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Schlesischer Gottesfreund

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63. JAHRGANG – JULI 2012 – NR. 7<br />

ISSN 1861- 9746 Verkaufspreis: 3,– Euro H 6114<br />

<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong><br />

NACHRICHTEN UND BEITRÄGE AUS DEM EVANGELISCHEN SCHLESIEN<br />

Mit welchem Maß ihr meßt, wird man euch wieder messen.<br />

Markus 4, 24 Monatsspruch Juli


98 Geistliches Wort<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Der Gute Hirte S. 98<br />

BEITRÄGE<br />

Friedrich der Große und die<br />

katholische Kirche in Schlesien S. 100<br />

„Testis ego exilii duri – ich bin<br />

ein Zeuge bitterer Vertreibung” S. 103<br />

„Wer hilft Lauban?” Unter dieser Überschrift berichteten<br />

wir in der Juni-Ausgabe über die dortige polnisch-evangelische<br />

Gemeinde, ihre Frauenkirche und die Gespräche<br />

über eine Sanierung. In dieser Kirche hielt Pfarrer Dr.<br />

Hans-Ulrich Minke, Präsident des Schlesischen Kirchentages,<br />

in einem Gottesdienst am Sonntag Misericordias<br />

Domini, den 22. April, eine Predigt, die wir hier gerne anstelle<br />

der Andacht drucken.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

heute ist der Sonntag des guten Hirten, und wir sind eingeladen,<br />

über die Bedeutung des auferstandenen Christus für<br />

unser Leben nachzudenken und uns zu freuen, daß wir diesen<br />

guten Hirten haben. Dieser Hirte ist für alle da – für alle<br />

Menschen auf dieser Erde, die auf seine Stimme hören und<br />

ihm folgen – für Weiße und Farbige, für Afrikaner, Russen<br />

und Franzosen, Polen und Deutsche. Vermutlich haben wir<br />

das in der Vergangenheit zu wenig beachtet und uns einen<br />

deutschen und einen polnischen guten Hirten zurechtgezimmert.<br />

Aber solche Hirten gibt es nicht. Es gibt nur einen<br />

Hirten und eine Herde, heißt es im Predigttext. Und das<br />

sollten wir beachten im Umgang untereinander – hier in der<br />

Kirchengemeinde Lauban, im Umgang zwischen deutschen<br />

und polnischen Christen und auch sonst im Umgang<br />

mit anderen Konfessionen. Wir sind nun einmal – um es<br />

anders zu sagen - Gottes Volk auf dieser Erde, und davon<br />

gibt es nur ein Volk.<br />

So lesen wir es im Johannesevangelium: Ich bin der<br />

gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen<br />

mich, wie mich mein Vater kennt und ich den Vater kenne.<br />

Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Ich habe noch<br />

andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie<br />

muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören,<br />

und es wird eine Herde und ein Hirte sein. (Kap. 10,14-16)<br />

Selbstverständlich weiß ich, liebe Gemeinde, daß das<br />

Bild vom Hirten und seiner Herde wie vieles andere auch<br />

in der modernen Gesellschaft aus der Mode gekommen ist.<br />

In Mitteleuropa – in Polen ist das vielleicht anders – sind<br />

Hirten mit ihren Herden selten. Und aus der Mode gekommen<br />

ist auch das Bild vom guten Hirten, das oft in den<br />

Wohnungen unserer Großeltern hing. Ein freundlichlächelnder<br />

Jesus mit sanften Gesichtszügen war darauf zu<br />

sehen, der ein Schaf auf seinen Armen trug, während die<br />

„Keinen Dichter noch<br />

ließ seine Heimat los” S. 104<br />

Kunst trifft Dichtung S. 105<br />

Thema: Leserbriefe S. 106<br />

LESERBRIEFE S. 107<br />

Der Gute Hirte<br />

BUCHEMPFEHLUNGEN S. 108<br />

VERANSTALTUNGEN/<br />

TERMINE S. 109<br />

AUS DER LESERGEMEINDE S. 110<br />

FUNDSTÜCK: S. 112<br />

Titel: Gedenkinschriften in der Görlitzer<br />

Nikolaikirche. Foto/Grafik S.112: ANN<br />

Herde sich um ihn drängte und bei Abendsonne auf dem<br />

Heimwege war. Dieses Bild haben viele geliebt; es strahlt<br />

Geborgenheit und Frieden aus. Nur, liebe Gemeinde, es<br />

paßt nicht mehr zu unserem Alltag und zu der Art, wie wir<br />

leben. Wir alle wollen nämlich nicht Schaf sein – nicht einmal<br />

Schaf Gottes. Wir wollen über unser Leben selbst entscheiden<br />

und womöglich unsere eigenen Hirten sein –<br />

wenigstens in der Religion. Doch es ist gar nicht die<br />

Absicht Jesu, uns zu entmündigen und in Abhängigkeit zu<br />

halten. Wer seine Worte bei Johannes genau liest, hört, daß<br />

er uns Wege zeigen will, wie wir selbstbestimmt leben und<br />

dabei ihn kennenlernen können. Dafür läßt er sein Leben<br />

für uns, damit wir begreifen, wie unser Weg zu Gott führt<br />

und daß wir uns an ihm orientieren können. Was das heißt,<br />

wollen wir jetzt zu verstehen suchen.<br />

I.<br />

Als erstes ist zu antworten: Zugang zum guten Hirten<br />

bekommen wir, wenn wir unsere Lage auf dieser Erde realistisch<br />

einschätzen. Alle versuchen wir, aus unserem Leben<br />

so viel Positives und Sinnvolles zu machen, wie es irgend<br />

geht. Jeder entwickelt seine Begabung und seine<br />

Möglichkeiten, versucht einen Beruf zu finden, der ihm<br />

Freude macht und ein angemessenes Einkommen garantiert.<br />

Er will die Partner entdecken, mit denen es sich lohnt,<br />

das Leben zu verbringen. Und wir freuen uns über Liebe,<br />

Freundschaften und die angenehmen, schönen Seiten von<br />

Natur und Schöpfung. Ich zähle das alles bewußt auf, weil<br />

oft untergeht, was wir an Chancen und Möglichkeiten –<br />

auch durch Gott – im Leben haben. Ich möchte, daß das<br />

Dunkle, das Böse und das Vergängliche in unserem Leben<br />

nicht einen zu großen Raum einnimmt. Vielleicht sind wir<br />

in der Kirche daran schuld, daß nicht selten das Negative,<br />

die Schuld und die Sünde, die Krankheit und der Tod im<br />

Vordergrund stehen und wir auch gern darüber reden,<br />

manchmal sogar, wenn wir uns zu Kaffee und Kuchen treffen.<br />

Doch das Dunkle und das Vergängliche gehört nun einmal<br />

zur Wirklichkeit unseres Lebens. Aus Lebenserfahrung<br />

wissen wir, daß unsere Planungen und Rechnungen nicht<br />

immer aufgehen, daß wir beruflich scheitern und unerwartet<br />

arbeitslos werden, daß Ehen auseinandergehen und daß<br />

wir sogar einer unheilbaren Krankheit standhalten müssen.<br />

Wir leben in einer gefallenen Welt und wir müssen diese<br />

gefallene Welt mit ihrer Misere bewältigen. Das ist die


BEITRÄGE 99<br />

Aufgabe, die wir haben. Je älter ich werde, desto intensiver<br />

begreife ich, wie das Älterwerden jetzt meine besondere<br />

Aufgabe ist. Ich wünsche mir natürlich bei dieser Aufgabe<br />

einen sicheren Halt und eine Perspektive für die Zukunft.<br />

Zu einem bewußten menschlichen Leben gehört bei uns,<br />

daß wir uns nicht mit dieser Schöpfung zufrieden geben,<br />

sondern irgendwie unsere Hände nach etwas ausstrecken,<br />

was jenseits dieser Welt ist – nämlich nach Gott, nach der<br />

Transzendenz. Vielleicht müssen wir etwas von der Misere<br />

des Lebens mitbekommen und vielleicht auch selber<br />

Lehrgeld gezahlt haben, um zu begreifen, warum Jesus von<br />

Nazareth der gute Hirte ist, auf den man sich verlassen<br />

kann. Er kennt den Vater und der Vater kennt ihn und der<br />

gute Hirte kennt jeden von uns.<br />

II.<br />

Gott ist ein menschensuchender Gott – das ist zweitens hier<br />

zu sagen – und Jesus Christus ist dafür die Schlüsselfigur.<br />

Sein Leben zeigt die Perspektive, die wir uns für unser<br />

Leben wünschen. Ich lasse mein Leben für die Schafe, sagt<br />

er bei Johannes. Zum Hirten wird er, weil er die Lasten und<br />

wohl auch die Freuden unseres Lebens trägt. Er wird geboren<br />

wie wir; er wächst heran wie jeder von uns, und er lernt<br />

auch einen Beruf wie die meisten von uns und stirbt, wie<br />

wir alle; nur seine Auferstehung geht über unsere<br />

Biographie hinaus. Jesus lebt auf diese Weise ein menschliches<br />

Leben, wie wir alle, und zeigt, worauf wir hoffen<br />

können. Am Beispiel Jesu wird deutlich, daß Gott zu uns<br />

allen steht. Daraus ergeben sich Konsequenzen: Dadurch,<br />

daß Christus das Leben eines irdischen Menschen auf sich<br />

genommen hat und für uns eingetreten ist, erhält jeder einzelne<br />

vor Gott – jede und jeder von uns hier – Wert und<br />

Würde und wird der Anonymität entrissen. Wir können uns<br />

christliches Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl leisten.<br />

