophet sieht <strong>in</strong>den ihn umgebenden Zuständen den schreienden Gegensatzzu <strong>der</strong> Gottesgerechtigkeit des kommenden Friedenskönigs.Se<strong>in</strong>e richtende <strong>und</strong> rettende Gerechtigkeit muss als wirkendew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 176Liebe <strong>und</strong> als durch sie erwirkter Friede alles Unheil <strong>der</strong>Jetztheit ohne Schonung erhellen <strong>und</strong> überleuchten.Wenn es urn Gott geht, geht es urn se<strong>in</strong>e Schöpfung. Wo <strong>der</strong>Gottesfriede auftaucht, wird <strong>der</strong> Mensch an <strong>der</strong> Wurzel menschlichenUnfriedens getroffen. Die menschliche Ungerechtigkeit,<strong>die</strong> sich als sozialer Unfriede offenbart, ist als Gottesfe<strong>in</strong>dschaftgegen Gott das H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis des Friedens, das rücksichtslosenthüllt <strong>und</strong> gekennzeichnet werden muss. Wer sich an denMenschen versündigt, frevelt an Gott. Der Geist des Friedensfor<strong>der</strong>t Gerechtigkeit. Der göttliche Geist <strong>der</strong> Prophetie greiftdas soziale Leben an <strong>der</strong> Wurzel se<strong>in</strong>es Giftbaumes an <strong>und</strong>enthüllt das wirtschaftliche Unrecht.Durch <strong>die</strong> Hand <strong>der</strong> Besitzlosen werden unver<strong>die</strong>nte Vorrechtegespeist; <strong>die</strong>se ungerechten Vorrechte s<strong>in</strong>d es, <strong>die</strong>den Unfrieden nähren. Der Klassenhochmut <strong>und</strong> Kastengeistentmenscht <strong>und</strong> entgeistet. Die Ungerechtigkeit, <strong>die</strong> Menschgegen Mensch tagtäglich verübt, empört den Gott des Friedenswi<strong>der</strong> <strong>die</strong> Menschheit bis zur höchsten Glut se<strong>in</strong>es Zornes. DieWertung des Menschen nach Geld <strong>und</strong> Geldeswert wird durch<strong>die</strong> Propheten Gottes <strong>in</strong> ihrer ganzen Ver<strong>der</strong>btheit enthüllt. Allewerden für den Zustand <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lage <strong>der</strong>er verantwortlich gemacht,denen kaum e<strong>in</strong>e Menschenwürde, kaum e<strong>in</strong>e Lebensfreude<strong>und</strong> nirgends e<strong>in</strong> Friede übrig bleibt. Von <strong>der</strong> Liebe <strong>der</strong>menschlichen Gesellschaft verlassen, s<strong>in</strong>d sie dem Unfriedenpreisgegeben.Gegen <strong>die</strong> Abstumpfung <strong>und</strong> Entartung <strong>der</strong> Menschenliebe,gegen den Zerfall des sozialen Gewissens richtet sich<strong>die</strong> Prophetie des Friedens. Gegen den liebeleeren Eigentumswillensteht <strong>der</strong> Prophetismus auf. Gegen den Herrschaftshochmut<strong>und</strong> Versklavungsgeist richtet <strong>der</strong> Friedensprophet se<strong>in</strong>enKampf. Der rücksichtslose Besitzwille <strong>und</strong> <strong>die</strong> kalte Geldliebe<strong>der</strong> Reichen, <strong>die</strong> geschäftliche Übervorteilung <strong>der</strong> Unterdrücktenfor<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Propheten des Friedens auf den Kampfplatzdes Geistes. Der prophetische Geist ruft zum Bruch mit allenD<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Gewalt <strong>und</strong> des Reichtums auf. Niemand gilt demPropheten als ehrlich, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Hause Güter ansammelt,<strong>die</strong> zum Schaden an<strong>der</strong>er durch Taten <strong>der</strong> Gewaltsamkeitangehäuft wurden.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 177Der prophetische Geist zieht alle <strong>die</strong> zur Verantwortung, <strong>die</strong>durch ihr Urteil den Armen <strong>und</strong> Niedrigen unterdrücken <strong>und</strong>zertreten helfen, <strong>in</strong>dem sie dem Reichen gegen <strong>die</strong> Besitzlosigkeitrecht geben. Je<strong>der</strong> Luxus wirkt sich nach dem Wortdes Propheten Amos auf Kosten <strong>der</strong> Bedürftigen aus. Diekostbare Wohnungs-Ausstattung ist wie das reiche Essen <strong>und</strong>Tr<strong>in</strong>ken nur durch Ausbeutung <strong>der</strong> Notleidenden möglich. Nurdurch Unterdrückung <strong>der</strong> Bedürftigen kann <strong>der</strong> Wohlstand se<strong>in</strong>reiches <strong>und</strong> bequemes Leben führen.Der Prophet prangert <strong>die</strong> üblichen Methoden an, wie manneue Fel<strong>der</strong> <strong>und</strong> neue Häuser zur Festigung <strong>und</strong> Vergrößerungdes eigenen Vermögens gew<strong>in</strong>nt. Jesaja ruft se<strong>in</strong> “Wehe” überalle aus, “<strong>die</strong> Haus an Haus reihen, Feld an Feld rücken, bisfür <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en ke<strong>in</strong> Platz mehr bleibt” (Jes. 5,8). Schon Mosesprach das Wort des Herrn: “Me<strong>in</strong> ist das Land... Mir gehört <strong>die</strong>Erde” (2. Mo. 19,5). Sie darf ke<strong>in</strong> Erbgut des Eigentums se<strong>in</strong>.Wie <strong>der</strong> Landbesitz wird <strong>der</strong> Geldz<strong>in</strong>s als Gottlosigkeit entlarvt.Sie s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> beiden Hände des gierigen Mammon. Hesekiel verurteiltalles Nehmen von Z<strong>in</strong>sen durch das ihm von Gott gegebeneWort. “Mich hast du vergessen!” (Hes. 22,12)Derselbe Prophet spricht es aus, dass <strong>die</strong> GerechtigkeitGottes nur dort wirksam wird, wo man niemanden durch Geldfor<strong>der</strong>ungeno<strong>der</strong> karge Lohnsätze bedrückt, wo man für se<strong>in</strong>eSchuldfor<strong>der</strong>ung ke<strong>in</strong>e Verpfändung vornimmt, wo manse<strong>in</strong> Brot den Hungrigen gibt, wo man mit se<strong>in</strong>en Klei<strong>der</strong>n denFrierenden kleidet, wo man nicht auf Z<strong>in</strong>sen ausleiht <strong>und</strong> vonniemandem Z<strong>in</strong>s annimmt, wo man also se<strong>in</strong> Eigentumsrechtan <strong>die</strong> Liebe weggegeben hat.Alle Propheten wollen <strong>die</strong> wirtschaftliche Unterdrückkungbesiegt, <strong>die</strong> Sklaven befreit, <strong>die</strong> Erniedrigten <strong>in</strong> <strong>die</strong> Freiheit geführt,<strong>die</strong> Wan<strong>der</strong>nden <strong>in</strong>s Haus geleitet, <strong>die</strong> schlecht Angezogenenneu e<strong>in</strong>gekleidet sehen. Hosea br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> prophetischenFor<strong>der</strong>ungen auf den e<strong>in</strong>en kurzen Ausdruck: “Halte auf Liebe<strong>und</strong> Recht <strong>und</strong> warte beständig auf Gott!” (Hos. 12,7). AllePropheten wissen es: <strong>E<strong>in</strong></strong> neuer Geist muss über <strong>die</strong> Menschenkommen. Auch über <strong>die</strong> Unterdrückten <strong>und</strong> Erniedrigten muss<strong>der</strong> Geist Gottes ausgegossen werden, wenn ihre Not gewendetwerden soll. Mit e<strong>in</strong>em soll es beg<strong>in</strong>nen; <strong>und</strong> auf alle sollw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 178es kommen: Der Gott <strong>der</strong> Gestirne <strong>und</strong> ihrer Heerscharen, <strong>der</strong>se<strong>in</strong>e Herrschaft auf <strong>der</strong> Erde antreten wird, hat se<strong>in</strong>en Geistauf den <strong>E<strong>in</strong></strong>en gelegt, dessen Gerechtigkeit niemals ermattenwird, bis sie als <strong>der</strong> Friede auf <strong>der</strong> ganzen Erde fest gegründetse<strong>in</strong> wird. Mit Gerechtigkeit wird er <strong>die</strong> Ger<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Elendenbeurteilen <strong>und</strong> zu schützen wissen. Mit dem Wort <strong>der</strong> Gerechtigkeitwird er <strong>die</strong> Gewaltigen zu schlagen wissen. Er heißt:“Gott ist unsere Gerechtigkeit.” Se<strong>in</strong>e Gerechtigkeit wird denFrieden br<strong>in</strong>gen. Wenn er se<strong>in</strong> Recht sprechen wird, werden <strong>die</strong>Schwerter <strong>und</strong> Spieße zu Werkzeugen friedlicher Arbeit umgeschmiedetwerden. Ke<strong>in</strong> Volk wird gegen das an<strong>der</strong>e <strong>die</strong> Waffenerheben. Niemand wird sich zum Krieg vorbereiten. Der König<strong>der</strong> Gerechtigkeit wird <strong>die</strong> Streitwagen <strong>und</strong> Kriegsmasch<strong>in</strong>engänzlich ausrotten; denn das ganze Land wird von <strong>der</strong> Erkenntnisbedeckt se<strong>in</strong>, wie <strong>der</strong> Meeresboden von den Wassern <strong>der</strong>See (Jes. 11,9).Der prophetische Ruf <strong>der</strong> Gerechtigkeit überschallt Jahrhun<strong>der</strong>teals das vorauseilende Echo des kommenden Friedens.Jahrtausende überbr<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> prophetische Norm des Friedensfür <strong>die</strong> Erde <strong>und</strong> ihre Menschheit. Diese Stimme spricht klarerals alle Kriege <strong>der</strong> Welt. Der nahende Tag des Friedefürstenist größer als alle Ruhmestage <strong>der</strong> Geschichte. Das Menschenwerkkommt zum Stillstand! Gottes Werk kommt über<strong>die</strong> Menschheit! Der alles umfassende Endfriede kommt über<strong>die</strong> gesamte Zerrissenheit. Das Werk Gottes greift <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe<strong>und</strong> umspannt <strong>die</strong> Weite. Unmittelbar bricht es here<strong>in</strong>! Mitten imZusammenbruch steht <strong>der</strong> Friedensmann auf, ohne den es zuke<strong>in</strong>em Frieden kommen kann.Dem Friedensmeister folgen <strong>die</strong> Friedensleute. Se<strong>in</strong> Wesenist das Herz ihrer Friedensordnung. Se<strong>in</strong> Geist beseelt ihre <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Es ist <strong>der</strong> Geist für <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>en Leute <strong>und</strong> gegen <strong>die</strong> großenTyrannen. Es ist <strong>der</strong> Geist des Friedens gegen den Krieg. DerFriedensritt auf dem ärmsten Reittier zerbricht <strong>die</strong> Kriegswaffen<strong>und</strong> eröffnet den Landfrieden. Der Friedensreiter gibt <strong>die</strong> Gefangenenfrei <strong>und</strong> erlöst <strong>die</strong> Unterdrückten. Se<strong>in</strong> majestätischerGottesfrieden ist von den fürstlichen Gestalten <strong>der</strong> sozialen Gerechtigkeit<strong>und</strong> <strong>der</strong> den Armen aufstrahlenden Liebe umgeben.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 179Ke<strong>in</strong> Waffenfrieden ohne soziale Gerechtigkeit! Ke<strong>in</strong> Prophetkennt e<strong>in</strong>en Abrüstungsfrieden, ke<strong>in</strong>er von ihnen kennt e<strong>in</strong>eUmwandlung <strong>der</strong> Mordwaffen zu Kulturwerkzeugen ohne <strong>die</strong>soziale Erneuerung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung, welche den Gebrauch allerWerkzeuge <strong>und</strong> aller ihrer Produkte den Armen zurückgibt.Schon <strong>der</strong> Prophet Mose hat verkündigt: “Es soll niemals <strong>und</strong>nirgends e<strong>in</strong> Armer unter euch se<strong>in</strong>!” (5. Mo. 15,4), obgleich erwohl wußte, dass es Arme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt geben wird, solange <strong>die</strong>Ungerechtigkeit nicht bis auf den letzten Rest verschw<strong>und</strong>enist. Nur wo <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Volk alle Kräfte für den Frieden gesammelts<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bru<strong>der</strong>liebe zu une<strong>in</strong>geschränkter Geltung kommt,kann <strong>die</strong> Armut aus dem öffentlichen Leben verschw<strong>in</strong>den. WeilJesus den Herrschaftsantritt <strong>der</strong> Liebe nahen sah, konnte <strong>und</strong>musste er sagen: Glück den Armen! Wehe den Reichen!Die Majestät Gottes ist <strong>der</strong> Erde ganz nahe gekommen.“Güte <strong>und</strong> Treue begegnen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, Gerechtigkeit <strong>und</strong> Wohlfahrtküssen sich. Die Treue entspr<strong>in</strong>gt aus dem Erdboden; <strong>die</strong>Gerechtigkeit schwebt aus dem Himmel herab” (Ps. 85,11+12).Von dem Innersten des Menschen aus dr<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Friede <strong>in</strong> alleLande vor, weil er wie <strong>der</strong> Blitz von <strong>der</strong> höchsten Höhe Gottesauf <strong>die</strong> Erde hernie<strong>der</strong>fährt. Er kommt als Gerechtigkeit, Klarheit<strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit durch <strong>die</strong> Liebe <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit.Die Beseitigung des Reichtums gehört ebenso zur Friedenseroberungwie <strong>die</strong> Nie<strong>der</strong>werfung <strong>der</strong> Waffengewalt.Gegen <strong>die</strong> unerhörte Gewalt bei<strong>der</strong> Mächte tritt <strong>der</strong> sie überwältigendeGlaube auf. Bei den Armen begegnet er tieferem Verständnis.Dort ist <strong>der</strong> Wille zum Frieden am stärksten. Dort ist erecht, wenn <strong>die</strong> Armut an Gütern mit dem Hunger <strong>und</strong> Durst <strong>der</strong>Armut im Geist vere<strong>in</strong>igt ist. Das Gottesreich will als Brü<strong>der</strong>lichkeitalle <strong>die</strong> <strong>in</strong> vöiliger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit verb<strong>in</strong>den, welche mit hungemdemHerzen nach <strong>der</strong> Gerechtigkeit verlangen. Deshalb muss <strong>der</strong>Reichtum <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Übersättigung abgebaut werden.Deshalb for<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Propheten mit unbeugsamem Nachdruck,dass je<strong>der</strong> Luxus an Kleidung, Wohnung <strong>und</strong> Geselligkeitbis auf den letzten Rest beseitigt wird. In allen D<strong>in</strong>gen solläußerste Schlichtheit aufgebaut werden. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit erfor<strong>der</strong>t<strong>E<strong>in</strong></strong>falt <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit. Der Stil <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit trägt <strong>die</strong> Schönheit<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen L<strong>in</strong>ie. An<strong>der</strong>s kann ke<strong>in</strong> sozialer Friedew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 180erreicht werden. Der Kreis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gerade s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Symbole <strong>der</strong>sammelnden Liebe <strong>und</strong> ihrer wahrhaftigen Wahrheit. Wennke<strong>in</strong>er mehr auf wendet als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en, wenn niemand <strong>die</strong>Lebensgestaltung eitel verschnörkelt, werden alle <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftleuchten<strong>der</strong> Klarheit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen. Wenn Vorrecht<strong>und</strong> Überfluß aufgehoben werden, ist <strong>die</strong> Gerechtigkeit durchgebrochen.Die soziale Ungleichheit zerstört den Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n. Sie zersetztjede Möglichkeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Sie muss mit aller Schärfedes Geistes angegriffen werden, wenn <strong>die</strong> Sache des Friedensvorwärtsgebracht werden soll. Luxus <strong>und</strong> Geiz, Eigentum <strong>und</strong>Reichtum s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Wurzeln des Unfriedens. Deshalb gehen <strong>die</strong>großen Propheten Amos, Hosea <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e aufs schonungslosestegegen <strong>die</strong> ungleiche Verteilung <strong>der</strong> Glücksgüter an.Was für <strong>die</strong> Wurzel gilt, gilt auch ihren Früchten. Der gewalttätige,todbr<strong>in</strong>gende Krieg ist <strong>und</strong> bleibt <strong>die</strong> bitterste Frucht<strong>der</strong> Ungerechtigkeit, <strong>der</strong> Gipfel des Unfriedens. Deshalb stelltJesaja für das Recht des Friedens fest: “Der Gewalttätige hate<strong>in</strong> Ende.” Der Friede <strong>der</strong> Christusgerechtigkeit wird ke<strong>in</strong> Endenehmen. Die Weltreiche werden als Kriegsreiche alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>vernichtet werden. Reich, Gewalt <strong>und</strong> Macht über alleD<strong>in</strong>ge unter dem ganzen Himmel werden dem heiligen Volk desHöchsten gegeben werden. Denn es ist das Volk des Friedens<strong>und</strong> <strong>der</strong> Gerechtigkeit. Die Weltreiche mit ihrer Raubtiernaturwerden ohne Unterschied h<strong>in</strong>weggeräumt, ob ihr Wappenschildden Adler, den Löwen, den Bären o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Raubtiere tragenmag. Der Menschensohn ist gekommen, <strong>die</strong> Werke des Teufelszu zerstören.Die St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Entscheidung naht: “For<strong>der</strong>e von mir, so willich dir <strong>die</strong> Völker zum Raub geben, <strong>der</strong> Welt Enden zum Eigentum”(Ps. 2,8). “Die Völker werden sich freuen <strong>und</strong> aufjauchzen,dass du <strong>die</strong> Welt recht richtest, dass du es bist, <strong>der</strong> <strong>die</strong>Leute auf Erden regiert”' (Ps. 67,5). “S<strong>in</strong>get unter den Völkern,dass <strong>der</strong> Herr König sei; er richtet <strong>die</strong> Völker recht... Der Himmelfreue sich, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erde sei fröhlich. Der Herr ist König. ImReich <strong>die</strong>ses Königs liebt man <strong>die</strong> Gerechtigkeit. Er hilft denElenden herrlich” (Ps. 96).w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 181Der neue B<strong>und</strong> nimmt <strong>die</strong>se Verkündigung auf <strong>und</strong> verwirklichtsie, wie es Hesekiel vorausgesagt hatte: “Ich will e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ziges Volk aus ihnen machen im Lande; sie sollen allesamte<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen König haben; sie sollen nicht mehr <strong>in</strong> zwei Völkernoch <strong>in</strong> zwei Königreiche geteilt se<strong>in</strong>” (Hes. 37,22). In Christuswird Wirklichkeit, was Jesaja gesagt hatte: “Du Elende,über <strong>die</strong> alle Wetter gehen: Ich will alle de<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> großenFrieden lehren. Man soll <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Lande ke<strong>in</strong>en Frevel mehrhören, von ke<strong>in</strong>em Ver<strong>der</strong>ben hören <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en Grenzen” (Jes.54,14). An <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi erfüllt sich, was Jeremiasagt: “Es kommt <strong>die</strong> Zeit, dass <strong>die</strong> Stadt des Herrn nimmermehrzerrissen wird” (Jer. 31,40).Der Geist <strong>der</strong> neuen Geme<strong>in</strong>de sagt durch Petrus: “Verän<strong>der</strong>teuch von Gr<strong>und</strong> auf! Wendet euer Leben um! Eure Sündenmüssen vertilgt werden. Die neue Zeit <strong>der</strong> Erquickung strahlehere<strong>in</strong>! Sie kommt von dem Angesicht des Weltengebieters.Die kommende Zeit ist es, <strong>die</strong> den Herrscher sendet. Euch wir<strong>der</strong> vorher angesagt. In himmlischer Kraft wartet Jesus Christus,bis <strong>die</strong> Zeit gekommen ist, zu welcher alles herangebracht wird,was Gott von Anbeg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Welt her durch den M<strong>und</strong> aller se<strong>in</strong>erheiligen Propheten angesagt hat” (Apg. 3,19-21).Jesus Christus ist das Ziel <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte. Diealles überschauende Prophetie Gottes kündigt se<strong>in</strong>en endgültigenFrieden an. In ihm wird alle Fe<strong>in</strong>dschaft aufhören, je<strong>der</strong>Krieg nie<strong>der</strong>gelegt <strong>und</strong> aller Streit beendet. Christus ist <strong>der</strong>Anfang <strong>und</strong> das verjüngende Ende <strong>der</strong> von Gott geschaffenenMenschheit. Er ist <strong>der</strong> erste <strong>und</strong> <strong>der</strong> letzte lebendige Buchstabedes göttlichen Friedensplanes. In Jesus neigt sich <strong>der</strong> bisherigeVerlauf <strong>der</strong> Menschheitsgeschichte se<strong>in</strong>em alles erneuerndenAbschluß zu. Die längst ersehnte, endlich <strong>in</strong> ihm herankommende<strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Friedens führt <strong>die</strong> völlig an<strong>der</strong>sartige, <strong>die</strong>gänzlich neue Gottesherrschaft herauf.Das Reich Gottes naht. Der Wille Gottes soll endlich zur Geltungkommen. Am Verborgenen des Herzens wird das Geheimnisdes Namens offenbar (Offb. 2,17b). Das erste <strong>und</strong> letzteAnliegen Jesu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em gesammelten, todesbereiten Lebenswillenerfleht nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong>s e<strong>in</strong>e: <strong>die</strong> Ehre Gottes. Das<strong>in</strong> ihm offenbarte Herz Gottes ist es, dem Jesus <strong>die</strong> Zukunftw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 182geweiht weiß. Alle, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Christus an <strong>die</strong> Zukunft des Gottesherzensglauben, s<strong>in</strong>d von nun an immer <strong>und</strong> überall demvollkommenen Friedenswillen h<strong>in</strong>gegeben. Für das tiefste Verlangen<strong>der</strong> Jünger zeigen <strong>die</strong> ersten Bitten des Vaterunsers <strong>die</strong>Friedensprophetie des alten B<strong>und</strong>es <strong>in</strong> letzter Absolutheit: DenNamen! Den Willen! Das Reich!Alles, was Jesus sagt <strong>und</strong> tut, br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Verwirklichung <strong>der</strong>prophetischen Friedensherrschaft. Se<strong>in</strong> Werk bestätigt <strong>die</strong>Wahrhaftigkeit aller prophetischen Versprechungen. Die von<strong>der</strong> Prophetie verkündete B<strong>und</strong>esgeme<strong>in</strong>schaft erfüllt sich <strong>in</strong><strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de nicht an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em kornmenden Reich.Das alte prophetische Wort hat <strong>die</strong> messianische Friedensherrschaftangebahnt. Aus allen Völkern strömt nunmehr <strong>die</strong>kommende Bürgerschaft des Friedensreiches zusammen.Um Christus sammelt sie sich. Die ganze Welt wird von <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de aus zu dem allgewaltigen, heiligen, vollkommenenFrieden aufgerufen.Das alte Volk Gottes ist <strong>und</strong> bleibt <strong>der</strong> Ausgangspunkt fürdas neue Volk <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Jedoch <strong>in</strong> Jesus s<strong>in</strong>d alle nationalenSchranken gefallen. Se<strong>in</strong> Reich une<strong>in</strong>geschränkter <strong>E<strong>in</strong></strong>heit verbreitetsich über alle Nationen. Der zersplitternde Zeitgeist <strong>der</strong>Weltgeschichte wird angesichts des sammelnden Zukunftsgeistesbedeutungslos. Alle nationalen Abgrenzungen s<strong>in</strong>d von<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de aus für immer aufgehoben. Die <strong>in</strong> Christus geweihtenErben <strong>der</strong> alten B<strong>und</strong>ese<strong>in</strong>heit breiten <strong>die</strong> Gebäudedes Friedens über <strong>die</strong> ganze Erde aus. Denn Gott gehört allesLand. Jesus hat se<strong>in</strong>e Friedensherrschaft von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welther <strong>in</strong> <strong>die</strong> Menschenwelt e<strong>in</strong>geglüht.Der Glutgeist <strong>der</strong> alten Friedensprophetie kommt <strong>in</strong> JesusChristus für alle Zukunft zur vollendeten Auswirkung. In <strong>der</strong>Gegenwart beg<strong>in</strong>nt es: Der prophetische Friede dr<strong>in</strong>gt jetzt <strong>in</strong><strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi als Liebe, als Gerechtigkeit <strong>und</strong>Wahrheit bis zur letzten Konsequenz vor. Wie alle Prophetenkennt ebenso Jesus ke<strong>in</strong>erlei Relativierung <strong>der</strong> zerstörendenGegensätze. Se<strong>in</strong>e prophetische Wahrheit weiß von ke<strong>in</strong>emKompromiß durch Zugeständnis <strong>und</strong> Nachgiebigkeit. Se<strong>in</strong>Friede schließt ke<strong>in</strong>en Vertrag mit dem Unfrieden. Er kenntw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 183ke<strong>in</strong>e Synthese mit dem fe<strong>in</strong>dlichen Gegensatz. Er vernichtetden Unfrieden. Se<strong>in</strong>e Gegnerschaft gegen dessen Wurzelnbleibt unerbittlich.Rücksichtslos schleu<strong>der</strong>t er das siebenfache Wehe gegen <strong>die</strong>heuchlerischen Zerstörer aller wahrhaftigen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Ihre Antwortist mör<strong>der</strong>isch. Der prophetisch wahrhaftigen Voraussageentsprechend, muss <strong>die</strong> vollkommene Friedensersche<strong>in</strong>ungJesu Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de von sämtlichen Mächten <strong>der</strong>Weltwirtschaft <strong>und</strong> von je<strong>der</strong> Staatsregierung mit schärfster<strong>und</strong> tödlichster Gewalt bekämpft werden. Der umso fester <strong>und</strong>klarer erglühende Charakter des unbed<strong>in</strong>gten Friedens liefertse<strong>in</strong>e Träger dem Gegner wehrlos an <strong>die</strong> Hand. Als schärfsteProphetie des Friedensreiches vertritt <strong>die</strong> Bergrede Jesu denalle Tode erleidenden Wi<strong>der</strong>stand des Friedenswillens. Gegen<strong>die</strong> friedensbrecherische Gewalt <strong>der</strong> ganzen Welt steht <strong>der</strong> passiveWi<strong>der</strong>stand des Kreuzes: Das Kreuz gegen das Schwert!Das Kreuz aber ist <strong>der</strong> Radikalismus <strong>der</strong> Liebe. Der Friede<strong>der</strong> Bergpredigt geht den D<strong>in</strong>gen an <strong>die</strong> Wurzel. Er schenkt <strong>der</strong>Liebe den letzten Rest von Eigentum bis auf Hemd, Rock <strong>und</strong>Mantel. Se<strong>in</strong> Friedenswille gibt <strong>die</strong> ganze Arbeitskraft ungeteiltan <strong>die</strong> totale Geme<strong>in</strong>schaftlichkeit völliger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Se<strong>in</strong>e Aufopferungschreitet gelassen zur Verdoppelung <strong>der</strong> Wegstrecke<strong>und</strong> Arbeitszeit, so oft es <strong>die</strong> Liebe gebietet. Se<strong>in</strong>e Friedensgeme<strong>in</strong>deliegt ohne Urlaub im aktiv schöpferischen Generalstreikgegen <strong>die</strong> gesamte sie umgebende Ungerechtigkeit desöffentlichen Unfriedens. Jesus kennt <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bruch mit allemBestehenden ke<strong>in</strong>erlei Rechtsstandpunkt berechtigter Ansprüche.Er läßt se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de ke<strong>in</strong>e Prozesse führen. Er läßt sie<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Gericht sitzen. Er gebietet ihr, jede Religionsübungzu unterlassen <strong>und</strong> abzubrechen, so oft es um <strong>die</strong> Aufrichtigkeit<strong>der</strong> brü<strong>der</strong>lichen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit geht. Die Erhaltung <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<strong>der</strong> Liebese<strong>in</strong>heit stellt er gegen den unechten Kultus ungee<strong>in</strong>igterFrömmigkeit.Die Bergrede Jesu gibt unbed<strong>in</strong>gten Auftrag <strong>und</strong> umfassendeVollmacht, <strong>der</strong> Gewalt des Bösen niemals den ger<strong>in</strong>gstenWi<strong>der</strong>stand zu leisten. Nur so kann <strong>der</strong> Böse zum Guten gemachtwerden. Der Liebeswille Jesu läßt sich lieber zweimalschlagen, als dass er e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal e<strong>in</strong>en Schlag erwi<strong>der</strong>t.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 184Die Liebe geht über alles. Sie läßt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Regung zu.Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ehe hält sie <strong>die</strong> Treue <strong>und</strong> bekämpft jede Trennung<strong>und</strong> Scheidung. Sie beherrscht das verborgene Gebet als Vergebung.Sie bestimmt das öffentliche Verhalten – beson<strong>der</strong>sdem Fe<strong>in</strong>d gegenüber – als absoluter, umfassen<strong>der</strong> Liebeswillevölliger Versöhnung. Anstatt jemals Fluch <strong>und</strong> Haß, Beleidigung<strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft erwi<strong>der</strong>nzu können, kennt sie nicht <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>gste Teilnahme an Fe<strong>in</strong>dseligkeit,Streitigkeit <strong>und</strong> Kriegführung. Durch ke<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dlicheGewalt läßt sich <strong>die</strong> Liebe bee<strong>in</strong>flussen. Durch ke<strong>in</strong>e Wandlung<strong>der</strong> Situation kann <strong>die</strong> Haltung Jesu o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Nachfolgerverän<strong>der</strong>t werden. Was auch geschehen mag: Er tut nichts alslieben, nichts als Frieden üben, nichts als Gutes wünschen,Gutes erbitten <strong>und</strong> Gutes wirken. Wo <strong>der</strong> Friede Jesu Christiwohnt, erlischt <strong>der</strong> Krieg, zerschmilzt <strong>die</strong> Waffe <strong>und</strong> vergeht <strong>die</strong>Fe<strong>in</strong>dseligkeit. In Jesus ist <strong>die</strong> Liebe schrankenlos geworden.Sie ist zur Alle<strong>in</strong>herrschaft gelangt.Hier endlich wird <strong>die</strong> Gerechtigkeit des prophetischen Ansatzesvollkommen verwirklicht. Die Gerechtigkeit Jesu Christiist besser als <strong>die</strong> aller Moralisten <strong>und</strong> Theologen, besser als<strong>die</strong> aller Sozialisten, Kommunisten <strong>und</strong> Pazifisten. Denn <strong>in</strong> ihrströmt <strong>der</strong> Lebenssaft <strong>der</strong> lebendigen Zukunftspflanzung völligenFriedens. Hier wirkt <strong>die</strong> Salzkraft des <strong>in</strong>nersten göttlichenWesens. Hier erstrahlt das Licht des Gottesherzens als dasLeuchtfeuer <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Deren Türme verkündigen Freiheit,<strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> H<strong>in</strong>gabe. Hier will <strong>und</strong> tut man für alle, was e<strong>in</strong> je<strong>der</strong>für sich selbst ersehnt. Hier sammelt niemand e<strong>in</strong> eigenes Vermögen.Hier erkaltet ke<strong>in</strong> Herz <strong>in</strong> eisiger Angst <strong>und</strong> Sorge um<strong>die</strong> eigene Existenz. Hier herrscht <strong>der</strong> Friede <strong>der</strong> Liebe.Hier s<strong>in</strong>d alle Bürger ohne Ablenkung auf das e<strong>in</strong>e Ziel, aufGottes Wille <strong>und</strong> Gottes Herrschaft, auf Gottes Herz <strong>und</strong> GottesWesen, gesammelt. Hier steht ke<strong>in</strong>er im Gegensatz zum an<strong>der</strong>en.Hier verurteilt man niemanden. Hier drängt man ke<strong>in</strong>em etwasauf. Ke<strong>in</strong>er wird verachtet. Niemand wird vergewaltigt. Unddennoch herrscht <strong>die</strong> Liebe als Wahrheit. Dennoch weiß man an<strong>der</strong> Frucht <strong>der</strong> Tat das Wesen des Innersten zu erkennen. Manist sich hier vöilig darüber im klaren, dass e<strong>in</strong> so entschlossenerGeme<strong>in</strong>schaftswille den schärfsten Kampfwillen <strong>der</strong> ganzenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 185Umwelt auf den Plan ruft. Der sammelnde Zusammenschlußvölliger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit wird als Provokation aufgenommen. Als volkswidrigeMenschenfe<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> als aufreizende Exklusivitätempf<strong>und</strong>en, wirkt er empörend auf alle, <strong>die</strong> sich mit <strong>der</strong> Massewe<strong>der</strong> fähig noch willig wissen, den Ruf e<strong>in</strong>er so völligen Geme<strong>in</strong>schaftanzunehmen. So kommt es zum unvermeidlichenZusammenstoß. Niemand kann ihm entr<strong>in</strong>nen.Die lebendige Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Herzen <strong>in</strong> fest gefügterSammlung aller Arbeitskräfte <strong>und</strong> Lebensgüter ersche<strong>in</strong>t alsvollendeter Gegensatz zur Lebenshaltung <strong>der</strong> ganzen Welt.Diese Tatsache ruft beson<strong>der</strong>s überall dort Wi<strong>der</strong>stand hervor,wo man für <strong>die</strong> gewaltsame Durchsetzung e<strong>in</strong>er Idee Unterstützungsucht. Denn hier wird jede fe<strong>in</strong>dselige Handlung unterallen Umständen verworfen, wie bedeutsam man sie auchzu begründen vermag. Hier schließt man jede Teilnahme ane<strong>in</strong>em kriegerischen, polizeilichen o<strong>der</strong> gerichtlichen Vorgehenaus, wenn <strong>die</strong>ses auch zum Schutz des Guten noch so sehrgerechtfertigt ersche<strong>in</strong>t. Hier hat man ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft mitgewalttätigen Aufständen, wenn <strong>die</strong>se auch im Namen <strong>der</strong> unterdrücktenGerechtigkeit als notwendig ersche<strong>in</strong>en. Das bloßeDase<strong>in</strong> <strong>und</strong> Sose<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es so symbolischen Lebens for<strong>der</strong>trechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks alles zum Kampf heraus, dem <strong>die</strong> Ausübung<strong>der</strong> Gewalt als höchste Pflicht <strong>der</strong> St<strong>und</strong>e ersche<strong>in</strong>t.Die Erwartung des kommenden Friedensreichs wirkt durch<strong>die</strong> <strong>in</strong> ihr notwendig gegebene Lebenshaltung völliger Geme<strong>in</strong>schaft<strong>in</strong> höchstem Grade beleidigend auf alle, <strong>die</strong> siefür unmöglich halten. Solange man sich <strong>die</strong>ser ständigenHochzeitsgesellschaft versagen will, solange <strong>die</strong>se so große<strong>und</strong> zugleich so vertraute Friedensvere<strong>in</strong>igung, Tischgeme<strong>in</strong>schaft,Lebense<strong>in</strong>heit, Arbeitsverb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Verwaltungsgeme<strong>in</strong>denicht genehm se<strong>in</strong> kann, solange bleibt nichts an<strong>der</strong>esübrig, als sie zu bekämpfen <strong>und</strong> schließlich – wenn auch mitWi<strong>der</strong>willen – zu dem Versuch ihrer Vernichtung zu schreiten.So kommt es trotz <strong>der</strong> Absolutheit <strong>und</strong> Universalität <strong>die</strong>serFriedenshaltung <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Unbed<strong>in</strong>gtheit <strong>und</strong> Totalität ihresGeme<strong>in</strong>schaftswillens notwendig zu schwersten Kämpfen <strong>und</strong>schärfsten Zusammenstößen. Je näher <strong>die</strong> Friedensgeme<strong>in</strong>dew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 186dem endgültigen Friedensreich entgegenrückt, urn so mehrmüssen sie sich mehren <strong>und</strong> steigern.In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist <strong>der</strong> Anfang des kommenden Reichs mitvoller Macht <strong>und</strong> herausfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Klarheit gegenwärtig. Vor<strong>der</strong> letzten Entfaltung <strong>und</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> Friedensherrschaftmuss es zum Endkampf des Unfriedens gegen <strong>die</strong> stärksteMacht des Friedens kommen. Die Schwere <strong>und</strong> Furchtbarkeit<strong>der</strong> letzten Kämpfe wird urn so überraschen<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, als sich <strong>die</strong>Friedenshaltung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de von neuem bis zum wehrlosenMärtyrertod vollenden wird. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite kann unterke<strong>in</strong>en Umständen Ruhe gelassen werden. Denn dort kann<strong>der</strong> Egoismus e<strong>in</strong>zelner Menschen <strong>und</strong> ganzer Völkergruppennicht aufgegeben werden. Man kann <strong>und</strong> will sich <strong>die</strong> Wurzel<strong>der</strong> Sünde als des Fluch br<strong>in</strong>genden Unfriedens nicht nehmenlassen. Man behauptet sie als unerläßliche Notwendigkeit.Man kann dem Frieden nicht trauen. Man will nicht glauben.Man verwirft <strong>die</strong> bessere Zukunft. Man vertraut lieber demGötzen <strong>der</strong> Gewalt als dem Geist <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> dem Gott desFriedens. Eigentum for<strong>der</strong>t Rechtsschutz <strong>und</strong> Gewalt. Man willdas Eigene nicht aufgeben; man will sich nicht beschenkenlassen. Man verlangt se<strong>in</strong> Recht. Man verwirft <strong>die</strong> Gnade. DieSünde bleibt unter dem Gesetz. Das Gesetz bleibt Unfriede.In harter Hand behält es Gericht <strong>und</strong> Schwert. Se<strong>in</strong> blutigesGericht trifft den e<strong>in</strong>zelnen. Se<strong>in</strong>e unheimliche Bewaffnungzerschlägt ganze Völker, vergiftet große Erdteile <strong>und</strong> zerstörtendlich <strong>die</strong> ganze Erde. Sünde <strong>und</strong> Gesetz erzw<strong>in</strong>gen den Tod.Gott selbst muss endlich im Gegensatz zu dem letzten Willense<strong>in</strong>es Herzens zu <strong>die</strong>sem notwendigen Zornesgericht se<strong>in</strong>“Ja” sagen.Wenn sich <strong>die</strong> Herzen <strong>der</strong> Völker gegen den <strong>E<strong>in</strong></strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>zigenWeg se<strong>in</strong>es re<strong>in</strong>en Liebeswillens gänzlich verhärten, for<strong>der</strong>nsie selbst das Gericht heraus. Das Unnatürlichste tritt unausbleiblichals unvermeidliche Naturkatastrophe aus ihnen selbstheraus. Wie Gott <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> verdorbene Entartungihres Liebeslebens dah<strong>in</strong>geben muss, so oft sie den schöpferischenWillen verachten, so müssen <strong>die</strong> Wutfackeln <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>kriegeüber sie dah<strong>in</strong>brausen, wenn sie aus freien Stücken denFriedenswillen verwerfen. Gott selbst führt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zorn dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 187von den Menschen eigenwillig erzwungene Gericht herauf. Vonneuem wie<strong>der</strong>holt sich <strong>die</strong> alte Situation: Weil Kriegslust <strong>und</strong>eitle Gier nach Großmachtstellung Gottes Königtum verworfenhatten, musste <strong>der</strong> Zorn Gottes se<strong>in</strong>em geliebten Volk denKriegskönig geben (1. Sam.10, 19). Noch früher ließ das GesetzGottes Blutrache <strong>und</strong> Todesstrafe anstelle <strong>der</strong> abgelehntenGeistesführung treten, wie auch <strong>die</strong> S<strong>in</strong>tflut das geistabgewandteFleisch begraben musste. Genauso lässt das GerichtGottes endlich <strong>die</strong> feurige Kriegsflut über den christusfe<strong>in</strong>dlichen,zum Letzten gesteigerten Unfrieden here<strong>in</strong>brechen.Das Schicksal ist unentr<strong>in</strong>nbar. Es handelt sich um Ursache<strong>und</strong> Folge. Der Krieg ist das Resultat des Unfriedens. Er ist<strong>die</strong> notwendige Folge <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftslosigkeit. Er ist <strong>die</strong>Todesfrucht <strong>der</strong> zerstörten Gottesgeme<strong>in</strong>schaft. Er ist das unausbleiblicheGericht über se<strong>in</strong>e eigene Ursache. Die Abtrennungvon Gottes <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> Zerteilung des Lebens <strong>in</strong> fe<strong>in</strong>dlicheGegensätze, <strong>die</strong> Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Une<strong>in</strong>igkeit <strong>der</strong> Menschen<strong>in</strong> Eigentum <strong>und</strong> Eigennutz s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ursprung des Krieges. DerKrieg richtet sich selbst. Er offenbart den Charakter se<strong>in</strong>er Ursacheals Unfrieden mit Gott <strong>und</strong> als Une<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Menschen.Der Krieg ist <strong>die</strong> Ausgeburt des begehrlichen Willens. Er ist <strong>die</strong>Hölle <strong>der</strong> Une<strong>in</strong>heit. Er steigert <strong>die</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> Sünde biszur Selbstzerfleischung. Er treibt das tötende Gesetz zum Völkermord.In ihm überschlägt sich <strong>die</strong> liebeleere Ungerechtigkeit<strong>in</strong> mör<strong>der</strong>ischer Gesetzlosigkeit.Der letzte S<strong>in</strong>n des Krieges als des uns<strong>in</strong>nigen Gipfelsrichtenden Gesetzes <strong>und</strong> entfesselter Gesetzlosigkeit ist <strong>die</strong>Erkenntnis <strong>der</strong> Sünde. Se<strong>in</strong> Gericht soll <strong>die</strong> Menschheit zusammenschlagen<strong>und</strong> zurichten, dass endlich <strong>in</strong> ihrer Mitte dasVerlangen nach <strong>der</strong> Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Todesursache aufsteigt,dass endlich <strong>die</strong> Sehnsucht nach <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft Gottesalles an<strong>der</strong>e vergessen lässt. Zur Abschaffung des Kriegesmuss <strong>die</strong> Wurzel <strong>der</strong> Sünde aufgedeckt <strong>und</strong> beseitigt werden.Ist <strong>die</strong> Ursache <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>ung aufgehoben, können <strong>E<strong>in</strong></strong>igung<strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft beg<strong>in</strong>nen. Von nun an rührt sich ke<strong>in</strong>e Handmehr, ke<strong>in</strong> Fuß mehr für <strong>die</strong> Ausgeburt <strong>der</strong> Hölle, <strong>die</strong> man Kriegnennt. Wo <strong>die</strong> Sünde beseitigt ist, schw<strong>in</strong>det <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>mord.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 188Die Bahn wird frei; nun ersteht <strong>der</strong> Gottesfriede. Die Buße wirktden Glauben. Der Glaube br<strong>in</strong>gt den Frieden. Das Evangeliumbeseitigt <strong>die</strong> Abson<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> schafft <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Zur Sünde gehört das Gesetz. Zum Gesetz gehört <strong>die</strong>Tötung. Diese drei stehen zusammen. Jesus Christus hat denalles vernichtenden Todesdreib<strong>und</strong> von Gott aus durch denHeiligen Geist für immer besiegt <strong>und</strong> h<strong>in</strong>weggeräumt. Er zerbrach<strong>die</strong> Sünde als <strong>die</strong> Waffe des Todes. Er zerriss <strong>die</strong> Handschrift<strong>der</strong> Anklage <strong>und</strong> des Gerichtes. Se<strong>in</strong> Tod entlarvte <strong>die</strong>Ursache <strong>der</strong> Tötung. Ihren Ursprung riss er h<strong>in</strong>weg. Auferstehung<strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Heiligen Geistes setzte er an <strong>die</strong> Stelle<strong>der</strong> Auflösung.Das Gesetz des Mose brachte den Krieg <strong>und</strong> musste ihnregeln. Die Gnade <strong>und</strong> Wahrheit des Evangeliums br<strong>in</strong>gt <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>und</strong> ordnet Geme<strong>in</strong>schaft. Staatsgesetz <strong>und</strong> Völkerrechtbestimmen <strong>die</strong> Verfolgung aller gesetzwidrigen Vergehen. Sieerfor<strong>der</strong>n Kriegführung, Gefangenschaft <strong>und</strong> Tod. Die Söhnedes Geistes Christi halten <strong>und</strong> bewahren den Frieden, erwirken<strong>die</strong> Freiheit <strong>und</strong> verwalten <strong>die</strong> Vergebung. Ihre Geistessendungverbreitet <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Lebens.Wo Christus <strong>die</strong> Regierung übernimmt, wird jede an<strong>der</strong>eMachtherrschaft mit aller ihrer Todesgewalt aufgehoben. Wo <strong>der</strong>Geist <strong>der</strong> Gnade herrscht, schw<strong>in</strong>det das Gesetz <strong>der</strong> Obrigkeit.Das Gericht des Todes weicht <strong>der</strong> Rettung <strong>und</strong> Rückkehr zumLeben. Die Sammlung tritt an <strong>die</strong> Stelle <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft. So istes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. So wird es am Ende se<strong>in</strong>, bis <strong>die</strong> erste <strong>und</strong>letzte Frucht <strong>der</strong> Gottestrennung, <strong>der</strong> Tod selbst, h<strong>in</strong>weggetanwird. Alle Werke <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft werden zerstört, zuletzt auch<strong>der</strong> letzte Fe<strong>in</strong>d. Zuvor muss Fe<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeitaller Art nie<strong>der</strong>gelegt se<strong>in</strong>. Alles, was fe<strong>in</strong>dlich ist, führt zumTode <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt den Tod. Die Hilfstruppen <strong>der</strong> Todesmacht werdenzuerst vernichtet. Zuletzt trifft es den Kern – bis zur Beseitigungdes Todes.Noch breitet sich das mör<strong>der</strong>ische Böse zu größter Geltungaus. Je mehr <strong>die</strong> Macht <strong>der</strong> Liebe wächst, umso mehr kommt<strong>die</strong> tödlich giftige Fe<strong>in</strong>dschaft zum Vorsche<strong>in</strong>. Dasselbe giltumgekehrt. Der Gipfel des Bösen for<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Ausrottung <strong>die</strong>serTodespflanzung zur St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Reifung. Sie muss Platzw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 189machen für den Gottesgarten. <strong>E<strong>in</strong></strong>an<strong>der</strong> extrem entgegengesetztegeschichtliche Ereignisse treiben zur Entscheidung.Beides führt zum Abbruch <strong>und</strong> zum Neuaufbau. Alle Geschichteverläuft von unten herauf <strong>und</strong> von oben herab. Sie läuft aufe<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Punkt zu. Die apostolische Prophetie verfolgtbeide Entwicklungen bis ans Ende. Der Endpunkt ist <strong>der</strong> Treffpunkt:das Gericht <strong>und</strong> das Reich. Beide L<strong>in</strong>ien werden von“religiös” bewegter Hand gezogen. “Satanismus” <strong>und</strong> “Glaube”s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> geheimnisvollen Kräfte <strong>der</strong> doppelten L<strong>in</strong>ienführung allerGeschichte.Die tödliche Macht des Bösen steigert sich <strong>in</strong> ihrer gottwidrigenLebenslüge zu <strong>der</strong> wahnwitzigen Überheblichkeit, im HauseGottes den allerhöchsten Platz zu behaupten. Es ist <strong>die</strong> falscheProphetie <strong>der</strong> abgefallenen Kirche, <strong>die</strong> zwar das Gewand <strong>und</strong><strong>die</strong> Gebärde des Friedenstieres, des Opferlammes, zur Schauträgt, <strong>und</strong> doch mit heuchlerischen Mitteln <strong>die</strong> Propaganda desKriegsdrachens treibt. In <strong>der</strong> Gestalt des Lammes redet sie wie<strong>der</strong> Drache. Sie steht gegen das Lamm. Zur Bekämpfung <strong>der</strong>Friedensgeme<strong>in</strong>de vere<strong>in</strong>igt sie sich mit dem kriegerischen Untier,mit <strong>der</strong> menschlichen Weltmacht aller bewaffneten Völker.Ungedeckt <strong>und</strong> ohne Waffen zieht <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de des Friedens<strong>der</strong> übergewaltigen Doppelmacht entgegen. Sie versagtbeiden Mächten <strong>die</strong> Anbetung <strong>und</strong> weiß: Das übermächtigeBabylon wird fallen. Zwar sitzt das abtrünnige, ungetreue Weibnoch fest auf <strong>der</strong> Weltmacht <strong>der</strong> herrschenden Gewalten, zwarbleibt es im Hochgefühl se<strong>in</strong>er Macht von dem Märtyrerblutse<strong>in</strong>er Opfer berauscht (Offb. 17, 3-6). Aber <strong>der</strong> Atem <strong>der</strong> anhebendenChristusherrschaft fegt es h<strong>in</strong>weg. Die von untenaus verdoppelte Großmacht wird von oben her gebrochen. Derlügnerische Drache des Unfriedens wird ausgeschaltet. DerKrieg wird gebannt. Das Friedensreich kommt.Auch <strong>der</strong> letzte aus dem Dunkel aufbrechende kriegerischeAnsturm <strong>der</strong> menschlichen Großmächte wird nie<strong>der</strong>geschlagen.Wie je<strong>der</strong> Krieg trägt er den Charakter <strong>der</strong> entfesseltenSatansmacht an sich <strong>und</strong> rennt deshalb folgerichtig immerwie<strong>der</strong> gegen das Reich Gottes an. Der letzte Weltenbranddes Endkrieges muss alle Staaten <strong>der</strong> Gewalt mit allen Großmächten<strong>der</strong> Welt für immer vertilgen <strong>und</strong> vernichten. Das neuew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 190Zeitalter beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> endgültigen Beseitigung aller Kriegsgewalten.Die Hochzeitsfreude <strong>und</strong> <strong>die</strong> Tischgeme<strong>in</strong>schaft tretenan <strong>die</strong> Stelle <strong>der</strong> Kriegsgräuel, <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> des Todes.In e<strong>in</strong>samer Größe von e<strong>in</strong>er Welt von Fe<strong>in</strong>den umgeben,musste <strong>die</strong> alte Prophetie gegen das Priestertum ihrer Kirche<strong>und</strong> gegen das Königtum ihres Staates <strong>in</strong> Gegensatz treten,denn beide Gewalten suchten ihr Reich nach dem kriegerischen<strong>und</strong> prachtgewaltigen Vorbild <strong>der</strong> heidnischen Großmächteauszubauen. Ebenso muss <strong>die</strong> apostolische Prophetie desUrchristentums gegen <strong>die</strong> blutige Gewalt <strong>der</strong> Staatsmacht <strong>und</strong>gegen alle sie heuchlerisch unterstützende, <strong>in</strong> Wahrheit vonGott abgefallene Religion ankämpfen.Der Gott Abrahams, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> Propheten ist <strong>und</strong> bleibt,will nach dem Glauben <strong>der</strong> Apostel als <strong>der</strong> Vater Jesu Christ<strong>in</strong>icht e<strong>in</strong> Gott des Gesetzes bleiben. Er ist <strong>der</strong>selbe Gott, <strong>der</strong> erzur Zeit des Gesetzgebers <strong>und</strong> Propheten Mose war. Aber <strong>der</strong>Weg se<strong>in</strong>es Herzens siegt über <strong>die</strong> Wege se<strong>in</strong>es Zornes. DerGeist se<strong>in</strong>es Friedens tritt an <strong>die</strong> Stelle des Gesetzes. Was dasGesetz nicht konnte, vollbrachte Gott <strong>in</strong> Christus. Se<strong>in</strong> Geistbewirkt es: Der Glaube an den Gott <strong>und</strong> Vater Jesu Christigehorcht dem Frieden, denn für den vollkommen gewordenenGlauben ist er <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong> vollendeten Liebe. Er ist <strong>der</strong> Gott <strong>der</strong>Geschichte, <strong>der</strong> alle L<strong>in</strong>ien des geschichtlichen Verlaufs <strong>in</strong> dene<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>zigen Weg se<strong>in</strong>es Christusfriedens zusammenkommen<strong>und</strong> auslaufen lässt.Es gilt das <strong>in</strong>nerste Herz Gottes von se<strong>in</strong>em Gericht zu unterscheiden.Auch <strong>in</strong> den dunklen Gluten des Gerichts lebt <strong>der</strong>verborgene Strahl se<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Liebe. Das tödlich treffendeGericht se<strong>in</strong>er Nähe ist liebenäher als <strong>die</strong> kalte Ferne e<strong>in</strong>erabgewandt vorgestellten Gottheit. Furchtbar s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ehernenSchritte des Gotteszornes. Schrecken br<strong>in</strong>gt es, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Händese<strong>in</strong>es Gerichts zu fallen. Aber se<strong>in</strong> erbebendes Herz breitet <strong>in</strong><strong>der</strong> Verborgenheit für alle se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de den Mantel <strong>der</strong> Liebeaus. “Wie lieblich s<strong>in</strong>d auf den Bergen <strong>die</strong> Füße <strong>der</strong> Freudenboten,<strong>die</strong> da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen,<strong>die</strong> da sagen zu Zion: De<strong>in</strong> Gott ist König!” (Jes. 52, 7).Allen Menschen haben sie Frieden anzusagen. Ihre Botschaftist klar: Das Gericht Gottes mündet <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Herz. Es hat ihnw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 191selbst getroffen. Das Herz wird König! Se<strong>in</strong>e Gesandtschaftwe<strong>in</strong>t bitterlich, dass <strong>der</strong> Friede verloren war. Für sie gibt eske<strong>in</strong> schwereres Gericht als den Verlust des Friedens. Nunaber überreicht sie <strong>die</strong> versiegelte Botschaft. Das Wun<strong>der</strong> desHerzens ist stärker als alles Gericht.Mögen <strong>die</strong> Berge <strong>in</strong> vulkanischen Ausbrüchen zerschmelzen,mögen <strong>die</strong> Hügel dem erschütternden Erdbeben erliegen,mag <strong>die</strong> Erde schwanken <strong>und</strong> bersten, mag das Gericht<strong>der</strong> Zornesmacht hohe Gewalten zertrümmern: Die Liebe desHerzens Gottes als <strong>der</strong> Farbenbogen se<strong>in</strong>er Vollkommenheitschwankt nicht. Die Sonne se<strong>in</strong>es Herzens bestrahlt <strong>die</strong> vernichtendeWand des zornigen Ungewitters. Der Wolkenbogendes Friedens überbrückt <strong>die</strong> Wetter des Zornes. Mögen Völkerb<strong>und</strong><strong>und</strong> Weltfriede scheitern. Mögen alle Verträge zerreißen.Gottes B<strong>und</strong>esr<strong>in</strong>g zerbricht nicht. Die Gerichtszeiten kommen.Sie s<strong>in</strong>ken <strong>in</strong>s Grab. Der Friede ersteht. Er bleibt. Er verän<strong>der</strong>tsich nicht. Friede ist das letzte Wort Gottes. Er ist se<strong>in</strong> Herz.Der letzte Wille Gottes ist <strong>und</strong> bleibt <strong>der</strong> Friede.Wer se<strong>in</strong>e Augen nicht mehr an <strong>die</strong> geschichtlichen <strong>und</strong>menschlichen Werkzeuge des Gerichts <strong>und</strong> Zorns verliert,wer sich <strong>in</strong> tiefster <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht dem Herzen Gottes, dem Herzense<strong>in</strong>er Geschichte zuwendet, ist mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ungerechtigkeit<strong>und</strong> den mör<strong>der</strong>ischen Kriegswirren <strong>in</strong> den Friedensgartene<strong>in</strong>getreten. Der geschichtliche Jesus ist das Herz Gottes. Als<strong>der</strong> kommende Christus br<strong>in</strong>gt er es zur Weltgeltung. Er gibtBefehl <strong>und</strong> Vollmacht, das Schwert <strong>in</strong> <strong>die</strong> Scheide zu tun <strong>und</strong> fürimmer abzulegen. Das Herz Jesu schaut <strong>in</strong> banger Klarheit auf<strong>die</strong> Katastrophe h<strong>in</strong>, <strong>die</strong> <strong>in</strong> größten Kriegen <strong>und</strong> blutigsten Aufständenalle Weltreiche <strong>und</strong> <strong>die</strong> ganze Weltwirtschaft zertrümmernmuss. Er weiß, dass um des Unfriedens willen <strong>die</strong> St<strong>und</strong>edes Zornes dem Tag des Friedens vorausgeht. Der im letztenGerichtskrieg nahende Kulturuntergang bildet e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>zügese<strong>in</strong>er großen prophetischen Rede. Dieselbe Rede habenJohannes <strong>und</strong> Paulus <strong>in</strong> gewaltigem Ausbau <strong>in</strong> <strong>die</strong> apostolischeProphetie aufgenommen.Der furchtbare Kelch kann nicht vermieden werden. DerAcker muss gerodet se<strong>in</strong>, das Unkraut muss verbrannt werden;nie wie<strong>der</strong> soll es neuen Mordsamen verbreiten können. Dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 192Unheil muss deutlich vor aller Augen stehen, wenn es ausgetilgtwerden soll. Politische Wirren, Kriegsausbruch <strong>und</strong> Revolution,wirtschaftliche Nöte <strong>und</strong> erschreckende Naturereignissemüssen <strong>die</strong> Menschheit noch e<strong>in</strong>mal dem ihr eigenen Unfriedenausliefern. Aber <strong>in</strong>mitten des höllischen Tobens offenbartsich das Para<strong>die</strong>s des Friedens. Wer, von dem Grauen <strong>der</strong> letztenVerwüstung umgeben, ohne Blutvergießen <strong>in</strong> <strong>der</strong> unangetastetenBru<strong>der</strong>liebe des heiligen Gotteswerkes ausharrt, bestehtdas äußerste Gericht <strong>der</strong> letzten Katastrophe.Die alte Welt bricht <strong>in</strong> grauenvoller Selbstverwüstung zusammen.Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi bleibt an allen Gräuelnunbeteiligt. Die tobende Weltmacht kann <strong>die</strong> unantastbareFriedenshaltung <strong>der</strong> Christusgeme<strong>in</strong>de nicht ertragen. DerIngrimm aller kriegerischen Gewalten verfolgt <strong>die</strong> gesammelte<strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Gottesfriedens. Inmitten <strong>der</strong> äußersten Notweigert sie sich, das ger<strong>in</strong>gste Kriegszeichen des unmenschlichenRaubtieres anzunehmen. Die Macht <strong>der</strong> Liebe wi<strong>der</strong>steht<strong>der</strong> Gewalt des Unfriedens. Gerade deshalb erreicht <strong>die</strong>Wut <strong>der</strong> Verfolgung ihren Höhepunkt. Der prophetische Geistdes Friedenskönigs durchschaut <strong>die</strong> Spannung <strong>die</strong>ser letztene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entgegengesetzten Mächte <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> des Hassesals <strong>die</strong> alles erschütternde Spannkraft <strong>der</strong> Geschichte <strong>und</strong> Endgeschichte.Er sieht es: Die Wehen <strong>der</strong> letzten Not müssen <strong>der</strong>Geburt des Weltenfriedens vorausgehen.Die schauerlichen Geburtswehen <strong>der</strong> letzten Zeit gehörenzu dem Fluch des Todes, den <strong>der</strong> Verlust des ersten Menschheitsfriedensmit sich gebracht hat. Ohne das letzte Gerichtüber den furchterregenden, se<strong>in</strong> letztes Unk<strong>in</strong>d austragendenUnfrieden kann <strong>der</strong> Gottesfriede des großen Advent nicht geborenwerden. Unmittelbar vor dem Anbruch des Neuen muss<strong>die</strong> ungeheuerlichste Not alles Alte zerbrochen haben. Alle <strong>E<strong>in</strong></strong>richtungen<strong>der</strong> menschlichen Gesellschaft müssen umgestürztwerden. Alle ihre Stempel <strong>der</strong> Gewalt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sklaverei müssenausgetilgt se<strong>in</strong>. Auf dem unverän<strong>der</strong>ten Boden des Unfriedenskann ke<strong>in</strong> Friede gepflanzt werden. Der Pflug setzt e<strong>in</strong>. Erschafft den Neubruch. Der Anbruch <strong>der</strong> Gottesherrschaft führtden erschreckenden Abschluss <strong>der</strong> Weltgeschichte herbei, umw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 193auf ihren Trümmern <strong>die</strong> von aller Vermischung gere<strong>in</strong>igte Gerechtigkeitewigen Friedens heraufführen zu können.Mitten <strong>in</strong> <strong>die</strong> rasend gewordene Welt des Unfriedens <strong>und</strong> <strong>der</strong>Ungerechtigkeit lässt Christus das unbefleckte Reich des Friedenshere<strong>in</strong>brechen. Aber <strong>die</strong>se unvermittelt hernie<strong>der</strong>fahrendeZukunft ist <strong>in</strong> dem Geist Jesu Christi unmittelbare Gegenwart:In se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de ist <strong>der</strong> Friedenswille jetzt <strong>und</strong> hier Tat <strong>und</strong>Leben. Gottes Weltgericht vernichtet <strong>die</strong> bösen Gewalten desUnfriedens, um durch <strong>die</strong> letzte <strong>und</strong> größte Katastrophe <strong>der</strong>Kriegsgeschichte den ewigen Frieden zu br<strong>in</strong>gen. Die RegierungGottes muss zu <strong>die</strong>sem letzten Schritt schreiten, weil sieke<strong>in</strong>en B<strong>und</strong> mit den Mächten <strong>der</strong> Ungerechtigkeit e<strong>in</strong>zugehenvermag. Unter den zerstörerischen Soldatenstiefeln schreitetdas Herz Gottes als <strong>der</strong> abermals gekreuzigte Christus <strong>in</strong>unverän<strong>der</strong>licher Liebe h<strong>in</strong>durch: Die Geme<strong>in</strong>de des Gekreuzigtenträgt den Gottesfrieden unangetastet dem kommendenTag entgegen.Der Geist Jesu Christi lässt <strong>die</strong> klare Luft des letzten Friedensreichesmitten <strong>in</strong> <strong>die</strong> unheilschwangere Schwüle e<strong>in</strong>brechen.Se<strong>in</strong> Evangelium br<strong>in</strong>gt Re<strong>in</strong>heit, Versöhnung <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>igung.Se<strong>in</strong> neuer Geist ist <strong>die</strong> Legitimation des Friedensreiches. Derzukünftige Ratschluss ist durch das Siegel des Geistes schonjetzt <strong>und</strong> hier <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de anvertraut <strong>und</strong> übergeben. Die Geme<strong>in</strong>deJesu Christi verkörpert <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des völligenFriedens. In <strong>der</strong> Jetztzeit wird durch sie Leben <strong>und</strong> unvergänglichesWesen ans Licht gebracht. Dem Töten <strong>und</strong> Morden ist sieals Träger<strong>in</strong> des Friedensreiches für immer entnommen.Die <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>gegossene Gottesliebekann durch ke<strong>in</strong>e Macht <strong>der</strong> Gewalt <strong>in</strong> <strong>die</strong> St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Versuchunggeführt werden. Wie Jesus nicht zum römischen Soldatengemacht werden kann, so können <strong>die</strong> Glie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de we<strong>der</strong> Polizeipräsidenten noch Fliegeroffiziere,we<strong>der</strong> Artilleristen noch Landjäger se<strong>in</strong>. We<strong>der</strong> das Gift noch<strong>die</strong> Bombe, we<strong>der</strong> <strong>die</strong> Pistole noch <strong>der</strong> Degen, we<strong>der</strong> dasHenkerschwert noch <strong>der</strong> Galgen können ihre Waffen se<strong>in</strong>. Als<strong>der</strong> Brief Christi, als <strong>die</strong> Offenbarung des Herzens Jesu habensie nichts an<strong>der</strong>es als das Ebenbild <strong>der</strong> letzten Liebesklarheitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 194weiterzugeben. In <strong>der</strong> Anwesenheit Christi haben sie se<strong>in</strong>eAnkunft, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gegenwärtigen Offenbarung haben sie se<strong>in</strong>Kommen zu vertreten.Das Verborgene <strong>der</strong> letzten Friedenszukunft, das Unsichtbare<strong>der</strong> kommenden Friedenswelt wird an <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de sichtbar.Alle sollen <strong>die</strong>ses Gotteswerk sehen. An ihm sollen alle denVater Jesu Christi ehren. Das re<strong>in</strong>e <strong>und</strong> unverfälschte Bild Jesuist <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige Hoffnung <strong>der</strong> Zukunft. Die Geme<strong>in</strong>de ist se<strong>in</strong>ehochgereckte Fackel. Sie ist <strong>die</strong> leuchtende Bergstadt.Die Sterne <strong>der</strong> Prophetie durchleuchteten <strong>die</strong> Nacht desUnfriedens. Sie überzogen Jahrhun<strong>der</strong>te h<strong>in</strong>durch <strong>die</strong> Himmelskugel<strong>der</strong> Weltgeschichte. Der Sternenhimmel <strong>der</strong> Prophetielässt am Abend <strong>der</strong> Geschichte <strong>die</strong> Götzendämmerung <strong>der</strong>großen Kriegsgewalten sich nie<strong>der</strong>senken. Mit dem Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong>letzten Zeit stieg am Firmament <strong>der</strong> Prophetie <strong>der</strong> Morgensterndes Friedenskönigs auf. Er als <strong>der</strong> Morgenstern <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deführt <strong>die</strong> dämmernde Nähe des kommenden Tages herauf. DieGeme<strong>in</strong>de ist mit <strong>der</strong> Sonne des Friedens vermählt. Wer denMorgenstern <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Herzen aufsteigen lässt, ist aller kriegerischenWeltmacht entnommen. Er gehört mit jedem Pulsschlagdem nahenden Tag des großen Gottesfriedens.Das Morgenrot <strong>der</strong> neuen Zeit lässt <strong>die</strong> unsichtbare Stadt desFriedens aufleuchten. Das verborgene Land <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schafttaucht auf. Im heiligen Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de senkt sich das neueJerusalem herab. Es ist <strong>die</strong> Stadt <strong>der</strong> Vollkommenheit, <strong>die</strong>Stadt ohne Tempel, <strong>die</strong> mit dem Kultus abgeschlossen hat. IhrGeme<strong>in</strong>schaftsleben ist <strong>der</strong> Friedenstempel des großen Königs.Die Geme<strong>in</strong>de trägt das siebenfache Leuchten des Friedenssabbath,an dem das eigene Werk des Menschen für immerruhen soll, weil an ihm das große, stille Wirken Gottes begonnenhat. Die Friedensstadt <strong>der</strong> Freude offenbart den Lichtglanz<strong>der</strong> neuen Schöpfung. Das Erste ist vergangen. Das Letzte tritt<strong>in</strong> Kraft. Es wird alles neu.Es ist <strong>die</strong> Sammlung von allen vier Enden, es ist <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igungvom Ende <strong>der</strong> Erde bis zum Ende des Himmels, es ist<strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> noch Lebenden <strong>und</strong> <strong>der</strong> lebendig Verherrlichten,es ist das Gottesreich des Friedens, dessen Zukunftskraftw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 195<strong>in</strong> <strong>der</strong> unwandelbaren Geme<strong>in</strong>schaft des Geistes <strong>und</strong> Lebensbe-g<strong>in</strong>nt; für unsere Zeit trägt sie den Namen „Geme<strong>in</strong>de”.Hier rüstet sich <strong>die</strong> Braut im Frieden <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de zumEmpfang des Verlobten. Mit leuchtenden Fackeln des Geisteswill sie dem Festmahl se<strong>in</strong>er Hochzeit entgegengehen.Der Festtag des Friedenskönigs richtet den Thron se<strong>in</strong>erRegierung auf. Se<strong>in</strong>e unendliche Freude setzt se<strong>in</strong>e Herrschaft<strong>in</strong> <strong>die</strong> Tat um. Für <strong>die</strong> Arbeit se<strong>in</strong>er Regierung stehen Stühlebereit (Offb. 3, 21). Wille <strong>und</strong> Tat krönen se<strong>in</strong> Fest. Die Feier<strong>der</strong> Befreiung von dem großen Untier <strong>der</strong> blutigen Gewalt <strong>und</strong>von dem mächtigen Weiß <strong>der</strong> ungetreuen Verführung br<strong>in</strong>gtwirkendes Leben <strong>und</strong> bestimmendes Regiment. Das Fest eröffnet<strong>die</strong> Herrschaft des priesterlichen Königtums auf dem Boden<strong>der</strong> Versöhnung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirklichkeit tatenfroher Vere<strong>in</strong>igung.Die Braut des Königs ist für <strong>die</strong> tätige Feier <strong>der</strong> vollendetenFriedensherrschaft gerüstet.Diese Botschaft <strong>der</strong> apostolischen Prophetie wurde Johannesals gewisseste Nachricht <strong>der</strong> nahenden Zeit übergeben. Es ist<strong>die</strong> “Offenbarung Jesu Christi, welche ihm Gott gegeben hat,um se<strong>in</strong>en Knechten zu zeigen, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kürze geschehensoll” (Offb. 1, 1). Der zwischen den sieben Leuchtern <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de ersche<strong>in</strong>ende Christus empfängt von <strong>der</strong> weltregierendenMajestät, <strong>die</strong> von den vier<strong>und</strong>zwanzig Ältesten <strong>und</strong> denvier strahlenden Lebewesen <strong>der</strong> Sternenschöpfung umgebenist, <strong>die</strong> Buchrolle <strong>der</strong> Zukunft. Er alle<strong>in</strong>, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Glaube <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de ist, vermag sie zu öffnen. Deshalb also ist <strong>die</strong>seletzte Zukunft des aufstrahlenden Friedensreichs se<strong>in</strong>e Gegenwart.Sie ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Deshalb muss Johannes se<strong>in</strong>eOffenbarung den sieben Geme<strong>in</strong>den ebenso wirklichkeitsnahwie auch zukunftweisend nie<strong>der</strong>schreiben. Das Jetzige desGlaubens <strong>und</strong> das Kommende <strong>der</strong> Hoffnung ist für den schauendenSeher das gleiche: <strong>die</strong> bleibende <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Liebe.Das zukünftige Reich Gottes ist mit se<strong>in</strong>er vollkommenen Gerechtigkeit,mit se<strong>in</strong>em vollendeten Frieden <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> Freudese<strong>in</strong>er Liebese<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de des Heiligen GeistesGegenwart. Der Friedenskönig bewirkt <strong>in</strong>mitten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dejetzt <strong>und</strong> hier <strong>der</strong>en unangreifbare Friedensgeme<strong>in</strong>schaft. Siehat nach außen wie nach <strong>in</strong>nen nichts an<strong>der</strong>es als Friedenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 196zu br<strong>in</strong>gen. Selbst <strong>die</strong> Verschließung des Satans für <strong>die</strong> "tausendjährige"Festzeit (Offb. 20) ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erlösung <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igungChristi Wirklichkeit des jetzt <strong>und</strong> hier getätigten Friedens.Die Geme<strong>in</strong>de ist das offene Friedenstor <strong>der</strong> Jetztzeit für den<strong>E<strong>in</strong></strong>gang <strong>in</strong> das Reich <strong>der</strong> Zukunft. Für <strong>die</strong> glaubende <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igeGeme<strong>in</strong>de ist <strong>der</strong> Satan geb<strong>und</strong>en. In ihr ist se<strong>in</strong>e Zwietracht<strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeit abgeschafft. Das Friedensreich ist gewonnen.Die Waffen s<strong>in</strong>d nie<strong>der</strong>gelegt. Christus ist König. Es ist esjetzt <strong>und</strong> hier als Kopf <strong>und</strong> Herz <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.Se<strong>in</strong> Liebesgeist <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitswille dr<strong>in</strong>gt von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deaus <strong>in</strong> alle Welt vor. Diese gegenwärtige Tatsache verbürgt<strong>die</strong> Gewissheit <strong>der</strong> Zukunft, dass er es ist, <strong>der</strong> <strong>die</strong> ganzeSchöpfung erobert. Als Neuschöpfung wird durch ihn <strong>der</strong> zerrisseneKosmos Lebense<strong>in</strong>heit. In Christus vergeht <strong>die</strong> alte Welt.Es ersteht <strong>die</strong> neue Kreatur. Jesus ist <strong>der</strong> neue Mensch <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de, <strong>der</strong> Menschensohn des kommenden Reiches. Inihm ist <strong>die</strong> Gottesherrschaft durch den gegenwärtigen Glaubenzur Bru<strong>der</strong>liebe <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>desliebe geworden. Se<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>delebensoll für das glaubende Auge das lebendige Gleichnisse<strong>in</strong> für <strong>die</strong> Friedense<strong>in</strong>heit, zu welcher Gott <strong>die</strong> Erde erobernwill. Die Stadt des Friedens wird <strong>der</strong> heutigen Welt an <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de erkennbar. Sie ist <strong>der</strong> <strong>Wegweiser</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Zukunft.Alle sollen darum wissen; ke<strong>in</strong> Fleck <strong>der</strong> Erde darf im Dunkelngelassen werden. Das hochgehaltene Licht durchdr<strong>in</strong>gt alleRäume. Die Lichtstadt sendet Lichtträger aus. Die Lebensgeme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong> Bergstadt ist mit <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>religion <strong>der</strong>Aussendung identisch.Urchristliche Geme<strong>in</strong>de-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Apostolat des Friedenss<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>es. Die brü<strong>der</strong>liche Geme<strong>in</strong>debildung sendet allenBewohnern <strong>der</strong> Erde ihre Kraft zu – <strong>die</strong> Kraft zur <strong>E<strong>in</strong></strong>tracht <strong>und</strong>zum Frieden. Die Strahlen <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Sonnenstadt reichenh<strong>in</strong>, <strong>die</strong> ganze Welt zu erhellen. Die apostolische Zeit weist <strong>der</strong>urchristlichen Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> weltumspannende Aufgabe zu,<strong>die</strong> Sache des Reiches Gottes <strong>in</strong> unvermischter Klarheit nachallen Seiten auszustrahlen. Nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e, e<strong>in</strong>zigeSache hat sie zu vertreten. Nicht nur <strong>die</strong> den Aposteln unmittelbarfolgenden Generationen lassen das aufs deutlichstew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 197erkennen, son<strong>der</strong>n weit h<strong>in</strong>aus bis <strong>in</strong>s dritte Jahrhun<strong>der</strong>t haltennachgeborene Geschlechter durch <strong>die</strong>ses klare Licht <strong>der</strong>urchristlichen Wahrheit <strong>die</strong> langsam <strong>und</strong> nachhaltig aufkommendeVerdunkelung auf.Die nachapostolischen Ältesten zur Zeit <strong>der</strong> ersten Geme<strong>in</strong>denberiefen sich auf <strong>die</strong> apostolische Sendung. So ist auch fürJust<strong>in</strong> um das Jahr 150 <strong>der</strong> prophetische Geist <strong>der</strong> Verkün<strong>der</strong>e<strong>in</strong>er mit den Aposteln e<strong>in</strong>getroffenen Zukunft. Dass <strong>die</strong>Schwerter zu Pflugscharen, <strong>die</strong> Lanzen zu Sicheln umgeschmiedetse<strong>in</strong> sollten, dass nie mehr Volk gegen Volk zumSchwert greifen, dass man das Kriegführen verlernen sollte– das alles ist ihm Jetzt e<strong>in</strong>getroffen” 35 . “Denn von Jerusalem– von <strong>der</strong> Stadtgeme<strong>in</strong>de völliger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> absoluterGeme<strong>in</strong>schaftlichkeit – g<strong>in</strong>gen Männer <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt h<strong>in</strong>aus, <strong>die</strong>,<strong>der</strong> Rede nicht mächtig, ... durch <strong>die</strong> Kraft Gottes ... dem ganzenMenschengeschlecht von dem kommenden Messias gesandtwaren. Sie kamen, um allen das Wort Gottes als <strong>die</strong> Tatsachedes vollkommenen Friedens zu überbr<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> Tatsache e<strong>in</strong>esFriedens, <strong>in</strong> dem wir uns je<strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dseligkeit enthalten.”Ebenso schil<strong>der</strong>t Just<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>mal das frühe Christentumum das Jahr 160 als e<strong>in</strong> Leben <strong>der</strong> Ehrfurcht, <strong>der</strong> Gerechtigkeit,<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Menschenliebe <strong>und</strong> <strong>der</strong> glaubenden Zukunftserwartung,so dass er auch hier bezeugen muss: “Auch wirhatten uns e<strong>in</strong>st auf Krieg <strong>und</strong> Mord nicht weniger gut als aufalles an<strong>der</strong>e Böse verstanden. Aber wir alle, wo wir auch immerauf <strong>der</strong> weiten Erde wohnen mögen, wir alle haben <strong>die</strong> Kriegswaffenumgetauscht: Schwerter gegen Pflugscharen, Lanzengegen Ackergeräte.”Noch schärfer schreibt um das Jahr 180 Theophilus anAutolykus nie<strong>der</strong>: “Sogar das bloße Zuschauen bei lebensgefährlichenSportkämpfen ist uns versagt. Wir können we<strong>der</strong>aktive Teilnehmer noch zuschauende Mitwisser von Taten se<strong>in</strong>,<strong>die</strong> Menschen den Tod br<strong>in</strong>gen. Selbst unsere Augen <strong>und</strong> unsereOhren sollen bei ke<strong>in</strong>er Mordtat mitwirken. Von jedem_______________________________35Zitate hier <strong>und</strong> folgend aus “Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe - Dokumente,Briefe <strong>und</strong> Texte <strong>der</strong> Urchristen”, Eberhard Arnold Hrsg.