Und den Kopf hoch tragen. Wie sagt Jesus doch bei<br />

Johannes: Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen<br />

mich. Jemand sagte mir vor kurzem von seinem Nachbarn:<br />

„Er ist menschlich genug, von Gott zu reden!” Darum geht<br />

es Jesus, wenn er uns als die Seinen annimmt: Daß wir<br />

menschlich genug werden, unseren Ursprung zu kennen<br />

und von Gott zu reden und ihm zu vertrauen. Deswegen ist<br />

er ein guter Hirte, weil er uns das Fundament und das Ziel<br />

unseres Lebens vorgibt und uns hilft, als Christen selbstbewußt<br />

zu leben. Und das bedeutet auch: Wer Gott vertraut<br />

und sich auf seine Seite stellt, kann Enttäuschungen, die<br />

ihm andere bereiten, gelassener hinnehmen, und ich denke,<br />

auch mit den eigenen Niederlagen fertig werden. Die<br />

Stimme Jesu, die wir hören, ermutigt uns dazu.<br />

III.<br />

Wie aber können wir sicher sein, daß die Rede vom guten<br />

Hirten tatsächlich der Wahrheit entspricht und uns<br />

Einzelnen wirklich gilt. Damit stehen wir – wie so oft im<br />

christlichen Glauben – vor der Frage nach der Gewißheit<br />

bzw. der Wahrheit. Wer beweist uns, daß Christus tatsächlich<br />

der gute Hirte ist?<br />

Beweise – so wie es sie in der Mathematik und in den<br />

Naturwissenschaften gibt, habe ich nicht, und die kann es<br />

auch nicht geben, denn beweisen kann man nur Gegenstände<br />

dieser Welt. Und Gotte wäre dann konsequenterweise<br />

ein Gegenstand dieser Welt und genau so vergänglich<br />

wie wir alle. Und der gute Hirte wäre dann nichts anderes<br />

als ein Therapeut, der uns gut zuredet. Darum gibt es nur<br />

eine Antwort auf unsere Frage nach der Gewißheit. Wir<br />

müssen die Wahrheit des Glaubens ausprobieren, auf den<br />

guten Hirten einlassen und Gott vertrauen, dann werden<br />

wir im Leben entdecken, daß wir keinem Märchen folgen.<br />

Lassen Sie mich eine Geschichte erzählen, um zu zeigen,<br />

was ich meine: Die Geschichte handelt von Heinrich<br />

VIII. dem englischen König mit den vielen Frauen. Als der<br />

auf dem Sterbebett lag, ließ er – so wird erzählt – seinen<br />

Hofnarren rufen, um sich von ihm zu verabschieden, und er<br />

sagte zu ihm: „Mein Freund, wir müssen Abschied nehmen.”<br />

Der Narr behielt seine Narrenkappe auf dem Kopf<br />

und fragte, so, als hätte er die Situation nicht verstanden:<br />

„Wohin gehst Du?” Der König antwortete: „Ich weiß es<br />

nicht.” „Wie lange bleibst Du aus?” fragte der Narr weiter.<br />

„Ich komme nie wieder!”, war da die Antwort. „Du hast<br />

hoffentlich Reisegeld mitgenommen?” wollte da der Narr<br />

wissen. Der König verneinte. Der Narr war immer noch<br />

nicht zufrieden: „Aber dann nimmst Du Dir doch sicher<br />

einen Reiseführer mit?” „Ich kenne keinen!”, antwortet der<br />

König resigniert. Da nahm der Hofnarr seine Narrenkappe<br />

ab und rief: „Oh Majestät, ich habe mir mein Leben lang<br />

einen größeren Narren gewünscht, als ich es bin. Heute<br />

habe ich ihn gefunden. Du gehst auf eine Reise und kennst<br />

den Weg nicht und hast keinen, der Dich führt.”<br />

Wir, liebe Gemeinde, sind keine Narren und gehen<br />

darum auch nicht in die Irre. Wir haben einen guten Hirten,<br />

der uns kennt und der uns begleitet. Lassen Sie uns auf<br />

seine Stimme hören und ein Leben lang seinem Vater vertrauen.<br />

Amen. �<br />

Kruzifix auf dem Altar der Laubaner Frauenkirche<br />

Foto: K.-U. Vogel


Die Notwendigkeit, die Eroberung Schlesiens langfristig<br />

für das Königreich Preußen abzusichern,<br />

zwang Friedrich II. von Preußen (1712-1786,<br />

Regierungszeit ab 1740), sich neben militärischer Präsenz<br />

und Außenpolitik auch um die Bewohner des Landes und<br />

dabei im Besonderen um die Katholiken zu bemühen.<br />

Immerhin gehörte etwa die Hälfte der Bevölkerung des<br />

Landes an der Oder zur römisch-katholischen Kirche - von<br />

insgesamt rund einer Million Einwohnern also 500.000.<br />

Damit erhöhte sich die Zahl der Katholiken in Preußen auf<br />

insgesamt 600.000, denen (mit dem Zugewinn aus Schlesien)<br />

2,9 Millionen Evangelische gegenüber standen 1 . Im<br />

Blick auf die katholische Kirche Schlesiens entwickelte der<br />

König drei ganz unterschiedliche Strategien, die er gleichzeitig<br />

zum Einsatz brachte<br />

- Schonung<br />

- Durchsetzung<br />

- Eingliederung<br />

Im Folgenden ist das zu erläutern.<br />

I.<br />

Die Schonung der katholischen Kirche<br />

in Schlesien durch Friedrich II.<br />

Mit dem Einmarsch der preußischen Truppen am 16.<br />

Dezember 1740 begann für Schlesien eine neue Zeit 2 . Die<br />

Evangelischen hofften, daß die Zurücksetzungen, die sie in<br />

der Habsburger Monarchie erleiden mußten, beendet, die<br />

Parochialbindung mit dem Zwang zur Zahlung der Stolgebühren<br />

an den katholischen Ortsgeistlichen aufgehoben<br />

Schonung aus Kalkül<br />

Friedrich der Große und die katholische Kirche in Schlesien*<br />

CHRISTIAN-ERDMANN SCHOTT<br />

und die unrechtmäßig enteigneten Kirchen an sie zurückgegeben<br />

würden. Es zeigte sich allerdings sehr bald, daß<br />

ihnen der König aus Rücksicht auf die katholische Kirche<br />

diese Wünsche nur zum Teil erfüllen konnte und wollte 3 .<br />

Er setzte aber ein Signal, das als eindeutige Unterstützung<br />

des Protestantismus gemeint war und auch so verstanden<br />

wurde. Er ließ durch Propst Johann Gustav Reinbeck<br />

(1683-1741) in der Petri-Kirche zu Berlin-Cölln 12 brandenburgische<br />

Kandidaten der Theologie – der Volksmund<br />

nannte sie später „die zwölf schlesischen Apostel” – ordinieren<br />

und zum Prinzen Leopold von Anhalt Dessau ins<br />

Lager Rauschwitz bei Glogau bringen. Von dort wurden sie<br />

im Januar 1741 in Gemeinden entsandt, die um Prediger<br />

gebeten hatten 4 . Die öffentliche Stimmung des In- und<br />

Auslandes fest im Blick hatte der König ihnen als Ordre<br />

mit auf den Weg gegeben, worüber sie ihre erste Predigt<br />

halten sollten; nämlich über eine Stelle aus dem apokryphen<br />

Ersten Buch der Makkbäer Kap. 15, 33-34: „Das<br />

Land, das wir wieder erobert haben, ist unser väterliches<br />

Erbe und gehört sonst niemand. Unsere Feinde haben`s<br />

aber eine Zeitlang mit Gewalt und Unrecht innegehabt.<br />

Darum haben wir seinerzeit das Unsere wieder zu uns<br />

gebracht und niemand das Seine genommen”. Die Folge<br />

dieser Aussendung war, daß zahlreiche evangelische<br />

Gemeinden vorstellig wurden und nun auch um einen<br />

Prediger und um die Erlaubnis zum Bau einer Kirche baten.<br />

Auf diese Weise sind zwischen 1741 und 1756 nach jeweils<br />

individueller Prüfung und Genehmigung durch den König<br />

212 Bethäuser mit Schule und Pfarrhaus in Schlesien<br />

erbaut worden 5 .