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 198Miterleben todbr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Taten haben wir uns fern zu halten,fern selbst vom Zuhören, wenn <strong>der</strong>artige Taten auch nur <strong>in</strong>Gesang <strong>und</strong> Lied verherrlicht werden.” Nicht nur jede äußere,son<strong>der</strong>n selbst <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Teilnahme am Krieg ist ausgeschlossen.Jede Heldenpropaganda des Blutvergießens wird abgelehnt.Denn “<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi wird Gerechtigkeitgelebt; <strong>der</strong> Glaube wird durch <strong>die</strong> Tat bezeugt; hier bewahrt <strong>die</strong>Gnade <strong>und</strong> schirmt <strong>der</strong> Friede. Gott ist hier König.”Origenes schreibt am Ende <strong>die</strong>ses frühen Zeitabschnitts<strong>die</strong> urchristliche Konsequenz <strong>die</strong>ser Glaubenshaltung mit denunmissverständlichen Worten nie<strong>der</strong>: “Der Christ darf gegenniemand das Recht des Schwertes üben. Die Geme<strong>in</strong>de Jesuhat e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Politeia.” Sie hat e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e öffentlicheVerantwortung, e<strong>in</strong>en ganz an<strong>der</strong>en politischen Auftrag,e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Bürgertum, e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Gestaltung desGeme<strong>in</strong>schaftslebens, als es <strong>die</strong> militärische <strong>und</strong> juristischeMacht <strong>der</strong> Staatsgewalt haben muss.Deshalb könnte nach Tertullian, <strong>der</strong> wie Origenes <strong>in</strong> dasdritte Jahrhun<strong>der</strong>t h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wirkt, e<strong>in</strong> Träger e<strong>in</strong>es Staatsamtesnur dann als Christ angesehen werden, wenn er se<strong>in</strong> Amt “ohneVerurteilung, ohne Strafverordnung, ohne Kette o<strong>der</strong> Kerker<strong>und</strong> ohne Folter, ohne Strafe über Leben <strong>und</strong> Tod <strong>und</strong> ohne dasAbsprechen <strong>der</strong> bürgerlichen Ehre” ausüben würde.Das dritte Jahrhun<strong>der</strong>t hält also trotz <strong>der</strong> aufsteigenden Großkirchenoch immer an <strong>der</strong>selben <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht fest, für <strong>die</strong> im zweitenJahrhun<strong>der</strong>t Athenagoras <strong>die</strong> scharfen Worte geprägt hat:“Das Bedrängen von Menschen mit Prozessen, <strong>in</strong> denen es umLeben <strong>und</strong> Tod geht, ist Frevel an Menschenfleisch... Verübtman <strong>die</strong>sen Blutfrevel an Christen, so vergreift man sich ansolchen, <strong>die</strong> vor Schlägen sich nicht e<strong>in</strong>mal zurückziehendürfen; niemals können sie e<strong>in</strong>en Schlag erwi<strong>der</strong>n.”Für das nachapostolische Christentum war es ebenso klarwie für <strong>die</strong> ersten Christen <strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de, was Origenesnoch im Jahre 248 Celsus entgegnete: “Man darf von Christenke<strong>in</strong>en Kriegs<strong>die</strong>nst for<strong>der</strong>n.” (Wie man <strong>die</strong>s ja auch nicht vonPriestern for<strong>der</strong>t.) “Wir ziehen mit dem Kaiser nicht <strong>in</strong>s Feld,auch dann nicht, wenn er es verlangt.” Die Christen stehennur durch ihr von Christus bestimmtes Gebet für <strong>die</strong> Obrigkeitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 199e<strong>in</strong>. Sie tun <strong>die</strong>s nur durch das Gebet um den Frieden, nurdurch das Gebet um <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des neuen Menschentums,nur <strong>in</strong> dem Gebet, dass allen Bewohnern <strong>der</strong> Erde <strong>E<strong>in</strong></strong>tracht<strong>und</strong> Friede gegeben werde, nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fürbitte, dass <strong>die</strong>Regierungen aller Völker im Frieden <strong>und</strong> <strong>in</strong> gewaltloser Güteihre Vollmacht ehrfurchtsvoll ausüben, nur <strong>in</strong> dem Glauben,dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Auferstehung vom Tode <strong>der</strong> Friede desneuen Lebens gewirkt werde.Der streng im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de noch vor dem Jahre100 geschriebene erste Clemensbrief <strong>und</strong> auch <strong>die</strong> sehr vielweniger kirchlichen Thomasakten, <strong>die</strong> bald nach dem Jahre160 geschrieben wurden, erweisen <strong>in</strong> solchen Worten völligsteÜbere<strong>in</strong>stimmung mit Origenes. Just<strong>in</strong> konnte <strong>und</strong> musstesagen, dass alle Mächte <strong>und</strong> Reiche <strong>der</strong> großen Welt mit Angstauf Jesus blicken <strong>und</strong> dennoch anerkennen, dass <strong>die</strong> Christusgläubigenüberall als Friedensträger auftreten. Er schriebferner um das Jahr 150: “Mehr als alle an<strong>der</strong>en Menschen s<strong>in</strong>dwir euch Helfer <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esgenossen zum Frieden.” Tertullianfasst <strong>die</strong> Stellungnahme des frühen Christentums, von <strong>der</strong> Zeit<strong>der</strong> Apostel bis <strong>in</strong>s dritte Jahrhun<strong>der</strong>t, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Worte zusammen:“Nur ohne Schwert kann <strong>der</strong> Christ Krieg führen. Die göttlicheFahne <strong>und</strong> <strong>die</strong> menschliche Fahne passen nicht zusammen –das Feldzeichen Christi <strong>und</strong> das Feldzeichen des Teufels!”Der Krieg ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> mächtigste Gewalttate<strong>in</strong>er überall wirksamen Dämonie. Auch ohne <strong>die</strong> mör<strong>der</strong>ischenMittel des offenen Krieges besteht ununterbrochene Fe<strong>in</strong>dseligkeit.Der “Weltfriede” ist Kriegszustand mit an<strong>der</strong>en Mitteln.Friede ist er nicht. Nicht nur <strong>der</strong> Krieg, auch <strong>der</strong> dem Kriegzugr<strong>und</strong>e liegende Unfriede politischer “Friedenszeiten” istsatanisch. Er betreibt im fälschlich so genannten “Frieden” aufallen Gebieten den dämonischen Frevel am Leben. Es ist durchausnicht nur <strong>der</strong> Ausbruch militärischer Fe<strong>in</strong>dseligkeiten, gegenwelchen <strong>die</strong> Friedensträger <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de aufstehen müssen.Es ist ebenso <strong>der</strong> heute überall übliche Mangel an Ehrfurcht vordem Leben des an<strong>der</strong>en, am deutlichsten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vernichtungkeimenden Lebens, <strong>die</strong> das frühe Christentum als “Mord” <strong>und</strong>“K<strong>in</strong><strong>der</strong>mord” kennzeichnet. “Menschenmör<strong>der</strong><strong>in</strong>nen” nennt esw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 200jene Frauen, <strong>die</strong> “durch e<strong>in</strong>genommene Arzneien e<strong>in</strong>e Fehlgeburtherbeiführen” o<strong>der</strong> doch <strong>in</strong> stiller <strong>E<strong>in</strong></strong>willigung an sich geschehenlassen.Die Träger des Friedens kennen alle trüben Quellen <strong>der</strong> tödlichenEntzweiung. Als gefährlichste Wurzeln mör<strong>der</strong>ischenUnfriedens bekämpfen sie <strong>die</strong> Macht des Geldes ebensoleidenschaftlich wie <strong>die</strong> Untreue <strong>der</strong> Liebesbeziehungen.Tertullian bezeugt, dass <strong>der</strong> Geist “alles geme<strong>in</strong>schaftlich macht,nur e<strong>in</strong>es nicht: <strong>die</strong> Frauenliebe.” Auf beiden Lebensgebietenist <strong>die</strong> Begehrlichkeit <strong>die</strong> Wurzel des Krieges, auch des latentenKriegszustandes zwischen Menschen, <strong>die</strong> doch alle mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>als Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong> Schwestern für e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>samesGottesleben bestimmt s<strong>in</strong>d.Im prophetischen Glauben des frühen Christentums ist dasGeld e<strong>in</strong>e “Quelle <strong>der</strong> Gottlosigkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Meisterlosigkeit, e<strong>in</strong>Führer zum Kriege <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Werkzeug <strong>der</strong> Kriegführung. Es ist<strong>die</strong> verhasste Plage <strong>und</strong> Qual e<strong>in</strong>es nur fälschlich so genanntenFriedens... Solange <strong>die</strong> Erde durch Übervorteilung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>enunter Geldbesitzer verteilt ist, solange Eigentümer des Geldese<strong>in</strong>e Erde <strong>in</strong>nehaben, <strong>die</strong> so viele ernähren könnte, solangewerden <strong>die</strong> Armen ausgebeutet <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erniedrigten <strong>in</strong> Unterdrückunggehalten.” Solange kann es unter den Menschenniemals zur Gerechtigkeit, unmöglich also zum Friedenkommen, <strong>der</strong> ohne Gerechtigkeit <strong>und</strong> ohne Liebe nicht e<strong>in</strong>enAugenblick bestehen kann.Nach den Worten <strong>die</strong>ser frühchristlich weith<strong>in</strong> anerkanntenProphetie <strong>und</strong> ebenso nach dem Zeugnis Just<strong>in</strong>s handelt essich um <strong>die</strong> Kraft, brü<strong>der</strong>liches Zusammenleben <strong>in</strong> ungestörterFre<strong>und</strong>schaft zu verkündigen, weil <strong>die</strong> von Gott verheißene Zeitnaht. Todesmutige Märtyrer erklärten vor <strong>der</strong> Anklagebehörde,ke<strong>in</strong> Reich <strong>der</strong> gegenwärtigen Weltzeit anerkennen zu können,vielmehr nur e<strong>in</strong>en Gebieter zu kennen, <strong>der</strong> <strong>der</strong> König allerKönige, <strong>der</strong> Herrscher aller Völker se<strong>in</strong> muss. Nach Hippolytwurde noch im dritten Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>in</strong> den Aufnahmebed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong> frühchristlichen Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong> je<strong>der</strong> zurückgewiesen<strong>und</strong> ausgeschlossen, <strong>der</strong> nicht alles Töten, auchjedes gesetzlich gebotene Töten, für immer ablehnen wollte.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 201Das alles macht deutlich, <strong>in</strong> welchem bis aufs äußerste verschärftenGegensatz Machtstaat <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>herausgefor<strong>der</strong>t haben <strong>und</strong> herausfor<strong>der</strong>n mussten.Der überaus besonnene nachapostolische Prophet Hermas,<strong>der</strong> vielleicht vor dem Jahre 100, sicher aber vor 155 <strong>in</strong>Rom gewirkt hat, fasst <strong>die</strong>sen Tatbestand <strong>in</strong> folgendem Aufrufzusammen:“Ihr wisst, dass ihr im Ausland wohnt. Der Stadtstaat, <strong>der</strong> <strong>der</strong>eure ist, ist weit von dem Staat entfernt, <strong>der</strong> euch hier umgibt.Wer sich Äcker, Häuser, h<strong>in</strong>fällige Wohnungen <strong>und</strong>kostbare Ausstattungen erwirbt, wie es hier nach <strong>der</strong> Lebensartdes Weltstaates üblich ist, kann nicht erwarten, <strong>in</strong> dem ganzan<strong>der</strong>en Stadtstaat heimisch zu werden, dem er angehörensollte. Unseliger Mensch! Bedenkst du nicht, dass dir nichtsvon dem allen hier gehören darf, dass du dich mit <strong>die</strong>sem Besitzunter e<strong>in</strong>e de<strong>in</strong>er Berufung wesensfremde Macht stellst? Willstdu dem Stadtgesetz de<strong>in</strong>er Berufung abschwören? Willst dudas wirklich für das Eigentum an Äckern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en D<strong>in</strong>gentun? Willst du wirklich nach dem Gesetz des hier herrschendenStadtstaates leben? So kannst du <strong>in</strong> dem an<strong>der</strong>en Stadtstaat,nach dessen Heimat du verlangst, nicht aufgenommen werden.Du hast se<strong>in</strong> Lebensgesetz verleugnet. Man muss dich ausweisen.Werde dir klar: Du wohnst im Ausland! Begnüge dichmit dem Notwendigsten! Du darfst nicht mehr an <strong>der</strong> Handhaben als gerade nur das, was zum Leben ausreicht. Zu allerZeit stehe <strong>in</strong> Bereitschaft!”<strong>E<strong>in</strong></strong>e so scharfe Anfor<strong>der</strong>ung kann nur an solche gestellt werden,<strong>in</strong> <strong>der</strong>en Herzen <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> völligen Liebe lebt. Die Friedenshaltungdes frühen Christentums ist nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft desEvangeliums möglich. Nur wo <strong>die</strong> höchste Bestimmung desReiches Gottes das ganze Herz ausfüllt, kann <strong>die</strong>seStellungnahme gefor<strong>der</strong>t werden. Nur wo <strong>die</strong> Berufung <strong>der</strong>Friedensgeme<strong>in</strong>de das ganze Leben <strong>in</strong> Besitz nimmt, kann <strong>die</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 202Konzentration auf <strong>die</strong>se Berufung zum Bruch mit allem Bestehendenführen. Nur wo <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit den <strong>in</strong>nersten Friedenbewirkt, kann <strong>der</strong> Friedenskampf gegen den Unfrieden <strong>der</strong>ganzen Welt gewagt werden.Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist das Zentrum <strong>der</strong> Lebenskraftgegeben, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Haltung ermöglicht. Der Friedemit Gott verwirklicht den Friedenswillen unter den Menschen.Ohne das Wollen <strong>der</strong> völligen Liebe, ohne das Wirken des Christusfriedensist es unmöglich, gegen alle Gewalten <strong>der</strong> Weltfestzustehen. Nur <strong>der</strong> Friede des Herzens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de befreit von dem öffentlich geduldeten Unfrieden.Ohne den <strong>in</strong>neren Frieden kann man nichts für den äußerenFrieden tun. Wo <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Friede gegeben ist, bewirkt er denäußeren Frieden.Durch das Zusammenwirken aller Kräfte br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Harmonie<strong>der</strong> vere<strong>in</strong>igten Herzen jene Auswirkung des Friedens, wiesie nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de möglich ist. Ohne <strong>Seele</strong>nruhe wirdnichts Großes. Nur aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>nersten <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Herzen kann<strong>die</strong> Stoßkraft gewonnen werden, <strong>die</strong> <strong>in</strong>s Weite geht. Ohneden Frieden des Herzens müssen alle Anstrengungen <strong>der</strong>Menschen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entgegenarbeiten. Jede gute Wirkung wirddurch <strong>die</strong> Gegenwirkung aufgehoben. Deshalb sollte man nichteher an <strong>die</strong> Friedensfrage herantreten, als bis man <strong>in</strong> Wahrheitentschlossen ist, den Gottesfrieden als Geme<strong>in</strong>defrieden anzunehmen,wie er <strong>in</strong> dem Evangelium Jesu Christi <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraftse<strong>in</strong>es Heiligen Geistes gegeben ist.Friede bedeutet <strong>in</strong> Gott konzentrierte Sammlung <strong>und</strong> alssolche <strong>die</strong> größtmögliche Kraft. Pestalozzi 36 hat <strong>die</strong>se Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gungaller Erziehung mit dem Wort gekennzeichnet:“Der Glaube an Gott ist <strong>die</strong> Quelle <strong>der</strong> Ruhe des Lebens – <strong>die</strong>Ruhe des Lebens ist <strong>die</strong> Quelle <strong>in</strong>nerer Ordnung – <strong>die</strong> <strong>in</strong>nereOrdnung <strong>die</strong> Quelle <strong>der</strong> unverwirrten Anwendung unsererKräfte: <strong>die</strong> Ordnung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwendung unserer Kräfte wird wie<strong>der</strong>umQuelle ihres Wachstums <strong>und</strong> ihrer Bildung zur Weisheit.”_______________________________36Pestalozzi, Johann He<strong>in</strong>rich, 1746-1827,schweizer. Pädagoge <strong>und</strong> Sozialreformerw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 203Der Friede des Herzens führt zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>der</strong>enGeistesordnung alle Kräfte zum rechten <strong>E<strong>in</strong></strong>satz br<strong>in</strong>gt.Die Kräfte wachsen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Harmonie des Zusammenwirkens.Die göttliche Weisheit des Friedens zeigt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> geordnetenGeme<strong>in</strong>schaftsgestaltung des praktischen Lebens; ferndavon können wir <strong>die</strong>se Harmonie nicht erleben. Die Entfernungvon Gott ist <strong>die</strong> verhängnisvolle Ursache des Unfriedens.Ihr aussichtsloser Wi<strong>der</strong>stand verzehrt das Leben. Der <strong>in</strong>nerenBestimmung wi<strong>der</strong>stehen bedeutet Tod. Die Sünde, <strong>die</strong> sich<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gottesferne zeigt, ist das Ver<strong>der</strong>ben <strong>der</strong> Menschen. IhrWesen ist nichts an<strong>der</strong>es als Wi<strong>der</strong>stand gegen Gott. OhneGott können wir nicht leben.Der Friede des Herzens beruht auf <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Gott.In <strong>der</strong> Ferne von Gott ist ke<strong>in</strong> Friede. Nur wo <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> sostille wird, dass sie schweigend den verborgenen <strong>E<strong>in</strong></strong>flussGottes aufnehmen will, entsteht <strong>die</strong> Kraft <strong>in</strong>neren Friedens, <strong>die</strong>zur Tat schreiten kann. Nur wenn wir auf Gott gesammelt s<strong>in</strong>d,können wir <strong>die</strong> Energie empfangen, ohne <strong>die</strong> wir <strong>in</strong> Dunkel <strong>und</strong>Kälte vers<strong>in</strong>ken. Deshalb hat Tersteegen 37 betont, dass sich daspraktische Leben <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Stille unterordnen muss, damit<strong>die</strong> <strong>Seele</strong> niemals mehr ausgibt, als sie e<strong>in</strong>zunehmen vermag.Der wirksam Tätige braucht St<strong>und</strong>en, <strong>in</strong> denen er selbst <strong>und</strong>all se<strong>in</strong> Tun zum Schweigen kommt, damit Gott im Gr<strong>und</strong>e <strong>der</strong><strong>Seele</strong> reden <strong>und</strong> handeln kann. Im Mittelpunkt unseres Geisteswollen <strong>die</strong> Worte des Friedens wirken. Draußen im Lärmunserer Arbeit können wir sie nur allzu oft nicht vernehmen.Jenes Wort des großen Friedensbr<strong>in</strong>gers Jesus, dass <strong>die</strong>belastete <strong>Seele</strong> bei ihm Ruhe f<strong>in</strong>de, gab mit se<strong>in</strong>er weiterenMahnung zum verborgenen Gebet vielen den Charakter <strong>der</strong>“Stillen im Lande” (Ps. 35, 20). Manche Kreise nennen sich “<strong>die</strong>Schweigenden” o<strong>der</strong> “<strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Leben zur Ruhe gelangen”.Oft schleicht sich hier jedoch <strong>die</strong> allzu menschliche Neigung e<strong>in</strong>,den Gr<strong>und</strong>willen Jesu zu überhören, dass <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Sammlungzur Kraftquelle <strong>der</strong> Tat werden soll. Willenlos <strong>in</strong> schweigen<strong>der</strong>Stille vers<strong>in</strong>ken heißt dem Leben verloren gehen, zu dem Jesusgerufen hat._______________________________37Tersteegen, Gerhard, 1697-1769, dt. ev. Mystikerw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 204Von <strong>der</strong> alten Gefahr mönchisch absterben<strong>der</strong> Abgeschiedenheitist selbst August<strong>in</strong> 38 nicht immer frei geblieben. Er konntedas <strong>E<strong>in</strong></strong>gehen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Freude dar<strong>in</strong> sehen, dass <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> mitaller ihrer Vorstellungskraft <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>bildungskraft zum Schweigenkäme, bis sie selbst von ihrer Versenkung fortgerissen <strong>und</strong>verschlungen würde.Selbstbes<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> Gott bewirkt jedoch niemals Betäubung,son<strong>der</strong>n vielmehr lebendige Konzentration aller Kräfte; sie bewirktKlärung des Urteils <strong>und</strong> Erstarkung des Charakters. Gottist persönlicher <strong>und</strong> heiliger Wille. Er hat nichts von e<strong>in</strong>emdunklen Urgr<strong>und</strong> <strong>in</strong> sich, <strong>in</strong> dem alles vers<strong>in</strong>ken könnte. Derdunkle Sumpf unseres Unterbewusstse<strong>in</strong>s, <strong>der</strong> tiefste Gr<strong>und</strong>unserer eigenen <strong>Seele</strong>, ist nicht <strong>der</strong> Gott, <strong>der</strong> uns erlöst; erist nicht mehr als e<strong>in</strong> unergründlicher Spiegel unserer Eigenheit<strong>in</strong> allen ihren guten <strong>und</strong> schlechten Erlebnissen. Gott, <strong>der</strong>ganz an<strong>der</strong>e Gott, will <strong>die</strong>se Nacht erhellen, damit wir wie <strong>der</strong>verlorene Sohn zu uns selbst kommen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nähe Gottes alsdas Offenbarwerden <strong>der</strong> verborgensten F<strong>in</strong>sternis <strong>und</strong> als dasHere<strong>in</strong>brechen des Lichtes ersehnen <strong>und</strong> erfassen.Durch stumme Verzweiflung h<strong>in</strong>durch müssen wir aus <strong>der</strong>Gleichgültigkeit zu <strong>der</strong> heiligen Stille <strong>in</strong>neren Friedens vordr<strong>in</strong>gen.Hildebert von Tours 39 br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>s mit folgenden Worten zumAusdruck:“Es gibt e<strong>in</strong> dreifaches Schweigen. Das erste kommt aus <strong>der</strong>Unbekanntschaft mit <strong>der</strong> Not, das zweite aus <strong>der</strong> Verzweiflungan <strong>der</strong> Rettung, das dritte aus dem Gefühl wie<strong>der</strong>erlangterLebenskraft. Bevor das Gesetz <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt trat, erkannte <strong>der</strong>Mensch se<strong>in</strong>e Krankheit nicht; darum schwieg er <strong>und</strong> fragtenach ke<strong>in</strong>er Hilfe. — Als das Gesetz gegeben war, deckte es<strong>die</strong> bösen W<strong>und</strong>en auf; das Schweigen löste sich sofort; <strong>die</strong>Kranken suchten Hilfe bei den Werken des Gesetzes. Aber allihr Suchen war hier vergeblich; müde <strong>und</strong> matt vom Seufzen<strong>und</strong> Schreien verstummten sie wie darum. – Endlich ist nun_______________________________38August<strong>in</strong>us, Aurelius, 354-430, abendl. Kirchenvater39Hildebert von Tours, 1055-1133w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 205das allmächtige Wort des Vaters gekommen <strong>und</strong> hat dasSchweigen von neuem gehoben. Denn da er Frieden geredet<strong>und</strong> Gnade verheißen hat, so machen sich <strong>die</strong> Kranken vonallen Seiten zu ihm auf <strong>und</strong> bitten ihn, den Arzt <strong>der</strong> <strong>Seele</strong>, mitgroßer Inständigkeit um Rettung. – <strong>E<strong>in</strong></strong>st aber, wenn <strong>die</strong> volleGes<strong>und</strong>heit wird hergestellt se<strong>in</strong>, werden sie um nichts mehrzu bitten haben. Dann tritt das dritte heilige Schweigen e<strong>in</strong>,das nimmermehr enden wird.”Die dritte Stille <strong>der</strong> Anbetung bedeutet jedoch als <strong>der</strong> tätigeFriede des Reiches Gottes werktätige Stille schöpferischerLebenskraft. Sie führt zu ungeahnter Wirksamkeit, <strong>die</strong> vorherdurchaus verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t war. Wer durch <strong>die</strong> Tiefen <strong>der</strong> Not gegangenist, kennt <strong>die</strong> Ursache <strong>der</strong> alle Kraft zerstörenden <strong>und</strong>alles Wirken ausschließenden Krankheit, wie David sie kennzeichnet:“Es ist ke<strong>in</strong> Friede <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Gebe<strong>in</strong>en wegen me<strong>in</strong>erSünde!” (Aber er darf <strong>die</strong> Lösung f<strong>in</strong>den. Gott hat dem Gehemmtestenden Weg gebahnt.)Der Farbenbogen se<strong>in</strong>es Friedens spannt sich über <strong>die</strong> Welt<strong>in</strong>nerster Gegensätze <strong>und</strong> kämpfen<strong>der</strong> Unwetter. Das Geheimnisse<strong>in</strong>es Herzens offenbart sich im Liebeswillen, durch dener <strong>die</strong> Gerichtswolken <strong>in</strong> unverhülltes Licht verwandelt. DerSonnenbogen kann ohne Gerichtswetter nicht gebildet werden.Nur <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e kann ihn heraufführen, <strong>der</strong> selbst ohne Dunkel ist,<strong>der</strong> aber dennoch <strong>die</strong> Gerichtswolke <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Lichtleben aufgenommenhat, damit wir <strong>in</strong> ihm den Friedensbogen erblicken.Jesus ist unser Friede. Er hat uns mit Gott <strong>in</strong> völligste Versöhnung<strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igung gebracht. Se<strong>in</strong> Tod ist das Evangeliumdes Friedens, denn er br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Sünden zum Sterben, durch<strong>die</strong> wir von <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ausgeschlossen waren. Das Geschenk<strong>der</strong> Gnade hat den Zwiespalt durch den Frieden ersetzt. WerChristus als se<strong>in</strong>en Versöhner annimmt, hat Frieden mit Gott.Durch se<strong>in</strong> Kreuz ist das H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis beseitigt, welches uns dem<strong>E<strong>in</strong></strong>fluss Gottes entzogen hatte. Durch <strong>die</strong> Innewohnung Christiunterwirft sich das Herz <strong>der</strong> Herrschaft Gottes. Im Willen Gottesist es zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit gelangt. Wer mit Gott e<strong>in</strong>s wird, hat Frieden.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 206Er ist <strong>der</strong> Friede, wie auch <strong>der</strong> Sohn se<strong>in</strong>er Versöhnung <strong>der</strong>Herrscher des Friedens <strong>und</strong> <strong>der</strong> König <strong>der</strong> Freude heißt.Wenn se<strong>in</strong> Evangelium des Friedens das Herz erreicht, decktGott <strong>in</strong> jener überwältigenden Erleuchtung alles auf, was <strong>die</strong>Harmonie unmöglich gemacht hat. Sammlung ist nur dannmöglich, wenn alle Quellen des Zwiespalts unwirksam gemachtwerden. Das Wesen aller <strong>in</strong>neren Spaltung, <strong>die</strong> den Friedenverh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, ist Abtrennung <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>stand. Die Sünde istUnglaube <strong>und</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft. Deshalb ist <strong>der</strong> Dienst des Friedensauf das e<strong>in</strong>e gerichtet: den Gehorsam des Glaubens soherzustellen, dass alles beseitigt wird, was <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Gottverh<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> zerstören will.Zeugnisse wirklicher Erfahrung geben Klarheit, wie <strong>der</strong> <strong>in</strong>nereFriede den Zwiespalt überw<strong>in</strong>det. August Hermann Francke 40war e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Männer, <strong>der</strong>en Friede e<strong>in</strong>e Schaffenskraft <strong>der</strong>Liebe hervorgebracht hat, <strong>die</strong> ihre Wirkungen bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gegenwartbeweist. In großer Angst des Unglaubens <strong>und</strong> Zweifelshatte er e<strong>in</strong>st den Gott gerufen, den er nicht kannte. Er wurdeso plötzlich erhört, dass <strong>der</strong> Friede se<strong>in</strong> Herz überflutete, wiewenn e<strong>in</strong> Strom das Land unter Wasser setzt:“Denn wie man e<strong>in</strong>e Hand umwendet, so war all me<strong>in</strong>Zweifel h<strong>in</strong>weg; ich war versichert <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Herzen <strong>der</strong>Gnade Gottes <strong>in</strong> Christo Jesu; ich konnte Gott nicht alle<strong>in</strong>Gott, son<strong>der</strong>n me<strong>in</strong>en Vater nennen. Alle Traurigkeit <strong>und</strong>Unruhe me<strong>in</strong>es Herzens ward auf e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>weggenommen;h<strong>in</strong>gegen ward ich als mit e<strong>in</strong>em Strom <strong>der</strong> Freuden plötzlichüberschüttet, dass ich aus vollem Mute Gott lobete <strong>und</strong>preisete, <strong>der</strong> mir solche große Gnade erzeiget hatte. Ich standganz an<strong>der</strong>s ges<strong>in</strong>nt auf, als ich mich nie<strong>der</strong>gelegt hatte. Dennmit großem Kummer <strong>und</strong> Zweifel hatte ich me<strong>in</strong>e Kniege-bogen, aber mit unaussprechlicher Freude <strong>und</strong> großerGewissheit stand ich wie<strong>der</strong> auf.”______________________________40Francke, August Hermann, 1663-1727, dt. ev. Theologe <strong>und</strong> Pädagogew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 207Die Erforschung religiöser Erfahrungen hat von neuem festgestellt,dass Unruhe <strong>und</strong> Gespaltenheit dem Erlebnis desFriedens vorangehen muss. Qual <strong>der</strong> Gewissensnot <strong>und</strong> e<strong>in</strong> <strong>die</strong>ganze <strong>Seele</strong> umfassendes Sündenbewusstse<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> ersteTriebfe<strong>der</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> zum Friedensschluss drängt. Zugleichist es das letzte Verlangen nach Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Vollkommenheit,nach Harmonie <strong>und</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft, das wie e<strong>in</strong> Sturm vor<strong>der</strong> Stille das Herz zum Frieden treibt.Man darf e<strong>in</strong> schuldbeladenes Gewissen nicht immer aufauffallende Verfehlungen zurückführen, <strong>die</strong> <strong>der</strong> herrschendenMoral zuwi<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d. Es handelt sich vielmehr um <strong>die</strong> nie<strong>der</strong>drückendeErfahrung e<strong>in</strong>er alles durchdr<strong>in</strong>genden Disharmonie<strong>und</strong> Schuldverhaftung, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Ferne von Gott verursachtist. Das gesamte Leben des heutigen Menschen wird als Sündeerlebt, weil ihm überall gänzlich <strong>die</strong> Freude des Friedens, <strong>die</strong>Kraft <strong>der</strong> Gerechtigkeit <strong>und</strong> das vere<strong>in</strong>igende Gotteswerk fehlt.Starbuck 41 stellte aus zahlreichen Berichten Erlebnisse<strong>die</strong>ser Art zusammen. Als das Wesen <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Unruhe,<strong>die</strong> dem Zustand des Friedens vorausgeht, bezeichnet er e<strong>in</strong>verzweifeltes Sündenbewusstse<strong>in</strong>, das sich mit dem R<strong>in</strong>gennach e<strong>in</strong>em neuen <strong>und</strong> besseren Leben vere<strong>in</strong>igt. Das nie<strong>der</strong>drückendeGefühl <strong>der</strong> Gottesentfremdung <strong>und</strong> e<strong>in</strong> mit ihm Hand<strong>in</strong> Hand gehen<strong>der</strong> Zweifel führen zu pessimistischer Traurigkeit,zu tiefer Angst <strong>und</strong> Hilflosigkeit. Dem <strong>in</strong>tellektuellen Zweifelentspricht das Bestreben, dem Schuldbewusstse<strong>in</strong> solange alsmöglich Wi<strong>der</strong>stand zu leisten. Um so größer wird <strong>die</strong> Qual.Furcht <strong>und</strong> Zweifel, Sündengefühl <strong>und</strong> Gemütsdruck beweisensich als <strong>die</strong> Wehen <strong>der</strong> kommenden Geburt.Die neue Geburt ist <strong>die</strong> enge Pforte zum Friedensreich. Der<strong>in</strong>nere Friede wird als Befreiung von <strong>der</strong> dunklen Sünde <strong>und</strong>als <strong>die</strong> Erlösung vom Fluch erlebt. Die Geburt lässt das Licht<strong>der</strong> neuen Welt ersche<strong>in</strong>en. Man sieht das Reich Gottes. Jeschroffer <strong>der</strong> Gegensatz zwischen <strong>der</strong> eigenen Schwäche <strong>und</strong>Hilflosigkeit auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite <strong>und</strong> <strong>der</strong> nunmehr geschautenKraft <strong>und</strong> Herrlichkeit auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite als <strong>der</strong> Gegen-______________________________41Starbuck, Edw<strong>in</strong> Diller, 1866-1947w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 208satz zwischen Mensch <strong>und</strong> Gott erfasst wird, um so gewaltigertritt das Neue <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. Die Sache Gottes tritt an <strong>die</strong>Stelle des Menschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Not. Der Friede des kommendenReiches br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Vergebung <strong>der</strong> Zerrissenheit <strong>und</strong>Sünde <strong>und</strong> <strong>die</strong> Harmonie mit Gottes Liebesmacht. Alle Kräftedes vorher vergeudeten Willens s<strong>in</strong>d nunmehr <strong>in</strong> neuer, vorhernie gekannter Klarheit auf Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich gerichtet. Wieman im Kriege <strong>die</strong> Segnungen des Friedens ahnen lernte, soberuht <strong>der</strong> Friede des Herzens auf <strong>der</strong> Stärke des Gegensatzeszu Sünde <strong>und</strong> Disharmonie, zu Schwäche <strong>und</strong> Zerrissenheit.Nur <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Spannung zwischen <strong>der</strong> zersplitterten Kraftlosigkeitdes Menschen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Energie des Gottesfriedens kommtes zum Leben.Deshalb ist an Paulus das Wort ergangen: “Lass dir anme<strong>in</strong>er Gnade genügen, denn me<strong>in</strong>e Kraft ist <strong>in</strong> dem Schwachenmächtig” (2. Kor. 12, 9). Deshalb musste Luther sagen:“Gott ist e<strong>in</strong> Gott <strong>der</strong>er, so da betrübt, arm, elend, unterdrückt,verzweifelt <strong>und</strong> allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen zu nichts gemachts<strong>in</strong>d; an denen kann Gott se<strong>in</strong> recht natürlich Werk üben, dasda ist: <strong>die</strong> Niedrigen erhöhen, <strong>die</strong> Hungrigen zu speisen, <strong>die</strong>Bl<strong>in</strong>den zu erleuchten, <strong>die</strong> Armen <strong>und</strong> Elenden zu trösten, <strong>die</strong>Sün<strong>der</strong> gerecht, <strong>die</strong> Toten lebendig <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verdammten <strong>und</strong>Verzweifelten selig zu machen.”Es ist das Wesen Gottes, gerade dort se<strong>in</strong>e Übermacht zubeweisen, wo das Dunkle <strong>und</strong> Schwache <strong>die</strong> letzte Hoffnungzerstört hat. “Wo <strong>die</strong> Sünde mächtig geworden ist, ist <strong>die</strong> Gnadeum vieles mächtiger geworden” (Röm. 5, 20). Gottes Wille lässt<strong>die</strong> eigene Kraft des Menschen zerbrechen. In kranker Selbstliebemuss sie sich im engsten Kreise des eigenen Se<strong>in</strong>s zu Todeerschöpfen. Das hiermit gegebene Ende des Eigenen ruft nachdem Anfang des An<strong>der</strong>en. Die Geburt des Glaubens setzt e<strong>in</strong>.Der Glaube dr<strong>in</strong>gt zur Liebe Gottes, zur Zukunft se<strong>in</strong>es Reichesvor. Aus dem Glauben wächst <strong>die</strong> Liebe als e<strong>in</strong>e tätige Liebezu Gott <strong>und</strong> Christus, als Freude an Gottes Schöpfung <strong>und</strong> anden Menschen, als siegesfrohe Erwartung des Gottesreiches,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 209als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi, als Leben <strong>der</strong> neuenSchöpfung Gottes. Gänzlich neu <strong>und</strong> unerwartet kommt esüber den Glaubenden. Es handelt sich um <strong>die</strong> überraschendeErfüllung des Jesuswortes: Das Aufgeben des Selbst bedeutet<strong>die</strong> Gew<strong>in</strong>nung des Lebens (Matth. 10, 39). <strong>E<strong>in</strong></strong> neues Leben,das wahre Leben Gottes, tritt an <strong>die</strong> Stelle des vorherigen,eigenen <strong>und</strong> unechten Lebens. Wer se<strong>in</strong> Leben lieb hat, verliertes; wer se<strong>in</strong> eigenes Leben hasst, erhält das wahre Leben.Das neue Leben besteht <strong>in</strong> absoluter, ungespaltener Ganzheitlichkeit,wie sie nur <strong>in</strong> Gott gegeben ist. Das vorherigeLeben ließ zwei Ichheiten <strong>in</strong> ihrem unversöhnlichen Gegensatznebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bestehen: das Ich, wie es ist, <strong>und</strong> das Ich, wiees se<strong>in</strong> soll. Der Friede des Herzens bewirkt <strong>die</strong> völlige H<strong>in</strong>gabedes ungeteilten Willens an das neue Leben. Sie lässt dasheilige Soll über das unheilige Se<strong>in</strong> triumphieren. Gott wird erstdann <strong>in</strong> uns geboren, wenn alle Kräfte unserer <strong>Seele</strong>, <strong>die</strong> bisdah<strong>in</strong> geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gefangen waren, ledig <strong>und</strong> frei werden.Alle unsere eigenen Absichten schweigen, <strong>und</strong> unser Gewissenstraft uns nicht mehr. Dieses Aufgehen aller Absichten <strong>in</strong>dem <strong>in</strong>neren Müssen des heiligen Sollens gibt <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>und</strong> Freiheit. Auf <strong>die</strong>ser Freiheit des Gehorsams beruht <strong>der</strong>Friede <strong>der</strong> Weihnacht. Der Geburtengr<strong>und</strong> trägt den Frieden.Maria glaubte. Sie gehorchte. Der Geist kam. Christus wurdegeboren.Maria merkte auf das Wort <strong>und</strong> behielt es im Herzen. Dasan den Propheten ergangene Wort hatte gelautet: “Wenn duauf me<strong>in</strong>e Gebote merktest, so würde de<strong>in</strong> Friede zum Wasserstrom”(Jes. 48, 18). Die Fluten des Geistes dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe.Das Flussbett ist bis <strong>in</strong> den verborgensten Gr<strong>und</strong> ausgefüllt.Mag <strong>der</strong> Wasserstand steigen o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>ken, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe ist <strong>die</strong>Fülle. Der Friede Gottes dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> den Gr<strong>und</strong>. Ohne den Gr<strong>und</strong>s<strong>in</strong>d alle religiösen Übungen <strong>und</strong> christlichen Formen nichts alsTäuschung: Nebel – aber ke<strong>in</strong> Strom. Die Wirkung beg<strong>in</strong>nt imInnersten, um von dort aus alle Lebensgebiete bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> äußerstenFernen zu durchdr<strong>in</strong>gen. Das Wasser, das Jesus gibt, iste<strong>in</strong> Brunnen <strong>der</strong> Tiefe.Entscheidend ist das Innerste. Jesus ist <strong>der</strong> Entdeckerdes Herzens. Auf das, was dort vorgeht, richtet er se<strong>in</strong> Auge.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 210Dorth<strong>in</strong> legt er den F<strong>in</strong>ger. Er sieht den wahren Zustand. “Erwusste wohl, was im Menschen war” (Joh. 2, 23-25). Er brachte<strong>die</strong> Klarheit: Was im Herzen regiert, gew<strong>in</strong>nt Herrschaft überdas Leben. “<strong>E<strong>in</strong></strong> guter Mensch br<strong>in</strong>gt aus dem guten Schatzse<strong>in</strong>es Herzens Gutes hervor; e<strong>in</strong> böser Mensch br<strong>in</strong>gt aus dembösen Schatz se<strong>in</strong>es Herzens Böses hervor. Aus <strong>der</strong>Fülle des Herzens redet <strong>der</strong> M<strong>und</strong>” (Matth. 12, 34-35). Aus demHerzen kommt <strong>die</strong> Tat. Wie das Herz, so <strong>die</strong> Tat. Der Friede desHerzens bewirkt <strong>die</strong> Lebenshaltung des Friedens. Der GeistJesu wirkt zuerst <strong>und</strong> zuletzt auf das Innerste. “Der FriedeGottes regiere <strong>in</strong> euren Herzen!” (Kol. 3, 15) “Eure Herzen <strong>und</strong>euren S<strong>in</strong>n wird <strong>der</strong> Friede Gottes bewahren. Er übersteigtallen Verstand. Er bewahrt <strong>in</strong> Christus Jesus” (Phil. 4, 7).Das Wort des Friedens dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe. Das lebendige Wortwirkt lebendigen Frieden: “Was ich sagte, habe ich zu euchgeredet, auf dass ihr <strong>in</strong> mir den Frieden habt!” (Joh. 16,33).Durch das Bewahren des Wortes im Herzen wird es zur Tat.Das Tun des Wortes ist <strong>der</strong> Felsenboden <strong>der</strong> Friedense<strong>in</strong>heit.In Jesus besteht <strong>der</strong> Friede, weil durch se<strong>in</strong> Leben <strong>und</strong> Tun<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott gegeben ist. Das Leben Jesu führtuns zu den Quellen <strong>der</strong> <strong>in</strong>nersten Kraft <strong>und</strong> zeigt zugleich ihreübermächtigen Auswirkungen bis an das Ende <strong>der</strong> Welt, bis andas Ziel aller Zeit.Er verbarg sich vor <strong>der</strong> Menge <strong>in</strong> abgelegener Wüste, aufe<strong>in</strong>samem Berg o<strong>der</strong> im stillen Kahn. Er liebte den Frieden <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Begegnung mit Gott. Er liebte es, se<strong>in</strong>e Kräfte<strong>in</strong> <strong>der</strong> Stille Gottes zu sammeln. Ganze Nächte verbrachte er imGespräch mit Ihm. Aber niemals war beschauliche Ruhe se<strong>in</strong>Ziel. Die Abgeschiedenheit Jesu ist <strong>der</strong> Quellort lebendigenWirkens. Er sucht Kraft für <strong>die</strong> Schwere se<strong>in</strong>er Aufgabe. Aus<strong>der</strong> Stille g<strong>in</strong>g er zu den Menschen. Aus <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>samkeit kommend,versammelte er Tausende <strong>und</strong> stieß <strong>in</strong> <strong>die</strong> Großstadt vor.Se<strong>in</strong>e Sendung geht <strong>in</strong> alle Welt. Se<strong>in</strong>e Liebe heilt den Leib <strong>und</strong>rettet <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>. Es war e<strong>in</strong> Leben tätiger Liebe; für <strong>die</strong> Kraftentfaltungim weitesten Umkreis bedurfte es <strong>der</strong> konzentriertenSammlung. In <strong>der</strong> Stille vor Gott gewann er <strong>die</strong> Kraft zum Vorstoß,bis <strong>in</strong> das letzte Werk bitteren Todes.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 211Der Friede Jesu ist etwas durchaus an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>eStimmung unbewegter Abgekehrtheit. Den falschen Friedenunberührter <strong>Seele</strong>nruhe mag <strong>der</strong> Mensch ohne Gott zu erzw<strong>in</strong>gensuchen. Die kühle Stille des abgekehrten Selbstlebensist dem Gottesfrieden fern. Gott wirkt e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Frieden:das Bewusstse<strong>in</strong> des gewissesten Geistes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Tätigkeit deserfülltesten Lebens für <strong>die</strong> letzte Bestimmung, für das allesumfassende Reich! Das Leben des Gottesbewusstse<strong>in</strong>swird zur Quelle reichster Betätigung. Das Ausgefülltse<strong>in</strong> desHerzensgr<strong>und</strong>es gibt <strong>die</strong> gegründete Gewissheit, dass <strong>der</strong>Gekreuzigte <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige Ursache e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>nerlichsten <strong>und</strong> zugleichumfassendsten Friedens ist. Er vertilgte <strong>die</strong> Sünde, <strong>die</strong>ke<strong>in</strong>en Frieden aufkommen ließ. Er schuf das Friedenswerk <strong>der</strong>völligen Vere<strong>in</strong>igung.Der Friede Gottes lebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich ständig erneuerndenErfahrung des <strong>in</strong> uns wirkenden Christus, wie e<strong>in</strong> Stromjede St<strong>und</strong>e neues Wasser dah<strong>in</strong>fließen lässt. Er will <strong>in</strong> unsbleiben, damit wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> größten Not <strong>die</strong>selben Taten des Friedenstun, <strong>die</strong> er getan hat. Wie Wolkenbrüche <strong>und</strong> Regengüsse dasStrombett erweitern <strong>und</strong> vertiefen, müssen Zeiten schwererStürme <strong>und</strong> gewaltiger Unruhe <strong>der</strong> Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>und</strong>Verstärkung des Friedens <strong>die</strong>nen. Die Not soll uns zu jenerletzten Entschlossenheit leiten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schrift “Buße” nennt.Die göttliche Traurigkeit fruchtbarer Reue bewirkt den Friedenals <strong>die</strong> rechtschaffene Frucht <strong>der</strong> Buße. Ke<strong>in</strong> here<strong>in</strong>brechen<strong>der</strong>Sturm vermag den Charakter des Friedens zu än<strong>der</strong>n. Er bewährtihn. Die Oberfläche des Wassers kann Wellen werfen, alsob <strong>der</strong> Strom zurückfließen wolle. Aber er än<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Richtungnicht. Die Fülle des Wassers geht ihren unbeirrbaren Weg.Der Friede macht stark. Se<strong>in</strong>e Tapferkeit ist ohne Furcht. DieGedanken des Friedens, <strong>die</strong> Gott mit uns hat, suchen nicht dasLeid ohne den Mut <strong>der</strong> Freude. Der Friede ist als Geme<strong>in</strong>schaftmit Christus Frucht desselben Geistes wie <strong>die</strong> Freude <strong>und</strong><strong>der</strong> Mut zum Erdulden. Die Geistesfrucht des Friedens ist <strong>die</strong>Liebe aufbauen<strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit. Ihre Kraft ist das Reich <strong>der</strong>Gerechtigkeit. Was durch den Frieden gesät wird, ist Frucht <strong>der</strong>Gerechtigkeit. Das Reich Gottes ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dehaltung <strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 212gegenwärtigen Erdperiode wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Zukunft „Gerechtigkeit<strong>und</strong> Friede <strong>und</strong> Freude im heiligen Geist” (Röm. 14, 17).Das Reich Gottes <strong>in</strong> den Herzen ist <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong>Herrschaft über <strong>die</strong> ganze Erde <strong>und</strong> über alle Welt. Der Friede<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist <strong>der</strong> beauftragte Vorbote für denFrieden <strong>der</strong> Zukunft <strong>und</strong> aller Ewigkeit. Wie es Franz von Assisivor je<strong>der</strong> Rede <strong>und</strong> bei je<strong>der</strong> Begegnung tat, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichen<strong>und</strong> völligen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> ersten hutterischen Brü<strong>der</strong> e<strong>in</strong>erdem an<strong>der</strong>en Frieden bot: “Der Friede sei mit euch”, so gilt esheute, dem Unfrieden <strong>der</strong> ganzen Welt das Wort <strong>der</strong> wahrenBru<strong>der</strong>schaft entgegenzustellen:“Ihr habt den Frieden zu verkündigen. Hegt ihn im eigenenHerzen. Sorgt dafür, dass durch eure Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong>Liebe alle zur <strong>E<strong>in</strong></strong>tracht geführt werden: zu schaffen<strong>der</strong> <strong>und</strong>schenken<strong>der</strong> Gerechtigkeit des Friedens!” (Dan. 7, 27)w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 213LICHT UND FEUERDüsteres Unglück <strong>und</strong> kalte Ungerechtigkeit hat es <strong>in</strong> je<strong>der</strong>geschichtlichen Epoche gegeben. Zu allen Zeiten erwiessich <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Menschen gegen das alltägliche Leid als kalt,gleichgültig <strong>und</strong> abgestumpft, mochte <strong>die</strong> Not auch <strong>in</strong> noch soerschreckendem Maße wachsen. Die Menschheit bedarf <strong>in</strong> entscheidendenZeiten e<strong>in</strong>es erneuten gewaltigen Anstoßes, umzu erfassen, welche F<strong>in</strong>sternis <strong>und</strong> Kälte über ihr lagert. Ohnedas Gericht über <strong>die</strong> Ungerechtigkeit gibt es ke<strong>in</strong>e Rettung. <strong>E<strong>in</strong></strong>eso allgeme<strong>in</strong>e <strong>und</strong> anhaltende Not wie <strong>die</strong> gegenwärtige drängtzur Bes<strong>in</strong>nung auf <strong>die</strong> Ursache allen Unglücks. Erst wenn <strong>die</strong>Verschüttung freigelegt ist, ergießt sich <strong>die</strong> Quelle <strong>der</strong> Abhilfe.Die St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Dunkelheit for<strong>der</strong>t den Glauben an dashere<strong>in</strong>brechende Licht. Ihm wird alle F<strong>in</strong>sternis weichen, wie<strong>der</strong> Morgen über jede Nacht siegt. Das Hässliche <strong>und</strong> Grauenvolle<strong>der</strong> kalten F<strong>in</strong>sternis <strong>und</strong> ihrer mör<strong>der</strong>ischen Geistersoll auf das Erschreckendste <strong>in</strong> das Bewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen.In letzter Hilflosigkeit soll <strong>der</strong> Mensch nach <strong>der</strong> St<strong>und</strong>e <strong>der</strong>Erlösung Ausschau halten. Befreiung <strong>und</strong> Erleichterung vermagke<strong>in</strong> Mensch zu schaffen. Die Hilfe muss aus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Weltkommen. Unter <strong>der</strong> alles erdrückenden Last <strong>die</strong>ses Alptraumsmuss <strong>der</strong> Blick auf das befreiende Licht des herabfahrendenFeuers aufbrechen, wenn nicht alles Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> kalten Nachtdes Todes vers<strong>in</strong>ken soll.Der Lichtglaube will den Anblick <strong>der</strong> alles erstarrendenDunkelheit überstrahlen. Das Licht siegt über <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis.Aber <strong>der</strong> dunkle Tod bekämpft das leuchtende Leben. Das Erkalten<strong>der</strong> Liebe steigert <strong>die</strong> Ungerechtigkeit <strong>in</strong>s Unendliche.Die F<strong>in</strong>sternis hasst das Licht. Im erzwungenen Rückzugleistet sie heftigsten Wi<strong>der</strong>stand. Der strahlende Glanz desaufweckenden Lebens ist erschreckend schmerzhaft für alle,<strong>die</strong> dem starken Licht entfremdet s<strong>in</strong>d. Die Gewöhnung an <strong>die</strong>herrschende Dunkelheit macht ihnen den aufkommendenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 214Lichtglanz zur unerträglichen Qual. Er brennt <strong>in</strong> ihren Augenwie Feuer. Das siegende Licht wird zum Gericht. Die strahlendeFlamme des Liebe for<strong>der</strong>nden Lebens, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Dunkelheit desUnfriedens richtet, zw<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Kälte <strong>der</strong> Ungerechtigkeit zurFlucht.Wenige Tage nach Pascals 42 Tod fand man <strong>in</strong> dem Futterse<strong>in</strong>es Anzugs e<strong>in</strong> Blatt, welches er als kostbarste Er<strong>in</strong>nerungan se<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerstes Erleben acht Jahre h<strong>in</strong>durch ununterbrochenbei sich getragen hatte. Dieses Pergament beg<strong>in</strong>nt mit <strong>der</strong> erschütterndenSchil<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er alles überwältigenden Erleuchtung<strong>und</strong> mit dem alle<strong>in</strong> für sich stehenden Wort „Feuer".Jesus brachte <strong>die</strong> Flamme des Gerichts <strong>und</strong> <strong>der</strong> Rettung; erwollte das Feuer entzünden: „... was wollte ich lieber, als esbrennete schon!" (Luk.12, 49). Er brachte <strong>der</strong> Erde <strong>die</strong> brennendeGlut. Se<strong>in</strong> Feuergeschenk ist nicht wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> griechischenMythologie e<strong>in</strong>er neidischen Gottheit entwendet. Jesus ist <strong>der</strong>Feuerstrahl e<strong>in</strong>es Gottesherzens, das se<strong>in</strong>e ungehemmte Glutüber <strong>die</strong> Menschen ergießt. Hier ist Gott <strong>der</strong> Gebende. Gottselbst ist <strong>der</strong> Schenkende.Die Fackel des Zornes wurde zum Spen<strong>der</strong> des Lebens. DieGlut des Gerichts ergoss sich <strong>in</strong> das Feuer des Lebens. DasGericht lebt <strong>in</strong> dem befreienden <strong>und</strong> sammelnden Licht <strong>der</strong>Liebe. Jesus weiß, was seit Anbeg<strong>in</strong>n aller Geschichte daslo<strong>der</strong>nde Feuer dem bangenden Herzen bedeutet. Er weiß,welchen Schrecken <strong>die</strong> flammende Glut über <strong>die</strong> abgeirrteMenschheit gebracht hat. Er weiß: Es gibt ke<strong>in</strong> Feuer ohne verzehrendesGericht über das absterbende, verdorrte <strong>und</strong> verhärteteLeben.Die vom Himmel fallende Flamme des Blitzes, das aus <strong>der</strong>Tiefe hervorbrechende Feuer <strong>der</strong> Vulkane, <strong>die</strong> alles entflammendeLava <strong>der</strong> erbebenden Erde, das Feuer des Himmels<strong>und</strong> das Feuer <strong>der</strong> Tiefe erfüllen den erwachenden Menschenwie alle Geschöpfe <strong>der</strong> Erde mit erschau<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Ehrfurcht.Die grenzenlos überlegene, gewaltige Macht des flammendenZornes erschüttert den Menschen <strong>in</strong> tödlicher Furcht.______________________________42Blaise Pascal, 1623-1662, franz. Philosoph, Mystiker <strong>und</strong> Mathematiker.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 215Bevor das Feuer se<strong>in</strong>e leuchtende <strong>und</strong> wärmende, se<strong>in</strong>eschützende <strong>und</strong> vere<strong>in</strong>igende Kraft offenbaren kann, mussse<strong>in</strong>e vernichtende Zornesflamme das verzehrende Gerichtoffenbaren. Die Gluten des Herzens Gottes s<strong>in</strong>d zu fürchten,ehe sie ihren letzten S<strong>in</strong>n erschließen. Die unre<strong>in</strong>en Augen desPropheten erzitterten; er dachte, er müsse vergehen, als er Gott<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Himmelsfeuer erblickte. Gott selbst sagt: „Du vermagstnicht, me<strong>in</strong> Angesicht zu sehen. Ke<strong>in</strong> Mensch kann micherblicken <strong>und</strong> am Leben bleiben!“ (2.Mo.33,20). Der Menschist zu tief <strong>der</strong> dämonischen Dunkelheit verfallen, als dass erdas feurige Licht des Heiligen ertragen könnte. Feuer verheert,tötet dem Tode Geweihtes. Es br<strong>in</strong>gt dem Toten den Tod. Dastrockene Holz nährt das Feuer. Nicht <strong>der</strong> Strahl <strong>der</strong> leuchtendenFlamme, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> lichtwidrige <strong>und</strong> lebensfe<strong>in</strong>dlicheF<strong>in</strong>sternis ist Ursache des Feuertodes. „Dass dir im Sonnesehenvergehet das Gesicht, s<strong>in</strong>d de<strong>in</strong>e Augen schuld <strong>und</strong> nichtdas große Licht.“Die kalte Nachtnatur ist <strong>die</strong> Ursache, dass <strong>der</strong> Mensch nichtim verzehrenden Feuer wohnen kann. Durch <strong>die</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> kalten Nacht bricht das Feuer here<strong>in</strong>. Gottes feurigeFlamme ist Antwort. Auch auf das Rufen des Glaubens antwortetsie mit flammen<strong>der</strong> Glut. Die <strong>Bibel</strong> ist voll <strong>die</strong>ser Bil<strong>der</strong>:Im Feuer fährt Gott auf den Berg des Mose herab. Se<strong>in</strong> Wortist immer Feuer. Se<strong>in</strong>e Stimme sprüht Flammen. Blitzstrahlengehen von ihm aus. In se<strong>in</strong>em Herzen ist brennende Glut.Se<strong>in</strong> Thron besteht <strong>in</strong> Feuerflammen. Der thronende Herrschererstrahlt <strong>in</strong>wendig im Feuer. Überall ist er von Flammen umkleidet.Se<strong>in</strong>e Diener <strong>und</strong> Boten s<strong>in</strong>d flammende Strahlen.Von Gott geht Feuer aus. Aus ihm redet er. Se<strong>in</strong> M<strong>und</strong> strömtes aus. Er lässt es vom Himmel herabfahren. FressendesFeuer geht vor ihm her. In ihm kommt Er. Se<strong>in</strong> Wesen ist verzehrendesFeuer. Er lässt Blitz <strong>und</strong> Schwefel regnen. WieFeuer fährt se<strong>in</strong> Grimm heraus, so oft se<strong>in</strong> Zorn beg<strong>in</strong>nt. Se<strong>in</strong>Geist entzündet das Gericht, so oft er das Feuer ruft. Wer aufGott wartet, harrt des Gerichts <strong>und</strong> des Feuers. Im Feuergerichterstrahlt das Licht se<strong>in</strong>er Rettung.Jesus leuchtet <strong>in</strong> unserer Todesf<strong>in</strong>sternis auf, wie <strong>die</strong>Sonne über <strong>der</strong> dämmerlosen Tropennacht. Jesus ist das Lichtw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 216<strong>der</strong> Welt: Wer ihn liebt, hungert nach se<strong>in</strong>em Feuer. Wer ihnkennt, dürstet nach dem Licht, das alle Sonnen überstrahlt.Angelus Silesius 43 musste ausrufen: „Nimm h<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sonne Licht:me<strong>in</strong> Jesus ist <strong>die</strong> Sonne, <strong>die</strong> me<strong>in</strong>e Seel' erleucht'!“Die Entfernung <strong>der</strong> <strong>die</strong> Erde erleuchtenden Sonne könnenwir uns <strong>in</strong> unseren Maßen nicht veranschaulichen. 150 MillionenKilometer s<strong>in</strong>d für irdische Begriffe unfassbar. WelcheWirkung hat <strong>die</strong>ses ferne Reich des feurigen Lebens! Wieblendet das weltenferne Licht! <strong>E<strong>in</strong></strong>e stechend weiße Magnesiumflammeersche<strong>in</strong>t gegen den fernen Lichtball schwarz wieT<strong>in</strong>te. Wie können unsere Gedanken erfassen, dass <strong>der</strong> lichtwachsendeStern Sirius 5000 mal heller ist als unsere Sonne<strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Strahlen des Sterns Capella an e<strong>in</strong>em Tageso viel Licht aussenden, wie unsere Sonne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahr!Für menschliche Maße ist <strong>die</strong> Kraftwirkung unvorstellbar, <strong>die</strong><strong>die</strong> Nähe e<strong>in</strong>es solchen Sonnenriesen ausüben muss. Se<strong>in</strong>erLebensenergie gegenüber verschw<strong>in</strong>det unsere kle<strong>in</strong>ereSonne wie e<strong>in</strong>e Kerze. Das gesamte Weltall, wie wir es amHimmel sehen, ist e<strong>in</strong> unendlicher Lichtozean vieler Millionen<strong>die</strong>ser gewaltigen Fixsternsonnen. Nacht gibt es nur <strong>in</strong> demeigenen Schatten <strong>der</strong> dunklen Planeten. Wenn wir aus ihmgänzlich heraustreten könnten, wären wir e<strong>in</strong>er unfasslichenGewalt des göttlichen Lichtmeeres ausgesetzt!In Jesus naht <strong>der</strong> Erde e<strong>in</strong> Feuerlicht, das unendlich vielmalstärker ist als <strong>die</strong> Zusammenballung aller Sonnen. Die SchritteJesu nahen im glühenden Feuer. Se<strong>in</strong>e Augen s<strong>in</strong>d lo<strong>der</strong>ndeFlammen. Se<strong>in</strong> Angesicht strahlt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überkraft aller Sonnen.Sieben Leuchter goldenen Feuers umgeben ihn. Sieben Sonnensternes<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Hand (Offb.1,12-20). Se<strong>in</strong> Licht wirftzu Boden; wie e<strong>in</strong> Toter fällt Paulus zu se<strong>in</strong>en Füßen nie<strong>der</strong>(Apg.9,3-9). Der Lebendige aber gab ihm <strong>die</strong> Auferstehungskraftstrahlenden Lebens. Er vertraute ihm das strahlendeGeheimnis <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de an, das Geheimnis des ReichesGottes. Jesus ist <strong>der</strong> aufgehende Morgenstern. An demWesen des Sonnenfeuers wird uns offenbar, welch e<strong>in</strong>e______________________________43Angelus Silesius - eigentlich Johann Scheffler - 1624-1677,dt. religiöser Denker <strong>und</strong> Dichter.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 217Wirkung das siebenfache Sternenlicht se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de hat,welche Macht mit dem Morgenlicht des kommenden Sonnentageshere<strong>in</strong>bricht. Der Geist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist das vom Himmelhernie<strong>der</strong>fahrende Licht Gottes, dem Glanz aller Sonnen <strong>in</strong><strong>in</strong>nerster Wesenheit verwandt.So gilt es denn, das Wesen <strong>der</strong> Sonne <strong>und</strong> des Feuers zufassen, wenn man <strong>die</strong> Sendung Jesu begreifen will. UnsereSonne ist e<strong>in</strong> zentrales Weltenfeuer, von dem unser Planetse<strong>in</strong> Leben hat. Ihre sammelnde Kraft hält <strong>die</strong> sie umgebendenWelten zusammen. Ihre Glut bewahrt uns vor dem Kältetod.Ihre Wärme erweckt das Leben <strong>der</strong> Pflanzen <strong>und</strong> Tiere.Ohne ihr Licht müsste alles Leben <strong>in</strong> F<strong>in</strong>sternis ersterben. Derkle<strong>in</strong>e Bruchteil von Lichtkraft, den unser Planet von <strong>der</strong> so weitentfernten Sonne erhält, genügt zum Erzeugen <strong>und</strong> Erhaltendes unermesslichen Lebens, das wir auf <strong>der</strong> Erde kennen. JedeKraftäußerung <strong>der</strong> Erde, je<strong>der</strong> Luftzug <strong>der</strong> W<strong>in</strong>de, <strong>der</strong> Kreislauf<strong>der</strong> Gewässer, jede Bewegung e<strong>in</strong>es Tiefseefisches, je<strong>der</strong>Pulsschlag unseres Herzens ist e<strong>in</strong>e Wirkung <strong>der</strong> Sonne.Welche Kraft schenkt sie für Leib <strong>und</strong> <strong>Seele</strong>! Ohne sie s<strong>in</strong>d wirdem Tode verfallen.Sämtliche Organismen <strong>der</strong> Erde könnte man als lebendiggewordene Sonnenstrahlen bezeichnen. Licht <strong>und</strong> Wärmeerhalten alles Lebendige. Durch <strong>die</strong> Energie des Lichtesernähren sich <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erde verwurzelten Pflanzen aus <strong>der</strong>Luft wie aus <strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> bleiben so am Leben. Nur bei Lichtkönnen <strong>die</strong> grünen Pflanzenzellen <strong>die</strong>se erhaltende Lebenstätigkeitausüben. Und es gibt ke<strong>in</strong> Lebewesen, mag es sichauch noch so sehr an <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis gewöhnen, das ohne dasLicht <strong>und</strong> ohne <strong>die</strong> Organismen <strong>der</strong> Lichtwelt leben könnte. DieSonne ist König <strong>und</strong> Herz <strong>der</strong> Tiefe wie <strong>der</strong> Höhe. Die Sonne istdas Feuer, von dem alles lebt, was Leben hat.Es ist wahrlich nicht von ungefähr, dass Gottes Wesen <strong>und</strong>se<strong>in</strong> <strong>in</strong> Christus erstrahlen<strong>der</strong> Glanz mit Sonne, Licht <strong>und</strong>Feuer verglichen wird. Die von Paulus bezeugte Tatsache, dassGottes unsichtbares Wesen seit <strong>der</strong> Erschaffung <strong>der</strong> Welt anse<strong>in</strong>en Werken wahrnehmbar ist (vgl. Röm.1,20), wurde vonjeher zuerst <strong>und</strong> zuletzt an dem Licht <strong>der</strong> Sonne <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Glutw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 218des Feuers erkannt. An den Werken <strong>der</strong> Schöpfung zeigt sich <strong>in</strong>beson<strong>der</strong>er Klarheit jene ewige Macht <strong>und</strong> göttliche Größe. Vonjeher erschienen den Menschen Sonne <strong>und</strong> Feuer als e<strong>in</strong>zigartigeS<strong>in</strong>nbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> heiligen göttlichen Mächte.Immer wie<strong>der</strong> wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschheit <strong>der</strong> SchöpferGott, <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> leuchtenden Sonnenglut <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gewalthaberdes Gewitterblitzes als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit verehrt. So war auch <strong>in</strong>Ägypten <strong>der</strong> Gott des großen ewigen Lichtes als <strong>der</strong> Schöpferaller D<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> als <strong>der</strong> wahre Himmelsgott <strong>die</strong> höchsteGottheit. Der leuchtende Gott ist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e, <strong>der</strong> alles offenbart<strong>und</strong> aufdeckt. Der Leben schaffende Licht-Gott ist <strong>die</strong> alles Tote<strong>und</strong> Kälte verzehrende <strong>und</strong> zum Leben erweckende Glut. InIn<strong>die</strong>n sagte man von ihm: „Die Strahlen des Lichtes verkünden<strong>die</strong> feuerglänzende Sonne, wie sie sich prächtig erhebt, dasWeltall zu erhellen. – Das wünschenswerte Licht <strong>der</strong> göttlichenSonne möge unseren Geist erwecken.“ Das Auge <strong>der</strong> Sonneerschien den Alten als über alles wohltätig, als <strong>die</strong> schauendeKraft, <strong>die</strong> das Gute erwirkt.So war es denn e<strong>in</strong> uralter brahmanischer 44 Gebetswunsch:„Möchten wir, im Schutz <strong>der</strong> göttlichen Macht den Himmel über<strong>der</strong> Region <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis betrachtend, <strong>der</strong> Gottheit nahen alsdem strahlendsten Licht!“ Der Apostel Paulus hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Briefan <strong>die</strong> Römer <strong>die</strong>se heidnische Erkenntnis des Wesens Gottesaufs klarste gewürdigt. Er hat aber – wie auch <strong>die</strong> Prophetendes Alten B<strong>und</strong>es – zugleich aufs stärkste <strong>die</strong> Kehrseite betont:dass <strong>die</strong>ses brahmanische Buch <strong>der</strong> Natur <strong>in</strong> jenen Zeiten<strong>und</strong> Räumen, <strong>die</strong> außerhalb <strong>der</strong> letzten Licht-Offenbarung <strong>in</strong>Christus liegen, niemals ohne ver<strong>der</strong>blichen Irrtum <strong>und</strong> götzenhafteVerkennung gelesen wurde. Hier werden Sonne <strong>und</strong>Feuer stets aufs neue zum selbständigen Sonnengott <strong>und</strong> Feuergott,zum „Obersten aller Planetengötter", zum Spen<strong>der</strong> allenLebens selbst. Gott will <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em unendlich überragendenWesen erkannt werden; dagegen erhöht <strong>der</strong> irrende Menschnur allzu oft das von Gott geschaffene Licht zum Götzen alszur obersten Gottheit selbst. An <strong>die</strong> Stelle des strahlend______________________________44Brahmanismus, herrschende Religion In<strong>die</strong>ns,<strong>die</strong> sich zum heutigen H<strong>in</strong>duismus gewandelt hat.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 219geschaffenen Lichts setzt <strong>der</strong> unglückliche Mensch se<strong>in</strong>eertötende Verdunklung. In Bezug auf <strong>die</strong> religiöse Bedeutung<strong>der</strong> Sonne <strong>und</strong> des Feuers gilt es, <strong>die</strong> heidnische Vergötzungnicht weniger zu bedenken als <strong>die</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> aufdämmerndenGottesahnung.Das Glühende <strong>und</strong> Flammende, das Leuchtende <strong>und</strong> Strahlendewar den Menschen von jeher das Göttliche. Der Namefür Gott stammte bei bedeutenden Völkern aus <strong>der</strong>selbenWortquelle, <strong>die</strong> auch das strahlende Licht bezeichnete. In <strong>der</strong>alten nordischen Sprache wurde Gott, <strong>der</strong> Himmelsvater, als<strong>der</strong> lichte Himmel angerufen, fast ebenso wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> biblischenProphetie „das Reich <strong>der</strong> Himmel" das Reich Gottes ist. Dermächtige Geist des göttlichen Himmelslichts ersche<strong>in</strong>t wie<strong>die</strong> Sonne allen Menschen als lebenspendende <strong>und</strong> lebenerhaltendeKraft des Weltenfeuers. Am leuchtenden Weltganzenstieg dem abgewichenen Menschen <strong>die</strong> Ahnung göttlicher<strong>E<strong>in</strong></strong>heit auf. So gelangte <strong>der</strong> Mensch zum Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong>Licht-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> das höchste Leben wecken <strong>und</strong> wirkensollte. Licht <strong>und</strong> Feuer flehte <strong>der</strong> Mensch vom Himmel herab.Bei den Ure<strong>in</strong>wohnern Amerikas dämmerte <strong>die</strong>se Erkenntnis <strong>in</strong><strong>der</strong> verdunkelnden Rauchwirkung des Feuers nach: „GroßerGeist, komme herab, Feuer <strong>und</strong> Erde!"Seit den Anfängen <strong>der</strong> Menschheit war es allen noch soschwach Erleuchteten bewusst: Was gut <strong>und</strong> edel, wasschöpferisch <strong>und</strong> Leben wirkend ist, ist auch leuchtendeWärme <strong>und</strong> glühende Helligkeit. Lichte Wärme <strong>und</strong> Leben<strong>der</strong> Liebe gehören im Menschenbewusstse<strong>in</strong> aller Zeiten zusammen.Licht <strong>und</strong> Schönheit s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>es. Aber nicht überallerstrahlt das Licht. Die Sonne geht unter. Dem Tag folgt <strong>die</strong>Nacht. Der strahlend glühenden Helle, dem guten Kraftgeistdes Lichtes steht im Bewusstse<strong>in</strong> aller Jahrtausende <strong>der</strong> böse<strong>und</strong> unheimliche Geist des Dunkels <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kälte gegenüber.Was das erwachende Leben des Frühl<strong>in</strong>gs aufhält, ist W<strong>in</strong>tertod.Was gegen <strong>die</strong> Wärme ist, ist ertötende Kälte. Was gegen<strong>die</strong> e<strong>in</strong>igende Liebe ist, bewirkt den zersetzenden Tod. Der Todbedroht das Leben. Zwischen dem Licht <strong>und</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis istFe<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> Kampf bis aufs Letzte gesetzt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 220Der Mensch ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unerhörte Spannung zwischen Tod<strong>und</strong> Leben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt. Er ist für das glühend belebende Lichtberufen. Kann er <strong>die</strong> kalte ertötende Dunkelheit überw<strong>in</strong>den?Vermag er jene <strong>in</strong> Kälte erstarrende F<strong>in</strong>sternis zu besiegen?Besteht er den Kampf gegen <strong>die</strong>se gefährliche Macht, <strong>die</strong> ihnbeständig von <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen umgibt?Der gute Geist des Lichtes war vom Uranfang her als <strong>der</strong>göttliche, als <strong>der</strong> führende Held des Lebens offenbar. Der böseGeist <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis war von Urbeg<strong>in</strong>n an <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d. Er war <strong>der</strong>nächtlich düstere Dämon des Todes. Zwischen beiden steht <strong>der</strong>kämpfende Mensch wie zwischen Himmel <strong>und</strong> Hölle. DieserKampf erfüllte se<strong>in</strong> Leben. Das Herabs<strong>in</strong>ken <strong>der</strong> Nacht fürchteteer bangend als <strong>die</strong> kalte Gefahr des Todes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hölle.Das Heraufsteigen des leuchtenden Tages begrüßte er jubelndals <strong>die</strong> nahende Glut des Lebens <strong>und</strong> des Himmels.Das Licht war ihm Leben <strong>und</strong> Kraft. Der Morgen <strong>der</strong>Sonne stieg ihm strahlend zu heldenhaftem Siegeslauf amHimmel empor. Nichts Weiches <strong>und</strong> Weichliches, nichtsSchwaches <strong>und</strong> Unterliegendes sah er <strong>in</strong> Sonne, Licht <strong>und</strong>Feuer. Die siegende Kraft des Lichtes war ihm mit strahlendenSonnenpfeilen <strong>und</strong> mit leuchten<strong>der</strong> Blitzwehr gewaffnet. Derstarke Sonnenheld des strahlenden Morgens <strong>und</strong> des leuchtendenFrühl<strong>in</strong>gs verschmolz ihm mit <strong>der</strong> Donnergottheit desalles bedrohenden Blitzes zu feuriger <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Die Lichtgottheit<strong>der</strong> Sonnenkraft galt ihm wie <strong>der</strong> Donnergott des blitzendenGewitters als männlich <strong>und</strong> mannhaft. Der Frühl<strong>in</strong>g <strong>der</strong>steigenden Sonne war ihm <strong>der</strong> jugendliche, <strong>der</strong> tapfere Kriegsheld,<strong>der</strong> als triumphieren<strong>der</strong> Sieger den alternden Riesen desmächtigen W<strong>in</strong>ters überwand. Er alle<strong>in</strong> könnte es se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> über<strong>die</strong> Erde <strong>und</strong> alle ihre Bewohner e<strong>in</strong>e neue, <strong>die</strong> sonnige Zeitheraufführen sollte, <strong>die</strong> ersehnte, <strong>die</strong> erwartete Zeit! Sie alle<strong>in</strong>kann Leben, das starke, das sprossende <strong>und</strong> bleibende Lebenerwecken.Am Ende <strong>der</strong> Tage sollte das Licht über <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis triumphieren.Der Endfrühl<strong>in</strong>g aller Welten <strong>und</strong> aller Zeiten solltee<strong>in</strong>st <strong>die</strong> gesamte jetzige Zeit als <strong>die</strong> kalte, tote <strong>und</strong> dunkleW<strong>in</strong>terszeit für immer abtun <strong>und</strong> h<strong>in</strong>wegschmelzen. In <strong>der</strong>altchristlichen Zeit schrieb Hermas, e<strong>in</strong> Prophet <strong>der</strong> damaligenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 221römischen Geme<strong>in</strong>de, se<strong>in</strong> Buch vom Hirten 45 , <strong>in</strong> dem er <strong>die</strong>seuralte <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht im urchristlichen S<strong>in</strong>ne erneuert hat. In se<strong>in</strong>emdritten Gleichnis sprach er: „Die jetzige Weltzeit ist <strong>die</strong> Zeit desW<strong>in</strong>ters ... Die kommende Weltzeit ist <strong>die</strong> Zeit des Sommers.“– Welche Tatsachen liegen <strong>die</strong>ser prophetischen Sprache zugr<strong>und</strong>e?Um alles zu begreifen, was das prophetische Wort von<strong>der</strong> Sonnenkraft Gottes, von dem Licht <strong>in</strong> Christus, von demFeuer des Geistes, von dem Aufgang des leuchtenden Tagesim Kommen des Reichs, von <strong>der</strong> Leuchtkraft <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitsglut<strong>der</strong> lebendigen Geme<strong>in</strong>de zu sagen hat, muss man sich vorAugen halten, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur Sonne <strong>und</strong> Feuer von jeher ist<strong>und</strong> bedeutet.Nichts kann uns <strong>die</strong> gewaltige Bedeutung <strong>der</strong> leuchtendenGlut klarer vor Augen führen als <strong>der</strong> Uranfang <strong>der</strong> verstoßenenMenschheit. In jener Urzeit des Menschen ist ihm <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gottesfernedas Feuer zum ersten Mal begegnet. Als Schrecken <strong>und</strong>Grauen kam es zum Menschen. <strong>E<strong>in</strong></strong>st war Adam Herr über dasFeuer. Das Licht schien <strong>in</strong> ihm. Was aber geschah nach demVerlust <strong>die</strong>ses Lichtes? Wie erlebte <strong>der</strong> <strong>in</strong> das Dunkel h<strong>in</strong>ausgestoßeneMensch das Feuer? – Der vom Himmel hernie<strong>der</strong>fahrendeBlitz <strong>und</strong> das Krachen des Donners stürzten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emflammenden Augenblick zusammen. Der Waldriese entbranntelichterloh. Alles entfloh. Bald aber hatten sich an dem nie<strong>der</strong>geworfenen,noch glühenden Baum Menschen gesammelt <strong>und</strong>gelagert, um an ihm ihr Feuer zu nähren <strong>und</strong> so den Schutzihrer ersehnten Geme<strong>in</strong>schaft zu f<strong>in</strong>den.Und weiter geschah es: Die Tiefe des Berges grollte. DerUntergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erde erbebte <strong>und</strong> krachte. Vom rauchendenBerg entstiegen riesenhohe leuchtende Feuersäulen;Ste<strong>in</strong>geschosse <strong>und</strong> Aschenregen wurden im hohen Bogenemporgeschleu<strong>der</strong>t, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Augenblick weit über das Landh<strong>in</strong>ausgestreut. <strong>E<strong>in</strong></strong> sich langsam dah<strong>in</strong>wälzen<strong>der</strong> Strom blutrotglühen<strong>der</strong> Masse wand sich zu Tale. Wo Baum o<strong>der</strong> Strauchim Weg standen, wurden sie von dem glühenden Atem erfasst._______________________________45siehe „Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe – Dokumente, Briefe & Texte <strong>der</strong>Urchristen", Eberhard Arnold (Hrsg.), Wiesbaden 1986 S. 226 ffw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 222Alles g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Flammen auf. Aber langsam erblasste <strong>die</strong> roteHaut <strong>der</strong> dah<strong>in</strong>rollenden Lava. Wie e<strong>in</strong>e übergewaltige Schlangelag sie da. Zu e<strong>in</strong>em heißen Wall geworden, bedeckte siedas Bett des Tales. Der Mensch aber wagte es, se<strong>in</strong> Lager anden langsam erstarrenden Lavawall heranzurücken. Je näherer ihm kam, um so wärmer wurde <strong>und</strong> blieb es, auch mitten <strong>in</strong><strong>der</strong> kalten Tropennacht. Und berührte e<strong>in</strong> trockenes Holz dengefährlichen Glutstrom, <strong>der</strong> den Menschen mit schützen<strong>der</strong>Wärme bestrahlte, so entbrannte <strong>der</strong> Ast <strong>in</strong> heller, leuchten<strong>der</strong>Flamme. Hier entzündete sich das Feuer ebenso wie es beidem vom Blitz getroffenen Baum gewesen war. Und je mehrHolz <strong>der</strong> Mensch h<strong>in</strong>zutat, um so wärmer <strong>und</strong> leuchten<strong>der</strong>wurde <strong>die</strong> lo<strong>der</strong>nde Flamme.So lernte <strong>der</strong> Mensch, mit dem furchtsamen Schrecken vor<strong>der</strong> verzehrenden Glut e<strong>in</strong>e ehrende Dankbarkeit zu verb<strong>in</strong>den;denn hier begegnete ihm e<strong>in</strong> Element, das mit dem Zornvernichten<strong>der</strong> Gewalt das liebende Geschenk des Lebens verband.Dieses brennende Element wollte <strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> Ehrfurchtbewahren. Er musste es nähren <strong>und</strong> pflegen. Er lernte esannehmen <strong>und</strong> aufnehmen. Bald begann er, es auch dorth<strong>in</strong> zutragen, wo ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlagen<strong>der</strong> Blitz <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> hervorbrechen<strong>der</strong>Vulkan neue Funken wecken wollte. Der Mensch hütete dasFeuer. Glühend <strong>und</strong> glimmend nahm er es mit sich, um es amrechten Platz durch kle<strong>in</strong>ste Holzteile zu lo<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Flamme zuentfachen. In beständiger Sorgfalt erhielt er <strong>die</strong> dem tötendenBlitz <strong>und</strong> dem vernichtenden Vulkan entnommene Glut amLeben. In <strong>die</strong> Kälte <strong>und</strong> Dunkelheit trug er sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, um sieimmer erneut zur Flamme zu entfachen. Er lernte das Feuer zupflegen.So verehrte <strong>der</strong> Mensch den Feuerfunken als e<strong>in</strong> ehrwürdigesHeiligtum, als e<strong>in</strong> wahrhaft heiliges Gut, das <strong>die</strong> Gottheitniemand an<strong>der</strong>em als alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschheit geschenkt hatte.Ke<strong>in</strong> Tier hatte an <strong>die</strong>sem Gut aktiven Anteil. Ke<strong>in</strong>e Tiergeme<strong>in</strong>schaftpflegte das Feuer, wie <strong>der</strong> Mensch es tat. Ke<strong>in</strong> Tier nahmes mit sich. Nur <strong>die</strong> schwache Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Menschen wares, <strong>die</strong> niemals <strong>und</strong> nirgends ohne Feuer war. Nur <strong>der</strong> Menschist Feuerträger. In se<strong>in</strong>er Hand darf <strong>der</strong> Funke nicht verlöschen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 223Niemals durfte er se<strong>in</strong> Feuer vergessen. Von Hand zu Handgab er es weiter. Als Feuergeber <strong>und</strong> Feuernehmer beweistsich <strong>der</strong> Mensch dem Ursprung wie dem Ziel nach als Geme<strong>in</strong>schaftswesen.Feuer verb<strong>in</strong>det <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> gegenseitigerHilfe. Auch <strong>der</strong> Fremdeste war von Urbeg<strong>in</strong>n an von <strong>die</strong>serGeme<strong>in</strong>schaft umschlossen.Die Pflege des Feuers war für <strong>die</strong> menschliche Geme<strong>in</strong>schaftgr<strong>und</strong>legend. Die Strahlung des Lichtes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wärme entfaltetesammelnde Kraft. Das Lagerfeuer bedeutet Bildung <strong>und</strong>Wahrung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Das Weitergeben des Geme<strong>in</strong>schafts-Feuersvon Geschlecht zu Geschlecht ist wertvollstesErbgut <strong>der</strong> ältesten Menschen. Überall bleibt <strong>die</strong> Flamme <strong>der</strong>Mittelpunkt aller ersehnten Geme<strong>in</strong>schaft. Sie bewirkt Lebensgeme<strong>in</strong>schaft.Mit <strong>der</strong> Bewahrung <strong>der</strong> Flammen jenes himmlischen <strong>und</strong>abgründigen Schreckens beg<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> neue Menschwerdung,nachdem das erste Licht des Gottesbildes <strong>in</strong> dem gefallenenMenschen verschüttet war. Hier taucht nach dem Verlust desersten Gottesfriedens <strong>die</strong> Ahnung auf, dass Feuergericht zugleichFeuergeschenk bedeutet, dass <strong>der</strong> Zorn <strong>der</strong> höchstenGewalten neue liebende Gnade <strong>in</strong> sich trägt. Feuer<strong>die</strong>nst willGottes<strong>die</strong>nst werden. Der den verlorenen Gott ehrende Menschwill durch das Holzopfer <strong>die</strong> wärmende Glut am Leben erhalten.Er will, dass ihr Licht <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Nacht verloren gehe. Er will, dass<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Menschen gesammelt werde <strong>und</strong> versammeltbleibe. Wie ihre Nahrung, so sollte hier auch ihrLeben vor Verwesung <strong>und</strong> Tod bewahrt werden. So entstandenam Lagerfeuer, am Herdfeuer <strong>und</strong> schließlich am AltarfeuerStammesgeme<strong>in</strong>schaft, Volksgeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Menschheitsgeme<strong>in</strong>schaft.Das Licht des Para<strong>die</strong>ses war entschw<strong>und</strong>en.Die ungetrübte Gottesgeme<strong>in</strong>schaft war verloren. Konnte dasneue Geme<strong>in</strong>schaftsfeuer den Weg zu dem verlorenen Gotterhellen?Durch das Feuer gelangte <strong>der</strong> Mensch langsam zu jenerBeherrschung <strong>der</strong> Naturkräfte, zu <strong>der</strong> er e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> dem verlorenenGarten berufen war. Freier <strong>und</strong> freier schien er nun zuwerden – vor allem für Wahl <strong>und</strong> Wechsel se<strong>in</strong>es Aufenthaltsortes.Zunehmend fühlte er sich von den äußeren Bed<strong>in</strong>gungenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 224<strong>der</strong> Landschaft <strong>und</strong> des Klimas unabhängiger. In <strong>der</strong> Feuer-Geme<strong>in</strong>schaft suchte er zu jener Freiheit <strong>und</strong> Herrschaft zuf<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> er mit <strong>der</strong> Lichtgeme<strong>in</strong>schaft Gottes e<strong>in</strong>gebüßt hatte.Wie<strong>der</strong> sammelte ihn e<strong>in</strong> glühendes Licht um e<strong>in</strong>en lo<strong>der</strong>ndenMittelpunkt. Es wies ihm durch <strong>die</strong> bedrohliche Nacht e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samenWeg zu beherrschen<strong>der</strong> Freiheit. Die Helligkeit <strong>der</strong>Flamme befreite ihn von dem Todeshauch <strong>der</strong> Kälte <strong>und</strong> vonall den Naturmächten, <strong>die</strong> ihn nach dem Verlust des Gottesfriedensvone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>reißen <strong>und</strong> ver<strong>der</strong>ben wollten.Befreit von <strong>der</strong> Furcht <strong>der</strong> Nacht <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Knechtung durch<strong>die</strong> Natur, konnte <strong>der</strong> Mensch langsam an e<strong>in</strong>e Beherrschung<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge herantreten, <strong>die</strong> ihm mit dem Para<strong>die</strong>s Gottes verlorengegangen war. So lernte er, se<strong>in</strong>e Nahrung <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaftzu teilen, zu konservieren <strong>und</strong> für <strong>die</strong> ganze Schargenießbar zu erhalten. So kam er von dem offenen Lagerfeuerzu dem geschützten Geme<strong>in</strong>schafts-Herd, <strong>in</strong> dem das heiligeFeuer ununterbrochen glühen <strong>und</strong> für alle beständig weiterbrennenkönnte. Hier sollte es als ehrfurchtgebietendes Geheimnis<strong>der</strong> erhofften Menschheitsgeme<strong>in</strong>schaft immer <strong>und</strong> ständig demStamm erhalten bleiben.<strong>E<strong>in</strong></strong>st hatten Angst <strong>und</strong> Schrecken <strong>die</strong> Menschen zur Fluchtvor dem unberechenbaren Feuerzorn <strong>der</strong> Gottheit geführt. Jetztverband sie <strong>die</strong> Ehrfurcht vor <strong>der</strong> Flamme, denn <strong>der</strong> Menschhatte erfahren, dass <strong>die</strong> gefährliche Glut Schutz vor <strong>der</strong> Gefahrdes Kältetodes wie vor den bösen Gewalten <strong>der</strong> Nacht gab.Sie bewahrte Lebenskraft <strong>und</strong> Nahrung. Mehr <strong>und</strong> mehr aberwurde <strong>die</strong> sammelnde Kraft als das stärkste Element des Feuerserlebt. Die ersehnte Gabe des Lebens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftwar größer als <strong>die</strong> mör<strong>der</strong>ische Zerstörung des verzehrendenBlitzes <strong>und</strong> des Feuer speienden Berges, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>st <strong>die</strong>Menschen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> getrieben hatte. Was Schrecken desTodes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zertrennung gewesen war, sollte nun zur Kraftdes Lebens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sammlung werden.So suchte <strong>der</strong> Mensch das mör<strong>der</strong>ische Brausen <strong>der</strong>Eiszeiten zu überstehen - jene Todeszeiten, <strong>die</strong> weit gewaltigereTiergeschlechter <strong>in</strong> weite Feme vertrieben o<strong>der</strong> völlig zum Aussterbengebracht hatten. Nur so konnte er se<strong>in</strong> Leben gegenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 225<strong>die</strong> ungezählten Mordgeschöpfe <strong>der</strong> Nacht behaupten. Nur sowi<strong>der</strong>stand se<strong>in</strong> Herz den über alles gefürchteten Geistern <strong>der</strong>F<strong>in</strong>sternis.Das Feuer hatte Schutz gegeben. Darum wurde es geschützt.Als schützen<strong>der</strong> Sammelpunkt <strong>der</strong> menschlichen Geme<strong>in</strong>schaftwurde es zum Kernpunkt <strong>der</strong> menschlichen Wohnstätte. Dasheilige Herdfeuer ist nicht ohne Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Inbegriff <strong>der</strong> Häuslichkeit.Für <strong>die</strong> Wahl des Lagerplatzes war nicht mehr dasF<strong>in</strong>den o<strong>der</strong> Errichten e<strong>in</strong>es deckenden Verstecks entscheidend,son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>der</strong> Flammenschutz, <strong>die</strong>Schirmung <strong>der</strong> Feuerstelle. Vor den verlöschenden W<strong>in</strong>dengeschützt, verscheuchte so <strong>die</strong> lo<strong>der</strong>nde Flamme alle denMenschen bedrohenden Gefahren.Im Freien schützten aufgerichtete Wände den Feuerplatz vorSturm <strong>und</strong> Regenfluten. Wo es möglich war, wurde <strong>die</strong> Feuerstätte<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>die</strong> Flamme hütenden Höhle errichtet. Um dasFeuer zu schützen, entstand das menschliche Haus. Der sichentwickelnde Hausbau sollte vor allem an<strong>der</strong>en dazu <strong>die</strong>nen,<strong>die</strong> Flamme am Leben zu erhalten. Nicht das Haus, son<strong>der</strong>ndas Feuer schützte <strong>die</strong> Menschen vor dem Kältetod <strong>und</strong> vordem nächtlichen Fe<strong>in</strong>d. Nicht den Menschen, son<strong>der</strong>n dasFeuer suchte man durch Wand <strong>und</strong> Dach zu schützen. Se<strong>in</strong>Schutz war e<strong>in</strong>e heilige Sache. Es war heiligste Verpflichtung,Funken <strong>und</strong> Flamme zu schützen. Das Wohnhaus entstand alsheiliger Schutz des Herdes.So wurde <strong>die</strong> Feuerstelle zum Merkmal heiliger Stätten, zumheiligen Zeichen erhabenster Bedeutung. Der Herd wurde Altar<strong>und</strong> Denkmal. Im Tempel bezeichnet <strong>der</strong> Altar <strong>die</strong> Opferstelledes heiligen Gottesherdes. Das Altarfeuer im Tempel war denMenschen ebenso unantastbar wie <strong>die</strong> Brandstelle des täglichbewohnten Hauses. Die Ursache <strong>die</strong>ser Haltung ist klar: Licht<strong>und</strong> Wärme blieben als Geschenk <strong>der</strong> Gottheit <strong>die</strong> sammelndeKraft <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Der Herd blieb <strong>der</strong> ehrfurchtsvoll zuhütende Sammelpunkt des geme<strong>in</strong>samen Lebens. Er blieb esvon <strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Menschen her.Wie für <strong>die</strong> lebende Hausgeme<strong>in</strong>schaft war <strong>die</strong> Feuerstelleauch für <strong>die</strong> Toten von höchster Bedeutung. Die menschlicheGeme<strong>in</strong>schaft wechselte <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Zeit ihres geme<strong>in</strong>-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 226samen Lebens beständig ihren Platz, um von Ort zu Ort weiterzuziehen,während <strong>die</strong> alten Stammesführer e<strong>in</strong>er nach deman<strong>der</strong>en dah<strong>in</strong>starben. Überall, wo <strong>der</strong> Weg vorübergeführthatte, entstanden heilige Orte zur bleibenden Er<strong>in</strong>nerung <strong>und</strong>ständigen Weihe. Überall, wo Geme<strong>in</strong>schaftsfeuer gebrannt<strong>und</strong> Opferstätten religiöser Vere<strong>in</strong>igung bestanden hatten,häufte man Erde <strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>e zu e<strong>in</strong>em Hügel auf, <strong>der</strong> beständigerhöht <strong>und</strong> erweitert wurde. Die ersten Denkmale <strong>der</strong> Menschheitwaren dem Ewigen geweihte, alte Feuerstätten. Siegalten den Vorüberziehenden mit Recht als heilige Gräber. Denn<strong>die</strong> Gräber <strong>der</strong> frühen Menschen, beson<strong>der</strong>s jener, <strong>die</strong> führendwirksam gewesen waren, wurden an den Herdplätzen <strong>der</strong> altenLagerfeuer errichtet, an denen sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Ihren gelebt<strong>und</strong> gewirkt hatten. An se<strong>in</strong>er geliebten alten Feuerstätte sollte<strong>der</strong> Verstorbene <strong>die</strong> ihm gebührende Ehrung empfangen. Wie<strong>der</strong> Altar des Tempels <strong>und</strong> <strong>der</strong> Herd des e<strong>in</strong>fachen Hauses verehrtwurden, so wurden auch Grab <strong>und</strong> Herd zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. DasGrabmal wurde für immer zu e<strong>in</strong>em geweihten Ort, <strong>in</strong>dem manden ehemaligen Feuerplatz <strong>und</strong> das Grab des Verstorbenenmit e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>kreis umgab. So entstand <strong>der</strong> Hügel <strong>der</strong> Anbetung,von dessen Gottesverehrung <strong>und</strong> Götzen<strong>die</strong>nst <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong>erzählt.Wie bei den Toten, blieb es auch bei den Lebenden: Der um<strong>die</strong> Feuerstätte herum entstehende geschlossene Hof - <strong>die</strong>Hofraite – beheimatete <strong>die</strong> lebenden Menschen <strong>in</strong> gleicherWeise wie jener Ste<strong>in</strong>kreis <strong>die</strong> toten. Der lebendige Mittelpunktwar <strong>und</strong> blieb für Lebendige wie für Tote <strong>der</strong> heimische Herd als<strong>der</strong> heilige Herd. Das Herdfeuer blieb <strong>der</strong> Inbegriff des Hofes,wie es für immer <strong>der</strong> Inbegriff des Hauses <strong>und</strong> <strong>der</strong> Häuslichkeitbleibt. Zaun <strong>und</strong> Stadt, Hof <strong>und</strong> Burg – sie alle deuten mitdemselben nordischen Wortstamm auf das umbaute Feuer.Das Feuer ist das zentrale Geheimnis <strong>der</strong> Wohngeme<strong>in</strong>schaftaller Menschen.So wie es <strong>die</strong> beständige Neigung aller Menschen ist, ihrenGeme<strong>in</strong>schaftswillen auf <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>e Gruppe des eigenen Stammeszu beschränken, so wurde wie<strong>der</strong>um das Feuer zur Anregung<strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>schaft von Stamm zu Stamm. Als Gr<strong>und</strong>lage<strong>der</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft bahnte es zwischen Fremden Friede <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 227<strong>E<strong>in</strong></strong>heit an. Auch im freien Verkehr von Stamm zu Stamm wurdedas Weitergeben des Feuers selbst dort zur Gr<strong>und</strong>lage fre<strong>und</strong>schaftlicherBeziehungen, wo zuvor Fe<strong>in</strong>dschaft geherrschthatte. Durch Übertragung von Herd zu Herd <strong>und</strong> von Volk zuVolk wurde das Feuer als Zeichen des Friedens <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heitverschenkt <strong>und</strong> empfangen.Auch <strong>der</strong> damalige Totenkult weist auf <strong>die</strong> fre<strong>und</strong>schaftlichenBeziehungen <strong>der</strong> Lebenden h<strong>in</strong>. In ihm offenbart sich <strong>die</strong>Nahrungsgeme<strong>in</strong>schaft, Feldgeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Feuergeme<strong>in</strong>schaft<strong>der</strong> frühen Menschheit. Mit <strong>der</strong> Nahrung wurde demToten auch Feuer <strong>in</strong>s Grab gegeben. Der Tote sollte wie jedesan<strong>der</strong>e Glied des Stammes mit den Lebensgütern <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftversorgt werden. Er darf nicht e<strong>in</strong>em hungrigen, kalten<strong>und</strong> f<strong>in</strong>steren Grab überlassen bleiben. So teilte man ihm vondem geme<strong>in</strong>schaftlichen Essen mit o<strong>der</strong> weihte ihm e<strong>in</strong> Stückdes Feldes mit dessen voller Ernte.Aber <strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe des Feuers g<strong>in</strong>g weiter als <strong>die</strong> <strong>der</strong> Nahrung:Die Überlebenden sollten nichts von dem zurück behalten, wasdem Toten zukam. Deshalb löschte man von alters her alleFeuer, an denen <strong>die</strong> Verstorbenen bis zum letzten Tag ihresLebens teilgehabt hatten. Die ganze, <strong>in</strong> lebendiger Geme<strong>in</strong>schaftgeteilte Flamme sollte ihnen als geweihte Gabe überlassenbleiben. Nach dem Verlöschen <strong>der</strong> alten verlassenen Feuerstellemussten nun gänzlich neue Feuer angezündet werden.Noch heute löscht <strong>die</strong> Kirche am Karsamstag, dem TotenfestJesu, alle alten Kerzenflammen, um <strong>die</strong> neuen am Ostermorgenzu entzünden. An ihnen sollen alle Haushaltungen ihreOsterscheite, Scharhölzer o<strong>der</strong> Osterkerzen anzünden. Wie<strong>die</strong> Urmenschen <strong>in</strong> dem Mitgeben des Feuers ihren Glaubenan das Weiterleben <strong>der</strong> Toten bezeugten, so erschallt heutebei <strong>der</strong> neuen Entzündung <strong>der</strong> Kerzen <strong>der</strong> Ruf „Christ isterstanden!".Der Glaube an das Leben nach dem Tode entsprach dem,was den Überlebenden auch für <strong>die</strong> ihnen verbleibende Lebenszeitals das Beste <strong>und</strong> Höchste galt. Was man den Toten gab,konnte nichts an<strong>der</strong>es als das se<strong>in</strong>, was man den Lebendenwünschte <strong>und</strong> verlieh. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat: Wie den Verstorbenenfür e<strong>in</strong> neues <strong>und</strong> an<strong>der</strong>es Leben, so wurde auch den Leben-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 228den zu jedem neuen Unternehmen Wegzehrung <strong>und</strong> Feuer mitauf den Weg gegeben. Feuerträger begleiteten jeden Aufbruch<strong>und</strong> Neuanfang. Wenn <strong>die</strong> zu neuer Ansiedlung geweihte <strong>und</strong>am ersten März ausgesandte Jungmannschaft <strong>der</strong> Römer wieauch <strong>der</strong> Germanen im sogenannten Weihefrühl<strong>in</strong>g den Mutterstammverlassen sollten, hatten sie das Heimatfeuer mitzunehmen,während daheim alle Feuer verlöscht wurden. Die heiligeHütung auf dem Weg, <strong>die</strong> Neuentfachung des Funkens <strong>und</strong><strong>der</strong> Flamme war den Feuerjungfrauen anvertraut. Für sie – wieauch für <strong>die</strong> späteren Vestal<strong>in</strong>nen, <strong>die</strong> geweihten Hüter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong>heiligen Tempelflamme – blieb Keuschheit strengstes Gebot.Auch <strong>die</strong> ständige Erhaltung <strong>und</strong> Bewahrung des zurückbleibenden<strong>und</strong> ansässigen Stammes war von dem heiligenFeuer<strong>die</strong>nst abhängig. Stammesdauer <strong>und</strong> Feuerdauergalten als e<strong>in</strong>es. Das e<strong>in</strong>e bed<strong>in</strong>gte das an<strong>der</strong>e. Wie das Feuerverlosch, wenn <strong>der</strong> Stamm ausstarb, so verlor sich se<strong>in</strong>eSelbständigkeit, sobald das Feuer zu brennen aufhörte. Undg<strong>in</strong>g <strong>der</strong> wan<strong>der</strong>nden Schar doch e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Flamme aus, soholte man, um nicht Fremden <strong>die</strong>nstbar zu werden, den neuenFunken vom alten heimatlichen Herd. Der nordische HeldGretter durchschwamm <strong>die</strong> stürmischen Wogen des Fjord,um auf gefährlichem Weg <strong>in</strong> erhobener Hand das Feuerzurückzubr<strong>in</strong>gen. „Man hegt“, wie Homer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Odyssee sagt,„den Samen des Feuers, um nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ferne zu zünden.“Durch das Feuer war <strong>die</strong> Heimat dem Stamm <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erGottheit geweiht.Wie <strong>die</strong> Flamme des Landes überall <strong>in</strong> heiliger Geme<strong>in</strong>schaftgehalten wurde, so war von jeher auch bei den Germanendas Land als Almende eigentumsloser Geme<strong>in</strong>schaftsbesitz,geme<strong>in</strong>same Mark <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>de. „Mit Feuer heiligen",bedeutete den Norwegern, dass sie durch <strong>die</strong> ihnen zugehörigeGeme<strong>in</strong>schaftsflamme e<strong>in</strong> Land für ihre Geme<strong>in</strong>schaft zueigen nahmen. Wo ihr Funke entbrannte, war ihre Heimat. Dasheimatliche Feuer gehörte wie das mit ihm <strong>in</strong> Besitz genommeneLand <strong>der</strong> ganzen Volksgeme<strong>in</strong>schaft.Das Teilhaben am Stammesfeuer war wie <strong>die</strong> soziale Geme<strong>in</strong>samkeitdes Landbesitzes e<strong>in</strong>e religiöse Angelegenheit.Das Versagen des Feuers bedeutete Verbannung aus demw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 229Lande <strong>der</strong> Heimat. Die Feuerverweigerung konnte nur dannausgesprochen werden, wenn <strong>der</strong> zu Verbannende unterreligiöser Strafe stand. Dem Gericht <strong>der</strong> Götter preisgegeben,verlor er allen Anteil an den Lebenselementen se<strong>in</strong>es Volkes.Das Ausstoßen aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> aus <strong>der</strong> Heimat,das schwerste Schicksal, welches den Menschen treffenkönnte, hieß deshalb „<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft von Wasser <strong>und</strong> Feuerentziehen". Wenn jemandem ke<strong>in</strong> Feuer mehr geliehen wurde,so sprach auch niemand mit ihm. Bei den Römern bedeutete<strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Bürgerrechte nach dem Kornelischen Gesetz,dass Wasser <strong>und</strong> Feuer versagt wurden. Auch <strong>die</strong> Ächtung beiden Germanen hatte <strong>die</strong>selbe Wirkung, dass dem Verbanntenniemand Feuer leihen o<strong>der</strong> Wasser reichen durfte. Von dem gesamtenGeme<strong>in</strong>schaftsleben des Volkes war er abgeschnitten.Das Gewähren <strong>und</strong> Versagen des Feuers machte alleMenschen gleich. Auch für <strong>die</strong> Frau bewirkte <strong>die</strong> FlammeEbenbürtigkeit bis h<strong>in</strong> zur priesterlichen Würde. Wie beiden Vestal<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> jenen feuertragenden Jungfrauen <strong>der</strong>Wik<strong>in</strong>ger <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Germanen, hatte <strong>die</strong> Frau überall <strong>die</strong>größte Bedeutung für das Gewähren wie für das Versagen<strong>die</strong>ses heiligen Dienstes. Ihre Aufgabe war es, <strong>die</strong> Herdflammezu warten <strong>und</strong> zu unterhalten.Vielleicht war es auch <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> als erste <strong>die</strong> Geburtdes Feuers aus <strong>der</strong> Reibung <strong>der</strong> Hölzer hervorgebracht hat.Denn nicht an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Arbeit entbrannte aus <strong>der</strong> heißenReibung <strong>und</strong> aus dem Haufen fe<strong>in</strong>ster Holzteile <strong>der</strong> neue Funke<strong>der</strong> ersehnten Flamme. So wurde <strong>die</strong>se heilige Funktion <strong>der</strong>Arbeit zum priesterlichen Dienst. Aus den beiden Hölzern –Feuervater <strong>und</strong> Feuermutter genannt, erzeugte sie durchrasche Drehung das Feuer, um es, wie <strong>die</strong> Edda 46 zu sagenweiß, „so heranwachsen zu lassen, dass es sogleich weith<strong>in</strong>Botschaft tragen konnte". Diese Feuererzeugung <strong>und</strong> Flammengeburtwar von Urbeg<strong>in</strong>n an heiligster Gottes<strong>die</strong>nst. DerPriester trug bei den Indianern den Namen des Feuermachers,wie <strong>die</strong> Priester<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Römer den <strong>der</strong> Feuerjungfrauen.______________________________46Die Edda, Hauptwerk <strong>der</strong> germanischen Literatur, 13. Jh.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 230Selbst das Hakenkreuz des Feuerrades, zugleich e<strong>in</strong> Zeichendes rollenden Sonnenrades, verweist auf <strong>die</strong>se älteste, heiliggehaltene Entfachung <strong>der</strong> Flamme. Das Hakenkreuz ist dasuralte Bild <strong>der</strong> im rechten W<strong>in</strong>kel ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gelegten Zündungshölzer,aus <strong>der</strong>en Bewegung <strong>der</strong> Funke entsteht. So wurdedann <strong>in</strong> den Schriftzeichen des fernen Ostens das Hakenkreuzals Feuerkreuz das Urzeichen für Ursache <strong>und</strong> Wirkung.Dass wir <strong>die</strong>ses Feuerkreuz <strong>der</strong> beiden Hakenhölzer schon<strong>in</strong> <strong>der</strong> jüngeren Ste<strong>in</strong>zeit vorf<strong>in</strong>den, beweist se<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>menschliche Bedeutung. Das Entfachen des Feuers durch <strong>die</strong>Drehung <strong>der</strong> Hölzer ist als das Lebenszeichen <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftszeichen<strong>der</strong> ganzen Menschheit Geme<strong>in</strong>gut aller Völker.Es gehört als S<strong>in</strong>nbild des Feuerzündens <strong>und</strong> des Sonnenrades<strong>der</strong> Urmenschheit an. Es gebührt allen ihren Nachkommen,ohne Unterschied <strong>der</strong> Rasse <strong>und</strong> des Blutes. Deshalb ist esnicht zu verwun<strong>der</strong>n, dass es sich als das Zeichen <strong>der</strong> lebenspendendenMacht des Sonnenlichts <strong>und</strong> des Feuerentzündenswie bei allen Indogermanen auch bei den Phöniziern Kanaanserhalten hatte. Auch den jüdischen Landbewohnern Kanaansgehört das Feuer, se<strong>in</strong>e Zündung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft.Der heilige Dienst <strong>der</strong> Feuerbewahrung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Feuerzündungführte bei allen Völkern zum Feueropfer des heiligenAltars. So huldigte auch das Volk Israel jeden Morgen <strong>und</strong>jeden Abend Jahwe-Jehova durch das aufsteigende Rauchopfer<strong>und</strong> durch das emporflammende Brandopfer. Aus <strong>der</strong>Darbr<strong>in</strong>gung des Rauchaltars wird im neuen B<strong>und</strong> das <strong>E<strong>in</strong></strong>tretenJesu Christi als des Hohenpriesters für se<strong>in</strong> Volk (Hebr.3,14ff).Durch se<strong>in</strong>e <strong>und</strong> des Heiligen Geistes Anwaltschaft werden <strong>die</strong>flammenden Gebete se<strong>in</strong>er Heiligen auch als tägliches Dankopferbezeichnet (Offb.5,8).Das Brandopfer des Feueraltars war für Israel das häufigste<strong>und</strong> völligste Ganzopfer. An ihm bewies Abraham, <strong>der</strong> ErzvaterIsraels, se<strong>in</strong>e unbegrenzte Opferbereitschaft, als er dene<strong>in</strong>zigen Sohn <strong>der</strong> Verheißung zum Feueropfer h<strong>in</strong>geben wollte.Ebenso ließ schon Noah nach se<strong>in</strong>er Errettung aus <strong>der</strong> allesver<strong>der</strong>benden S<strong>in</strong>tflut durch Verbrennen des ganzen Tieresals S<strong>in</strong>nbild völliger H<strong>in</strong>gabe se<strong>in</strong> Opfer zum FriedensbogenGottes aufsteigen. Deshalb bezeugte Paulus den Tod Jesuw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 231als das Feueropfer <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Kreuzesgalgen als den Brandopferaltardes neuen B<strong>und</strong>es (Hebr.13,10-12). In <strong>der</strong> Bluttaufewurde <strong>die</strong> Frage Jesu beantwortet: „Könnt ihr mit demselben Feuergetauft werden, wie es über mich kommt?" Die Bluttaufe desGekreuzigten <strong>und</strong> das folgende Todesmartyrium <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>debedeutete <strong>die</strong> gleiche H<strong>in</strong>gabe des Ganzopfers wie <strong>die</strong> desalten Brandopfers.Die Flamme e<strong>in</strong>es so auf das Letzte verweisenden Opfersdurfte auch im Volk Israel nur dem heiligen Altarfeuer entnommenwerden. Ke<strong>in</strong> „fremdes" Feuer durfte an den Altar herangebrachtwerden. Wie bei den frühesten Menschen sollte auchhier das auf dem Brandopfer-Tisch lo<strong>der</strong>nde Feuer niemalszum Verlöschen kommen. Als ewiges Feuer war es Gott geheiligt.Der Ste<strong>in</strong>herd o<strong>der</strong> Ste<strong>in</strong>tisch, <strong>der</strong> manchmal auch unterH<strong>in</strong>zunahme von Erde <strong>und</strong> Gras errichtet wurde, hieß zur Zeit<strong>der</strong> Propheten <strong>der</strong> Gottesberg o<strong>der</strong> Gottesherd (Hes.43,12-15).Er war <strong>der</strong> Altar Gottes.Mose errichtete e<strong>in</strong>en solchen Feueraltar wie <strong>die</strong> ältestenMenschen aus Erde <strong>und</strong> umgab ihn mit Ste<strong>in</strong>haufen als demisraelitischen Hof des Heiligtums. Josuas Altar war aus unbehauenenSte<strong>in</strong>en errichtet <strong>und</strong> mit Gesetzesste<strong>in</strong>en umstellt.Wie auf jenem ältesten Altar, bei dessen Brandopfer schonAbel erschlagen wurde, soll <strong>die</strong> zur Bluttaufe bereite H<strong>in</strong>gabedes neuen B<strong>und</strong>es ohne jede menschliche künstliche Zutat<strong>in</strong> ursprünglichster <strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit <strong>und</strong> ärmstem Menschentumdargebracht werden. Auch <strong>der</strong> Apostel kann den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Feuertaufeam rohen Galgen h<strong>in</strong>gerichteten Jesus nur ohne jedeRedekunst <strong>und</strong> hohe Weisheit verkündigen (1.Kor.1,17). DasFeueropfer erfor<strong>der</strong>t letzte <strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Echtheit desUrsprünglichen.An dem e<strong>in</strong>fachen Brand-Altar des Tempelhofes erkannte <strong>der</strong>Prophet Jesaja <strong>die</strong> alles umfassende Bedeutung des Gottesfeuers:„Gott hat zu Jerusalem e<strong>in</strong>en Herd.“ „Jahwe hat zu ZionFeuer.“ „Jehova wird über alle Wohnungen se<strong>in</strong>es Berges Lichtgebendes Feuer schaffen, dass es <strong>die</strong> dunkle Nacht brennenddurchleuchtet!“ „Das Licht Israels wird Feuer se<strong>in</strong>.“ „Se<strong>in</strong> Geistwird richten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Feuer anzünden.“w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 232Als Blitz des Himmels fährt das Feuer des Herrn herab, umdort e<strong>in</strong>zuschlagen, wo es h<strong>in</strong> will. Als Elias, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zig übriggebliebeneProphet Jehovas, Hun<strong>der</strong>ten von falschen Prophetendes Sonnengötzen Baal <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Mond- <strong>und</strong> Venus-Gött<strong>in</strong>Astarte gegenüberstand, for<strong>der</strong>te er <strong>die</strong> Bereitung zweier Altäre:e<strong>in</strong>en für jene Götzen <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en für Jahwe, den GottAbrahams, Isaaks <strong>und</strong> Israels. Elias baute se<strong>in</strong>en Altar auszwölf Ste<strong>in</strong>en, denn er sollte – wie bei Mose – <strong>der</strong> Feuerherddes Zwölfstämmevolkes Jehovas se<strong>in</strong>. Er umgoss ihn mitWasser. Auf beide Altäre sollten Holz <strong>und</strong> Opferstier, jedoch ke<strong>in</strong>Feuer von Menschenhand gelegt werden. Die Baals- <strong>und</strong>Astarte-Priester sollten ihre Götzen anrufen, während Eliasse<strong>in</strong>en Gott um das Herabsenden des zündenden Feuerblitzesbat: „Welcher Gott mit Feuer antworten wird, <strong>der</strong> sei Gott!“ –Hier entschied sich <strong>der</strong> Kampf zwischen dem Feuergötzen<strong>und</strong> dem von Gott kommenden Feuer. Das rasende Rufen <strong>der</strong>Sonnen- <strong>und</strong> Mond-Priester fand ke<strong>in</strong>e Antwort. Auf des EliasAnrufung h<strong>in</strong> aber fiel das Feuer Jehovas herab. Es traf se<strong>in</strong>enAltar <strong>und</strong> fraß <strong>in</strong> lo<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Glut Brandopfer, Holz, Ste<strong>in</strong>e <strong>und</strong>Erde <strong>und</strong> verzehrte mit se<strong>in</strong>en Flammen selbst das feuerfe<strong>in</strong>dlicheWasser. Der Flammenblitz bewies es: „Jehova ist Gott.Jahwe ist Gott. Der Herr ist Gott!“ (1.Kö.18,38+39).Das vom Himmel hernie<strong>der</strong>fahrende Feuer ist das lo<strong>der</strong>ndeZeichen, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esgott dem Menschen naht. Denner ist <strong>der</strong> schöpferische Geist des Zentralfeuers, <strong>der</strong> Himmel<strong>und</strong> Erde, Sonne, Licht <strong>und</strong> Glut <strong>und</strong> alles Leben erschaffenhat. Das verzehrende Feuer kündet das Nahen Gottes. AlsAbraham, <strong>der</strong> Erzvater des Gottesglaubens, um e<strong>in</strong> B<strong>und</strong>eszeichenbat, das alle se<strong>in</strong>e Zweifel beseitigen könnte, war es <strong>die</strong>Feuerflamme Gottes, <strong>die</strong> zwischen <strong>die</strong> zur Rechten <strong>und</strong> L<strong>in</strong>kenause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gelegten Opferstöcke fuhr (1.Mo.14,17). Ebensoschritten bündnisschließende Menschen zur Bekräftigung ihresGelübdes zwischen Teilen des zerlegten Opfertieres h<strong>in</strong>durch.Das Bündnis des gelobenden Gottes ist <strong>der</strong> B<strong>und</strong> des Feuers.Ihm gilt es zu folgen.Als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wüste <strong>die</strong> B<strong>und</strong>eswohnung <strong>der</strong> Stiftshütte aufgerichtetwar, lagerte über ihr <strong>die</strong> leuchtende Flamme <strong>und</strong> ihreRauchwolke. Wenn <strong>die</strong>ses Feuer Gottes nicht vorausziehenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 233wollte, blieb das Volk an se<strong>in</strong>em Lagerplatz <strong>und</strong> wartete auf dasFeuerzeichen, auch wenn es Monate dauerte! Sooft aber <strong>die</strong>Flamme mit ihrer rauchenden Wolke vorausg<strong>in</strong>g, erfolgte <strong>der</strong>Aufbruch <strong>der</strong> feuergeb<strong>und</strong>enen Schar. Das führende Licht desFeuers war ihnen Gottes Ruf, Gottes Atem <strong>und</strong> Gottes Wort.Gott, <strong>der</strong> Feuersen<strong>der</strong> selbst, war ihr Feuerträger, ohne dessenVorausschreiten ke<strong>in</strong> neuer Aufbruch möglich war.Und weiter: wie Gott dem Propheten Mose im brennendenBusch als Feuerflamme erschien, so ist se<strong>in</strong> Wort auch demJeremia e<strong>in</strong> brennendes Feuer, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Herzen glüht, umim M<strong>und</strong>e des Propheten zur lo<strong>der</strong>nden Flamme zu werden.Auch von Elia heißt es, dass er wie e<strong>in</strong> brennendes Feuer mitse<strong>in</strong>er Prophetie hervorgebrochen ist. Feuer <strong>und</strong> Rauchdampfs<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Zeichen Gottes, <strong>die</strong> wie e<strong>in</strong> flammendes Wort here<strong>in</strong>brechen,um se<strong>in</strong>e Ehre zu verkünden. Sie s<strong>in</strong>d es als Zornesfeuer<strong>und</strong> Gerichtsfeuer ebenso wie als Feuer <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong><strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Niemals ersche<strong>in</strong>t Gottes Lichtfeuer ohne verzehrendesGericht über das Alte, über das Verwelkte <strong>und</strong> Verdorrte, überdas Unlebendige, Ungeme<strong>in</strong>schaftliche <strong>und</strong> Ungerechte, überalles dem Tode Verfallene. Niemals darf <strong>die</strong> Menschheit vergessen,dass das Feuer des Himmels <strong>und</strong> des Abgr<strong>und</strong>s <strong>in</strong> Blitz<strong>und</strong> Vulkan zu den Menschen gekommen ist. Als Schreckenschlägt es <strong>in</strong> <strong>die</strong> kalte Dunkelheit des nächtlichen Unfriedense<strong>in</strong>. Es übergießt <strong>die</strong> dürre tote Landschaft mit dem Feuermeerdes Grauens. Es offenbart <strong>und</strong> verzehrt <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternmis desBösen, des Todes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zertrennung. Es ist <strong>und</strong> bleibt dasGerichtsfeuer, das den abgehauenen Baum <strong>und</strong> <strong>die</strong> unfruchtbareSpreu verbrennen muss.Gott ruft das Feuer zum letzten Gericht über das verf<strong>in</strong>sterteWeltall, wie er es über das unre<strong>in</strong>e <strong>und</strong> entartete Sodom <strong>und</strong>Gomorrha <strong>und</strong> über <strong>die</strong> tyrannisch versklavende UngerechtigkeitÄgyptens kommen ließ, genauso wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wüste <strong>die</strong>aufrührerisch entzweiende Rotte Korah (4.Mo.16,1-35) <strong>und</strong>an<strong>der</strong>e wi<strong>der</strong>spenstige Israeliten treffen musste. Das Feuerwird Himmel <strong>und</strong> Erde verzehren, <strong>die</strong> wie e<strong>in</strong> Juwel zurFeuerprobe für e<strong>in</strong> Flammenmeer aufbewahrt werden. Diesesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 234wird am Tag des letzten Gerichts entzündet werden, dessenVer<strong>der</strong>ben alle Entzweiten <strong>und</strong> von Gott Getrennten treffenwird. In <strong>die</strong>sem letzten Gericht brennt jenes dunkle <strong>und</strong> f<strong>in</strong>stereFeuer, das <strong>der</strong> Segnungen geheiligter Flammen entbehrt.Das letzte Geheimnis des Gerichts ist das höllische Feuer<strong>der</strong> Ausstoßung <strong>und</strong> Verbannung. Es ist von aller Geme<strong>in</strong>schaftdes Lebens, von aller schützenden <strong>und</strong> befreienden Kraftse<strong>in</strong>er Lager- <strong>und</strong> Herdfeuer abgetrennt. Die Bergpredigt Jesusagt es: Dieses letzten Gerichtsfeuers ist schuldig, wer <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Liebe zerstört, wer den Bru<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verachtungpreisgibt <strong>und</strong> ihm <strong>die</strong> Menschenwürde abspricht, wer Hungrige<strong>und</strong> Dürstende ohne Speise <strong>und</strong> Trank, wer Obdachlose<strong>und</strong> Unbekleidete ohne Bedeckung lässt, wer an Kranken <strong>und</strong>Gefangenen vorübergeht. Er ist schuldig, weil er e<strong>in</strong> Menschist, <strong>der</strong> Gott <strong>und</strong> <strong>die</strong> Liebe vergessen hat.Die Herzenskälte, <strong>die</strong> sich vor dem Unglück <strong>der</strong> Mitmenschenverschließt, <strong>die</strong> Ungerechtigkeit <strong>der</strong> kalten <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ungeme<strong>in</strong>schaftlichkeitdes verhärteten Gemüts führen zu jenerVerbannung, <strong>die</strong> den Schuldigen <strong>in</strong> <strong>die</strong> verzehrende F<strong>in</strong>sternis<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftslosigkeit stößt, <strong>der</strong> er se<strong>in</strong>em Wesen gemäßangehört. Jesus sagt, dass <strong>die</strong>ses schwerste Gericht unumgänglichist, sooft <strong>der</strong> zertrennende, auflösende <strong>und</strong> zerstörendeUnfriede allen an<strong>der</strong>en Mitteln gegenüber unzugänglichwar.Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verkündigung Jesu will das nahende Gericht zurRettung werden. Se<strong>in</strong> Feuer richtet das Böse, <strong>in</strong>dem es denWeg aus dem Herrschaftsgebiet <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis <strong>in</strong> das Reich desLichtes weist. In se<strong>in</strong>er Hand wird <strong>die</strong> Fackel des Zorns zumSpen<strong>der</strong> des sammelnden <strong>und</strong> erhaltenden Lebens. Er ist <strong>der</strong>Feuerbr<strong>in</strong>ger Gottes.Das frühe Christentum bewahrte jenes denkwürdige WortJesu: “Wer mir nahe ist, ist dem Feuer nahe! Wer mir ferneist, ist dem Reiche fern!“ 47 . Jesus br<strong>in</strong>gt das Gericht des Feuergeistes.Er begründet <strong>in</strong> dem Herannahen des Lichtreiches______________________________47aus: „Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe – Dokumente, Briefe & Texte <strong>der</strong>Urchristen", Eberhard Arnold (Hrsg.), Wiesbaden 1986, S. 149 (l).w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 235<strong>die</strong> Feuergeme<strong>in</strong>schaft se<strong>in</strong>er Hausgeme<strong>in</strong>de. Mit ihm kommtdas Gottesreich, <strong>in</strong> dessen Herrschaft Gott selbst <strong>die</strong> leuchtendeSonne ist, <strong>die</strong> alle geschaffenen Sonnen für immer <strong>in</strong> denSchatten stellt. In <strong>der</strong> Licht-<strong>E<strong>in</strong></strong>heit Jesu Christi ist das Gottesherz<strong>der</strong> glühend flammenden Liebe zur Erfüllung se<strong>in</strong>esewigen Willens gelangt. Der Sohn ist <strong>der</strong> Sonnenheld, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>ergeschaffenen Sonnen bedarf, wenn er den Sieg <strong>der</strong> kommendenLichtzeit heraufführt. Se<strong>in</strong> Strahl ist verzehrendes Feuer<strong>und</strong> Leben schaffendes Licht. „Gleichwie <strong>die</strong> Sonne sich allerEssenz e<strong>in</strong>ergibt, welche nur ihre Kraft e<strong>in</strong>nehmen will, alsoschallet <strong>die</strong> Stimme Gottes durch alle Menschen, aber auchals Stimme des Zornes. – Wenn e<strong>in</strong> Kraut nicht Saft hat, soverbrennet es <strong>der</strong> Sonnenstrahl, hat es aber Saft, so erwärmtes <strong>der</strong> Sonnenstrahl, davon es wächset“ 48 . Ist man nicht bereitfür Gottes Liebesfeuer <strong>in</strong> dem Lichtsieg Jesu Christi, soerliegt man dem grimmigen, alles verzehrenden Feuergericht,das sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebesflamme des nahenden Christus erfüllt. Inse<strong>in</strong>er Glut hört <strong>die</strong> Vernichtung auf. In se<strong>in</strong>em Lichtgeistbeg<strong>in</strong>nt das Leben.Jesu Nachfolger wissen, dass sie nicht wie Elias vernichtendesFeuer auf <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>de herabrufen o<strong>der</strong> es gar selbstherabschleu<strong>der</strong>n können. Sie wissen, wie liebend <strong>der</strong> Geistist, dessen K<strong>in</strong><strong>der</strong> sie s<strong>in</strong>d. Ihr Feuer des aufstrahlendenGottesherzens offenbart sich wie bei dem auffahrenden Eliasan Sonnenwagen <strong>und</strong> Feuerrossen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> befreiten Geisteraller Völker <strong>in</strong> Gottes e<strong>in</strong>igendes Lichtreich fahren (2.Kö.2,11).Ihr Wesen ist das <strong>der</strong> ausgesandten Gottesboten, <strong>der</strong>en Dienstall denen das Licht <strong>der</strong> Himmelswelt br<strong>in</strong>gen will, <strong>die</strong> das Heildes letzten Reiches erben sollen.Die Aussendung Jesu Christi trägt den Heiligen Geist als denleuchtenden Feuergeist <strong>der</strong> völligen Liebe. Ihre Glut entstammt<strong>der</strong> kommenden Lichtwelt. Sie lässt e<strong>in</strong> Feuer entbrennen, dasalles Unheilige verzehrt <strong>und</strong> alles Göttliche zu strahlendemLicht entzündet. Jesus ist gekommen, um auf <strong>der</strong> Erde e<strong>in</strong>______________________________48nach Jakob Böhme, dt. Naturphilosoph <strong>und</strong> Mystiker, 1575-1624, aufden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Kapitel immer wie<strong>der</strong> Bezug genommen wird.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 236Feuermeer anzuzünden; darauf ist se<strong>in</strong> ganzer Wille gerichtet.Er ist <strong>der</strong> niemals Gefallene, <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lichtträger, <strong>der</strong>Glutbewahrer <strong>und</strong> Feuerentzün<strong>der</strong> se<strong>in</strong> kann. Se<strong>in</strong>e Geistesflammeist <strong>die</strong> letzte Möglichkeit <strong>der</strong> Menschwerdung, <strong>der</strong>Gottesvere<strong>in</strong>igung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>geme<strong>in</strong>schaft.Der erste Adam hat se<strong>in</strong>e Vorrechte heiligster Berufunge<strong>in</strong>gebüßt. Aber Gott wollte nicht, dass <strong>die</strong> Lichtbestimmungse<strong>in</strong>es Ebenbildes für <strong>die</strong> Menschen auf immer verloren bleibt.Er sandte <strong>der</strong> Erde <strong>die</strong> Gottesflamme <strong>und</strong> Liebesglut desletzten Adam. In ihm bricht von neuem das glühende LichtGottes e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> auferweckende Kraft, <strong>die</strong> Licht <strong>und</strong>Leben spendende Energie <strong>der</strong> neuen Schöpfung lebt, nachdem<strong>die</strong> alte Natur ihr Lichtleben verscherzt hatte.Durch <strong>die</strong> lo<strong>der</strong>nde Geistesflamme Jesu Christi wird <strong>der</strong><strong>in</strong> Todesfurcht geknechtete Mensch von allen tierischen <strong>und</strong>höllischen Nachtgewalten befreit. Nun kann er <strong>die</strong> Herrschaftdes Geistes über <strong>die</strong> alternden Naturkräfte, auch über <strong>Seele</strong><strong>und</strong> Leib <strong>der</strong> ersten Schöpfung antreten. Ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Machtals alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> heilige Geist Jesu Christi bewirkt königlicheFreiheit. Nur er, <strong>der</strong> mächtiger ist als alle an<strong>der</strong>en Geister, kann<strong>die</strong> Geltung <strong>und</strong> Herrschaft des Vaters Jesu Christi zum Siegüber <strong>die</strong> knechtenden Gewalten des Todes br<strong>in</strong>gen.Die schützende <strong>und</strong> sammelnde Kraft <strong>die</strong>ser Geistesflammevertreibt nicht nur <strong>die</strong> mör<strong>der</strong>ischen Geister <strong>der</strong> Nacht, sie verdrängtnicht nur <strong>die</strong> alles zum Erkalten br<strong>in</strong>gende Eiszeit desherrschenden Weltgeistes, sondem sie br<strong>in</strong>gt im lo<strong>der</strong>ndenSchutz das für unsere Weltzeit alle<strong>in</strong> Entscheidende: <strong>die</strong> umdas Altarfeuer des Gekreuzigten versammelte Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong>Hausgeme<strong>in</strong>schaft Gottes <strong>und</strong> ihre <strong>in</strong> alle Welt ausgeschicktenSendboten.Der Mittelpunkt <strong>die</strong>ses neuen Volkes ist <strong>die</strong> neue Feuerstelle<strong>der</strong> neuen Geme<strong>in</strong>de. Wie<strong>der</strong> entsteht um sie her <strong>der</strong> Hofihrer Wohngeme<strong>in</strong>schaft. Um das strahlende Feuer desHeiligen Geistes baut sich ihr geistiger Tempel zu e<strong>in</strong>em greifbarenHaus Gottes auf. Er ist <strong>die</strong> Stadt auf dem Berge, <strong>der</strong>enLicht <strong>in</strong> alle Lande strahlt. Ihre Stätte <strong>der</strong> Anbetung brenntim Geist <strong>und</strong> leuchtet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit. Das Feuer des HeiligenGeistes verb<strong>in</strong>det <strong>die</strong> um den Flammenthron Christi gesammel-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 237te Glaubensschar mit den Märtyrern <strong>der</strong> oberen Geme<strong>in</strong>de.Die Abgeschiedenen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Zurückgebliebenen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong>Geistesflamme lebendig vere<strong>in</strong>igt. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>mütigkeit des imHaus Gottes zu völliger Geme<strong>in</strong>schaft gesammelten Volkesentspr<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> oberen Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> <strong>in</strong> jenem vollkommenenLicht wohnt, zu dem ke<strong>in</strong> sterbliches, noch <strong>der</strong>Dunkelheit <strong>der</strong> Erde verhaftetes Leben Zutritt hat.Von <strong>der</strong> oberen Stadt her hat <strong>die</strong> Liebesglut des vollkommenen<strong>E<strong>in</strong></strong>heitsgeistes <strong>die</strong> Führung. Sie führt das schwacheGlaubensvolk nicht nur zur Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Nahrung, desLandes <strong>und</strong> aller se<strong>in</strong>er Arbeit – sie leitet es auch zum Weitergeben<strong>der</strong> Flamme <strong>in</strong> Gastfre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> feuertragendemBoten<strong>die</strong>nst zu allen Menschen <strong>der</strong> ganzen Erde. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de wird zur Friedensnachricht des Lichtreiches füralle Welt.Für <strong>die</strong>sen Dienst <strong>der</strong> Feuerbr<strong>in</strong>gung muss <strong>die</strong> heilige Flammedes re<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de-Geistes unvermischt erhalten bleiben.Die Feuergeme<strong>in</strong>de bewahrt ihre Beständigkeit nur dadurch,dass sie <strong>die</strong> heilige Flamme bis zum letzten hütet <strong>und</strong> ehrt. Dieglaubenden <strong>und</strong> liebenden Menschen ihrer <strong>E<strong>in</strong></strong>heit schützennicht sich selbst, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Flamme des Geistes, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>das wahre Leben sichert. Sie suchen nicht ihr eigenes Lebenzu erhalten, son<strong>der</strong>n alle<strong>in</strong> das des heiligen Feuers, an das sieihr eigenes Wesen verloren haben. Nur so gew<strong>in</strong>nen sie daswirkliche Leben, das umfassendes Leben für alle werden soll.Ihre Feuerstätte brennt für alle Welt. Ke<strong>in</strong> eigenes Wesen, ke<strong>in</strong>fremdes Feuer an<strong>der</strong>er Altäre, ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Geist darf an sieherangebracht werden. Der Lichtaltar <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist heilig;das Werk ihrer Liebe ist an<strong>der</strong>er Art als das <strong>der</strong> Menschen.Ihr leuchtendes Feuer verglimmt, sobald fremde Flammeno<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gluten mit ihm vermengt werden sollen. Wenne<strong>in</strong>e solche Geme<strong>in</strong>de das Licht <strong>der</strong> unverfälschten Liebe vergisst<strong>und</strong> ihre ursprünglich re<strong>in</strong>en Werke verleugnet, so wirdihr Leuchter umgestoßen, dass er verlöschen muss. Sobalde<strong>in</strong>em solchen Völkchen das unantastbare Feuer des HeiligenGeistes weggenommen ist, hat es se<strong>in</strong>e Freiheit <strong>und</strong> se<strong>in</strong>enAuftrag verloren. Se<strong>in</strong> erlöschen<strong>der</strong> Herd hört auf, e<strong>in</strong> Altar zuw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 238se<strong>in</strong>: des Feuers <strong>der</strong> Gottesliebe beraubt, ist er nichts als wertloseAsche. Se<strong>in</strong> lichtloses Haus ist ke<strong>in</strong> Tempel Gottes mehr.Mit <strong>der</strong> verlorenen Glut ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft erloschen.Sie ist unmöglich geworden. Ohne den Mittelpunkt desheiligen Lichtfeuers vermag <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de sich niemals wie<strong>der</strong>zu sammeln. Nur e<strong>in</strong> neues Erstehen heiliger Geistesflammenaus <strong>der</strong> Heimatgeme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> oberen Stadt kann e<strong>in</strong> so verlorenesVolk von <strong>der</strong> Knechtschaft <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftslosigkeitbefreien.Ohne das Feuer des Heiligen Geistes stirbt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft.Sie zerfließt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Knechtschaft unter fremde Völker, <strong>in</strong> <strong>der</strong>enMitte an<strong>der</strong>e Flammen brennen: unheilige Gluten eigener,menschlicher Werke <strong>und</strong> dämonische Begeisterung am Blutvergießen.Ihr durch das Geistesfeuer Gottes <strong>der</strong> All-Geme<strong>in</strong>degeweihtes Land verfällt nunmehr samt se<strong>in</strong>er Arbeit <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erNahrung dem Eigennutz <strong>und</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>schaftlichen Selbstsucht,während es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de endlich, endlich Gott gehörthatte! In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi war es im Kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Verborgenenwahr geworden, was am Ende <strong>der</strong> Tage im Großen <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ungtreten wird: „Die Erde ist des Herrn!" Sie gehört Gott.Nichts darf von e<strong>in</strong>zelnen Menschen als Eigentum beanspruchtwerden. Wo <strong>der</strong> Geist des letzten <strong>und</strong> ewigen Königs herrscht,gehört das Land den Lichtfeuern se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> se<strong>in</strong>esReiches. Wo <strong>die</strong> Gottesflamme erlischt, wird es Gott geraubt<strong>und</strong> verfällt dem Eigentum. Das Leben <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft isttot.Aber <strong>die</strong> Botschaft des Evangeliums ist Auferweckung vomTode. Seit se<strong>in</strong>er Auferstehung erweist sich Christus <strong>in</strong> demstets erneuten Herabkommen des Heiligen Geistes als <strong>der</strong> SohnGottes. Wenn <strong>die</strong> alte Flamme erloschen ist, an <strong>der</strong>en Altar <strong>die</strong>Alten e<strong>in</strong>st Treue gehalten hatten, während <strong>die</strong> jetzt Lebenden<strong>der</strong> sammelnden Feuerstelle entbehren <strong>und</strong> <strong>in</strong> Todesknechtschaftause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>fließen, will <strong>der</strong> Geist des Auferstandenenneue Feuer entfachen, um von neuem <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft desLebens unter <strong>der</strong> Losung aufzurichten: Entzündet <strong>die</strong> Lichter!Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!Entzündet durch <strong>die</strong> Osterbotschaft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Pf<strong>in</strong>gstflammedes Heiligen Geistes, brach e<strong>in</strong>st <strong>die</strong> Jugend – „<strong>der</strong> heiligew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 239Weihefrühl<strong>in</strong>g" – auf, um <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de des Auferstandenenneues Land zu weihen. Immer von neuem s<strong>in</strong>d jung erweckteScharen ausgezogen. Hun<strong>der</strong>t Jahre nach <strong>der</strong> ersten völligenGeme<strong>in</strong>schaft Jerusalems entstand <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien durch erneuteAusgießung des Feuergeistes von neuem Geme<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong>eLebensgeme<strong>in</strong>schaft, <strong>die</strong> auf den göttlichen Stadtstaat, dasalle<strong>in</strong> heilige Werk, das von Gott herabkommende Jerusalemwartete. In <strong>die</strong>ser höchsten Erwartung traten feuertragendeJungfrauen vor <strong>die</strong> glaubende Versammlung, führten <strong>die</strong>Totenklage <strong>der</strong> Buße <strong>und</strong> bewe<strong>in</strong>ten <strong>die</strong> Gott entfremdeteLebensweise <strong>der</strong> Menschen 49 . Das Evangelium wurde hiermit solcher Zukunftskraft verkündet, damit <strong>die</strong> jetzige Lebensgestaltungdem kommenden Reich entspricht. Die <strong>die</strong>nendeGeme<strong>in</strong>de sollte lernen, ihre heilige Lebenshaltung dem re<strong>in</strong>igendenFeuer <strong>der</strong> Gotteszukunft <strong>und</strong> <strong>der</strong> vere<strong>in</strong>igenden Harmoniewahrer Geme<strong>in</strong>schaft gemäß zu führen.Mehr als hun<strong>der</strong>t Jahre später sang Methodius <strong>der</strong> Märtyrer 50 :„Von oben her, Jungfrauen,scholl <strong>die</strong> totenweckende Stimme,dem Bräutigam eilend entgegenzugehen,im weißen Schmuck mit den Lampen,eh' <strong>der</strong> Morgen kommt.Erwachet, ehe verschw<strong>in</strong>det <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tür <strong>der</strong> Herr:Dir weih' ich mich <strong>und</strong> lichtwerfende Lampen tragend,Bräutigam, begeg'n ich dir, Christus:du bist Lebensfürst,sei gegrüßt, Licht, das nie untergeht: Hör unsern Ruf!Der Chor <strong>der</strong> Jungfrau'n ruft zu dir:Lebensblüte, du Liebe selbst,______________________________49siehe: „Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe – Dokumente, Briefe & Texte <strong>der</strong>Urchristen", Eberhard Arnold (Hrsg.), Wiesbaden 1986 S. 250 (71).50Methodius, Bischof von Tyrus, als Märtyrer gest. 311.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 240Freude, Verstand, Weisheit, ewiges Wort:dir weih' ich mich<strong>und</strong> lichtwerfende Lampen tragend,Bräutigam, begeg'n ich dir.Geraubt ist dem Menschen das Para<strong>die</strong>s nimmermehr;denn du gibst es wie<strong>der</strong> ihm,wie e<strong>in</strong>st durch göttlichen Befehl,das Land, aus dem durch des Drachenlistenreiche Kunst er fiel.Unvergänglicher, Unerschütterlicher, Glückseliger,dir weihe ich mich, <strong>und</strong> lichtwerfende Lampen tragend,Bräutigam, begeg'n ich dir.“Wie es <strong>der</strong> Märtyrerbereitschaft jener Geistesbewegung entsprach<strong>und</strong> wie Methodius selbst im Jahre 311 den Märtyrerto<strong>der</strong>litt, lässt er auch hier <strong>die</strong> feuertragenden Jungfrauen ausrufen:„Fliehend <strong>der</strong> listigen Schlangetausendfache Schmeicheleierdulde ich Feuers Brand<strong>und</strong> wil<strong>der</strong> Tiere schrecklichen Anfall,dich erwartend vom Himmel her!“Er erwartet <strong>in</strong> Feuerbereitschaft den lo<strong>der</strong>nden Geist. Jesustauft mit dem Heiligen Geist <strong>und</strong> mit Feuer. Wer sich für<strong>die</strong> Erwartung se<strong>in</strong>es Reiches rüstet, bereitet sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emGeist zur Feuertaufe des Martyriums. Jesus br<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Erde dasFeuer. Mit <strong>der</strong> Geistesflamme se<strong>in</strong>es Gerichtsbrandes <strong>und</strong>Liebeslichtes br<strong>in</strong>gt er <strong>der</strong> Erde das Feuer des Brandopfers<strong>und</strong> das Läuterungsfeuer letzten Leides. Als <strong>der</strong> bittereChristus br<strong>in</strong>gt er salzendes Feuer äußerster Not. Se<strong>in</strong> Feuersalzt zum Brandopfer. Die tötend verzehrende Verfolgungherausfor<strong>der</strong>nd, ruft <strong>die</strong> leuchtende Fackel se<strong>in</strong>er Sendungzum letzten Opfer!„Alle, alle müssen mit Feuer gesalzen werden“ (Mk.9,49). „Ihrw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 241dürft über <strong>die</strong> Feuersglut nicht erstaunt se<strong>in</strong>. Sie entbrennt zueurer Läuterung.“ „Die Zeit ist da, zu <strong>der</strong> das Gericht am HauseGottes Anfang nimmt" (1.Petr.4,17). Wie Gold soll <strong>der</strong> Glaubese<strong>in</strong>e äußerste Feuerprobe bestehen. Durch <strong>die</strong> Not erprobtGott <strong>die</strong> Herzen, wie Feuer das Silber prüft. Was je<strong>der</strong> gebauthat, wird <strong>der</strong> kommende Tag zeigen (1.Kor.3.12+13). Der TagGottes offenbart sich <strong>in</strong> alles zerschmelzendem Feuer. Alles,was <strong>die</strong> Völker erarbeitet haben, kommt <strong>in</strong> <strong>die</strong> brennende Glut.Gott wird Silber <strong>und</strong> Gold <strong>in</strong> schmelzen<strong>der</strong> Flamme ans Lichtbr<strong>in</strong>gen. Se<strong>in</strong> Brennen ist wie das Feuer des Goldschmieds.Die re<strong>in</strong>igende Feuerwirkung ist den Menschen von jeherbewusst durch ihre alle Tiere <strong>und</strong> Geister <strong>der</strong> Nacht verscheuchendeKraft. Die Höhenfeuer <strong>der</strong> Frühl<strong>in</strong>gs- <strong>und</strong> Osterzeitsollten ebenso wie <strong>die</strong> Sonnwendfeuer des tiefen W<strong>in</strong>ters<strong>und</strong> des hohen Sommers das Land <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Quellen vonallen Mächten des Unheils befreien. Die Feuertaufe des GeistesJesu Christi läutert durch <strong>die</strong> Not als <strong>die</strong> re<strong>in</strong>igende, allesUnsaubere verbannende Feuerflamme, wie es vor allem an<strong>der</strong>endurch das Gerichtsfeuer <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dezucht geschieht.In dem Geisteslicht <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>de son<strong>der</strong>t<strong>die</strong> Feuerscheidung stets aufs neue alles Ver<strong>der</strong>bliche <strong>und</strong>Eigene aus. Alles, was vor <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> heiligen Flammenicht zu bestehen vermag, wird ausgeschieden <strong>und</strong> h<strong>in</strong>weggeräumt.Das Geheimnis <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist <strong>der</strong> <strong>in</strong> ihr leuchtendeChristus. In dem re<strong>in</strong>en Feuer des Heiligen Geistes offenbarter sich als gegenwärtig. Die Klarheit se<strong>in</strong>es Lichtes duldetke<strong>in</strong>e Befleckung. Die Lichtwelt des kommenden Reichesduldet ke<strong>in</strong>e Verdunkelung <strong>der</strong> sie erwartenden Geme<strong>in</strong>de. Dasre<strong>in</strong>e Licht Gottes lässt ke<strong>in</strong>e Verdüsterung an se<strong>in</strong>en Leuchterherankommen.Schon <strong>der</strong> Gläubige <strong>in</strong> Israel bekannte: „Der Herr ist me<strong>in</strong>Licht“ (Ps.27,1). Er rief zu Gott: “Lasse de<strong>in</strong> Angesicht über miraufleuchten!“ (Ps.31,17). Er wusste von e<strong>in</strong>em Leben vor denleuchtenden Augen Gottes. Er ließ sich von se<strong>in</strong>em Licht <strong>und</strong>se<strong>in</strong>er Wahrheit leiten <strong>und</strong> weiterführen. Er gelangte bis zu demZeugnis: „In de<strong>in</strong>em Licht sehen wir das Licht“ (Ps.36,1). DasLicht kennt nichts als Licht <strong>und</strong> lehnt jede Vermischung ab. Derw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 242Prophet verkündet das Lichtwerden des Erleuchteten. „ Stehauf! Leuchte! Denn de<strong>in</strong> Licht ist gekommen; <strong>der</strong> strahlendeGlanz Jehovas ist über dir aufgegangen“ (Jes.60,1). Wo Lichtist, leuchtet alles. Das Licht will ohne Verf<strong>in</strong>sterung Licht se<strong>in</strong><strong>und</strong> Licht bleiben.Dem Apostel Paulus wurde das Geheimnis anvertraut,das den Gläubigen des Alten B<strong>und</strong>es fehlte. Ihnen fehlte dasGeheimnis des <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de lebendigen Glanzes zukünftigerHerrlichkeit, dessen <strong>in</strong>nerliche Seite nichts an<strong>der</strong>es se<strong>in</strong>kann als das Licht des „Christus <strong>in</strong> euch"! Das Innerste wirde<strong>in</strong>s mit dem Letzten <strong>und</strong> Äußersten. Auf dem Leuchter <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>debrennend, kündet es <strong>die</strong> zukünftige Welt; es verkündigtden Tod Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>kehr. Es kündet das Brandopfer<strong>der</strong> Gegenwart wie das Weltenfeuer des letzten Tages.Dass Christus durch den Glauben <strong>in</strong> den Herzen wohne,ist das Gebet des Apostels. Jesus Christus, <strong>der</strong> Abglanz <strong>der</strong>strahlenden Majestät, gibt Licht für das Reich Gottes. Er ist daswahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet. Se<strong>in</strong> Lichtstrahlt <strong>in</strong> <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis aller Menschen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Es br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>enjeden zu <strong>der</strong> großen Entscheidung, <strong>die</strong> zeigen soll, ob er <strong>die</strong>F<strong>in</strong>sternis mehr liebt als das Licht o<strong>der</strong> ob er von <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sterniszum Licht umkehren will. Wo <strong>die</strong>se Umkehr geschieht, wird<strong>der</strong> Gegensatz <strong>in</strong> den Menschen schroff herausgestellt. Vorherwaren sie F<strong>in</strong>sternis <strong>in</strong> sich selbst. Nun aber werden sie Licht<strong>in</strong> Christus (Eph.5,8). Sie kommen an das Licht <strong>der</strong> Welt. Sieerblicken es. Sie werden gerettet vor <strong>der</strong> Obrigkeit <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis,damit nun das Feuer <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung, das Licht des Friedens<strong>in</strong> ihnen regiere.Von <strong>der</strong> Herrschaft <strong>in</strong>neren Lichtes aus wird e<strong>in</strong> alles umfassendesLicht-Leben gestaltet, das alle bisherige Verworrenheit<strong>in</strong> Klarheit verwandelt. Es schließt <strong>die</strong> Werke <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternisaus. Es führt zu dem h<strong>in</strong>gebenden Wirken, wie es dem verbrennendenLicht eigen ist. Es sendet se<strong>in</strong>e Strahlen <strong>in</strong> weiteUmkreise durch <strong>die</strong> sich selbst verzehrenden Taten <strong>der</strong> Liebe.Sogar Meister Ekkehard 51 hat <strong>die</strong> tätige Kraftwirkung des______________________________51Meister Ekkehard o<strong>der</strong> Eckhart, 1260-1327, wichtigster Vertreter <strong>der</strong>dt. Mystik des Mittelalters.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 243Lichts erkannt, wenn er sagt: “In <strong>die</strong>ser Geburt ergießt sichGott <strong>der</strong>maßen mit Licht <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>, dass des Lichts <strong>in</strong> demWesen <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Gr<strong>und</strong>e e<strong>in</strong>e solche Fülle wird, dass es herausdrängt<strong>und</strong> überfließt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kräfte <strong>und</strong> sogar überfließt <strong>in</strong>den äußeren Menschen.“ Das Licht ist Wirkung <strong>und</strong> Klarheit.Das <strong>in</strong>nere Licht bedeutet als das wirkende Geheimnis des„Christus <strong>in</strong> euch" Klarheit für das erleuchtete Herz, Klarheitüber Christus selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Werk, Klarheit über das menschlicheInnere <strong>und</strong> über das Böse <strong>in</strong> aller Welt <strong>und</strong> Klarheit <strong>der</strong>Lebensführung, wie es <strong>der</strong> Quelle des Lichtes entspricht.Licht ist Klarheit. Es will niemals dunkle Unbestimmtheit mitsich br<strong>in</strong>gen. Das Zeugnis vom Licht soll deutlich se<strong>in</strong>. Selbstwenn Mechthild von Magdeburg 52 von dem „fließenden Licht<strong>der</strong> Gottheit" spricht, zeigt sich hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gewisse Unklarheit,denn sie spricht mehr von dem ausgebreiteten Strom als vondem spendenden Quell. Das Licht des Mondes verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t nicht,dass man se<strong>in</strong>e Täler <strong>und</strong> Gebirge wie se<strong>in</strong>e gesamte uns zugewandteFläche klar erkennen kann. Nur wenn <strong>der</strong> Mond<strong>in</strong> F<strong>in</strong>sternis vers<strong>in</strong>kt, entzieht er sich unserer Schau. In <strong>der</strong>Erforschung <strong>der</strong> Sonne eröffnet sich unserem Auge ihr Inneres,sooft es sich <strong>in</strong> wirbelnden Sonnenstürmen zeigt. Jedes Lichtentspr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>er Quelle, e<strong>in</strong>em Spen<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Kraft. Die rechteErleuchtung muss zu dem letzten Ziel gelangen, den Lichtträgerselbst zu erfassen. Das Licht will sich unmittelbar erschließen.Je mehr Brechungen <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>strahlungen das Licht durchlaufenhat, um so abgeschwächter <strong>und</strong> verän<strong>der</strong>ter empfangen wires. Es gilt das Wagnis, dem Leuchtkörper unmittelbar <strong>in</strong>s Antlitzzu sehen. Es gilt, ihn selbst <strong>in</strong> uns aufzunehmen wie er ist.<strong>E<strong>in</strong></strong>e Mystik, <strong>die</strong> an e<strong>in</strong> Untertauchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> bewusstlosesDunkel denkt, ist sternenweit von <strong>der</strong> apostolischen Erleuchtungentfernt, <strong>in</strong> welcher Paulus durch den Geist zu erkennenvermag, wer Gott selbst ist <strong>und</strong> was se<strong>in</strong> Herz ist. Das <strong>in</strong>nereLicht des Geistes umfasst <strong>die</strong> Tiefen <strong>der</strong> Gottheit. Es offenbartunserem Geist, was ke<strong>in</strong> Auge gesehen <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Ohr gehörthat, was <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>es Menschen Herz gekommen ist. Nur Licht__________________52Mechthild von Magdeburg, 1210-1283, dt. Mystiker<strong>in</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 244sieht Licht. „Wir können auch nicht den kle<strong>in</strong>sten Funken vonihm ergreifen, es sei denn, dass <strong>in</strong> unserem Gemüt <strong>der</strong> entzündeteGottesgeist selbst e<strong>in</strong>geht als e<strong>in</strong> Feuer. Wenn <strong>in</strong><strong>der</strong> Tiefe nicht dasselbe Wesen wäre wie <strong>die</strong> Sonne, so f<strong>in</strong>gees nicht <strong>der</strong> Sonne Glanz. ...Es muss etwas da se<strong>in</strong>, das <strong>der</strong>Sonne Licht empfängt. Es ist <strong>der</strong> Stern <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en Augen.Christus, <strong>der</strong> Morgenstern <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Herzen, schaut <strong>in</strong> <strong>die</strong>Sonne <strong>der</strong> Zukunft.“ Nicht <strong>der</strong> Mensch ist <strong>die</strong> schauende Kraft.Das <strong>in</strong>nere Licht ist nur deshalb zum Tiefblick <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unendlichkeitbefähigt, weil es mehr als Vernunft ist, mehr als menschlichesVermögen, mehr selbst als <strong>die</strong> letzte Tiefe menschlichenGewissens. Ist es doch <strong>in</strong> Wahrheit <strong>der</strong> allem menschlichenDenken überlegene Geist des Menschensohnes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> demGlaubenden den Geist Gottes erkennt.Er alle<strong>in</strong> ist <strong>der</strong> Schauende. Er ist das Licht im Auge. Er bekanntesich selbst als das erleuchtende Licht. Das Licht entzündet<strong>in</strong> dem Schauenden das Leben. Jesus Christus leuchtetdem <strong>in</strong>neren Auge als letzte Lebenswirklichkeit <strong>der</strong> neuenGottesschöpfung. Als schöpferisch erleuchtende KlarheitGottes, als letzte Bestimmtheit se<strong>in</strong>es Wesens dr<strong>in</strong>gt er <strong>in</strong>das erkennende Herz. Als <strong>der</strong> Lichtbaum des Lebens <strong>und</strong> <strong>der</strong>Erkenntnis breitet er se<strong>in</strong>e Wurzel <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Äste<strong>in</strong>s Weite. “Die Wurzel ist <strong>der</strong> Freudengeist, welcher <strong>in</strong> desLebens Anzündung aufgeht. Wenn <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> vom HeiligenGeist angezündet wird, so triumphiert sie <strong>in</strong> dem Leibe; <strong>in</strong> ihrgeht e<strong>in</strong> großes Feuer des neuen Lebens auf.“Der Urgr<strong>und</strong> im erleuchtenden Licht ist <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e Klarheitse<strong>in</strong>er Quelle. Das Erkennen des Lichts beruht für ewig aufdem unfasslichen Gegensatz zwischen ihm <strong>und</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternisdes menschlichen Lebens. Was F<strong>in</strong>sternis bedeutet, kann nurim Licht aufgedeckt werden. F<strong>in</strong>sternis wird nur dann offenbar,wenn sie durch Licht beseitigt wird. Ohne Beseitigung <strong>der</strong>Dunkelheit gibt es ke<strong>in</strong>e Erkenntnis <strong>der</strong> Lichtquelle.Das Aufnehmen des Lichts br<strong>in</strong>gt befreiende Erlösung.Vergebung ist Wegnahme <strong>der</strong> verf<strong>in</strong>sternden Gewalten <strong>der</strong>Nacht. Die Re<strong>in</strong>igung des menschlichen Lebens von denGeschöpfen <strong>und</strong> Werken <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis erfolgt aus <strong>der</strong> Über-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 245gießung mit strahlen<strong>der</strong> Helligkeit. Nun ist das Leben <strong>in</strong> <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>schaft des Lichts getreten. Die Dunkelheit ist gebannt.Die erlöste Kreatur leuchtet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anbetung strahlen<strong>der</strong>Gotteshöhen auf. Hier wohnt das Herz des Gotteslichtes. Wasvorher im Dunkeln lebte, wird <strong>in</strong> <strong>die</strong> lichte Geme<strong>in</strong>schaft desGottesherzens zurückgeführt.Die erleuchtende Ausstrahlung des Lichtherrschers bewirktse<strong>in</strong> Erleben. Das Schauen im Licht sieht ihn, wie er ist. In <strong>der</strong>kommenden Lichtwelt wird mit dem <strong>in</strong>neren Auge alles Leben<strong>und</strong> Wirken <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Lichtwesen umgestaltet se<strong>in</strong>. „Alsdann werden<strong>die</strong> Sonne <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sterne vergehen; denn es wird das Herzals das Licht Gottes leuchten <strong>und</strong> alles erfüllen. Wenn das HerzGottes triumphiert, so ist alles freudenreich.“ Die heute nochunvollkommene Erkenntnis <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>de soll biszu <strong>die</strong>ser Verwandlung stückweise zur letzten Schau geführtwerden. In Jesus Christus soll sie das <strong>in</strong>nerste Gottesherzvon den Schritten Gottes unterscheiden lernen, <strong>in</strong> denen se<strong>in</strong>Weltgericht <strong>die</strong> Geschichte <strong>der</strong> Völker regiert.Die Brü<strong>der</strong>, <strong>die</strong> man nach Jakob Huter „Hutterische Brü<strong>der</strong>"nennt, haben von Anfang an <strong>die</strong> letzte lichte Tiefe <strong>in</strong> GottesHerzen von den gewaltigen Außenwirkungen se<strong>in</strong>es lo<strong>der</strong>ndenZornes zu unterscheiden gewusst. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> ihren großenArtikelbüchern <strong>und</strong> Rechenschaften haben sie es mit ihremWortführer Peter Ridemann 53 klar bezeugt, dass <strong>die</strong> Rute desZornes Gottes <strong>die</strong> ruchlosen Völker noch heute strafen muss,während <strong>in</strong> Christus <strong>der</strong> Zorn längst aufgehört hat. In ihm beganndas ganz an<strong>der</strong>e Reich des Segens, das ganz an<strong>der</strong>eRegiment <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wahrheit. „Der Zorn hört überalldort auf, woh<strong>in</strong> <strong>der</strong> Segen kommt <strong>und</strong> gekommen ist.“ 54Wer <strong>die</strong>sen Unterschied nicht kennt, kann das Gotteslichtnicht verstehen, denn nur <strong>in</strong> Christus ist <strong>der</strong> völlige Segen desGottesherzens offenbar geworden. Nur <strong>in</strong> ihm selbst ist <strong>der</strong>______________________________53Peter Ridemann, 1506-1556, war 27 Jahre lang erwählter „Diener amWort" <strong>der</strong> Hutterischen Brü<strong>der</strong>54Dieses <strong>und</strong> folgende Zitate siehe: „Peter Ridemann, Rechenschaftunsrer Religion, Lehr <strong>und</strong> Glaubens", geschrieben im Gefängnis <strong>in</strong>Wolkersdorf <strong>in</strong> Hessen 1540-1542; erstmals veröffentlicht 1565.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 246Segen <strong>der</strong> völligen Liebe. Daber kann sich alles das nicht mitChristus abf<strong>in</strong>den, was im Fluch des Zornes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ungnadedes Gerichts gegeben ist. Und umgekehrt kann das K<strong>in</strong>d desSegens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Liebe niemals <strong>der</strong> Diener des Zorns <strong>und</strong> <strong>der</strong>Rache se<strong>in</strong>. Was <strong>der</strong> Vater <strong>in</strong> Christus geordnet hat, wird <strong>in</strong>Christus bleiben <strong>und</strong> niemals geän<strong>der</strong>t. Es ist Liebe, Friede,<strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft. Was aber Gott außerhalb se<strong>in</strong>esChristus e<strong>in</strong>gesetzt <strong>und</strong> geordnet hat, ist Tod <strong>und</strong> Zorn, Ungnade,Fluch <strong>und</strong> Rache. Das alles kann nicht bestehen bleiben,wie es <strong>der</strong> Prophet Hosea h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Gewalt <strong>der</strong> Obrigkeitaufs schärfste ausgesprochen hat: „In me<strong>in</strong>em Zorn gabich dir e<strong>in</strong>en König, <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Grimm nehme ich ihn wie<strong>der</strong>“(Hos.13,11).Christus ist das Wi<strong>der</strong>spiel aller Weltregenten. Se<strong>in</strong> Reichist nicht von <strong>die</strong>ser Welt. Deshalb musste er sagen: „Die weltlichenFürsten <strong>und</strong> Gewaltigen beherrschen das Volk, ihr abertut das nicht" (Mt.20,25+26). Also ist e<strong>in</strong> Christ ke<strong>in</strong>e Obrigkeit<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Obrigkeit ke<strong>in</strong> Christ. Die Obrigkeit muss das Schwertführen <strong>und</strong> Gericht üben. In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi enden Krieg,Schwert <strong>und</strong> gerichtlicher Prozess. Christus vergilt nicht Bösesmit Bösem. Se<strong>in</strong>e Nachfolger erweisen <strong>in</strong> all ihrem Tun se<strong>in</strong>eWesensart. Sie handeln wie er; sie wi<strong>der</strong>streben dem Bösennicht; sie halten dem Schlagenden den Rücken <strong>und</strong> dem Raufenden<strong>die</strong> Wange h<strong>in</strong>. Sie haben das Reich <strong>der</strong> Liebe zu offenbaren.Das Gericht <strong>der</strong> Obrigkeit hat Gewalt anzuwenden;<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi hat <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Leben zu erhalten. Dasstaatliche Gericht soll <strong>und</strong> muss das Böse bestrafen; <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>deChristi soll es mit Gutem vergelten. Die richtende Obrigkeitmuss <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>de ihrer Ordnung hassen <strong>und</strong> verfolgen;<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi hat sie zu lieben.Gottes Zorn straft <strong>die</strong> Bösen mit dem Werkzeug <strong>der</strong> Obrigkeit.Durch sie zw<strong>in</strong>gt er ihm entfremdete Völker, sich voräußerstem Schaden zu bewahren, dass nicht das ganze Landmit Blutschuld bedeckt werde, dass nicht <strong>die</strong> ganze Erde vertilgtwerden muss. Christus stellt se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e durchausan<strong>der</strong>e Aufgabe. Sie hat dem gewalttätigen Gericht desWeltstaates den Frieden <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Freude <strong>der</strong> Liebeals e<strong>in</strong>e brü<strong>der</strong>liche Gerechtigkeit entgegenzuhalten. Sie bautw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 247<strong>und</strong> hält ihre <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Werkzeug als dem <strong>der</strong>Liebe <strong>und</strong> des Geistes. In ihrem Glauben hören Tod <strong>und</strong> Gesetzauf. In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de beg<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> Freiheit des Reiches Gottes.Wer <strong>in</strong> Christus ist, beweist Christi S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Geist als unwandelbareLiebe. Er tut das Gute <strong>und</strong> hat <strong>die</strong> gewalttätige Strafeüber das Böse we<strong>der</strong> zu fürchten noch zu üben. Die Strafe <strong>der</strong>Gewalt <strong>und</strong> ihres Gerichts liegt außerhalb Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de, wie alles Böse, das <strong>die</strong>se Strafe erfor<strong>der</strong>t, außerhalbihres Lebens bleibt. In Christus löst sich das <strong>in</strong>nerste Herz<strong>der</strong> Liebe Gottes von dem geschichtsnotwendigen Zorn se<strong>in</strong>esWeltgerichts, <strong>in</strong> welchem er <strong>die</strong> Heiligkeit se<strong>in</strong>es Willens durchgesetzliche Gewalten behaupten muss.Hun<strong>der</strong>t Jahre nach Peter Ridemann hat auch <strong>der</strong>schlesische Schuster Jakob Böhme 55 den Unterschied zwischendem Zornesfeuer <strong>und</strong> dem Lichtherzen Gottes zufassen gesucht: „Gott ist Liebe <strong>und</strong> Zorn, Feuer <strong>und</strong> Licht; aberer nennt sich e<strong>in</strong>en Gott alle<strong>in</strong> nach dem Licht se<strong>in</strong>er Liebe. Ernennt sich Gott nicht nach se<strong>in</strong>em Zorn, son<strong>der</strong>n nach se<strong>in</strong>erLiebe. Was nicht se<strong>in</strong>er Liebe ist, das ist se<strong>in</strong>es Zornes. Er wirdaber nicht nach allem Wesen Gott genannt, son<strong>der</strong>n nach demLichte; mit ihm alle<strong>in</strong> wohnt er <strong>in</strong> sich selbst.