BEITRÄGE 101<br />

Sehr viel schwieriger gestaltete sich der Umgang mit der<br />

katholischen Kirche 6 . Unter dem Haus Habsburg staatstragend,<br />

privilegiert, reich an Grundbesitz, Stiften, Klöstern<br />

und Kommenden mußte die Vorstellung eines Wechsels in<br />

das protestantisch dominierte Preußen hier massive Ängste<br />

auslösen. Ängste, die nicht unbegründet schienen, wenn –<br />

wie im konfessionellen Zeitalter keineswegs ausgeschlossen<br />

– den Katholiken nun das angetan würde, was sie ihrerseits<br />

den Evangelischen zugemutet hatten. Die Frage war<br />

deshalb: Wie wird der junge König mit diesen Ängsten der<br />

katholischen Schlesier umgehen? Für die damalige Zeit<br />

durchaus ungewohnt hat der König nun aber einen ganz<br />

anderen Ton angeschlagen. Was steckte dahinter?<br />

Am besten wird man den König verstehen, wenn man<br />

sich klar macht, was er zunächst einmal und fürs Erste entschieden<br />

ausschließen wollte: Es sollte vermieden werden,<br />

daß die Behandlung der katholischen Kirche in Schlesien<br />

zu einem hochrangigen Politikum aufgebaut wird, so wie<br />

es seiner Gegenspielerin, Maria Theresia von Österreich<br />

(1717-1780, Regierungszeit ab 1740), eigentlich vorschwebte.<br />

Daß beide Monarchen dabei auch von ihren persönlichen<br />

religiösen Prägungen geleitet wurden, – die<br />

Kaiserin von ihrer katholischen Frömmigkeit, der König<br />

von seiner Areligiosität – spielt dabei nur eine untergeordnete<br />

Rolle. Entscheidend war vielmehr, daß Maria Theresia<br />

den Kampf um Schlesien nur zu gern über die bilaterale<br />

Begrenztheit Preußen-Österreich hinaus zum Religionskrieg<br />

erklärt und bei ihren Glaubensgenossen um Schutz<br />

für die katholische Kirche geworben hätte. Den Aufbau<br />

einer solchen europäischen Fronde gegen Preußen suchte<br />

Friedrich zu verhindern. Er wollte aber auch verhindern,<br />

daß dem Haus Österreich mit der Kirchenfrage eine<br />

Möglichkeit eröffnet wird, sich als Schutzmacht für angeblich<br />

oder tatsächlich benachteiligte schlesische Katholiken<br />

mit dem immerwährenden Recht zur Interzession oder gar<br />

Intervention einzurichten.<br />

Dementsprechend waren die handlungsleitenden Interessen<br />

des Königs gegenüber der katholischen Kirche in<br />

Schlesien einerseits auf Zustimmung zum Herrschaftswechsel,<br />

auf Gewinnung für den preußischen Staat gerichtet.<br />

Um Ängste und eventuelle Verweigerung im Klerus<br />

und in der katholischen Bevölkerung gegenüber Preußen<br />

von vornherein zu minimieren, ließ Friedrich beim Einmarsch<br />

in Schlesien ein Patent verteilen, in dem er versprach,<br />

daß alle Einwohner Schlesiens „bei allen und jeden<br />

ihren wohlhergebrachten Recht und Gerechtigkeiten,<br />

Freiheiten und Privilegien, in publicis et privatis, in ecclesiasticis<br />

et politicis welcher Religion, Standes und mächtigen<br />

Schutzes dieselben sein können oder mögen, Unserer<br />

Königlichen Protection und mächtigen Schutzes sich, wie<br />

sie es immer wünschen und verlangen können, zu erfreuen<br />

haben sollen” 6 .<br />

Gleichzeitig wies er seine Gesandten an, diese Absicht<br />

an den europäischen Höfen zu verbreiten. In Warschau beispielsweise<br />

erklärte der preußische Resident, der König<br />

werde „dauerhaft alle Einwohner dieses Herzogtums im<br />

vollständigen Genuß aller Rechte, Gewohnheiten, Privilegien,<br />

Freiheiten, Exemtionen und Immunitäten, die ihnen<br />

rechtmäßig zukommen, bezüglich der kirchlichen als auch<br />

der politischen Angelegenheiten, ohne jemanden auszuneh-


102<br />

men, nicht einmal die Jesuiten, belassen” 8 . Am 29. Oktober<br />

1741 ließ Friedrich den Fürstbischof von Breslau,<br />

Kardinal Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf (1699-<br />

1747), wissen: „Da die Ungestörtheit der freien Religionsausübung<br />

nach Meinung der Menschen einen Teil ihres<br />

Glücks ausmacht, werde ich niemals von dem festen<br />

Entschluß abgehen, den ich gefaßt habe, jede Religion bei<br />

ihren Rechten und Freiheiten zu belassen” 9 .<br />

Bei den Vorverhandlungen zu den Friedensverträgen<br />

zur Beendigung des Ersten Schlesischen Krieges im<br />

Sommer 1742 in Breslau war die österreichische Seite<br />

erwartungsgemäß bestrebt, sich als Schutzmacht der katholischen<br />

Kirche zu positionieren, um sich auf diesem Wege<br />

auch für die Zukunft ein Recht zur Mitsprache in Schlesien<br />

zu sichern. Genau das wollte Friedrich nicht. Ihm ging es<br />

um die uneingeschränkte Souveränität in der eroberten<br />

Provinz, vertraglich abgesichert und verbrieft. Eine ganz<br />

andere Frage war dann allerdings, ob das beim Einmarsch<br />

veröffentliche Patent als selbst verursachte Fesselung der<br />

eigenen Souveränität und als Ermöglichung von unerwünschten<br />

Einsprüchen Dritter angesehen werden könnte.<br />

In den Präliminarverhandlungen zum Friedenvertrag<br />

bestätigte der preußische Geschäftsträger, Heinrich v.<br />

Podewils, die Gültigkeit des Patentes bezogen auf den beim<br />

Einmarsch im Jahr 1740 vorgefundenen status quo. Eine<br />

Verpflichtung über die Rechtsverbindlichkeit wie über die<br />

* Vortrag auf der Tagung des Oberschlesischen Landesmuseums<br />

in Ratingen-Hösel „Säkularisation 1810. Die<br />

Entwicklung der schlesischen Klöster vom Mittelalter bis<br />

zur Gegenwart” am 15. Mai 2009<br />

1 Anton Schindling, Friedrichs des Großen Toleranz und<br />

seine katholischen Untertanen, in: Peter Baumgart (Hg.),<br />

Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen Österreich<br />

und Preußen, Sigmaringen 1990 S. 257-272, hier S. 258<br />

2 Peter Baumgart, Schlesien als eigenständige Provinz im<br />

altpreußischen Staat (1740-1806) In: Norbert Conrads<br />

(Hg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas -Schlesien,<br />

Berlin 1994 S. 346-454, hier S. 346<br />

3 Carl Weigelt, Die evangelische Kirche in Schlesien zur<br />

Zeit der preußischen Besitzergreifung und ihre Entwicklung<br />

von 1740-1756, in: ZVGS 23, 1989 S. 60-144, hier S. 95-98<br />

4 Christian-Erdmann Schott, Die evangelische Kirche unter<br />

Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. (1740-<br />

1797). In: Geschichte Schlesiens Bd. 3: Preußisch-Schlesien<br />

1740-1945, Österreichisch-Schlesien 1740-1918/45;<br />

hg. im Auftrag der Historischen Kommission für Schlesien<br />

von Josef Joachim Menzel, Stuttgart 1999 S. 252-270, hier<br />

S. 254 f.<br />

5 Friedrich Bernhard Werner, Schlesische Bethäuser, 1748-<br />

1752. Reprint Hildesheim 1989 S. 460 - Werner Bellardi,<br />

Die Bittgesuche evangelischer Gemeinden Schlesiens an<br />

Friedrich den Großen. In: JSKuKG 33/1954 S. 64-83 -<br />

Dietmar Neß, „…ob er`s habe hinauszuführen?” Vom Geld<br />

beim Bethaus-Bauen, in: JSKG 76/77 1997/98 S.253-282 -<br />

Albrecht Bayer, Die evangelische Gemeinde Tschepplau,<br />

Kreis Glogau, 1741-1768. Eine Erinnerung aus Anlass der<br />

BEITRÄGE<br />

zeitliche Gültigkeit des Patentes wollte er aber nicht abgeben.<br />

Ebenso vermied er eine ausdrückliche Erklärung über<br />

den Schutz katholischer Stiftungen und Klöster. Der Schutz<br />

der Besitzungen, Freiheiten und Privilegien der Landeseinwohner,<br />

„die ihnen rechtmäßig zustehen”, sollte auf den<br />

je Einzelnen beschränkt sein; der Religionsartikel (Artikel<br />

6) insgesamt aber auch nur gelten „unbeschadet der Rechte<br />

des Souveräns”. Das heißt, die Wahrung der Rechte des<br />

Souveräns hat Vorrang vor allen anderen Rechten und<br />

Bestimmungen 10 .<br />

Die Kaiserin verlangte Nachbesserungen, über die<br />

abschließend in Berlin verhandelt wurde. Die für unseren<br />

Zusammenhang wichtigste Ergänzung war, daß der<br />

Souveränitätsvorbehalt Friedrichs im Blick auf die Kirchenfrage<br />

eingeschränkt wurde: „derart, daß Seine Majestät<br />

der König von Preußen sich der Souveränitätsrechte<br />

nicht zum Nachteil der katholischen Religion in Schlesien<br />

bedienen wird” 11 . Mit diesem Zusatz hat Artikel 6 Aufnahme<br />

gefunden in den Berliner Friedensvertrag vom 28. Juli<br />

1742, der den Ersten Schlesischen Krieg beendete. Im<br />

Dresdener Friedensvertrag vom 25. Dezember 1745, der<br />

den Zweiten Schlesischen Krieg abschloß, wurde die Kirchenfrage<br />

nicht noch einmal behandelt, die fortdauernde<br />

Gültigkeit des Friedensvertrages von 1742 und damit eingeschlossen<br />

auch des Artikels 6 aber bestätigt. �<br />

Wiedereinführung evangelischer Gottesdienste vor 250<br />

Jahren, in: JSKG 72/1993 S. 109-119<br />

6 Joachim Köhler, Die katholische Kirche. In: Geschichte<br />