“Der äußere Mensch lebt mitten unter den Dornen von GottesZorn. Die Liebe Gottes wohnt als das Licht <strong>in</strong> sich selbst. DieF<strong>in</strong>sternis ergreift es nicht; sie weiß auch nichts davon. DasLeben des Menschen steht im Wi<strong>der</strong>streit; an ihm soll <strong>die</strong> ewigeHerrschaft Gottes nach Liebe <strong>und</strong> Zorn, nach Licht <strong>und</strong> Feueroffenbar werden. In <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis ist Gott e<strong>in</strong> zorniger Gott <strong>und</strong>e<strong>in</strong> verzehrendes Feuer. F<strong>in</strong>sternis erfor<strong>der</strong>t Feuer. Wenn <strong>die</strong>F<strong>in</strong>sternis unmittelbar am Licht angezündet werden sollte, sohatte das Licht ke<strong>in</strong>e Quelle. Wenn ke<strong>in</strong> Feuer auflo<strong>der</strong>n kann,gibt es auch ke<strong>in</strong> Licht. Darum ist <strong>der</strong> Zorn <strong>die</strong> Ursache <strong>der</strong>Feuerwelt. Er ist Gericht über <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis. In ihr wohnt er.Man nennt ihn nicht Gott, son<strong>der</strong>n Gottes Zorn.Der Teufel hat den Zorn Gottes angezündet. Er wollte <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em eigenen Willen se<strong>in</strong>; er wollte se<strong>in</strong> eigener Gott se<strong>in</strong>,______________________________55siehe Anm. 48w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 248um nach se<strong>in</strong>em Willen <strong>in</strong> starker Feuersmacht über alle <strong>und</strong><strong>in</strong> allen zu herrschen. Cholerisch ist se<strong>in</strong>es Feuers Natur <strong>und</strong>Eigenschaft; sie gibt starken Mut, jähen Zorn <strong>und</strong> das Aufsteigen<strong>der</strong> Hoffart; sie will immer Herr se<strong>in</strong>, wie es <strong>der</strong> Gewaltentspricht. In ihr ist Strenge <strong>und</strong> Herbheit, Angst, Qual <strong>und</strong>Unruhe. Der Feuerwillen br<strong>in</strong>gt Angst. Ohne <strong>die</strong> Angst wäre ke<strong>in</strong>Feuer. Im Zorn Gottes verlor <strong>der</strong> Teufel <strong>die</strong> Liebe. Im Feuerwillenbegegnen sich Teufel <strong>und</strong> Gott. Die Gewalten des Zornes,des Gerichtes <strong>und</strong> des Schwertes s<strong>in</strong>d heidnisch. Sie bleibendem Herzen Gottes fern. Sie können niemals christlich se<strong>in</strong>.Und dennoch s<strong>in</strong>d sie von Gott e<strong>in</strong>gesetzt. Denn es gäbe ke<strong>in</strong>eheilige Majestät Gottes, wenn nicht se<strong>in</strong> Zorn wäre, <strong>der</strong> dasDunkle salzt <strong>und</strong> schärft, dass es <strong>in</strong> Feuer verwandelt wird.Als Schwert <strong>und</strong> Krieg frisst <strong>die</strong>ser zwischen Gott <strong>und</strong>Teufel entbrennende Zorn das gottlose Wesen <strong>in</strong> sich selbstauf. <strong>E<strong>in</strong></strong> je<strong>der</strong> Kriegsmann ist e<strong>in</strong>e Rute des Zornes Gottes.Mit ihm straft Gottes Gericht <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Grimm.Der Kriegsmann gehört <strong>in</strong> jene Ordnung, durch <strong>die</strong> GottesZorn Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Königreiche e<strong>in</strong>setzt <strong>und</strong> umstürzt. Das dürrwerdende Holz erfor<strong>der</strong>t das Feuer. Gottes Zorn ist vonEwigkeit her gewesen, gleich wie das Feuer im Holz verborgenliegt. Sobald das Holz verdorrte <strong>und</strong> sich <strong>der</strong> eigene Wille vonGottes Herzen abgewandt hatte, musste <strong>die</strong> Anzündung ihrenAnfang nehmen.Gott jedoch wollte, dass aus dem verzehrenden, mör<strong>der</strong>ischenFeuer e<strong>in</strong> höchstes Licht <strong>der</strong> Liebe geboren wurde. Inihm sollte <strong>die</strong> letzte Hoheit se<strong>in</strong>es Herzens offenbar werden.Der düster brennende Zorn ist nicht Gott, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> höllischesFeuer. Aber wenn ke<strong>in</strong> Feuer wäre, so käme ke<strong>in</strong> Licht. GottesZornfeuer wird zu e<strong>in</strong>em Gr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er erbarmenden Liebe, demLicht se<strong>in</strong>es Herzens. In den entscheidenden Gerichtszeitensoll se<strong>in</strong>e Liebe offenbar werden. Das letzte Gericht wird zurHochzeit se<strong>in</strong>es Liebesreiches. Das Feuer wird vom Licht überwältigt.Aus brennen<strong>der</strong> Qual soll das Freudenreich erstehen.Sobald das verbrennende Feuer hoch empor lo<strong>der</strong>t, leuchtetdas Licht auf. Das Licht nimmt alle lebendigen Eigenschaftendes Feuers auf: das weckende Leben, das Sammeln <strong>und</strong> Sich-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 249f<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft des Kreises, des Lagers <strong>und</strong>des geweihten Hauses.Hier fällt <strong>die</strong> Entscheidung zwischen <strong>der</strong> Liebe im Licht <strong>und</strong>dem angezündeten Zorn <strong>in</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis. Im Licht ist Gott e<strong>in</strong>barmherziger <strong>und</strong> lieben<strong>der</strong> Gott; nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft des Lichtesheißt er Gott. Die Lichtwelt, welche Gott selber ist, begehrt nichtVer<strong>der</strong>ben. Ke<strong>in</strong> Fünkle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gottes Herzen könnte das Bösebegehren, auch nicht als Strafe. <strong>E<strong>in</strong></strong>e große Freude <strong>der</strong> Liebeentspr<strong>in</strong>gt aus dem Brunnquell se<strong>in</strong>es Herzens. So ersteht <strong>der</strong>Kampf um den Menschen. Das Herz Gottes will ihn haben, denner soll se<strong>in</strong> Bild <strong>und</strong> Gleichnis se<strong>in</strong>. Das Reich des Zorns will ihnauch haben, denn er gehört zu dem Gemüt <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis.Aus dem Para<strong>die</strong>s <strong>der</strong> Liebe trat <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> des Menschene<strong>in</strong>st <strong>in</strong>s Feuerleben des Zornes h<strong>in</strong>aus. So starb sie an GottesLicht <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> ihre Selbstheit e<strong>in</strong>: <strong>in</strong> das Eigentum. Sie starban Gott <strong>und</strong> lebte <strong>in</strong> Angst vor dem strengen Zorn Gottes. Abervon neuem kam <strong>der</strong> Strahl des Lichts zu ihr. Aus dem HerzenGottes leuchtet das freudenreiche Lichtleben <strong>in</strong> alle Kräfteh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Sie alle werden zum Werk <strong>der</strong> Liebe angezündet. Dergesammelte Wille soll Licht gebären. Der erleuchtete Blickbricht wie e<strong>in</strong> Feuerblitz aus dem Herzen hervor <strong>und</strong> entzündetsich im Willen zur Liebe; er ist nun nicht mehr e<strong>in</strong> zorniger Blitz;er ist e<strong>in</strong>e Macht <strong>der</strong> großen Freude geworden.Christus ist <strong>die</strong>se Freude. Das freudenreiche Licht des SohnesGottes ist als Liebesfeuer <strong>in</strong> dem erleuchteten Herzen aufgegangen.Von nun an soll dessen nach außen gewandtes Leben<strong>in</strong> allem Werk den <strong>in</strong>nersten Geist <strong>der</strong> Lichtwelt offenbaren. DasWesen des Lichts heißt „Gottes Reich". Aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>nersten <strong>und</strong>zartesten Liebe Christi heraus entsteht das Freudenreich.Der rechte Glaube an das Reich Gottes ist Kraft, Geist<strong>und</strong> Leben e<strong>in</strong>es leuchtenden Lichts, das Gottes Herzen entspr<strong>in</strong>gt.Er ist letzte lebendige <strong>und</strong> wirkliche Kraft Gottes. Se<strong>in</strong>ebrennende Kraft ist <strong>die</strong> flammende Liebe, welche aus GottesHerzen herausleuchtet. Sie vollbr<strong>in</strong>gt das Werk. Der wesentlicheGlaube ist Christus selbst, das Leben <strong>und</strong> Licht deserneuerten Menschen. In dem glaubenden Christen brennt erals Liebe empf<strong>in</strong>dende Kraft. Die Liebe <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist <strong>der</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 250Glaube an das Herz Gottes. Von dort aus ergießt sich se<strong>in</strong>Lichtmeer <strong>in</strong> alle Lande.Christus ist <strong>die</strong> Liebe des Lichts, das über das Feuer desZorns zur Herrschaft kommt. Als <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> das Licht verlor,sprach Gott den Namen „Jesus" aus. In ihm ist Gottes Zorngelöscht. Christus ist das Herz Gottes, das über alle Auswirkungense<strong>in</strong>es Zorns triumphiert. Zu allen Län<strong>der</strong>n, woh<strong>in</strong>Gottes Zorn gekommen war, eilt se<strong>in</strong> Herz. Christus sendetse<strong>in</strong> Licht <strong>in</strong> alle Welt. Allen Völkern leuchtet er auf. Se<strong>in</strong>Licht sche<strong>in</strong>t ohne Unterschied e<strong>in</strong>em wie dem an<strong>der</strong>en. DemGottlosesten, den <strong>der</strong> schärfste Zorn Gottes <strong>in</strong> verzehrendemFeuer ergriffen hat, steht <strong>die</strong> Pforte <strong>der</strong> Lichtgeburt offen.In Christi Tod s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Christen mit Christus allen Elementendes Zornes abgestorben. In se<strong>in</strong>em Geist, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe desGottesherzens, ist <strong>der</strong> Christ zu e<strong>in</strong>em neuen Menschengeboren, welcher <strong>in</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gerechtigkeit <strong>der</strong> liebendenGeduld lebt. Wo <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis des Zornes war, strahlt nun <strong>die</strong>Liebe aus dem leuchtenden Herzen Gottes auf. Der Brand desZornes <strong>und</strong> das Leuchten <strong>der</strong> Liebe s<strong>in</strong>d zweierlei. Sie s<strong>in</strong>de<strong>in</strong>an<strong>der</strong> so fremd wie Tag <strong>und</strong> Nacht. Ke<strong>in</strong>es begreift dasan<strong>der</strong>e; ke<strong>in</strong>er sieht das an<strong>der</strong>e.Je<strong>der</strong> Mensch aber trägt vom Urbeg<strong>in</strong>n her beides <strong>in</strong> sich.Es ist, als ob <strong>die</strong> rechte Hand <strong>in</strong> <strong>die</strong> lichte Majestät e<strong>in</strong>gehen<strong>und</strong> <strong>die</strong> l<strong>in</strong>ke <strong>in</strong> ihrem Feuer-Urstand bleiben wolle. Welche <strong>der</strong>beiden Eigenschaften im Menschen erweckt wird, <strong>die</strong> brennt<strong>in</strong> ihm, <strong>und</strong> von ihrem Feuer wird <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> entzündet. Ergibtsie sich den Eigenschaften des Zornes, so frisst <strong>die</strong>ser umsich <strong>und</strong> unterwirft alles se<strong>in</strong>en strafenden Ordnungen. Ergibtsie sich aber dem Herzen <strong>in</strong> Gott, so erfährt sie, dass <strong>der</strong> dortwohnende Geist Jesu Christi ke<strong>in</strong>en Zorn kennt, ke<strong>in</strong>en Kriegführt <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e gewalttätige Strafe handhabt. Er liebt nur <strong>und</strong>gibt nur.Die Weisheit des Gottesherzens begehrt ke<strong>in</strong>en Tod <strong>und</strong>ke<strong>in</strong>en Krieg, wie es <strong>der</strong> Zorn Gottes tut. Die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>die</strong>sesHerzens dürfen nicht töten <strong>und</strong> können ke<strong>in</strong>en Krieg führen. Siebrauchen ke<strong>in</strong>e mör<strong>der</strong>ische Waffe. Als Christ kann niemandKriege führen. Wer das tut, tut es als Heide <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ordnung desZornes, niemals aber als Christ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Liebe. Ke<strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 251Christ führt Krieg. Nur dort herrschen Krieg <strong>und</strong> Zerstörung vonLän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Städten, wo das drehende Rad <strong>der</strong> Rache <strong>und</strong><strong>der</strong> Schuld, <strong>der</strong> Vergeltung <strong>und</strong> ihrer Ursache würgen, morden<strong>und</strong> töten muss. In Christus ist Ursache <strong>und</strong> Wirkung desrollend vernichtenden Rades aufgehoben. Der Mars 56 verblasst,sobald <strong>die</strong> Sonne aufgeht. Dem sonnigen Himmel weichenalle Gewitter des Feuerblitzes. Das Herz Gottes vertreibt <strong>die</strong>Wolken se<strong>in</strong>es Zorns. Selbst mitten im Gericht triumphiert esüber den Zorn. Von <strong>der</strong> Hand <strong>die</strong>ses Herzens geführt, durchschreitet<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Feuer des Gerichtszornes, ohne mitihnen Fühlung zu haben. Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist tot für <strong>die</strong>Elemente <strong>der</strong> Zorneswelt. Sie können ihr nichts antun. Allenihren Ersche<strong>in</strong>ungen ist sie ferngerückt. Weil sie alle <strong>in</strong><strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis verwurzelt s<strong>in</strong>d, bleibt <strong>die</strong> Lichtgeme<strong>in</strong>de ihnenabgewandt.Die Geme<strong>in</strong>de ist dem Geiz des Eigentums <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erstolzen Ehre als <strong>der</strong> letzten Wurzel allen Übels abgestorben.Die ängstliche Lüge <strong>und</strong> <strong>die</strong> ungetreue Begierde, <strong>die</strong>sehässlichsten Ausgeburten höllischen Feuers, hat sie h<strong>in</strong>ter sichgelassen. Sie verabscheut den weltbeherrschenden Mammon,<strong>der</strong> als <strong>der</strong> große Antigott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kampf Gesellschaften<strong>und</strong> Klassen, Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Königreiche aufbaut, um sie wie<strong>der</strong>zu zerbrechen. Die Geme<strong>in</strong>de unterscheidet <strong>die</strong> Geister. Sieweiß, worauf sie wartet, was sie liebt <strong>und</strong> woran sie glaubt. Sieweiß, was sie verlassen hat <strong>und</strong> niemals wie<strong>der</strong> aufnehmenkann. In <strong>der</strong> Morgenröte des künftigen Tages stehend, kann <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>de an den weltbeherrschenden Werken <strong>der</strong> nächtlichenF<strong>in</strong>sternis <strong>und</strong> an den zeitgeschichtlichen Zornesgluten ihresFeuergerichts ke<strong>in</strong>en Anteil haben. Sie lebt <strong>in</strong> Christus. Siewohnt im Herzen Gottes. Sie tut das Werk <strong>der</strong> Liebe. Sie glaubt<strong>und</strong> erwartet <strong>die</strong> Lichtherrschaft. Ihre Glie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d schwacheMenschen, aber <strong>der</strong> <strong>in</strong> ihr wohnende Geist ist <strong>die</strong> leuchtendeGlut des Gottesherzens. So wie das Kraut, <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> Sonnewirkt, nicht sagen kann, es sei Sonne, so kann auch dasglaubende Glied <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> dem Christus wohnt <strong>und</strong>______________________________56Der Komet Mars, altes Symbol für den Krieg, nach dem gleichnamigenrömischen Kriegsgott.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 252wirkt, nicht sagen: „Ich b<strong>in</strong> Christus." Dennoch aber soll <strong>die</strong>glaubende Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> demselben Maße <strong>in</strong> das Bild se<strong>in</strong>erleuchtenden Schönheit verwandelt werden, <strong>in</strong> dem sie mitaufgedecktem Angesicht se<strong>in</strong> Wesen schaut. Die Schau desGlaubens geht ebenso wie <strong>die</strong> Verwandlung <strong>der</strong> Zukunft alse<strong>in</strong>e Erleuchtung vor sich, <strong>die</strong> aus dem Herzen Gottes quillt.Christus, <strong>der</strong> kommende Herr <strong>der</strong> ewigen Lichtwelt, offenbartsich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em wun<strong>der</strong>baren Licht als <strong>der</strong> Geist se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de.Christus wohnt im Lichtthron des Herzens Gottes <strong>und</strong> gleichzeitig<strong>in</strong> dem geistbeseelten Leib se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de. Gott selbst,<strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Sohn das Licht aus <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis aufleuchtenlässt, hat „e<strong>in</strong>en hellen Sche<strong>in</strong> <strong>in</strong> unsere Herzen gegeben zumLichtglanz <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Herrlichkeit Gottes im AngesichtJesu Christi“ (2.Kor.4,6). Im lebendigmachenden Geist se<strong>in</strong>erGeme<strong>in</strong>de offenbart sich se<strong>in</strong> strahlen<strong>der</strong> Glanz von Angesichtzu Angesicht. Bei den besten nur „auswendig" gelernten„Glaubenssätzen", bei allem nur buchstabengetreuen <strong>Bibel</strong>lesen<strong>und</strong> bei allem äußerlich bleibendem Gehorsam muss dasBild se<strong>in</strong>er Liebe verblassen. Je heller <strong>und</strong> lebendiger das <strong>in</strong>nereAuge <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>schaft wird, um so offenerwird es für <strong>die</strong> Erleuchtung <strong>in</strong> dem vere<strong>in</strong>igenden Geist JesuChristi. In wachsendem Grade erfasst sie <strong>die</strong> überschwenglicheGröße se<strong>in</strong>er strahlenden Kraft. Gerade für <strong>die</strong> Treuesten<strong>in</strong> Ephesus bittet Paulus um <strong>die</strong>se erleuchteten Augen desVerständnisses. Nur wer den Herrscher des Gottesreichesselbst als erleuchtendes Licht im Herzen hat, kann an jenerletzten Kraft <strong>und</strong> Klarheit erstarken, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de JesuChristi <strong>die</strong> unendliche Lebensmacht des Lichtes offenbart.Mit <strong>die</strong>ser gr<strong>und</strong>legenden <strong>in</strong>neren Erleuchtung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sichuns <strong>der</strong> Lichtherrscher selbst offenbart, verb<strong>in</strong>det sich unlöslich<strong>die</strong> wachsende Klarheit über den rechten Weg, <strong>der</strong> im Licht <strong>der</strong>Wahrheit zum Ziel Gottes führt. Der große Weckruf des Geistes„Wache auf, <strong>der</strong> du schläfst, <strong>und</strong> stehe auf von den Toten, sowird dich Christus erleuchten“ (Eph.5,4) erkl<strong>in</strong>gt zusammen mitdem dr<strong>in</strong>genden Aufruf zu e<strong>in</strong>em Leben, wie es alle<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>ndes Lichts entspricht. Es geht um das neue Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Werden<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, das selbst als Licht bezeichnet werden muss,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 253denn es lebt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit Christus: „Ihr seid das Licht <strong>der</strong>Welt, denn <strong>der</strong> Christus des letzten Reiches ist euer Herr. Inse<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de ist er jetzt <strong>und</strong> hier aller Welt Licht.“Dieses Licht duldet ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft mit den unfruchtbarenWerken <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis. Es deckt im Inneren des Herzenswie im Äußeren des Lebens alles auf, was heimlich, schändlich<strong>und</strong> ohne gute Wirkung ist. „Alles wird offenbar, wenn esvom Licht gestraft wird“ (Eph.5,13). Durch <strong>die</strong> Lichtwirkungwird es enthüllt <strong>und</strong> verwandelt, denn alles, was offenbar wird,ist licht. Licht ist Klarheit. Deshalb erneuert sich im Licht JesuChristi das Erlebnis <strong>der</strong> Gläubigen des Alten B<strong>und</strong>es: „UnsereMissetaten stellst du vor dich, unsere unerkannte Sünde <strong>in</strong>das Licht vor dem Angesicht!“ (Ps.90,8). Das Licht erschließt<strong>die</strong> Verschlossenheit <strong>der</strong> Nacht. Es führt <strong>die</strong> ehrliche Offenheitherbei, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> Überzeugung entstehen kann. Gott bewirktdas Aufgeschlossense<strong>in</strong> letzter Entschlossenheit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> mandem Licht Raum gibt, alles Dunkle abtut, alle düstere Schuldverhaftungerkennt <strong>und</strong> lässt, um im Lichte Jesu Christi zu demLeben se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de erneuert zu werden.Licht wirkt nicht wie Dynamit. Aber es ist stärker als <strong>die</strong>ses.Die Waffen des Lichts bekämpfen <strong>die</strong> Werke <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternisohne jede mör<strong>der</strong>ische Gewalt. Die Liebe tut dem Nächstennichts Böses. Und dennoch beseitigt sie <strong>die</strong> Mächte <strong>der</strong> Nacht<strong>und</strong> ihre gewaltigen Werke <strong>in</strong> Erwartung des kommendenTages. Wer se<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>dseliges Tun mit F<strong>in</strong>sternis verhüllen will,mag Berge von Gedanken <strong>und</strong> Taten f<strong>in</strong>steren Hasses aufhäufen,so viele er will. Aber wir wissen, dass es Strahlen gibt,<strong>die</strong> <strong>in</strong> aller Stille auch durch festeste Wände stärkster Burgenh<strong>in</strong>durchdr<strong>in</strong>gen. In dem vollkommenen Wirken des Geisteslichtesist e<strong>in</strong>e beseitigende <strong>und</strong> überw<strong>in</strong>dende Macht verborgen,<strong>die</strong> stärker als alle vernichtenden Gewalten ist.<strong>E<strong>in</strong></strong>e <strong>der</strong> denkwürdigsten Entdeckungen ist <strong>die</strong> <strong>der</strong> Stoßkraftdes Lichtes. Je<strong>der</strong> senkrecht e<strong>in</strong>fallende Lichtstrahl übte<strong>in</strong>en Druck aus, still, sanft <strong>und</strong> fest wie es <strong>der</strong> Charakter desLichts ist. Das Licht vertreibt <strong>die</strong> aufsteigenden Nebel. Es zerstörtnichts. Aber es vertreibt alles still <strong>und</strong> fast unmerklich, wases nicht dulden will. Ohne dass wir <strong>der</strong> Weltensonne nahen,bleibt uns alles Licht erloschen. „Wenn das Licht, das <strong>in</strong> dir ist,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 254F<strong>in</strong>sternis ist, wie groß wird dann <strong>die</strong> F<strong>in</strong>sternis se<strong>in</strong>“" (Mt.6,23).Ohne geöffnete, dem göttlichen Licht zueilende Augen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong>bleiben wir bl<strong>in</strong>d. Wie e<strong>in</strong> Bl<strong>in</strong>dgeborener durch <strong>die</strong> Vorstellungen<strong>und</strong> Begriffe se<strong>in</strong>es Verstandes niemals se<strong>in</strong> Augenlichtersetzen kann, kann uns auch <strong>die</strong> Schärfe unserer eigenenVernunft niemals zu <strong>in</strong>nerem Licht verhelfen. Nur das Öffnendes <strong>in</strong>neren Auges durch <strong>die</strong> Sonnenkraft br<strong>in</strong>gt uns das Licht,das aus <strong>der</strong> fernen Gottesnähe auf uns e<strong>in</strong>strahlt.Der Glaube ist e<strong>in</strong> Licht Gottes, das aller menschlichen Vernunftüberlegen bleibt. Das Glaubenslicht ist nichts an<strong>der</strong>es alsdas Herannahen <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>greifen Gottes. Wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sonne ist,dem mangelt nicht das Licht. Sobald das <strong>in</strong>nere Auge erleuchtet<strong>und</strong> gesammelt – “e<strong>in</strong>fältig" – auf den e<strong>in</strong>en Herrscher desZentralfeuers gerichtet ist, wird alles licht <strong>und</strong> klar.Dem Auge des Glaubens ist es gegeben, das vollkommeneLicht zu sehen <strong>und</strong> zu fassen. „Wär' nicht das Auge sonnenhaft,<strong>die</strong> Sonne könnt' es nie erblicken.“ 57 So achte darauf, dass dasLicht <strong>in</strong> dir nicht verdunkelt wird! Wenn de<strong>in</strong> Licht ke<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>sternis<strong>in</strong> sich hat, so wird es ganz licht se<strong>in</strong>, wie wenn e<strong>in</strong> hellerBlitz dich durchleuchtet.Mit elementarer Macht naht <strong>die</strong> Erleuchtung Gottes. Unvergesslichs<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Augenblicke, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> heller Blitz <strong>die</strong> tiefschwarzeHülle <strong>der</strong> Nacht aufdeckt, jedes Versteck enthüllt <strong>und</strong>alles Gewürm des Dunkels ans Licht br<strong>in</strong>gt, jenes Raubzeug<strong>der</strong> Nacht, das sich jedem Lichtstrahle entziehen möchte. „WerArges tut, hasset das Licht. Er will nicht ans Licht kommen, aufdass se<strong>in</strong>e Werke nicht gestraft werden“ (Joh.3,20). Größeraber als <strong>der</strong> Blitz <strong>der</strong> Nacht ist <strong>der</strong> Anblick des Sonnenaufgangs,beson<strong>der</strong>s dort, wo unsere nordische Dämmerung den Gegensatzzwischen Tag <strong>und</strong> Nacht nicht zu verschleiern sucht. Mitdem Licht erwacht das Leben. Die Vögel des Tages s<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong>Blumen des Lichtes öffnen sich <strong>und</strong> das ganze Land erstrahlt imMorgenglanz. So ist es, wenn <strong>der</strong> Morgenstern Gottes den Sonnenaufgangdes Lebens heraufbr<strong>in</strong>gt. Wer das Licht ersehnt,______________________________57von Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, dt. Dichter. DieserSpruch Goethes <strong>in</strong> den Zahmen Xenien ist <strong>die</strong> getreue Übersetzung e<strong>in</strong>esSatzes des Philosophen Plot<strong>in</strong>os (um 205-270).w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 255steht ihm offen. Wer das Licht liebt, eilt ihm entgegen. „Wer <strong>die</strong>Wahrheit tut, <strong>der</strong> kommt an das Licht, dass se<strong>in</strong>e Werke offenbarwerden, denn sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Gott getan“ (Joh.3,21).Das Licht ist Entdecker, Befreier <strong>und</strong> Führer. Überall, wo esdurch das <strong>in</strong>nere Leuchten zu e<strong>in</strong>em Leben <strong>in</strong> Gott kommt,wo Inneres <strong>und</strong> Äußeres dem leuchtenden Antlitz Christi entgegenkommen,wo se<strong>in</strong>e Kraft das Dunkel beseitigt, beg<strong>in</strong>nt<strong>die</strong> Führung des gesamten Lebens durch das <strong>in</strong>nere Licht. Dieglaubende Geme<strong>in</strong>de f<strong>in</strong>det den Weg, <strong>der</strong> zum Lichtreich führt.Er liegt klar vor ihren Augen. „Wer bei Tage wan<strong>der</strong>t, stößt sichnicht. Denn er sieht das Licht, das <strong>die</strong> Welt hell macht. Weraber des Nachts wan<strong>der</strong>t, stößt sich, weil ke<strong>in</strong> Licht bei ihm ist“(Joh.11,9+10). Der Weg muss erleuchtet se<strong>in</strong>, wenn man ihnf<strong>in</strong>den soll. Das Licht will unsere gesamte Lebensweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>deutige bestimmte Richtung br<strong>in</strong>gen. Es will unser ganzesLeben auf den e<strong>in</strong>en Weg leiten, <strong>der</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Weg <strong>in</strong>s ReichGottes ist.Ewige Worte weisen <strong>die</strong> Richtung für Leben <strong>und</strong> Werk: Wirmüssen wirken, solange es Tag ist. – Wenn <strong>die</strong> dunkle Nachtkommt, kann niemand arbeiten. – Es gilt das Tageslicht zunutzen. Deshalb sagt Jesus: „Solange ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt b<strong>in</strong>, b<strong>in</strong>ich das Tageslicht: Ich b<strong>in</strong> das Licht <strong>der</strong> Welt. Wer mir folgt,wird nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dunkelheit wan<strong>der</strong>n; er wird das Licht desLebens haben" (Joh.8,12). „Wan<strong>der</strong>t, solange ihr Licht habt. DieF<strong>in</strong>sternis wird euch nicht überfallen! Wer bei Dunkelheitwan<strong>der</strong>t, weiß nicht, wo er h<strong>in</strong>geht. Vertraut dem Licht, solangeihr es habt. Lichtk<strong>in</strong><strong>der</strong> sollt ihr se<strong>in</strong>!“ (Joh. 12,35+36).Schon das Alte Testament wusste: „Der Pfad des Gerechtenist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtetbis zur Tageshöhe. Der Weg <strong>der</strong> Gesetzlosen ist dem Dunkelgleich: sie erkennen nicht, worüber sie stolpern <strong>und</strong> stürzen“(Spr.4,18-19). Die göttliche Führung des vorausschreitendenLichts bewahrt vor den Irrlichtern <strong>und</strong> Abwegen täuschen<strong>der</strong>Nacht. Gott hat aus <strong>der</strong> Quelle se<strong>in</strong>es Lichts <strong>die</strong> klare Sichtgegeben, um Richtung zu halten. In <strong>die</strong>ser Sicht kann <strong>der</strong> Wegnicht verfehlt werden. Für Nächte bedeckten Himmels ist denWan<strong>der</strong>nden e<strong>in</strong>e helle Laterne <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand gegeben: Das Wortw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 256Gottes, welches dem dunklen Weg vorausleuchtet, bis <strong>der</strong> Tagbeg<strong>in</strong>nt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Morgenstern aufgeht.Durch das Wort offenbart sich Jesus Christus als dasführende Licht. Er ist <strong>die</strong> Erfüllung <strong>der</strong> alten Worte: „DieGebote des Herrn s<strong>in</strong>d hell <strong>und</strong> erleuchten <strong>die</strong> Augen“ (Ps.19,9).„De<strong>in</strong> Wort ist me<strong>in</strong>es Fußes Leuchte <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Licht auf me<strong>in</strong>emWeg“ (Ps.119,105). Auch <strong>die</strong> Leitung durch das <strong>in</strong>nere Licht desGeistes Jesu Christi geschieht durch <strong>die</strong> Leuchte des Wortes.Se<strong>in</strong>e Wahrheit trägt jetzt e<strong>in</strong>en neuen, entscheidendenMaßstab für <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des leitenden Lichts:<strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit <strong>der</strong> Christusgeme<strong>in</strong>de aller Zeiten. OhneAblenkung zeigt Gott an ihr se<strong>in</strong>e Lichtgedanken. Die Geme<strong>in</strong>deJesu Christi ist <strong>die</strong> Lichtstadt, <strong>die</strong> auf <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des<strong>in</strong> ihr aufleuchtenden Geheimnisses beruht.Als <strong>die</strong> e<strong>in</strong>st urchristliche Geme<strong>in</strong>de zur Reformationszeitunter schwerster Verfolgung den Leuchter ihres e<strong>in</strong>igendenLichts von neuem aufgerichtet hat, waren es Jakob Huter<strong>und</strong> Peter Ridemann, denen <strong>die</strong> entscheidenden Worte <strong>der</strong>Wahrheit gegeben wurden:„Die Kirche Christi ist e<strong>in</strong> F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>feste<strong>der</strong> Wahrheit. Sie ist e<strong>in</strong>e Leuchte <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Lichtstern <strong>der</strong>Gerechtigkeit. In ihr wird <strong>der</strong> ganzen Welt das Licht <strong>der</strong> Gnadevorgetragen <strong>und</strong> vorgehalten, auf dass ihre F<strong>in</strong>sternis, ihrUnglaube <strong>und</strong> ihre Bl<strong>in</strong>dheit dadurch erleuchtet <strong>und</strong> lichtwürden, dass auch sie den Weg des Lebens sähen <strong>und</strong> kennen lernten.So wie e<strong>in</strong>e Lampe ganz vom Licht durchleuchtet <strong>und</strong> hell wird,so wird auch <strong>die</strong> Kirche Christi von ihm ganz <strong>und</strong> gar durchleuchtet,damit se<strong>in</strong> Licht aus ihr auch an<strong>der</strong>en sche<strong>in</strong>t.Wie <strong>die</strong> Leuchte Christi mit dem Licht göttlicher Erkenntnis durchleuchtet,hell, licht <strong>und</strong> klar geworden ist, so erstreckt sich <strong>die</strong>serGlanz <strong>und</strong> Sche<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ferne, um auch an<strong>der</strong>en, <strong>die</strong> noch <strong>in</strong> F<strong>in</strong>sterniswandeln, zu leuchten. Auch Christus selbst hat befohlen: ,Lassteuer Licht leuchten vor den Menschen, auf dass sie eure guten Werkesehen <strong>und</strong> euren Vater im Himmel preisen’ (Mt.5,16). Dies kannaber <strong>in</strong> uns nicht an<strong>der</strong>s als durch <strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> Wirkung des GeistesChristi geschehen. So wie das natürliche Licht nach se<strong>in</strong>er Art er-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 257strahlt, den Menschen damit zu leuchten, so gibt auch das göttlicheLicht den Strahl <strong>und</strong> Sche<strong>in</strong> weiter, wo immer es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Menschenangezündet ist. Dieses Licht aber ist göttliche Gerechtigkeit, Heiligkeit<strong>und</strong> Wahrheit; sie leuchtet aus ihrem Lichtstern, aus <strong>der</strong> KircheChristi, um je<strong>der</strong>mann zu erleuchten, heller <strong>und</strong> klarer als <strong>die</strong> Sonne."Das Geheimnis <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de bedeutet für den ApostelPaulus, allen das Licht zu br<strong>in</strong>gen als jene ihm geschenkteGabe, <strong>die</strong> untrennbar mit dem Geheimnis des kommendenChristus verb<strong>und</strong>en ist. Das <strong>in</strong>nere Licht Jesu Christi offenbart<strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>und</strong> Zukunftsbestimmung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. DieErleuchtung des Heiligen Geistes hat das untrügliche Merkmal,dass sie zu völliger <strong>E<strong>in</strong></strong>mütigkeit, zu ungestört harmonischem<strong>E<strong>in</strong></strong>klang mit allen Glie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Lichtgeme<strong>in</strong>de führt.Das Licht des Gottesherzens offenbart das Geheimnis <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de als des leuchtenden Leibes Jesu Christi. Dieser Leibkann nicht f<strong>in</strong>ster se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> Auge ist klar <strong>und</strong> hell. Es ist aufse<strong>in</strong>en Blickpunkt gesammelt. Es nimmt das Licht auf. In ihmwohnt nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> leuchtende Christus selbst. Er ist<strong>der</strong> Glaube <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Se<strong>in</strong>e Zukunft ist ihre Erwartung.Der kommende Strahl se<strong>in</strong>er Majestät erfüllt sie jetzt <strong>und</strong> hier.Se<strong>in</strong>e Ehre ist <strong>die</strong> Hoffnung ihres Lebens.<strong>E<strong>in</strong></strong>e Belebung <strong>der</strong> bekennenden Christenheit <strong>und</strong> ihrerSendung kann nur von <strong>der</strong> lebendigen Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Lichtliebeausgehen. Die Fackel <strong>die</strong>ses e<strong>in</strong>zigen Führers sammelt<strong>die</strong> Lichtschar, um e<strong>in</strong>st mit ihr se<strong>in</strong> Sonnenreichaufzurichten. Nur <strong>die</strong> Leuchter <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de können <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis<strong>der</strong> Erde das Licht <strong>der</strong> Zukunft weisen. Von ihren siebenLeuchtern, auf welchen <strong>der</strong> Geist Jesu Christi als das nunmehralles bestimmende Licht ruht, geht <strong>die</strong> umgestaltende Wirkung<strong>der</strong> nahenden Gotteszukunft aus:„Du strahlend Morgensonne,Du zehrst <strong>die</strong> Flammen auf.Du bist <strong>der</strong> Gluten Wonne,Du siegst im hohen Lauf!“w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 258DER HEILIGE GEISTDie Gabe <strong>der</strong> Innerlichkeit ist e<strong>in</strong> zweischneidiges Schwert.Die heutige Literatur beweist, dass <strong>der</strong> suchende MenschGott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Wahrheit, ebenso aber den Satan <strong>und</strong> dessenTiefen ergründen will. Was will man? Gott o<strong>der</strong> den Teufel?Entscheidung tut not. Gott ist gut. Gott ist Geist. DasDämonische ist das Reich des bösen Geistes. Will man sich<strong>in</strong> beides zugleich versenken? Das Wesen e<strong>in</strong>es Geistes kannman nur erkennen, wenn man e<strong>in</strong>s mit ihm wird. Man kann Geistnicht an<strong>der</strong>s erfassen, als durch <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit se<strong>in</strong>em<strong>in</strong>nersten Wesenskern. Hier bist du – e<strong>in</strong> lebendiger Mensch.Mit welchem Geist willst du dich vere<strong>in</strong>igen? August<strong>in</strong> 58 entschiedsich e<strong>in</strong>st nach langjährigem Schwanken: “Gott <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e<strong>Seele</strong> ist das, was ich verstehen w i l l, nichts an<strong>der</strong>es! Ne<strong>in</strong>,nichts an<strong>der</strong>es!”Die menschliche <strong>Seele</strong> ist von Fleisch <strong>und</strong> Blut beherrscht.Mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Hand greift sie nach dem Leben, mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>ennach dem Tod. Friedrich Nietzsche 59 sagte: “Weh' dem, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>enBoden hat! Weh' dem, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Stützpunkt hat! – Das, dasist me<strong>in</strong> Abgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Gefahr, dass me<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> Höhestürzt <strong>und</strong> dass me<strong>in</strong>e Hand sich halten <strong>und</strong> stützen möchtean <strong>der</strong> Tiefe.” Der Mensch ist zu e<strong>in</strong>er gefährlichen Wan<strong>der</strong>ungaufgebrochen. Der lebendig machende Geist <strong>der</strong> Höhe kämpftum ihn gegen <strong>die</strong> lebensfe<strong>in</strong>dlichen Geister des Abgr<strong>und</strong>s. Diemenschliche Natur vermag sich nicht aus eigener Kraft übersich selbst emporzuheben. Ohne den Geist Gottes bleibt <strong>die</strong><strong>Seele</strong> <strong>in</strong> allzu menschlichen, sterblichen Nie<strong>der</strong>ungen.__________________58August<strong>in</strong>(us), 354-430, Bischof von Hippo, Kirchenvater, gr<strong>und</strong>legendfür kath. Theologie, Ethik <strong>und</strong> Gesellschaftslehre.59Friedrich Wilhelm Nietzsche, 1844-1900, dt. Philosophw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 259Der Menschengeist ist so tief <strong>in</strong> körper-seelisches Empf<strong>in</strong>denverstrickt, dass er mit dem Leib unter das Urteil fällt: “Wasvom Fleisch geboren ist, ist Fleisch.” Fleisch muss verwesen.Die Schrecken unserer Zeit haben gezeigt, welche Ernte mangew<strong>in</strong>nt, wenn man se<strong>in</strong>e Lebenssaat auf e<strong>in</strong>e unverän<strong>der</strong>teMenschennatur ausstreut. Nur <strong>die</strong> Ernte, <strong>die</strong> unter dem Wehendes lebendig machenden Geistes steht, wird gut. Die menschlicheNatur ohne Heiligen Geist bleibt dumpf <strong>und</strong> schwach.Ohne den W<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>es Geistes wird <strong>der</strong> Acker ihrer Arbeitunfruchtbar. Getrennt von dem Quell vertrocknet ihr Eigenleben.Unsere Natur ist erniedrigt, entartet <strong>und</strong> entweiht.Die sterbliche Natur verlangt nach e<strong>in</strong>er ihr überlegenenKraft, <strong>die</strong> den geknechteten Menschen von aller lebensfe<strong>in</strong>dlichenGewalt befreit. Nur <strong>der</strong> Geist des vollkommenen Lebenshat todüberw<strong>in</strong>dende Macht. Ohne den göttlichen Geists<strong>in</strong>d wir verloren. Nur <strong>der</strong> Geist dessen, <strong>der</strong> den ertötendenUngeist überw<strong>und</strong>en hat, kann lebenbr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Geist se<strong>in</strong>.Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Geist alle<strong>in</strong> ist Leben. Der Geist des Sohneserlöst <strong>die</strong> Menschen von <strong>der</strong> Knechtung <strong>und</strong> Furcht des Todes.Nur er vermag völliges <strong>und</strong> bleibendes Leben zu geben.Wer ihn nicht von <strong>der</strong> Stimme des Blutes unterscheidet, verdammtsich selbst, e<strong>in</strong> seelischer Mensch zu bleiben. Als geknechtetesWesen bleibt er <strong>der</strong> ver<strong>der</strong>benden Natur <strong>und</strong> ihrenmör<strong>der</strong>ischen Gewalten unterworfen.Paulus bezeichnet alle seelischen Regungen als “fleischlich”,auch wenn sie sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> tiefste Innerlichkeit o<strong>der</strong> zu demhöchsten Ideal e<strong>in</strong>es Volkes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Menschheit erheben.<strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Blut bleiben <strong>in</strong> sich selbst auf das sterbliche Eigenlebendes Menschen beschränkt. In <strong>der</strong> ganzen Menschheitwie auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Völkern f<strong>in</strong>det sich <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> körperlicher<strong>und</strong> dämonischer Abhängigkeit. Und doch weiß sie sichfür höhere <strong>und</strong> re<strong>in</strong>ere Sphären geschaffen. Ihr Gewissen legtununterbrochen das Bekenntnis ab:“<strong>E<strong>in</strong></strong> Mensch, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Geist nicht über sich erhebt, <strong>der</strong> istnicht wert, dass er im Menschenstande lebt.”Der Mensch ohne Jesus Christus kann nichts weiter se<strong>in</strong>als e<strong>in</strong> seelisches, geistloses Wesen. Se<strong>in</strong> geschwächtesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 260Leben führt sich selbst dem Tod entgegen. Völker, <strong>die</strong> sich vonnichts an<strong>der</strong>em als von <strong>der</strong> Blutsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Volksseeleleiten lassen, gehören zum Reich des Todes. Sie verfallen demGesetz des Hasses, <strong>der</strong> Tod bereiten muss. Von <strong>der</strong> ganzenMenschheit als solcher ist ke<strong>in</strong>e Hilfe zu erwarten. Nur <strong>der</strong>e<strong>in</strong>e Menschensohn ist e<strong>in</strong> lebendig machen<strong>der</strong> Geist. Se<strong>in</strong>Leben ist unvergänglich <strong>und</strong> überw<strong>in</strong>det alle Tode. Se<strong>in</strong>e Kraftist <strong>die</strong> unbegrenzte Macht unverän<strong>der</strong>licher Liebe. Sie entfaltete<strong>in</strong>e nicht zu tötende Lebendigkeit, wie sie alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> unsterblicheGeist geben kann. Sie führt den sterblichen Menschenzum ewigen Leben. Der Geist Jesu Christi ist stärker als allean<strong>der</strong>en Geister. Er alle<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>igt das glaubende Herz mitdem lebendigen Mittelpunkt allen schöpferischen Lebens.Hier schafft <strong>der</strong> lebendige Geist <strong>die</strong> große <strong>E<strong>in</strong></strong>heit aller befreitenGeister, <strong>die</strong> we<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>em Volk noch von <strong>der</strong> Menschheitgeschaffen werden kann. Der Heilige Geist ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>in</strong> Christus. Er bewirkt das <strong>in</strong> Gott vere<strong>in</strong>igte Leben. Er alle<strong>in</strong>gewährleistet das ewige Erbe e<strong>in</strong>es Volkes <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es Reichesals Gottes Volk <strong>und</strong> Gottes Reich. Nur <strong>der</strong> Geist Jesu kann demMenschen <strong>die</strong> ewige Wirklichkeit geben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschenk<strong>in</strong><strong>der</strong>aller Völker K<strong>in</strong><strong>der</strong> des e<strong>in</strong>en Gottes s<strong>in</strong>d. Nur im HeiligenGeist entsteht Gottes Volk. Nur <strong>in</strong> ihm wird Menschheit. In <strong>der</strong>Kraft des lebendig machenden Geistes erwies sich <strong>der</strong> ErstgeboreneGottes als Sohn. Als auferstandener Christus verleiht erse<strong>in</strong>em Volk den Geist se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dschaft. In ihm alle<strong>in</strong> ist <strong>die</strong>Kraft erneuerten <strong>und</strong> gee<strong>in</strong>ten Lebens, Lebens im Reich Gottes.Er alle<strong>in</strong>, dessen Leben ungetrübt <strong>und</strong> ohne Wi<strong>der</strong>spruch war,br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Harmonie des Gottesreiches. Ohne sie bleiben alleMenschen <strong>und</strong> Völker dem Teufel <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er mör<strong>der</strong>ischenZerstörung verfallen.Christus alle<strong>in</strong> ist <strong>der</strong> Gekrönte Gottes. Ihn alle<strong>in</strong> hat <strong>der</strong> Geistso gänzlich durchdrungen, dass je<strong>der</strong> Funke se<strong>in</strong>es LebensTeil <strong>der</strong> lebendigen Liebesflamme war. Das lebendige Feuerdes Geistes Jesu Christi ist <strong>die</strong> Liebe des kommenden Reiches.Se<strong>in</strong> letztes Reich ist Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit. Deshalbgehörte das Leben Jesu den Armen <strong>und</strong> Ärmsten. Er ist <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zige, von dem es völlig gilt, was <strong>der</strong> Prophet Jesaja über <strong>die</strong>messianische Sendung Jesu gesagt hat: “Der Geist des Herrnw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 261ist über mir. Er hat mich zum König des Reiches gesalbt. Er hatmich gesandt, den Armen entscheidende Nachricht zu br<strong>in</strong>gen”(Jes.61,1).Se<strong>in</strong>e Salbung ist <strong>die</strong> Krönung zum Herrscher des Reichsals <strong>die</strong> regierende Kraft <strong>der</strong> Liebe, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> wahre Freiheitbr<strong>in</strong>gt. Se<strong>in</strong> Evangelium ist <strong>die</strong> Freudennachricht des Kommenden,<strong>die</strong> alle Versklavten <strong>und</strong> Erniedrigten zur Freiheit führt, zurFreiheit für das Gottesreich. Das Reich Gottes ist <strong>in</strong> Jesus, demmit Heiligem Geist gesalbten König, zu verlassenen Menschene<strong>in</strong>er erkaltenden Erde gekommen. Als vollkommene Liebekam es zu entleerten Herzen. Deren e<strong>in</strong>stige Liebesflammenwaren von kalten <strong>und</strong> f<strong>in</strong>steren Mächten zu Boden getreten. DerGeist des Hasses hatte <strong>die</strong> menschliche Liebe ausgelöscht. InJesus überw<strong>in</strong>det <strong>der</strong> Geist göttlicher Liebe den dämonischenGeist <strong>der</strong> Knechtung. Jesus Christus ist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>zige,<strong>der</strong> durch den Geist <strong>der</strong> völligen Liebe den mör<strong>der</strong>ischenErdgeist <strong>und</strong> alle se<strong>in</strong>e Nebengeister h<strong>in</strong>ausgewiesen hat. Wo<strong>der</strong> Herrscher des Gottesreichs e<strong>in</strong>greift, hört <strong>der</strong>en <strong>E<strong>in</strong></strong>flussauf. Aber <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Blut gefangene Mensch vernimmtnichts von <strong>die</strong>ser entscheidenden Tat des siegenden Geistes.Nur <strong>der</strong> Heilige Geist selbst erkennt den Heiligen Geist.Niemand kann ohne den Geist Gottes <strong>die</strong> befreiende HerrschaftJesu Christi erkennen <strong>und</strong> anerkennen. Ohne ihn siehtman nicht, wie er sie schon jetzt <strong>und</strong> für alle Zukunft angetretenhat. Außerhalb des Heiligen Geistes hat <strong>die</strong> Regierung JesuChristi <strong>und</strong> <strong>die</strong> Macht ihrer Liebe ke<strong>in</strong>e Geltung. Nur <strong>der</strong> Geistoffenbart den Gotteskönig <strong>und</strong> <strong>die</strong> Befreiung durch se<strong>in</strong>e Herrschaft.Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de des Geistes ist se<strong>in</strong> Reich auf <strong>der</strong>heutigen Erde wirksam.Nur durch den Heiligen Geist kann Christus Herr <strong>und</strong>Gebieter genannt, nur im Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de kann er als Herr<strong>und</strong> König angerufen werden. Alle, <strong>die</strong> ihn <strong>in</strong> Wahrheit als Herrnbekennen wollen, müssen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung mit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<strong>der</strong>en Geist empfangen haben. In <strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> Wirklichkeitdes Geme<strong>in</strong>de schaffenden Geistes müssen sie e<strong>in</strong>gefügt se<strong>in</strong>,wenn sie Christus <strong>in</strong> Wahrheit ehren wollen. Im geme<strong>in</strong>samenTun müssen sie sich als freie K<strong>in</strong><strong>der</strong> des e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong>en Geisteserweisen. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des e<strong>in</strong>en Geistes können sie denw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 262heiligen Namen anrufen. Weil sie <strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>ig s<strong>in</strong>d, tun sie esgeme<strong>in</strong>sam.Der Heilige Geist richtet se<strong>in</strong> Werk als Wirken Gottes auf. NurGlaubende können es fassen. Als Gottes Geschehen sollensie es aktiv aufnehmen; als Gottes Tun sollen sie es gelassenerdulden. In <strong>der</strong> an ihnen wirkenden <strong>und</strong> handelnden Kraft e<strong>in</strong>eran<strong>der</strong>en Welt bekennen sie Christum als ihren alle<strong>in</strong>igen Herrn.In <strong>die</strong>sem Geist antwortet er ihnen: “Ihr heißet mich Meister <strong>und</strong>Herr; <strong>und</strong> ihr sagt es mit Recht; denn ich b<strong>in</strong> es” (Joh.13,13).Diese Erkenntnis kann nicht an<strong>der</strong>s zu gottfernen Menschenkommen, als wenn sie den Heiligen Geist aufnehmen, <strong>der</strong>Gottes Geist ist. Der B<strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de kann niemals an<strong>der</strong>saufgerichtet, befestigt <strong>und</strong> versiegelt werden als durch denHeiligen Geist des Lebens <strong>in</strong> Gott. Von Gott her kommt er durchChristus, dem regierenden Gebieter des Gottesreiches, zue<strong>in</strong>er glaubenden Geme<strong>in</strong>de. So alle<strong>in</strong> werden geknechteteMenschen endgültig von aller fremden Herrschaft wie auch vonaller eigenen Selbstherrlichkeit befreit. Wo <strong>der</strong> Geist des Königsist, ist Freiheit. Se<strong>in</strong> B<strong>und</strong> scheidet <strong>die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Freiheit vonden sklavischen Knechten. Der k<strong>in</strong>dliche Geist hebt <strong>die</strong> Knechtschaftauf. Er begründet <strong>die</strong> K<strong>in</strong>dschaft, <strong>die</strong> durch den Glaubenan Jesus Christus für immer von <strong>der</strong> Knechtschaft geschiedenbleibt. Dieser Unterschied bleibt ewig bestehen. Die <strong>der</strong> GeistGottes treibt, s<strong>in</strong>d Gottes freie K<strong>in</strong><strong>der</strong> geworden (Rö.8,14). Werden k<strong>in</strong>dlichen Geist nicht hat, gehört nicht zu Gott.In se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Knechte zu f<strong>in</strong>den. Alle, <strong>die</strong><strong>in</strong> ihr leben, s<strong>in</strong>d ebenbürtige K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Dar<strong>in</strong> ist <strong>der</strong> k<strong>in</strong>dlicheB<strong>und</strong> begründet. Aus ihm ist alle Unk<strong>in</strong>dlichkeit menschlicherGröße <strong>und</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Knechtung gebannt. Nur denk<strong>in</strong>dlich Vertrauenden eröffnet sich <strong>die</strong> Erkenntnis se<strong>in</strong>esTestaments. Den Hohen <strong>und</strong> Klugen eigener Größe bleibt esebenso verschlossen wie den geknechteten <strong>Seele</strong>n sklavischerFurcht. Allem, was frei <strong>und</strong> k<strong>in</strong>dlich ist, offenbart Gottes Geistalles, was se<strong>in</strong>em Herzen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n entspricht. Vor <strong>der</strong>Eröffnung <strong>die</strong>ses Testaments muss je<strong>der</strong> äußerliche Sche<strong>in</strong>gebieterischen Wesens <strong>und</strong> knechtischer Unterwerfungweichen. In <strong>der</strong> Freiheit Jesu Christi haben <strong>die</strong>se für immeraufgehört.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 263Das Licht eröffnet <strong>die</strong> k<strong>in</strong>dliche Freiheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>und</strong>Beweisung ihres Geistes. Durch Christus befreite Sklaven s<strong>in</strong>dnun se<strong>in</strong> freies Eigentum geworden. Alles an ihnen <strong>und</strong> wasihnen zukommt, kann nur ihm alle<strong>in</strong> gehören. Im Leben <strong>und</strong>im Tod gehören sie ihrem Gebieter. Als freigelassene Sklavenordnen sie sich aus freiem Willen se<strong>in</strong>em Hausstand unter,um für immer dem Geist se<strong>in</strong>es Hauses anzugehören. Sie ehrenihren Befreier als <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige Majestät des e<strong>in</strong>zigen Reiches,dem sie zu <strong>die</strong>nen haben. Der Heilige Geist ist ihnen vonihrem königlichen Befreier als Pfand e<strong>in</strong>es künftigen Erbgutesgeschenkt. Durch das Testament des Geistes haben sie denFreibrief zum Volk Gottes. Der Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist ihrFreipass <strong>und</strong> Bürgerbrief. Se<strong>in</strong> Siegel öffnet <strong>die</strong> Tore des letztenReiches. Nach ihm trachten alle Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geistesgeme<strong>in</strong>demit ihrem ganzen Leben. Was sie lieben <strong>und</strong> wofür sieleben, ist <strong>der</strong> König des Reiches Gottes. Was sie wollen <strong>und</strong>woran sie glauben, ist se<strong>in</strong>e befreiende <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igende Gerechtigkeit.In dem Geist Jesu Christi erfassen sie <strong>die</strong> vollkommeneGerechtigkeit <strong>der</strong> Zukunft. Der Heilige Geist ist <strong>die</strong> Versiegelungihres Glaubens an den geistgekrönten König. Der König istse<strong>in</strong>em Reich vorausgeschritten. In ihm haben sie das kommendeReich angenommen. Die letzte Wirklichkeit ihres Lebens istse<strong>in</strong>e Gerechtigkeit, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft ihrer vollkommenenFreiheit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit zeigt. Durch <strong>die</strong> wirksame Gegenwart desGeistes schmecken sie <strong>die</strong> Kräfte e<strong>in</strong>er zukünftigen Welt, <strong>die</strong> <strong>in</strong>ihr jetziges Leben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirkt.Das Siegel des Heiligen Geistes ist das Wesen Gottes,se<strong>in</strong>es zukünftigen Lebens, wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Christusgeme<strong>in</strong>deerlebbar wird. Der Geist Christi ist Gewissheit Gottes. Die Kraftdes Zukunftsglaubens macht <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> allen Stürmen<strong>der</strong> Jetztzeit fest <strong>und</strong> sicher. Sie ist <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Geist gewiss,dass Gott se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Christus gegebene Zusage zu se<strong>in</strong>er Zeit<strong>und</strong> St<strong>und</strong>e e<strong>in</strong>lösen wird. Der Glaube ist dessen so gewiss,als ob <strong>die</strong> Verheißung jetzt <strong>und</strong> hier schon e<strong>in</strong>getroffen sei.Und sie ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirklichkeit des Geistes. <strong>E<strong>in</strong></strong>em jeden, <strong>der</strong>durch Gottes Wort an das Reich Gottes <strong>in</strong> Christus glaubt, wird<strong>die</strong>ser Glaube durch den Heiligen Geist wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sicherenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 264Dokument versiegelt. Der Geist Jesu Christi ist <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>igeSicherheit des Reiches Gottes. Das ist <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n des Jesuswortes,nach welchem niemand <strong>in</strong> <strong>die</strong>ses Reich kommen kann,<strong>der</strong> nicht durch den Heiligen Geist von oben her aufs neuegeboren ist (Joh.3,3).Der Geist ist’s, <strong>der</strong> lebendig macht (Joh.6,63); durch ihnwird man <strong>der</strong> göttlichen Natur e<strong>in</strong>gepflanzt. Das gilt für alle,<strong>die</strong> Gottes B<strong>und</strong> angehören <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich erben sollen. Anihnen wird Gottes Wort wahr. Im Heiligen Geist werden alle Versprechungendes lebendigen Gottes Ja <strong>und</strong> Amen. Er vollbr<strong>in</strong>gt<strong>in</strong> denen, <strong>die</strong> ihn empfangen, mit Freude allen Gotteswillen. DerHeilige Geist br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>se Freude hervor, <strong>die</strong> sucht <strong>und</strong> liebt,was Gottes Wort <strong>und</strong> Werk ist. Se<strong>in</strong> Werk f<strong>in</strong>det <strong>die</strong> glaubendeGeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Kraft <strong>und</strong> Wahrheit: <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Herzen <strong>und</strong>des gesamten Lebens für Gottes Willen steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte. DerGeist pflanzt das Wahre <strong>und</strong> Gute, das Gerechte <strong>und</strong> Heilige.Unter se<strong>in</strong>em Schutz soll es e<strong>in</strong>wurzeln, wachsen <strong>und</strong> Fruchtbr<strong>in</strong>gen. Deshalb muss er alles, was <strong>in</strong> unserer Natur demWachsen se<strong>in</strong>er Pflanzung im Wege steht, als Unkraut ausrotten.Er nimmt nicht nur das Tun des Bösen h<strong>in</strong>weg, son<strong>der</strong>ner entfernt auch <strong>die</strong> Lust dazu.Unter <strong>der</strong> Wirkung des Heiligen Geistes stirbt <strong>der</strong> alte Menschab. An se<strong>in</strong>er Stelle wird <strong>der</strong> neue Mensch lebendig. DasLebensgesetz des Geistes hebt das Gesetz <strong>der</strong> Sünde <strong>und</strong> desTodes auf. Nur <strong>die</strong> Geistestaufe vollbr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>ses Werk. DerGeist selbst treibt das Werk; er regt alles an; er bewegt alles; ertreibt alles <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Leben. <strong>E<strong>in</strong></strong>e neue Schöpfung steht da,e<strong>in</strong>e neue Pflanzung, e<strong>in</strong>e neue Geburt!Die Neuschöpfung <strong>und</strong> Re<strong>in</strong>igung, <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>geburt <strong>und</strong>Erneuerung geschieht als Taufe im Strom des Geistes, <strong>der</strong><strong>in</strong> Jesus Christus über <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de ausgegossen wird. DerB<strong>und</strong> des Heiligen Geistes ist das Testament k<strong>in</strong>dlicher Freiheit.Durch den Geist Gottes getrieben, lebt man kraft <strong>der</strong> neuenGeburt im B<strong>und</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dschaft. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Heilige Geist hältse<strong>in</strong>e Pflanzung lebendig. Der Geist alle<strong>in</strong> schafft K<strong>in</strong><strong>der</strong> Gottes.Se<strong>in</strong> Trieb beweist <strong>die</strong> K<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> ihre Freiheit.Die Geburt des Geistes hat nichts geme<strong>in</strong> mit Fleisch <strong>und</strong>Blut. Der Heilige Geist hat e<strong>in</strong>en tiefen Abscheu vor allemw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 265Götzen<strong>die</strong>nst <strong>und</strong> falschen Sche<strong>in</strong>. Vor je<strong>der</strong> religiösen Vermischungzieht er sich für immer zurück. Er weicht, wo eigeneGröße <strong>und</strong> gottwidrige Sünde zur Geltung kommen. Mit demallem erlischt jede Möglichkeit <strong>der</strong> Gottesk<strong>in</strong>dschaft <strong>und</strong> desChristse<strong>in</strong>s. Menschenart <strong>und</strong> Gottes Art s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> entgegengesetzt.Wo man Fleisch <strong>und</strong> Blut herrschen lässt, mussGott se<strong>in</strong>en Geist fernhalten <strong>und</strong> jede K<strong>in</strong>dschaft ablehnen.Der re<strong>in</strong>e Atem Gottes offenbart <strong>die</strong> Echtheit aller K<strong>in</strong><strong>der</strong>Gottes. Gott lässt sich ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> unterschieben. Er kenntke<strong>in</strong>e Bastarde. Alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> Herrschaft se<strong>in</strong>es Geistes zeigt dasBildnis Gottes. Nur er ist echt. Alles an<strong>der</strong>e ist Verfälschung.Die Art <strong>und</strong> Eigenschaft Gottes wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n an<strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit ihres Geistes offenbar. Nur <strong>der</strong> Geist Gottes hat<strong>die</strong>se Re<strong>in</strong>heit. Er alle<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong>ses Ebenbild Gottes hervor.Wo <strong>die</strong> Echtheit <strong>und</strong> Wahrheit gottk<strong>in</strong>dlichen Wesens gegebenist, beherrscht <strong>und</strong> gestaltet sie das ganze Leben nach demBilde Gottes. Die Wahrheit ist Gott selbst. Solange se<strong>in</strong>e Söhne<strong>und</strong> Töchter sich <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen durch se<strong>in</strong>en Geist regieren<strong>und</strong> führen lassen, tragen sie Gottes Bildnis. Als K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong>esGeistes haben sie <strong>die</strong> Art <strong>und</strong> Natur des Vaters. Nur im Geistlebt se<strong>in</strong> Erbe. Gott verleugnet se<strong>in</strong> Wesen niemals. Anstelledes fleischlichen S<strong>in</strong>nes wird dem zum zweiten Mal Geborenen<strong>der</strong> göttliche S<strong>in</strong>n so wirksam e<strong>in</strong>gepflanzt, dass ihm damit dasvöllig neue Leben des Gottesreiches gegeben ist. Der HeiligeGeist ist <strong>der</strong> erste Zeuge des letzten Reiches. Er schenkt <strong>die</strong>lebendige Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott <strong>und</strong> lässt sie <strong>in</strong> Tat <strong>und</strong> Wahrheitbeg<strong>in</strong>nen. Der Heilige Geist wirkt <strong>die</strong> Art des Gottesreiches<strong>in</strong> <strong>die</strong> glaubende Geme<strong>in</strong>de h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Dieser Geist versichert <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi, dass ihre Glie<strong>der</strong> Erben Gottes s<strong>in</strong>d.Die Ausgießung des Heiligen Geistes gehört als königlicheSalbung des letzten Reiches zur Taufe im Namen des kommendenKönigs.Wer noch nichts von <strong>die</strong>sem Geist vernommen hat, dessenverme<strong>in</strong>tliche Taufe kann für Christus ke<strong>in</strong>e Geltung haben,wenn sie auch auf ihn h<strong>in</strong>gewiesen haben mag, wie es <strong>die</strong>Taufe Johannes des Täufers tat. Demgegenüber hielt Petrus<strong>die</strong> Taufe im Namen Jesu Christi allen denen bereit, <strong>die</strong> sichw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 266durch <strong>die</strong> Geistesän<strong>der</strong>ung ihres Herzens <strong>und</strong> Lebens für dasReich Gottes zubereiten lassen wollten. Mit <strong>der</strong> Taufe sagteer ihnen <strong>die</strong> Gabe des Heiligen Geistes zu (Apg.19,2-6). Waswar geschehen? Der geistgekrönte König war getötet worden<strong>und</strong> aus se<strong>in</strong>em Grab auferstanden! Die von den Propheten fürdas Anbrechen des Gottesreiches verheißene Ausgießung desGeistes war das erste tatsächliche Zeichen des kommendenReiches. Das war <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Pf<strong>in</strong>gstrede. Der Auferweckte<strong>und</strong> Erhöhte hat vom Vater den Heiligen Geist empfangen. Jetzthat er ihn ausgegossen: Ihr seht es! Ihr hört es! Der Jesus, denihr h<strong>in</strong>gerichtet habt, ist <strong>der</strong> Messiaskönig des Gottesreiches!Jetzt endlich ergießt er den Geist se<strong>in</strong>es Reiches über allesFleisch! Der Geist ist da! Das Reich bricht an! (Apg.1,22-36).Die bewegende Pf<strong>in</strong>gstfrage des Volkes, was sie auf<strong>die</strong>se überwältigende Tatsache h<strong>in</strong> tun sollten, zielte aufChristus <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reich. Sie gipfelte <strong>in</strong> dem Verlangen nach demHeiligen Geist, um durch dessen Kraft <strong>die</strong> Vergebung <strong>der</strong> Sündenempfangen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> dem Gottesreich entsprechendes Lebenführen zu können. Das Verlangen nach Jesus Christus <strong>und</strong>Gottes Reich bewirkte <strong>die</strong> Offenheit für den Heiligen Geist.Jesus Christus kann niemals von se<strong>in</strong>em Geist geschiedenwerden. Das urchristliche Evangelium <strong>der</strong> Sündenvergebungkann von dem apostolischen Leben im Heiligen Geist nichtgetrennt werden; <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi kann nicht vom ReichGottes losgelöst werden.Der König des Gottesreiches ist als Geist <strong>der</strong> heiligen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>in</strong> dem lebendigen Organismus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> e<strong>in</strong>igendeSaft des Lebens. Aus Christus als <strong>der</strong> Wurzel steigt <strong>der</strong>Heilige Geist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zweige <strong>und</strong> Reben auf. Der Geist Christimacht <strong>die</strong> glaubende Geme<strong>in</strong>de zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Pflanzedes Gottesreiches, zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Gewächs mit demgekrönten König. Er ist <strong>der</strong> We<strong>in</strong>stock Gottes; <strong>die</strong> Glaubendens<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Zweige. Der Geist steigt als <strong>der</strong> Saft aus <strong>der</strong> Wurzelauf; er erfüllt <strong>die</strong> Zweige; er macht sie fruchtbar <strong>und</strong> erhält sielebendig. Er tut es für das Reich Gottes.Am ersten Pf<strong>in</strong>gsten brach aus dem Auferstandenen dasLeben des Geistes als das Kommen des Reiches hervor. Dasoffene Grab zeigt, dass Gott herrscht. Er tut es durch den Geistw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 267des Auferstandenen. Jakob Böhme 60 bezeugt <strong>die</strong>se Tatsachean den ihm eigenen Bil<strong>der</strong>n:“Wie <strong>die</strong> Kerze im Feuer erstirbet <strong>und</strong> wie aus demselben Sterbendas Licht <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kraft als das große Leben ausgehet: also sollte<strong>und</strong> musste aus Christi Sterben, aus se<strong>in</strong>em Tode, <strong>die</strong> ewige göttlicheSonne aufgehen! Wann Christus aufstehet, wann <strong>die</strong> Sonne aufgehet,so wird <strong>die</strong> Nacht im Tage verschlungen. Es ist ke<strong>in</strong>e Nachtmehr: Also ist <strong>die</strong> Vergebung <strong>der</strong> Sünden.”Aus dem Brunnquell Jesu Christi, aus <strong>der</strong> Kraft se<strong>in</strong>er Auferstehungwurde das Pf<strong>in</strong>gstvolk mit dem vergebenden Geist desGekreuzigten überströmt. Das Wort brach hervor. Alle GeisterGottes waren angezündet:“Wie <strong>der</strong> Odem im Menschen das Wort stimmet <strong>und</strong> ihm Gestalt<strong>und</strong> Laut gibt, so machet <strong>der</strong> Odem, W<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Geist Gottesdas Wort <strong>in</strong> uns lebendig <strong>und</strong> tätig <strong>und</strong> führet uns <strong>in</strong> alle Wahrheit.Das ist <strong>die</strong> Kraft Gottes, <strong>die</strong> alles tut, wirket <strong>und</strong> vollendet, alles befestiget<strong>und</strong> zusammenfüget. Sie versichert uns durch Gottes Werk,dass wir Gottes K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d. “In dem Pf<strong>in</strong>gstereignis wurde wahr, was Peter Ridemann 61<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er “Rechenschaft” von <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Vaters <strong>und</strong> desSohnes im Heiligen Geist bezeugt hat:“Gleich wie wenn e<strong>in</strong>er, <strong>der</strong> redet, mit dem Wort den OdemGottes also auslässt <strong>und</strong> ausdr<strong>in</strong>get, dass von ihnen beiden, von demSprechenden <strong>und</strong> von dem geredeten Wort e<strong>in</strong> lebendiger Odemw<strong>in</strong>dbläset <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Stimme erschallet <strong>und</strong> hervorgeht: also kommt<strong>der</strong> Heilige Geist von dem Vater <strong>und</strong> dem Sohne, o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Wahrheit<strong>und</strong> dem Wort. Wie aber <strong>der</strong> Sohn o<strong>der</strong> das Wort vom Vaterausgeht <strong>und</strong> doch <strong>in</strong> ihm bleibet, also geht <strong>der</strong> Heilige Geist vonihnen beiden aus <strong>und</strong> bleibet <strong>in</strong> ihnen beiden für <strong>und</strong> für ewiglich.”__________________60Jakob Böhme, siehe Kap. 1, Anm.7.61Peter Ridemann, siehe Kapitel 1, Anm. 12w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 268“Und wie Feuer, Hitze <strong>und</strong> Sche<strong>in</strong> sich nicht teilen o<strong>der</strong> vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>scheiden – wo e<strong>in</strong>s ist, da s<strong>in</strong>d sie alle drei; wo aber das e<strong>in</strong>emangelt, da ist ihrer ke<strong>in</strong>s – also auch <strong>der</strong> Vater, <strong>der</strong> Sohn <strong>und</strong> <strong>der</strong>Heilige Geist: Wo <strong>der</strong>en e<strong>in</strong>er ist, da s<strong>in</strong>d sie alle; welchem aber e<strong>in</strong>ermangelt, <strong>der</strong> hat ihrer ke<strong>in</strong>en; denn so wenig von dem Feuer <strong>die</strong>Hitze <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong> mag genommen werden, dass doch das Feuerbleibe, also noch viel weniger <strong>der</strong> Sohn <strong>und</strong> <strong>der</strong> Heilige Geist vomVater.”So hat denn <strong>die</strong> große Bru<strong>der</strong>schaftsbewegung aller Jahrhun<strong>der</strong>te<strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> Gott als e<strong>in</strong> beständig erneuertesPf<strong>in</strong>gsten bezeugt. Gott ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Nur wer <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit bleibt, bleibt <strong>in</strong> Gott <strong>und</strong> Gott <strong>in</strong> ihm. Achtzig Jahre nachPeter Ridemann leuchtete <strong>die</strong>selbe Erkenntnis jenem an<strong>der</strong>enschlesischen Schuster, Jakob Böhme, auf:“Der ewige Vater wird im Feuer offenbart, <strong>der</strong> Sohn im Lichtdes Feuers, <strong>der</strong> Heilige Geist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft des Lebens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bewegnisim Licht des Freudenreichs als <strong>die</strong> ausgehende Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong>Liebesflamme! Also denke im Gleichnis, dass <strong>der</strong> Vater sei das Feuerdes ganzen Gestirns <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sohn sei se<strong>in</strong> Herz als <strong>die</strong> Sonne, <strong>die</strong>alles Gestirn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e lichte Wonne setzet, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Heilige Geist sei<strong>die</strong> Luft des Lebens, ohne welche ke<strong>in</strong>e Sonne <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Gestirnbestünde.”Die völlige <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> Gott ist <strong>die</strong> Geisteswirklichkeit se<strong>in</strong>er Liebe.Nur im Mittelpunkt se<strong>in</strong>es Herzens kann sie erfasst werden.Nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> gefallenen Schöpfung, nicht im Zornesfeuerihres Gerichts, nicht <strong>in</strong> den Ordnungen <strong>der</strong> herrschendenGewalten, son<strong>der</strong>n alle<strong>in</strong> im Zentralfeuer se<strong>in</strong>er Liebe kannGott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong></strong>heit erkannt werden. In Jesus ist das zentraleLicht des Gottesherzens offenbar geworden. Der Sohn ist alsselbständige Person im Herzen des Vaters <strong>in</strong> dessen <strong>in</strong>nersterMitte. Vom Herzen Gottes aus ist Jesus Christus <strong>der</strong> liebendeKern <strong>in</strong> den alles bewegenden Kräften des Heiligen Geistes.Im Geist Jesu Christi steigt das Herz des Vaters <strong>in</strong> vollkommenerLiebe zu e<strong>in</strong>er liebearmen, im Gericht des Gotteszornesw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 269erbebenden Erde herab. In Christus kommt das Herz Gottes alsHeiliger Geist zu den Menschen, <strong>die</strong> se<strong>in</strong>er Liebe entfremdetwaren. In <strong>die</strong>sem Geist wird <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de geschaffen, <strong>der</strong>en<strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist. Der König des Gottesreiches ist <strong>der</strong>Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de kennt ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>enAuftrag als den des Friedens <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Sie trägt den Auftrag<strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> Gerechtigkeit, das Herz des Reiches Gottes.In ihr wirkt von Christus aus <strong>der</strong> strahlende Lichtglanz <strong>der</strong>ewigen Liebesmacht.Er, <strong>der</strong> vom Herzen Gottes aus zum Herrscher des Reicheserhöht ist, ist zugleich <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. In ihr bewirkter <strong>die</strong> Lichtverwandlung <strong>der</strong> Glaubenden, denen nunmehr <strong>in</strong><strong>der</strong> Kraft des Liebesgeistes <strong>die</strong> Vertretung se<strong>in</strong>es zukünftigenReiches aufgetragen ist. Wo das Herz <strong>der</strong> Liebe Gottes gilt,herrscht <strong>der</strong> Geist Jesu Christi. Wo aber menschliches Denken<strong>und</strong> Tun <strong>in</strong> noch so gerechtem Zorn dem Herzen Gottes,dem Liebeswesen Jesu Christi, abgewandt ist, weicht se<strong>in</strong> HeiligerGeist voller Scheu <strong>und</strong> Unwillen. Der Geist Jesu Christiflieht menschliche Hoheit <strong>und</strong> Gewalt. Der Geist will Gott. Ersucht <strong>die</strong> erniedrigten Menschen k<strong>in</strong>dlichen Geistes. An ihnenverherrlicht er das <strong>in</strong>nerste Herz Gottes.Nur <strong>in</strong> Christus, nur auf dem Wege, <strong>der</strong> zu se<strong>in</strong>em Kreuzführt, erweist Gott se<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> <strong>der</strong> vollkommenen Liebese<strong>in</strong>es Herzens. Er tut es durch den Heiligen Geist. OhneChristus <strong>und</strong> abseits se<strong>in</strong>es Weges, abseits <strong>der</strong> apostolischenArmut letzter <strong>E<strong>in</strong></strong>falt <strong>und</strong> H<strong>in</strong>gabe, abseits ihrer rechtlos gewaltlosenLiebe bleibt man dem Reich Gottes <strong>und</strong> dem Wirken se<strong>in</strong>esGeme<strong>in</strong>degeistes fern. Nur wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>er Liebe lebt,<strong>die</strong> alles Eigene opfert, bleibt <strong>in</strong> Gott <strong>und</strong> Gott <strong>in</strong> ihm. UlrichStadler 62 , <strong>der</strong> Mitarbeiter Jakob Huters <strong>und</strong> Peter Ridemanns,bezeugt <strong>die</strong>se Wahrheit mit den wegweisenden Worten:“Wer <strong>die</strong> Fußtapfen Christi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Weg nicht beschreitet,wer das Kreuz Christi nicht tragen will, <strong>der</strong> hat <strong>und</strong> kennt den Sohn__________________62Ulrich Stadler, gest. 1540, “Diener am Wort” <strong>der</strong> Hutterischen Brü<strong>der</strong>,stammte aus Brixen <strong>und</strong> war ursprünglich Bergbeamter <strong>in</strong> Stertz<strong>in</strong>g.Anfangs Lutheraner, schloss er sich früh den Hutterischen Brü<strong>der</strong>n anw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 270nicht; <strong>und</strong> wer den Sohn nicht hat, erkennt den Vater nicht; er kannauch durch <strong>die</strong> Güte des Heiligen Geistes nicht erleuchtet werden.Er ist es, welcher <strong>in</strong> uns wohnet, <strong>in</strong> den wir e<strong>in</strong>geleibt werdenmüssen, um <strong>der</strong> e<strong>in</strong>igen Dreiheit teilhaftig zu werden durch <strong>die</strong>ernste Gerechtigkeit des Kreuzes Christi, durch welche wir e<strong>in</strong>geleibtwerden dem Leib Christi, dessen Christus e<strong>in</strong> Haupt ist. “Der Leib Christi als <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de se<strong>in</strong>es Heiligen Geistes istalle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ort, an welchem <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes <strong>in</strong> Christus als <strong>in</strong>dem Heiligen Geist offenbar wird. Hier wird das Wesen Gottesso klar <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heitlich entfaltet, dass se<strong>in</strong> Wille auf <strong>der</strong> Erdegeschieht. Als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de kommt se<strong>in</strong> Reich zu denMenschen. Hier geht man den Weg Jesu bis ans Ende, bis zumLiebestod am Kreuz. Hier empfängt man den Heiligen Geist als<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> Christus mit Gott:“<strong>E<strong>in</strong></strong>en arm geistlichen Menschen, <strong>der</strong> hungert <strong>und</strong> dürstet nach<strong>der</strong> Gerechtigkeit, kann Gott nicht verlassen; er muss ihn durch denGeist speisen. Er speist ihn mit se<strong>in</strong>em Leib <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Dadurchmuss er verwandelt werden <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft des Leibes Christi.Also wird e<strong>in</strong>em solchen offenbar <strong>der</strong> dritte Teil <strong>in</strong> Gott: <strong>die</strong> Güte<strong>und</strong> Barmherzigkeit des Heiligen Geistes. Dieser Mensch lebt nichtsich selber, son<strong>der</strong>n für Christus <strong>in</strong> ihm, <strong>und</strong> ist also fröhlich <strong>und</strong>freudig im Heiligen Geist, durch welchen er erkennt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheitden Vater, den Sohn <strong>und</strong> den Heiligen Geist.”