Schlesiens Bd. 3: Preußisch-Schlesien 1740-1945, Österreichisch-Schlesien<br />

1740-1918/45; hg. im Auftrag der<br />

Historischen Kommission für Schlesien von Josef Joachim<br />

Menzel, Stuttgart 1999 S. 165-251<br />

7 Preußische Staatsschriften aus der Regierungszeit König<br />

Friedrichs II., 3 Bde. , hier Bd. 1 hg. von Johann Gustav<br />

Droysen und Max Duncker, bearb. von Reinhold Koser,<br />

Berlin 1877-1892, S. 67-71, hier S. 70 - Zitiert: Hans-<br />

Wolfgang Bergerhausen, Friedensrecht und Toleranz. Zur<br />

Politik des preußischen Staates gegenüber der katholischen<br />

Kirche in Schlesien 1740-1806, (Quellen und Forschungen<br />

zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 18),<br />

Berlin 1999 S. 52<br />

8 Max Lehmann (Bearb.), Preußen und die katholische<br />

Kirche seit 1640, 7 Bde. (Publikationen aus den Kgl.<br />

Preußischen Staatsarchiven) Leipzig 1878-1894. Hier Bd. 2<br />

Nr. 21, vgl. auch Nr. 22, 24 - vgl. Hans-Wolfgang<br />

Bergerhausen - wie Anm. 7 - S. 53<br />

9 ebd. Nr. 51; vgl. Hans-Wolfgang Bergerhausen - wie Anm.<br />

7 - S. 53<br />

10 Bergerhausen ebd. S. 65-70<br />

11 ebd. S. 72 Anm. 124<br />

Abbildungen: Friedrich der Große hält Einzug in Breslau;<br />

Friedrich der Große empfängt eine Abordnung der Jesuiten;<br />

In: Geschichte Friedrichs des Großen. Geschrieben von Franz<br />

Kugler. Gezeichnet von Adolph Menzel. Neue durchges. Aufl.<br />

Leipzig, 1856


BEITRÄGE 103<br />

„Testis ego exilii duri – ich bin ein Zeuge bitterer Vertreibung”<br />

Johann George Pezold – ein schlesischer Pastor der Gegenreformation<br />

Das hier gegebene Lebensbild schrieb (im Jahre 1925) der<br />

damalige Pastor primarius Gustav Adolf Klapper in<br />

Nimptsch (1879-1926), zuvor in Michelsdorf im Kreis<br />

Landeshut. Der Text, ein Doppelbogen, mit Schreibmaschine<br />

geschrieben, war bestimmt für den „Schlesischen<br />

Evangelischen Volkskalender” und findet sich im Archiv<br />

der Gemeinschaft evg. Schlesier in einem stabilen Schuber,<br />

der im Wesentlichen handschriftliche Predigt-Manuskripte<br />

von P. Klapper enthält. Wir denken, daß es sich lohnt, ihn<br />

hier (wieder) abzudrucken, zumal jener Kalender längst<br />

eine Rarität ist; er wurde redaktionell leicht verändert. -ß<br />

Am 5. Juni 1626 erblickte in dem Riesengebirgsdorf<br />

Michelsdorf im Kreis Landeshut, hart an Böhmens<br />

Grenze Johann George Pezold das Licht der Welt.<br />

Seine tragischen Schicksale und seine Treue verdienen es,<br />

daß wir Schlesier seiner gedenken.<br />

Als Sohn unserer Berge, einer alten Michelsdorfer Bauernfamilie<br />

entstammend – auch das benachbarte Petzelsdorf<br />

(Pezoldisdorf) deutet auf diese Familie hin – wuchs<br />

unser Johann George in rauher Kriegszeit des Dreißigjährigen<br />

Krieges auf, in den Bergen oft Zuflucht vor feindlichen<br />

Horden suchend. Sein Vater, ein angesehener Handelsmann<br />

und Schöffe, dessen Name als eines der Kirchväter<br />

auch auf einer im Jahre 1641 gegossenen Glocke der<br />

damals evangelischen, ihnen 1654 weggenommenen („reduzierten”)<br />

und seitdem wieder katholischen Kirche steht,<br />

mag sich von dem vor dem Krieg in höchster Blüte stehenden<br />

schlesischen Leinwandhandel ein Vermögen erworben<br />

haben. Kauft er sich doch nicht nur 1626 zwei Häuser, sondern<br />

ist auch noch in der Lage, später seinen heranwachsenden<br />

Sohn in Hirschberg und Schmiedeberg für das<br />

Theologiestudium vorbereiten zu lassen. In Schmiedeberg<br />

leitete damals der aus Trautenau im Böhmischen vertriebene<br />

Rektor Fischer, dessen Tochter unser Pezold später heiratete,<br />

die durch ihn zur Blüte gekommenen Schule. Nach<br />

zweijährigem Studium in Frankfurt an der Oder wird Johann<br />

Georg Pezold am 19. März 1648 in Liegnitz zum Pastor<br />

seiner Heimatgemeinde Michelsdorf ordiniert.<br />

GUSTAV ADOLF KLAPPER<br />

Michelsdorf in der Mitte des 19. Jahrhunderts Zeitgen. Abbildung<br />

Am 24. Oktober 1648 wurde in Münster und Osnabrück<br />

der Westfälische Friede geschlossen. Paul Gerhard sang<br />

damals: „Gottlob, nun ist erschollen / dies Fried- und<br />

Freudenwort, / daß nunmehr ruhen sollen / die Spieß und<br />

Schwerter und ihr Mord. / Wohlauf und nimm nun wieder /<br />

dein Saitenspiel hervor, / o Deutschland, und sing Lieder /<br />

im hohen vollen Chor.”<br />

Aber den Schlesiern mag damals weiterhin sein Kreuzund<br />

Trostlied „Befiehl du deine Wege und was dein Herze<br />

kränkt...” näher gelegen haben: Friede, Friede, und ist doch<br />

kein Friede! Denn dieser Frieden hatte den Landesherren<br />

das „jus reformandi” zugestanden, das Recht, über den<br />

Glauben ihrer Untertanen zu bestimmen. Und Kaiser<br />

Ferdinand III. machte als König von Böhmen in seinen<br />

niederschlesischen Herzogtümern (Schweidnitz, Jauer,<br />

Glogau, Breslau ohne die Stadt selbst) von diesem Recht<br />

vollen Gebrauch. Noch waren die von den Schweden im<br />

30jährigen Krieg durchgesetzten drei Friedenskirchen vor<br />

Glogau, Schweidnitz und Jauer nicht gebaut, da wurden<br />

sämtliche evangelische Kirchen ihren Gemeinden genommen.<br />

Unter ihnen war auch die Michelsdorfer Kirche. Was<br />

half es, daß am 7. Februar 1653 beim Erscheinen der Kommission<br />

zur Übergabe der Kirche die Weiber „mit Heulen<br />

und Schreien” bei der Kirche zusammengelaufen waren.<br />

Der nach Wien geschickte Bericht jener Kommission sagt:<br />

„Der Prädicant (das ist der evangelische Pastor) sollte weg,<br />

aber seine Frau und seine Kinder hielten sich noch im<br />

Dorfe auf.” Und weiter lesen wir dort: „In diesem Dorfe ist<br />

von einem sehr sonderbaren Berufe eine sehr große Menge<br />

Volks, daher auch viele Leute zuliefen und in der Kirche<br />

sich befunden, dem actus (der Wegnahme und Einführung<br />

eines katholischen Pfarrers) zuzuschauen, daher Herr<br />

bischöfl. Kommissar Prälat Sebastian von Rostock bewogen,<br />

eine merklich durchdringende Vermahnung, einer<br />

Predigt gleich, an diese, im Gebirge wohnhafte, freche<br />

Leute zu tun. Es erschien, wie es hierauf stiller und sittlicher<br />

werden wollte.”<br />

Hätte Pezold, mit seiner Familie ausgewiesen, auf fremdem<br />

Boden vor fremden Türen anklopfen sollen, wie


104<br />

damals Hunderte seiner Amtsbrüder zu tun gezwungen<br />

waren? Wo er doch im Elternhaus vor Ort Aufnahme finden<br />

konnte. Er blieb in seiner Heimatgemeinde; und er wird ihr<br />

im Geheimen als Seelsorger gedient haben, als<br />

„Buschprediger” in geheimen Waldgottesdiensten. Ein<br />

Judas, der ihn verraten hätte, fand sich Gottlob nicht. Auch<br />

der 1654 einziehende katholische Pfarrer Reimann scheint<br />

aus Mitleid oder Rücksicht auf die Gemeinde Pezolds<br />

Aufenthalt nicht angezeigt zu haben. Erst nach sechs<br />

Jahren, im Frühjahr 1660, wird der unglückliche Mann von<br />

Soldaten, die im Gebirge nach ihm jagten, gefangen und<br />

nach Jauer abgeführt. Zunächst wurde er in ein böses altes<br />

„Losamment” (Kerker), dann in ein Stübchen gelegt, bis<br />

endlich auf Fürbitte des Herzogs von Liegnitz seine<br />

Freilassung erfolgte. Die Haft, die auch seine Familie teilte,<br />

soll 37 Wochen gedauert haben. So berichtet es jedenfalls<br />

die Bittschrift, in der später die Michelsdorfer im<br />

Jahre 1741 den Preußen-könig um Rückgabe ihrer Kirche<br />

bitten.<br />

Der Verbannte fand zunächst auf dem Schloß Krain bei<br />

Liegnitz bei dem Herrn von Schweinitz Aufnahme. Dort<br />

traf er den aus Rudelsdorf (später Rudelstadt) ebenfalls<br />

vertriebenen Pastor Gutbier, dessen Tochter seine zweite<br />

Lebensgefährtin und seinen früh mutterlos gewordenen<br />

Kindern eine zweite Mutter wurde. Im Jahre 1663 endlich<br />

konnte Petzold in Kriegheide bei Lüben wieder die Kanzel<br />

besteigen. Aus einer großen Scheune war dort eine Grenzkirche<br />

entstanden, für angrenzende Gemeinden des Fürstentums<br />

Glogau. Eine Glocke, die er 1670 für diese Kirche<br />

gießen ließ, trug seinen Namen und (außer Psalm 12 Vers<br />

6) auch in einem lateinischen Vers die Worte „Testis ego<br />

Im Rahmen der diesjährigen<br />

Feier von Eichendorffs Geburtstag<br />

in Lubowitz wurde am<br />

Grab seiner Eltern und seiner im<br />

Kindesalter verstorbenen Geschwister<br />

auf dem alten Friedhof des<br />

Ortes durch Erzbischof Prof. Alfons<br />

Nossol, den früheren Oberhirten der<br />

Diözese Oppeln, eine Gedenkplatte<br />

eingeweiht. Die Einweihung fand<br />

im Anschluß an den von ihm gehaltenen<br />

festlichen Gottesdienst statt,<br />

bei dem er über seine Begegnungen<br />

mit dem Dichter und über dessen<br />

Poesie sprach. Die zahlreichen<br />

Gottesdienstbesucher zogen sodann<br />

mit Blasmusik in einer langen<br />

Prozession aus der Kirche zum<br />

Friedhof, vorbei am Eichendorff-<br />

Kultur- und Begegnungszentrum<br />

und seinem davor vom hohen<br />

BEITRÄGE<br />

exilii duri”, „ich bin ein Zeuge bitterer Vertreibung”. Eine<br />

Generalkirchenvisitation im Fürstentum Liegnitz am 31.<br />

Oktober 1674 brachte seiner treuen Arbeit volle Anerkennung.<br />

Doch schon das nächste Jahr riß den schaffensreichen<br />

Mann und treuen Bekenner jäh hinweg. Am 1. Juli<br />

1676 ging durch Blitzstrahl das Pfarrhaus in Flammen auf;<br />

beim Retten seiner Habe begrub ihn eine einstürzende<br />

Giebelwand unter ihren Trümmern. Von elf Kindern an des<br />

Vaters Grab war das jüngste Töchterlein erst drei Wochen<br />

vor dem Tod des Vaters getauft worden, der älteste Sohn<br />

war noch Student.<br />

Aber auf seiner Familie ruhte des Vaters Segen. Sein<br />

zweiter Sohn Siegmund – er war Tischlerobermeister in<br />

Lüben geworden – läßt zwei seiner Söhne studieren; sie<br />

ergreifen den Beruf des Großvaters und werden unter<br />

Friedrich d. Großen in Rohndorf und Guhrau Pastoren; der<br />

jüngere war schon bei dem großen Kinderbeten dabei in<br />

den Tagen, als Karl XII. von Schweden durch Schlesien<br />

zog, und wurde 1741 im Lager Rauschwitz vor Glogau für<br />

Guhrau ordiniert. Und unter seinen Urenkeln findet sich ein<br />

Minister in Wien und ein Professor in Leipzig ...<br />

Und jenes Schreibmaschinen-Manuskript des Pastor<br />

primarius Klapper, das wir hier im wesentlichen unverändert<br />

wiedergeben, schließt mit folgenden Worten: Johann<br />

George Pezolds Lebensbild aber „erscheint uns würdig, im<br />

300. Jahr seines Geburtstages und 250. Jahr seines Todestages<br />

des tragischen treuen Herzens in unserem Kalender<br />

der Vergessenheit entrissen und unseren Lesern zur<br />

Stärkung in schwerer Zeit geboten zu werden, zugleich als<br />

ein kleiner Beitrag zur Geschichte unserer treuen schlesischen<br />

Heimat.” �<br />

„Keinen Dichter noch ließ seine Heimat los”<br />

An der Ruhestätte der Familie Eichendorff<br />

Sockel herabblickenden Namensgeber.<br />

An der Spitze des Zuges gingen<br />

der em. Erzbischof Nossol, neben<br />

dem Ortspfarrer Dr. Heinrich Rzega<br />

und dem Ratiborer Prälaten Johann<br />

Szywalski auch Dr. Peter Tarlinski,<br />

Seelsorger für die Minderheiten im<br />

Bistum Oppeln, der später den<br />

Festvortrag im Kultur- und Begegnungszentrum<br />

halten sollte, sowie<br />

eine Schar Ministranten. Besagtes<br />

Grab, das nach Errichtung der jetzigen<br />

Pfarrkirche zu Beginn des letzten<br />

Jahrhunderts aus der alten abgerissenen<br />

Schrotholzkirche an den<br />

heutigen Platz verlegt worden ist,<br />

markiert seit dem Jahr 1936 ein<br />

Gedenkstein. Der aus einem hohen<br />

Mittelquader und zwei ihn flankierenden<br />

kleineren Quadern bestehende<br />

Gedenkstein war auf Anregung


BEITRÄGE 105<br />

der fünf Jahre zuvor in Neisse – zusammen mit dem Enkel<br />

des Dichters, Karl – gegründeten Deutschen Eichendorff-<br />

Stiftung zustande gekommen; geschaffen hat ihn der<br />

Ratiborer Bildhauer und Maler Julius Hoffmann. Nach dem<br />

Krieg wurde der Stein seiner Inschrift und seines<br />

Dichterreliefs beraubt. 1988, im Jahr von Eichendorffs 200.<br />

Geburtstag, erhielt der Stein auf Betreiben von Blasius<br />

Hanczuch (dem nachmaligen Vorsitzenden der Sozial-<br />

Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Bezirk Kattowitz)<br />

ein Bronzerelief, das Georg Latton aus Kreuzenort<br />

bei Ratibor geschaffen hat; ihm sind auch die Wiedererrichtung<br />

des Ratiborer Eichendorff-Denkmals und die<br />

Dichter-Büste vor dem Lubowitzer Begegnungshaus zu<br />

verdanken. Ohne dieses Relief wüßte man gar nicht, daß<br />

das Grab etwas mit Eichendorff zu tun hat; andererseits<br />

werden manche Besucher durch das Relief zu der Annahme<br />

verleitet, der Dichter liege hier begraben.<br />

75 Jahre nach Aufstellung des Gedenksteins und 66<br />

Jahre nach seiner Schändung war es an der Zeit, ihm seine<br />

Inschrift zurückzugeben. Der weiche, brüchige Sandstein<br />

ließ eine ordentliche Bearbeitung und damit die Wiederherstellung<br />

der Inschrift leider nicht zu. Nach Durchspielen<br />

verschiedener Alternativen – auch eine Verkleidung des<br />

Steins oder seine Ersetzung wurden erwogen – kam mit<br />

Einverständnis des Ortspfarrers der Vorschlag zum Zug,<br />

die rekonstruierte alte Inschrift auf einer über das Grab<br />

gelegten Granitplatte anzubringen. Sie sollte ein getreues<br />

Abbild der Sichtfläche des Gedenksteins und der nach vorn<br />

geklappt zu denkenden Seitenflächen des hohen Mittelquaders<br />

darstellen, die ebenfalls beschriftet sind. Hergestellt<br />

hat die Platte der Steinmetz Gerhard Wiglenda aus<br />

Ratibor, von dem auch der Sockel der großen Eichendorff-<br />

Büste vor dem Begegnungshaus sowie die Gedenktafeln<br />

für den Dichter und für den Breslauer Fürstbischof von<br />

Schimonsky in der Lubowitzer Pfarrkirche stammen.<br />

Die Platte ist so breit wie der Gedenkstein und entsprechen<br />

den Breitenmaßen seiner Bestandteile dreigeteilt In<br />

diese durch zwei vertikale Rillen getrennten Teilfelder wurden<br />

die unter Mithilfe des Eichendorff-Kenners Dr. Franz<br />

Heiduk aus Würzburg rekonstruierten Inschriften vom Gedenkstein<br />

übernommen. So stehen im linken und im rechten<br />

Teilfeld der Platte, in dem durch eine waagerechte Rille<br />

Lächelt er uns an oder blickt er traumverloren ins Leere?<br />

Abgerissen, angetrunken und doch liebenswert wirkt die<br />

Gestalt des gutherzigen Vagabunden Schluck, so wie sein<br />

Vorbild aus Gerhart Hauptmanns Komödie „Schluck und<br />

Jau“, die 1900 – allerdings mit wenig Erfolg – uraufgeführt<br />

wurde. In diesem Shakespeare nachempfundenen<br />

Schwank versuchen sich zwei schlesische Tippelbrüder<br />

mit waschechtem Gebirgsschlesisch gegen die „bessere<br />

Gesellschaft“ zu behaupten, die Schabernack mit ihnen<br />

treibt und sich auf ihre Kosten amüsieren will.<br />

abgetrennten Sockelbereich, Name und Sterbejahr der Eltern<br />

des Dichters – links für die Mutter und rechts für den<br />

Vater. Darüber sind beiderseits die entsprechenden Angaben<br />

zur früh verstorbenen Tochter und den Söhnen (den<br />

Geschwistern des Dichters) von den Seitenflächen des<br />

Mittelquaders festgehalten.<br />

Das mittlere Feld der Platte enthält die Inschrift von der<br />

Vorderseite des Mittelquaders: „Joseph Freiherr von<br />

EICHENDORFF, dem Sänger der Heimat, und seinen<br />

Angehörigen, die in dieser Erde ruhen, zum Gedächtnis.”<br />

‘Heimat’ steht hier in übernationalem Sinn; für Eichendorff<br />

hatte der Heimatbegriff überdies eine religiöse Dimension.<br />

Angegeben sind ferner das Geburtsdatum und der Geburtsort<br />

des Dichters, Lubowitz; zusätzlich eingefügt wurden<br />

sein Sterbedatum und – um Mißverständnisse zu vermeiden<br />

– der Sterbe- und Begräbnisort Neisse. Darauf folgt<br />

ein Zitat Eichendorffs aus dem Roman „Dichter und ihre<br />

Gesellen”: „Keinen Dichter noch ließ seine Heimat los.”<br />

Auf einer eigenen Tafel wird demnächst eine polnischsprachige<br />

Erläuterung zum Gedenkstein und zur Gedenkplatte<br />

gegeben und gebeten werden, das Andenken an die Familie<br />

der hier beerdigten ehemaligen Guts- und Schloßherren<br />

von Lubowitz und die Verehrung ihres großen Sohnes zu<br />

respektieren.<br />

Das vorstehende Zitat war vor einigen Jahren auch auf<br />

einem Transparent zu lesen, das über die Schloßruine gespannt<br />

war. Daran wurde kurioserweise in einem am 20.<br />

November 2008 im 2. Programm des Hessischen Rundfunks<br />

gesendeten Beitrag Anstoß genommen und von einer<br />

„verkrampften Inanspruchnahme Eichendorffs für politische<br />

Zwecke” gesprochen. Man verstieg sich sogar dazu,<br />

eine Vereinnahmung des Dichters mit solchen und ähnlichen<br />

Zitaten durch Vertreter deutscher Vertriebenenverbände<br />

zu unterstellen, „um Gebietsansprüche zu reklamieren.”<br />

Daraus spricht eine ideologische Verblendung, die<br />

nicht wahrhaben will, daß die Sehnsucht nach den Stätten<br />

der eigenen Kindheit und Jugendzeit niemandem fremd ist<br />

und auch mich – ohne unversöhnliche Nebengedanken –<br />

alljährlich hierherkommen und etwas zur Bewahrung des<br />

Kulturerbes jeder Gegend tun läßt, die die Heimat meiner<br />

frühen Kindheit war. Porträt: ANN, 2006; Text: Norbert<br />

Willisch (KK 1319/2012) �<br />

Kunst trifft Dichtung<br />

Eröffnung der Sonderausstellung „Poetische Orte“ im Schlesischen Museum Görlitz<br />