“Was aber nun siehet er durch den Heiligen Geist <strong>in</strong> <strong>der</strong>Wahrheit? Den Vater mit <strong>der</strong> Kraft se<strong>in</strong>er Allmächtigkeit, vonwelchem er geschaffen ist. Er siehet <strong>und</strong> kennet den Sohn, <strong>in</strong> welchemer erprobet, gere<strong>in</strong>igt <strong>und</strong> gerechtfertigt <strong>und</strong> beschnitten wird, <strong>in</strong>welchem er wahrhaftig e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d Gottes worden ist. Also hat er e<strong>in</strong>enfreien Zugang zum Vater, <strong>und</strong> ist nun e<strong>in</strong>ig worden mit Christo <strong>und</strong>allen se<strong>in</strong>en Gliedmaßen. Diese alle se<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Leib<strong>in</strong> Christo. Dieser Mensch ist im Reich Gottes <strong>und</strong> hat Christum zue<strong>in</strong>em Herrn. In <strong>die</strong>ser <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist alles geme<strong>in</strong>; da ist nichts eigenes.Hier geschieht es, dass hier <strong>der</strong> Herr se<strong>in</strong>en Geist ausgießen wirdw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 271über alles Fleisch <strong>und</strong> werden alle Menschen von Gott gelernet se<strong>in</strong>,<strong>in</strong> Ewigkeit nach dem Willen Gottes zu leben <strong>und</strong> erfüllt zu se<strong>in</strong> mitallem Guten. “Mit Ulrich Stadler bezeugt <strong>die</strong> ganze Hutterische Geme<strong>in</strong>schaftdes 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts, dass <strong>die</strong> untrennbare <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de zuerst <strong>in</strong> Jerusalem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausgießung des HeiligenGeistes geschaffen wurde. Als Offenbarung <strong>die</strong>ses Geisteserweist sie <strong>in</strong> ihrem Leben <strong>die</strong> vollkommene <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des ewigenGotteswillens <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er kommenden Herrschaft mit dem WegJesu Christi. Dass Gott <strong>in</strong> sich selbst untrennbar e<strong>in</strong>s <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igist als <strong>der</strong> Vater mit dem Sohn <strong>in</strong> dem Geist, wird heute <strong>und</strong> hieralle<strong>in</strong> an <strong>der</strong> völligen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de offenbar.Der Pf<strong>in</strong>gstfrühl<strong>in</strong>g <strong>der</strong> ersten Christengeme<strong>in</strong>de steht imstärksten Gegensatz zu dem eisig erstarrten Christentumunserer Tage. <strong>E<strong>in</strong></strong> je<strong>der</strong> fühlt es, dass dort frischerer W<strong>in</strong>d weht<strong>und</strong> re<strong>in</strong>eres Wasser quillt, dass dort e<strong>in</strong>e stärkere Kraft <strong>und</strong>e<strong>in</strong>e glühen<strong>der</strong>e Wärme herrscht, als es heute bei denen <strong>der</strong>Fall ist, <strong>die</strong> sich Christen nennen. Wir alle wissen, dass manheute trotz <strong>der</strong> verschiedensten Kirchen, religiösen Zusammenschlüssen<strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaften fast nirgends das kennt,was <strong>die</strong> Urgeme<strong>in</strong>de als Lebensgeme<strong>in</strong>schaft des Glaubens<strong>und</strong> <strong>der</strong> Liebe dargestellt hat! Was ist <strong>der</strong> großen Christenheitverloren gegangen? Was ereignete sich als Erstes <strong>und</strong> Letztes<strong>in</strong> Jerusalem? Das Wort Jesu <strong>und</strong> – was viel mehr ist – se<strong>in</strong>Leben <strong>und</strong> Wirken von <strong>der</strong> Krippe bis zum Kreuz war <strong>in</strong> jenemersten Kreis <strong>der</strong> Christusbewegung lebendig gegenwärtig. Was<strong>die</strong> Apostel zu sagen <strong>und</strong> zu tun hatten, war unmittelbar ausdem Geist <strong>der</strong> vier Evangelien geschöpft. Die Glaubens- <strong>und</strong>Lebensgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> ersten Liebe war durch <strong>die</strong> Nähe desChristus gekennzeichnet, <strong>der</strong> gesagt hat: “Ich b<strong>in</strong> bei euch alleTage bis an <strong>der</strong> Welt Ende” (Mt.28,20).Wie Jesus sich dem äußeren Menschen ebenso wie <strong>der</strong><strong>in</strong>neren Not se<strong>in</strong>er Umgebung zuwandte, so war es auch <strong>in</strong><strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> überall <strong>die</strong> re<strong>in</strong>igende Heilungskraft desGottesreiches bewies. Es ist nicht wahr, dass das ChristentumJesu sich nur um <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>n kümmert <strong>und</strong> den Leib als e<strong>in</strong>nur äußeres Schicksal missachtet! Als Jesus durch den Geistw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 272Gottes alle dämonischen Geister vertrieb, kam Gottes Reich zuden Menschen. Als Johannes ihn fragen ließ, ob er es sei, <strong>der</strong><strong>die</strong> zukünftige Gerechtigkeit herbeiführen werde o<strong>der</strong> ob manauf e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en warten solle, wies er als Antwort auf se<strong>in</strong>Tun h<strong>in</strong>: “Bl<strong>in</strong>de sehen wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Lahme gehen; Aussätzigewerden re<strong>in</strong> <strong>und</strong> Taube hören; Tote stehen auf, <strong>und</strong> den Armenwird das Evangelium verkündet” (Mt.11,5).Hier wurde das unsichtbare Reich Gottes im Sichtbarenverwirklicht. Das Wort war Gestalt geworden: Die Liebewurde Wirklichkeit. Jesus zeigte, was Liebe bedeutet. Se<strong>in</strong>Wort <strong>und</strong> Leben bewiesen, dass Liebe ke<strong>in</strong>e Grenzen kennt.Die Liebe macht vor ke<strong>in</strong>er Schranke halt. Niemals kann siedurch irgendwelche Zustände <strong>und</strong> vorgebliche Unmöglichkeitenzum Schweigen gebracht werden. Für den Glauben <strong>der</strong> Liebeist nichts unmöglich. Deshalb macht <strong>der</strong> Ruf Jesu auch nichtvor dem Eigentum halt. Als er e<strong>in</strong>en an vielen Gütern reichenjungen Menschen lieb gewann, schaute er ihm <strong>in</strong>s Herz <strong>und</strong>sagte das Wort völliger Liebe: “Es fehlt dir noch e<strong>in</strong>s: verkaufealles, was du hast, gib es den Armen <strong>und</strong> komm, geh' mit mir!”(Mt. 19,21).Erst das alles überwältigende Geisteserlebnis <strong>der</strong> neuenGeme<strong>in</strong>de gab se<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>en <strong>die</strong> Kraft, den Liebeswillenso zu verwirklichen, wie er ihn <strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gelegt hatte. Jetztkonnten sie Lebensgeme<strong>in</strong>schaft werden, denn nun war ihreLiebe als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Heiligen Geistes überschwänglich geworden.Jetzt mussten sie immer beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong> se<strong>in</strong>, denn siealle durchglühte <strong>die</strong>selbe Liebe. Die Liebe war <strong>in</strong> ihnen zumheiligen Muss geworden. Wie Jesus se<strong>in</strong>e nächsten Fre<strong>und</strong>e<strong>und</strong> Schüler, <strong>die</strong> wir se<strong>in</strong>e Jünger nennen, immer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erNähe haben wollte, so drängte se<strong>in</strong> Geist <strong>die</strong> ersten Christennahe zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> mussten sie das Leben Jesuleben, mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>in</strong> völliger Geme<strong>in</strong>schaft dasselbe tun, waser getan hatte. Weil es sich hier um letzte <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerste Notwendigkeithandelt, mussten sich <strong>in</strong> allen Fragen des Zusammenlebensjene Gestaltungsformen ergeben, <strong>die</strong> <strong>der</strong> vollendetenLiebese<strong>in</strong>heit aufs völligste entsprechen.Jesus for<strong>der</strong>te jeden e<strong>in</strong>zelnen auf, alles zu verlassen <strong>und</strong>mit ihm zusammen zu se<strong>in</strong>, woh<strong>in</strong> er auch g<strong>in</strong>ge. Als er mit demw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 273durch se<strong>in</strong>en Ruf gesammelten Kreis von Dorf zu Dorf zog,musste sich <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>samkeit ihres Lebens auf alleserstrecken, was ihm wi<strong>der</strong>fuhr. Nach se<strong>in</strong>em Willen wurdegeme<strong>in</strong>same Kasse geführt. Und doch sollte sich se<strong>in</strong>eSendung niemals auf e<strong>in</strong>en engsten Kreis beschränken. Aus<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>schar Jesu wurden se<strong>in</strong>e Boten. Die zwölf Apostelerwarteten <strong>und</strong> verkündeten se<strong>in</strong> Reich <strong>der</strong> Gerechtigkeit als<strong>die</strong> nahende Bru<strong>der</strong>schaft <strong>in</strong> Gott. Die Auferstehung bestätigte<strong>die</strong> Kraft <strong>die</strong>ser Sendung. Sobald <strong>der</strong> Geist Jesu se<strong>in</strong>e ersteGeme<strong>in</strong>de überflutete, musste sich ihre Lebensform dem WegJesu <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Auftrag entsprechend gestalten. Die erstenChristen hatten alles geme<strong>in</strong>sam. Wer über Besitz verfügte,war von dem Drang erfüllt, ihn auszuteilen. Ke<strong>in</strong>er verfügteüber etwas, das nicht <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft gehörte. <strong>E<strong>in</strong></strong>e immergrößere Schar wurde durch den Heiligen Geist auf dem WegJesu Christi zu e<strong>in</strong>er zusammengewachsenen <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Aber niemals konnte es e<strong>in</strong>e abgeschlossene <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>.Alles Lebendige wächst. Leben br<strong>in</strong>gt Leben hervor. Es breitetsich aus. Die völlige Liebe bleibt niemals exklusiv. Die offeneTür <strong>und</strong> das offene Herz waren e<strong>in</strong> wesentlicher Charakterzug<strong>der</strong> ersten Christen. Deshalb hatten sie <strong>E<strong>in</strong></strong>gang bei allen <strong>und</strong>gewannen <strong>die</strong> Liebe des ganzen Volkes. Sie waren e<strong>in</strong> Licht,das für alle leuchtete, weil es alle durchglühen wollte. DerFlammengeist, <strong>der</strong> sie erfüllte, wollte sich auf alles Fleischergießen. Der Geist des Gottesreiches will alle Völker erobern,um sie alle zu vere<strong>in</strong>en. In <strong>die</strong>sem Geist war <strong>die</strong> glühend lebendigeUrgeme<strong>in</strong>de ganz Herz <strong>und</strong> ganz <strong>Seele</strong> (Apg.4,32). Daskalte Licht kühler Verstandeserkenntnis war hier nicht zu f<strong>in</strong>den,son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>der</strong> erleuchtende Geist, <strong>der</strong> das Herz durchglüht<strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> feurig heißer Liebe lebendig macht.Nur so konnte das eiskalte Dase<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>zelung überw<strong>und</strong>enwerden. Es entstand das geme<strong>in</strong>same Leben <strong>der</strong>Liebe, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Glut das Eigentum bis auf <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage h<strong>in</strong>weggeschmolzen wird. Die eisigen F<strong>und</strong>amente jahrtausendealterGletscher weichen <strong>der</strong> Sonne Gottes. Privatbesitz <strong>und</strong> Eigentums<strong>in</strong>d nicht an<strong>der</strong>s abzuschaffen als durch <strong>die</strong> strahlendeKraft des Leben schaffenden Geistes. Alles Eigentum lebt vonertötendem Eigennutz. Es hört auf, wo <strong>die</strong> tödliche Selbstsuchtw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 274an <strong>der</strong> Liebe stirbt. An<strong>der</strong>s niemals. So aber war es <strong>in</strong> <strong>der</strong>Urgeme<strong>in</strong>de. Unter dem <strong>E<strong>in</strong></strong>fluss des Geme<strong>in</strong>schaftsgeisteskonnte niemand von se<strong>in</strong>en Gütern sagen, dass sie ihmgehörten (Apg.4,32). Das Eigentum war zur Unmöglichkeitgeworden, denn hier herrschte <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> <strong>der</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit.Liebe übersieht ke<strong>in</strong>e Not. In e<strong>in</strong>er solchen Lebensgeme<strong>in</strong>schaftkonnte niemand se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> an Kleidung, Nahrung o<strong>der</strong> anirgende<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Lebensgut Mangel hatte. Wer Güter <strong>und</strong>Werte für sich behalten will, muss <strong>in</strong>mitten <strong>der</strong> ihn überall umgebendenNot se<strong>in</strong> Herz abgetötet haben. Das Herz Gottes kenntke<strong>in</strong>e Abgrenzung. In freigebiger Gastfre<strong>und</strong>schaft verschenktesich <strong>die</strong> Gütergeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jerusalemer Geme<strong>in</strong>de anTausende. Die Kraft <strong>und</strong> Weisheit des hier ausgegossenenGeistes vermochte mit ger<strong>in</strong>gsten Mitteln für viele, für sehrviele zu sorgen. Bald sollte <strong>die</strong>se Urgeme<strong>in</strong>de selbst <strong>die</strong>Unterstützung ihrer apostolischen Tochtergeme<strong>in</strong>den erfahren(1.Kor.16,1-3 <strong>und</strong> 2.Kor.8,1-15).Die <strong>in</strong>s Weite gehende Wirkung <strong>der</strong> ersten Geme<strong>in</strong>de warunermesslich. Sie erschütterte ganze Welten. Sie erreichtee<strong>in</strong>e völlig an<strong>der</strong>e, e<strong>in</strong>e ungeahnt neue Welt. Aber <strong>der</strong> liebeglühendeGeist ist zarter als <strong>die</strong> harten Gebäude des rechnendenVerstandes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es kalt organisierenden Gesellschaftsbaues.Er ist auch zarter als <strong>die</strong> Kräfte <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> desBlutes, auf <strong>die</strong> sich so manche Familien- <strong>und</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaftaufzubauen sucht. Weil <strong>der</strong> Heilige Geist das Edelste <strong>und</strong>Göttlichste ist, bleibt er frei von je<strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit an<strong>der</strong>enElementen. Er vertreibt sie alle, o<strong>der</strong> er entweicht, ehe sie ihnantasten können.Nur <strong>der</strong> Geist ist unantastbar. Er ist das empf<strong>in</strong>dlichsteElement, das sich nichts Irdischem aufzw<strong>in</strong>gt. Das Reich,welches Jesus gebracht hat, ist als Sache des re<strong>in</strong>en Geistesnicht von <strong>die</strong>ser großen Welt. Ohne <strong>der</strong>en Umwandlung kannse<strong>in</strong> Geist sie nicht berühren. Der Geist Jesu, <strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ihmfremd gewordene Welt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>brach <strong>und</strong> alle an<strong>der</strong>en Mächteüberwand, ist <strong>und</strong> bleibt unantastbar re<strong>in</strong>. Er kann se<strong>in</strong> Wesennicht verleugnen. Er geht ke<strong>in</strong>e Vermischung e<strong>in</strong>. Er kann <strong>und</strong>will sich durch nichts ihm Fremdes verän<strong>der</strong>n lassen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 275Als Macht <strong>der</strong> Liebe ohne Gewalt wirksam, lebt <strong>der</strong> Geist Jesuals <strong>in</strong>nere Stimme letzter Freiheit. Nur mit dem <strong>in</strong>neren Augedes re<strong>in</strong>en Glaubens wird er erschaut. Wo <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Schaunicht auf ihn alle<strong>in</strong> gesammelt bleibt, wo an<strong>der</strong>en Geisternneben ihm Raum gegeben wird, tritt er zurück. Er sieht liebervon ihm erfüllte Zeugen ermordet, als dass er fremde gewalttätigeGeister neben sich Platz gew<strong>in</strong>nen ließe. Mag man se<strong>in</strong>enBekennern das irdische Leben nehmen – was tut es? Er selbstkann nicht getötet werden. Er ist unbesiegbar. Er herrscht fürimmer. Aber ke<strong>in</strong>em Gegner drängt er se<strong>in</strong>e Herrschaft auf. Essche<strong>in</strong>t, als entwiche er e<strong>in</strong>er großen <strong>und</strong> gewalttätigen Welt.Se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de muss es ergehen wie Christus am Kreuz!Fast schien es, als sei mit <strong>der</strong> Ausrottung <strong>der</strong> ersten Urgeme<strong>in</strong>dedurch <strong>die</strong> Zerstörung Jerusalems <strong>die</strong> lebendigeGestaltwerdung des Pf<strong>in</strong>gstgeistes für immer aus <strong>die</strong>ser Weltentwichen. Aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te sieht manwie e<strong>in</strong> seltenes Geschenk Gottes das gleiche vollkommeneGebilde immer von neuem wie<strong>der</strong>kehren. In Wahrheit ist esniemals wie<strong>der</strong> von <strong>die</strong>ser Erde gewichen. Aber wie je<strong>der</strong>Mensch, <strong>der</strong> von <strong>die</strong>sem Geist beseelt ist, <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Zeit <strong>und</strong>Welt nur e<strong>in</strong>e beschränkte Lebensdauer hat, so ist auch <strong>die</strong>wahre Gestalt <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de immer aufs neue von ihren gewalttätigenFe<strong>in</strong>den ausgetilgt worden. <strong>E<strong>in</strong></strong>zelgeme<strong>in</strong>den wurdenblutig beseitigt. Die Zeugen wurden getötet. Der Geist jedochblieb lebendig. Wie Jesus sterben musste, wie <strong>die</strong> Apostel ermordetwurden, so war auch <strong>der</strong> ersten Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> den ihrfolgenden Reformationsgeme<strong>in</strong>den auf <strong>die</strong>ser blutdurchtränktenErde immer nur e<strong>in</strong>e begrenzte Zeit bestimmt.Aber dem Geist werden immer neue K<strong>in</strong><strong>der</strong> geboren. DieLücken des Todes werden durch neues Leben aufgefüllt.Je mehr ermordet werden, um so mehr rücken nach. DasMärtyrerblut bleibt <strong>der</strong> Same <strong>der</strong> Kirche. Das lebendige Saatkornbleibt das Geheimnis <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>und</strong> des Reichs.Es wäre völlig abwegig, se<strong>in</strong>e Lebensform künstlich o<strong>der</strong> mitGewalt nachgestalten zu wollen. Auf solchem Wege kann nure<strong>in</strong> totes Zerrbild entstehen, <strong>in</strong> dem das alle<strong>in</strong> Wesentlichefehlen muss: <strong>der</strong> treibende Geist <strong>und</strong> se<strong>in</strong> gottgeborenes Leben.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 276Es gilt alle<strong>in</strong> das <strong>E<strong>in</strong></strong>e: für den lebendigen Gott, für den lebendigmachenden Geist Jesu Christi offen zu werden, damit er – <strong>und</strong>nur er – dasselbe Leben wecke <strong>und</strong> wirke, wie er es den erstenChristen gegeben hat. Dann werden immer aufs neue Lebense<strong>in</strong>heitenentstehen, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Liebe völliger Geme<strong>in</strong>schaftalles umfasst <strong>und</strong> alles durchdr<strong>in</strong>gt. Völlige Geme<strong>in</strong>schaft istdas Ergebnis <strong>der</strong> neuen Geburt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Auferstehung.Der Heilige Geist Jesu Christi hat <strong>die</strong> völlige Geme<strong>in</strong>schaft<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft ewiger Geburt <strong>und</strong> neuer Auferstehung auch <strong>in</strong>unsere Zeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt. Die entscheidende Frage ist, <strong>in</strong>welchem lebendig machenden Geist <strong>die</strong> erste Geme<strong>in</strong>de gelebthat. Es geht e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> um <strong>die</strong> Erkenntnis, wor<strong>in</strong> Wesen,Inhalt <strong>und</strong> Wirkung des Geistes bestehen. Was ist er? Und wastut er?Das Wesen des Geistes ist <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Se<strong>in</strong>e Liebe wird ausjener Freude geboren, <strong>die</strong> dem Herzen Gottes entströmt. Woman mit Diszipl<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mit menschlichen Mitteln gezwungenwerden muss, weicht <strong>der</strong> Liebesgeist <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Lebense<strong>in</strong>heit.<strong>E<strong>in</strong></strong>heit kann nicht “gemacht” werden. Freude <strong>und</strong> Liebe könnennicht erzwungen werden. Es war <strong>der</strong> freie, lebendige Geistesdrang<strong>der</strong> Freude, <strong>der</strong> jene Menschen mit <strong>der</strong> Liebe beseelte,täglich <strong>und</strong> immer zusammen zu se<strong>in</strong>. So lebten sie <strong>in</strong> lichtglühen<strong>der</strong>Gottesgeme<strong>in</strong>schaft. Aus <strong>die</strong>sem Geist <strong>der</strong> Freudeentsprang ihre Gütergeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft alsnotwendige Gestaltung göttlicher Lebense<strong>in</strong>heit.Hier gab es ke<strong>in</strong>en Klassenhass, ke<strong>in</strong>e düstere, freudlosfor<strong>der</strong>nde Gewalt. Hier fehlte jede Bitterkeit enttäuschterVorrechte. Hier gab es ke<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschenrechte,we<strong>der</strong> für sich selbst noch für an<strong>der</strong>e. Hier lebte <strong>der</strong> freie Triebschenkenden Reichtums, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> je<strong>der</strong> sich selbst mit allem,was er hat <strong>und</strong> vermag, <strong>der</strong> Sache geben will. Das Geheimnis<strong>der</strong> Urgeme<strong>in</strong>de offenbart sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tatsache, dass hier<strong>der</strong> Geist Jesu Christi das Herz Gottes erschlossen hat. Dastiefste Herz verschenkt sich. In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de offenbart sich <strong>der</strong>schöpferische Geist e<strong>in</strong>er sich nie versagenden Liebe.Hier hatte sich <strong>in</strong> dem Namen <strong>und</strong> Wesen Jesu e<strong>in</strong> glauben<strong>der</strong>Kreis um das Herz Gottes gesammelt, e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de,<strong>die</strong> Gottes vollkommene Liebe an ihrer völligen <strong>E<strong>in</strong></strong>heitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 277erkennen lässt. Hier hat sich Gott e<strong>in</strong>en Organismus gebildet,<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebese<strong>in</strong>heit se<strong>in</strong>es Herzens lebendig ist. Für ihnwurde dem Apostel das entscheidende Wort geschenkt: DieGeme<strong>in</strong>de ist “<strong>der</strong> Leib des Christus”. Es ist <strong>die</strong> zweite <strong>und</strong>neue Verleiblichung des Wortes (Joh.1.1ff.). Das Wort gehtdurch den lebendig machenden <strong>und</strong> vere<strong>in</strong>igenden Geist vomHerzen des Vaters aus. Christus ist das Wort. Es gew<strong>in</strong>nt vonneuem Gestalt. In völliger Geme<strong>in</strong>schaft glauben<strong>der</strong> Menschenwird es Geme<strong>in</strong>de.Der Heilige Geist kann sich nur als <strong>der</strong> Geist offenbaren,<strong>der</strong> er ist: als Geist <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit. Alle Gaben, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>degegeben werden, s<strong>in</strong>d Gaben des e<strong>in</strong>igenden Geistes. AlleGlie<strong>der</strong> des e<strong>in</strong>en Leibes erfüllt <strong>der</strong>selbe Geist mit e<strong>in</strong>igendemBewusstse<strong>in</strong>. Er durchströmt sie alle zusammen. Das Leben <strong>der</strong>glaubenden Geme<strong>in</strong>de ist Geme<strong>in</strong>schaft des Heiligen Geistes.Als solche erweist sie sich im Zusammenwirken aller ihrerKräfte. <strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit im Geist ist das Zeichen <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>en Gabenausgerüsteten Geme<strong>in</strong>de. Der Friede <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de entstehtim schöpferischen Zusammenwirken <strong>der</strong> vielfältigen Kräfte dese<strong>in</strong>igenden Geistes. Durch <strong>die</strong>se Kraft bildet <strong>der</strong> Friede deskommenden Reiches das vere<strong>in</strong>igende Band <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de.Von Geme<strong>in</strong>de kann man nur reden, wenn ihr Aufbau <strong>der</strong>Freudennachricht des alles umfassenden Reiches entspricht.Sie hat als e<strong>in</strong> Herz <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Seele</strong> für <strong>die</strong> Unantastbarkeitdes Gottesfriedens zusammenzustehen. In <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeitdes e<strong>in</strong>igenden Geistes hat sie für Gottes Gerechtigkeit e<strong>in</strong>enGlaubenskampf zu führen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> ganze Welt erobern will. Weilsie e<strong>in</strong>ig <strong>und</strong> ihre Kraft Gott ist, kann <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de bis zumEntscheidungskampf durchhalten. Sie vere<strong>in</strong>igt alle Glie<strong>der</strong> <strong>in</strong>gleicher Liebe <strong>und</strong> gleichem Auftrag.In <strong>der</strong> Vollmacht des Heiligen Geistes ist <strong>die</strong> ganze Geme<strong>in</strong>dee<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nes. Für <strong>die</strong> ganze Gotteswelt steht sie <strong>in</strong> geschlossenerGlaubenserwartung zusammen. Die ungefärbte Liebeihres allumfassenden Glaubens will alle D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Gottes Dienststellen. Alle Völker <strong>der</strong> ganzen Erde will sie für das Gottesreichaufrufen. Wo <strong>der</strong> Glaubensmut <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>Christus lebt, erweist sich <strong>die</strong> Liebe als e<strong>in</strong>e Kraft, <strong>die</strong> alleD<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Herrschaft Gottes unterwirft.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 278In <strong>der</strong> Kraft des Heiligen Geistes bewirkt <strong>die</strong> Freude amReich Gottes e<strong>in</strong>e Gewissheit, <strong>die</strong> universal <strong>und</strong> absolut auftretenmuss. Dabei schreckt sie vor ke<strong>in</strong>er noch so allgeme<strong>in</strong>anerkannten Eigengesetzlichkeit zurück. Es gilt alle<strong>in</strong> GottesGerechtigkeit zur Geltung zu br<strong>in</strong>gen! Als Liebe des aufbauendenGottesfriedens letzter Gerechtigkeit ist <strong>die</strong> glaubendeFreude Frucht des Geistes. Was aus dem Heiligen Geisterwächst, kann als Gotteskraft ke<strong>in</strong>e Grenzen kennen. DerGeist mutiger Siegesgewissheit erfüllt <strong>die</strong> ganze Geme<strong>in</strong>de. Mitjubeln<strong>der</strong> Freude im Heiligen Geist nimmt sie das menschenunmöglicheWort <strong>der</strong> Allmacht auf, das alles umfasst <strong>und</strong> analle ergeht. Die glaubende Geme<strong>in</strong>de trägt e<strong>in</strong>e überschwänglicheZukunftsgewissheit, <strong>die</strong> alles trifft <strong>und</strong> für alle gilt.Mit dem Mut des Heiligen Geistes ausgerüstet, wagt sie denGeistesangriff auf alle Gewalten, <strong>die</strong> ihrer Liebe entgegenstehen.Alle Wi<strong>der</strong>stände <strong>der</strong> Gegenwart s<strong>in</strong>d ihr ger<strong>in</strong>g. DerGeist, <strong>der</strong> sie führt <strong>und</strong> unterrichtet, ist äußerste Ermutigung. Erruft zu e<strong>in</strong>er Sache auf, <strong>die</strong> über alles geht. Er ist Sachwalter<strong>und</strong> Anwalt. Überall tritt er für <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de als für <strong>die</strong> berufeneVertreter<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Sache e<strong>in</strong>. Er führt ihre Kämpfe. Er sprichtihr <strong>die</strong> Worte zu, <strong>die</strong> sie zu sagen hat. Er flößt ihr den Mut e<strong>in</strong>,se<strong>in</strong>en Auftrag ungeachtet aller Gefahren mit Festigkeit zu vertreten.Er ergießt <strong>die</strong> Liebe Gottes <strong>in</strong> ihre Herzen <strong>und</strong> verwendetsie <strong>in</strong> Wort <strong>und</strong> Werk als Werkzeug se<strong>in</strong>es <strong>in</strong>nersten Willens.Beson<strong>der</strong>s für <strong>die</strong> Gefahren <strong>der</strong> Verfolgung erhält <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> königliche Zusage, dass <strong>der</strong> Geist des allbeherrschendenVaters se<strong>in</strong>e Söhne <strong>und</strong> Töchter begleiten wird, umdurch sie mit se<strong>in</strong>en Fe<strong>in</strong>den zu reden (Mt.10,19+20). Er unterrichtetsie <strong>in</strong> jedem entscheidenden Augenblick. Unter se<strong>in</strong>erLeitung beherrschen sie <strong>die</strong> Situation bis zur letzten St<strong>und</strong>e. Ergibt ihnen e<strong>in</strong>, was sie zu tun <strong>und</strong> zu erleiden, was sie zu sagen<strong>und</strong> zu verantworten haben. In tiefem Verlangen nach <strong>der</strong>letzten Offenbarung werden sie voll Heiligen Geistes. Angesichtsdes Todes verkündigen <strong>und</strong> vertreten sie <strong>die</strong> ewige Wahrheit,wie <strong>der</strong> Geist sie ihnen auszusprechen gibt. Der Heilige Geistbewegt <strong>und</strong> treibt sie. So bezeugen sie bis zum letzten Atemzug,dass Jesus <strong>der</strong> Messiaskönig des längst versprochenenReiches ist.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 279Alles, was <strong>die</strong> Propheten bezeugt haben, wird von <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de durch den Geist an alle Menschen herangebracht.So wie jene <strong>in</strong> all ihrem Tun vom Heiligen Geist getriebenwaren, so wird jetzt <strong>der</strong> Befehl <strong>und</strong> Auftrag des Reiches <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de anvertraut. Der Geist selbst spricht <strong>in</strong> den Aposteln,wie er <strong>in</strong> den Propheten geredet hatte. Wenn sie sprechen,sagen sie se<strong>in</strong> Wort. Der apostolische Geist ist <strong>der</strong> prophetischeGeist. Se<strong>in</strong> Wort br<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong> Reich. In <strong>der</strong> apostolischenSendung geht es um <strong>die</strong> prophetische Gesandtschaft desGotteskönigs, <strong>die</strong> das zukünftige Reich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jetztzeit zu allenMenschen br<strong>in</strong>gt. Als Prophetie umfasst das Apostolat <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> ganze Wahrheit Jesu <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Zukunft.Der Heilige Geist bestimmt Wort <strong>und</strong> Weg <strong>der</strong> Ausgesandtenbis <strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zelne. Der <strong>in</strong> ihnen redende Geist weist sie an,wen sie anzusprechen haben, welches Land sie aufzusuchen<strong>und</strong> welches sie zu meiden haben (Apg.16,6-10). Der Geist<strong>der</strong> apostolischen Prophetie ist e<strong>in</strong> Geist <strong>der</strong> Führung. Se<strong>in</strong>eLeitung gibt letzte Sicherheit. Unter se<strong>in</strong>er Führung gibt eske<strong>in</strong>e Furcht, woh<strong>in</strong> er auch weisen mag. Oft führt er Wege, aufdenen <strong>der</strong> Untergang <strong>der</strong> Menschheit auf das Schauerlichsteoffenbar wird. Er führt <strong>in</strong> letzte Gefahren, <strong>in</strong> denen man vomTeufel versucht wird. Überall aber erweist er <strong>die</strong> triumphierendeWirklichkeit <strong>der</strong> Auferstehung als Sieg über <strong>die</strong> Versuchung <strong>der</strong>Hölle.Mit <strong>die</strong>sem Geist zu tun zu haben, ist ernster als <strong>der</strong> Tod,gewaltiger als alle Heere Gottes. Er überfällt <strong>die</strong> Menschen wie<strong>der</strong> Blitz. Über schwache Menschen gerät er als <strong>der</strong> Starke. DerStarke bleibt <strong>und</strong> wohnt <strong>in</strong> ihnen. Der schwache Leib wird zurBehausung des starken Geistes, denn <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de ist als <strong>der</strong>Leib Christi <strong>der</strong> Tempel des Heiligen Geistes, <strong>und</strong> alle, <strong>die</strong> ihrenGeist empfangen, gehören zu ihr. Alle Glaubenden s<strong>in</strong>d lebendigeGlie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Als solche s<strong>in</strong>d sie alle vom Geistdurchdrungen. Der Geist erfüllt den ganzen Leib. Wie Gideon 63ist <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de an ihrem ganzen Körper mit Geist gepanzert.__________________63Gideon, e<strong>in</strong>er von Israels größten Richtern. Se<strong>in</strong>e Heldentaten imKampf gegen <strong>die</strong> Midianiter werden Richt. 6-8 ausführlich beschrieben.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 280Von Anfang an erfüllt <strong>der</strong> Heilige Geist alles, was zurGeme<strong>in</strong>de gehört o<strong>der</strong> was ihr den Weg bereiten soll. WieJohannes, <strong>der</strong> letzte Prophet <strong>der</strong> alten Zeit, noch im Mutterleib mitHeiligem Geist erfüllt wurde, wie Vater <strong>und</strong> Mutter für ihn volldes Heiligen Geistes wurden, wie Maria vor dem Beg<strong>in</strong>n desLebens Jesu den Geist empf<strong>in</strong>g, so war <strong>die</strong> apostolischeGeme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> Jesus Christus folgte, von Anfang ihres Wegesan voll des Heiligen Geistes. “Als sie gebetet hatten, bewegtesich <strong>die</strong> Stätte, wo sie versammelt waren, <strong>und</strong> wurden alledes Heiligen Geistes voll <strong>und</strong> redeten das Wort Gottes mitfreudigem Mut” (Apg.4,32).Wer <strong>in</strong> den Bereich <strong>die</strong>ser Geme<strong>in</strong>de kam, empf<strong>in</strong>g denHeiligen Geist. Wie <strong>die</strong> Führer <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de mussten auch<strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Liebesgeme<strong>in</strong>schaft <strong>die</strong> wirtschaftliche<strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit verwalten sollten, voll HeiligenGeistes se<strong>in</strong> (Apg.6,2-6). Als Sache <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de musste ihreArbeit mit se<strong>in</strong>er göttlichen Weisheit erfüllt se<strong>in</strong>, wie es vonStephanus als dem Anfänger <strong>die</strong>ses Dienstes bezeugt wird,<strong>der</strong> bis zum letzten Augenblick se<strong>in</strong>es Martyriums e<strong>in</strong> Mann vollHeiligen Geistes war (Apg.7,55+56). Was von ihm gilt, galt füralle. Wie alle an<strong>der</strong>en <strong>die</strong>nenden Kräfte <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de wurdeauch Paulus mit dem Heiligen Geist erfüllt, sobald ihm <strong>die</strong>Bl<strong>in</strong>dheit genommen war, mit <strong>der</strong> ihn <strong>der</strong> Blitz des Geistesgetroffen hatte (Apg.9,17+18).Gott gibt se<strong>in</strong>en starken Geist <strong>der</strong> ganzen Geme<strong>in</strong>de. Ererfüllt sie ganz <strong>und</strong> lässt <strong>in</strong> ihr das volle Bild Jesu Christiaufleuchten. In allen Gebieten ihres Lebens durchdr<strong>in</strong>gt ersie mit <strong>der</strong> Überzeugung, was Sünde, was Gerechtigkeit <strong>und</strong>Gericht ist, was Glaube <strong>und</strong> Liebe ist, was das Werk ist, dasalle<strong>in</strong> Christus vollbracht hat, <strong>und</strong> wie es nur durch ihn vollendetwerden kann. Alle Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de will <strong>der</strong> Geist JesuChristi treffen <strong>und</strong> überführen. Sie alle will er lehren, erziehen<strong>und</strong> unterweisen.Gott verleiht jedem den Geist, <strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>igist. Aus ihnen allen will er Menschen des Glaubens machen,<strong>der</strong>en geme<strong>in</strong>same Taten <strong>die</strong> Gerechtigkeit Jesu verwirklichen.Gott ist es, den <strong>die</strong> ganze Geme<strong>in</strong>de ruft. Gottes Taten geschehen,sooft <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Glaubenden sie herbeigerufen hat.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 281Der Handelnde ist Gott. Er ist es, <strong>der</strong> alles tut, was zur SacheChristi gehört. Er tut es auf den Ruf <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Er tut eskraft des apostolischen Evangeliums Jesu Christi durch denHeiligen Geist.Die Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft mit dem Vater Jesu Christiführt zur Tate<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Sie ruht auf <strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong>Apostel, auf ihrem Geist, Wort <strong>und</strong> Leben. Sie lebt im Gebetzu Gott im Namen Jesu Christi. Ohne den apostolischen Geistkann ke<strong>in</strong> Christ Gott nahen. Ohne <strong>die</strong> Lehre <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftapostolischen Geistes gibt es ke<strong>in</strong> christliches Gebet. Nur <strong>in</strong><strong>der</strong> Vollmacht des Apostelgeistes kann Gott herbeigerufenwerden: Gott soll e<strong>in</strong>greifen. Se<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>heit soll aufleuchten.Se<strong>in</strong> Reich soll heranrücken. Se<strong>in</strong> Wille soll durchgreifen. Se<strong>in</strong>Wesen soll offenbar werden. Se<strong>in</strong>e Vergebung soll <strong>in</strong> Krafttreten. Se<strong>in</strong>e Allmacht soll <strong>die</strong> Gewalt des Bösen brechen. Ersoll Brot <strong>und</strong> Leben geben. Er soll <strong>die</strong> St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Versuchungbesiegen, sooft sie über den Erdkreis kommt. Gott ist es, <strong>der</strong>das alles will <strong>und</strong> vollbr<strong>in</strong>gt. Es aber herbeizurufen vermagalle<strong>in</strong> <strong>der</strong> apostolische Geist Jesu Christi, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Geist Gottesist.Wenn unsere menschliche Schwachheit angesichts GottesAllgewalt ke<strong>in</strong>en Rat weiß, wenn wir nicht sehen, wie unserFlehen vor Christus zur Geltung kommen soll, dann ist es alle<strong>in</strong><strong>der</strong> Geist, <strong>der</strong> unserer Schwachheit aufhilft (Rö.8,26). Von unsaus wissen wir nicht, was wir bitten sollen. Unsere Art entsprichtdurchaus nicht dem, was sich vor Gott gebührt; aber <strong>der</strong> Geistselbst vertritt <strong>die</strong> Glaubenden aufs mächtigste; er tut es mit aufsteigendenRufen, <strong>die</strong> wir nicht aussprechen können; <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e,<strong>der</strong> <strong>die</strong> Herzen erforscht, weiß um den S<strong>in</strong>n, den <strong>der</strong> Geistverfolgt. Der Geist will, was Gott will. Er tut, was Gott tut. Er iste<strong>in</strong>s mit Gott. Er weiht <strong>die</strong> Unheiligen. Er vertritt sie als Heiligeso, wie es Gott gefällt.Nur durch <strong>die</strong>sen e<strong>in</strong>en Geist will Gott geehrt werden. Inschweigen<strong>der</strong> Sammlung wartet <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de auf se<strong>in</strong> Anregen;man muss auf ihn hören können, wenn man von ihm lernenwill. Die Lauschenden s<strong>in</strong>d es, <strong>die</strong> er lehren will. Ihnen gebieteter. Sie will er bewegen, Gott so zu rufen, dass <strong>der</strong> Hörende zumRedenden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Redende zum Hörenden wird. So werdenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 282Glaubende bei Gott angenommen: weil Gott sie hört, werdensie se<strong>in</strong>en Geist bekommen <strong>und</strong> alles, was sie von ihm erbetenhaben. Nur so gibt es e<strong>in</strong> Sprechen mit Gott. Alles an<strong>der</strong>e verme<strong>in</strong>tlicheGebet ist Gott e<strong>in</strong> Gräuel. Wer se<strong>in</strong> Ohr abwendet,dass er Gottes Stimme nicht hören kann, dessen Gebet verwirftGott. Wer an<strong>der</strong>e Absichten mit Gottes Ziel vermengen will,verfehlt Gott. Wer abgelenkt ist, verliert den Weg. Wer zwiespältigist, bleibt Gott fern. Wer mit doppelter <strong>Seele</strong> vor Gott tretenwill, wird von ihm nichts erlangen, was zu Christus gehört.Der Heilige Geist ist e<strong>in</strong> Geist <strong>der</strong> Ehrfurcht. HeiligsteD<strong>in</strong>ge, wie <strong>die</strong> Anrufung Gottes im Namen Jesu Christi, dürfennur dann gewagt werden, wenn sie unter völligem Verstummenallen menschlichen Wollens durch den e<strong>in</strong>en Geist geschehen,<strong>der</strong> alle<strong>in</strong> heilig ist. Christen bleiben Menschen <strong>und</strong> werdenke<strong>in</strong>e Götter. Eigene <strong>und</strong> fremde Geister hören nicht auf,ihr neues Leben zu bedrängen <strong>und</strong> zu belasten. Deshalbbrauchen sie stets aufs Neue den unverän<strong>der</strong>lichen Geist.Täglich müssen sie darum bitten, dass er ihre Herzen neubewege <strong>und</strong> erfülle. Gott hört sie. Es ist gewiss: Gott schenktse<strong>in</strong>en Heiligen Geist allen denen, <strong>die</strong> ihn <strong>in</strong> <strong>der</strong> h<strong>in</strong>gegebenenEhrfurcht wartenden Glaubens herbeirufen.Gott gibt den Geist ganz. Er misst ihn nicht nach Maß o<strong>der</strong>Gewicht. Er ist nicht teilbar. Er ist <strong>der</strong> lebendige Gott selbst, wiees <strong>der</strong> Vater <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sohn ist. Die drei s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>s. Sie s<strong>in</strong>d Gott.In ganzer Fülle gibt sich <strong>der</strong> Unteilbare allen denen, <strong>die</strong> bereits<strong>in</strong>d, ihm zu gehorchen. Wo er handeln kann, wie er will, gibter sich ganz. Wo er <strong>der</strong> Wirkende ist, bleibt <strong>und</strong> ist er, <strong>der</strong> erwar <strong>und</strong> <strong>der</strong> er se<strong>in</strong> wird. Er zerteilt sich nicht. Er wi<strong>der</strong>sprichtsich niemals. Er sagt allen Glaubenden dasselbe. Sie alle willer <strong>in</strong> <strong>die</strong> volle Wahrheit leiten. Nichts will er ihnen vorenthalten.Er will ihnen ke<strong>in</strong>e Teilwahrheiten geben. Der Geist ist <strong>die</strong>ganze Wahrheit Gottes, wie sie <strong>der</strong> Vater <strong>in</strong> Christus für immererschlossen hat.Durch <strong>die</strong> Macht se<strong>in</strong>es Geistes will Gott jedes Wort wahrmachen, das Jesus ausgesprochen hat. Durch ihn will er alleTaten Christi von neuem vollbr<strong>in</strong>gen. Durch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>dese<strong>in</strong>es Geistes will Gott das vollkommene Werk Jesu Christiabermals vollenden. Er legt <strong>die</strong> Fülle des Geistes auf <strong>die</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 283ganze Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi; mit ihr will er unter den Menschense<strong>in</strong>e Geschichte machen: <strong>die</strong> Geschichte se<strong>in</strong>es Herzens als<strong>der</strong> Geschichte Jesu Christi. Die Geschichte <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist<strong>die</strong> Geschichte Gottes. Die Endgeschichte se<strong>in</strong>es Reiches ist<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Gegenwart. Wer <strong>die</strong> Vertreter <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deverachtet, verachtet nicht Menschen, son<strong>der</strong>n Gott. DerSachwalter Gottes ist als Stellvertreter Jesu Christi <strong>der</strong> Anwalt<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Gott hat <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geist <strong>die</strong>Vertretung se<strong>in</strong>er heiligen Sache anvertraut.Der Geist ist das Merkmal <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. In ihm wird es klar,dass sie zum Reich Gottes gehört. Am Heiligen Geist erkenntsie, dass sie <strong>in</strong> Christus bleibt. Dass Gott als <strong>der</strong> Geist se<strong>in</strong>esReiches <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi ist, bleibt e<strong>in</strong>e erkennbareTatsache. Der unsichtbare Geist ist unverkennbar. Er ist<strong>der</strong> Geist des Vaters! Das väterliche Herz <strong>der</strong> völligen Liebeist <strong>in</strong> ihm Wirklichkeit. Er ist <strong>der</strong> Geist des Sohnes! In ihm istdas e<strong>in</strong>deutige Wort <strong>und</strong> Wesen Jesu Christi, das vollkommeneWerk se<strong>in</strong>es Opfers <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Zukunft offenbar.Er ist <strong>der</strong> Geist des Rates <strong>und</strong> <strong>der</strong> Weisheit. Am LebenJesu tut er den Willen Gottes für alle Umstände <strong>und</strong> für alleGeschehnisse Gottes k<strong>und</strong>. Außerhalb se<strong>in</strong>er Sphäre werdenGott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Weisheit, werden Jesus <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Rat niemalsWirklichkeit. Am Leben <strong>und</strong> Werk wird es deutlich: Man kenntohne den Geist des neuen Wirkens we<strong>der</strong> den Vater noch denSohn, wie viel man auch <strong>in</strong> menschlicher Weisheit davon reden<strong>und</strong> schreiben mag. Das Werk des Geistes ehrt niemanden alsalle<strong>in</strong> Gott. Alles, was er tut, hebt <strong>die</strong> Größe Gottes von <strong>der</strong>Kle<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Menschen ab. Überall beweist <strong>der</strong> Geist: GottesReich ist an<strong>der</strong>s als unsere Welt. Gottes Herz ist größer alsunser Herz. Gottes Geist ist e<strong>in</strong> durchaus an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong>Menschengeist. Die göttliche Kraft des Heiligen Geistes erkenntman am Gegensatz zur menschlichen Schwäche. Wie Wasserauf verdorrtes Land, wird <strong>der</strong> Geist über unwissende <strong>und</strong> kraftloseMenschen ausgegossen. Über geknechtete Kreaturenergießt sich <strong>der</strong> ganz an<strong>der</strong>e Geist <strong>der</strong> Freiheit Gottes.Als unver<strong>die</strong>ntes Geschenk, als hernie<strong>der</strong> kommende Gnade<strong>und</strong> gegebene Tatsache offenbart <strong>der</strong> Geist <strong>die</strong> Sache Gottes.Der Geist Gottes ist <strong>die</strong> Gnade Jesu Christi. Niemand, <strong>der</strong> ihnw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 284empfängt, hat etwas aufzuweisen, das als Ursache <strong>und</strong> Anrechtgedeutet werden könnte. Der Geist <strong>der</strong> Höhe kommt ohne allenVer<strong>die</strong>nst <strong>und</strong> ohne alle Würdigkeit zu niedrigen, begnadigtenMenschen.Der Geist Gottes erwächst niemals aus dem Zeitgeist <strong>der</strong>Menschen. Er erweist <strong>in</strong> allen menschlichen Verirrungen se<strong>in</strong>enGottescharakter als den e<strong>in</strong>er letzten Zukunft. Gottes Geist entwickeltsich niemals aus den Werken <strong>der</strong> Menschen. Er kommtaus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welt. Er entstammt nicht <strong>der</strong> Menschenwelt.Wie e<strong>in</strong>e Himmelstaube kommt er von oben zu solchen, <strong>die</strong>unten s<strong>in</strong>d. Er ist <strong>der</strong> Geist se<strong>in</strong>es Reiches, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Himmelnherrscht. Alle<strong>in</strong> von dort her kommt er auf <strong>die</strong> Erde. Als Geist <strong>der</strong>prophetischen Rede richtet er den Blick auf das Letzte, das amEnde aller menschlichen Tage von Gott aus geschehen soll.Im letzten H<strong>in</strong>weis auf den zukünftig here<strong>in</strong>brechenden Weltfriedenist er im Gegensatz zu jedem Zeitgeist menschlicherEpochen für immer <strong>der</strong> unzeitgemäße Geist. Se<strong>in</strong>e Erkenntniseilt aller Zeitgeschichte voraus. Er gehört ke<strong>in</strong>em irdischenReich an. Je<strong>der</strong> Staat <strong>und</strong> jedes Volk empf<strong>in</strong>det ihn als fremd.Er ist <strong>der</strong> überall an<strong>der</strong>sartige Geist. Er offenbart e<strong>in</strong>e Gottesgerechtigkeit,<strong>die</strong> alle<strong>in</strong> aus <strong>der</strong> Ferne erwartet werden kann.Se<strong>in</strong>e Herrschaft kommt aus e<strong>in</strong>er Welt, <strong>die</strong> außerhalb unsererRäume liegt. Mit menschlichen Gedanken ist se<strong>in</strong>e Wahrheitnicht zu fassen. Von dem jenseitigen Zukunftslicht Gottes ausbewirkt er e<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht, <strong>die</strong> alle zeitliche Wissenschaft <strong>und</strong> alleräumliche Erfahrung unendlich übersteigt.Jesus hat den Geist des Schöpfers gebracht. Nur <strong>der</strong> Geist,<strong>der</strong> <strong>die</strong> Schöpfung aller D<strong>in</strong>ge bewirkte, vermag <strong>die</strong>se zufassen. Nur er erforscht alle D<strong>in</strong>ge. Allem Geschehen <strong>und</strong>Werden <strong>der</strong> Schöpfung bleibt alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e übergeordnet,<strong>der</strong> <strong>die</strong>se Schöpfung schuf <strong>und</strong> heute noch wirkt. Nur <strong>der</strong>schöpferische Geist offenbart <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> wirkliche Kraft, <strong>die</strong>unendlich <strong>und</strong> ewig ist. Er alle<strong>in</strong> kennt <strong>die</strong> Tiefen <strong>der</strong> Gottheit.Denn er alle<strong>in</strong> ist das lebendige Band, das <strong>die</strong> erste Schöpfungmit <strong>der</strong> neuen Zukunft letzter Schöpfung verb<strong>in</strong>det. AlsGlauben an Gott verleiht er schwachen Geschöpfen ewigeKraft <strong>und</strong> letzte Klarheit. Aus ihr heraus vermag <strong>der</strong> schwacheMensch angesichts e<strong>in</strong>er tödlich fe<strong>in</strong>dseligen <strong>und</strong> hemmendenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 285Gegenwart so zu glauben <strong>und</strong> zu leben, wie es dem Reich <strong>der</strong>Himmel <strong>und</strong> dessen heiliger Zukunft entspricht.Wer den Geist <strong>der</strong> neuen Schöpfung aufnimmt, empfängt<strong>die</strong> ewigen Kräfte des e<strong>in</strong>en Gottes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> demselben Geist<strong>die</strong> erste Schöpfung gestaltet hat. Als Geist <strong>der</strong> Stärke lebt <strong>die</strong>Gotteszukunft kraft ihrer alles verän<strong>der</strong>nden En<strong>der</strong>wartung <strong>in</strong><strong>der</strong> Gegenwart e<strong>in</strong>er alternden Schöpfung. Schon hat <strong>in</strong> ihr dasNeue begonnen. Alle sollen es sehen: <strong>E<strong>in</strong></strong>e neue Schöpfungersteht! Ihr Evangelium gilt aller Kreatur. Das Stöhnen <strong>der</strong> altenSchöpfung trifft auf <strong>die</strong> Söhne <strong>der</strong> neuen Welt.Die Kraft des Himmels wirkt als Vollmacht des HeiligenGeistes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> <strong>der</strong> neuen Schöpfung angehört.In ihr lebt sie als lebendige Verheißung des kommendenSonnentages auf e<strong>in</strong>er erkaltenden Erde. Durch den Geisterstarkt <strong>die</strong> ewigkeittragende <strong>und</strong> zukunfterfüllte Geme<strong>in</strong>de<strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>er alten Welt für Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> neues Reich. DieGeme<strong>in</strong>de empfängt den schöpferischen Reichtum ewiger <strong>und</strong>unendlicher Majestät als e<strong>in</strong>en ersten Lichtstrahl <strong>der</strong> letztenZukunft. Von dem alles erneuernden Thron Gottes ausgehend,erfüllt <strong>der</strong> Lichtherrscher <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de des ewigen Geistes.Von Gottes Thron senkt sich <strong>der</strong> Heilige Geist zu e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<strong>und</strong> schwachen Schar herab, <strong>die</strong> im wartenden Glauben auf ihnh<strong>in</strong> gesammelt ist. Der Glaube an den Heiligen Geist ist Glaubean <strong>die</strong> um Gottes Thron versammelte Lichtgeme<strong>in</strong>de. Hierist das Alte vergangen. Alle Kreatur kann <strong>die</strong> neue Schöpfungerblicken. Der Geist offenbart <strong>die</strong> Ewigkeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Weran den Heiligen Geist glaubt, hat Glauben an <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e christlicheKirche des Himmelreichs. Sie ist e<strong>in</strong>ig <strong>und</strong> allen Glaubendengeme<strong>in</strong>sam. Als Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Heiligen verwaltet sie <strong>die</strong>Vergebung <strong>der</strong> Sünden <strong>und</strong> trägt <strong>die</strong> Auferstehung des Fleisches.Der Glaube an <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de lebt im Reich <strong>der</strong> Ewigkeit.Sünde <strong>und</strong> Tod <strong>der</strong> alten Kreatur müssen weichen. NeuesLeben ersteht. Die Geme<strong>in</strong>de des Geistes bedeutet <strong>die</strong>Geburt <strong>der</strong> neuen Schöpfung. Der Heilige Geist <strong>und</strong> <strong>die</strong> ewigesLeben gebärende Mutterkirche s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>s. Von <strong>der</strong>Stadtgeme<strong>in</strong>de des oberen Jerusalem kommen Geist <strong>und</strong>Geme<strong>in</strong>de als e<strong>in</strong>es herab. Diese <strong>E<strong>in</strong></strong>heit ist das Neue des herannahendenSchöpfungstages. Der Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de trägt dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 286Evangelium aller Kreatur. In neuer Geburt lässt er se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>das Licht jener Welt erblicken, welche <strong>die</strong> neue Welt Gottesist.Die Kirche, <strong>die</strong> <strong>in</strong> den Himmeln ist, bleibt <strong>der</strong> Ursprungallen Glaubens. Wie Maria, <strong>die</strong> Jungfrau, ist sie durch denHeiligen Geist für immer <strong>die</strong> Mutter. Ohne sie gibt es ke<strong>in</strong>eK<strong>in</strong><strong>der</strong>. Ke<strong>in</strong>e Versammlung von Menschen, wie immer sie sichzusammensetzt, br<strong>in</strong>gt Leben hervor. Wenn sie <strong>die</strong>ses Lebenhat, entstammt es e<strong>in</strong>er höheren <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>in</strong> welche sie durch<strong>die</strong> Geistesgeburt neu e<strong>in</strong>gefügt werden musste. Geme<strong>in</strong>deersteht nur dort, wo <strong>der</strong> Heilige Geist <strong>die</strong> völlige Übere<strong>in</strong>stimmungdes Glaubens <strong>und</strong> Lebens mit allen Märtyrern <strong>und</strong>Zeugen <strong>der</strong> apostolischen Mutterkirche aller Jahrhun<strong>der</strong>tebewirkt hat.Von oben her wird <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de gebaut. Der Heilige Geistbr<strong>in</strong>gt sie als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> um den Gottesthron versammeltenGeme<strong>in</strong>de auf <strong>die</strong> Erde herab. An<strong>der</strong>s kann ke<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>delebenerstehen. An<strong>der</strong>s kann <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>debau niemals<strong>und</strong> nirgends aufgerichtet werden. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>stimmigkeit <strong>der</strong>glaubenden Geme<strong>in</strong>de besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> vollkommenen <strong>E<strong>in</strong></strong>heitihrer jetzt <strong>und</strong> hier lebenden Glie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> wahrhaft e<strong>in</strong>igenKirche aller Zeiten. Die <strong>E<strong>in</strong></strong>heit lebt im Heiligen Geist. In ihmwird <strong>die</strong> obere Welt Gottes mit <strong>der</strong> irdischen Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>s.Der Geist ist das Geheimnis <strong>der</strong> Stadt auf dem Berge. Abseitsvon dem e<strong>in</strong>en vere<strong>in</strong>igenden Weg des Geistes gibt es ke<strong>in</strong>eKirche. Die Stadt-Geme<strong>in</strong>de Gottes lebt nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhenluftihres ewigen Berges. Ihr Bürgertum <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Politik liegenim Himmel. Von dort erwartet sie alles. Von dort aus wird sieregiert.Durch den Geist <strong>der</strong> Gottesstadt beg<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> Gottes<strong>die</strong>nst.Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Stadt des Geistes gibt es wahren Gottes<strong>die</strong>nst.In Christus beg<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> Anbetung im Geist <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit.Alle an<strong>der</strong>e Gottesverehrung hat aufgehört. Die Stätten verfallen;<strong>die</strong> Türme s<strong>in</strong>d nie<strong>der</strong>gelegt; <strong>die</strong> ste<strong>in</strong>ernen Gotteshäusers<strong>in</strong>d abgetan; <strong>der</strong> Geist ist da. Gott kennt ke<strong>in</strong>e Kirchen,es gibt ke<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>den, es bestehen ke<strong>in</strong>e christlichen Geme<strong>in</strong>schaftenohne alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>e, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Heilige Geist vonoben her anrichtet, von Gott aus sammelt. Wer sich <strong>der</strong> Luft desw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 287herabwehenden Geistes aussetzt, ergibt sich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en <strong>und</strong>e<strong>in</strong>zigen Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi. Nur <strong>in</strong> ihr, nur von ihr aus hat<strong>der</strong> Heilige Geist se<strong>in</strong> Werk.Die Kirche Christi ist e<strong>in</strong> Haus des Heiligen Geistes, das vonGott gebaut ist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>en Glockenturm <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>erlei menschlichhohe Baukunst kennt. In allen Menschenhäusern religiöserVerehrung werden <strong>die</strong> Geister gemischt. Im Haus Gottes s<strong>in</strong>dniemals viele Geister. Dort kennt man nur den <strong>E<strong>in</strong></strong>en. Niemandkann <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Haus se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> nicht den e<strong>in</strong>en Geist <strong>in</strong> sich aufnimmt,<strong>der</strong> das ganze Haus erfüllt. Gott selbst hat se<strong>in</strong>e Kircheerbaut. Als e<strong>in</strong>fachstes Gebäude Gottes ohne Menschentürmesteht sie da. Diese Kirche trägt den niedrigen <strong>und</strong> k<strong>in</strong>dlichenGeist, <strong>der</strong> alle<strong>in</strong> Gottes ist. Sie ist bei Maria im Stall. Sie ist beiChristus am Kreuz. Sie geht den Weg <strong>der</strong> apostolischen Armut.<strong>E<strong>in</strong></strong>es Herzens <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nes ehrt sie niemanden als Gott <strong>in</strong>Christus Jesus.Durch den e<strong>in</strong>igen Geist beweisen alle Glie<strong>der</strong> <strong>die</strong>serKirche, dass sie Christi Schüler s<strong>in</strong>d. In vollkommener <strong>E<strong>in</strong></strong>heitihres S<strong>in</strong>nes <strong>und</strong> ihrer Me<strong>in</strong>ung beweisen sie <strong>die</strong> unverfälschteGes<strong>in</strong>nung Jesu Christi. Wie er alle Hoheit <strong>und</strong> alle Vorrechtenie<strong>der</strong>legte, tut es auch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de. Wie er nichts festhielt,was ihm als privates Vorrecht zugehören könnte, so auch <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>de. Wie ihm alles als Raub erschien, was er besäße,ohne es zu teilen, so gilt es auch <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de. Wie er denniedrigsten Platz des gehängten Sklaven e<strong>in</strong>nahm, so tut esse<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de. Alle ihre Glie<strong>der</strong> verleugnen sich, wie er sichverleugnet hat. Sie tragen se<strong>in</strong> Kreuz (Phil.2,6-8).Sie s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>e, denn sie tun, was er gebietet. ZurNachfolge hat sie se<strong>in</strong> Geist aufgerufen. Er erhält <strong>und</strong> bewahrtsie auf se<strong>in</strong>em Weg <strong>und</strong> führt sie <strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit se<strong>in</strong>em Leben.Alles, was unter ihnen geschieht <strong>und</strong> getan wird, ordnet <strong>der</strong>Geist Jesu Christi unter se<strong>in</strong>em absoluten Machtwort. Auf demWeg Jesu gebietet ke<strong>in</strong> Mensch, son<strong>der</strong>n alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> HeiligeGeist. Er regiert durch <strong>die</strong> Macht <strong>der</strong> Christusliebe <strong>und</strong> ihresOpfers. Hier lebt <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Todesbereitschaft letzterFreiheit. Hier ersteht das Wun<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Liebesdiktatur, <strong>die</strong> alsAnregung <strong>und</strong> Leitung des Geistes letzte Freiwilligkeit ist, <strong>der</strong>tiefste Wille e<strong>in</strong>er alles opfernden Freiheit.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 288Es gibt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Kirche Jesu Christi als alle<strong>in</strong> <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e,<strong>die</strong> <strong>in</strong> völliger Freiheit von je<strong>der</strong> Menschenherrschaft durchden Geist des Christusopfers gebaut <strong>und</strong> verwaltet wird. Alsdas e<strong>in</strong>zige F<strong>und</strong>ament <strong>der</strong> Wahrheit bleibt sie im HeiligenGeist <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>der</strong> Kreuzesbereitschaft. Die Wahrheit Gottesbeweist sich <strong>in</strong> ihr als vollkommene Geistesliebe. Der HeiligeGeist bestätigt, befestigt <strong>und</strong> re<strong>in</strong>igt ihr vollkommenes Gotteswerkals das am Kreuz vollendete Werk <strong>der</strong> Liebe Jesu Christi.Wer <strong>die</strong>ses an <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de von neuem geschehende Werk <strong>in</strong>aktivster Gelassenheit duldet <strong>und</strong> erleidet, wer bereit ist, für <strong>die</strong>Sache Gottes se<strong>in</strong> Leben zu lassen, wie Jesus es gelassen hat,ist <strong>und</strong> bleibt e<strong>in</strong> Glied se<strong>in</strong>es Leibes. Wer aber <strong>die</strong>s Werk nichtwagt, gehört nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kirche Jesu Christi.Nur durch den Geist des Gekreuzigten kann <strong>die</strong> todesmutigeGeme<strong>in</strong>de gesammelt <strong>und</strong> gehalten werden. Er ist ihre Lebensfreude<strong>und</strong> ihre Todesbegeisterung. Er ist es, dessen Feuerglutzum letzten Opfer entzündet. Alle Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>destehen zum Opfer bereit. In beson<strong>der</strong>er Weise müssen <strong>die</strong> mitdem Opfergeist angetan se<strong>in</strong>, denen <strong>die</strong> gefährliche Aussendungauferlegt wird: Das Schwert des Geistes müssen sie tragen.Die Teufel haben sie zu vertreiben. Den Bruch mit allemBestehenden sollen sie verkünden. Das siegende Licht Gotteshaben sie zu verbreiten. Das scharfe Salz <strong>der</strong> Wahrheit müssensie ausstreuen. Zur Buße <strong>und</strong> zum Glauben sollen sie aufrufen.Die Stadt auf dem Berge haben sie zu vertreten. Das EbenbildGottes müssen sie offenbaren. Die Geme<strong>in</strong>schaft des Kreuzesist ihr Kennzeichen. Das gute Werk des Heiligen Geistes sollan ihnen so zu erkennen se<strong>in</strong>, dass man für alles, was siebezeugen <strong>und</strong> tun, niemanden als alle<strong>in</strong> Gott zu ehren vermag.Diese Wirkung kann ke<strong>in</strong> Mensch hervorbr<strong>in</strong>gen. Nur durch<strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> Wirkung des Geistes, <strong>der</strong> nicht von Menschen,son<strong>der</strong>n von Gott ist, kann es zu <strong>die</strong>ser Aussendung kommen.Christus gebot se<strong>in</strong>en Jüngern, dass sie nicht von ihrem Platzweichen dürften, bis sie mit <strong>der</strong> Kraft aus <strong>der</strong> Höhe angetanwären (Apg.1,4).Ohne <strong>die</strong> vorhergegangene Gabe des Heiligen Geistesdürften sie das Werk <strong>der</strong> Sammlung nicht beg<strong>in</strong>nen; ohnew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 289den Geist konnte <strong>die</strong> Aussendung Jesu Christi niemalsgeschehen. Auf ihn sollten sie warten. Ohne den Geist zu empfangen,konnten <strong>die</strong> Jünger niemals zu Aposteln werden. Ohne denChristus, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Geist ist, kann man nichts tun, was apostolischeTat wäre. Ohne den Heiligen Geist kann vor Gott ke<strong>in</strong> Werkbestehen. Der Dienst <strong>der</strong> apostolischen Aussendung ist dasheiligste aller Werke. Dieser Dienst darf niemals im Eigenwahn,nirgends nach menschlichem Gutdünken <strong>in</strong> Angriff genommenwerden. Das Wort <strong>der</strong> Aussendung darf nicht an<strong>der</strong>s gewagtwerden als alle<strong>in</strong> durch den Geist, mit welchem Jesus Christuserfüllt <strong>und</strong> vom Vater gesandt wurde. Umso mehr will er, dassse<strong>in</strong>e Boten niemals an<strong>der</strong>s als mit <strong>der</strong> Kraft desselben Geisteszur Sendung schreiten. Wie sollten sie tun können, was er tat;wie sollten sie se<strong>in</strong> Wort mit Vollmacht vertreten, wenn ihnen<strong>der</strong> Geist fehlte, mit dem ihr Meister ausgesandt wurde? Wiesollten sie jemals mit Christus sammeln können, wenn sie nichtden Geist se<strong>in</strong>er Gottese<strong>in</strong>heit empfangen hätten!Jesus ist <strong>die</strong> Sammlung. Er sagt es deutlich: “Wer nichtmit mir sammelt, <strong>der</strong> zerstreut!“. (Luk.11,23). In mütterlichemSchutz will er se<strong>in</strong> Volk <strong>in</strong> den Armen se<strong>in</strong>es Geistes zusammenbr<strong>in</strong>gen.Jesus wollte sammeln. Wer <strong>die</strong>s mit ihm tunwill, muss se<strong>in</strong>er Art, se<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Geistes se<strong>in</strong>.Der Wille <strong>und</strong> Auftrag Jesu Christi ist <strong>und</strong> bleibt das Sammeln<strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igen. Gerade das aber ist nicht an<strong>der</strong>s möglich alse<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> durch den Heiligen Geist.Der Auftrag zur <strong>E<strong>in</strong></strong>heit kann nur im Geist erfasst werden.Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geist Christi kann une<strong>in</strong>ige Menschen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>igenGeme<strong>in</strong>de zuführen. Ke<strong>in</strong> Mensch kann es. Niemand darf es.Im Geist muss es begonnen werden. Im Geist soll es ausgeführtwerden. Nichts Menschliches empfängt <strong>die</strong>se Vollmacht.Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> oberen Stadt kann Geme<strong>in</strong>de zusammenbr<strong>in</strong>gen.Nur er hält zusammen. Ke<strong>in</strong>e Menschenkraft vermages. Niemand darf es versuchen. Wo <strong>der</strong> Geist baut, wird ke<strong>in</strong>ean<strong>der</strong>e Kraft zugelassen. Se<strong>in</strong> Bau entsteht unter se<strong>in</strong>er ausschließlichenArbeit. Alle<strong>in</strong> unter se<strong>in</strong>er Aufsicht wird er vollendet.“Menschenwachen kann nichts nützen; Gott muss wachen,Gott muss schützen.” Er tut es durch den Geist. Alle<strong>in</strong>unter se<strong>in</strong>em Schutz hat se<strong>in</strong> Haus Bestand.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 290Je<strong>der</strong> Bau beg<strong>in</strong>nt mit Aufräumungsarbeiten. Der Platz mussleer se<strong>in</strong>, auf dem das Haus erstehen soll. Ohne <strong>die</strong> Schachtarbeit<strong>der</strong> Aushebung kann ke<strong>in</strong> F<strong>und</strong>ament gelegt werden. Nurwenn alles weggeräumt ist, geht man an den Aufbau. JedesHaus muss vor unterspülenden Wassern geschützt werden. DieBelastung muss geprüft werden. Feuersicherungen s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich.Bei Gefahr <strong>und</strong> Bedrohung muss es bewacht werden.Die Nachtwache schützt vor Feuersgefahr <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>bruch. Dergute Geist hält <strong>die</strong> bösen Geister fern. Das Haus will bewachtse<strong>in</strong>.Das Haus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de wird durch den wachsamsten Geistgeschützt. Die Beseitigung aller bedrohlichen Gewalten ist <strong>der</strong>beste Schutz, den es geben kann. Nur <strong>der</strong> Heilige Geist kannwegräumen, was <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de untergraben, erdrücken <strong>und</strong>zerstören will. Alle schlechten Geister treibt er h<strong>in</strong>aus. AberBelastungen alter <strong>und</strong> neuer Vergangenheit bedrohen <strong>die</strong>Gegenwart aller Glaubenden. Längst bekämpfte Mächtemelden alte Ansprüche an. Neue Wirkungen mahnen an ältesteUrsachen!Die Gegenwart ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit verwurzelt. DasJetzige kann nur zugleich mit dem Vorherigen bewältigtwerden. Es gibt ke<strong>in</strong> Beseitigen des Bösen ohne <strong>die</strong> Vergebung<strong>der</strong> Sünde. Das neue Leben kann nicht beg<strong>in</strong>nen, wennnicht das alte abgetan ist. Der Gelähmte kann nicht an<strong>der</strong>sgeheilt werden, als wenn <strong>die</strong> Ursache se<strong>in</strong>er Erkrankungbehoben wird.Christus zerstört mit se<strong>in</strong>er Botschaft <strong>die</strong> Werke des Teufels.Er nimmt ihnen <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage. Mit <strong>der</strong> Macht se<strong>in</strong>es befreiendenGeistes empfängt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> Vollmacht <strong>der</strong>Sündenvergebung. Jesus selbst hat sie ihr verliehen: “Nehmeth<strong>in</strong> den Heiligen Geist! Wem ihr vergebt, dem ist vergeben.Wem ihr nicht vergebt, dem wird nicht vergeben” (Joh.20,23).Und: “Alles, was ihr auf Erden b<strong>in</strong>den werdet, das wird auch imHimmel geb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> alles, was ihr auf Erden lösen werdet,das wird auch im Himmel gelöst se<strong>in</strong> “ (Mt.18,18). Wo <strong>die</strong>Sünde nicht vergeben ist, wird sie den Menschen als beherrschendeMacht <strong>in</strong> ihrer Gewalt behalten. Was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dedes Geistes geschieht, gilt im Reich <strong>der</strong> Himmel. Was <strong>in</strong> ihrw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 291unterbleibt, unterbleibt bei Gott. Ohne Vergebung <strong>der</strong> Sündekommt niemand <strong>in</strong> das Reich Gottes. Ohne das Sakrament <strong>der</strong>Vergebung gibt es nirgends Geme<strong>in</strong>schaft. Ohne stets erneuteBere<strong>in</strong>igung ist Geme<strong>in</strong>schaft we<strong>der</strong> untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> noch mitGott möglich. Es gibt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft als <strong>die</strong> desfleckenlosen Geistes. Nur sie ist Geme<strong>in</strong>de. In <strong>der</strong> Vollmacht <strong>der</strong>Vergebung steht <strong>der</strong> Geist Jesu Christi zur Geme<strong>in</strong>de Gottes,zu se<strong>in</strong>er neuen Schöpfung.Die Geme<strong>in</strong>de ist das Ehrenmal des Christuslebens. Sieist das Denkmal des <strong>in</strong>nersten Wesens Gottes. Der Geist bekenntsich zu ihr als zu dem Bildnis Gottes. In letzter Vollmachtbestätigt er sie als Felsen <strong>der</strong> Wahrheit. Auf dem F<strong>und</strong>ament<strong>der</strong> Apostel <strong>und</strong> Propheten beauftragt er sie mit allem, was zuihrem Aufbau gehört. Auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Wahrheit gebieteter ihr, alles auszuscheiden <strong>und</strong> zu meiden, was von e<strong>in</strong>emgeweihten Gebäude fernzuhalten ist. Der Bau <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dewird sicher geführt. Er trägt das re<strong>in</strong>e Bild Gottes. Er hat Gr<strong>und</strong>.Er ist als Felsenbau <strong>der</strong> Wahrheit auf dem Eckste<strong>in</strong> JesusChristus errichtet.Am Ende <strong>der</strong> frühchristlichen Zeit beschreibt <strong>der</strong> ProphetHermas 64 <strong>die</strong>ses lebendige Denkmal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neunten Gleichnis:“In Gestalt <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de zeigte ihm <strong>der</strong> Heilige Geist e<strong>in</strong>engroßen weißen Felsen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> ganze Welt <strong>in</strong> sich fassen konnte. Se<strong>in</strong>heller als <strong>die</strong> Sonne erstrahlendes Tor umstanden weiß gekleideteJungfrauen. Durch ihre Hände g<strong>in</strong>gen gere<strong>in</strong>igte <strong>und</strong> zugerichteteSte<strong>in</strong>e. Mit ihnen sollte auf dem weißen Felsen <strong>der</strong> heiligste Bauerrichtet werden. Das neue Tor des alten Felsens führt <strong>in</strong> das ReichGottes <strong>und</strong> zu dem Bau se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de. Der Bauherr ihresFelsentempels ist <strong>der</strong> Sohn Gottes selbst. Nur durch ihn gelangtman zu se<strong>in</strong>em Bau. Die re<strong>in</strong>en Jungfrauen verkörpern <strong>die</strong> Kräftedes Heiligen Geistes. Durch ihr Werk wird <strong>der</strong> Bau mit dem festenFelsen zu e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>. Alle ihre Ste<strong>in</strong>e werden durch <strong>die</strong> Berührung__________________64Hirte des Hermas: ca. im Jahr 140 entstandene christliche Schrift.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 292ihrer Hände mit Heiligem Geist erfüllt. Noch baut <strong>der</strong> Geist anse<strong>in</strong>em Tempel. Wer den Frieden liebt, wer k<strong>in</strong>dlichen Geistes ist,trete h<strong>in</strong>zu! Er soll dem Bau e<strong>in</strong>gefügt werden. Wer jeden Menschenvon aller Not befreien will, wer sich beeilt, an allen das Gute zu tun,soll im Tempel des Felsens se<strong>in</strong>, ehe er vollendet wird.” 65Die hutterische Geme<strong>in</strong>de hat den prophetischen Glaubendes frühen Christentums von neuem aufgerichtet. In se<strong>in</strong>erersten Rechenschaft, <strong>die</strong> Peter Ridemann 66 um das Jahr 1530im österreichischen Gefängnis geschrieben hat, bekennt er sichzu demselben Bau des Heiligen Geistes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en lebendigenSte<strong>in</strong>en alles Gute erwirkt:“Durch solche Offenbarung <strong>und</strong> Mitteilung se<strong>in</strong>er Gabe br<strong>in</strong>get<strong>und</strong> füget er zusammen <strong>die</strong> Kirche als das Haus Gottes; dar<strong>in</strong>empfangen ihre Glie<strong>der</strong> Vergebung <strong>der</strong> Sünde; sie werden ihm <strong>in</strong>dem Band <strong>der</strong> Liebe zu e<strong>in</strong>em Leib verb<strong>und</strong>en, welches geschiehtdurch den e<strong>in</strong>igen Geist, <strong>der</strong> das alles wirket.”In <strong>die</strong>sem Geist wird es klar, “wie man das Haus Gottes bauensoll <strong>und</strong> was das Haus Gottes ist. So mögen wir mit Freudenanfangen zu bauen auf dem Gr<strong>und</strong> aller Apostel, da JesusChristus <strong>der</strong> Eckste<strong>in</strong> ist.”Das Haus ist <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Gottes. Se<strong>in</strong>e Festigkeit steht<strong>in</strong> Gott. Der erste Pfeiler, <strong>der</strong> <strong>die</strong>ses Haus trägt, ist <strong>die</strong> Ehrfurchtvor Gott; sie überw<strong>in</strong>det alle Menschenfurcht. Der zweitePfeiler ist <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e Weisheit Gottes, welche gegen alle Weisheit<strong>der</strong> Menschen für immer im Kampf liegt. Der dritte Pfeilerist das Verständnis Gottes; an ihm stößt sich <strong>die</strong> Torheitmenschlichen Verstandes. Der vierte Pfeiler ist <strong>der</strong> Rat Gottes,dem aller menschliche Rat auf ewig wi<strong>der</strong>sprechen muss. Der__________________65siehe “Am Anfang war <strong>die</strong> Liebe - Dokumente, Briefe & Texte <strong>der</strong>Urchristen”, Eberhard Arnold (Hrsg.), Wiesbaden 1986, S. 235.66Peter Ridemann, siehe Kap.l, Anm.12. Die hier ziüerte sog. “ErsteRechenschaft” entstand vor <strong>der</strong> <strong>in</strong> Kap. l zitierten, allgeme<strong>in</strong> als“Rechenschaft” bekannten Schrift.