Zu sehen ist die metergroße Holzskulptur im Foyer des<br />

Schlesischen Museum, wo sie die neue Sonderausstellung<br />

des Museums zu Ehren des Dichters einstimmt. Solche<br />

Figuren sind Raritäten, wie alle Hauptmann-Kenner wissen.<br />

Schöpfer dieses lebensecht nachempfundenen<br />

Volkstyps war Ernst Rülke, der letzte Direktor der schlesischen<br />

Holzschnitzschule in Bad Warmbrunn, der ebenfalls<br />

1946 Hauptmanns Totenmaske abnahm und Abgüsse von<br />

Hauptmanns Händen anfertigte. Die Abgüsse der Hände<br />

sind ebenfalls in der Ausstellung als Leihgabe der


106<br />

KünstlerGilde e.V. Esslingen zu sehen.<br />

Gerhart Hauptmann interessierte<br />

sich zeitlebens sehr für bildende<br />

Kunst und umgab sich in seiner Villa<br />

„Wiesenstein“ mit einer Fülle bedeutender<br />

Werke. In seiner Jugend fühlte<br />

er sich sogar selbst zum Bildhauer<br />

berufen. Nach wenig erfolgreichen<br />

Studien an der Königlichen Kunstschule<br />

in Breslau und auf Reisen gab<br />

er diesen Traum jedoch zugunsten der<br />

Dichtkunst auf. Lebenslang zählte er<br />

aber bildende Künstler zu seinen<br />

besten Freunden und förderte mit großem<br />

Interesse die malerische Begabung<br />

seines ältesten Sohnes Ivo aus<br />

erster Ehe.<br />

Der künstlerische Dialog von Vater<br />

und Sohn an „poetischen Orten“ wurde<br />

am 11. Mai 2012 im Schlesischen<br />

Museum mit einer großen Vernissage<br />

eröffnet und fand beim Publikum und<br />

bei der Presse begeistertes Interesse.<br />

Viel beachteter Gast der Vernissage<br />

war Harriet Hauptmann, die Urenkelin<br />

des schlesischen Dichters, die über<br />

ihren Großvater Ivo Hauptmann ausführlich<br />

bei ihrer Ansprache informierte.<br />

Ohne sie wäre diese Ausstellung<br />

nicht möglich gewesen, und sie<br />

wußte natürlich viel Lebensnahes aus<br />

der Familie zu berichten.<br />

Beim Blick in den ersten Jahrgang des „Schlesischen<br />

<strong>Gottesfreund</strong>es”, dessen einzelne Ausgaben ja in<br />

Format und Inhalt weitaus umfangreicher daherkamen,<br />

als unsere heutigen handlichen Hefte, fällt die relativ<br />

große Anzahl abgedruckter Leserzuschriften auf. Vielfach<br />

geht es um Suchmeldungen, in der Hauptsache aber um<br />

Berichte von noch in der alten Heimat verbliebenen Schlesiern.<br />

Viel ist zu lesen über das schwere und vielleicht auch<br />

gerade deshalb segensvolle Miteinander in den besetzten<br />

Gebieten. Aber auch konfessionelle und theologische<br />

Grundsatzdiskussionen fanden ihren Platz und Auseinandersetzung<br />

mit aktuellen politischen Entwicklungen, wie<br />

etwa die Grenzziehung an Oder und Neiße.<br />

Nun ist der „<strong>Gottesfreund</strong>” in die Jahre gekommen und<br />

in vielerlei Hinsicht trägt er seinem Alter Rechnung. Das ist<br />

durchaus nicht wertend gemeint und hat seine volle<br />

Berechtigung. Aber die Dinge, die die heutige Leserschaft<br />

umtreiben sind eben anderer Natur als diejenigen, die es<br />

vor mittlerweile 62 Jahren taten.<br />

Thema: Leserbriefe<br />

ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />

BEITRÄGE<br />

Ihrer Vermittlung ist ebenfalls zu verdanken,<br />

daß sich unter den sehenswerten<br />

und interessanten Objekten der Ausstellung<br />

sogar eines der seltenen Jugendwerke<br />

des Expressionisten Otto Mueller<br />

(1874-1930) befindet: ein Porträt des<br />

14jährigen Ivo Hauptmann. Bisher<br />

befand sich das Porträt in Familienbesitz<br />

und war der Öffentlichkeit nicht zugänglich.<br />

Vor kurzem jedoch konnte es die<br />

Ernst von Siemens Kunststiftung erwerben<br />

und stellte es dem Schlesischen Museum<br />

dauerhaft als Leihgabe zur Verfügung.<br />

Gerhart Hauptmann setzte sich früh<br />

für seinen zwar schwierigen, aber begabten<br />

Neffen Otto Mueller ein und versuchte<br />

sein künstlerisches Talent zu fördern.<br />

Beide lernten sich vermutlich in<br />

Görlitz kennen, wo Mueller aufwuchs<br />

und die Eltern Gerhart Hauptmanns<br />

kurze Zeit lebten. Der Dichter erreichte,<br />

daß Mueller nach einer unbefriedigenden<br />

Lithographen-Lehre ein Studium an<br />

der Dresdener Kunstakademie aufnehmen<br />

konnte. Muellers enger Kontakt<br />

zur Familie beeinflußte Ivo Hauptmann<br />

nachhaltig und förderte seine eigene<br />

Hinwendung zur bildenden Kunst.<br />

Die Ausstellung wird bis zum 17.<br />

Februar 2013 gezeigt.<br />

Text und Foto (René Pech): SMG �<br />

Nachdem im Jahre 2005 durch die Mitherausgeberschaft<br />

des Sprengels Görlitz eine deutliche Veränderung im Profil<br />

des Blattes auftrat, mehrten sich die Leserzuschriften, die<br />

sehr nachhaltig das Mißfallen an der Veränderung kundtaten.<br />

Allerdings gab es auch jene, die mit Zustimmung nicht<br />

hinter dem Berge hielten. Aus gutem Grunde hatte seinerzeit<br />

die Redaktion darauf verzichtet, diesen Diskurs in die<br />

Öffentlichkeit zu tragen.<br />

Zwei umfangreiche Serien, die ganz und gar aus der<br />

Leserschaft kamen, erfreuten sich in den folgenden Jahren<br />

regen Zuspruchs. Da war zum einen die durch den Vorsitzenden<br />

der Gemeinschaft initiierte Reihe „Vergeßt die Mütter<br />

nicht” und in der Folge die „Erinnerungen an den Tag<br />

der Konfirmation”. In beiden Fällen kamen Menschen zu<br />

Wort, die relativ ungefiltert und teilweise sehr emotional<br />

über Erlebtes und Erlittenes berichteten. Und es ist ja gerade<br />

ein großer Vorzug des „<strong>Gottesfreund</strong>es” daß er genau<br />

dafür Raum und Platz bietet. „Was bedeutet mir Schlesien”<br />

sei nur der Vollständigkeit erwähnt, da es sich bei die-


LESERBRIEFE 107<br />

ser Textfolge um eingeworbenes Material prominenter<br />

Schlesier handelte.<br />

Für die jüngste Vergangenheit läßt sich nun eine deutliche<br />

Zunahme von Zuschriften konstatieren. Dabei handelt<br />

es sich weniger um eigenständige Beiträge, sondern vielmehr<br />

um Reaktionen auf Veröffentlichungen.<br />

Das ist ein ausgesprochen erfreulicher Trend, dem mehrere<br />

Ursachen zugrunde liegen. Zum einen gibt es nach wie<br />

vor eine sehr wache und auch nachwachsende Leserschaft.<br />

Zum anderen aber hat der „<strong>Gottesfreund</strong>” in der jüngst<br />

zurückliegenden Zeit in seiner inhaltlichen Ausrichtung<br />

eine spürbare Veränderung durchgemacht. Die kooperative<br />

Zusammenarbeit mit der Stiftung Evangelisches Schlesien<br />

trug dazu ebenso bei wie die Zusammenarbeit mit der<br />

Diözese Breslau der Ev.-Augsburgischen Kirche in Polen.<br />

Es ist allerdings an dieser Stelle unbedingt notwendig,<br />

einige Sätze zu Form und Inhalt der Zuschriften anzumerken.<br />

Als in der Februarausgabe des Jahres 2011 mein relativ<br />

langer Artikel zum Stand des deutsch-polnischen Miteinanders<br />

in der unmittelbaren Grenzregion erschien („Es<br />

bedarf eines ehrlichen Neubeginns”, SGF 2/2011, S.20),<br />

gab es eine ganze Reihe von Wortmeldungen, die in der<br />

Folgeausgabe in Auszügen wiedergegeben wurden. Da<br />

besagter Artikel in der hiesigen Tagespresse erschien,<br />

erhielt ich sehr direkt und unmittelbar in verschiedenster<br />

Form artikulierte Zustimmung aber auch ausgesprochen<br />

unsachliche und verletzende Kritik, die in zwei Fällen in<br />

der Forderung gipfelte – mir sei das drastische Zitat veziehen<br />

– ... dem „Nazischwein (gemeint war ich) das Maul zu<br />

stopfen”.<br />

Leider erreichten auch den „<strong>Gottesfreund</strong>” Briefe letztgenannten<br />

Inhaltes, die vor allem deutlich werden ließen,<br />

daß sich die Verfasser nur ungenügend mit dem Inhalt<br />

beschäftigt haben.<br />

Natürlich kann es immer wieder Beiträge geben, die in<br />

der Leserschaft nicht ungeteilte Zustimmung finden werden.<br />

Es ist immer erfreulich, wenn Veröffentlichungen zu<br />

konstruktiver Diskussion und Auseinandersetzung führen.<br />

Dabei sollte jedoch immer das Bewußtsein federführend<br />

sein, daß die Verfasser von Beiträgen und Zuschriften Men-<br />

Frau Renate Morlock-Gulitz, Pforzheim<br />

schreibt zum Beitrag: „Und<br />

lege selbst dein Wort ...”, SG/4/2012<br />

... , daß sie sich sehr über den Text zu<br />

Benjamin Schmolck gefreut habe und<br />

fügt einige recht interessante Informationen<br />

bei, die die Redaktion gern<br />

an die Leserschaft weitergibt:<br />

Der Beitrag „Spätfolgen von Flucht<br />

und Vertreibung” beschäftigt offensichtlich<br />

viele unserer Leser. Meh-<br />

Zuschriften<br />

„...worauf ich aber hinausmöchte ist,<br />

daß eine Schmolck-Linie auch in<br />

Pforzheim vorzufinden ist. Markgraf<br />

Karl-Friedrich von Baden-Durlach<br />

war ein großer Liebhaber der Lieder<br />

Schmolcks. So kam es, daß ein<br />

Schmolck-Enkel in den Wirren des<br />

Siebenjährigen Krieges nach Baden<br />

���<br />

rere Zuschriften erreichten die Redaktion,<br />

von denen wir einige in dieser<br />

und in den kommenden Ausgaben<br />

schen sind, die gewiß guten Willens und ebensolcher Absichten<br />

sind. Es liegt nun mal in der Natur der Sache, daß<br />

es viele Wahrnehmungen in ein und den selben Dingen<br />

geben kann. Gern drucken wir Zuschriften und Reaktionen<br />

in breiter Vielfalt ab, vorausgesetzt, sie enthalten keine<br />

wertenden oder verletzenden Anmerkungen.<br />

Auch hier erweist es sich immer als ratsam, sollte ein<br />

Beitrag Unmut erregen, ein wenig Zeit verstreichen zu lassen,<br />

ihn nochmals eingehender Lektüre zu unterziehen, um<br />

erst dann zum Stift zu greifen.<br />

Erinnerungen gefragt<br />

Zum Stift zu greifen ist auch das Stichwort, mit dem sich<br />

alle Leser aufgefordert fühlen sollen, in zweierlei Hinsicht<br />

Erinnerungen Revue passieren zu lassen.<br />

Vor wenigen Tagen erfuhr ich von einem Anrufer, wie<br />

er in den 50er Jahren erstmals mit dem „<strong>Gottesfreund</strong>” in<br />

Berührung kam, wie er für ihn Werbung „fuhr” und daß er<br />

mit Hilfe dieser Zeitung sogar die Liebe seines Lebens<br />

fand. Ich habe meinem Gesprächspartner das Versprechen<br />

abgenommen, daß er all diese Erlebnisse zu Papier bringt<br />

und zur Veröffentlichung zur Verfügung stellt.<br />

Sicherlich haben aber auch andere treue Leser diesbezüglich<br />

Nachdenkliches und Amüsantes zu berichten.<br />

Wann hielten Sie erstmals den „<strong>Gottesfreund</strong>” in der Hand<br />

und wie ging es Ihnen damit? Gehörten Sie zu denen, die<br />

ihn hin und wieder auf abenteuerlichem Wege in die ehemalige<br />

DDR schmuggelten? Schreiben Sie es auf und lassen<br />

Sie uns an Ihren Erinnerungen teilhaben.<br />

Und noch ein Thema soll Ihrer Aufmerksamkeit empfohlen<br />

sein. Ein wesentlicher Bestandteil evangelischer<br />

Frömmigkeit ist seit der Reformation die Musik und der<br />

Gesang. Seit Jahrhunderten bewahren und erweitern wir<br />

einen großen Schatz an Kirchenliedern. Häufig gibt es<br />

Lieder, die für den Einzelnen von ganz herausragender Bedeutung<br />

sind, da sich mit ihnen Erinnerungen an besondere<br />

Ereignisse verbinden. Schreiben sie uns über Ihr wichtigstes,<br />

Ihr schönstes, Ihr liebstes Kirchenlied und darüber,<br />

wie es dazu wurde. �<br />

auswanderte. Durch besagten Markgrafen<br />

wurde ihm Förderung zuteil ...<br />

Noch heute gibt es zwei Schmolck-<br />

Einträge im Telefonbuch. Einer von<br />

denen aus Baden wurde Schulinspektor<br />

in Indien. Der 1923 geborene Hansgert<br />

Schmolck studierte nach dem<br />

Krieg Theologie in Heidelberg.” �<br />

veröffentlichen werden. Zu besagtem<br />

Artikel meldete sich Frau Gabriele<br />

Lobedann aus Görlitz:


108<br />

„... meine Eltern haben in Penzig Haus<br />

und Grundstück verloren. Mein Opa<br />

war Pole, meine Oma Deutsche, so<br />

durfte mein Opa im eigenen Haus in<br />

Penzig weiter wohnen ... Bis 1961<br />

hatte mein Vater in Ost-Berlin immer<br />

eine Ausnahmegenehmigung beantragt<br />

und erhalten, so daß wir Kinder<br />

mit den Eltern immer im Sommer eine<br />

Woche beim Opa in Penzig Urlaub<br />

machten. Es war immer sehr schön,<br />

wir spielten mit den polnischen<br />

Kindern und einige polnische Worte<br />

Auf den Leserbrief von Frau<br />

Kahleyss aus Pforzheim reagierte<br />

wiederum Herrn Ekkehard A. E.<br />

Schmidt aus Bergisch Gladbach.<br />

(...) Der Text (von Frau Kahleyss,<br />

Anm. d. Red.) enthält zum größten<br />

Teil persönliche biographische Daten<br />

und Angaben, von der Geburt bis zum<br />

jetzigen Wohnort. Die Aussagen, die<br />

über dieses rein Private hinausgehen,<br />

lassen sich in zwei Sätzen zusammenfassen:<br />

1. In der älteren Generation sei<br />

über die Zeit des Kriegs, der Flucht<br />

und Vertreibung nicht gesprochen<br />

worden; 2. Vertriebene hätten nach der<br />

Sabrina Janesch<br />

Katzenberge<br />

Roman.<br />

Berlin, Aufbau-Verlag 2010<br />

Über das Schicksal der Heimatvertriebenen<br />

aus Schlesien gibt es mittlerweile<br />

eine Fülle von Publikationen,<br />

Erinnerungen, Aufzeichnungen, Dokumentationen<br />

in historischer und literarischer<br />

Form. Daß die nach Schlesien<br />

gekommenen Polen auch Vertriebene<br />

sind, die ihre Heimat in Ost- bzw.<br />

Westgalizien meist fluchtartig und<br />

unter Todesängsten verlassen mußten,<br />

erfahren wir aus deutschen Schulbüchern<br />

gar nicht und in wissenschaftlicher<br />

Literatur nur selten.<br />

habe ich aus dieser Zeit bis heute<br />

behalten. Als mein Opa starb, übergab<br />

mein Vater das Haus einem Polen, der<br />

ebenfalls mit einer deutschen Frau<br />

verheiratet war, und deren Kindern ...<br />

Als Kind habe ich es nie verstanden,<br />

daß mein Vater Heimweh nach Penzig<br />

hatte. Im Sommer fuhr er jeden Sonntag<br />

an das Neißeufer bei Deschka, wo<br />

heute wieder eine Fußgängerbrücke<br />

über die Neiße nach Penzig steht. Oft<br />

hat er uns Kinder mitgenommen und<br />

erzählt, wie die Deutschen auf der<br />

���<br />

Vertreibung (bis heute) mit der heimischen<br />

Bevölkerung wenig Kontakt<br />

gehabt, sie seien unter sich geblieben.<br />

Ich kann beiden Aussagen in dieser<br />

Form (...) nicht zustimmen. Ich weiß<br />

aus meinem privaten und beruflichen<br />

Umfeld, daß ein Verschweigen und ein<br />

Nicht-Akzeptieren nicht stattgefunden<br />

hat, außer in den ersten Nachkriegsjahren.<br />

Regelmäßige Treffen der<br />

alten schlesischen Dorfgemeinschaft,<br />

in der ich groß geworden bin, bestätigen<br />

diesen meinen Eindruck: die meisten<br />

Schlesier, Pommern und Ostpreußen<br />

haben für sich und ihre Familien<br />

eine allseits anerkannte Stellung in<br />

Zeit voller Wirren – Buchvorstellungen<br />

Nun liegt mit „Katzenberge” ein<br />

Roman vor, der das Schicksal dieser<br />

polnischen Vertriebenen schildert. Eine<br />

junge Studentin aus Berlin mit polnischer<br />

Herkunft versucht, das Leben<br />

ihres Großvaters zu rekonstruieren.<br />

Diesen hatte es 1945 in einen kleinen<br />

Ort in den Katzenbergen – gemeint ist<br />

wohl das Katzengebirge zwischen<br />

Trebnitz und Oels – verschlagen.<br />

Dabei wird deutlich, daß – aus dieser<br />

Perspektive beschrieben – die „Übersiedlung”<br />

der Polen in das ehemals<br />

schlesische Gebiet keineswegs ein Akt<br />

der Eroberung war, sondern die<br />

„Landnahme” von Menschen, die von<br />

den Russen in Viehwaggons aus der<br />

Ukraine bzw. aus Galizien dorthin ge-<br />

BUCHEMPFEHLUNGEN<br />

Flucht vor den Russen nur mit wenigen<br />

Habseligkeiten an den schmalen<br />

Stellen die Neiße überquerten. Ich<br />

glaube, daß die sonntäglichen Besuche<br />

an der Neiße ihm halfen, seine<br />

Trauer zu bewältigen.<br />

Jetzt bin ich 61 Jahre alt und kann<br />

sagen, daß ich mit dem Verlust abgeschlossen<br />

habe. Was mir bleibt, sind<br />

wunderbare Kindheitserinnerungen an<br />

meinen Opa, an die unbeschwerten<br />

Tage und den einzigartigen Blick auf<br />

die Landeskrone. �<br />

Beruf und Gesellschaft erworben. Die<br />

zahlreichen Verehelichungen quer<br />

durch alle Landsmannschaften sind<br />

ein deutlicher Beleg, daß eine<br />

Diskriminierung nicht stattgefunden<br />

hat. (...)<br />

Ich habe selbst meine Erinnerungen<br />

an Flucht und Vertreibung schriftlich<br />

festgehalten und auch veröffentlicht,<br />

wo es möglich war. Aber ein<br />

Sich-selbst-Bemitleiden halte ich für<br />

unangebracht. Im übrigen haben die<br />

Opfer des Bombenkrieges in den<br />

westdeutschen Städten zumindest genauso<br />

viele traumatische Erfahrungen<br />

gemacht wie Vertriebene. (...) �<br />

schleppt und in ein entvölkertes Gebiet<br />

ausgesetzt wurden, wo sie sich<br />

(zunächst ohne Frau und Kinder) eine<br />

bäuerliche Existenz aufbauen mußten.<br />

– Manche Details der „polnischen<br />

Wirtschaft” werden hier liebevoll beschrieben,<br />

z.B. die Wertschätzung eines<br />

gemauerten Kachelofens in einem<br />

Hause oder die große Gastfreundschaft<br />

der Menschen oder ihre unbändige<br />

Freude am Essen. Auch die deutschen<br />

Heimattouristen, die in ihrer<br />

alten Heimat herumfahren, erscheinen<br />

am Rande.<br />

Die 270 Seiten des Romans sind in<br />

der deutschen Übersetzung kurzweilig<br />

und interessant zu lesen. Sie verschaffen<br />

manche ungewohnten Einblicke in


BUCHEMPFEHLUNGEN 109<br />

die Geschichte einer Zeit, die für alle<br />

Vertriebenen und Flüchtlinge voller<br />

Wirren, voller schmerzlicher Trennungen<br />

und erzwungener Neuanfänge<br />

war.<br />

�� �<br />

Theodor Buhl:<br />

Winnetou August<br />

Roman<br />

Eichborn-Verlag Frankfurt am Main<br />

2010<br />

Wer etwas über die Zustände am<br />

Kriegsende beim Einmarsch der Russen<br />

in Schlesien lesen will, weiß, daß<br />

es keine angenehme Lektüre sein<br />

kann. Das trifft auch auf den Roman<br />

„Winnetou August” von Theodor Buhl<br />

zu. Hier schildert der Autor aus der<br />

Sicht eines minderjährigen Jungen,<br />

der gerne „Winnetou” und andere<br />

Karl-May-Geschichten liest, wie er<br />

mit seiner Familie die Zeit von 1944<br />

bis 1946 erlebt. Das beginnt mit der<br />

frühen Kindheit in Bunzlau, später in<br />

Oberschlesien, wo der Vater August<br />

Aufseher einer Irrenanstalt war, geht<br />

weiter über die Flucht aus Oberschlesien<br />

vor der heranrückenden Front der<br />

Roten Armee, den kurzen Aufenthalt<br />

in Dresden nach dem schrecklichen<br />

Februar-Bombardement im Februar<br />

1945, leitet weiter zur Rückkehr nach<br />

Altreichenau und endet schließlich in<br />

Plagwitz, von wo aus der Transport<br />

der Vertriebenen auf Viehwaggons in<br />

den Zug nach Westen vonstatten geht.<br />

Was man sich an Scheußlichkeiten<br />

und Gewalttätigkeiten bei den brutalen<br />

Eroberern ausdenken kann, wird hier<br />

aus der Perspektive eines Kindes<br />

beschrieben; die kindliche Perspektive<br />

ist wohl deswegen gewählt, weil es<br />

sonst nicht zu beschreiben wäre, wie<br />

vorhandene Lebens- und Wohnkultur<br />

der deutschen Bevölkerung sinnlos<br />

zerstört und was Männern, vor allem<br />

aber Frauen und Mädchen in bestialischer<br />

Weise angetan wurde. Wie<br />

gesagt: eine derb-kindliche Sprache<br />

und der mitunter schockierende Inhalt,<br />

beides im Kontrast zur heilen Welt der<br />

Winnetou-Geschichten, sind nichts für<br />

zarte Gemüter. Der Roman zeigt eben<br />

die grausame Seite der Zeit, in der<br />

Kinder und Erwachsene das Fürchten<br />

lernen könnten ...<br />

Merkwürdig berührt ist der Verfasser<br />

dieser Zeilen, wenn er in dem<br />

Roman die Örtlichkeiten an Schloß,<br />

Park und Irrenanstalt in Plagwitz wiederfindet,<br />

und über die Vorgänge bei<br />

der Verladung der Vertriebenen in die<br />

Güterzüge liest, was er selbst bei der<br />

Vertreibung im Juli 1946 am eigenen<br />

Leibe erlebt hat.<br />

Ekkehard A. E. Schmidt<br />

Annette Winkelmüller<br />

„Im Krieg war ich noch klein”<br />

Erinnerungen an den 2. Weltkrieg<br />

Hannover:<br />

Lutherisches Verlagshaus<br />

2011, 128 Seiten<br />

Die Kriegskinder von damals erzählen<br />

den Kindern von heute – eine Ärztin<br />

und Psychotherapeutin hat in Seminaren<br />

„Kriegskinder” – aus „Ost” und<br />

„West” – ihre Kindheitseindrücke und<br />

-erlebnisse erzählen lassen, damit bewußt<br />

wieder lebendig werden lassen,<br />

und in diesem Erzählen eine Aufarbeitung<br />

und Verarbeitung und – Versöhnung<br />

mit den oft sehr schweren,<br />

traumatischen Erlebnissen ermöglicht.<br />

Es sind einfache, meist kurze Texte,<br />

gelegentlich mit eingestreuten Fotos,<br />

die in ihrer Schlichtheit berühren. Und<br />

überraschend, aber gut und wichtig, ist<br />

dann dieses: die in diesen mit gutem<br />

Zuspruch durchgeführten Gesprächsgruppen<br />

gewonnene Freiheit, seine<br />

eigene Kindheitsgeschichte erzählen<br />

zu können, hat dazu geführt, daß einige<br />

der Teilnehmer wiederum den Mut<br />

fanden, in Schulklassen zu ge-hen und<br />

dort Kindern ihrer Enkelgeneration<br />

anschaulich und authentisch zu erzählen:<br />

„Im Krieg war ich noch klein ...”<br />

Dietmar Neß �


110<br />

Kunzendorf, alte Ansichtskarte, um 1900<br />

VERANSTALTUNGEN DER<br />

GEMEINSCHAFT EVANGELISCHER SCHLESIER<br />

Hamburg:<br />

Gemeindenachmittag der evangelischen Schlesier<br />

Freitag, den 6. Juli und 3. August im Gemeindesaal<br />

von St. Petri in Altona, Schmarjestr. 31.<br />

EVANGELISCHE GOTTESDIENSTE<br />

IN DEUTSCHER SPRACHE IN SCHLESIEN<br />

Breslau:<br />

an jedem Sonntag um 10 Uhr in der Christophorikirche,<br />

pl. Św. Krzyzstofa 1.<br />

Lauban:<br />

an jedem 4. Sonntag um 9 Uhr in der Frauenkirche,<br />

ul. Kombatantów.<br />

Liegnitz:<br />

am 1. und 3. Sonntag um 13 Uhr<br />

in der Liebfrauenkirche, pl. Pastora Wolfgang Meißlera<br />

Schweidnitz:<br />

an jedem 4. Sonnabend um 9 Uhr in der Friedenskirche,<br />

pl. Pokoju 6.<br />

Waldenburg:<br />

an jedem 2. Sonntag und jedem 4. Sonnabend um 14 Uhr<br />

in der Erlöserkirche, pl. Kościelny 4.<br />

Bad Warmbrunn:<br />

jeder 2. Sonnabend im Monat 14 Uhr<br />

jeder 4. Sonntag im Monat 14 Uhr<br />

Erlöserkirche, pl. Piastowski 18.<br />

Jauer<br />

Friedenskirche<br />

Auf Anfrage: Park Pokoju 2, 59-400 Jawor.<br />

Tel. (+4876) 870 51 45. E-Mail: jawor@luteranie.pl<br />

TERMINE / AUS DER LESERGEMEINDE<br />

INFORMATIONEN GESUCHT ...<br />

Gesucht werden gesicherte<br />

Informationen darüber, was<br />

nach 1945 aus nachfolgend<br />

genannten evangelischen Kirchen<br />

geworden ist:<br />

Cunzendorf u.d.Walde, Krs. Löwenberg,<br />

Bethaus; Ludwigsdorf,<br />

Krs. Löwenberg, Beerdigungskapelle;<br />

Radziunz, Krs.<br />

Militsch, Beerdigungskirche;<br />

Weidenhof/Schweinern, Krs.<br />

Breslau.<br />

Nachrichten fehlen auch zu<br />

den altlutherischen Kirchen in:<br />

Bunzlau, Löwenberg, Ratibor<br />

und Züllichau. Zuschrift an den<br />

Schriftleiter: Dietmar Neß, Anschrift<br />

siehe im Impressum. �<br />

Pfarramt:<br />

ul. Partyzantów 60, 51-675 Wrocław. Tel. 0048 - 71-3484598.<br />

Pfarrer Andrzej Fober<br />

GEBURTSTAGE AUS DER LESERGEMEINDE<br />

98. Am 29.07. Herr Professor em. Dr. Hans-Joachim<br />

Kanold, 38118 Braunschweig, Am Hohen Tore 4a, früher<br />

Breslau.<br />

95. Am 16.07. Frau Waltraut Stein, geb. Krause,<br />

30169 Hannover, Akazienstr. 12, früher Neurode Krs.<br />

Glatz.<br />

90. Am 01.07. Frau Magdalene Leupelt, 37581 Bad<br />

Gandersheim, Unter der Clustrift 9 B, früher Breslau.<br />

88. Am 03.07. Frau Magdalene von Heydebrand, geb.<br />

von Wiedner, 29225 Celle, Wittestr. 7, früher Kniegnitz,<br />

Krs. Lüben. � Am 23.07. Frau Sibylle Schroth, 37085<br />

Göttingen, Charlottenburger Str. 19, früher Waldenburg.<br />

87. Am 01.07. Frau Johanne Kirschke, 38102<br />

Braunschweig, Kapellenstr. 11, früher Breslau. � Am<br />

19.07. Frau Christa Angele, 87674 Ruderatshofen,<br />

Apfeltrang 1 1/2, früher Hirschfeldau.<br />

85. Am 02.07. Frau Helene Hanke, 59394 Nordkirchen,<br />

Rosenstr. 61, früher Neustadt O/S. � Am 04.07. Herr<br />

Michael Missalek, 22880 Wedel, Scharhörnstr. 1 F, früher<br />

Breslau.� Am 04.07. Herr Professor Dr. Hubert Unverricht,<br />

55128 Mainz, Hans-Böckler-Str. 43 A. � Am 08.07.<br />

Schwester Elsa Rath, 32756 Detmold, Sofienstr. 39a, früher<br />

Waldenburg. � Am 12.07. Frau Ursula Schneider, geb.<br />

Unruh, 40822 Mettmann, Taunusweg 16, früher Breslau. �<br />

Am 15.07. Frau Edith Weißhuhn, 91413 Neustadt/Eisch,<br />

Hermann-Ehlers-Str. 1 B, früher Breslau. � Am 28.07.<br />

Herr Helmuth Göldner, 92224 Amberg, Martin-Schalling-<br />

Str. 3, früher Halbau/Sprottau.<br />

83. Am 04.07. Herr Superintendent i.R. Reinhard<br />

Leue, 02929 Rothenburg OL, Görlitzer Str. 15, früher<br />

Breslau. � Am 12.07. Herr Kantor Hans Hacke, 30559


AUS DER LESERGEMEINDE<br />

Hannover, Molanusweg 55, früher Waldenburg. � Am<br />

16.07. Frau Gudrun Gréus, geb. Renner, 55590 Meisenheim,<br />

Saarstr. 21, früher Wohlau. � Am 24.07. Frau<br />

Anneliese Köppke, 13583 Berlin, Seegefelder Str. 45, früher<br />

Glatz. � Am 25.07. Frau Marianne Springer, 80469<br />

München, Arndtstr. 8.<br />

82. Am 04.07. Herr Pfarrer i.R. Bernhard Grundmann,<br />

32657 Lemgo, Mozartstr. 2 A, früher Breslau. � Am<br />

16.07. Schwester Ruth Hoffmann, 13589 Berlin, Stadtrandstr.<br />

554 A, früher Gnadenfrei. � Am 18.07. Herr<br />

Hans-Manfred Milde, 96047 Bamberg, Friedrichstr. 7 a,<br />

früher Polsnitz unterm Fürstenstein.<br />

81. Am 08.07. Herr Pfarrer Martin Gregor, 39638<br />

Gardelegen, Wannefeld 56, früher Döbeln/Karlsburg Kreis<br />

Oels. � Am 27.07. Frau Gisela Ludwig, 80689 München,<br />

Wastl-Witt-Str. 9.<br />

80. Am 09.07. Frau Christa Gaflig, 50670 Köln, Gereonsdrisch<br />

6, früher Breslau. � Am 13.07. Herr Professor<br />

Dr. Eckehard Renner, 51467 Bergisch Gladbach, Gemarkenweg<br />

2, früher Wohlau. � Am 17.07. Herr Werner Gensel,<br />

40223 Düsseldorf, Im Dahlacker 6a, früher Breslau.<br />

78. Am 09.07. Herr Werner Simon, 95173 Schönwald,<br />

Ascher Str. 10, früher Giersdorf/Riesengeb.<br />

77. Am 02.07. Herr Richter i. R. Ingo Scholtz, 65307<br />

Bad Schwalbach, Grebertstr. 4, früher Peisterwitz, Krs.<br />

Ohlau. � Am 23.07. Frau Waltraud Schüller, 26122<br />

Oldenburg, Hindenburgstr. 17, früher Striegau. � Am<br />

29.07. Ernst-Achim Graf v. Beust, 97531 Theres, Klosterstr.<br />

1, früher Nimptsch.<br />

76. Am 02.07. Frau Oriana Baronin von Manteuffel-<br />

Szoege, 02894 Reichenbach, An der Nieskyer Str. 8, früher<br />

Berlin. � Am 25.07. Herr Pfarrer Christoph Kretschmar,<br />

24106 Kiel, Adalbertstr. 10.<br />

74. Am 11.07. Frau Helga Vogt, 31020 Lauenstein,<br />

Ostlandstr. 31, früher Jauer.<br />

72. Am 10.07. Frau Adelheid Moschner, geb. Weide<br />

(Wawrzinek), 38444 Wolfsburg, Hans-Böckler-Weg 10,<br />

früher Konstadt. � Am 14.07. Herr Klaus-Dieter Leder,<br />

34346 Hann. Münden, Am Schäferberg 7, früher Lauban.<br />

�Am 21.07. Frau Anne-Rose Schulz, geb. Scholz, 02997<br />

Wittichenau, Neudorf-Klösterlich 14, früher Haynau u. Lederose/Röcklitz<br />

Katzb..<br />

71. Am 30.07. Herr Peter Winkler, 31171 Nordstemmen,<br />

Lange Str. 29 A. � Am 31.07. Albrecht Graf v.<br />

Schlabrendorf, 53340 Meckenheim, Marienburger Str. 130.<br />

70. Am 11.07. Herr Helmut Süß, 91244 Reichenschwand,<br />

Speikerner Str. 7, früher Nürnberg.<br />

69. Am 29.07. Herr Eberhard E. Muche, 21682 Stade/<br />

NE, Distelweg 17 b, früher Halle/Saale.<br />

64. Am 01.07. Herr Claus König, 24598 Boostedt,<br />

Parkweg 1, früher Nordenham.<br />

63. Am 31.07. Herr Pfarrer Dr. Thomas Fritz, 70372<br />

Stuttgart, Heinrich-Ebner-Str. 1, früher Stuttgart.<br />

62. Am 07.07. Herr Andreas Engelmann, 26122<br />

Oldenburg, Wienstr. 9, früher Oldenburg.<br />

61. Am 27.07. Herr Gerhard Becker, 85229 Markt<br />

Indersdorf, Neuried Nr. 5.�<br />

Datum: Unterschrift:<br />

Titel:<br />

Nachname:<br />

Vorname:<br />

Straße:<br />

PLZ, Ort:<br />

Geburtsdatum/-ort:<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee) e.V.<br />

D 32440 Porta Westfalica, PF 1410, Tel.: 0571-971 99 74,<br />

Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfalica<br />

BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997<br />

E-mail: info@gesev.de<br />

Verantwortlich für den Inhalt:<br />

Mag. phil. et theol. Dietmar Neß<br />

Wittichenauer Straße 11a, D - 02999 Groß Särchen,<br />

Tel./Fax: 03 57 26 - 5 56 75<br />

E-mail: mag.ness@online.de.<br />

Andreas Neumann-Nochten<br />

Hotherstraße 32, D - 02826 Görlitz<br />

Tel.: 03581 - 878988<br />

E-mail: gottesfreund@nochtenart.de<br />

Beiträge/Grafik/Satz/Layout: Andreas Neumann-Nochten<br />

Herausgegeben in Zusammenarbeit mit der<br />

Stiftung Evangelisches Schlesien und der<br />

Evangelischen Diözese Breslau/Wroclaw.<br />

Druck: MAXROI Graphics GmbH, Görlitz<br />

111<br />

Beitrittserklärung:<br />

Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur Gemeinschaft evangelischer<br />

Schlesier e. V. bei einem Mitglieder-Jahrebeitrag von aktuell 30 Euro<br />

für das laufende Kalenderjahr; im Rahmen meiner Vereinsmitgliedschaft<br />

erhalte ich die Zeitschrift „<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong>„ kostenfrei.<br />

Ich möchte kein Mitglied werden, bestelle aber die Monatszeitschrift<br />

„<strong>Schlesischer</strong> <strong>Gottesfreund</strong>„ zum Abo-Preis von 36 Euro pro<br />

Jahr.<br />

Bitte senden Sie mir eine Probenummer der Zeitschrift „<strong>Schlesischer</strong><br />

<strong>Gottesfreund</strong>„ zu.<br />

Beruf:<br />

persönlicher bzw. familiärer<br />

schlesischer Herkunftsort:<br />

Sollten Sie nicht mit der Veröffentlichung einiger Ihrer persönlichen<br />

Daten in der Geburtstagsliste des „<strong>Gottesfreund</strong>es„ einverstanden<br />

sein, kreuzen Sie es bitte in den entsprechenden Kästchen an.<br />

Bitte einsenden an: Gemeinschaft evangelischer Schlesier e.V.<br />

Postfach 1410, D – 32440 Porta Westfalica<br />

oder Stiftung Evangelisches Schlesien<br />

Schlaurother Straße 11, D – 02827 Görlitz<br />

Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfalica<br />

BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997


112<br />

Mit welchem Maß ihr meßt ... ein „<strong>Gottesfreund</strong>”, der dem<br />

Monatsspruch die Mantelseite widmet, mag außergewöhnlich<br />

sein. Provokant fast umrahmen den Vers Namen gefallener<br />

Soldaten auf der Titelseite. Und Dinge irdischen Messens<br />

und Abwägens füllen die Rückseite. Es geht darum,<br />

über alle diesseitige Begrenztheit hinaus unseren Nächsten<br />

als das anzuerkennen, was er ist: Gottes geliebtes Geschöpf.<br />

Dann werden auch wir in gleicher Weise wahrgenommen und<br />

uns selbst als solches begreifen können.<br />

Mit welchem Maß ihr meßt,<br />

wird man euch wieder messen.<br />

Markus 4, 24; Monatsspruch Juli

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