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 293fünfte ist <strong>die</strong> Stärke Gottes im Gegensatz zur menschlichen Kraft;<strong>der</strong> sechste <strong>die</strong> Kunst Gottes gegen alle Menschenkunst. Dersiebente <strong>und</strong> letzte Pfeiler ist <strong>die</strong> Huld <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft Gottes;an <strong>die</strong>sem Pfeiler bricht sich das ver<strong>der</strong>bliche Wasser, das<strong>die</strong> Liebe zum Besitz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hochmut des Lebens mit sichbr<strong>in</strong>gt 67 . Wie e<strong>in</strong>st <strong>die</strong> Säulen des Tempels <strong>die</strong> symbolischenNamen empfangen haben: “Er gründet fest” <strong>und</strong> “ln ihm istStärke” (1.Kö.7,21-22), so ist <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Wahrheitauf <strong>der</strong> Festigkeit <strong>und</strong> Kraft des Gottesgeistes gegründet.Wie <strong>die</strong> Säulen des alten Tempels auf silbernen Füßenstanden, strahlt das Postament <strong>der</strong> sieben Geme<strong>in</strong>depfeiler <strong>in</strong><strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit des Heiligen Geistes.Alles, was <strong>die</strong> schweren Schatten des alten Tempels deutensollten, ist <strong>in</strong> dem leuchtenden Geist Jesu Christi zur Erfüllunggelangt. Das Haus des alten B<strong>und</strong>es sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte se<strong>in</strong>esVolkes <strong>die</strong> Wohnung Gottes darstellen: “Sie sollen mir e<strong>in</strong>Heiligtum machen, <strong>in</strong> dem ich unter ihnen wohne” (2.Mo.25,8).Jesus musste e<strong>in</strong>em Volk, dem <strong>die</strong> alte Wohnung als dasunantastbarste höchste Heiligtum galt, den kühnsten Anspruchanmelden: “Hier ist mehr als <strong>der</strong> Tempel!” (Mt.12,6). In Jesuswohnt <strong>der</strong> Heilige Geist als <strong>die</strong> ganze Fülle <strong>der</strong> Gottheit. Jesusstellte <strong>die</strong> wirkliche Wohnung Gottes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Mitte von Menschen,<strong>die</strong> trotz ihres alten Tempels ohne Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt waren.Er tat es <strong>in</strong>mitten ihres fe<strong>in</strong>dseligen Unglaubens. Als se<strong>in</strong>Leib zerbrochen werden sollte, verhieß er, den abgebrochenenTempel <strong>in</strong> drei Tagen von neuem aufzubauen (Mt.26,61). Undwirklich: Der am dritten Tag aus den Toten lebendig Gewordenesandte se<strong>in</strong>en Heiligen Geist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>deden neuen Tempel gab: “Der Tempel Gottes ist heilig; <strong>der</strong>seid ihr!” (1.Kor.3,17). Christus <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vater wollen im lebendigmachenden Geist zu glaubenden Menschen kommen. ImMenschensohn ist <strong>die</strong> Wohnung Gottes aus ihren verbergenden__________________67aus: “<strong>E<strong>in</strong></strong> Rechenschafft <strong>und</strong> Bekanndtnus des Glaubens vom PeterRideman”, sog. “Erste Rechenschaft”. Kapitel “Von den sieben Pfeilem”.Die biblische Gr<strong>und</strong>lage <strong>die</strong>ser Allegorie ist Sprüche 9,1: “Die Weisheitbauet ihr Haus <strong>und</strong> hat sich ihre sieben Säulen ausgehauen.”w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 294Schatten herausgetreten. In Jesu Wort <strong>und</strong> Leben, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erTat <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk wohnt Gott allen sichtbar unter denMenschen.Wenn sie es nicht an<strong>der</strong>s glauben wollten: um <strong>der</strong> Werkewillen mussten sie <strong>die</strong> gegebene Tatsache anerkennen. InJesus Christus enthüllt <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Offenbarung das WerkGottes. Das Werk ist se<strong>in</strong> Haus, se<strong>in</strong>e Wohnung; von hier aushandelt er. Der Geist Gottes will <strong>die</strong> Augen aller Herzenerleuchten, dass sie <strong>die</strong> Kraft erkennen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Christus se<strong>in</strong>Werk errichtet. Der Heilige Geist ist <strong>die</strong> Offenbarung des WerkesGottes. Deshalb errichtet er dem Herrscher des Gottesreichsim Haus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>en Thronsaal. Von hier aus leitet er<strong>die</strong> Gesandtschaft se<strong>in</strong>er Regierung. Der Geist Gottes br<strong>in</strong>gtden erhöhten Christus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de zur Herrschaft über alleD<strong>in</strong>ge. In ihm erkennt <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de alles, was ihr von GottesReich aus <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand gegeben wird.Wie im alten Tempel, so kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de desHeiligen Geistes alles zusammen, um das Herz Gottes <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Wohnung unter den Menschen zu ehren. Wie Gott imalten Tempel <strong>die</strong> aufrichtigen Opfer <strong>und</strong> Gebete se<strong>in</strong>es Volkesannehmen wollte, so nimmt er im neuen Tempel des Geistesdas Dankopfer se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de entgegen. Ihr Haus ist vollerJubel. Ihr Geist jauchzt Gott zu. Ihre Feste ehren den König.Die Geme<strong>in</strong>de ist mit e<strong>in</strong>er so überschwänglichen Freude desHeiligen Geistes erfüllt, dass sie Gott aus vollem Herzen rühmt<strong>und</strong> dankt, ihm Lie<strong>der</strong> überströmenden Geistes s<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> <strong>in</strong>ihrem ganzen Leben <strong>und</strong> Tun den Willen se<strong>in</strong>er Liebe ehrt.Der Heilige Geist ist <strong>die</strong> nie versiegende Quelle e<strong>in</strong>er ununterbrochenhervorbrechenden Freude. Sie entspr<strong>in</strong>gt im Innerstendes Heiligtums <strong>und</strong> strömt <strong>in</strong> alle Lande.Der alte Tempel war <strong>in</strong> das Allerheiligste, das Heilige <strong>und</strong> <strong>die</strong>Vorhöfe e<strong>in</strong>geteilt. Die Mitte des Allerheiligsten war das alle<strong>in</strong>Entscheidende. Je weiter vom Innenbau entfernt, um so mehrwies alles auf das Tiefste <strong>und</strong> Innerste h<strong>in</strong>. Gott hatte se<strong>in</strong>eWohnung im Innersten. Deshalb wird <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerste Decke desGotteszeltes <strong>die</strong> Wohnung genannt. Sie umgab den Thron, <strong>der</strong>das Ganze beherrschte. Im Allerheiligsten bezeugten <strong>die</strong> gewaltigenEngelfürsten <strong>die</strong> heilige Nähe dessen, <strong>der</strong> als Herrscherw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 295des Reichs über ihnen thronte. Die fürstlichen Geisteswesenehren den Thron Gottes, den sie umgeben (1.Kö.6). DerThron bleibt das Entscheidende. Der Tod Jesu Christi hat denVorhang zerrissen, <strong>der</strong> das Allerheiligste von dem Heiligentrennte. Der Thron Gottes will nun vom Innersten aus alle Kräfte<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de regieren <strong>und</strong> beherrschen, beauftragen <strong>und</strong>ausrüsten. Das ewige Licht des Allerheiligsten strahlt <strong>in</strong> <strong>die</strong>Weite. Die Herrschaft <strong>der</strong> Gotteswohnung überflutet <strong>die</strong> Grenzen<strong>der</strong> Innerlichkeit. Sie tritt nach außen. Die Stätte <strong>der</strong> Anbetungbleibt im Innersten des Hauses. Aber das vollkommene Lebendes Geistes Jesu Christi will nicht mehr verborgen bleiben. Eswill se<strong>in</strong>en Ausgangspunkt im tiefsten Geist des allerheiligstenGlaubens behalten. Nach wie vor liebt es das Verbergen <strong>der</strong><strong>in</strong>nersten Gebete <strong>und</strong> <strong>der</strong> geweihten Werke (Mt.6,6). Aberes will <strong>die</strong> Herrschaft des Gottesgeistes zur ungehemmtenEntfaltung br<strong>in</strong>gen. Vom Allerheiligsten aus will es alle Vorhöfeerobern.So wird <strong>der</strong> ganze Leib <strong>der</strong> Tempel des Heiligen Geistes. Eswird <strong>die</strong> ganze Welt zur Parochie 68 se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de. Durchden Glauben wohnt Christus <strong>in</strong> überströmenden Herzen. DerGlaube se<strong>in</strong>er Liebe überflutet alle Welten. Wie im Allerheiligstendes alten B<strong>und</strong>es alle Geräte, alle Wände <strong>und</strong> Decken<strong>in</strong> <strong>der</strong> Farbe des Glaubens erstrahlten, so ist das Innerstedes Geistestempels mit goldenem Licht weith<strong>in</strong> strahlendenGlaubens erfüllt. Der Glaube Jesu Christi <strong>und</strong> das Lichtse<strong>in</strong>es Reiches wollen alle Welt erobern. Wo Gott se<strong>in</strong>eWohnung nimmt, ist <strong>der</strong> Thron Christi <strong>der</strong> Mittelpunkt allenLebens.Der Gottesthron des alttestamentlichen Allerheiligsten wolltealles Volk beherrschen. Deshalb verkündigte er <strong>die</strong> Vergebung<strong>der</strong> Sünde. Der Thron <strong>der</strong> neuen Regierung verwirklicht <strong>die</strong>Vergebung. Er ist auf <strong>der</strong> H<strong>in</strong>richtungsstätte des Opfers errichtetworden, das e<strong>in</strong> für allemal gilt. <strong>E<strong>in</strong></strong> letztes Opfer warnotwendig; an<strong>der</strong>s konnte <strong>die</strong> Herrschaft des dunklen Weltfürstennicht gebrochen werden. Als Glaube an e<strong>in</strong> alles wendendesTodesopfer des Lichtherrschers dr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> neue Regierung__________________68Parochie = Pfarrbezirkw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 296Gottes durch. Mit dem freien Geschenk des neuen Bürgerrechtssichert sie <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit Gott für immer zu (Eph.2,19).Der Geist des neuen Thrones entfaltet e<strong>in</strong>e alles überw<strong>in</strong>dendeMacht, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> auf dem Glauben an den geopfertenKönig beruht. In <strong>der</strong> Entscheidungsschlacht se<strong>in</strong>es Todes hater den Thron e<strong>in</strong>genommen. Se<strong>in</strong>e erste Regierungshandlungist e<strong>in</strong>e für ewig geltende Amnestie, <strong>die</strong> allen se<strong>in</strong>en Gegnernabsolute Vergebung zusichert, sobald sie se<strong>in</strong>e Herrschaftungeteilt anerkennen wollen. Aus dem Glauben an <strong>die</strong> königlichenTaten des Todesopfers <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vergebung erwächst<strong>die</strong> völlige Liebe, <strong>die</strong> durch den Heiligen Geist <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzendes ganzen Volkes ausgegossen wird. Der Geist des Königsverleiht se<strong>in</strong>em Volk das Herz <strong>der</strong> königlichen Ges<strong>in</strong>nung. Wie<strong>der</strong> Gotteskönig selbst, können sie nun von ganzem Herzen,von ganzer <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> von ganzem Gemüt <strong>und</strong> mit allem ihremDenken Gott lieben. In ihm können sie wie ihr geopferter Königihre Nächsten <strong>und</strong> alle Fe<strong>in</strong>de ebenso lieben wie sich selbst(Mt.5,43+44). Waren sie doch bisher selbst Fe<strong>in</strong>de! WelcheLiebe haben sie erfahren! Diese Liebe durchglüht sie.In allen D<strong>in</strong>gen erweist sich <strong>der</strong> neue Tempel als <strong>die</strong> Erfüllungdes alten Vorbilds. Sooft im alten B<strong>und</strong> <strong>der</strong> Hohepriesterdas Rauchwerk <strong>in</strong>s Allerheiligste trug, versammelte sich <strong>die</strong>Geme<strong>in</strong>de betend im Vorhof. So treibt das Zentralfeuer <strong>der</strong>liebenden Geme<strong>in</strong>de alle Glaubenden zur Sammlung vor Gott.Das Licht des siebenarmigen Leuchters wird durch Christus <strong>in</strong>den sieben Leuchtem <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de erneuert (Offb.1,12+13).Se<strong>in</strong>e Liebe durchdr<strong>in</strong>gt das neue Leben so völlig, daß <strong>die</strong>alttestamentlichen Opferbrote im neuen B<strong>und</strong> zur H<strong>in</strong>gabe <strong>der</strong>ganzen Existenz an Gottes Sache werden. Ihm gehört dasganze Haus mit allem, was dar<strong>in</strong>nen ist.Von dem <strong>in</strong>nersten Heiligtum aus wird <strong>der</strong> ganze Tempelbis <strong>in</strong> <strong>die</strong> äußersten Auswirkungen dem alles beherrschendenGeist geöffnet. So wird <strong>der</strong> ganze Leib zum heiligen Tempel.Die Selbstbeherrschung über den ganzen Menschen bis <strong>in</strong>alle körperlichen Triebe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e entscheidende Fruchtdes Geistes. Der Fruchtbaum des Heiligen Geistes kennt ke<strong>in</strong>efruchtleeren Zweige. An allen se<strong>in</strong>en lebendigen Ästenemtet man Liebe, Freude <strong>und</strong> Friede. Untreue <strong>und</strong> unre<strong>in</strong>ew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 297Handlungen, Fe<strong>in</strong>dseligkeit mör<strong>der</strong>ischen Hasses, Zwietrachtha<strong>der</strong>nden Neids, Zerspaltung streitenden Zorns s<strong>in</strong>d vonse<strong>in</strong>em Haus ebenso fernzuhalten wie <strong>die</strong> Abgötterei <strong>der</strong>Üppigkeit <strong>und</strong> des Eigentums. Die Frucht des Geistes teilt ihreSchüssel mit ke<strong>in</strong>er Küche des Fleisches. Es ist von größterBedeutung, daß Jesus <strong>die</strong> Bankleute mit ihren Geldtischen <strong>und</strong>ihrem Zwischenhandel h<strong>in</strong>ausgetrieben hat. Er duldete sie nicht<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung Gottes, auch nicht im äußersten Vorhof. Gegensie hat Jesus se<strong>in</strong>e ganze Schärfe e<strong>in</strong>gesetzt, um auchden Vorhof für das Haus <strong>der</strong> Gottesehre zurückzugew<strong>in</strong>nen.Wie alle <strong>die</strong> äußeren Kammern im alten Vorhof, soll das ganzeLeben <strong>der</strong> neuen Geme<strong>in</strong>de bis <strong>in</strong> alle Wirtschaftsführungh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zum heiligen Tempel Gottes werden. Aus dem HauseGottes hat Jesus e<strong>in</strong> für allemal mit aller Schärfe <strong>die</strong> Gewaltdes Mammons <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geldgeschäfte h<strong>in</strong>ausgewiesen.<strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Leib sollen wie unser Geist bis auf den Tag JesuChristi als heiliger Tempel erhalten werden. Von dem Innerstendes allerheiligsten Glaubens aus nimmt <strong>der</strong> Geist Jesu Christialle Funktionen <strong>und</strong> Leistungen auch des profansten Lebens <strong>in</strong>Anspruch. Im für alles Profane geöffneten Vorhof haben nichtnur Priester <strong>und</strong> Propheten <strong>der</strong> alten Zeit, son<strong>der</strong>n ebensoJesus <strong>und</strong> alle Apostel des neuen B<strong>und</strong>es <strong>die</strong> Wahrheit desHeiligtums vertreten. Der Heilige Geist will <strong>die</strong> Wohnung Gottesüber alles Irdische <strong>und</strong> Zeitliche ausbreiten.Die Erde gehört Gott. Alle ihre Gaben <strong>und</strong> Kräfte sollen unter<strong>die</strong> Herrschaft se<strong>in</strong>es Geistes gebracht werden. Dazu wurde<strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de des Heiligen Geistes mitten <strong>in</strong> <strong>die</strong>se Welt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gebaut.Ihre gottgeweihten Vorhöfe sollen über <strong>die</strong> ganze Erdeausgedehnt werden. Der Vorhang ist zerrissen. Ströme lebendigenWassers gehen von dem <strong>in</strong>nersten Heiligtum aus <strong>in</strong> alleLande. Gewaltige Auswirkungen des Heiligen Geistes offenbaren<strong>die</strong> Macht <strong>und</strong> Herrschaft des heiligen Thrones Gottes für<strong>die</strong> ganze Erde. Der Geist Jesu Christi hat den neuen TempelGottes <strong>der</strong> ganzen Erde gegeben.Die Geme<strong>in</strong>de glaubt an den Sieg des Heiligen Geistes. Sieunterwirft sich se<strong>in</strong>er Herrschaft für Gottes Geltung <strong>in</strong> aller Welt.Sie ruft den Geist Gottes, daß er das Reich Jesu Christi zu allenMenschen br<strong>in</strong>ge:w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 298Du ferner Geist <strong>der</strong> Höhe,du führst <strong>die</strong> Schar zum Streit,daß niemals ihr Schreiten stocke,sie siege weit <strong>und</strong> breit!Wir flehn zum Herm <strong>der</strong> Geister,daß er uns ewig führ.Wir rufen den Geistesmeister:Weihe <strong>die</strong> De<strong>in</strong>en dir!Du bist <strong>der</strong> ew'ge Sieger:Du führst <strong>die</strong> schwache Schar.Du weihst dir de<strong>in</strong>e Krieger,taufst sie dir ganz <strong>und</strong> gar!Der Heil'ge Geist zur Höhe führt;er heißt Gerechtigkeit.In ihm <strong>die</strong> Bru<strong>der</strong>schaft regiert<strong>in</strong> Liebe allezeit.Der Heil'ge Geist ist groß <strong>und</strong> stark;nur er ists, <strong>der</strong> uns e<strong>in</strong>t.Er fährt als Schwert durch Herz <strong>und</strong> Mark –<strong>der</strong> Geist <strong>die</strong> Wahrheit me<strong>in</strong>t.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 299DAS LEBENDIGE WORTJe<strong>der</strong> Ruf zur Innerlichkeit ist e<strong>in</strong> Weckruf. Es geht um <strong>die</strong>letzte Klarheit, um <strong>die</strong> höchste Bestimmung. Nur Gott kanndas Innerste wecken. Nur <strong>der</strong> Wille Gottes ist Klarheit. Nur Gottgibt für e<strong>in</strong>e dunkle Zukunft das e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Licht, das alle<strong>in</strong>imstande ist, sie zu bewältigen. In uns selbst haben wir ke<strong>in</strong>eMöglichkeit, aus unserer tiefen Verwirrung zu wirklicher Klarheitzu kommen. Alle “<strong>in</strong>neren Stimmen”, <strong>die</strong> aus dem seelischenUrgr<strong>und</strong> des eigenen Herzens stammen, s<strong>in</strong>d gefährlich. Ofts<strong>in</strong>d sie Irrlichter. Aus sumpfigem Boden aufflackernd, führensie den Wan<strong>der</strong>er <strong>in</strong> <strong>die</strong> Irre.Als Erben des gefallenen Menschen können wir zu nichtsan<strong>der</strong>em gelangen als zu seelischer Unklarheit. Es gibt nure<strong>in</strong>e Hoffnung: Über <strong>der</strong> sumpfigen Nie<strong>der</strong>ung muß <strong>die</strong> allesüberstrahlende Sonne aufgehen. Nur im Tageslicht verblasst<strong>der</strong> trügerische Sche<strong>in</strong>. Jesus führt den Tag herauf. Er ist dasEnde <strong>der</strong> Nacht. Er ist <strong>der</strong> Morgenstern des aufgehendenTages. Er br<strong>in</strong>gt das Ende <strong>der</strong> alten Menschheit. Er ist <strong>der</strong> letzteAdam. Er gründet e<strong>in</strong> neues Geschlecht, das als <strong>in</strong>neres Licht<strong>der</strong> neuen Menschheit aufleuchtet. Als schöpferisches Wortbildet Jesus <strong>die</strong> neue Kreatur des neuen Schöpfungstages. Erist erleuchtendes <strong>und</strong> schöpferisches Wort, dessen Geheimnisnicht an<strong>der</strong>s geoffenbart wird, als <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Schöpfersmit Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Geist.Am Anfang <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>schaftsbewegung <strong>der</strong> Reformationszeithat Ulrich Stadler 69 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „Christlichen wahrhaftigenUnterrichtung, wie <strong>die</strong> göttliche Schriftvergleichung beurteilt_________________69Ulrich Stadler, “Diener am Wort” <strong>der</strong> Hutterischen Brü<strong>der</strong> <strong>in</strong> Austerlitz/Mähren, gest. 1540. – Eberhard Arnold bezieht sich hier <strong>und</strong> aufden folgenden Seiten <strong>die</strong>ses Kapitels überwiegend auf <strong>die</strong> Schriftenso bedeuten<strong>der</strong> Täufer wie Ulrich Stadler, Hans Denck (1495-1527),Sebastian Franck (1499-1543) <strong>und</strong> Thomas Münzer (1488-1525).w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 300werden soll” auf <strong>die</strong> Kraft des Heiligen Geistes <strong>und</strong> das Zeugnis<strong>der</strong> Dreie<strong>in</strong>igkeit h<strong>in</strong>gewiesen. Wie Gott selbst kann auch se<strong>in</strong>Wort nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> klar zu unterscheidenden <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Vaters,des Sohnes <strong>und</strong> des Geistes erkannt werden:“Zum ersten wird Gott durch se<strong>in</strong>e Allmächtigkeit erkannt,kraft des Vaters <strong>in</strong> allen Kreaturen. Zum an<strong>der</strong>en wird Gott durchden Ernst <strong>und</strong> durch <strong>die</strong> Gerechtigkeit des Sohnes erkannt, zumdritten durch <strong>die</strong> Güte <strong>und</strong> Barmherzigkeit des Heiligen Geistes.Den Schöpfer des Himmels <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erden erkennen alle vernünftigenMenschen durch <strong>die</strong> Geschöpfe <strong>der</strong> Natur. An <strong>der</strong> Kreatursehen sie unwi<strong>der</strong>sprechlich <strong>die</strong> Allmächtigkeit Gottes als <strong>die</strong> Kraftdes Vaters. Alle Werke Gottes zeigen den Menschen an, dass e<strong>in</strong> Gottist; aber noch fehlt ihnen Entscheidendes an <strong>der</strong> Ehre Gottes. DieHeiligung des Namens ersteht aus dem an<strong>der</strong>en, aus dem zweitenTeil des Glaubens, aus <strong>der</strong> ernsten Gerechtigkeit, <strong>die</strong> <strong>der</strong> Vater anJesus Christus <strong>und</strong> am ganzen Leib aller se<strong>in</strong>er Gliedmaßen, anse<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de ausübt. Dadurch wird <strong>der</strong> dritte <strong>und</strong> letzte Teiloffenbar: <strong>die</strong> höchste Güte <strong>und</strong> Barmherzigkeit des Heiligen Geistes!Auf an<strong>der</strong>en Wegen kann das Wort Gottes niemals <strong>und</strong> nirgendserkannt <strong>und</strong> erfaßt werden.Soll <strong>der</strong> Mensch zur Erkenntnis des lebendigen Sohnes kommen,so muss er dasselbe Werk Gottes erwarten, wie es an Christusgeschehen ist: Er muss das Kreuz Christi tragen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Fußstapfenfolgen, wenn se<strong>in</strong> Wort <strong>in</strong> ihm lebendig werden soll. In <strong>der</strong> Tat, <strong>in</strong><strong>der</strong> Wirklichkeit will das Wort wahr werden. Das Mittel se<strong>in</strong>er Offenbarungist das Werk Jesu Christi, <strong>die</strong> Wahrheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gerechtigkeitdes gekreuzigten Sohnes Gottes. Der Mensch muss alle dreiArtikel des Glaubens an sich selbst erdulden, wenn er zur Erkenntnisdes höchsten Gutes kommen soll. Das ganze Wort soll <strong>in</strong> ihm lebendigempfangen werden. Geteilt gibt es sich nicht. In re<strong>in</strong>en aufgeschlossenenHerzen will es durch den Heiligen Geist Fleisch <strong>und</strong>Leben werden. Das aber geschieht unter großem Erschrecken <strong>und</strong>Erzittern wie bei Maria, als sie vom Engel den Willen Gottes hörte.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 301Auch <strong>in</strong> uns muss das Wort geboren werden. Auch bei uns kannes nicht an<strong>der</strong>s geschehen als durch Schmerzen, durch Armut <strong>und</strong>Elend von <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen.“Die neue Geburt br<strong>in</strong>gt das neue Leben. Wenn das Wortgeboren ist, wenn es <strong>in</strong> uns Fleisch geworden ist, leben wir<strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> ihrer Wohltat; wir leben nur Gott. So stehtunser Herz im Frieden. So werden wir als Geme<strong>in</strong>de JesuChristi Gottes Mutter <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong> Schwestern.Alsdann wird <strong>der</strong> dritte Teil des Glaubens offenbar: <strong>die</strong>Güte <strong>und</strong> Barmherzigkeit des Heiligen Geistes. Zu ihm kannniemand an<strong>der</strong>s gelangen als durch <strong>die</strong> tiefen Wasser <strong>der</strong> Not.Durch das Bad <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt wird <strong>der</strong> Mensch neu geboren.Er wird e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d Gottes; er wird e<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Jesu Christi. Erwird vom Tode auferweckt; er wird aus <strong>der</strong> Hölle herausgeführt;er wird lebendig gemacht <strong>in</strong> Christus. Durch das Kreuz hat erChristus angenommen. Nun kann er bekennen, dass Christus<strong>in</strong> das Fleisch gekommen ist; denn er wohnt <strong>in</strong> ihm. Alle, <strong>die</strong>das erfahren, werden durch den Heiligen Geist regiert. Durchdas Wort Gottes ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> ihnen <strong>der</strong> dritte Teil des Glaubens.Der Heilige Geist verleugnet <strong>in</strong> ihnen <strong>die</strong> ganze Welt. Er lebt <strong>in</strong>ihnen als das lebendige Wort <strong>der</strong> ewigen Wahrheit.Das wahre Licht – Christus – sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> allen Menschen,denen durch das Kreuz <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Leiden <strong>die</strong> Erkenntnis deslebendigen Wortes eröffnet wird. Nun erkennen sie alle <strong>die</strong>Güte <strong>und</strong> Barmherzigkeit Gottes. Die Liebe Gottes kannniemand <strong>in</strong> Wahrheit sehen <strong>und</strong> erkennen, solange das Herzmit weltlicher Lust überzogen ist. Durch den Heiligen Geist abersieht man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit das lebendige Wort, denn er br<strong>in</strong>gtden gekreuzigten Christus <strong>in</strong> unser Leben; <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lichtwird <strong>die</strong> ganze Schrift mit allen Reden <strong>und</strong> Worten Gottes <strong>und</strong>Christi <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>igen Dreiheit erfasst. In <strong>die</strong>ser <strong>E<strong>in</strong></strong>heit spricht<strong>die</strong> Schrift vom rechten göttlichen Leben. Man muss es im Geistsehen, wie man dazu kommt. Das lebendige Wort wird es unsvor Augen stellen, auch wenn es nicht auf den Seiten <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>geschrieben wäre, <strong>die</strong> wir gerade vor uns haben; denn alle,<strong>die</strong> den Geist Gottes haben, vermögen alle D<strong>in</strong>ge von <strong>die</strong>seme<strong>in</strong>en Geist aus zu beurteilen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 302Der Heilige Geist pflanzt <strong>der</strong> glaubenden Geme<strong>in</strong>de daslebendige Wort <strong>in</strong>s Herz. Durch ihn ist Christus das <strong>in</strong> <strong>der</strong>Geme<strong>in</strong>de lebende Wort. Christus steht als das <strong>in</strong>wendige Wort<strong>in</strong> allen Glaubenden im vollen <strong>E<strong>in</strong></strong>klang mit je<strong>der</strong> Zeile, <strong>die</strong> <strong>in</strong>den Schriften se<strong>in</strong>er von demselben <strong>in</strong>wendigen Wort erfülltenApostel <strong>und</strong> Propheten zu f<strong>in</strong>den ist. Sie zeugen <strong>in</strong> Wahrheitvon ihm als dem Spen<strong>der</strong> des Lebens. Das Wort gew<strong>in</strong>nt <strong>in</strong>jedem Glaubenden Leben. Im Herzen wird es lebendig. Esgilt, den ewigen, den lebendigen Christus im Innersten als dasLeben wirkende Wort zu erfassen. Er selbst ist das lebendigwerdende Wort, <strong>der</strong> Morgenstern <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sonne desglaubenden Herzens.Nur durch das Licht des Christus kann das <strong>in</strong>wendige Lebenverdunkelter Menschen von aller Unklarheit befreit werden.Das Wort Gottes fällt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzen sterblicher <strong>und</strong> irren<strong>der</strong>Menschen, um sie von Gr<strong>und</strong> auf mit göttlichem Geist <strong>und</strong>christlichem Leben zu erfüllen. Von <strong>in</strong>nen heraus will Christus,das lebende Wort, alles verän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> umgestalten. Sobaldabsterbende Menschen <strong>in</strong> ihrem Inneren dem Ruf folgen:“Richtet euer Herz auf alle <strong>die</strong> Worte, <strong>die</strong> ich euch heutebezeuge” (Joh.5,24 ff.), werden sie das lebendige Wort selbsterfahren. Mit <strong>die</strong>sem tiefgreifenden Ruf hat Gott se<strong>in</strong> Volk zuallen Zeiten aufgeweckt.Das Herz für das lebendige Wort bereitzumachen, ist <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zige Weg zur Genesung unseres absterbenden Lebens.Der Besuch e<strong>in</strong>es Arztes kann nur dann Erfolg haben, wennsich <strong>der</strong> Kranke se<strong>in</strong>e Worte zu Herzen nimmt <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>erAnweisungen außer acht läßt. Vor allem muss <strong>der</strong> törichteKranke aufhören, sich nach eigenen Gedanken o<strong>der</strong> auf Gr<strong>und</strong>nachbarlicher Ratschläge selbst kurieren zu wollen. UnserHerz kann nur dann geheilt werden, wenn es alle Worte dessenannimmt, <strong>der</strong> gesagt hat: “Ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gebieter, de<strong>in</strong> Arzt!”(2.Mo.15,26). Das <strong>in</strong>wendige Wort br<strong>in</strong>gt den Arzt, <strong>der</strong> selbst<strong>die</strong> heilende Arznei ist. Er br<strong>in</strong>gt Heilung durch se<strong>in</strong>e lebendigeGegenwart. Das <strong>in</strong>nere Essen <strong>und</strong> Tr<strong>in</strong>ken des Lebenspendenden Wortes bedeutet das Aufnehmen des Heilers <strong>und</strong>se<strong>in</strong>er Heilung.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 303Dies weist auf das Geheimnis h<strong>in</strong>, das so viele Fre<strong>und</strong>e Jesuaus dessen Nähe vertrieben hatte: “Wenn ihr nicht das Fleischdes Menschensohnes esset, wenn ihr nicht se<strong>in</strong> Blut tr<strong>in</strong>ket, sohabt ihr ke<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> euch!” (Joh.5,53). <strong>E<strong>in</strong></strong>e so harte Redemusste alle von ihm abwenden, <strong>die</strong> nicht um jeden Preis entschlossenwaren, <strong>die</strong> letzte Lebense<strong>in</strong>heit mit ihm zu gew<strong>in</strong>nen.Nur wer wie Petrus <strong>die</strong> Kraft des lebendigen Wortes erfahrenhatte, konnte sagen: “Herr, woh<strong>in</strong> sollen wir gehen? Du hastWorte des Lebens, das für immer Leben bleibt” (Joh.6,68).Wir müssen <strong>die</strong> Worte des Retters zu Herzen nehmen, wirmüssen ihn selbst aufnehmen, wenn wir uns nicht verlorengebenwollen. Wenn se<strong>in</strong> Wort heilen soll, muss es auf demHerzen liegen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> brennen. Als aufgeschlagenesBuch glühen<strong>der</strong> Wahrheit liegt das Wort vor uns wie auf e<strong>in</strong>emTisch, an dem mit ganzer <strong>Seele</strong> gelesen <strong>und</strong> gearbeitet wird.Je<strong>der</strong> Buchstabe soll im Herzen zu lebendigem Feuer werden.Nur durch das Herz gibt es e<strong>in</strong> Aufnehmen des Wortes.Und dennoch ist es nicht das menschliche Herz selbst, dasden <strong>in</strong>neren Gehalt <strong>und</strong> Wert des Wortes lebendig werden lässt.Wohl weckt es uns im Innersten auf <strong>und</strong> das Erwachen desHerzens ist <strong>der</strong> erste Schritt <strong>in</strong>neren Werdens. Wie könnte manan den Lebendigen glauben, wenn man von ihm nichts gehörthatte! Man hört ihn mit dem erwachenden Ohr des Herzens –langsam ersteht <strong>der</strong> Glaube! Entscheidend ist <strong>die</strong> St<strong>und</strong>e, <strong>in</strong><strong>der</strong> es zu jenem Glauben kommt, den alle<strong>in</strong> Gott geben kann.Der Glaube an Gott ist das Erwachen vom Tode. Er hält sichwie Maria an den lebendigen Samen des Heiligen Geistes, andas <strong>in</strong>wendig wirkende Wort Gottes. In jedem lebendigen Wortist Gott, nur Gott alle<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Handelnde.Peter Ridemann 70 zeigt es am Beispiel <strong>der</strong> jungfräulichenMutter Jesu, wie das Wort im Herzen <strong>der</strong> Glaubenden lebendigwird:“Maria wurde mit dem Heiligen Geist versiegelt, sobald sieglaubte ... Der Heilige Geist wirkte bei ihrem Glauben mit. So nahm_________________70Peter Ridemann, 1506-1556, war 27 Jahre lang erwählter “Diener amWort” <strong>der</strong> Hutterischen Brü<strong>der</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 304das geglaubte Wort von ihr <strong>die</strong> menschliche Natur an ... Durch dasZusammenkommen des Heiligen Geistes mit dem Glauben wurdedas Wort empfangen. So ist <strong>der</strong> Mensch geworden.”Maria glaubte das ihr verkündigte Wort; durch den Glaubenempf<strong>in</strong>g sie den Heiligen Geist. So empf<strong>in</strong>g sie Christus. Erwurde von ihr geboren. Wer christlich neugeboren werden will,muss wie Maria zuerst das Wort hören; <strong>und</strong> weiter: er muss ihmglauben.Wer von Gott geboren werden will, muss achthaben, wie sich<strong>die</strong> Geburt Christi zugetragen hat. Sie ist im Glauben durch <strong>die</strong>Wirkung des Heiligen Geistes geschehen. Jede Wie<strong>der</strong>geburtaus Gott geschieht ebenso. Wenn das Wort gehört <strong>und</strong> geglaubtwird, so wird <strong>der</strong> Glaube mit dem Heiligen Geist versiegelt. DerHeilige Geist erneuert den Menschen <strong>und</strong> macht ihn lebendig<strong>in</strong> Gottes Gerechtigkeit. Der Mensch wird e<strong>in</strong>e neue Kreatur.Er wird e<strong>in</strong> neuer Mensch. Er wird nach Gottes Bildnis gestaltet.Wo man dem Wort glaubt, macht Gott se<strong>in</strong> Wort lebendig,<strong>in</strong>dem er den k<strong>in</strong>dlichen Geist schenkt. Durch das lebendigeWort lebt <strong>der</strong> Mensch von nun an <strong>in</strong> dem heiligen göttlichenLeben des Reiches Gottes.Der Glaube kommt aus <strong>der</strong> Verkündigung; <strong>die</strong> Verkündigungaber durch Gottes Wort. Das Leben schaffende Wort ist zuerstda. Der Glaube ist das Zweite, das persönlich Entscheidende.Es ist e<strong>in</strong> Aufwachen des Menschen aus dem Tode, wenn erdas Wort Gottes <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Herz aufnimmt. Nun soll es lebendigwerden. Der Glaube hält am Wort fest, wie es Maria tat. Als<strong>in</strong>nerlich keimen<strong>der</strong> Same will es im Herzen bleiben <strong>und</strong> <strong>in</strong>sLeben h<strong>in</strong>austreten. Auf dem Gr<strong>und</strong>e <strong>der</strong> <strong>Seele</strong> e<strong>in</strong>gewurzeltwill das Wort <strong>in</strong>s Weite wachsen. Von <strong>in</strong>nen heraus will esalles Wirken <strong>und</strong> Werden des Glaubens anregen <strong>und</strong> vorantreiben.Das lebendig machende Wort wird an se<strong>in</strong>em Wachstumoffenbar.Der Heilige Geist macht das Wort lebendig; <strong>in</strong> ihm br<strong>in</strong>gt erdas Werk se<strong>in</strong>er Liebe hervor. Er handelt nicht unter dem Zwangdes toten Gebots, son<strong>der</strong>n er ist <strong>der</strong> lebendige F<strong>in</strong>ger Gottes,mit welchem Gott selbst se<strong>in</strong> liebendes Wort <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 305e<strong>in</strong>zeichnet. Das Wort des Geistes ist das lebendige Wortse<strong>in</strong>es Werkes, denn es durchdr<strong>in</strong>gt <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Geist. Erzerstört <strong>die</strong> Werke des Teufels <strong>und</strong> vollbr<strong>in</strong>gt das Werk Gottes.Alle, <strong>die</strong> das versprochene Reich ererben sollen, müssen durchdas lebendige Wort geboren werden. Alle, <strong>in</strong> denen das Wortdurch den Heiligen Geist lebt, kennen den lebendigen Gott <strong>und</strong>das Reich se<strong>in</strong>es Werkes.Das Wort des Geistes gibt allem, was das tote Gesetzvergeblich for<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>en letzten geistlebendigen S<strong>in</strong>n. In Gottesgeistlicher Lebensordnung wird alles <strong>in</strong> lebendiger Gotteskraftvollendet. Soweit das geschriebene Gesetz buchstabisch ist,wurde es durch Christus aufgehoben; denn er hat se<strong>in</strong>en Geistgegeben, <strong>der</strong> nichts Totes mit sich br<strong>in</strong>gt. Das lebendige Wortführt zur Buße von allen toten Werken. Der Buchstabe ist tot<strong>und</strong> verbreitet Tod. Ohne den Geist kann das Wort <strong>die</strong> Gerechtigkeit,<strong>die</strong> vor Gott gilt, niemals erlangen. Durch den lebendigenGeist werden wir vom Gesetz <strong>und</strong> dem ihm eigenen Todeswerkfür immer befreit. Leben wir im Geist, so s<strong>in</strong>d wir nicht mehrunter dem Gesetz (Röm.8,2).Es gibt ke<strong>in</strong>e Freiheit <strong>der</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft ohne das imInwendigen lebendige Wort. Se<strong>in</strong>e Kraft befreit vom Buchstabendes Gesetzes <strong>und</strong> führt zum tätigen Leben lebendigenGlaubens. Der Gehorsam des Glaubens befreit von buchstabischerKnechtschaft. Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe ist er tätig; <strong>und</strong> Liebeist Freiheit. Die Gerechtigkeit aus dem Glauben weiß um <strong>die</strong>Quelle ihres Lebens: “Das Wort ist dir nahe, sehr nahe; es ist<strong>in</strong> de<strong>in</strong>em M<strong>und</strong>e <strong>und</strong> <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em Herzen” (Röm.10,8). Wo dasWort Herzenssache geworden ist, ist es frei <strong>und</strong> lebendig.Letzte Entscheidung bedeutet es, ob wir das Wort Gottes nur“aufschlagen” <strong>und</strong> “betrachten”, ob wir es nur hören <strong>und</strong> lesen,ob wir es nur verstehen <strong>und</strong> überlegen, ob wir es nur billigen<strong>und</strong> anerkennen – o<strong>der</strong> ob wir es im tiefsten Innern des Herzensals lebendigen Samen Gottes empfangen <strong>und</strong> behalten. Wasnützt <strong>die</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Quelle, wenn man nicht tr<strong>in</strong>kt? Wasnützt das Wort, wenn man es auswendig kennt? Auch wenn <strong>der</strong>Buchstabe noch so bekannt ist – er bleibt draußen. Die Wurzeln<strong>der</strong> lebenden Blume aber saugen das Wasser auf <strong>und</strong> haltenes fest. Von <strong>der</strong> Tiefe aus soll es durch alle Fasern Lebenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 306treiben. Die Wirkung des lebendigen Wortes ist <strong>die</strong> des lebendigenWassers; se<strong>in</strong> Leben quillt <strong>und</strong> steigt <strong>in</strong> alle Zweige.Deshalb hat Jesus gesagt: “Ich gebe lebendiges Wasser. Weres auch sei, <strong>der</strong> von dem Wasser tr<strong>in</strong>ken wird, das ich ihm gebe,ihn wird <strong>in</strong> alle Ewigkeit nicht dürsten. Das Wasser, das ich ihmgebe, wird <strong>in</strong> ihm e<strong>in</strong>e Quelle werden, <strong>die</strong> <strong>in</strong>s Leben h<strong>in</strong>ausströmt,<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Leben, das für immer Leben bleibt” (Joh.4,14).Das lebendige Wort des Geistes ist <strong>der</strong> Quell des Lebens. Erist im Herzen des Glaubenden. Der wirkende Christus lebt imHerzen als das lebendige Wort. In Christus trägt das zeugende<strong>und</strong> gebärende Wort <strong>die</strong> Kräfte göttlichen Lebens. In <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>geburt,<strong>die</strong> durch das Wort des Geistes geschieht, beg<strong>in</strong>ntdas niemals wie<strong>der</strong> zu unterdrückende Leben <strong>der</strong> Ewigkeit.Der <strong>in</strong>wendige Same des Wortes ist stärker als alles. Er überw<strong>in</strong>det<strong>die</strong> Keime <strong>der</strong> Vergiftung. Er scheidet <strong>Seele</strong> <strong>und</strong> Geist.Das lebendige Wort trennt das Leben vom Tod. Es warnt vorje<strong>der</strong> Zerstörung. Es erweckt <strong>und</strong> för<strong>der</strong>t göttliches Leben. Eserweist sich als Richter aller Gedanken <strong>und</strong> Ges<strong>in</strong>nungen. Esbr<strong>in</strong>gt Licht über uns selbst. Es erstrahlt im Licht dessen, <strong>der</strong>selbst das Leben ist. Das <strong>in</strong>nere Wort ist das <strong>in</strong>nere Licht. Eserrettet von aller Verf<strong>in</strong>sterung. Es versetzt <strong>in</strong> das LichtreichGottes. In unser Inneres e<strong>in</strong>gepflanzt, entfaltet es sich als <strong>der</strong>leuchtende Baum des Lebens.Anstelle des wuchernden Eigenlebens wächst aus dem Innerstenheraus <strong>die</strong> Wahrheit <strong>der</strong> Liebe Gottes. Die Menschenweltist Acker <strong>und</strong> Garten des lebendigen Samens. Das Lebenswortverwirklicht <strong>in</strong> ihr den Gotteswillen. Das Gotteswort ist GottesPflanzung. Se<strong>in</strong> Same entspr<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>em lichten Herzen. Erkämpft gegen den Samen <strong>der</strong> F<strong>in</strong>sternis. Das wachsende <strong>und</strong>fruchttragende Wort duldet ke<strong>in</strong> Unkraut menschlicher Werke.Das zur Tat werdende <strong>in</strong>nere Wort füllt das Herz aus. Es nimmtdas ganze Leben e<strong>in</strong>, bis alles ausgeschieden ist, was GottesPflanzung ver<strong>der</strong>ben will.Alles, was nicht aus dem Samen <strong>der</strong> neuen Anpflanzungerwächst, gehört zum Ackerboden, <strong>der</strong> noch manchen an<strong>der</strong>enSamen <strong>der</strong> alten Anlage <strong>und</strong> ihres Unkrauts enthält. Nur dasneue Saatgut ist fruchtbar. Hier geschieht das Wun<strong>der</strong> Gottes.Der Acker bleibt schwach <strong>und</strong> mager. Das lebendige Wort, dasw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 307von Gott ausgeht, ist an<strong>der</strong>s als <strong>die</strong> schwachen Gedanken<strong>und</strong> mageren Taten <strong>der</strong> Menschen. Der lebendige Same desReiches Gottes will als starker Baum <strong>die</strong> ganze Welt umspannen.Das Wort <strong>der</strong> Wahrheit ist Gottes lebendiges Herz. Es ist<strong>der</strong> schaffende Gott selbst. Denn es ist <strong>der</strong> alles beherrschendeChristus.Die Augen des <strong>E<strong>in</strong></strong>en, <strong>der</strong> als das neue Wort lebendig <strong>und</strong>wirksam ist, offenbaren das Chaos des alten verdorbenenSe<strong>in</strong>s. Als <strong>der</strong> Geist Jesu schwebt das lebendige Wort über<strong>der</strong> Tiefe des Tohuwabohu (1.Mo.1,2). Jesu Blick offenbart <strong>die</strong>schöpferische Macht <strong>der</strong> Gottesliebe, <strong>die</strong> vollkommene Wie<strong>der</strong>herstellungallen wahrhaftigen Lebens.Im Auge dessen, <strong>der</strong> vom Lebendigen aus spricht, lebt dasLicht <strong>der</strong> neuen Schöpfung. Jesus ist <strong>der</strong> sprechende Gott.Christus ist das lebendige Wort des Gottesherzens. Die neueGlut se<strong>in</strong>es Wortes ist <strong>die</strong> Liebe Gottes. Das Aufnehmen desChristuswortes wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er liebenden Geme<strong>in</strong>de zu e<strong>in</strong>erunbeschreiblichen Freude im Heiligen Geist, zur Freude <strong>in</strong> Gott,zur Freude an se<strong>in</strong>er neuen Schöpfung. Die Geme<strong>in</strong>de lebt <strong>in</strong>dem Jubel des schöpferischen Geisteswortes, das Christus <strong>in</strong>Gott <strong>die</strong> Ehre gibt.Das entscheidende Kennzeichen, ob Jesus im Herzenlebendig ist, liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirkung des schöpferischen Wortes.Das Wort ist Christus. Das Empfangen des lebendigen Wortesoffenbart sich als das Aufnehmen des lebend gegenwärtigenChristus. Er, <strong>der</strong> <strong>die</strong> wirkende Wahrheit ist, umfasst alle Wahrheitengöttlichen Lebens. Das umfassende Wort <strong>der</strong> Wahrheitbezeugt den ganzen Christus. Jesus Christus ist <strong>der</strong> lebendigeInhalt des Wortes. <strong>E<strong>in</strong></strong>e letzte geheimnisvolle <strong>E<strong>in</strong></strong>heit verb<strong>in</strong>det<strong>die</strong> Lebenskraft des <strong>in</strong>wendigen Wortes mit <strong>der</strong> unmittelbarenNähe Jesu Christi.Das Wort Gottes lebte, bevor <strong>die</strong> ersten Blätter <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>geschrieben waren. Es lebte im Anfang aller D<strong>in</strong>ge. Es offenbartedas <strong>in</strong>nere Wesen des schöpferischen, liebenden Gottes.Gottes Wort ist Gottes Offenbarung. Es ist Gottes schöpferischeKraft. Wie <strong>die</strong> Weisheit Gottes ist es lebendig <strong>und</strong> wirksam.Es ist Gott; denn es ist Gottes Geist <strong>und</strong> Gottes Sohn. Es istw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 308Christus. Als Offenbarer des göttlichen Lebens <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er freienSchenkung wurde es Fleisch. Es wohnte unter den Menschen.In Jesus Christus offenbarte es <strong>die</strong> ganze Wahrheit Gottes als<strong>die</strong> völlige Liebe se<strong>in</strong>es Herzens.Auch nach dem Abschluß des letzten Blattes <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> bleibtes das lebendige, das schöpferische Wort, das es im Anfangwar <strong>und</strong> das es bis über das Ende h<strong>in</strong>aus bleiben wird. Es ist<strong>und</strong> bleibt göttlichen Wesens. In all se<strong>in</strong>er schöpferischen Wirksamkeitist es e<strong>in</strong>s mit dem lebendigen Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er ewigenLiebe. Wo immer neues Leben ersteht, lebt es alle<strong>in</strong> aus ihm.Als freie Gabe Gottes nimmt es Gestalt an. Es br<strong>in</strong>gt das ReichGottes. Es beseelt <strong>und</strong> baut <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de. Es wohnt im Innerstendes Tempels Gottes. Nun erfüllt es alle Boten <strong>der</strong> Gottesstadtmit Geist <strong>und</strong> Leben.Das <strong>in</strong>wendige Wort offenbart <strong>die</strong> Wahrheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Liebe un<strong>der</strong>schließt <strong>die</strong> Liebe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrheit. Es spricht unmittelbarvon Gott aus <strong>in</strong> den Herzen <strong>der</strong> Glaubenden; was es zu sagenhat, sagt es im Geist. Was es gibt <strong>und</strong> for<strong>der</strong>t, gilt unbed<strong>in</strong>gt,denn das Wort Christi ist Geist <strong>und</strong> Wahrheit. Se<strong>in</strong> unbed<strong>in</strong>gtesSollen ist ke<strong>in</strong> buchstabisches Gesetz, son<strong>der</strong>n glühendesVerlangen des Herzens <strong>und</strong> heiliges Müssen all <strong>der</strong>er, <strong>in</strong> denenes se<strong>in</strong>e Liebe entzündet hat. Es ist nicht trockene Vorschrift;es ist lebendiger Drang. Es ist nicht düstere Bedrohung; es istdas leuchtende Licht <strong>in</strong>nerster Befreiung. Es ist nicht Buchstabe;es ist Leben – es ist Geist – es ist Christus - es ist Gott.In <strong>der</strong> Reformationszeit, als das lebendige Wort von neuemmit ungeahnter Kraft hervorbrach, bezeugte Ulrich Stadler 69 :“Das Wort ist Fleisch geworden, auf dass <strong>die</strong>ses se<strong>in</strong> Fleisch regiertwerde im Wort durch den Heiligen Geist. Wo das geschieht,kommt es zu dem apostolischen Bekenntnis: Ich lebe jetzt nicht,son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> mir lebt Christus (Gal.2,20): <strong>die</strong> Welt ist mir gekreuzigt;ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt tot. – Je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> Christum also bekennenkann, darf sich des lebendigen Wortes rühmen. Er kann von <strong>der</strong>Wahrheit Zeugnis geben. Alle an<strong>der</strong>n aber, <strong>die</strong> ohne solches Bekenntniskommen, bleiben im Geschrei äußerlichen Getöns; alle, <strong>die</strong>nicht <strong>in</strong> Christus leben, kommen mit totem Wort ohne Christus.”w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 309Ohne den Heiligen Geist <strong>und</strong> se<strong>in</strong> lebendiges Wort, ohne<strong>die</strong> Abtötung des alten <strong>und</strong> eigenen Lebens, ohne <strong>die</strong> Wirklichkeitdes neuen Lebens <strong>in</strong> Christus soll niemand wagen, dasWort Gottes zu predigen. In se<strong>in</strong>er Rechenschaft 71 fasst PeterRidemann <strong>die</strong>ses Bekenntnis zusammen:„Wer nicht auf Gott warten kann, wer <strong>die</strong> Gabe <strong>und</strong> Mitteilungdes Geistes nicht erwarten kann <strong>und</strong> vor <strong>der</strong> Zeit wirken will, wirktaus sich selbst heraus. Von ihm gilt das Wort:, Sie laufen, so dochich sie nicht gesendet habe; sie predigen, so doch ich ihnen nichtsbefohlen habe' (Jer.23,21). Deshalb bleibt ihr Predigen ohneFrucht.”Weil sie ohne den Geist s<strong>in</strong>d, haben sie <strong>die</strong> Lehre Christ<strong>in</strong>icht. Soll das Wort Botschaft se<strong>in</strong> <strong>und</strong> soll es Frucht br<strong>in</strong>gen,so muß es durch den Heiligen Geist geschehen. Die LehreChristi <strong>und</strong> ihre Sendung darf niemals mit menschlichem Willenvermischt werden. Sie darf alle<strong>in</strong> durch den Heiligen Geistvertreten werden. Die heiligen Menschen des alten B<strong>und</strong>es habengeredet, wie sie durch den Heiligen Geist getrieben waren.Um so mehr müssen jetzt <strong>die</strong> Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de so reden<strong>und</strong> lehren, wie <strong>der</strong> Heilige Geist <strong>in</strong> ihnen spricht. Sie haben zutun, was er durch sie wirkt. Nichts dürfen sie durch sich selbsttun; nichts sollen sie von sich aus sagen. Christus spricht: “Ihrwerdet es nicht se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> da reden, son<strong>der</strong>n me<strong>in</strong>es Vaters Geistwird durch euch reden” (Mt. 10,20). Nur so <strong>und</strong> nicht an<strong>der</strong>skann das Wort lebendig se<strong>in</strong>. Nur so kann es Frucht br<strong>in</strong>gen.Diese Wahrheit gilt für alles, was Wort ist, das heißt: für alles,was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de vor Menschen <strong>und</strong> vor Gott gesprocheno<strong>der</strong> gesungen wird. Wie das Wort <strong>der</strong> Lehre <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aussendung,wie <strong>die</strong> Anrufung <strong>und</strong> Anbetung, so ist auch das Wort<strong>der</strong> Lie<strong>der</strong> nur dann lebendig <strong>und</strong> wirksam, wenn <strong>die</strong> Gesänge<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de durch den Geist Gottes <strong>und</strong> durch se<strong>in</strong>e Anregungverfasst s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> wie<strong>der</strong>gegeben werden. An<strong>der</strong>e Lie<strong>der</strong>_________________71siehe Peter Ridemann: “Rechenschaft unsrer Religion, Lehr <strong>und</strong>Glaubens”; geschrieben im Gefängnis <strong>in</strong> Wolkersdorf <strong>in</strong> Hessen 540-1542;erstmals veröffentlicht 1565.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 310als <strong>die</strong> des Geistes gehören nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de. Sie dürfenalle<strong>in</strong> unter <strong>der</strong> Bewegung <strong>und</strong> Führung des Geistes gesungenwerden, aus dem sie entstanden s<strong>in</strong>d.Alle, <strong>die</strong> des Geistes s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>nen auf das, was des Geistesist. Wer im Geist spricht o<strong>der</strong> betet o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>gt, denkt jedem Wortnach. Der Geist selbst s<strong>in</strong>nt <strong>und</strong> wacht <strong>in</strong> ihm, daß alles zum Aufbaudes e<strong>in</strong>en Werkes <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sache des Geistes <strong>die</strong>nt.Der Heilige Geist macht das Wort lebendig, <strong>in</strong>dem er Christus<strong>in</strong> <strong>der</strong> Klarheit se<strong>in</strong>es umfassenden Zeugnisses <strong>in</strong>s Herz br<strong>in</strong>gt<strong>und</strong> <strong>die</strong> gesamte Zukunft se<strong>in</strong>es alle Welten umspannendenReiches offenbart. Der Geist <strong>der</strong> Wahrheit offenbart <strong>die</strong> LehreJesu als <strong>die</strong> lichtvolle Klärung aller D<strong>in</strong>ge. Alles, was Gottden Menschen sagen <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gen will, wird durch das Wort desGeistes <strong>in</strong> <strong>die</strong> rechte Ordnung des Ganzen gestellt. Der Geistweist e<strong>in</strong>em jeden den Platz zu, an den er nach Gottes Willengehört.Das Wort trifft jeden Menschen dort, wo Gott ihn treffen will.Ohne Gottes Geist gibt es ke<strong>in</strong> zweischneidiges Schwert desWortes. Das lebendige Wort, das Christus ist, durchschneidetdas Herz. Das Schwert des Geistes weiß, was es tut. Ohne se<strong>in</strong>escheidende Arbeit bleibt <strong>die</strong> Erkenntnis wie auch das Lebenverworren. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geist Christi führt zur rechten Ordnung <strong>in</strong><strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> Wahrheit <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weisheit des Lebens. Ohne<strong>die</strong>se Klärung bleiben Wort <strong>und</strong> Herz verwirrt <strong>und</strong> dunkel. Selbstwenn man den Menschen <strong>die</strong> ganze Schrift vor Augen stellt,br<strong>in</strong>gt das ohne Anordnung des Geistes we<strong>der</strong> Frucht nochBesserung. Nur <strong>der</strong>, bei dem sich des Geistes Art <strong>und</strong> Ordnung<strong>in</strong> allem Wort <strong>und</strong> Werk erweist, ist des Geistes Diener.Wer des Geistes K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Diener se<strong>in</strong>er Wahrheit se<strong>in</strong>will, muß des Geistes Kraft <strong>und</strong> Werk <strong>in</strong> jedem Wort, vor allemaber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben erkennen lassen. Wer es sich an<strong>der</strong>suntersteht, das Evangelium zu predigen, ist e<strong>in</strong> Dieb. Er handeltmit gestohlener Ware, <strong>die</strong> unter se<strong>in</strong>en Händen wertlosgeworden ist. Wer ohne <strong>die</strong> Kraft des Geistes wirken will, bevorChristus ihn ergriffen hat, ist e<strong>in</strong> Mör<strong>der</strong>. Er verdirbt <strong>die</strong>Menschen bis auf den Tod. Se<strong>in</strong> geistentleertes Wort ist tödlich.Es hat den Hauch <strong>der</strong> Verwesung. Es nimmt den Atem. Es tötetdas Leben.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 311Die Wahrheit Christi gehört nicht dem tötenden Buchstaben,son<strong>der</strong>n dem lebendig machenden Geist. Deshalb darf ke<strong>in</strong>Mensch sie im M<strong>und</strong>e führen, wenn er nicht den Geist Gotteshat. Wer aber den Geist empfängt, soll das Wort verkündigen.Er soll es denen verkündigen, <strong>die</strong> auf den Geist warten. Imgesprochenen <strong>und</strong> geschriebenen Zeugnis verleiht im Tiefstennur <strong>der</strong> Geist <strong>die</strong> Gotteskraft des lebendigen Wortes. Nach demAussprechen <strong>und</strong> Nie<strong>der</strong>schreiben des Wortes erweist sichse<strong>in</strong>e ursprüngliche schöpferische Kraft erneut als dessenlebendiges Wesen.Peter Ridemann 70 macht deutlich, dass das Wort <strong>der</strong> Wahrheitalle<strong>in</strong> durch den Heiligen Geist Jesu Christi lebendig,wirksam <strong>und</strong> fruchtbar se<strong>in</strong> kann. Deshalb dürfen nur solchemit <strong>die</strong>sem heiligen Wort umgehen <strong>und</strong> es bezeugen, <strong>die</strong> denlebendig machenden Geist des Wortes mit sich br<strong>in</strong>gen. Auchfür Ulrich Stadler 69 s<strong>in</strong>d Zeichen des lebendigen Wortes imGeist Jesu Christi, des Gekreuzigten, Zeichen des lebendigenGottes. Denn alles, was <strong>der</strong> Heilige Geist mitteilt, wirkt Gottdurch <strong>die</strong> Gerechtigkeit des Kreuzes, um <strong>die</strong> es se<strong>in</strong>em Wortgeht. Der Mensch, <strong>der</strong> im Glauben den Geist empfängt, erleidet<strong>und</strong> erlebt <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes auf dem Weg des Kreuzes.Es geht um den Glauben an Gott. Paulus sagt zu den Römern:“Der Glaube kommt aus dem Gehör <strong>der</strong> Predigt; dasGehör aber kommt durch das Wort Gottes” (Röm.10,17). Dierechte Schrift <strong>und</strong> Predigt ist nicht <strong>in</strong> sich selbst Gottes Wort;<strong>die</strong>ses geht ihr vielmehr voraus <strong>und</strong> br<strong>in</strong>gt sie hervor. VonGottes Wort <strong>und</strong> Geist erfüllte Menschen schreiben <strong>und</strong> redenaus dem unsichtbar <strong>und</strong> unhörbar e<strong>in</strong>gegebenen Wort heraus,was das Auge lesen <strong>und</strong> das Ohr hören kann. Der Glaube <strong>und</strong>das geglaubte Wort selbst gehören dem unsichtbaren Gott. Dasäußere Auge sieht Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Wort nicht; das äußere Ohr hörtihn selbst <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Reden nicht. Je<strong>der</strong> rechte Prediger muß imTiefsten se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> vom wahrhaftigen Wort Gottes überwältigtse<strong>in</strong>. Christus alle<strong>in</strong> ist das Wort Gottes. Mit Christus muss <strong>der</strong>Diener des Wortes durch das Leiden des Kreuzes wesenhafte<strong>in</strong>s geworden se<strong>in</strong>, wenn er das Wort verkündigen will, dessenGeheimnis das Kreuz Christi ist.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 312Das Wort, das <strong>der</strong> Mensch predigt, ist e<strong>in</strong> Zeichen des wahrhaftigenWortes, das alle<strong>in</strong> Gott sprechen kann. Gott sprichtes <strong>in</strong> Christus. Das ewige Wort wird von ke<strong>in</strong>em Menschengeschrieben, geredet o<strong>der</strong> gepredigt. Die Schriften <strong>der</strong> Apostel<strong>und</strong> Propheten <strong>und</strong> das <strong>in</strong> Wahrhaftigkeit gepredigte Wortgehören zur Kreatur Gottes, <strong>die</strong> ihren Schöpfer zu verkündigenhat. Sie s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> sich selbst Christus, das lebendigeWort, das alle<strong>in</strong> dem Schöpfer zugehört. Wer <strong>die</strong> Schrift ihrerrechten Würde gemäß brauchen will, <strong>der</strong> muss sie <strong>und</strong> mit ihrdas gesprochene Wort aufs höchste von dem <strong>in</strong>nerlichen Wortdes glaubenden Herzens unterscheiden.An erster Stelle steht für immer das unmittelbar lebendigeWort. Es ist da, sooft Gott selbst zum Herzen spricht. Es lebt <strong>in</strong>dem Geist Jesu Christi. Erst dann folgt das gesprochene <strong>und</strong>geschriebene Wort <strong>der</strong> Schüler Gottes <strong>und</strong> Jesu Christi. Essetzt das erste voraus. Es geht aus ihm hervor. Zuerst mussman von Gott selbst gelehrt se<strong>in</strong>. Nur wenn Schrift <strong>und</strong> Predigtvon <strong>der</strong> Kraft des Heiligen Geistes begleitet s<strong>in</strong>d, wird durch <strong>die</strong>Anregung des äußeren Wortes wie<strong>der</strong>um das <strong>in</strong>nere e<strong>in</strong>gegeben.Gott selbst lehrt se<strong>in</strong> Wort durch se<strong>in</strong>en Heiligen Geist.Christus hat se<strong>in</strong>en Aposteln ausdrücklich befohlen, das Wortzu verkündigen: “Prediget das Evangelium allen Kreaturen”(Mk. 16,15), <strong>und</strong> <strong>die</strong> Apostel haben den gewaltigen Unterschiedzwischen dem <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> dem äußeren Wort aufs deutlichstebezeugt. Sie zeigen, dass alles, was man vom Menschenhört, was man an <strong>der</strong> Kreatur sieht o<strong>der</strong> was man <strong>in</strong> Büchernlesen kann, niemals das lebendige Wort Gottes selbst ist. Manverwechsle nicht den Bericht <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>gabe mit demVorgang selbst, von dem er Nachricht gibt! Das Apostolat JesuChristi ist <strong>die</strong> Gesandtschaft se<strong>in</strong>es Reiches, <strong>die</strong> von ihremverbrieften Auftrag Bericht <strong>und</strong> Nachricht zu geben hat. Werihrer Botschaft glaubt, empfängt denselben Auftrag von Christusselbst. Der König behält es sich vor, se<strong>in</strong>e Botschafter selbst zuernennen <strong>und</strong> auszurüsten.Wie das äußere Wasser <strong>der</strong> Taufe <strong>und</strong> wie Brot <strong>und</strong> We<strong>in</strong>beim Abendmahl, so s<strong>in</strong>d auch Laut <strong>und</strong> Buchstabe <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>e<strong>in</strong> Abbild, e<strong>in</strong> Zeichen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Zeugnis für das wahrhaft Lebendige<strong>und</strong> Wesentliche. Das Zeichen weist von sich weg auf das,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 313wofür es steht. Es ist nicht selbst <strong>die</strong> Sache, um <strong>der</strong>entwillenes da se<strong>in</strong> soll <strong>und</strong> da se<strong>in</strong> muss. Das <strong>in</strong>nerliche <strong>und</strong> ewige,das lebendige Wort Gottes wird durch das äußerliche <strong>und</strong> vergänglicheWort <strong>der</strong> von ihm erfüllten Menschen bezeugt. Nur imHeiligen Geist fasst man <strong>die</strong>ses Zeugnis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sache, <strong>die</strong> eszu bezeugen hat. Es ist hier geradeso, wie wenn e<strong>in</strong> Zeichenvor e<strong>in</strong>em Wirtshaus wahrheitsgemäß bezeugt, dass <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emKeller We<strong>in</strong> ist. Das Zeichen für den We<strong>in</strong> ist nicht <strong>der</strong> We<strong>in</strong>.Es entspricht Gottes Ordnung, daß auf se<strong>in</strong>er ersten wieauf se<strong>in</strong>er neuen Schöpfung etwas Leibliches dem Geistlichenvorausgeht. Der Geist Gottes lebt, bevor er an se<strong>in</strong> Werk geht.Das Schreiben, Sprechen <strong>und</strong> Hören des Glaubens geht <strong>in</strong>unserer Welt dem Geisteswerk <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Rechtfertigungvoraus. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> vergebende <strong>und</strong> erneuernde Christus kanndas Handeln Gottes bewirken. Im Heiligen Geist br<strong>in</strong>gt er sodas lebendige Wort mit <strong>der</strong> Vollmacht Gottes <strong>in</strong> das Herz desMenschen.In <strong>der</strong> Rechtfertigung, <strong>die</strong> alle<strong>in</strong> Christus selbst ist, geht <strong>der</strong>Same Gottes als <strong>der</strong> Glaube auf, <strong>der</strong> sich im Sturm gegen Gott<strong>und</strong> alle Kreatur bewährt. Gott selbst bestätigt den glaubendenMenschen durch den Heiligen Geist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Herzen mitdem lebendigen Wort Christi; so empfängt er <strong>die</strong> GerechtigkeitGottes, <strong>die</strong> Rechtfertigung Christi <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> <strong>und</strong>se<strong>in</strong>es Herzens. Durch den Geist wird es mit dem lebendigenF<strong>in</strong>ger Gottes e<strong>in</strong>gezeichnet. Ist es durch den Geist Gottes <strong>in</strong>ihm e<strong>in</strong>gepflanzt, so lebt er im Gehorsam des Glaubens nach<strong>der</strong> Weisung <strong>die</strong>ses lebendigen Geistes, nach dem ganzenWort Gottes <strong>und</strong> Jesu Christi. Das Herz ist von Christus ergriffen.Es ist mit se<strong>in</strong>em Geist erfüllt. Nun wird auch das Leibliche<strong>und</strong> Stoffliche vom Geist gestaltet, wie er es for<strong>der</strong>t.In <strong>der</strong> Kraft des Glaubens br<strong>in</strong>gt das neue Gebot neuesLeben hervor. Das wahrhaftige Leben ist niemals alt. Das k<strong>in</strong>dlicheLeben des Geistes kann nicht an<strong>der</strong>s als immer wie<strong>der</strong>neu se<strong>in</strong>. Es ist das neue Leben <strong>der</strong> Liebe. Wenn das neueWort <strong>in</strong> uns lebt, wenn es uns regiert <strong>und</strong> zur neuen Geburtbr<strong>in</strong>gt, wenn unser ganzer S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Mut von se<strong>in</strong>em Wesenerfüllt ist, wie es Gott von uns haben will, dann wird dasZeugnis, das Mose <strong>und</strong> David, <strong>die</strong> Propheten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Apostelw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 314nie<strong>der</strong>geschrieben haben, zum lebendigen Wort <strong>in</strong> uns: dasWort wird zum neuen Mensch <strong>in</strong> Christus Jesus. Deswegenheißt das im lebendig machenden Geist lebendig gewordeneWort: <strong>der</strong> neue B<strong>und</strong>, das Neue Testament.Das bezeugt <strong>die</strong> Schrift <strong>der</strong> Propheten Gottes <strong>und</strong> <strong>der</strong>Apostel Jesu Christi. Das unendliche Wort muß e<strong>in</strong> je<strong>der</strong> beisich selbst f<strong>in</strong>den, wenn er wirklich <strong>und</strong> wahrhaftig nach nichtsan<strong>der</strong>em als nach dem Reich Gottes trachten will. Es hilftke<strong>in</strong>em, dass er alles weiß, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schrift geschriebensteht. An sich selbst muss er das Werk <strong>der</strong> Rechtfertigung erdulden.Christus will es ihm als das lebendige Wort <strong>in</strong>s Herzbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> <strong>in</strong>s Leben stellen. Geschieht das nicht, so bleibt ertot, wie alle Weltmenschen tot s<strong>in</strong>d. Wenn er ohne das <strong>in</strong> ihmlebendige Wort Gottes auch <strong>die</strong> ganze <strong>Bibel</strong> auswendig wüßte, soist se<strong>in</strong> noch so großes <strong>und</strong> lautes Bekenntnis nichts als e<strong>in</strong> Wahn.Es br<strong>in</strong>gt we<strong>der</strong> ihm noch an<strong>der</strong>en Menschen den ger<strong>in</strong>gstenNutzen.Der Mensch aber, <strong>der</strong> sich Gott zu e<strong>in</strong>em lebendigen Opferh<strong>in</strong>gibt, <strong>in</strong>dem er <strong>in</strong> Christus <strong>der</strong> ganzen Welt absagt, hört dasWort des Geistes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Herzen. Er glaubt dem Wort <strong>und</strong>nimmt es auf. Für den, <strong>der</strong> nicht durch den <strong>in</strong>wendigen Christusgerechtfertigt ist, dessen Glaube nicht durch das <strong>in</strong> ihm lebendigeWort bestätigt ist, <strong>der</strong> nicht <strong>in</strong> Christi Leiden erprobt ist <strong>und</strong>sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kreuz bewährt, wird das Wort auf allen se<strong>in</strong>enWegen toter Laut <strong>und</strong> toter Buchstabe bleiben. Der aufgehobeneF<strong>in</strong>ger dessen, <strong>der</strong> von dem Wort Bericht gibt, verweistauf den Weg des Gekreuzigten. 72 Das äußere Wort ist gegenüberdem lebendigen Wort wie e<strong>in</strong> gemaltes totes Bild gegenüberdem lebendigen Menschen, den das Bild darstellt.Wenn man <strong>die</strong> Leute mit noch so lauten Worten überredenwollte, dass das Bekenntnis, das man predigt, das Zeugnis, dasman hört, <strong>der</strong> Buchstabe, den man <strong>in</strong> den Büchern liest, GottesWort sei, so bleibt <strong>der</strong> Mensch unter solcher Lehre immer ungesättigt<strong>und</strong> leer. Wenn das äußere Wort für sich alle<strong>in</strong> bleibt,_________________72Der Autor verweist hier auf das Isenheimer Altarbild des MatthiasGrünewald, wo <strong>der</strong> Apostel Johannes mit se<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>ger auf denauferstandenen Christus weist.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 315erfolgt ke<strong>in</strong>e Besserung. Ohne das lebendige Geisteswortbleibt alles beim Alten. Wort <strong>und</strong> Wort gehören zusammen. Das<strong>in</strong>nerliche Wort ist das Wahrhaftige <strong>und</strong> Wesentliche. Es ist ewige<strong>und</strong> allmächtige Gotteskraft; es wird durch niemanden verän<strong>der</strong>t;es wird durch ke<strong>in</strong>e Auslegung abgewandelt. In den glaubendenMenschen ist es von gleicher Art <strong>und</strong> Gestalt wie Gott,denn es ist Gott. Als Gott selbst kommt es zu den Glaubenden.Es vermag alle D<strong>in</strong>ge. Es eröffnet das Neue. Deshalb sagtJohannes über das neue Gebot: “Es ist <strong>in</strong> ihm <strong>und</strong> <strong>in</strong> euch!”Als das Fleisch gewordene Wort ist es <strong>und</strong> lehrt es niemalsetwas an<strong>der</strong>es als alle<strong>in</strong> den lebendigen Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>Kreuz. So hat denn <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi durch dasäußerliche Wort alle Menschen aufzurufen, sich unter <strong>die</strong>sene<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>zigen, <strong>in</strong>nerlichen Lehrmeister zu stellen. Niemalsdarf man den Menschen beim äußerlichen Wort stehenlassen,sonst macht man aus den Schriften, aus den Predigten <strong>und</strong> ausallen ihren Worten e<strong>in</strong>en Abgott. Wörter dürfen nicht zu Götzenwerden. Sie alle s<strong>in</strong>d nicht mehr als Bildzeichen <strong>und</strong> Werkzeuge.Sie müssen <strong>und</strong> werden verschw<strong>in</strong>den, wenn das nievergehende Wort se<strong>in</strong>e letzte Erfüllung f<strong>in</strong>den soll. Bis dah<strong>in</strong>bleiben sie, was sie s<strong>in</strong>d: e<strong>in</strong> Bild des Wahrhaftigen <strong>in</strong> <strong>der</strong>geschaffenen Kreatur. Im Bild aber ehre man den, den eszeigen will.Das Neue Testament unterscheidet sich <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser H<strong>in</strong>sichtnicht vom Alten. Beides bleibt Zeichen <strong>und</strong> Zeugnis. Zu beidemgehört Predigen <strong>und</strong> Hören, Schreiben <strong>und</strong> Lesen. Der Menschkann es benutzen. Wenn jedoch nicht <strong>der</strong> lebendige Meister des<strong>in</strong>nerlichen Wortes selber <strong>die</strong> Kraft des neuen B<strong>und</strong>es herabbr<strong>in</strong>gt<strong>und</strong> mit ihr das Herz durchdr<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> das Leben erobert,so muss das Alte Testament altes Gebot, altes Gesetz <strong>und</strong> altesWort bleiben. Ohne den Heiligen Geist des lebendigen Wortes,ohne den <strong>in</strong>wendigen Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong> neues Gebot, ohne<strong>die</strong> Liebe se<strong>in</strong>es lebendigen Herzens, ohne <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>pflanzungse<strong>in</strong>es Kreuzes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es neuen Lebens bleibt alle Schrift <strong>und</strong>alle Predigt toter Buchstabe <strong>und</strong> leeres Getöne.Im Lebenszeugnis Ulrich Stadlers führte <strong>die</strong> Klarheit desGeistes zu hellerem Licht, als es wenige Jahre vorher HansDenck gegeben war 69 :w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 316“Aus eigenem Vermögen kann ich nichts von <strong>der</strong> Schrift verstehen,son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Tag, <strong>der</strong> Tag selbst, das unendliche Licht mußanbrechen. Christus muß im Herzen aufgehen, wenn das Wortlebendig werden soll. Wer nicht recht zu Gott steht, wer nicht vonGottes Geist durchdrungen, wer nicht von se<strong>in</strong>er Liebe erfüllt ist,kann <strong>die</strong> Schrift nicht verstehen. Wenn e<strong>in</strong> solcher <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong> hochhält, so macht er notgedrungen aus ihr e<strong>in</strong>en Abgott.Die Schrift ist heilig; sie ist gut. Solange aber <strong>der</strong> Mensch verkehrtist, kann er sie nicht zu dem gebrauchen, wozu sie gegeben ist. DieSchrift zeugt von Christus; Se<strong>in</strong> Leben aber kann nur er selbst unsgeben. Die Liebe ist es, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Christus gebietet, was geschriebensteht <strong>und</strong> was geschrieben se<strong>in</strong> konnte. In dem Jesus, von dem <strong>die</strong>Evangelien berichten, <strong>in</strong> dem Christus, den <strong>die</strong> ganze Schrift bezeugt,ist <strong>die</strong> Liebe Tat <strong>und</strong> Wirklichkeit. In uns will sie es durch denselbenChristus von neuem werden. Auf sie muß man warten, wenn man<strong>die</strong> Wahrheit will. Wer nicht von Gott <strong>die</strong> Offenbarung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erBrust erwarten will, son<strong>der</strong>n sich selbst des Werkes unterw<strong>in</strong>det,das doch alle<strong>in</strong> dem Geist Gottes <strong>und</strong> Jesu Christi zugehört, machtganz gewiss aus dem Geheimnis Gottes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schrift verfasst ist,e<strong>in</strong>en wüsten Greuel vor Gott.So gehört es denn alle<strong>in</strong> dem Heiligen Geist zu, <strong>die</strong> Schriftauszu-legen, denn er ist zuerst dagewesen <strong>und</strong> hat sie von sich ausgegeben. Die eigene Auslegung <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> <strong>der</strong> aus ihrfließende falsche Glaube, das auf allen menschlichen Wegen durchausüble Verständnis <strong>der</strong> menschlichen Schrift, weicht erstdann dem rechten Glauben <strong>und</strong> <strong>der</strong> Auslegung des Heiligen Geistes,wenn man <strong>die</strong>sen re<strong>in</strong>en Glauben von Gott selbst begehrt.“Deshalb ruft Hans Denck zu Gott:“Herr, ich habe den Wunsch zu glauben. Hilf mir, daß ich zumGlauben komme! “Hans Denck hat erkannt, was alle<strong>in</strong> den Glauben <strong>und</strong> dasWort Gottes <strong>in</strong>s Herz br<strong>in</strong>gen kann: Nur wenn Christus, <strong>die</strong>Sonne <strong>der</strong> Gerechtigkeit, <strong>in</strong> unseren Herzen aufgeht, wird <strong>die</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 317F<strong>in</strong>sternis des Unglaubens überw<strong>und</strong>en. Das allmächtige WortGottes kann nicht an<strong>der</strong>s erfaßt werden, als wenn es <strong>in</strong> Christusunmittelbar von Gott herabkommt <strong>und</strong> <strong>in</strong> das Herz e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt. Aufmenschlichen Wegen gelangen wir zu ke<strong>in</strong>em Verständnis <strong>der</strong>heiligen Schriften. Denn sie s<strong>in</strong>d es, <strong>die</strong> das Wun<strong>der</strong> Gottesbezeugen, das ke<strong>in</strong> Mensch verstehen kann.Hans Denck zeigt ähnlich wie Sebastian Franck <strong>und</strong> UlrichStadler an achtzig Schriftstellen, wie oft sich zwei Worte <strong>der</strong><strong>Bibel</strong> aufs schärfste zu wi<strong>der</strong>sprechen sche<strong>in</strong>en. Zu <strong>die</strong>sersche<strong>in</strong>bar unüberw<strong>in</strong>dlichen Schwierigkeit sagt er:„Beide Schriftstellen müssen wahr se<strong>in</strong>, denn Gottes Geist täuschtniemanden. Man würde das erkennen, wenn man auf den e<strong>in</strong>zigen,den e<strong>in</strong>igen Lehrmeister, auf den Heiligen Geist Achtung hätte, wieer im <strong>in</strong>nersten Herzen <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihr selbst völlig e<strong>in</strong>ige Wahrheit offenbart.Wer Gegenschrift im Wi<strong>der</strong>spruch gegen Gegenschrift stehenlassen muss, ohne ihre Wahrheiten <strong>in</strong> Gottes unwi<strong>der</strong>sprechlicherWahrheit vere<strong>in</strong>igen zu können, dem mangelt es durchaus an <strong>der</strong>Hauptsache, am Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Wahrheit an Christus <strong>in</strong> Gott.“Dem Intellekt ist <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong> verschlossen. Den Schlüsselzu <strong>die</strong>sem Buch, <strong>in</strong> dem alle Schätze <strong>der</strong> Weisheit enthaltens<strong>in</strong>d, hat alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Meister. Er ist <strong>die</strong> Wahrheit. Alles <strong>in</strong> <strong>die</strong>semBuch ist aus ihm, aus dem Wort, das von Anfang an bei Gottgewesen <strong>und</strong> das <strong>in</strong> den letzten Zeiten Fleisch geworden ist. Sobekräftigt Hans Denck aufs eifrigste:“Ich bezeuge bei <strong>der</strong> Zukunft Jesu Christi, unseres Herrn, <strong>und</strong>bitte euch alle, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wahrheit Gottes hören, sehen o<strong>der</strong> sonstvernehmen, dass ihr sie <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>en Weg <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> e<strong>in</strong>enGestalt annehmen wollt, wie Christus es gelehret <strong>und</strong> selbst bewiesenhat! Das Mittel aller Erkenntnis <strong>und</strong> allen Lebens istChristus, welchen niemand <strong>in</strong> Wahrheit zu erkennen vermag, es seidenn, dass er ihm nachfolge mit dem Leben.“Es gibt nur e<strong>in</strong> Zeugnis <strong>der</strong> Wahrheit. Es ist <strong>in</strong> Christus.Es ist unmittelbar e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gendes Leben. Das lebendige Wort,das durch ihn im Herzen ist, sollte man niemals verleugnen,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 318son<strong>der</strong>n darauf hören, was Gott durch Christus <strong>in</strong> uns redenwill. Daneben freilich sollte man ke<strong>in</strong> äußerliches Zeugnis verwerfen,son<strong>der</strong>n vielmehr alles hören <strong>und</strong> prüfen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>Ehrfurcht des Geistes nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> halten. Wenn man dasvom Geist aus tut, so wird das Verständnis <strong>der</strong> Wahrheit vonTag zu Tag re<strong>in</strong>er, bis es endlich dah<strong>in</strong> kommt, dass wir ohnemenschliche Worte Gott selbst reden hören. Erst dann werdenwir se<strong>in</strong>es Willens <strong>und</strong> Wesens gewiss se<strong>in</strong>.Nur wem das lebendige Gesetz <strong>der</strong> Wahrheit durch denHeiligen Geist <strong>in</strong>s Herz geschrieben ist, hat den neuen lebendigenB<strong>und</strong> Gottes empfangen. Nur <strong>die</strong>ser ist gerecht, denn<strong>die</strong> Gerechtigkeit gehört alle<strong>in</strong> Gott, dem lebendigen Geist,<strong>der</strong> nicht von Menschen ist <strong>und</strong> nicht durch Menschen zu unskommt. Alle eigene Gerechtigkeit zerbricht:„Wenn e<strong>in</strong>er aus se<strong>in</strong>en eigenen Kräften sich vermisst, stracksgegen den Himmel zu laufen, so fällt er <strong>und</strong> stürzt dem Gegenteil zu.Wenn ich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Wahrheit laufe, so wird me<strong>in</strong> Laufennicht vergebens se<strong>in</strong>. “Gott selbst bewirkt den Lauf se<strong>in</strong>er Gerechtigkeit. Er bewirktihn <strong>in</strong> dem freien Willen se<strong>in</strong>er Glaubenden. Gott alle<strong>in</strong> bewirktdas Wollen <strong>und</strong> das Vollbr<strong>in</strong>gen des Wortes <strong>und</strong> des Werkesse<strong>in</strong>er Gerechtigkeit.Glauben heißt, dem Wort Gottes gehorchen, es sei zum Todo<strong>der</strong> zum Leben. Wer glaubt folgt Gott <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zuversicht, dassalles zum Besten führt, was Gottes Geist <strong>in</strong> uns anregen will.Wen Gott sendet, <strong>der</strong> kennt Gott, <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Wort ist e<strong>in</strong>s mitGottes Wort. Er erkennt, dass <strong>in</strong> Gott ke<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch ist. Ervermag zu fassen, dass das im glaubenden Herzen lebendigeWort mit den Schriften <strong>der</strong> Apostel <strong>und</strong> Propheten übere<strong>in</strong>stimmt.Das ist das Ziel: <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Wahrheit!Alle, <strong>die</strong> den Heiligen Geist empfangen haben, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Gottmit Christus e<strong>in</strong>s. In <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>es Wortes s<strong>in</strong>d sie untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>so e<strong>in</strong>ig, dass, was den e<strong>in</strong>en angeht, das geht denan<strong>der</strong>en auch an. Wie Christus handelt, so tun auch sie.Christus ist Herr <strong>und</strong> Meister ihrer <strong>E<strong>in</strong></strong>heit.In Gottes Herzen ist <strong>die</strong> Wahrheit immer offenbar gewesen.Er zeigte sie se<strong>in</strong>en Propheten zu allen Zeiten. Allen Menschenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 319aber wurde sie noch e<strong>in</strong>mal <strong>und</strong> aufs vöiligste durch JesusChristus offenbar. Deshalb wurde er Mensch; dafür nahm erden Opfertod auf sich, damit von nun an durch se<strong>in</strong>en Geist alleMenschen an allen Orten das e<strong>in</strong>e Zeugnis <strong>der</strong> Wahrheit hätten.Gott ist von Anbeg<strong>in</strong>n an gütig. In Christus aber eröffnet erse<strong>in</strong>e Güte allen Menschen. Wo nur immer durch das lebendigeWort Gottes aus uns irdischen Menschen das Vertrauen auf<strong>die</strong> Güte des Gottesherzens erwacht <strong>und</strong> aufwächst, schaut <strong>die</strong>Wahrheit als Gerechtigkeit <strong>und</strong> Liebe vom Himmel auf uns alleherab. Christus offenbart das Herz Gottes.Sobald wir <strong>in</strong> Christus <strong>die</strong> Gerechtigkeit Gottes erlangthaben, erkennen wir, dass alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geist Gottes, <strong>der</strong> <strong>in</strong> unswohnt <strong>und</strong> wirkt, dem Vater alles zurückgegeben hat, wasihm durch uns entzogen war. Dann wird Friede als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mitGott, als <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit se<strong>in</strong>en Aposteln <strong>und</strong> Propheten <strong>und</strong> als<strong>E<strong>in</strong></strong>heit untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Auch wenn man nun im Vertrauen <strong>die</strong>serLiebe frei von allem an<strong>der</strong>en ist, kann doch gerade jetztdas Gute nur auf dem Weg des Leidens geschehen. Willentlichlässt man an sich geschehen, was Gott tut. Jetzt kann man <strong>in</strong>voller Freiheit des Herzens <strong>und</strong> Willens erleiden, was Christusals das Wort im Herzen <strong>und</strong> im Leben wirkt. Allen Zeugnissen <strong>der</strong>heiligen Schrift liegt <strong>die</strong> Güte Gottes, <strong>die</strong> Wahrheit se<strong>in</strong>er Liebe<strong>und</strong> Gerechtigkeit, <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit se<strong>in</strong>es Friedens <strong>und</strong> <strong>die</strong> Freiheitse<strong>in</strong>es Lebens als das volle Evangelium Jesu Christi zugr<strong>und</strong>e.Die Schrift des Alten <strong>und</strong> Neuen Testaments ist göttlichenUrsprungs. Deshalb kann niemand sie verstehen als <strong>der</strong> vomgöttlichen Geist Erleuchtete, weil nur <strong>in</strong> ihm <strong>der</strong>selbe Ursprungquillt. Nur e<strong>in</strong> von Gott bewegter Wille steht im lebendigen <strong>E<strong>in</strong></strong>klangmit <strong>der</strong> Stimme Christi, denn er hat das Wort Gottes imHerzen; so versteht er <strong>die</strong> Schrift.Die göttliche Erleuchtung geschieht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe des Herzens,<strong>und</strong> dennoch ist sie erkennbar. Jedes böse <strong>und</strong> unerleuchteteHerz verrät sich durch Hochmut <strong>und</strong> Ungeduld. Jedes von<strong>der</strong> Güte Gottes erfüllte Herz offenbart <strong>die</strong> Demut Christi <strong>und</strong><strong>die</strong> Geduld se<strong>in</strong>er Liebe. Wenn nicht <strong>der</strong> göttliche Geist durchunseren Glauben <strong>in</strong> uns tätig ist <strong>und</strong> uns zur wahren Erkenntnis<strong>und</strong> lieben<strong>der</strong> Demut führt, so bleibt <strong>die</strong> heilige Schrift – weilsie für sich alle<strong>in</strong> bleibt – e<strong>in</strong>e schwankende Gr<strong>und</strong>lage desw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 320Glaubens. Nur wer das lebendige Wort als göttlichen Ursprungaller heiligen Schriften <strong>in</strong> sich trägt, steht mit dem großen Stromaller Offenbarung Gottes <strong>in</strong> lebendiger Verb<strong>in</strong>dung: er lebt <strong>in</strong><strong>der</strong> Wahrheit.Die heilige Schrift bezeugt es, dass den neuen B<strong>und</strong> Gottesnur <strong>der</strong> empfangen kann, dem das Gesetz <strong>der</strong> Freiheit durchden Heiligen Geist <strong>in</strong>s Herz geschrieben ist. Wer aber me<strong>in</strong>t,er könne alle<strong>in</strong> aus dem Buch dem Gesetz <strong>der</strong> Gerechtigkeitfolgen, <strong>der</strong> schreibt dem toten Buchstaben zu, was demlebendigen Geist zugehört. Wer <strong>die</strong> Schrift ehren will <strong>und</strong> dochan göttlicher Liebe kalt ist, <strong>der</strong> sehe zu, dass er nicht aus <strong>der</strong>Schrift e<strong>in</strong>en Abgott mache, wie es alle Schriftgelehrten tun, <strong>die</strong>nicht durch den Heiligen Geist gelehrt s<strong>in</strong>d. Weiter sagt auchHans Denck 69 :“Die heilige Schrift halte ich höher als alle menschlichen Schätze;aber ich halte sie nicht so hoch als das Wort Gottes, das da lebendig,kräftig <strong>und</strong> ewig ist; <strong>die</strong>ses ist aller Elemente unserer Welt frei, wasjenes nicht ist. Was Gott selbst ist, ist Geist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Buchstabe; eswird ohne Fe<strong>der</strong> <strong>und</strong> Papier so geschrieben, dass es nimmer ausgetilgtwerden kann. Darum ist denn auch <strong>die</strong> Seligkeit nicht an <strong>die</strong>Schrift geb<strong>und</strong>en, wie nützlich <strong>und</strong> gut sie dazu auch immer vonneuem se<strong>in</strong> wird. Die Ursache ist <strong>die</strong>se: es ist <strong>der</strong> Schrift alle<strong>in</strong> nichtmöglich, e<strong>in</strong> böses Herz zu bessern, ob es schon aus ihr noch so gutunterrichtet werde. <strong>E<strong>in</strong></strong> wahrhaft glaubendes Herz ist nur dort, woe<strong>in</strong> Funke göttlichen Eifers lebendig ist. Nur e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Gott brennendesHerz wird durch alle D<strong>in</strong>ge gebessert, vor allen an<strong>der</strong>en D<strong>in</strong>gendurch <strong>die</strong> heiligen Schriften. Alle<strong>in</strong> Christus als das <strong>in</strong>nere Lichtän<strong>der</strong>t das Leben.Soviel ich aus me<strong>in</strong>em eigenen Vermögen mich <strong>der</strong> Schrift unterw<strong>in</strong>de,verstehe ich nichts. Soviel mich aber das treibt, was selbst <strong>die</strong>Wahrheit <strong>und</strong> ihr lebendig machen<strong>der</strong> Geist ist, soviel begreife ichauch <strong>die</strong> heilige Schrift, nun aber nicht aus me<strong>in</strong>em Ver<strong>die</strong>nst <strong>und</strong>Können, son<strong>der</strong>n aus Gottes Gnade. Zuerst muss <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> desGlaubens gelegt se<strong>in</strong>, nur dann kann all se<strong>in</strong> Gebäu gegen W<strong>in</strong>d <strong>und</strong>Wasser bestehen. … Das Leben wird es erweisen, ob Gottes Wort <strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 321euch lebendig ist. Das Tun des Guten kommt niemals ohne GottesWirkung im Herzen zustande; aus sich selbst kann es ke<strong>in</strong> Menschtun. Er vermag es niemals. Gott selbst will es <strong>in</strong> ihm tun. Er tut es<strong>in</strong> Christus.”Und dennoch zw<strong>in</strong>gt Gott niemanden. Längst hat er allesgetan, um den Menschen zu helfen. Er hat se<strong>in</strong>en SohnJesus Christus <strong>in</strong> den Opfertod gegeben. Er hat ihn zumMittel gemacht. Das Mittel aller Befreiung <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>ung istChristus. Man kann ihn annehmen; man kann ihn verwerfen.Er bleibt <strong>der</strong>selbe. Er will nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> Liebe, <strong>die</strong>Freiheit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> er selbst ist. Christus hat den Weggebahnt, den ke<strong>in</strong> Mensch f<strong>in</strong>den konnte. Nun kann man ihn ausfreiem Entschluss beschreiten, um auf ihm zum Leben zugelangen. Der Weg ist <strong>die</strong> Liebe. Wenn <strong>die</strong> Selbstsuchtbesiegt wird, gew<strong>in</strong>nt das Evangelium das Herz. Man hört aufdas Evangelium <strong>und</strong> es kommt <strong>der</strong> Glaube. Christus hat denSe<strong>in</strong>en das Evangelium nicht nur äußerlich gepredigt o<strong>der</strong> geschrieben,son<strong>der</strong>n er redet <strong>und</strong> schreibt es ihnen von Anfang<strong>der</strong> Welt an <strong>in</strong>s Herz. Wer es im Herzen hat, ist frei <strong>und</strong> handelt<strong>in</strong> Freiheit.Wer <strong>in</strong> Wahrheit e<strong>in</strong> Schüler Christi ist, hat e<strong>in</strong> lebendigesWort im Herzen: es ist das feurig liebende Wort, <strong>in</strong> dessen befreien<strong>der</strong>Kraft er nichts an<strong>der</strong>es liebhaben kann als Gott alle<strong>in</strong>.Dieses Wort führt ihn, <strong>und</strong> nach <strong>die</strong>ser <strong>in</strong> ihm brennendenLiebe weiß er all se<strong>in</strong> Tun <strong>und</strong> Lassen zu richten. Er müsstedas, was ihm <strong>die</strong> Liebe gebietet, auch dann tun, wenn er nichtsGeschriebenes hätte. Alle geschriebenen Gesetze müssen <strong>der</strong>Liebe weichen. Sie wurden <strong>der</strong> Liebe wegen gegeben; aber <strong>die</strong>Liebe ist nicht ihretwegen da. Gesetze werden gemacht <strong>und</strong>gebrochen. Die wahrhaftige Liebe aber ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Gott, <strong>der</strong>sich selbst nicht machen kann, obwohl er alle D<strong>in</strong>ge gemachthat. So kann er sich selbst auch nicht brechen. Er ist <strong>die</strong> unzerbrechlicheLiebe. Von <strong>die</strong>ser Liebe spürt man <strong>in</strong> manchenMenschen e<strong>in</strong>en lebendigen Funken – im e<strong>in</strong>en mehr, iman<strong>der</strong>en weniger. Lei<strong>der</strong> sche<strong>in</strong>t es, als ob heute <strong>die</strong>serglühende Funke <strong>in</strong> fast allen Menschen erloschen wäre!w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 322So viel ist gewiss: weil <strong>die</strong> Liebe geistlich ist, während <strong>die</strong>Menschen alle fleischlich s<strong>in</strong>d, rührt ihr kle<strong>in</strong>ster Funke, wieschwach er auch im Menschen glimmen mag, niemals vomMenschen her. Er kann e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> von <strong>der</strong> vollkommenenLiebe, von Gott selbst, hergekommen se<strong>in</strong>. Oft ist <strong>der</strong> Funke sehrschwach. Nur <strong>die</strong> völlige Liebe kann helfen. Der e<strong>in</strong>e Mensch,<strong>in</strong> welchem <strong>die</strong> Liebe vollkommen <strong>und</strong> am höchsten bewiesenwurde, ist nach dem ewigen Willen <strong>der</strong> Seligmacher, <strong>der</strong> Retter<strong>und</strong> Heiler se<strong>in</strong>es Volkes. Dieser Mensch ist Jesus von Nazareth.Er hat sich öffentlich durch <strong>die</strong> Kraft des Heiligen Geistesso bewiesen, wie es <strong>der</strong> Liebe gebührt. Inmitten Israels bewieser sich als <strong>der</strong> verheißene Retter. Wie von dem wahrhaftigenGott <strong>in</strong> <strong>der</strong> heiligen Schrift verheißen, kam er zu se<strong>in</strong>er Zeit. InJesus Christus erobert <strong>die</strong> völlige Liebe <strong>die</strong> Menschheit.In <strong>die</strong>ser lieblosen Zeit erkennen wir, dass <strong>in</strong> Jesus Christusalles gebracht wurde, was man heute kaum zu spüren vermag.Die Liebe, <strong>die</strong> uns fehlt, erkennen wir <strong>in</strong> Christus. DurchGottes Geist s<strong>in</strong>d wir gewiss, dass sich <strong>die</strong> Liebe Gottes gegenden Menschen <strong>und</strong> <strong>die</strong> des Menschen gegen Gott niemalshöher beweisen kann, als es <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Jesus geschehen ist.Im lebendigen Wort s<strong>in</strong>d wir gewiss, dass sich Gott so sehrüber <strong>die</strong> Welt erbarmt hat, dass er auf alle durch unsereSünde gerechtfertigten Gerichte verzichten will, wenn wir nurdas <strong>E<strong>in</strong></strong>e annehmen, was <strong>in</strong> Jesus geschehen ist. Im Verlauf<strong>der</strong> Menschheitsgeschichte – aber nicht von <strong>der</strong> Menschheither, son<strong>der</strong>n von Gott aus – hat sich <strong>die</strong> vollkommene Liebegenug bewiesen.Alle, <strong>die</strong> den Weg Gottes gesucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en haben,s<strong>in</strong>d mit Gott e<strong>in</strong>s geworden. Der <strong>E<strong>in</strong></strong>e, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Gottes Wegniemals strauchelte, ist von Anbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>s mit Gott gewesen<strong>und</strong> e<strong>in</strong>s mit ihm geblieben. Was <strong>in</strong> Jesus Christus <strong>die</strong> e<strong>in</strong>igeLiebe selbst gelehrt <strong>und</strong> getan hat, das alle<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> Wahrheitrecht <strong>und</strong> gut. Im neuen <strong>und</strong> alten Gesetz ist e<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbeLiebe verborgen, doch im neuen B<strong>und</strong> ist sie durch Jesus aufshöchste bewiesen worden. Wer <strong>die</strong> wahre Liebe zu erkennen<strong>und</strong> zu erlangen begehrt, soll sie durch Jesus Christus auf dasallernächste erfahren. Ja, sie kann an<strong>der</strong>s nicht erkannt werdenals durch ihn. Die Liebe besteht dar<strong>in</strong>, dass man Gott erkenntw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 323<strong>und</strong> liebt. Das geschieht <strong>in</strong> Christus. Se<strong>in</strong> neues Gesetz desLebens ist <strong>die</strong> K<strong>in</strong>dschaft Gottes, <strong>in</strong> welche man von ke<strong>in</strong>emMenschen gebracht werden kann. Von dem barmherzigen Gottselbst, von dem e<strong>in</strong>en treuen Vater, muss man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe <strong>der</strong><strong>Seele</strong> <strong>in</strong> Christus h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geboren werden. Er selbst gibt se<strong>in</strong>enK<strong>in</strong><strong>der</strong>n im lebendigen Wort se<strong>in</strong>en geliebten Willen zu erkennen.Dieser aber ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong> Liebe selbst, wiesie <strong>in</strong> Jesus Christus <strong>und</strong> durch das Evangelium verkündet ist<strong>und</strong> weiterh<strong>in</strong> verkündet werden soll. Nichts an<strong>der</strong>es als JesusChristus selbst ist das lebendige Wort <strong>der</strong> völligen Liebe.Wer etwas an<strong>der</strong>es lehrt als alle<strong>in</strong> das, was er von <strong>der</strong> Liebeempfangen hat, baut nicht auf den Gr<strong>und</strong> Jesus Christus. Erwird se<strong>in</strong> Tun nicht vor <strong>der</strong> Liebe verantworten können. Weraber etwa gar <strong>die</strong>sen Gr<strong>und</strong> als F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> Ursache allesGuten erkannt hat <strong>und</strong> dennoch an<strong>der</strong>s lehrt, vermag sich vor<strong>der</strong> Liebe, <strong>die</strong> Gott selbst ist, erst recht nicht zu verteidigen.K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>der</strong> Liebe können um <strong>der</strong> Liebe willen nichts sagen o<strong>der</strong>tun, was wi<strong>der</strong> <strong>die</strong> Liebe wäre. Alles strömt ihnen aus <strong>der</strong> vollkommenenLiebe zu, <strong>die</strong> Jesus Christus selber ist. Daran alsokann man erkennen, wer den Geist <strong>der</strong> Wahrheit hat. Wer esversteht <strong>und</strong> dennoch an<strong>der</strong>s lehrt, ist e<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>christ. Wer esnicht versteht, hat Christus, den Herrn, noch nicht erkannt. Der“Glaube” ist ke<strong>in</strong> Glaube, wo nicht Christus ist. Christus ist <strong>die</strong>Liebe Gottes <strong>und</strong> se<strong>in</strong> lebendiges Wort.Alles, was Hans Denck 69 berichtet, bezeugt den e<strong>in</strong>en Glauben,daß <strong>der</strong> liebende Christus, das lebendige Wort Gottes, <strong>in</strong>das menschliche Herz e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen will. Dort will er als Offenbarungdes Heiligen Geistes <strong>die</strong> Wahrheit bezeugen, dass unterse<strong>in</strong>er Leitung das Leben <strong>und</strong> Bekenntnis aller Glaubendenganz <strong>und</strong> gar mit <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> <strong>der</strong> Apostel <strong>und</strong> Propheten übere<strong>in</strong>stimmt.Die Offenbarung des lebendigen Wortes ist <strong>die</strong>Offenbarung Jesu Christi, des Gekreuzigten, <strong>der</strong> alle Mauern<strong>und</strong> Zäune abgebrochen hat. Er ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit, <strong>die</strong> es ohne ihnnicht geben kann. Der Glaube <strong>und</strong> das Leben se<strong>in</strong>es Wortes istalso niemandem angeboren. Er ist e<strong>in</strong> völlig neues Geschenkdes <strong>in</strong>newohnenden Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Heiligen Geistes. Erist das lebendige Wort, das Gott spricht: Christus!w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 324Die Übere<strong>in</strong>stimmung Hans Dencks 69 mit dem apostolischenZeugnis Peter Ridemanns 70 <strong>und</strong> Ulrich Stadlers 69 ist hier <strong>und</strong>da be<strong>in</strong>ahe wörtlich, wenn er sagt: ,,Wer gibt mir den Glauben?Wäre er mir angeboren, so müsste ich das Leben angeborenerWeise haben; das aber ist es nicht." Dennoch bleiben – ähnlichwie bei Sebastian Franck 69 für Hans Denck noch Fragen offen,<strong>die</strong> im frühen Huttertum beantwortet wurden. Kann das Zeugnis<strong>der</strong> Wahrheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> versammelten Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi, kann<strong>die</strong> Predigt <strong>der</strong> Aussendung, kann das geschriebene Wort <strong>der</strong>Apostel <strong>und</strong> Propheten <strong>und</strong> <strong>die</strong> aus ihm hervorgehende Lehre<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>depredigt jemals überflüssig werden? Ist das WortJesu Christi immer <strong>und</strong> überall vom natürlichen menschlichenGewissen aufs klarste zu unterscheiden? Bestimmt <strong>die</strong> neueSchöpfung e<strong>in</strong>e Gestaltung <strong>der</strong> Worte <strong>und</strong> des Lebens, <strong>die</strong> niemalsum des Inwendigen willen vernachlässigt werden darf?In se<strong>in</strong>er Verwischung <strong>der</strong> Grenzen alter Natur <strong>und</strong> neuerOffenbarung rückt Hans Denck an Sebastian Franck heran <strong>und</strong>br<strong>in</strong>gt Verwirrung <strong>und</strong> ungeklärte Fragen. Sebastian Franck,<strong>die</strong>ser e<strong>in</strong>zigartige Geschichtsschreiber, war am Anfang se<strong>in</strong>esgeistigen Werdens Hans Denck <strong>und</strong> dessen Fre<strong>und</strong>enpersönlich begegnet <strong>und</strong> hat durch ihren <strong>E<strong>in</strong></strong>fluss se<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>eRichtung gewonnen. Den Brü<strong>der</strong>n des frühen Huttertumswaren se<strong>in</strong>e Werke ebenso bekannt <strong>und</strong> vertraut wie <strong>die</strong>Schriften Hans Dencks. Obwohl sie se<strong>in</strong>en Namen nicht erwähnen,f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>e Wahrheitszeugnisse <strong>in</strong> ihren Büchern reicheVerwendung. Ihr überaus gere<strong>in</strong>igtes Glaubensleben duldetejedoch ke<strong>in</strong>erlei Beimischungen abweichen<strong>der</strong> Gedanken. Nichtim ger<strong>in</strong>gsten durften sie von <strong>der</strong> ihnen gegebenen Klarheit desGotteswortes abgelenkt werden.Sebastian Franck ist schwer zu fassen. Er ist ke<strong>in</strong> Gegnerdes biblischen Wortes, aber er ist sich dessen bewusst, dass<strong>die</strong>ses Buch des Gotteszeugnisses verschlossen bleibt, wenndem <strong>Bibel</strong>leser nicht das Lebenslicht Christi <strong>und</strong> <strong>der</strong> letzte S<strong>in</strong>ndes Heiligen Geistes aufgegangen ist. Er vergleicht <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong>mit den Bildreden Jesu, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong>ser se<strong>in</strong> Geheimnis verborgenhat, damit <strong>die</strong> heilige Wahrheit nicht von unwürdigen Füßennie<strong>der</strong>getreten werde. Die heilige Schrift – so sagt er bleibt e<strong>in</strong>erätselhafte Wun<strong>der</strong>rede, bis <strong>der</strong> Geist selbst, <strong>der</strong> sie hervor-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 325gebracht hat, ihre Buchstaben auslegt. Bis dah<strong>in</strong> ist sie e<strong>in</strong>ef<strong>in</strong>stere Laterne, <strong>der</strong>en Licht noch nicht angezündet wurde.Gott alle<strong>in</strong> kann das Licht entzünden. Wer nicht bereit ist, denWillen Gottes zu tun, wer nicht den S<strong>in</strong>n Christi <strong>in</strong> sich aufnehmenwill, wer nicht dessen Geist empfängt, wird niemals vonGott so erleuchtet <strong>und</strong> unterrichtet werden, dass er <strong>die</strong> Schriftverstehen kann. Die <strong>Bibel</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand hält er nichts an<strong>der</strong>es alse<strong>in</strong>e Stallkrippe ohne das Christusk<strong>in</strong>d, nichts an<strong>der</strong>es als e<strong>in</strong>hölzernes Kreuz ohne den Gekreuzigten, nicht mehr als e<strong>in</strong>eleere Schwertscheide, nicht mehr als e<strong>in</strong> Monstranzschränkchenohne Brot! Alle eigene Bemühung, dem toten Buchstabenbeizukommen, bleibt vergeblich. Es gibt ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>enSchlüssel zur <strong>Bibel</strong> als den e<strong>in</strong>en <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zigen, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Schlüsselzum Reich Gottes ist. Dieser Schlüssel ist Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>Heiliger Geist. Wer ihn nicht hat, steht vor fest verschlossenenToren. Das Eisengitter sperren<strong>der</strong> Buchstaben hält ihn außerhalbdes Gartens Gottes.Der Buchstabe macht dumpf, starr <strong>und</strong> trotzig, kalt <strong>und</strong> grausam.<strong>E<strong>in</strong></strong> Mensch, dessen Kopf mit geistentleerten Buchstaben<strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> bis oben angefüllt ist, ist geneigt <strong>und</strong> imstande, geradesowie <strong>die</strong> Pharisäer <strong>und</strong> Schriftgelehrten den Sohn Gottes <strong>und</strong><strong>die</strong> Se<strong>in</strong>en zu töten. Alle Apostel <strong>und</strong> alle wahrhaftigen lebendigenGlie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Christi werden bis zum heutigenTage mit Hilfe <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> ,,Lügen gestraft" <strong>und</strong> totgeschlagen.Solange <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong> buchstabisch gefasst wird, bleibt sie dasmör<strong>der</strong>ische Schwert des Antichristen, wie sie zugleich <strong>der</strong> toteThron ist, auf dem er sitzt. Der Antichrist braucht neben demlistigen Dolch <strong>die</strong> bleiern stumpfe Scheide des Buchstabensgegen das blanke Schwert des Geisteswortes. Er verwendet<strong>die</strong> dunkel gemachte Laterne wi<strong>der</strong> das ihr zugehörige Licht.Der Antichrist hat gegen den Geist <strong>der</strong> Schrift <strong>die</strong> Buchstabenauf se<strong>in</strong>er Seite. Druckerschwärze ist se<strong>in</strong>e Liebl<strong>in</strong>gsfarbe. Mitihr spielt er e<strong>in</strong>en Buchstaben gegen den an<strong>der</strong>en aus. Mit ihrspaltet er <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong>. Buchstäblich ist er darauf aus, ihr Zeugnismit sich selbst une<strong>in</strong>s zu machen.Überall sucht er das Wesentlichste des Wortes zunichtezu machen: das Gericht, <strong>die</strong> Barmherzigkeit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Treue.Wer mit buchstabischer Meisterschaft <strong>die</strong> biblische Wahrheitw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 326erkennen <strong>und</strong> vertreten will, bekommt e<strong>in</strong> liebloses Wesen <strong>und</strong>e<strong>in</strong> gottloses Wissen. Immer gelehrter werdend, wird er niemalsbesser. Er <strong>die</strong>nt dem Äußeren, anstatt von ihm den helfendenDienst anzunehmen. Was e<strong>in</strong> Bild <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Zeichen se<strong>in</strong> sollte,wird hier zum Gegenstand <strong>der</strong> Abgötterei.Wer nicht <strong>in</strong> demütiger Ehrfurcht bei Gott selbst den wahrenGeist <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> erfragt <strong>und</strong> um das Licht des Heiligen Geistesbittet, bleibt durch das Äußere verführt <strong>und</strong> irregeleitet. Mit ihmgeschieht heute dasselbe, was den Schriftgelehrten zur ZeitJesu wi<strong>der</strong>fahren ist: <strong>in</strong> all ihrer <strong>Bibel</strong>kenntnis vernahmen sie<strong>die</strong> Schrift nicht; sie erfassten we<strong>der</strong> ihre Kraft noch ihren S<strong>in</strong>n.Aufs trefflichste verstanden sie alle Wörter <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> von h<strong>in</strong>ten<strong>und</strong> vorn - jedoch immer nur von außen. Sie kannten alles, was<strong>in</strong> menschlicher Sprache <strong>in</strong> allen heiligen Schriften zu f<strong>in</strong>denwar. Aber unter Tausenden konnte nicht e<strong>in</strong>er das h<strong>in</strong>ter denWorten verborgene Geheimnis des Wortes erfassen, welchesdas Geheimnis Gottes ist.Der Gegensatz ist entscheidend. Der Buchstabe <strong>die</strong>nt wohldazu, biblische Sätze vorzulesen <strong>und</strong> herzusagen <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong>nach wahrhaft alttestamentlicher Art <strong>und</strong> Weise zu bewahren.Aber <strong>der</strong> neue B<strong>und</strong> des lebendig machenden Wortes bleibtihm unbekannt. Alles, was er nacherzählt, ist gestohlen. Nichtskommt bei ihm aus dem Ursprung, nichts aus <strong>der</strong> freien SchenkungGottes. Se<strong>in</strong> unechtes Wesen verleugnet <strong>die</strong> Kraft JesuChristi <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Apostel. Se<strong>in</strong> Tun ist leer <strong>und</strong> unnütz. All se<strong>in</strong>Bemühen ist überflüssig. Er trägt Wasser <strong>in</strong> den Rhe<strong>in</strong>; er br<strong>in</strong>gtBuchstabe auf Buchstabe dorth<strong>in</strong>, wo schon immer genugPredigt <strong>und</strong> Schrift gewesen ist. Frisches Wasser, lebendigmachendes Wort aber vermag er niemandem <strong>in</strong>s Herz zubr<strong>in</strong>gen, wie tief auch um ihn her alle nach dem quellenden BrunnenGottes dürsten mögen. Alle Menschen müssten – wenn esauf ihn ankäme – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wüste toter Wörter verdursten.Ganz an<strong>der</strong>s wirkt Gottes wirkliches Wort. Es lebt <strong>in</strong> demHeiligen Geist, <strong>der</strong> <strong>der</strong> ewige Brunnen des Lebens ist. Nur<strong>der</strong> Geist macht das e<strong>in</strong>st unter se<strong>in</strong>er Führung Geschriebenelebendig; er br<strong>in</strong>gt es zur Auferstehung aus dem Tode. Er ist <strong>der</strong>alle<strong>in</strong>ige Lehrmeister des Auferstehungsb<strong>und</strong>es. Aus dem verwirrtenLabyr<strong>in</strong>th toter Blätter führt er zum organischen Baumw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 327des Lebens. In ihm br<strong>in</strong>gt Christus <strong>die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung allerGotteszeugnisse als Geistese<strong>in</strong>heit aller lebendigen Wahrheit<strong>in</strong>s Herz.Der verdunkelte S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Sache Gottes wird hell <strong>und</strong> klar,sobald <strong>der</strong> Heilige Geist das aufleuchtende Licht Gottes offenbart.Das re<strong>in</strong> weiße Licht ist se<strong>in</strong>e Farbe; <strong>der</strong> Heilige Geistbewirkt <strong>die</strong> weißglühend aufstrahlende Zusammenfassungaller Lichtfarben <strong>der</strong> Wahrheit. In dem S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit JesuChristi offenbart er <strong>die</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung des Gotteswortes.Befreit von dem buchstabischen Todesgesetz macht er alleWahrheit lebendig <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ig mit dem lebendigen Christus,mit se<strong>in</strong>en Propheten <strong>und</strong> Aposteln <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> lebendigenGeme<strong>in</strong>de. Se<strong>in</strong> Verständnis <strong>der</strong> Schrift ist <strong>der</strong> B<strong>und</strong> desChristusfriedens als völlige <strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit <strong>in</strong> aller lebendigen Wahrheit.Das e<strong>in</strong>igende Licht wird sichtbar, sobald es e<strong>in</strong>strahlt. Woes licht wird, erkennt man das Licht.Nur Gott ist des Lichtes mächtig. Alle<strong>in</strong> von Gott selbst könnenwir empfangen, was nur Gott vollbr<strong>in</strong>gen kann. Gottes Werkwill <strong>in</strong> uns beg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> gekrönt werden, sooft das persönlicheWort des Christus, <strong>die</strong> Stimme des Lammes von Bethlehem,<strong>der</strong> Ruf des Löwen von Juda im Menschen zu reden beg<strong>in</strong>nt.Gott alle<strong>in</strong> ist <strong>die</strong>ses Werkes mächtig. Gott selbst drang <strong>in</strong>Jesus Christus <strong>in</strong> <strong>die</strong> verlorene Menschheit e<strong>in</strong>. Durch den GeistGottes wurde das Wort Gottes aus jüdischem Blut <strong>in</strong> BethlehemFleisch, aber es wollte nicht Fleisch bleiben. Es wurde schöpferischerGeist! Im Geist wird es gehört <strong>und</strong> erkannt, damit es vonneuem Fleisch werde, e<strong>in</strong> neues Volk aus allen Völkern – <strong>der</strong>neue Leib Christi!Jesus war das zeitlich gewordene Wort <strong>der</strong> Ewigkeit. Er war<strong>und</strong> ist <strong>die</strong> Verleiblichung des geistlichen Wortes. Er gestaltet,was unendlich ist. Ihn müssen wir hören. Ihn sollen wir fassen.Gottes ewiges <strong>und</strong> unendliches Wort wird durch den <strong>in</strong> Raum<strong>und</strong> Zeit gestalteten Jesus auf <strong>die</strong> Erde gestellt. In ihm wurdedas Wort Gottes Fleisch <strong>und</strong> Stimme – <strong>der</strong> ewige Fels, aufden <strong>die</strong> Kirche als <strong>die</strong> neue Verleiblichung des Geisteswortesgebaut wird – das allmächtige Wort, das göttlichen Wesens ist<strong>und</strong> alle D<strong>in</strong>ge erschaffen hat.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 328Im Geist Jesu Christi erweist sich Gottes Wort von neuem alsGottes Arm <strong>und</strong> Gottes F<strong>in</strong>ger. Im Geist Jesu Christi lebt GottesWort, denn hier wird immer wie<strong>der</strong> Neues so erschaffen, dasses im Augenblick neu dasteht. In Christus <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geistist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> ersten <strong>und</strong> <strong>der</strong> neuen Schöpfung gegeben.Es gibt nur das e<strong>in</strong>e Wort Gottes, welches alle D<strong>in</strong>ge wie<strong>der</strong>herstellt<strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em schaffenden Willen erhält. Wenn Gottdas Wort <strong>der</strong> Schöpfung wie das <strong>der</strong> Neuschöpfung nicht mehrspräche, so fielen alle D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> das Nichts zurück. Das von Gottgesprochene Wort erster <strong>und</strong> neuer Schöpfung ist das Se<strong>in</strong>allen Se<strong>in</strong>s.Nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren Nähe Gottes bleibt se<strong>in</strong> Wort offenbar.Den von Gott abgewichenen Menschen war es jedoch seitlangem <strong>in</strong> tiefste Verborgenheit versunken. Nur wenigen ist eszu allen Zeiten hervorgebrochen, <strong>in</strong>s Herz gedrungen <strong>und</strong> vernehmbargeworden. Aber durch Christus Jesus wurde es amEnde <strong>der</strong> Tage aus tief verdeckter Verborgenheit von neuem anden Tag gebracht. Jesus als das Fleisch gewordene Wort eröffnet<strong>in</strong> neuer Schöpfung das <strong>in</strong> Verschw<strong>und</strong>enheit entwicheneWort erster Schöpfung. Die verschließenden Siegel wurdenaufgetan. Endlich wie<strong>der</strong> konnte <strong>der</strong> neu eröffnete Brief Gottesgelesen werden. Auf e<strong>in</strong>e überraschend neue Art <strong>und</strong> Weisebrach er auf. Neu entdeckt brachte er überwältigende Offenbarung.Nicht mehr <strong>und</strong>eutlich, nicht mehr im weit über vieleMeilen ausgebreiteten Nebel verhüllt Dämmer das Gotteslicht.In Christus Jesus <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Geist tritt es als letzte Klarheitaus dem weltentiefen Nebel <strong>in</strong> <strong>die</strong> nächste Nähe.In Christus Jesus beg<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> gottesnahe Dienst des neuenB<strong>und</strong>es. Der neue B<strong>und</strong> ist <strong>die</strong> neue Offenbarung. Die Apostel<strong>der</strong> neu eröffneten Wahrheit Jesu Christi wurden ausgesandt.Der Ferne brachten sie <strong>die</strong> Nähe. In offener Klarheit bezeugtensie das geoffenbarte Geheimnis Gottes. Wo man vorher Buchstaben<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand hielt, wo man durchaus nicht hatte, wasman zu haben me<strong>in</strong>te, wurde jetzt das Letzte aufgedeckt <strong>und</strong>an <strong>die</strong> Hand gegeben. Doppelt wurden nunmehr <strong>die</strong> Menschenüberwältigt – e<strong>in</strong>mal durch das Zeugnis <strong>der</strong> ausgesandtenZeugen, vor allem aber im eigenen tiefsten Herzen durch dasunmittelbare Zeugnis des alles eröffnenden Geistes.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 329Mit dem Kommen des Heiligen Geistes kommt <strong>der</strong> neueB<strong>und</strong>. Das neue Wort kommt auf <strong>die</strong> Erde. Im tiefsten Geistdes menschlichen Herzens wird se<strong>in</strong>e Herrschaft aufgerichtet.Wer <strong>in</strong> Christus ist, wer aus <strong>der</strong> Wahrheit ist, hört <strong>die</strong>se Stimme<strong>in</strong>nerlichst <strong>in</strong> sich selbst – <strong>und</strong> er folgt ihr. So wird alles lautbarim Herzen ausgerufen, was gänzlich unbewusst gewesen war.Die Nacht ist vorüber. Wo man Christus, den ausgesprochenenWillen Gottes sieht <strong>und</strong> hört, bricht <strong>der</strong> Tag an.Nun gilt es, Jesus Christus <strong>und</strong> se<strong>in</strong> ganzes Leben <strong>in</strong> denEvangelien <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en nie<strong>der</strong>geschriebenen Reden zu erfassen.Das aber heißt, se<strong>in</strong>en Geist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe des Herzens aufzunehmen.Es gilt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft Jesu Christi nach <strong>die</strong>sem Geistzu leben. Christus will im Herzen <strong>und</strong> im Leben <strong>der</strong> Glaubendendas Unglaublichste eröffnen. Was niemand glauben will, kommtzu uns. Was allen Menschen unbekannt war, kommt mit <strong>der</strong>Vergebung <strong>und</strong> mit dem Leiden Christi als Glaube <strong>und</strong> Geist,als das ewige Wesen Gottes im Herzen an. Was <strong>in</strong> GottesHerzen immer da war, das Reich <strong>der</strong> Himmel, wird aufgetan<strong>und</strong> den Menschen gegeben.Alles Wandelbare <strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>liche, alles Menschliche <strong>und</strong>von Menschen Gemachte muss ihm weichen. Vor dem ewigen<strong>und</strong> unverän<strong>der</strong>lichen Frieden Jesu Christi, <strong>in</strong> dem Gott se<strong>in</strong>Herz eröffnet hat, muss es schw<strong>in</strong>den. Betäubten <strong>und</strong> verängstigtenHerzen wurde <strong>die</strong> Liebe Gottes gesandt. Dasallmächtige Wort kam zu schwachen Menschen. Die LiebeGottes wurde unser Bru<strong>der</strong>. Sie trug das unverfälschte BildGottes <strong>in</strong> unsere Mitte <strong>und</strong> erkannte uns dennoch als Bru<strong>der</strong>.Alles, was Gottes tiefstes Herz von jeher war <strong>und</strong> wollte, kommtmit Christus zu den Menschen. In Christus wird alles unterihnen vollbracht <strong>und</strong> vollendet, was Gottes Wesen <strong>und</strong> Willevon jeher gewesen ist.Dieses größte Ereignis <strong>der</strong> Geschichte musste nie<strong>der</strong>geschriebenwerden, damit wir Unwissenden glauben, dass<strong>die</strong>ses im Land Israel geborene Wort <strong>der</strong> Liebe, dass <strong>die</strong>serChristus <strong>der</strong> jüdischen Geschichte <strong>in</strong> heutigen Herzen für dasgegenwärtige Leben ergriffen werden kann. Derselbe Christussoll durch se<strong>in</strong>en heiligen, lebendig machenden Geist vonneuem gebildet <strong>und</strong> gelebt werden.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 330Hier wird <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Weg sichtbar; hier wird <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Tür geöffnet.Durch Jesus, das fleischgewordene, das geschlachtete<strong>und</strong> wie<strong>der</strong> erstandene Wort <strong>der</strong> römischen <strong>und</strong> jüdischen Geschichte,können alle Menschen unmittelbar zu Gott kommen.Alle Geheimnisse Gottes liegen <strong>in</strong> ihm offen vor Augen. AlleHandlung Gottes <strong>und</strong> alles, was <strong>die</strong> Menschen mit Gott <strong>und</strong> anihren Mitmenschen vollbr<strong>in</strong>gen sollen, ist <strong>in</strong> Christus gegeben.Er, <strong>der</strong> durch Geist <strong>und</strong> Wort das menschliche Leben gemeisterthat, überw<strong>in</strong>det den Tod. Er br<strong>in</strong>gt den Geist über alles Fleischzur sieghaften Herrschaft. Dieser Christus dr<strong>in</strong>gt als <strong>der</strong> Friededes Gottesreichs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Auferstehung <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>Erneuerung des Heiligen Geistes <strong>in</strong> das Herz <strong>der</strong> Menschene<strong>in</strong>. Von dort aus will er alles, was geschaffen ist, <strong>in</strong> das Leben<strong>der</strong> Gerechtigkeit führen. Christus ist <strong>die</strong> neue Gerechtigkeit<strong>der</strong> Gottesschöpfung. Durch den Heiligen Geist wird se<strong>in</strong>Wesen, se<strong>in</strong> Leben <strong>und</strong> se<strong>in</strong> über alles Böse triumphierendesLeiden von neuem als Gerechtigkeit Gottes offenbar. Die Geme<strong>in</strong>deist <strong>der</strong> neue Christus. Der alte Christus ist auferstanden.In <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de ist er als lebendig machen<strong>der</strong> Geist gegenwärtig.In dem neuen Christus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de erneut sich <strong>die</strong>Geburt, <strong>der</strong> Lebenslauf, <strong>der</strong> Leidenstod <strong>und</strong> <strong>die</strong> Auferstehungdes alten Christus als <strong>die</strong> alles umfassende Gerechtigkeit desGottesreichs.Der Anfang, <strong>der</strong> Weg o<strong>der</strong> das Ende <strong>die</strong>ser Christusnachfolgekann für ke<strong>in</strong> Glied <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de verän<strong>der</strong>t werden.Jedes Glied wird vom unverän<strong>der</strong>lichen Christus erfüllt, so wieer immer war, wie er jetzt ist <strong>und</strong> wie er ewig se<strong>in</strong> wird. Er erfülltalle Glie<strong>der</strong> mit se<strong>in</strong>em Tod <strong>und</strong> mit se<strong>in</strong>em Leben. Werihn nicht so aufnimmt, dass er als immer <strong>und</strong> überall <strong>der</strong>selbe<strong>in</strong> ihm leben <strong>und</strong> sterben soll, dem ist es nichts nütze, dassJesus Christus gekreuzigt wurde. Selbst wenn Jesus e<strong>in</strong>st <strong>in</strong>tausend Stücke zerhauen wäre, würde e<strong>in</strong>em auch das nichtsnützen. Nichts an<strong>der</strong>es kann helfen, nichts an<strong>der</strong>es kannrettendes Wort Gottes genannt werden als <strong>die</strong>ses <strong>E<strong>in</strong></strong>dr<strong>in</strong>gendes gekreuzigten Christus <strong>in</strong>s Herz. Von dort aus bestimmense<strong>in</strong> Geist <strong>und</strong> Leben alles <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Art <strong>und</strong> Weise, wie esim Leben Jesu gewesen ist.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 331Christus alle<strong>in</strong> ist <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Heiligen Schrift. Er erfüllte <strong>die</strong>Jünger, als sie <strong>die</strong> Schrift schrieben. Er alle<strong>in</strong> ist <strong>die</strong> Goldwaage<strong>der</strong> Geister, auf <strong>der</strong> sie geprüft werden müssen. Alle an<strong>der</strong>enGeister erweisen sich hier als abwegig. Als das lebendige Wortoffenbart <strong>der</strong> Sohn den Vater durch den Heiligen Geist. Er bestätigtden Christus des Alten <strong>und</strong> Neuen Testaments. Er alle<strong>in</strong>gibt ihnen S<strong>in</strong>n. Er tut es durch se<strong>in</strong> Wort <strong>und</strong> Leben im Herzdes Menschen, durch <strong>die</strong> erneute Wirklichkeit se<strong>in</strong>es Todes <strong>und</strong>se<strong>in</strong>er Auferstehung.So wird <strong>die</strong> Geschichte des Christus zur gegenwärtigenKraft: jetzt <strong>und</strong> hier kommt Christus; <strong>der</strong> Glaube nimmt ihn auf;man lebt nach se<strong>in</strong>em Geist; man erfährt es <strong>in</strong> Christus, dassGott <strong>die</strong> Welt jetzt <strong>und</strong> hier ganz mit sich selbst vere<strong>in</strong>igt. Sofängt Gott <strong>die</strong> Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Liebe e<strong>in</strong>. So wird <strong>die</strong> Kraftse<strong>in</strong>es Herzens offenbar. Indem man den Vater <strong>in</strong> Christusergreift, gelangt man im Heiligen Geist zum väterlichen Herzen.In Christus ersche<strong>in</strong>t, was Gottes Herz ist <strong>und</strong> was Gottes Herzvermag. In dem lebendigen Geist Jesu Christi richtet Gott se<strong>in</strong>Wort auf unser Herz.Die Schrift spricht <strong>die</strong>se Botschaft nach <strong>der</strong> Art unseresHerzens aus. Sie ist ganz auf unser Herz gerichtet. Alle ihreWorte führen auf <strong>die</strong> Offenbarung h<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welcher <strong>der</strong> HeiligeGeist über alles Fleisch ausgegossen wird. Offenbarung tut not.Alles, was Gott tut <strong>und</strong> sagt, geschieht <strong>der</strong> Offenbarung wegen.Für sie musste das Wort geschrieben, für sie muss es stets aufsneue verkündigt werden. Christus ist <strong>die</strong> Offenbarung Gottes.Ihr vollkommenstes <strong>und</strong> lebendigstes, ihr erstes <strong>und</strong> letztes Bildist <strong>und</strong> bleibt für immer <strong>und</strong> ewig das Leben Jesu. Gottes ganzeFülle wohnte leiblich <strong>in</strong> ihm. Jesus ist <strong>der</strong> Christus. Er ist das,was er lehrt. Er gibt das, was er sagt. Er offenbart das, dessenQuelle er ist.Die Offenbarung Gottes <strong>in</strong> Christus Jesus ist das <strong>in</strong>nere Lichtdes Heiligen Geistes. Sie durchleuchtet das ganze Leben von<strong>in</strong>nen her bis <strong>in</strong> das Äußerste h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Sie erneuert <strong>und</strong> gestaltet.In <strong>der</strong> Kraft <strong>die</strong>ses Lichts werden von neuem <strong>die</strong>selbenTaten getan, <strong>die</strong> <strong>der</strong> geschichtliche Jesus getan hat. Hier istnichts an<strong>der</strong>es als Christus. Die Offenbarung Christi als desvollkommenen Lichts duldet ke<strong>in</strong> menschliches Licht <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 332menschliches Werk. Gott handhabt sie selbst. Gottes Wahrheitbraucht ke<strong>in</strong>e menschliche Stütze. Die Wahrheit Jesu Christibraucht ke<strong>in</strong>e Meister – was sie for<strong>der</strong>t, s<strong>in</strong>d Schüler. Was ihreOffenbarung e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> verlangt, ist e<strong>in</strong>e Zuhörerschaft,<strong>die</strong> ohne <strong>die</strong>ses Licht im Dunkeln sitzt! Dunkelheit zitterndenHungers, Qual trockenen Durstes ist <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Erfor<strong>der</strong>nis,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Wahrheit Gottes an <strong>die</strong> Menschen stellt.Der Mensch kann niemals e<strong>in</strong> Meister des Göttlichen se<strong>in</strong>.Die Lichtquelle, <strong>die</strong> ihm anfangs gegeben war, hat er verloren.Durch verf<strong>in</strong>sterte Begehrlichkeit, durch Eigenwillen <strong>und</strong> Eigentumwar <strong>der</strong> e<strong>in</strong>st frei strömende Lichtwille <strong>in</strong> allen Menschene<strong>in</strong>getrocknet. Der freie Wille war <strong>in</strong> ihnen allen von dem immerneu e<strong>in</strong>strömenden Licht des Gotteswillens abgewichen.Abgewandt wie er war, konnte er sich nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Lagefügen. Der Mensch wurde hochmütig <strong>und</strong> anmaßend. Auseigener dunkler Gewalt wollte er sich stehlen <strong>und</strong> das nehmen,was alle<strong>in</strong> Gott gehört.Aber <strong>der</strong> neue Mensch Christus Jesus hat <strong>die</strong> Schuld <strong>die</strong>serAbgewichenheit auf sich genommen. In ihm ist sie beseitigt.Durch das erniedrigte Leiden des Gottessohnes werden <strong>die</strong>Menschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> letzte Freiheit des Gotteswillens zurückversetzt.Für <strong>die</strong> demütige Liebe Christi werden sie gewonnen. DieAnmaßung stirbt. Der begehrliche Eigenwille <strong>und</strong> das stolzeEigentum wird mit Christus begraben. Nunmehr gehörtalles Gott. In <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>igkeit mit Christus, mit Gottes Herz <strong>und</strong>Geist, bricht das neue Leben an – das befreiende Licht desauferstandenen Christus! In <strong>die</strong>ser Offenbarung kommt es zurvölligen <strong>E<strong>in</strong></strong>igung aller Glaubenden. Hier gibt es ke<strong>in</strong>e Meister;hier s<strong>in</strong>d nur Brü<strong>der</strong>. Wo <strong>die</strong> Lehre <strong>der</strong> Wahrheit ist, ist <strong>die</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>heit Gottes. Hier ist es Gott, dem man zuhört <strong>und</strong> folgt;alle<strong>in</strong> Gott, den man reden <strong>und</strong> wirken läßt. Deswegen s<strong>in</strong>d<strong>die</strong> Brü<strong>der</strong> e<strong>in</strong>ig, denn Gott wi<strong>der</strong>spricht sich niemals. DieOffenbarung se<strong>in</strong>er Wahrheit führt zur völligen Übere<strong>in</strong>stimmungse<strong>in</strong>er selbst.Wo <strong>in</strong> den Worten verme<strong>in</strong>tlich meisterlicher Prediger unversöhnlicheWi<strong>der</strong>sprüche nachzuweisen s<strong>in</strong>d, ist <strong>der</strong> Beweisgegeben, dass sie aufgestanden waren, ehe sie gewecktwurden, dass sie sich aufmachten, bevor <strong>die</strong> Sonne aufge-w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 333gangen war. Ohne bestellt zu se<strong>in</strong>, nehmen sie sich heraus,was sie nicht beherrschen. Bei Nacht s<strong>in</strong>d sie an <strong>die</strong> Arbeitgegangen; ohne Licht wollen sie dreschen; sie wissen nicht,was sie treffen; nichts dreschen sie als leeres Stroh. Sie zerschlagensich gegenseitig; ke<strong>in</strong> Licht hat sie zu geme<strong>in</strong>samerArbeit vere<strong>in</strong>igt.Durch unerleuchtete <strong>und</strong> une<strong>in</strong>ige Geister beweist <strong>der</strong>Heilige Geist niemals se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igend schaffendes Leben. Er willdas Gleiche nur durch das Gleiche bewirken. Er tut das Gute nurdurch das Gute. Nur durch Lebendige erweckt er das Leben. Erruft nur durch solche das Reich Gottes aus, <strong>die</strong> danach leben.Der Dienst se<strong>in</strong>es Evangeliums ist nur bei Bevollmächtigten zuf<strong>in</strong>den. Christus <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzen aussäen, Christus <strong>in</strong> das Innerstee<strong>in</strong>pflanzen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>schreiben, Christus als Erneuerung <strong>und</strong>Wie<strong>der</strong>geburt br<strong>in</strong>gen – das können nur Diener, <strong>die</strong> selbst vonChristus erfüllt s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> als Gottes M<strong>und</strong> vom Heiligen Geistaus reden. Das Wort Gottes verkündigen heißt, den HeiligenGeist mitteilen.So müssen denn <strong>die</strong> Träger <strong>die</strong>ses Dienstes alles, was siesagen, als Heiligen Geist im Herzen tragen. Im Leben beweisensie, was sie verkündigen. Als Apostel Jesu Christi müssen siesagen können: ,,Ihr seid me<strong>in</strong> Werk <strong>in</strong> Christus. Christus war es,<strong>der</strong> euch berufen <strong>und</strong> umgeschaffen hat. Er tat es, als das Wortzu euch gekommen ist. Gottes Werk seid ihr, wie ich GottesWerk b<strong>in</strong>." Die Wirklichkeit des Lebens erweist <strong>die</strong> Wahrheitdes Wortes: ,,Wenn ihr Worten nicht glauben wollt, müsst ihrWerken glauben." Wer <strong>in</strong> Christus glaubt, wird <strong>die</strong>selben Werkewie Jesus <strong>und</strong> größere als er tun. Die Liebe ist mächtiger alsalles. Wo nicht <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>klang von Wort <strong>und</strong> Leben <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>der</strong> Liebe Christi beweist, ist we<strong>der</strong> Glaube noch Berufung zumDienst se<strong>in</strong>es Wortes. Petrus durfte nicht eher an <strong>die</strong> Herdeheran, bevor er dreimal befragt war, ob er liebte; nicht eherdurfte er wirken, bevor er den Geist <strong>der</strong> völligen Liebeempfangen hatte (Joh.21,15-17).Warten auf den Heiligen Geist ist not. Es ist das Warten auf<strong>die</strong> Liebe. Und nicht nur am Anfang des Weges erwartet manden Geist <strong>der</strong> Liebe. Wer e<strong>in</strong>mal vom Geist <strong>der</strong> Liebe erfasstwurde, muss täglich M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Hand Gottes werden. Immerw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 334von neuem muss er lernen, nichts aus sich selbst, son<strong>der</strong>nalles von Gott aus zu sagen <strong>und</strong> zu tun. Nur im Christusgeist<strong>der</strong> Liebe ist <strong>die</strong> Ehrfurcht gegeben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> man nichts früher<strong>und</strong> nichts später sagen o<strong>der</strong> tun kann <strong>und</strong> will, als es GottesSt<strong>und</strong>e e<strong>in</strong>gegeben hat. Gottes Wort führt zum Sabbath Gottes.In ihm ruht <strong>und</strong> feiert man von allen eigenen Worten <strong>und</strong>Werken. Wenn man von sich selbst zur Ruhe gekommen ist,lässt man alle<strong>in</strong> Gott sprechen <strong>und</strong> wirken.Dieselben Gedankengänge f<strong>in</strong>den wir auch bei SebastianFranck 69 <strong>und</strong> sie beweisen, <strong>in</strong> welchem <strong>in</strong>nersten Zusammenhang<strong>die</strong> Geistesbewegungen <strong>der</strong> Reformationszeit <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>verwoben s<strong>in</strong>d. Die Gott fe<strong>in</strong>dliche Schlange sei es, durch<strong>die</strong> <strong>der</strong> freie Wille des Menschen zum Eigenwillen verdorbenwurde. Durch ihr Gift sei <strong>der</strong> Mensch aufs tiefste verw<strong>und</strong>et <strong>und</strong>geschwächt worden. Das als Gottes Atem e<strong>in</strong>gepflanzte Wortsei durch giftig schlammige Fluten gottfe<strong>in</strong>dlichen Abgr<strong>und</strong>süberschwemmt <strong>und</strong> verschüttet worden; niemals aber sei esgänzlich verlorengegangen; Gott sei mächtiger als <strong>der</strong> Teufel.Der von Gott e<strong>in</strong>gegebene Atem sei trotz tiefster Vergiftungdes menschlichen Herzens von unzerstörbarer Natur. Ke<strong>in</strong>enAugenblick habe Gott se<strong>in</strong> ihm untreu gewordenes Werkverlassen.An dem von Gott gegebenen Ansatz setze Christus e<strong>in</strong>.Christus als das neue Wort <strong>der</strong> Liebe hole das alte Wort <strong>der</strong>ersten Schöpfung aus dem darüber geschütteten Schlamm <strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichen Macht hervor. So komme es zur neuen Geburt ausGott. So werde das tief verdeckte Bild Gottes von neuem ansLicht gebracht. Wie e<strong>in</strong> Funke aus dem Ste<strong>in</strong> werde es auserkalteten Herzen herausgelockt. In Funken <strong>der</strong> altenSchöpfung, <strong>die</strong> unter fe<strong>in</strong>dlicher Asche zu verglimmen drohten,falle von Gott her das helle neue Feuer des zündendenChristuswortes ... Die erneuernde Macht sei größer als <strong>die</strong> Kraftdes ersten Anfangs, sagt Sebastian Franck. Dass durch denneuen Christus das seit alters verschüttete Menschentum vonEigenwillen, Eigengewalt <strong>und</strong> Eigentum befreit wird, sei <strong>die</strong>größere Tat. Was Gott fast gänzlich entglitten war, werdedurch Christus <strong>in</strong> ungetrübte Gottesgeme<strong>in</strong>schaft gebracht, <strong>die</strong>verlorengegangen war.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 335Es geht um Gott, um se<strong>in</strong> Wort, um se<strong>in</strong> erstes Schöpfungswort,um se<strong>in</strong> prophetisches Wort, um das fleischgewordeneWort des historischen Jesus. Es geht um das erneuerndeGeisteswort des Christus, um das Aufhören aller menschlichenAuslegung, um <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>ige Geltung des Gotteswortes <strong>in</strong> JesusChristus – ganz beson<strong>der</strong>s auch für das wirkliche Verständnis<strong>der</strong> heiligen Schriften.Obwohl Sebastian Franck für das apostolische Glaubensbekenntnis<strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>en Teilen <strong>und</strong> für <strong>die</strong> Unerläßlichkeit <strong>der</strong>zehn Gebote e<strong>in</strong>trat, fühlt man <strong>die</strong> Not se<strong>in</strong>es eigenen R<strong>in</strong>gensselbst <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen positiven Gedanken. Die <strong>in</strong>nerste Spannungse<strong>in</strong>es mystischen Denkens wird unerträglich durch den äußerenGegensatz, den er se<strong>in</strong>en Glaubenssätzen gegenüberstellt:er me<strong>in</strong>t, auch den unbegreiflichen Gott selbst nur so bezeugenzu dürfen, daß er <strong>die</strong> gegenteiligsten Gottesbegriffe <strong>in</strong> vollerWucht gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auftreten läßt.All <strong>die</strong>sen Wi<strong>der</strong>sprüchen gegenüber bleibt <strong>die</strong> früheHutterische Bru<strong>der</strong>schaftsbewegung immer <strong>und</strong> überall mit dembiblischen Zeugnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>helliger Übere<strong>in</strong>stimmung. Deshalbdurfte sie Sebastian Franck unter ihren Lehrern <strong>der</strong> Wahrheitnicht nennen, obgleich sie von ihm wie von ähnlich bewegtenMännern <strong>der</strong> Reformationszeit manche sachlich richtigen Lehrenangenommen hat. Als Verfechter <strong>der</strong> ewigen Geme<strong>in</strong>dewahrheitstanden <strong>die</strong> Brü<strong>der</strong> damals auch mit an<strong>der</strong>en Strömen<strong>der</strong> überaus bewegten Reformationszeit <strong>in</strong> erfüllter Begegnung,ohne jemals etwas an<strong>der</strong>es <strong>in</strong> sich aufzunehmen als <strong>die</strong> re<strong>in</strong>eWahrheit Gottes <strong>in</strong> Jesus Christus, wie sie durch den HeiligenGeist mit dem Wort <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> e<strong>in</strong>s ist.Am deutlichsten wird <strong>die</strong>se Haltung aus den alten, nochniemals veröffentlichten Lehren <strong>und</strong> biblischen Vorreden <strong>der</strong>Brü<strong>der</strong> <strong>in</strong> bezug auf den seltsamsten Mann jener gewaltigenZeit: Thomas Münzer 73 . Zuerst Anhänger Luthers; dannreligiös-sozialistischer Revolutionär. Als Anführer imThür<strong>in</strong>gischen Bauernkrieg gefangen <strong>und</strong> h<strong>in</strong>gerichtet. Gegen__________________73Thomas Münzer, * Stolberg/Harz um 1489, + (enthauptet) Mühlhausen/Thür. 27.5.1525. Theologe.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 336manche unrichtige Verdächtigung wurde er von den Brü<strong>der</strong>n<strong>in</strong> Schutz genommen, aber niemals s<strong>in</strong>d sie se<strong>in</strong>en Irrwegengefolgt, auf denen er den Hammer des Worts mit dem Schwertdes blutigen Aufstands <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unmögliche Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>genwollte.Thomas Münzer war nicht nur <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Obrigkeiten,son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d des Erbauungsevangeliums, daske<strong>in</strong>em Menschen weh tat <strong>und</strong> das <strong>die</strong> Fürsten so sehr liebten.Er wendet sich gegen <strong>die</strong> Auffassung, <strong>die</strong> den Reichen bequemwar; er wollte nicht, dass das Gotteswort gleichsam <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>verste<strong>in</strong>ert werden sollte, son<strong>der</strong>n er glaubte daran, dass dasGotteswort lebendig durch alle Zeiten geht; sobald <strong>der</strong> Menschdafür empfänglich wird, vernimmt er es als Gottes Stimme <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Herzen. Der Eroberungs- <strong>und</strong> Gewaltgedanke wardurchaus nicht <strong>die</strong> Hauptsache <strong>in</strong> dem kämpferischen LebensgefühlThomas Münzers. Er wollte vielmehr, dass wir es ausdem M<strong>und</strong>e Gottes selbst hören, was Gott uns sagen will.Der Beg<strong>in</strong>n des Glaubens muss nach Thomas Münzer sozugehen, dass wir durch <strong>die</strong> Menschwerdung Christi zuGottes Schülern werden, dass wir nun von Gott selbst gelehrtwerden, dass das irdische Leben zum Leben des Himmelreichswird. Er will den Glauben verkünden, <strong>der</strong> auch <strong>die</strong> menschlicheRegierung verän<strong>der</strong>n soll:,,<strong>E<strong>in</strong></strong> je<strong>der</strong> muss also <strong>die</strong> Kunst Gottes, das kräftige Wort desVaters aus <strong>der</strong> Erleuchtung des Heiligen Geistes lernen. Der Menschmuss <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Länge, Weite, Tiefe <strong>und</strong> Höhe mit demHeiligen Geist erfüllt werden. Durch den Heiligen Geist muss manGottes Werk erleiden lernen; <strong>die</strong> Sonne muss aus ihrem wahrenUrsprung im Herzen aufgehen. Aber freilich: wer <strong>die</strong> Nacht nichterlitten hat, dem wird <strong>die</strong> Sonne des rechten Wortes nicht gegebenwerden. Wir müssen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ertötung unseres eigenen Wesens sovöllig willigen, dass unser Name unter den Gottlosen geistlichst<strong>in</strong>kend gemacht ist, dann erst werden wir Gottes Namen predigendürfen. Vorher muss Christus <strong>in</strong> unseren Herzen predigen, dann erstkönnen wir e<strong>in</strong> Zeugnis se<strong>in</strong>es Wortes geben. Die Hand Gottes mussuns erst zu <strong>der</strong> Erniedrigung vor Gott gebracht haben, sonst könnenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 337wir <strong>die</strong> Wahrheit nicht erkennen. Wir müssen durch Christus selbstunterrichtet werden. Wir müssen zu dem ursprünglichen Ursprungkommen, damit das Feuer <strong>in</strong>s Herz <strong>und</strong> Gewissen gesandt wird.Dann wird uns das Wort Gottes erleuchten. Der Geist wird uns<strong>die</strong> Wahrheit so erklären, dass wir bereit s<strong>in</strong>d, unseren Hals für <strong>die</strong>Wahrheit e<strong>in</strong>zusetzen. Man muss im Gebet zu Gott so lange rufen,bis er sich offenbart. Dann will er sich unsern Herzen zeigen <strong>und</strong>se<strong>in</strong> Wort offenbaren, <strong>und</strong> zu <strong>die</strong>ser <strong>in</strong>nersten göttlichen Offenbarungmuss man dann sprechen. Nur so kann man <strong>die</strong> Heilige Schriftverstehen."Noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folter hat Thomas Münzer ausgesagt, dasSchlimmste wäre, dass <strong>die</strong> Untertanen sich beklagen müssten,weil ihnen das Wort Gottes nicht richtig gepredigt wird. Wo <strong>die</strong>Freiheit des Wortes verboten wird, solle man alles tun, dass<strong>die</strong>se Freiheit gebracht werde. In <strong>der</strong> Freiheit des Wortes dürfeman sich nicht beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> beirren lassen. Die Unterweisungdes Geistes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Wortes muss so e<strong>in</strong>zig, so ungeteilt<strong>und</strong> so allgeme<strong>in</strong> verständlich se<strong>in</strong>, dass hier <strong>die</strong> For<strong>der</strong>ungGottes <strong>und</strong> Jesu Christi den Ger<strong>in</strong>gsten <strong>und</strong> Niedrigsten faßbarwird. Über alle Buchstaben menschlicher Gelehrsamkeith<strong>in</strong>weg muss <strong>der</strong> verb<strong>in</strong>dende Funke aufsprühen, <strong>der</strong> gerade<strong>die</strong> e<strong>in</strong>fältigsten Herzen erreicht <strong>und</strong> entzündet.Gott will se<strong>in</strong> heiliges Wort <strong>in</strong> unser Herz h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sprechen –sagt Thomas Münzer – aber <strong>der</strong> Mensch kann es nicht hören<strong>und</strong> nicht früher hören, als bis er zur <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht <strong>in</strong> sich selbst <strong>in</strong>den Abgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>es Innersten gelangt. Zuerst muss <strong>der</strong> Menschnach se<strong>in</strong>er Angst bereit se<strong>in</strong>, alle se<strong>in</strong>e Begierden <strong>und</strong> allse<strong>in</strong>en Eigentumswillen völlig zu kreuzigen, sonst bleibt <strong>der</strong>Acker se<strong>in</strong>es Lebens voll Disteln <strong>und</strong> Dornen. Erst muß <strong>die</strong>Pflugschar den Acker aufreißen <strong>und</strong> das Unkraut ausroden,ehe <strong>die</strong> Saat des lebendigen Wortes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Menschen e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>genkann. Ohne <strong>die</strong>ses Neupflügen <strong>und</strong> Umpflügen bis auf denGr<strong>und</strong> kann niemand e<strong>in</strong> Christ werden. Ohne <strong>die</strong>sen Umsturzse<strong>in</strong>es Denkens <strong>und</strong> Empf<strong>in</strong>dens <strong>und</strong> Wollens kann niemandfür Gottes Werk <strong>und</strong> Gottes Wort empf<strong>in</strong>dend werden. Diefromme Welt will das alles nicht:w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 338"Weil sie den bitteren Christus nicht will, frisst sie sich am Honigihrer süßlichen Frömmigkeit tot. Ihr fehlt <strong>der</strong> ganze Christus, weilihr das bittere Kreuz abhanden gekommen ist. Die Lehre vombitteren Christus, das Zeugnis von dem alles umwälzenden Ernst desKreuzes Christi steht im schärfsten Gegensatz zu dem erdichtetenGlauben <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Frömmigkeit. Nur wenn im Abgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>esgere<strong>in</strong>igten <strong>und</strong> befreiten Geistes <strong>der</strong> Heilige Geist se<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>redentut, kann <strong>der</strong> bittere Christus als <strong>der</strong> Erlöser offenbar werden. Dieerlogene Dichtung des falschen Christentums muss zerrissen werden,damit das Pergament des wahren Christusbriefes an se<strong>in</strong>e Stelle tretenkann."Den Bergleuten von Mansfeld rief Thomas Münzer zu:"Man kann euch von Gott aus nichts sagen, solange <strong>die</strong>se Tyrannenüber euch regieren. Der Druck ist so schwer, dass <strong>der</strong> armeMann nicht mehr imstande ist, das zu lesen, was se<strong>in</strong> Herz bewegen<strong>und</strong> erfreuen könnte. Und nun kommen <strong>die</strong> falschen Propheten <strong>und</strong>predigen unverschämter Weise von allen Kanzeln, <strong>der</strong> arme Mannsolle sich nur weiter von den Tyrannen sch<strong>in</strong>den <strong>und</strong> plagen lassen;denn das sei <strong>der</strong> rechte Weg Christi, erniedrigt zu werden. Wann abersoll <strong>der</strong> arme Mann denn <strong>die</strong> Schrift lesen <strong>und</strong> wann denn soll er zu<strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit kommen? Wann werden <strong>die</strong> falschenPropheten den Fürsten <strong>und</strong> Reichen sagen, dass sie sich von allemReichtum <strong>und</strong> von aller Macht entkleiden <strong>und</strong> erniedrigen sollen?Wann werden sie ihnen sagen, dass sie nicht auf dem Weg Christis<strong>in</strong>d, weil sie fern von <strong>die</strong>ser Armut <strong>und</strong> Erniedrigung bleiben?"Wenn also Thomas Münzer e<strong>in</strong> scharfer Fe<strong>in</strong>d <strong>der</strong> wirtschaftlichen<strong>und</strong> politischen Tyrannen ist, so ist se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>dschaftgeboren aus <strong>der</strong> Gegnerschaft gegen den metaphysischen,metapolitischen <strong>und</strong> metaökonomischen 74 übermenschlichenTyrannen, welcher <strong>der</strong> Teufel ist:__________________74meta aus griech. .h<strong>in</strong>ter, nächst, darüber h<strong>in</strong>ausgehend'.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 339"Die tiefste Befreiung von <strong>der</strong> letzten Tyrannei ist <strong>die</strong> von <strong>der</strong>Gewalt des Teufels, <strong>und</strong> von <strong>die</strong>ser Gewalt wird <strong>der</strong> Mensch nurdann frei, wenn er <strong>in</strong> <strong>der</strong> tiefsten Erwartung des befreiendenChristuswortes steht, mit dem Jesus den Satan aus dem Feldegeschlagen hat. Wir brauchen <strong>die</strong> äußere Freiheit, um zur <strong>in</strong>nerenFreiheit zu gelangen. Wir brauchen Ruhe für Gott <strong>und</strong> Platz für se<strong>in</strong>befreiendes <strong>in</strong>neres Wort."Der Mensch muß zuerst ganz leer geworden se<strong>in</strong>, ehe Gott<strong>in</strong> Christus durch den Heiligen Geist <strong>in</strong> ihn e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen kann.Ohne allen Trost <strong>und</strong> ohne allen Stolz muss man vor Gott h<strong>in</strong>gestrecktse<strong>in</strong>, bevor er kommen kann, um den Toten, denErschlagenen zur Auferstehung zu führen. Letzte Qual letzterVerzweiflung muss bei uns anpochen; erst dann dürfen wir vomGlauben hören. Wer sonst sich erdreistet, vom Glauben zu reden,<strong>der</strong> hat ihn gestohlen; <strong>der</strong> predigt, was bei ihm selbst nichterprobt worden ist. In Wahrheit ist er ohne allen Glauben <strong>und</strong>ohne alle Liebe, <strong>in</strong> Wahrheit verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t er durch se<strong>in</strong> Reden <strong>die</strong>Wahrheit des Heiligen Geistes. Alles, was er vom Glauben <strong>und</strong>von <strong>der</strong> Liebe predigt, ist gestohlene Ware, <strong>die</strong> niemand durchsHerz gehen kann. Darum muss es das Ziel se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Menschenzuerst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unwissenheit zu br<strong>in</strong>gen, anstatt ihnen tote Worte<strong>und</strong> leeres Christentum zu predigen. Sie sollen gar nichts mehrwissen, nichts mehr vermögen, damit sie nun auch unterrichtetwerden können durch den Heiligen Geist <strong>der</strong> Wahrheit selbst."Die heutigen falschen Propheten aber wollen, dass man h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>platzt<strong>in</strong> den Glauben. Den Durchbruch durch Unglauben <strong>und</strong>Verzweiflung h<strong>in</strong>durch wollen sie nicht erleben. Wer aber <strong>die</strong>senDurchgang nicht haben will, <strong>der</strong> weiß <strong>in</strong> Wahrheit vom Glaubenganz <strong>und</strong> gar nichts. Er ist nichts an<strong>der</strong>s als ungetreuer Schriftgelehrter,<strong>der</strong> <strong>die</strong> gestohlene Schrift zu se<strong>in</strong>er eigenen Ehre verwendet.Er weiß nicht, was Gott den Menschen selbst sagt. Ernimmt wohl gern <strong>die</strong> äußere Schrift an, aber er will nicht denannehmen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Schrift gegeben hat."w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 340Wer noch niemals gegen den Glauben geglaubt hat, wernoch niemals gegen alle Hoffnung gehofft hat, wer noch niemalsgegen alle Liebe geliebt hat, weiß nichts von Gott. Erhat noch nicht das Lamm gesehen, das alle<strong>in</strong> das Buch aufschließenkann. Der Glaube setzt erst dann e<strong>in</strong>, wenn das Wort<strong>in</strong> uns Mensch wird, wenn Christus <strong>in</strong> uns geboren wird, wennwir wie<strong>der</strong>geboren werden, wenn <strong>die</strong> Liebe Gottes <strong>in</strong> unserHerz ausgegossen wird. Das bloß gehörte <strong>und</strong> gelesene Worttötet <strong>und</strong> macht niemals lebendig:,,Das Lesen <strong>und</strong> Hören ist den Nachahmungen <strong>der</strong> Affen gleich;das Annehmen <strong>der</strong> äußeren Schrift ist dem Zechen auf <strong>die</strong> KreideChristi gleich; <strong>der</strong> Glaube an <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong> ist dem gedichteten Bösewichtsglaubengleich, wie <strong>die</strong> tückischsten Diebe <strong>die</strong> besten Bücherzu stehlen pflegen...Alle Tyrannen <strong>und</strong> Päpste müssen vom Thron gestoßen werden,ob <strong>in</strong> Rom o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Wittenberg; denn sie s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>, <strong>die</strong> JesusChristus nicht vernehmen können, denn sie wollen selbst Predigerdes Evangeliums se<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d Nebenpäpste, <strong>die</strong> nicht gebessertwerden können, weil sie mit ganzer <strong>Seele</strong>, Fleisch <strong>und</strong> Blut, Mark<strong>und</strong> Be<strong>in</strong> für sich selber predigen. Die aber von Christus gefassts<strong>in</strong>d, müssen den Fußtapfen Christi selber nachfolgen. Da hilft ke<strong>in</strong>Kommentar <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong>, ke<strong>in</strong>e Glosse <strong>der</strong> Heiligen Schrift, <strong>die</strong> <strong>die</strong>Menschen geben. Alle <strong>die</strong>se Verteidigung des menschlichen Glaubenskann nur aufhalten."Der Sohn Gottes hat gesagt: ,,Die Schrift gibt Zeugnis"; <strong>die</strong>Schriftgelehrten sagen: ,,Die Schrift gibt den Glauben." Zeugnisgibt sie – den Glauben kann sie nimmer geben. <strong>E<strong>in</strong></strong>e Hilfe, e<strong>in</strong>Dienst ist sie, deshalb soll sie gelesen <strong>und</strong> gesprochen werden,aber <strong>die</strong> Sache selbst kann sie niemals se<strong>in</strong>.Thomas Münzer richtete an e<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>er besten Jünger e<strong>in</strong>eAuslegung des 19. Psalms, <strong>in</strong> <strong>der</strong> er sagt, das Wort Gottesmüsse aufs neue praktisch gelehrt werden – nicht nach demäußeren Verständnis <strong>der</strong> Worte, son<strong>der</strong>n vielmehr aus <strong>der</strong>lebendigen Stimme heraus, <strong>die</strong> oben vom Himmel her zu unskommt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 341"Alles müssen wir auf den Aufgang Christi h<strong>in</strong> verstehen. DieSonne muss nach langer Nacht aus dem wahren Ursprung Gottesheraufgehen. Zuerst müssen wir uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht wissen, <strong>und</strong> dannwird nach <strong>die</strong>ser Nacht das rechte Wort hervorgezeigt werden amhellen Tage <strong>und</strong> <strong>der</strong> geliebte Bräutigam wird aus <strong>der</strong> Kammer kommenals e<strong>in</strong> Gewaltiger. Es ist nötig, dass wir <strong>die</strong>ses <strong>in</strong>nerste Wortdes geliebten Christus aufs klarste unterscheiden von <strong>der</strong> äußerenSchrift. Diese ist H<strong>in</strong>weis, ist Deutung, ist Gelegenheit, ist Zeugnisdes <strong>in</strong>nersten Schatzes – es ist Instrument. Nun aber muss <strong>der</strong>Meister h<strong>in</strong>zutreten. Er alle<strong>in</strong> kann <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong> geben, denwesentlichen Inhalt verleihen. Du musst also nicht aus <strong>der</strong> Schrift,aus <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> e<strong>in</strong>en Spruch hier <strong>und</strong> dort e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en hervorholen,son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>in</strong> starker gegenseitiger Vergleichung den ganzenGeist <strong>der</strong> Schrift erfassen, welches e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> möglich ist durchden Beistand <strong>und</strong> <strong>die</strong> Klärung des Heiligen Geistes.Also versteht <strong>in</strong> Wahrheit ke<strong>in</strong> Gelehrter <strong>die</strong> Heilige Schrift.Die Universitäten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> größte Verwirrung des <strong>Bibel</strong>wortes <strong>und</strong>werden es bleiben bis ans Ende <strong>der</strong> Tage. Sie machen aus den äußerenD<strong>in</strong>gen allerlei Wesens, aber das Wesen erkennen sie nicht.Ihnen wird nichts eröffnet, weil sie noch nicht nach dem Geistigengeworden s<strong>in</strong>d. Sie können zu ke<strong>in</strong>em Glauben kommen, weilsie noch <strong>in</strong> sich selbst geistreich s<strong>in</strong>d. Sie s<strong>in</strong>d noch nicht <strong>in</strong> <strong>die</strong>tiefste Dunkelheit e<strong>in</strong>gehüllt, deshalb s<strong>in</strong>gt ihnen <strong>die</strong> Nachtigall desHeiligen Geistes auch nicht. Es fehlt ihnen das <strong>in</strong>nerliche Wort <strong>in</strong>dem Abgr<strong>und</strong> ihrer <strong>Seele</strong>, weil sie sich e<strong>in</strong>bilden, schon genug großeBücher zu haben. Es fehlt ihnen das rechte Wort, an dem <strong>der</strong> HeiligeGeist hängt, weil <strong>in</strong> dem Abgr<strong>und</strong> ihrer Herzen nichts ist als buchstabischeGelehrtheit. Sie wollen aus dem buchstabischen Wesen denGeist heraufzaubern, wie <strong>die</strong> Kartenleger aus den Karten zaubern.Sie wollen den rechten Aufgang des neuen Tages aus zerrissenenBlättern aufgehen lassen. Sie wollen das äußere Zeugnis überChristus stellen. Sie s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>mal so viel wie Moses war; dennMoses wurde <strong>der</strong> Kraft Gottes gewahr im Abgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er <strong>Seele</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 342Sie denken, sie können den Glauben mit menschlicher Theologielehren, <strong>und</strong> sie haben noch nicht erkannt, dass <strong>der</strong> Glaube nur <strong>in</strong>dem Kreuz <strong>der</strong> äußersten Armut des Geistes gegeben werden kann.Ihnen kann <strong>die</strong> Morgenröte nicht aufgehen, weil sie <strong>die</strong> Nachtverleugnen. Der Tag kann nicht anbrechen <strong>in</strong> ihren Herzen, weil siesich mitten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht e<strong>in</strong>bilden, schon am Tage zu se<strong>in</strong>.Die Schriftgelehrten sagen, das aufgeschriebene Wort sei <strong>die</strong>Stimme Christi. Sie halten das Gehäuse des Vogels für den Vogel.Der Vogel ist aber nicht mehr dar<strong>in</strong>. Sie setzen <strong>in</strong> das Gehäuse desVogels e<strong>in</strong> Uhrwerk, das <strong>die</strong> Töne des Vogels hervorbr<strong>in</strong>gt, aberdamit ist <strong>der</strong> lebendige Vogel nicht da. Sie setzen den Buchstabenzu e<strong>in</strong>er Posaune, sie können aber nicht blasen, denn <strong>der</strong> rechte Hallist nicht dar<strong>in</strong>. Der rechte Hall muss Glauben zu <strong>der</strong> Posaune h<strong>in</strong>zukommen,sonst muss man sie wegwerfen."Die <strong>Bibel</strong> soll also nicht verstanden werden aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong>Grammatik, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> auf dem Wege desHeiligen Geistes, durch <strong>die</strong> Begeisterung, <strong>in</strong> welcher manGottes gewiss wird. Dieser Weg ist überaus gefährlich, aberer ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Weg. Er ist e<strong>in</strong>e Erklärung aller Worte, <strong>die</strong> <strong>in</strong><strong>die</strong> höchste Ordnung führt; er ist <strong>die</strong> Erklärung <strong>der</strong> Ekstase; erist <strong>die</strong> Erklärung des <strong>in</strong>nersten Wortes, <strong>die</strong> Erklärung, <strong>die</strong> denSchatz göttlichen Wortes enthüllt; er ist das AllgegenwärtigeGottes – gegeben als das wirkliche Erlebnis.Was ke<strong>in</strong> Mensch von außen her sehen <strong>und</strong> handhaben kann– wie gut Gott ist, wie so herzlich gern er mit jedem spricht<strong>und</strong> redet, <strong>der</strong> ihn nur wahrhaft hören will – das ist jetzt alsOffenbarung gegeben.Nur <strong>die</strong> dürfen also vom Wort Gottes reden, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>eOffenbarung von Gott haben. Diese Offenbarung hat es immergegeben. Die Weisen aus dem Morgenlande hatten das Wortvon <strong>in</strong>nen reden hören <strong>und</strong> von außen leuchten sehen, <strong>und</strong> sokamen sie zu dem Christus, <strong>der</strong> erst geboren werden sollte,aber <strong>in</strong> ihren Herzen schon geboren war.Hier werden D<strong>in</strong>ge k<strong>und</strong>, <strong>die</strong> im Wachsen des kommendenReiches Gottes <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit treten sollen. Wenn Jesusw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 343gesagt hat: ,,Me<strong>in</strong>e Worte werden nicht vergehen", so me<strong>in</strong>ter nicht <strong>die</strong> <strong>in</strong> Büchern geschriebenen Buchstaben, denn sies<strong>in</strong>d ja nicht wichtig. Son<strong>der</strong>n er me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Worte, <strong>die</strong> er ausgesprochenhat als Sohn <strong>der</strong> Maria auf dem Wege zum Kreuz, zurAuferstehung <strong>und</strong> zur Himmelfahrt, <strong>und</strong> dass <strong>die</strong>se se<strong>in</strong>e Worteimmer <strong>und</strong> überall gesprochen werden durch den HeiligenGeist <strong>in</strong> den Herzen <strong>der</strong> Glaubenden. Deshalb darf man nichtmit den falschen Propheten sagen: ,,Das hat Jesus gesagt,denn es steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> geschrieben", son<strong>der</strong>n man mussmit den wahren Propheten sagen: ,,Dieses sagt <strong>der</strong> Herr; <strong>in</strong>gegenwärtiger Zeit sagt er es <strong>und</strong> spricht er es; jetzt, heute tuter es." Nichts ist <strong>in</strong> Gott vergangen. Alles ist <strong>in</strong> ihm gegenwärtig.Dieses <strong>in</strong>nere Wort ist <strong>die</strong> Offenbarung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>devor sich geht. Gott will immer zu uns sprechen.Je<strong>der</strong> Mensch kann <strong>die</strong> Schrift, das Wort lesen, was <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Herzen ist, <strong>und</strong> doch sagt Thomas Münzer:"Christus ist ke<strong>in</strong>eswegs <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em begehrlichen Herzengeboren. Gott spricht se<strong>in</strong> heiliges Wort e<strong>in</strong> <strong>in</strong> das Inwendige<strong>der</strong> <strong>Seele</strong>. Er verweist <strong>die</strong> trostlose <strong>Seele</strong> auf <strong>die</strong> neue Geburt. DasInnerste <strong>der</strong> Herzen ist gleichsam das Pergament, auf welchemGott se<strong>in</strong>e ewige Wahrheit e<strong>in</strong>schreibt. Das Wort strahlt auf imGewissen. Es wird e<strong>in</strong>gesprochen <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong>. Hier wird es geboren.Aber was nun geboren wird ist nicht irgend etwas Allgeme<strong>in</strong>es,Unbestimmbares, Unfassbares, son<strong>der</strong>n was hier geboren wird ist<strong>der</strong> Judenkönig, unter Pontius Pilatus gekreuzigt, Jesus Christus,<strong>der</strong> Sohn <strong>der</strong> Maria. Er ist es, <strong>der</strong> im Gr<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Menschenseelese<strong>in</strong>e Fülle offenbart, <strong>und</strong> er ist es, <strong>der</strong> im kommenden Reich <strong>die</strong>Herrschaft Gottes über <strong>die</strong> Erde heraufführen wird."Es ist erstaunlich, dass <strong>die</strong> Hutterischen Brü<strong>der</strong>, auch nachdemThomas Münzer längst von fast allen aufgegeben war, sichdennoch <strong>in</strong> ihren Schriften weiterh<strong>in</strong> zu <strong>der</strong> ihm anvertrautenWahrheit bekannt haben. Das ist eben deshalb geschehen,weil <strong>die</strong>sem Bauernführer e<strong>in</strong> überaus gewaltiges Licht gegebenwar. Angst muss uns überkommen, dass jemand, dem vielLicht gegeben war, <strong>die</strong>se schweren geschichtlichen Missgriffew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 344verüben konnte, dass er e<strong>in</strong> geistlicher Führer <strong>der</strong> aufständischenunterdrückten Massen wurde. Um so mehr müssenwir dankbar se<strong>in</strong>, welche unbeschreibliche Gnade Gott e<strong>in</strong>st<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft gegeben hat, <strong>die</strong> nach Jakob Huter genanntwurde, <strong>und</strong> dass all <strong>die</strong>ses Licht, all <strong>die</strong>se Klarheit dort weitervertieft <strong>und</strong> gere<strong>in</strong>igt worden ist, auch gere<strong>in</strong>igt von <strong>der</strong>gewalttätigen Beteiligung an Politik <strong>und</strong> Aufstand.Es handelt sich bei <strong>der</strong> Ankunft des Wortes Gottes zurReformationszeit um beides: erstens um <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>entdeckung<strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> <strong>in</strong> ihrer Tiefe <strong>und</strong> Weite, <strong>in</strong> ihrem Zusammenhang, <strong>in</strong>ihrer ganzen Geschlossenheit <strong>und</strong> Klarheit; zweitens um dasReden Gottes <strong>in</strong> den Herzen <strong>der</strong> Gläubigen durch den HeiligenGeist. Der lebendig machende Geist ist das Entscheidende. Inihm ist <strong>der</strong> lebendige Christus selbst. Man empfängt den Geistnicht an<strong>der</strong>s als durch das <strong>E<strong>in</strong></strong>swerden mit dem gekreuzigtenChristus.Auf <strong>die</strong>sem Weg wird Gottes Wahrheit offenbar. Die <strong>Bibel</strong>wird lebendig <strong>und</strong> klar. Wir erkennen <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> Geistesgeme<strong>in</strong>de<strong>in</strong> <strong>der</strong> urchristlichen Zeit. Immer geht es darum,dass wir das lebendige Wort unmittelbar aus Gottes M<strong>und</strong> vernehmendurch den Heiligen Geist. Dieser Offenbarungsglaubeist e<strong>in</strong>e Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit, <strong>die</strong> mit <strong>der</strong> Heiligen Schrift vollkommenübere<strong>in</strong>stimmt. Das ist <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit <strong>der</strong> apostolischenKirche, wenn wir <strong>die</strong> völlige <strong>E<strong>in</strong></strong>heit des Reiches Gottes durchdas lebendige Wort erfassen <strong>und</strong> zur gleichen Zeit <strong>die</strong>ses Wort<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> erkennen, wie es e<strong>in</strong>st unmittelbar an <strong>die</strong> Propheten<strong>und</strong> Apostel ergangen war.Die Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi muss durch das Wort Gottes stetsvon neuem aufgebaut werden. Sie muss durch das Wort Gottesvom Irrtum abgehalten werden, durch das Wort Gottes denIrrtum erkennen. Sie muss <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e Weisheit des lebendigenSamens im Herzen aufnehmen, nämlich das unmittelbare WortGottes, wie es durch den Heiligen Geist e<strong>in</strong>gegeben wird. DieGeme<strong>in</strong>de Jesu Christi erwartet täglich <strong>die</strong>se Offenbarung.Ke<strong>in</strong> Mensch vermag zu sagen, was <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> geöffnetenGeme<strong>in</strong>de unmittelbar e<strong>in</strong>gibt. Ihr wird <strong>der</strong> göttliche Wille vonGott selbst k<strong>und</strong>getan. Wo das aber wirklich geschieht, ist mangänzlich e<strong>in</strong>ig mit <strong>der</strong> <strong>Bibel</strong> <strong>der</strong> Propheten <strong>und</strong> Apostel. Dennw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 345das alles, was jetzt <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de sagt, ist längst verfasst<strong>in</strong> <strong>der</strong> heiligen Schrift; nur ist es verborgen, solange wirnicht durch den Heiligen Geist unmittelbar belehrt worden s<strong>in</strong>d.Wir müssen uns gleichsam von ihm beraten lassen <strong>in</strong> allenD<strong>in</strong>gen, zu denen wir bestimmt s<strong>in</strong>d. Wir können das aber nurdann, wenn wir den Geist Christi empfangen.Stets von neuem will Gott sprechen, sonst wäre er e<strong>in</strong> toter<strong>und</strong> stummer Gott. Stets von neuem müssen wir Gott befragen.Die durch den Heiligen Geist geschenkte <strong>E<strong>in</strong></strong>sicht geht mit <strong>der</strong>heiligen Schrift gänzlich e<strong>in</strong>ig. Christus ist e<strong>in</strong>s mit dem Geist.Er gibt den Schlüssel zu dem geschriebenen <strong>und</strong> gedrucktenWort. Der Mensch muss für das Wort empfänglich werden,<strong>in</strong>dem <strong>der</strong> Heilige Geist se<strong>in</strong> Herz bewegt. Wer den HeiligenGeist nicht kennt, <strong>der</strong> ist bl<strong>in</strong>d, wie oft er auch <strong>die</strong> <strong>Bibel</strong> lesenmag.Die Wirkung des Wortes wird aus <strong>der</strong> Tiefe des Herzens zurTat, damit alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> allen D<strong>in</strong>gen Gottes Werk geschehe. Daskann nur dann geschehen, wenn <strong>der</strong> Mensch Wohnung für Gott<strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Heiligen Geist geworden ist. Dann wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emganzen Leben Gottes Zeugnis Tat <strong>und</strong> Werk.Das ganze Leben wird e<strong>in</strong> Gleichnis für das, was Gott durchse<strong>in</strong> lebendiges Wort dem Herzen unmittelbar mitteilt. Aus <strong>der</strong>Tiefe des Herzens tritt es hervor <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit des sichtbarenLebens. Wäre das nicht <strong>der</strong> Fall, dann wäre ja das <strong>in</strong>nereHervorbrechen nicht vom Heiligen Geist hergekommen. DasGleichnis e<strong>in</strong>es solchen Lebens entspricht <strong>in</strong> allen <strong>E<strong>in</strong></strong>zelheiten<strong>der</strong> ganzen <strong>Bibel</strong> <strong>und</strong> allen Worten Christi. So wird alles, was<strong>der</strong> Heilige Geist im Herzen offenbart, zum Gotteswerk, dasnicht Menschenwerk ist. Die Kraft des Wortes Gottes will sich <strong>in</strong>Gottes Werk zeigen.Die, welche vom Heiligen Geist belehrt worden s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> daslebendige Wort im Herzen angenommen haben, stimmen <strong>in</strong><strong>E<strong>in</strong></strong>tracht mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> übere<strong>in</strong>. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Worten, <strong>die</strong> <strong>der</strong>Geist gesagt hat, e<strong>in</strong>ig mit allen ebenso Gerufenen <strong>und</strong> mit denTexten <strong>der</strong> Apostel, Propheten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Boten Gottes.So, wie jedes Schaffen Werkzeuge <strong>und</strong> Ausdrucksmittelerfor<strong>der</strong>t, so gebraucht <strong>der</strong> Geist Christi das Wort <strong>der</strong> Apostel<strong>und</strong> Propheten als Instrument. Er er<strong>in</strong>nert uns an alle Worte, <strong>die</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 346wir im Evangelium f<strong>in</strong>den. Durch unser Gewissen mahnt er uns,ihre Kenntnis <strong>und</strong> Aufnahme durch stets erneuertes Lesen <strong>und</strong>Hören zu vertiefen. In unserem Herzen bildet er <strong>die</strong> <strong>in</strong>nerlicherfassten Worte um zur lebendigen Gestaltung. Wie das lebendigeWort den gewaltigen <strong>E<strong>in</strong></strong>fluss <strong>der</strong> Christus-Nähe bezeugt,so vermittelt <strong>der</strong> Geist aus dem geschriebenen o<strong>der</strong> gedrucktenBuchstaben den unmittelbaren Ausdruck des Wesens Christi.Deshalb sucht das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Glaubensgeme<strong>in</strong>schaft mit ihmerneute Leben nicht nach e<strong>in</strong>er Ersche<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>er Gestalt, alswolle es ihn aus dem Himmel herunter- o<strong>der</strong> gar aus dem Totenreichheraufholen, son<strong>der</strong>n es erfährt se<strong>in</strong>e lebendige Geistesnähedurch das Wort, das unmittelbar <strong>in</strong>s Herz e<strong>in</strong>gedrungenist. Als <strong>der</strong> entsprechende Ausdruck <strong>der</strong> eigenen Herzenserfahrungwird das lebendig machende Wort ausgesprochen<strong>und</strong> bekannt. Wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em lebendigen Samenkorn lebt<strong>in</strong> dem Wort <strong>der</strong> Glaube an Jesus Christus <strong>und</strong> das Bekenntnisse<strong>in</strong>es Namens. Die Nähe des Wortes bedeutet <strong>die</strong> NäheGottes. Denn das Wort ist Jesus Christus selbst, aus dessenGeist je<strong>der</strong> Satz <strong>der</strong> Wahrheit geboren ist. Er ist von Anfangan <strong>die</strong> Offenbarung des Vaters, <strong>die</strong> ihren geschichtlichen Gipfelerreichte, als er Fleisch wurde <strong>und</strong> unter uns wohnte. Se<strong>in</strong> Lebenbrachte das Wort als lebendige Verwirklichung des Willens Gottesunter uns. Deshalb sah Luther im Wort Leben <strong>und</strong> Seligkeit, Vergebung<strong>und</strong> Gottesgeme<strong>in</strong>schaft. Und deshalb kann das Haltendes Wortes ke<strong>in</strong> bl<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong> äußerer Gehorsam se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>nes ist <strong>die</strong> gegenwärtige tatkräftig verwirklichte Lebense<strong>in</strong>heitmit Jesus Christus, mit dem Wort se<strong>in</strong>es Geistes, das imHerzen des Glaubenden lebendig ist.Nicht an<strong>der</strong>s kann Leben entstehen, als durch das lebendige<strong>und</strong> bleibende Wort <strong>der</strong> Wahrheit. Wenn se<strong>in</strong> Wort nicht <strong>in</strong> unsist, stehen wir im Gegensatz zu Leben <strong>und</strong> Wahrheit: im Tode<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lüge, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> Unwirklichkeit.Das wahre <strong>und</strong> erneuerte Se<strong>in</strong> hat dar<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Kraft, dass wirvon jedem Wort leben, das durch den M<strong>und</strong> Gottes geht. Unser<strong>in</strong>neres Leben wird <strong>in</strong> demselben Maße stark <strong>und</strong> überw<strong>in</strong>dend,<strong>in</strong> dem wir das Siegeswort verwirklichen. In jedem Wort Gotteshat unser Leben se<strong>in</strong>e Existenz <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Kraft.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 347Der unteilbare Geist Gottes <strong>und</strong> Christi ist im ganzen Wortwirksam. Solange wir Teile se<strong>in</strong>er Schriften unterdrücken o<strong>der</strong>nicht beachten, entziehen wir unserem Leben das Licht <strong>der</strong>Wahrheit. Wenn wir e<strong>in</strong>zelnen Teilen <strong>der</strong> Schrift ke<strong>in</strong>e Lebensbedeutungabgew<strong>in</strong>nen können, weil sie uns <strong>in</strong>nerlich nochnicht wichtig geworden s<strong>in</strong>d, sollten wir bedenken, auf welcheWeise das Leben Gottes <strong>in</strong> unser Inneres getreten ist. Was wirvon Christus als <strong>in</strong>neres Wort erlebt haben, war uns als Buchstabefremd <strong>und</strong> kalt. Aus den Tiefen des Wortes, <strong>die</strong> uns jetztvielleicht noch fern liegen, will <strong>der</strong> Geist uns bisher unbekannteWesenszüge <strong>der</strong> Lebenswirklichkeit Gottes <strong>und</strong> Christi <strong>in</strong>s Herzsenken. Wenn wir <strong>die</strong>sem göttlichen Wirken auf irgende<strong>in</strong>emGebiet unseres Lebens aus dem Wege gehen, so meiden wirden Weg <strong>der</strong> Wahrheit. Wir verlieren das Leben Gottes. ,,DerMensch lebt von e<strong>in</strong>em jeglichen Wort, das durch den M<strong>und</strong>Gottes geht" (Matth.4,4). Das Leben aus Gott will das ganzegeschriebene Wort <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de lebendig machen.Das Wort ist <strong>der</strong> Same des Lebens. Die Beschaffenheit desBodens entscheidet über Se<strong>in</strong> <strong>und</strong> Werden. Wer das Wort mitFreuden aufnimmt <strong>und</strong> nur für e<strong>in</strong>e Zeit zu Glauben versucht,um im Augenblick <strong>der</strong> Versuchung wie<strong>der</strong> alles zu verlieren,hat am Ende nichts. Die St<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Versuchung br<strong>in</strong>gen <strong>die</strong>Probe, ob das Wort gewurzelt <strong>und</strong> e<strong>in</strong>gepflanzt ist. Der gutenErde vergleichbar s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>, welche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em redlichen <strong>und</strong>guten Herzen das gehörte Wort bewahren (Luk.8,15). Es s<strong>in</strong>d<strong>die</strong>selben, <strong>die</strong> ihn lieben; es s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Vater <strong>und</strong><strong>der</strong> Sohn Wohnung machen.Liebe <strong>und</strong> Treue zum Wort werden durch <strong>die</strong> <strong>in</strong>nersteWillenshaltung bestimmt. Theresia 75 hat mit Recht <strong>die</strong> Liebeals den Pfeil bezeichnet, den <strong>der</strong> Wille abschießt. Gott tut <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Wort se<strong>in</strong>en Liebeswillen k<strong>und</strong>. Er läßt <strong>die</strong> Wahrheiten<strong>die</strong>ses Wortes als scharfe Pfeile se<strong>in</strong>er Liebe durch unser Herzgehen. Ebenso ist nur e<strong>in</strong> straffer Wille fähig, unsere Liebe imTun se<strong>in</strong>es Wortes an allen Menschen zu beweisen. Nur e<strong>in</strong>so entschiedener Wille kann das Wort Jesu als den wirklichen__________________75Theresa von Avila, 1515-1582. Ordensreformer<strong>in</strong> <strong>der</strong> Karmelit<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> Mystiker<strong>in</strong>.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 348Ausdruck des Wesens Gottes erkennen: ,,So jemand will desWillen tun, <strong>der</strong> mich gesandt hat, <strong>der</strong> wird <strong>in</strong>ne werden, ob <strong>die</strong>seLehre von Gott sei" (Joh.7,17). Die Energie e<strong>in</strong>es solchenTuns kann nur aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Willensgeme<strong>in</strong>schaft geborenwerden, <strong>in</strong> welcher das Herz zu Gott sagt: ,,Was willst Du, dasich tun soll?"Daher zeigt es sich an <strong>der</strong> Kraft unseres <strong>in</strong>wendigen Lebens,ob das Wort Gottes <strong>in</strong> uns lebendig ist. Ohne das <strong>in</strong> unslebendige Wort gibt es ke<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erhörung gewisses Gebet <strong>und</strong>ke<strong>in</strong> Überw<strong>in</strong>den des Bösen. Durch das Schwert des Worteshat <strong>der</strong> Herr den Versucher überw<strong>und</strong>en. Ebenso sagt uns<strong>die</strong> Schrift, dass <strong>die</strong> Jüngl<strong>in</strong>ge dar<strong>in</strong> stark s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> dar<strong>in</strong> denBösen überw<strong>und</strong>en haben, dass das Wort Gottes <strong>in</strong> ihnen bleibt(1.Joh.2,14b). Ohne das lebendige Wort im Herzen gibt eske<strong>in</strong>en Sieg über <strong>die</strong> Sünde: In me<strong>in</strong>em Herzen habe ichde<strong>in</strong> Wort verwahrt, auf dass ich nicht wi<strong>der</strong> dich sündige!"(Ps.119,11). Das ist nur möglich, wenn wir im Vater <strong>und</strong> imSohn bleiben <strong>und</strong> das Wort <strong>in</strong> uns bleibt, das wir von Anfang angehört haben.Denn das geschriebene Wort wird <strong>in</strong> dem gläubigen Herzenso lebendig, dass es uns bei je<strong>der</strong> Wegscheide <strong>und</strong> <strong>in</strong> je<strong>der</strong>Gefahr zum untrüglichen Führer werden will. Durch se<strong>in</strong> Worttritt Jesus uns als unser Herr entgegen. Se<strong>in</strong>e Vollmacht,unser Leben <strong>in</strong> allem zu leiten, empf<strong>in</strong>den wir als se<strong>in</strong> heiligstesRecht, das unserer höchsten Berufung entspricht.In <strong>der</strong> deutschen Jugendbewegung 76 wurde das Ideal desgeborenen Führers auf den Schild erhoben, das Bild e<strong>in</strong>er Persönlichkeitvoll Größe <strong>und</strong> Schönheit, voll Liebe <strong>und</strong> Vollmacht,voll Geist <strong>und</strong> Kraft. Vor allem wurde betont, dass das Führerse<strong>in</strong>e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Bestimmung ist, <strong>die</strong> niemandem von außenher verliehen werden kann. Der rechte Führer wird nicht gewählt,son<strong>der</strong>n er tritt unter das Volk <strong>und</strong> wählt. Er ist e<strong>in</strong> Mannstärkeren <strong>und</strong> höheren Willens.__________________76Mit <strong>die</strong>sen Worten, geschrieben zur Zeit des beg<strong>in</strong>nenden Nationalsozialismus,warnt Eberhard Arnold davor, <strong>die</strong> Ideale <strong>der</strong> deutschenJugendbewegung für machtpolitische Zwecke zu missbrauchen.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Eberhard Arnold - <strong>Innenland</strong> 349Jesus ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige wirkliche Führer, <strong>der</strong> <strong>die</strong>se Sehnsucht<strong>der</strong> Jugend <strong>und</strong> <strong>der</strong> gesamten Menschheit <strong>in</strong> Wahrheit <strong>und</strong>Re<strong>in</strong>heit verwirklicht. In ihm ist Geist <strong>und</strong> Liebe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Personvere<strong>in</strong>igt. Er war es, <strong>der</strong> an se<strong>in</strong>e Leute herantrat <strong>und</strong> ihnen <strong>in</strong>freier Vollmacht zurief: ,,Folge mir!" – ,,Wer nicht alles verläßt<strong>und</strong> mir nachfolgt, <strong>der</strong> ist me<strong>in</strong> nicht wert!" (Matth. 10,37+38).Heute ist es se<strong>in</strong> Wort, durch welches er denselben Ruf <strong>der</strong>Nachfolge an se<strong>in</strong>e Erwählten richtet. Denn das Wort ist se<strong>in</strong>persönlicher Wille, durch den er se<strong>in</strong>e Vollmacht beweist,<strong>die</strong> jeden überwältigt <strong>und</strong> zu eigen gew<strong>in</strong>nt, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Rufvernimmt.Das <strong>in</strong>nere Geführtwerden durch se<strong>in</strong> Wort kann durch ke<strong>in</strong>eNachahmung ersetzt werden. Es gibt im Gebirge Leute, <strong>die</strong> siche<strong>in</strong>en Führer ersparen wollen. Es s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> berüchtigten Nachgeher,<strong>die</strong> immer <strong>in</strong> geraumer Entfernung denen nachzusteigensuchen, <strong>die</strong> sich e<strong>in</strong>em eigenen Führer anvertraut haben.So oft man von e<strong>in</strong>em schweren Absturz im Gebirge hört, wird<strong>die</strong> erste Frage se<strong>in</strong>, ob <strong>die</strong> Verunglückten ohne Führer an<strong>der</strong>enachahmen wollten, <strong>die</strong> selbst aufs sicherste geleitet waren.In dem schwierigen Gelände, durch welches uns <strong>der</strong> schmaleWeg führt, vermag niemand ohne Führer auszukommen. Werohne <strong>die</strong> klare <strong>in</strong>nere Führung des Wortes sich <strong>in</strong> das felsigeHochgebirge des Lebens h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wagt, geht se<strong>in</strong>em Absturz entgegen,mag er noch so sehr menschliche Vorbil<strong>der</strong> im Augehaben, <strong>die</strong> selbst unter wirklicher Führung standen.Die <strong>in</strong>nere Führung durch den Herrn äußert sich oft so,dass er uns für jede Lage das rechte Wort aus <strong>der</strong> Schrift gibt;ja, dass er für unser <strong>in</strong>neres Werden ganze Schriftzusammenhängewie mit strahlendem Licht übergießt. Je<strong>der</strong> bloßäußere Gebrauch des Wortes kann es uns nur verdunkeln <strong>und</strong>entfremden. Der Heilige Geist muss <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em jeden das Wortaufs neue aussprechen. Wie e<strong>in</strong>e Lichtflut gießt er es <strong>in</strong> unserHerz <strong>und</strong> auf unseren Weg, wo wir vorher trotz aller verstandesmäßigenErkenntnis alle Orientierung verloren hatten. Wiee<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Offenbarung kann es über uns kommen, wenn dasso lebendig gemachte Wort unseren Weg erleuchtet; etwa wiewenn vor dem im Nebel verirrten Wan<strong>der</strong>er plötzlich <strong>die</strong> Sonnedurchbricht <strong>und</strong> ihm den verlorengegangenen Weg offenbart,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


wo es vorher nichts als düstere gespenstische Schatten zu gebenschien.Das <strong>in</strong> uns lebendige Wort will unser ganzes Leben führen, beherrschen<strong>und</strong> regieren. Alle<strong>in</strong> das Wort Gottes ist <strong>die</strong> wahre Geistesleitung.Aber das Wort, welches <strong>in</strong> uns lebendig ist, will se<strong>in</strong>en Willen<strong>in</strong> Tat <strong>und</strong> Wahrheit verwirklichen. Nur so wird es sich zeigen, dasswir e<strong>in</strong> Brief Christi s<strong>in</strong>d, geschrieben mit dem Geist des lebendigenGottes <strong>in</strong> unsere Herzen.Die weltweiten Aufgaben, <strong>die</strong> Gott uns stellt, werden wirnur dann erfüllen können, wenn das Wort Gottes <strong>in</strong> unslebendig ist <strong>und</strong> bleibt. Das Wort Gottes enthüllt uns denWillen Gottes, dass <strong>die</strong> Weltgeschichte auf das e<strong>in</strong>e Ziel h<strong>in</strong>wirkenmuss: auf das Reich Gottes, auf <strong>die</strong> Königsherrschaft JesuChristi. Nur wenn <strong>die</strong> Menschheit sich nicht mehr von ihrem eigenenWesen, son<strong>der</strong>n alle<strong>in</strong> durch den Willen Gottes regieren lassenwill, wird das Glück wahren Friedens <strong>und</strong> echter Gerechtigkeit <strong>in</strong> ihrherrschen können.Noch liegt <strong>die</strong> vollendete Herrschaft Gottes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft, wie es<strong>die</strong> Schrecken unserer Zeit von neuem beweisen. Aber es bestehte<strong>in</strong> klarer Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Herrschaft des Christus <strong>in</strong>den Herzen <strong>der</strong> Gläubigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zukünftigen Königsherrschaftihres Herrn. Denn das Reich Gottes ist nichts an<strong>der</strong>es als <strong>die</strong>Verwirklichung des Willens <strong>und</strong> Wesens des Höchsten.Der <strong>in</strong>nere Friede <strong>der</strong> Herrschaft Gottes schenkt unserenKräften jene Harmonie des Wirkens, nach welcher <strong>die</strong> Weltjetzt mehr als je verlangt. Wenn unser Inneres von <strong>der</strong> Klarheitbeherrscht wird, dass nur <strong>in</strong> Gottes Wesen <strong>die</strong> wahreKraft zu f<strong>in</strong>den ist, so werden wir nicht mit neuem Hass,son<strong>der</strong>n mit neuer Liebe den Willen Gottes unter den Menschenverwirklichen. Wenn durch das Wort Gottes unserganzes Leben se<strong>in</strong>er Herrschaft ergeben ist, wenn wir von <strong>in</strong>nenheraus für se<strong>in</strong>en Willen lebendig werden, so wird uns <strong>die</strong>beglückendste <strong>und</strong> höchste Aufgabe geschenkt. Denn es gibt nichtsGrößeres für <strong>die</strong> Erde als <strong>die</strong> Herrschaft Gottes <strong>in</strong> dem Reich JesuChristi.


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 351Aus dem Leben Eberhard Arnoldszusammengestellt von Emmy ArnoldEberhard Arnold wurde am 26. Juli 1883 als drittes K<strong>in</strong>d des damaligenGymnasiallehrers Karl Frankl<strong>in</strong> Arnold <strong>in</strong> Königsberg geboren. Se<strong>in</strong>eMutter Elisabeth geb. Voigt stammte aus e<strong>in</strong>er alten Gelehrtenfamilie.Se<strong>in</strong> Großvater väterlicherseits, Frankl<strong>in</strong> Luther Arnold, war Missionarenglisch-amerikanischer Abstammung <strong>und</strong> Pastor e<strong>in</strong>er presbyterianischenKirche <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten.Eberhard wuchs im Kreise von fünf Geschwistern auf, es warenzwei Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong> drei Schwestern. Er war fünf Jahre alt, als <strong>die</strong> FamilieKönigsberg verließ, da se<strong>in</strong> Vater als Professor für Kirchengeschichte nachBreslau berufen worden war. Eberhard war e<strong>in</strong> Junge voll tollkühner Ideen<strong>und</strong> bubenhafter Unternehmungen, wodurch ihm nicht viel Zeit für <strong>die</strong>Schule blieb. Wegen manchen Unfugs war er bei se<strong>in</strong>en Lehrern <strong>und</strong>bei den Eltern mancher Schüler nicht immer beliebt. Schon <strong>in</strong> frühesterK<strong>in</strong>dheit nahm er Anstoß an <strong>der</strong> Ungleichheit <strong>der</strong> Menschen <strong>und</strong> schlossFre<strong>und</strong>schaften mit solchen aus ärmlichsten Verhältnissen, beson<strong>der</strong>smit so genannten “Brü<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Landstraße”; fand er doch bei ihnen oftmehr Herzenswärme <strong>und</strong> echteres Menschentum als <strong>in</strong> den bürgerlichenKreisen. In den Ferien war er e<strong>in</strong>mal bei se<strong>in</strong>em Onkel <strong>in</strong> dessen Pfarrhauszu Gast. Die <strong>in</strong>nere religiöse Wärme <strong>die</strong>ses Mannes bee<strong>in</strong>druckte ihnstark, zumal <strong>die</strong>ser ganz auf Seiten <strong>der</strong> Armen <strong>und</strong> Unterdrückten stand,wodurch er sich <strong>die</strong> Fe<strong>in</strong>dschaft <strong>der</strong> Reichen se<strong>in</strong>er Kirchgeme<strong>in</strong>de zuzog.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 352Im Hause <strong>die</strong>ses Onkels traf er auch das erste Mal mit e<strong>in</strong>em Vertreter<strong>der</strong> Heilsarmee zusammen. Das brü<strong>der</strong>liche Gespräch, das <strong>der</strong> Onkelmit <strong>die</strong>sem <strong>in</strong> Eberhards Gegenwart hatte, wies ihn stark <strong>in</strong> <strong>die</strong> Richtunge<strong>in</strong>er echten Christusliebe, <strong>die</strong> sich gerade an dem Ärmsten kräftig erweist.So kam es für Eberhard, <strong>der</strong> damals 16 Jahre alt war, zu e<strong>in</strong>er radikalen<strong>in</strong>neren Wendung. Er teilte se<strong>in</strong>en Eltern <strong>und</strong> Lehrern mit, dass von nunan se<strong>in</strong> Leben e<strong>in</strong>e ganz an<strong>der</strong>e Richtung nehmen sollte, wurde aber vonihnen nicht verstanden.Auf <strong>der</strong> Suche nach Menschen verwandten Geistes kam Eberhard<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit verschiedenen christusbewegten Kreisen. Um ihn sammeltesich e<strong>in</strong>e Gruppe von Mitschülern, <strong>in</strong> <strong>der</strong> durch geme<strong>in</strong>sames <strong>Bibel</strong>studiumnach tiefer Erkenntnis des Weges Jesu gesucht wurde. Beson<strong>der</strong>sstark war er von <strong>der</strong> Heilsarmee bee<strong>in</strong>druckt <strong>und</strong> zog mit <strong>die</strong>sen h<strong>in</strong>gegebenenMenschen <strong>in</strong> <strong>die</strong> f<strong>in</strong>steren Spelunken Breslaus <strong>in</strong> dem Drange,Menschen aus Trunk <strong>und</strong> Schmutz zu befreien. <strong>E<strong>in</strong></strong>en Tr<strong>in</strong>ker begleiteteer morgens <strong>und</strong> abends, weil <strong>der</strong> Weg zu dessen Arbeitsstätte an e<strong>in</strong>erSchenke vorbeiführte. Tief erschüttert von <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Armen im OstenBreslaus fand er das gesellschaftliche Leben se<strong>in</strong>es bürgerlichen Elternhausesimmer unerträglicher. Angesichts <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Armen weigerte ersich e<strong>in</strong>mal, an e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Veranstaltung teilzunehmen, weiler es als unrecht empfand, an e<strong>in</strong>em Abend so viel Geld für <strong>die</strong> Bewirtungwohlhaben<strong>der</strong> Leute auszugeben. Er bekam dafür von se<strong>in</strong>em VaterStubenarrest. Se<strong>in</strong>e Eltern waren mit se<strong>in</strong>er neuen Tätigkeit <strong>und</strong> se<strong>in</strong>erHaltung, gerade zur sozialen Frage, gar nicht e<strong>in</strong>verstanden.Als Eberhard <strong>die</strong> Schule beendigt hatte, verlangten se<strong>in</strong>e Elternvon ihm das Theologiestudium, obwohl er selbst glaubte, den Menschenbesser als Arzt <strong>die</strong>nen zu können. Er stu<strong>die</strong>rte <strong>in</strong> Breslau, Halle <strong>und</strong> ErlangenTheologie, Philosophie <strong>und</strong> Pädagogik <strong>und</strong> schloss se<strong>in</strong>e Universitätsjahremit e<strong>in</strong>er Doktorarbeit ab über das Thema: " Urchristliches <strong>und</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 353Antichristliches im Werdegang Friedrich Nietzsches". - Während se<strong>in</strong>erZeit <strong>in</strong> Halle hatte er sich eng mit <strong>der</strong> Deutschen Christlichen Studenten-Vere<strong>in</strong>igung zusammengeschlossen <strong>und</strong> während e<strong>in</strong>iger Jahre mit Ludwigvon Gerdtell zusammen gearbeitet. Beide standen <strong>in</strong> <strong>der</strong> christlichenErweckungsbewegung, <strong>die</strong> damals viele suchende Kreise ergriffen hatte.Während <strong>die</strong>ser Zeit lernten wir uns im Jahre 1907 kennen. Nach tiefen<strong>und</strong> wesentlichen Aussprachen über das Wesen <strong>der</strong> Nachfolge Christiverlobten wir uns schon nach wenigen Tagen <strong>der</strong> Bekanntschaft <strong>und</strong>g<strong>in</strong>gen von nun an unseren Weg geme<strong>in</strong>sam. Im Jahre 1909 fand <strong>die</strong>Hochzeit statt. Während <strong>der</strong> ersten Jahre unserer Ehe wurde Eberhard sehrviel zu öffentlichen Vorträgen gerufen. Er sprach <strong>in</strong> verschiedenen deutschenStädten, z.B. <strong>in</strong> Halle, Leipzig, Berl<strong>in</strong>, Dresden, Hamburg über <strong>die</strong>Fragen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Menschen damals beson<strong>der</strong>s beschäftigten. So wählteer Themen wie "Das Urchristentum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jetztzeit" – "Die sozialeNot" – "Freiheit für Jeden" – "Die Not <strong>und</strong> Knechtung <strong>der</strong> Masse"– "Das religiöse R<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Jetztzeit" – "Jesus, wie er wirklich war" –"Nietzsches Kritik des Christentums". In jener Zeit begann <strong>der</strong> Kampfmit <strong>der</strong> Landeskirche, <strong>der</strong> vor allem durch <strong>die</strong> Tauffrage hervorgerufenwurde. Eberhard erkannte, dass <strong>die</strong> Kirche durch ihre Verb<strong>in</strong>dung mitStaat <strong>und</strong> Besitz auf falschem F<strong>und</strong>amente steht.Diese Erkenntnis bedeutete e<strong>in</strong>en großen <strong>E<strong>in</strong></strong>schnitt <strong>in</strong> unserLeben. Eberhard ließ sich taufen <strong>und</strong> trat aus <strong>der</strong> Landeskircheaus, konnte folglich auch ke<strong>in</strong>en Kirchen<strong>die</strong>nst annehmen.Durch <strong>die</strong> Schriften des religiös-sozialen Schweizer Pfarrers HermannKutter angeregt, kämpfte er mehr <strong>und</strong> mehr für das Proletariat <strong>und</strong> allean<strong>der</strong>en Unterdrückten. Se<strong>in</strong>e Stellungnahme zur Arbeiterfrage <strong>und</strong> zurStaatskirche hatte manche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Eltern <strong>und</strong> Kirchenbehördenzur Folge.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 354Wegen e<strong>in</strong>er schweren Erkrankung an Lunge <strong>und</strong> Kehlkopf zogEberhard mit unserer kle<strong>in</strong>en Familie 1913 nach Südtirol, wo wir beiBozen e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Häuschen mieten konnten. Diese Zeit führte unszur rechter <strong>in</strong>nerer Bes<strong>in</strong>nung <strong>und</strong> tieferer Klarheit. Damals entstanden<strong>die</strong> ersten Kapitel des Buches "<strong>Innenland</strong>" <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Reihe wichtigerAufsätze wie "Die Liebe zu Gott", "Die Liebe zu den Brü<strong>der</strong>n", "DieMacht des Gebetslebens" <strong>und</strong> "Lebensbeweise lebendiger Geme<strong>in</strong>den".Eberhard beschäftigte sich auch gründlich mit <strong>der</strong> Täufergeschichte, <strong>und</strong>Gestalten wie Hans Denck, Balthasar Hubmair <strong>und</strong> Thomas Müntzerbee<strong>in</strong>druckten uns schon damals sehr.Es wurde uns <strong>in</strong> jener Zeit immer deutlicher, dass unser Lebene<strong>in</strong>e radikalere <strong>und</strong> tatkräftigere Richtung f<strong>in</strong>den müsse. Von jener Zeitan lebte auch me<strong>in</strong>e Schwester Else von Hollan<strong>der</strong> mit uns <strong>und</strong> nahman allem, was uns bewegte, lebendigsten Anteil. Während ich sehr mitEberhards Pflege <strong>und</strong> <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong> beschäftigtwar, half sie Eberhard als Sekretär<strong>in</strong> bei se<strong>in</strong>er geistigen Arbeit. Als Mitanfänger<strong>in</strong>des geme<strong>in</strong>samen Lebens war sie ihm bis zu ihrem Tode imJahre 1932 e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s starke Stütze.Inmitten <strong>die</strong>ser <strong>in</strong>neren Erlebnisse brach 1914 <strong>der</strong> erste Weltkrieg aus.Eberhard wurde zum Militär e<strong>in</strong>gezogen <strong>und</strong> <strong>die</strong>nte wenige Wochenals Kutscher <strong>in</strong> Ostdeutschland, wurde aber wegen se<strong>in</strong>er schwachenGes<strong>und</strong>heit sehr bald entlassen. Die Militärfrage beschäftigte ihn von nunan fortgesetzt, obwohl es noch e<strong>in</strong>ige Zeit dauerte, bis er dar<strong>in</strong> zu völligerKlarheit kam.Wir lebten e<strong>in</strong>ige Zeit <strong>in</strong> Halle, bis Eberhard im Jahre 1915als literarischer Leiter des Furche-Verlages nach Berl<strong>in</strong> berufen wurde, wounsere Familie bis zum Jahre 1920 verblieb. Der Verlag gab neben <strong>der</strong>Zeitschrift "Die Furche" <strong>in</strong> jenen Kriegsjahren e<strong>in</strong>e Reihe von Büchern<strong>und</strong> Kunstmappen heraus, um damit beson<strong>der</strong>s den Kriegsgefangenen zuw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 355<strong>die</strong>nen. Häufige Lazarettbesuche erschütterten Eberhard sehr, <strong>und</strong> immermehr wandte er sich vom Kriegsgeist ab.Von 1919 an erlebten wir, wie von allen Seiten e<strong>in</strong> Strom neuenLebens zu uns kam. Zu Pf<strong>in</strong>gsten <strong>die</strong>ses Jahres sprach Eberhard zu denStudenten <strong>der</strong> Deutschen Christlichen Studenten-Vere<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> Marburg.Die Worte Jesu wurden dem Kreis lebendig <strong>und</strong> zeigten uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bergrede<strong>die</strong> Lösung <strong>der</strong> Friedensfrage sowie <strong>die</strong> <strong>der</strong> sozialen Frage <strong>in</strong> vollerKlarheit. Erw<strong>in</strong> Wißman berichtet über <strong>die</strong>se Pf<strong>in</strong>gsttagung <strong>in</strong> <strong>der</strong>Zeitschrift "Die Furche" das Folgende:"Im Blickpunkt alles Redens <strong>und</strong> aller Gedanken stand <strong>die</strong> BergredeJesu, <strong>die</strong> uns <strong>in</strong> ihrer ganzen Wucht, ihrer une<strong>in</strong>geschränkten, ungeschmälertenTragweite, ihrer Unbed<strong>in</strong>gtheit <strong>und</strong> Absolutheit von unsermEberhard Arnold mit tiefster Innerlichkeit <strong>und</strong> Inbrunst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Herzengebrannt <strong>und</strong> mit prophetischer Kraft <strong>und</strong> dem ungeheuren Schwungse<strong>in</strong>er ganzen Persönlichkeit <strong>in</strong> den Willen gehämmert wurde.Hier gab es ke<strong>in</strong>en Kompromiss. Wer Reichsgenosse se<strong>in</strong> will, mussaufs Ganze gehen <strong>und</strong> h<strong>in</strong>durch bis zum Letzten. Christse<strong>in</strong> heißt e<strong>in</strong>Christusleben führen. Die For<strong>der</strong>ung ist unauslöschlich flammend <strong>und</strong>verpflichtend, <strong>der</strong> Weckruf zur Liebe wie <strong>der</strong> Drohruf: ‚Wer das Schwertnimmt, soll durch das Schwert umkommen.’ An uns liegt es, dass <strong>die</strong>e<strong>in</strong>e entscheidende Revolution des Geistes e<strong>in</strong>setzt, ...dass wir <strong>in</strong> JesuGeist se<strong>in</strong>e Taten tun, um den Mitmenschen zu helfen nach <strong>Seele</strong>, Geist<strong>und</strong> Leib. Nur so können wir Christen unsern Weg heute gehen alsGesandte des Reiches Gottes <strong>und</strong> Vorkämpfer für <strong>die</strong>se e<strong>in</strong>zig mögliche,e<strong>in</strong>zig nötige Politik <strong>der</strong> Christokratie."Diese Tagung <strong>in</strong> Marburg war <strong>der</strong> Anfang dessen, was später geschah:Hier sahen wir <strong>die</strong> Vision des Zukünftigen vor uns. Die Früchte<strong>die</strong>ses Erlebnisses zeigten sich immer mehr, bis aus <strong>der</strong> Vision allmählichdas Leben selbst neue Gestalt gewann. Es begann mit Aussprachen <strong>in</strong>offenen Abenden, <strong>die</strong> wir <strong>in</strong> unserm Haus <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> hatten, zu denenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 356oft 80 o<strong>der</strong> 100 Teilnehmer kamen, Menschen aus den verschiedenstenKreisen: Jugendbewegte, Proletarier, Studenten, Offiziere, Atheisten,Pietisten, Anarchisten, Quäker. In allen brannte <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Frage: Wassollen wir tun? Die Bergpredigt stand im Mittelpunkt <strong>der</strong> Aussprache.Alle wussten es: Das Leben muss geän<strong>der</strong>t werden. Es muss endlich zurTat kommen. Ke<strong>in</strong>e Worte mehr! Wir wollen endlich Taten sehen!Der Radikalismus <strong>die</strong>ser Haltung führte zur Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit denLeitern <strong>der</strong> Zeitschrift "Die Furche" <strong>und</strong> <strong>der</strong> D.C.S.V. Auf verschiedenenTagungen, so <strong>in</strong> Bad Oeynhausen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Saarow (Mark Brandenburg),wurde hart auf hart um <strong>die</strong> brennenden Fragen gekämpft: Wie verhält sich<strong>der</strong> Christ zu Krieg <strong>und</strong> Revolution? Kann e<strong>in</strong> Christ Soldat se<strong>in</strong>? Eberhardverne<strong>in</strong>te <strong>die</strong>ses entschieden. In e<strong>in</strong>en Bericht über jene Tagungen heißtes:"Eberhard Arnold erkannte freudig <strong>die</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> persönlichenWie<strong>der</strong>geburt an, aber zu je<strong>der</strong> Evangelisation gehöre <strong>die</strong> Predigtvom Ethos Jesu. Jesus habe <strong>die</strong> Staatsgewalt zwar anerkannt, dasReich Gottes aber als etwas ganz an<strong>der</strong>es bezeichnet. Der Christbedeutet e<strong>in</strong> fortwährendes Korrektiv im Staate, e<strong>in</strong>e Gewissenserweckung<strong>und</strong> Stärkung des Rechtswillens, e<strong>in</strong> Sauerteig, d.h. e<strong>in</strong>enFremdkörper im S<strong>in</strong>ne des höheren Wertes. Aber so weit <strong>der</strong> StaatGewalt braucht, muss <strong>der</strong> Christ se<strong>in</strong>e Mitarbeit versagen. Er kann alsonicht Soldat, Scharfrichter o<strong>der</strong> Polizeipräsident se<strong>in</strong>. Wir s<strong>in</strong>d verpflichtet,durch Tat <strong>und</strong> Wort Zeugnis davon abzulegen, dass nichts vonJesu Worten umgebogen werden darf! Es gilt immer unbed<strong>in</strong>gt: Manmuss Gott mehr gehorchen als den Menschen! ...Wir empf<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong><strong>der</strong> Welt als Korrektiv des Normativen."Nun galt es, neue Wege zu f<strong>in</strong>den <strong>und</strong> zu beschreiten. Wir folgten demRuf <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>e des "Neuen Werkes", e<strong>in</strong>er religiös-sozialen Gruppe, <strong>und</strong>dem Aufruf zur "Urgeme<strong>in</strong>de", <strong>der</strong> von Schlüchtern her zu uns drang.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 357- Zunächst luden wir mit an<strong>der</strong>en Fre<strong>und</strong>en zu e<strong>in</strong>er Pf<strong>in</strong>gsttagung <strong>in</strong>Schlüchtern e<strong>in</strong>, zu <strong>der</strong> etwa zweihun<strong>der</strong>t meist jugendliche Menschenaus allen Teilen Deutschlands zusammenkamen <strong>in</strong> dem Drang, e<strong>in</strong>e Antwortauf <strong>die</strong> brennenden Fragen zu f<strong>in</strong>den: Was sollen wir denn tun?Wie können wir wahres Menschentum, wahre Freiheit <strong>und</strong> e<strong>in</strong> echtesh<strong>in</strong>gegebenes Leben f<strong>in</strong>den? Es wurde uns klar, beson<strong>der</strong>s angeregt durche<strong>in</strong>en Besuch auf <strong>der</strong> freideutschen Siedlung Habertshof, dass unser Weg<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es brü<strong>der</strong>lichen Geme<strong>in</strong>schaftslebens se<strong>in</strong> müsste. Sahen wir doch<strong>in</strong> Besitz <strong>und</strong> Eigentum e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bösesten Wurzeln des Krieges <strong>und</strong> desfalschen Lebens <strong>der</strong> Menschen überhaupt. Wo aber beg<strong>in</strong>nen? Stadt o<strong>der</strong>Land? Wie kann <strong>der</strong> Not <strong>der</strong> Massen am Besten begegnet werden? DieAntwort unserer Fre<strong>und</strong>e aus dem Proletariat war: Geht aufs Land!Es war uns von Anfang an klar, dass das Geme<strong>in</strong>schaftslebene<strong>in</strong> Leben <strong>der</strong> Glaubensfreiheit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gütergeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> <strong>der</strong>Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> freiwilliger Armut werden müsste, wobei unsGustav Landauers Schriften beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>die</strong>se Richtung wiesen.Im Sommer 1920 mieteten wir drei kle<strong>in</strong>e Stuben im H<strong>in</strong>terhaus e<strong>in</strong>erGastwirtschaft im Dorfe Sannerz, Kreis Schlüchtern. Niemand dachtean <strong>die</strong> Gründung e<strong>in</strong>er neuen weltanschaulichen Geme<strong>in</strong>schaft, son<strong>der</strong>ne<strong>in</strong>fach an das Tatwerden dessen, was uns klar geworden war mit allendenen, <strong>die</strong> mit Hand anlegen wollten. Wir waren damals nur siebenErwachsene <strong>und</strong> fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Von vornhere<strong>in</strong> wurde <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>e Kreis vonvielen Gästen aufgesucht, <strong>die</strong> täglich unangemeldet kamen, so dass wir oftden Vers zitierten: "Zehn waren geladen, zwanzig waren gekommen, tu'Wasser an <strong>die</strong> Supp' <strong>und</strong> heiß' sie all' willkommen!"In vielen Aussprachen rangen wir um Klarheit für alle Fragen,<strong>die</strong> sie <strong>und</strong> uns beschäftigten. Oft dauerten <strong>die</strong> Aussprachen bis tief <strong>in</strong><strong>die</strong> Nacht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> nach manchmal schweren Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungenwurde uns immer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> starkes Geme<strong>in</strong>schaftserleben geschenkt.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 358<strong>E<strong>in</strong></strong>ige Auszüge aus e<strong>in</strong>er Ansprache Eberhard Arnolds, "Die <strong>in</strong>nersteWesenheit unseres Werdens", geben am besten wie<strong>der</strong>, was damals nichtvon Menschen gegründet, auch nicht von e<strong>in</strong>zelnen aus menschlicherKraft gewollt, son<strong>der</strong>n vom Geiste her begonnen <strong>und</strong> angerichtet wurde,wodurch es alle<strong>in</strong> Bestand haben konnte. Wir lassen sie hier folgen:"Es kommt auf <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Situation, auf <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Atmosphäre bei<strong>der</strong> Entstehung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>samen Lebens an. Die erste Zeit <strong>in</strong>Sannerz stand mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Flut geistiger Bewegungen. Es war e<strong>in</strong>ebestimmte W<strong>in</strong>drichtung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Segel <strong>der</strong> aufbrechenden Schiffeblähte <strong>und</strong> sie an e<strong>in</strong> ganz bestimmtes Ufer treiben wollte. So war es, alswenn <strong>der</strong> Strom des Geschehens von draußen zu uns here<strong>in</strong>käme <strong>und</strong>nun <strong>in</strong> unserem Geme<strong>in</strong>deleben e<strong>in</strong>e Kulm<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> Kristallisation,e<strong>in</strong>en Kraftwirbel erleben wollte. Es konnte geschehen, dass jemandacht Tage bei uns <strong>in</strong> Sannerz war, ohne zu sehen, worauf es ankam.Nur wer wirklich e<strong>in</strong>en Blick für <strong>die</strong> Tiefe hatte, nur wer wirklich <strong>in</strong>das Innerste <strong>der</strong> Herzen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schauen konnte, musste merken: Hier iste<strong>in</strong>e geistige Sendung des Evangeliums <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Jesu Christi,e<strong>in</strong>e Missionsstation mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heidnischen <strong>und</strong> doch von Gottheimgesuchten Deutschland <strong>und</strong> Mitteleuropa.Unter uns allen, unter denen, <strong>die</strong> here<strong>in</strong> traten <strong>und</strong> unter denen,<strong>die</strong> schon da waren, wirkte <strong>der</strong> Heilige Geist <strong>der</strong> Gegenseitigkeit <strong>der</strong>Begegnung vor Gottes Angesicht. Die Stuben <strong>und</strong> Zimmer <strong>in</strong> Sannerz<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Zeit auch <strong>die</strong> des Rhönbru<strong>der</strong>hofes waren von e<strong>in</strong>erKraft erfüllt, <strong>die</strong> nicht von uns Menschen kam, <strong>die</strong> wir da waren, auchnicht von denen, <strong>die</strong> uns besuchten <strong>und</strong> zu uns here<strong>in</strong> kamen, son<strong>der</strong>nes war e<strong>in</strong>e Kraft, <strong>die</strong> von Gott kam <strong>und</strong> uns besuchte. Dieser Kraftwar e<strong>in</strong> unsichtbares Fluidum, das uns umgab. So verstanden wir dasPf<strong>in</strong>gsterlebnis als das Brausen des Geistes, <strong>der</strong> <strong>die</strong> wartende Geme<strong>in</strong>deumgab <strong>und</strong> heimsuchte. In <strong>die</strong>sem wun<strong>der</strong>baren Geheimnis wurdeGeme<strong>in</strong>schaft; denn hier konnte ke<strong>in</strong> Eigenwille sich behaupten <strong>und</strong>ke<strong>in</strong> eigenes Wort gelten, auch nicht das Wort von so genanntenFührern, auch nicht das Wort e<strong>in</strong>er so genannten Opposition.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 359Die Wolke redet <strong>und</strong> <strong>der</strong> Mensch kommt zum Schweigen. Das bedeutetke<strong>in</strong>eswegs, dass nur Bekenner Christi, <strong>die</strong> sich als bekehrte <strong>und</strong>wie<strong>der</strong>geborene Christen erklären, von <strong>die</strong>ser Wolke berührt werden,son<strong>der</strong>n im Gegenteil: Wir haben es wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> erlebt, wie <strong>der</strong>verborgene Christus offenbar wird <strong>in</strong> solchen, <strong>die</strong> sich selbst als ungläubigerklären. Christus besucht alle Menschen lange bevor sie mitihm e<strong>in</strong>ig geworden s<strong>in</strong>d. Wir ahnen, dass das Licht Christi zu allenMenschen kommt, <strong>die</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>se Welt geboren werden."Im Jahre 1922 än<strong>der</strong>te sich manches. Viele unserer Fre<strong>und</strong>e wandten sichzum alten zurück. Enttäuscht me<strong>in</strong>ten sie, <strong>der</strong> heutige <strong>in</strong>dividualistischeMensch sei nicht imstande, sich selbst so aufzugeben, dass er geme<strong>in</strong>schaftsfähigwird. Obwohl wir <strong>die</strong>se Unfähigkeit an uns selbst ebensospürten, hatten wir doch den Ruf zur völligen Geme<strong>in</strong>schaft so deutlichgehört, dass wir, wenn auch zagend, entschlossen waren, <strong>die</strong> Sache weiterzuführen.Nur sieben wagten den Neuanfang, während alle an<strong>der</strong>eng<strong>in</strong>gen. Sachlich war <strong>der</strong> Hauptgr<strong>und</strong>, <strong>der</strong> zur Trennung führte, <strong>die</strong> Frage:Glaube <strong>und</strong> Wirtschaft. Über <strong>die</strong>se Zeit <strong>der</strong> Krise <strong>und</strong> des Neuanfangssagte Eberhard e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gästeaussprache das Folgende:"Als wir zum ersten mal gerufen wurden, fühlten wir uns durch denGeist Jesu Christi gedrängt <strong>und</strong> beauftragt, <strong>in</strong> völliger Geme<strong>in</strong>schaftzu leben, <strong>in</strong> geschlossener Geme<strong>in</strong>schaft mit offener Tür <strong>und</strong> mitliebendem Herzen für alle Menschen.Das Wort Jesu als <strong>die</strong> Wirklichkeit se<strong>in</strong>es Lebens <strong>und</strong> als <strong>die</strong> Tatsachese<strong>in</strong>es Geistes war es, was uns <strong>die</strong> Kraft gegeben hat, <strong>die</strong>sen Weg,wenn auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en schwachen Schritten, dennoch fest <strong>und</strong> sicherzu betreten <strong>und</strong> <strong>in</strong>nezuhalten. Bald, auf <strong>der</strong> ersten Strecke des e<strong>in</strong>geschlagenenWeges, s<strong>in</strong>d Zeiten über uns gekommen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Kraftauf <strong>die</strong> härteste Probe gestellt haben, fe<strong>in</strong>dselige Zeiten <strong>der</strong> Erprobung,<strong>in</strong> denen nähere <strong>und</strong> fernere Fre<strong>und</strong>eskreise, <strong>die</strong> uns tief ans Herz gewachsenwaren, sich abwandten <strong>und</strong> zu Fe<strong>in</strong>den des Weges wurden, weilsie sich selbst von <strong>der</strong> Freiheit <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit abgewandt hatten, weil siew w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 360selber von neuem <strong>in</strong> das bürgerlich abhängige Leben e<strong>in</strong>er auf privatesGeld gegründeten <strong>E<strong>in</strong></strong>zelexistenz zurückkehren wollten. Die Bewegungist damals durch verbürgerlichende <strong>E<strong>in</strong></strong>flüsse dem Kapitalismus <strong>und</strong>se<strong>in</strong>en Berufen zu neuer Knechtung ausgeliefert worden.Mochte uns <strong>die</strong> Mehrzahl aller Fre<strong>und</strong>e rechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks verlassen,mochten ganze Scharen von <strong>der</strong> hochgehobenen Fahne <strong>der</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit<strong>und</strong> Freiheit desertiert se<strong>in</strong>, mochten wohlme<strong>in</strong>ende Fre<strong>und</strong>e uns aufdas ernsteste warnen, dass wir auf dem e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>geschlagenen Wegee<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> unbeachtet zugr<strong>und</strong>e gehen müssten – es konnte nichtsmehr än<strong>der</strong>n: Mitsamt den eigenen <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en uns anvertrautenK<strong>in</strong><strong>der</strong>n mussten wir weiter, weiter vorwärts, mussten wir h<strong>in</strong>durch,dem Ziel entgegen!"Äußerlich war <strong>der</strong> neue Anfang ebenso schwer wie <strong>der</strong> Aufbruch zweiJahre vorher. Voll Dank <strong>und</strong> mutig, wenn auch etwas zögernd, machtenwir uns ans Werk. Wir bewohnten jetzt e<strong>in</strong> größeres Haus <strong>in</strong> Sannerz,<strong>und</strong> langsam wuchs <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft an Zahl <strong>und</strong> Aufgaben. In <strong>die</strong>senJahren widmeten wir uns <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise <strong>der</strong> Verlagsarbeit <strong>und</strong><strong>der</strong> Erziehung benachteiligter K<strong>in</strong><strong>der</strong>, <strong>die</strong> mit unseren eigenen K<strong>in</strong><strong>der</strong>nheranwuchsen. Auch <strong>die</strong> Arbeit <strong>in</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Garten nahm anBedeutung zu.Bald wurde <strong>der</strong> Platz <strong>in</strong> Sannerz zu kle<strong>in</strong>, <strong>und</strong> wir sahen unsnach e<strong>in</strong>em neuen Ort um. Wir kauften im Jahre 1926 mit ger<strong>in</strong>genMitteln auf dem Sparhofgelände im Kreise Fulda, e<strong>in</strong> sehr ärmliches<strong>und</strong> heruntergewirtschaftetes Gut. Nach e<strong>in</strong>er Übergangszeit waren wirim Jahre 1927 dort alle vere<strong>in</strong>igt <strong>und</strong> konnten <strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>er Weise alsvorher an den Aufbau herangehen, da wir auf e<strong>in</strong>em Platz waren, <strong>der</strong>ganz <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft gehörte. In allem, was wir taten, sollte das Göttliche,sollte <strong>die</strong> werdende Geme<strong>in</strong>de symbolisch Gestalt gew<strong>in</strong>nen. DieK<strong>in</strong><strong>der</strong>geme<strong>in</strong>de, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Erwachsenen,<strong>die</strong> Arbeit <strong>in</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Garten, Bau, Handwerk <strong>und</strong> Verlag,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 361wie auch <strong>die</strong> Arbeit an den Gästen <strong>und</strong> Armen, konnte nun neu aufgebaut<strong>und</strong> erweitert werden, soweit uns dazu Gaben <strong>und</strong> Kräfte gegebenwaren.Alles wurde von e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft getragen, <strong>die</strong> im Geistlichenwie im Zeitlichen <strong>die</strong> volle Verantwortung hatte. Dieser Kreis erteiltee<strong>in</strong>zelnen se<strong>in</strong>er Glie<strong>der</strong> bestimmte Aufträge für <strong>die</strong> Durchführung <strong>der</strong>geme<strong>in</strong>sam gestellten Aufgaben. Eberhard wirkte <strong>in</strong> jenen Jahren <strong>in</strong> ersterL<strong>in</strong>ie im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Anregung, Vertiefung <strong>und</strong> Klärung <strong>die</strong>ser "sozialpädagogischenArbeitsgeme<strong>in</strong>schaft", beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> geistigen Durchdr<strong>in</strong>gungaller Arbeitsgebiete. Der Kreis war im ständigen Wachstumbegriffen. Junge Menschen stellten sich ganz <strong>der</strong> Sache zur Verfügung <strong>und</strong>halfen mit, <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>samen Aufgaben energisch voranzutreiben. Baldkonnten sie bestimmte Arbeitszweige verantwortlich leiten.Auch während <strong>die</strong>ser Jahre <strong>in</strong> Sannerz <strong>und</strong> auf dem Rhönbru<strong>der</strong>hofhielt Eberhard Vorträge <strong>in</strong> verschiedenen Städten Deutschlands,Österreichs <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> wirkte an Tagungen freideutscher,friedensges<strong>in</strong>nter <strong>und</strong> verwandter Kreise aktiv mit.Se<strong>in</strong> Quellenbuch "Die ersten Christen nach dem Tode <strong>der</strong> Apostel"erschien 1926 als Ausdruck <strong>der</strong> Kraft urchristlichen Geistes, dessenLebenswirkung für <strong>die</strong> Entstehung <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>höfe von gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong>Bedeutung war. Er widmete das Buch den Eltern, war er ihnen dochfür <strong>die</strong> im Elternhaus empfangenen Anregungen trotz mancher Kämpfedankbar, wie auch für das wachsende Verständnis, das beide Eltern unseremLebensweg im Verlauf <strong>der</strong> Jahre mehr <strong>und</strong> mehr entgegenbrachten.In tiefer Ehrfurcht vor dem K<strong>in</strong>de <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erkenntnis, dass <strong>die</strong>Erwachsenen sehr viel von den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n lernen müssen, nahm sichEberhard <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung <strong>und</strong> des Schulwesens an. Im Unterrichtverstand er das lebendige Interesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> an <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong>Menschheit als an dem, was e<strong>in</strong>mal war, was jetzt ist <strong>und</strong> was <strong>in</strong>w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 362Zukunft e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> wird, zu wecken. Groß <strong>und</strong> kle<strong>in</strong> beteiligte sichvor allem <strong>in</strong> Bestellungs- <strong>und</strong> Erntezeiten an <strong>der</strong> Feld <strong>und</strong> Gartenarbeit.Arbeit gab es <strong>in</strong> Fülle, <strong>und</strong> das geme<strong>in</strong>same Schaffen war e<strong>in</strong> wichtigerTeil des Geme<strong>in</strong>schaftslebens, auch beson<strong>der</strong>s für <strong>die</strong> Gäste. Der Taggehörte <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abend den Aussprachen im ganzen o<strong>der</strong> imengeren Kreis. Auf geme<strong>in</strong>samen Fahrten versuchten wir auch <strong>die</strong> bäuerlichenMenschen zu erreichen. So saßen wir abends etwa unter e<strong>in</strong>erDorfl<strong>in</strong>de, klampften <strong>und</strong> sangen unsere schönen Volkslie<strong>der</strong>. Eberhardlas dann e<strong>in</strong>e Geschichte o<strong>der</strong> Legende vor, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bauern, <strong>die</strong> uns mitBrot, Wurst <strong>und</strong> Eiern bewirteten, wurden <strong>in</strong> den Erlebniskreis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gezogen.Zuweilen übten wir Laienspiele e<strong>in</strong> <strong>und</strong> versuchten auf <strong>die</strong>se Weiseden Nachbardörfern e<strong>in</strong>e schlichte Botschaft zu br<strong>in</strong>gen. O<strong>der</strong> wir wan<strong>der</strong>tenunterm Sternenhimmel <strong>und</strong> versammelten uns im Kellergewölbevon Huttens Stammsitz, <strong>der</strong> Steckelsburg, am prasselnden Feuer, wobeiEberhard uns aus Ulrich von Huttens Zeiten erzählte: "...es ist e<strong>in</strong>e Lustzu leben, <strong>die</strong> Geister wachen auf!" Nach Hause g<strong>in</strong>g es dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dunkelheit<strong>in</strong> langer Kette, e<strong>in</strong>er dem an<strong>der</strong>n <strong>die</strong> Hand reichend!Da <strong>der</strong> Kreis sich ständig vergrößerte, wurde eigentlich immergebaut, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> den ersten Jahren meist ohne genügende Geldmittel.Mit größtem Interesse widmete sich Eberhard den Bauplänen,sollten doch <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftshäuser e<strong>in</strong> Ausdruck für das se<strong>in</strong>, wasuns beseelte: Schlichtheit auch im Äußeren! Die Geme<strong>in</strong>schaft arbeitete<strong>in</strong>tensiv an <strong>der</strong> Gestaltung des Bru<strong>der</strong>hofaufbaus mit. Bei aller <strong>E<strong>in</strong></strong>fachheit<strong>und</strong> Armut bunte leuchtende Farben – wie Gottes Schöpfung <strong>in</strong> ihrerMannigfaltigkeit – so sollten <strong>die</strong> Wohnungen aussehen.Wichtig war uns auch immer <strong>die</strong> handwerkliche Arbeit, beson<strong>der</strong>sdas Kunsthandwerk. Je<strong>der</strong> Leuchter, jede Schale wurde geme<strong>in</strong>schaftlichbeurteilt <strong>und</strong> ihre Form geme<strong>in</strong>sam beschlossen. Eberhard vertrat immerwie<strong>der</strong>, dass gerade <strong>die</strong>se Arbeiten <strong>in</strong> ihrer schlichten Form e<strong>in</strong> Zeugnisgeme<strong>in</strong>schaftlichen Empf<strong>in</strong>dens se<strong>in</strong> sollten.w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 363Dem Verlag wurde später auch e<strong>in</strong>e eigene Druckerei angeschlossen.Eberhard legte großen Wert auf <strong>die</strong> Schönheit des Satzbildes <strong>und</strong> <strong>die</strong>Sauberkeit <strong>der</strong> Ausführung von Satz, Druck <strong>und</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>band. Die Entstehunge<strong>in</strong>es jeden Briefes, Aufsatzes o<strong>der</strong> Buches war e<strong>in</strong>e Angelegenheit<strong>der</strong> ganzen Geme<strong>in</strong>schaft. Bei geme<strong>in</strong>samen Arbeiten wie z.B. beimKartoffelauslesen wurden <strong>die</strong> Manuskripte besprochen o<strong>der</strong> Korrekturengelesen. So lernten alle Geme<strong>in</strong>schaftsglie<strong>der</strong> <strong>die</strong> "Quellenbücherei" <strong>und</strong><strong>die</strong> an<strong>der</strong>en Veröffentlichungen gründlich kennen, ob es sich nun um<strong>die</strong> Bände "Die ersten Christen", "Franz von Assisi", um "Novalis" o<strong>der</strong>"Z<strong>in</strong>zendorf" o<strong>der</strong> um e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>n Band <strong>der</strong> "Quellen" handelte o<strong>der</strong> um<strong>die</strong> Neugestaltung des Buches "<strong>Innenland</strong>".Unsere Gäste wurden <strong>in</strong> <strong>die</strong> geme<strong>in</strong>same Arbeit ganz e<strong>in</strong>bezogen.Morgens trafen wir uns zu stiller Sammlung. Die geme<strong>in</strong>samen Mahlzeitenwaren uns e<strong>in</strong> Symbol des zukünftigen Reiches <strong>der</strong> Gerechtigkeit,<strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> des Friedens. Das e<strong>in</strong>fache, oft sehr ärmliche Essen wurde<strong>in</strong> weihevoller Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>in</strong> dem schönen holzgetäfelten Esssaal mitdem siebenarmigen Leuchter, an roten, mit grünem L<strong>in</strong>oleum belegtenTischen von irdenen Schüsseln e<strong>in</strong>genommen.An Sommerabenden versammelten wir uns oft im Freien unter<strong>der</strong> großen Buche am Küppelabhang <strong>und</strong> suchten geme<strong>in</strong>sam mitden Gästen <strong>und</strong> Mitarbeitern nach <strong>der</strong> wahren <strong>in</strong>nersten Befreiung dese<strong>in</strong>zelnen von sich selbst, nach echter Geme<strong>in</strong>schaft, nach wahremFrieden <strong>und</strong> sozialer Gerechtigkeit. Hier wurden wir oft <strong>in</strong> tiefer Weiseauf <strong>die</strong> Lebensgestaltung aus den Kräften <strong>der</strong> Jesusliebe geführt, wobeiwir immer wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em echten Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis durchstoßenkonnten, das manchem zur persönlichen Entscheidung für se<strong>in</strong> ganzesLeben wurde.In unseren Versammlungen brachte uns Eberhard immer wie<strong>der</strong>mit den wichtigen geistigen Bewegungen <strong>der</strong> Geschichte <strong>in</strong> lebendigsteBerührung. Der ganze Kreis beschäftigte sich z.B. mit dem Entstehenw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 364des Quäkertums <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> Täuferbewegung des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts,beson<strong>der</strong>s mit den Anfängen <strong>der</strong> hutterischen Geme<strong>in</strong>schaften <strong>in</strong> Mähren,<strong>in</strong> <strong>der</strong>en Bewegung wir denselben Geist am Werk spürten, <strong>der</strong> uns zusammengeführthatte. Die nach Tausenden zählenden Märtyrer, <strong>die</strong> das Leben<strong>der</strong> Nachfolge mit dem Tode besiegelt hatten, stärkten unsern Glauben,<strong>die</strong> wir ja noch nicht bis ans Ende unseres Lebens ausgeharrt hatten. Alswir erfuhren, dass es noch heute hutterische Bru<strong>der</strong>höfe <strong>in</strong> Amerika gibt,setzten wir uns mit ihnen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> traten mit ihnen <strong>in</strong> lebendigenAustausch, war es uns doch nie daran gelegen, e<strong>in</strong>e eigene Gruppezu bilden, <strong>und</strong> suchten wir doch immer <strong>die</strong> <strong>E<strong>in</strong></strong>heit mit an<strong>der</strong>en geistbestimmtenBewegungen <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaften. So fuhr Eberhard imJahre 1930 nach Nordamerika <strong>und</strong> blieb fast e<strong>in</strong> ganzes Jahr bei denHutterern, alle ihre Bru<strong>der</strong>höfe besuchend.Trotzdem <strong>die</strong> seit 400 Jahren <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft lebenden Brü<strong>der</strong>e<strong>in</strong>iges an<strong>der</strong>s sahen als wir, was damals - wie heute - Gegenstand vonAussprachen war, schlossen wir uns ihnen an, als solchen, <strong>die</strong> denurchristlichen Geme<strong>in</strong>den näher standen als alle an<strong>der</strong>en uns bekanntenGruppen.Als Eberhard von se<strong>in</strong>er Amerikareise zurückkehrte, wurde uns e<strong>in</strong>ebeson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>tensive Zeit des <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Wachstums geschenkt.Viele neue Menschen aus <strong>der</strong> Schweiz, aus England, aus Schweden <strong>und</strong>aus unserer eigenen Heimat schlossen sich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft an, auchsolche aus verschiedenen an<strong>der</strong>en Gruppen, <strong>die</strong> ebenso wie wir nach<strong>E<strong>in</strong></strong>heit suchten. So kamen <strong>in</strong> jener Zeit Menschen aus dem Werkhof beiZürich <strong>und</strong> aus e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe von Eisenach zu uns.Auch <strong>in</strong> späteren Jahren kam es zur Vere<strong>in</strong>igung mit an<strong>der</strong>en ähnlichenLebensversuchen.In den Aussprachen mit unseren Gästen gab es damals oft scharfeAuse<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen; denn <strong>der</strong> Geist des Nationalsozialismus begannw w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 365sich <strong>in</strong> Deutschland immer weiter auszubreiten. Als dann Hitler 1933 an<strong>die</strong> Macht kam, wurde unser Aufbau bald unterbrochen <strong>und</strong> wir merktennoch deutlicher, wie sehr <strong>der</strong> Geist des Hitler-Regimes dem unsrigenentgegengesetzt war. So wurden uns auch bald behördliche <strong>E<strong>in</strong></strong>schränkungenauferlegt, <strong>die</strong> unsere Arbeit <strong>in</strong> Deutschland immer mehr erschwerten.Im November 1933 wurde <strong>der</strong> Rhön-Bru<strong>der</strong>hof von <strong>der</strong> Gestapo,<strong>der</strong> SS <strong>und</strong> <strong>der</strong> Polizei besetzt <strong>und</strong> unsere Schule geschlossen. Auch <strong>der</strong>Gästeverkehr wurde uns untersagt, unsere soziale Arbeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vertriebunserer Bücher so gut wie unmöglich gemacht. Während <strong>der</strong> Besetzungwurde jedes Mitglied, beson<strong>der</strong>s auch Eberhard, <strong>der</strong> wegen e<strong>in</strong>es gebrochenenBe<strong>in</strong>es liegen musste, gründlich verhört <strong>und</strong> beim Abzug <strong>der</strong>Parteitruppen nahmen <strong>die</strong>se e<strong>in</strong>e ganze Autoladung beschlagnahmterPapiere <strong>und</strong> Bücher mit.Da auf unserem Bru<strong>der</strong>hof e<strong>in</strong>e Staatsschule mit e<strong>in</strong>em nationalsozialistischenLehrer e<strong>in</strong>gerichtet werden sollte, entschlossen wir uns, <strong>die</strong>Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>, es handelte sich damals um etwa zwanzig, sofort nach <strong>der</strong>Schweiz zu br<strong>in</strong>gen. So fand <strong>der</strong> Lehrer ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> mehr vor, als er zumBru<strong>der</strong>hof kam. Auch <strong>die</strong> Jugendlichen reisten nach <strong>der</strong> Schweiz ab.Eberhard <strong>und</strong> ich begaben uns nun auf <strong>die</strong> Suche nach e<strong>in</strong>em neuenPlatz, den wir auch <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Schweiz benachbarten kle<strong>in</strong>en FürstentumLiechtenste<strong>in</strong> fanden, wo wir auf <strong>der</strong> Alp Silum e<strong>in</strong> leeres Kurhaus <strong>in</strong> etwa1500 m Höhe mieteten. Es war <strong>die</strong>s e<strong>in</strong> Glaubensschritt, da uns gar ke<strong>in</strong>eMittel zur Errichtung e<strong>in</strong>es neuen Bru<strong>der</strong>hofes zur Verfügung standen.Die Hilfe kam aber gerade, als wir sie am notwendigsten brauchten. Soströmten denn im März 1934 von verschiedenen Seiten her Jugendliche<strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> nach Liechtenste<strong>in</strong>, <strong>und</strong> es kam zur Gründung des Almbru<strong>der</strong>hofs,nachdem auch e<strong>in</strong>ige Familien vom Rhönbru<strong>der</strong>hof herübergesiedelt waren. Eberhard <strong>und</strong> ich sowie e<strong>in</strong>ige an<strong>der</strong>e reisten während<strong>der</strong> kommenden Zeit viel zwischen beiden Bru<strong>der</strong>höfen h<strong>in</strong> <strong>und</strong> her <strong>und</strong>wussten dabei nie, ob wir von e<strong>in</strong>er solchen Reise zurückkehren würden,w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 366waren es doch gefährliche Zeiten, mancher wurde verhaftet <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>Konzentrationslager gebracht.Im Frühjahr 1935 stellte uns <strong>die</strong> Militarisierung Deutschlandsvor <strong>die</strong> schwere Frage, ob <strong>die</strong> jungen Brü<strong>der</strong> im wehrpflichtigen Alter<strong>in</strong> Deutschland bleiben sollten <strong>und</strong> dort e<strong>in</strong> Zeugnis gegen Krieg <strong>und</strong>Militärgeist geben o<strong>der</strong> ob sie ihre Kräfte für den Aufbau des neuenBru<strong>der</strong>hofes <strong>in</strong> Liechtenste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>setzen sollten. In gründlichen geme<strong>in</strong>samenÜberlegungen wurde es uns jedoch klar, dass unser Zeugnis nichtnur dar<strong>in</strong> besteht, Krieg <strong>und</strong> Ungerechtigkeit zu verne<strong>in</strong>en, son<strong>der</strong>n dassunser Leben vielmehr den Auftrag hat, ans Werk, an den Friedensaufbauzu gehen. So wuchs denn <strong>der</strong> Almbru<strong>der</strong>hof durch <strong>die</strong> Übersiedlung<strong>der</strong> jungen Brü<strong>der</strong> auf bald hun<strong>der</strong>t große <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>e Menschen an, zudenen auch neue Mitglie<strong>der</strong>, beson<strong>der</strong>s aus England, kamen. Eberhardhatte im Frühjahr 1935 e<strong>in</strong>e Vortragsreise nach Holland <strong>und</strong> Englandunternommen <strong>und</strong> dabei auch <strong>die</strong> Möglichkeit für e<strong>in</strong>e bessere Bru<strong>der</strong>hofgründung<strong>in</strong> England untersucht, für den Fall, dass <strong>der</strong> Almbru<strong>der</strong>hof <strong>in</strong>Liechtenste<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> dauern<strong>der</strong> Platz für uns se<strong>in</strong> sollte.In Deutschland blieben damals nur Schweizer, Englän<strong>der</strong> <strong>und</strong>Schweden mit ganz wenigen Deutschen zurück, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schwierigkeitenhäuften sich immer mehr. In <strong>die</strong>ser Lage, da <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nichtorganischen, son<strong>der</strong>n durch <strong>die</strong> politische Situation verursachtenTrennung lebte, musste sich Eberhard e<strong>in</strong>em chirurgischen <strong>E<strong>in</strong></strong>griffunterziehen, zu welchem e<strong>in</strong> ihm befre<strong>und</strong>eter Arzt geratenhatte, um dem gebrochenen Be<strong>in</strong> zur Heilung zu verhelfen.Infolge <strong>die</strong>ser Operation starb Eberhard ganz plötzlich im Elisabeth-Krankenhaus <strong>in</strong> Darmstadt am 22. November 1935. Bis zuletzt bezeugteer den Weg <strong>und</strong> <strong>die</strong> Richtung, <strong>die</strong> heute wie damals <strong>der</strong> ganzen Weltgezeigt <strong>und</strong> vorgelebt werden müssen: Das brü<strong>der</strong>liche Leben <strong>in</strong> Frieden<strong>und</strong> Gerechtigkeit!w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Emmy Arnold - Aus dem Leben Eberhard Arnolds 367Wenige Tage vor se<strong>in</strong>em Tode schrieb Eberhard Arnold u. a. folgendes:"Zu e<strong>in</strong>er rechten Aussendung s<strong>in</strong>d wir noch nicht gelangt; sie zuerbitten, wird immer dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong>. Die Hauptsache ist <strong>und</strong> bleibt <strong>der</strong>Glaube an <strong>die</strong> Größe Gottes, an <strong>die</strong> überkosmische Bedeutung Jesu <strong>und</strong>an <strong>die</strong> universale Reichszukunft des Geistes. Da h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> nirgendan<strong>der</strong>s h<strong>in</strong> gehört Buße, Vergebung, Glaube, Gewissheit, Lebensh<strong>in</strong>gabeusw.Deshalb sollten wir stets allen Zeitbewegungen von <strong>die</strong>sem Großen ausantworten, ohne von ihnen angekränkelt zu werden. So wünsche ich <strong>der</strong>Zukunft von Herzen, dass unsere Bru<strong>der</strong>höfe niemals engherzig gegen<strong>die</strong> Jugend werden, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Jugend zu e<strong>in</strong>em lebensfrohen Neuanfangwahren Lebens helfen.Gott <strong>und</strong> Se<strong>in</strong> Reich ist das Bedeutendste für alles Bedeutende. Gott<strong>und</strong> Se<strong>in</strong> Wille ist für alles von solcher Bedeutung, dass nichts nochso Bedeutendes damit verglichen werden kann <strong>und</strong> dennoch <strong>in</strong> <strong>die</strong>semLicht zum ersten Mal wahre Bedeutung erhält.Wie kle<strong>in</strong> ist das Leben des e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong> sich selbst, wie kle<strong>in</strong> dasFamilienleben für Mann, Weib <strong>und</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> eigenen Blutes, wiekle<strong>in</strong> auch <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>schaftskreis persönlich sympathisieren<strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung– wie kle<strong>in</strong> schließlich <strong>der</strong> ganze Sparhof (<strong>der</strong> frühere Namedes Rhönbru<strong>der</strong>hofes) mit allen se<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en <strong>Seele</strong>n! Wie groß aber istGott <strong>und</strong> Se<strong>in</strong> Reich! Wie groß <strong>die</strong> geschichtliche St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> Weltkrise,Weltnot <strong>und</strong> Weltkatastrophe, wie viel größer aber <strong>die</strong> Gottes-St<strong>und</strong>edes Weltgerichts <strong>und</strong> <strong>die</strong> Christus-St<strong>und</strong>e <strong>der</strong> kommenden Erlösung!Wie sollten wir <strong>in</strong> heißem Verlangen entglühen, mehr <strong>und</strong> mehr,Tieferes <strong>und</strong> Tieferes von dem allen zu erfahren, daran Anteil zunehmen, <strong>und</strong> wie glühend sollten wir den Tag selbst, den kommendenTag, den befreienden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>enden Tag herbei sehnen <strong>und</strong> erwarten!"w w w . p l o u g h b o o k s . c o . u k / g e r m a n


Dass Friede werdeGottes Reich <strong>die</strong> ErdeGanz besitze,Dass alle HerzenFrei von Hasses SchmerzenBrü<strong>der</strong> werden:Der B<strong>und</strong> beschwöre,Fre<strong>und</strong> wie Gegner höreDiese Losung.In Christus Re<strong>in</strong>heitDas ist unsrer <strong>E<strong>in</strong></strong>heit,B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft.Eberhard Arnold, Sannerz 1922

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