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Erziehung und Wissenschaft - GEW

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Chancen der Schüler<br />

werden verspielt<br />

ifo-Institut: Frühe Selektion verstärkt Chancenungleichheit im Schulsystem<br />

Eine aktuelle Untersuchung des arbeitgebernahen<br />

ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

weist anhand der<br />

Daten aus internationalen Leistungsvergleichsstudien<br />

einen deutlichen Zusammenhang<br />

von früher schulischer<br />

Selektion <strong>und</strong> Chancenungleichheit<br />

nach. Auch die Dauer des Besuchs<br />

frühkindlicher Bildungseinrichtungen<br />

hat, wie die <strong>Wissenschaft</strong>ler Gabriela<br />

Schütz <strong>und</strong> Ludger Wößmann darlegen,<br />

einen entscheidenden Einfluss auf<br />

die Chancengleichheit.<br />

In allen internationalen Schülerleistungstests<br />

(z. B. TIMSS <strong>und</strong><br />

PISA) erweist sich der familiäre<br />

Hintergr<strong>und</strong> der Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler als der bei weitem<br />

stärkste Einflussfaktor auf die Testergebnisse.<br />

Die soziale Selektivität des<br />

Schulsystems ist also kein ureigenes<br />

deutsches Problem. Doch variiert das<br />

Ausmaß, in dem die familiäre Herkunft<br />

eines Kindes seine schulischen Erfolge<br />

beeinflusst, deutlich zwischen verschiedenen<br />

Staaten. Im internationalen Vergleich<br />

positioniert sich Deutschland<br />

dabei besonders schlecht. Die Frage,<br />

warum in manchen Schulsystemen ein<br />

höheres Ausmaß an Chancengleichheit<br />

erreicht wird als in anderen, drängt sich<br />

daher geradezu auf.<br />

Einfluss auf Leistung<br />

Unsere Untersuchung sollte klären, welche<br />

schulischen Faktoren im internationalen<br />

Ländervergleich das Ausmaß des<br />

familiären Einflusses auf die Testleistung<br />

vermindern bzw. verstärken. Dabei<br />

betrachteten wir Besuchsquoten <strong>und</strong><br />

Dauer frühkindlicher Bildungsprogramme,<br />

Alter bei der ersten schulischen<br />

Selektion, Niveau der staatlichen<br />

Bildungsausgaben, durchschnittliche<br />

TIMSS-Testleistung des Landes, wirtschaftliches<br />

Entwicklungsniveau <strong>und</strong><br />

Anteil privater Schulträgerschaft <strong>und</strong><br />

-finanzierung. Wiederum rechneten wir<br />

die Einflüsse der oben genannten Faktoren<br />

heraus. Unsere Ergebnisse belegen,<br />

dass das Niveau der staatlichen Bil-<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

dungsausgaben, der wirtschaftliche Entwicklungsstand<br />

eines Landes sowie sein<br />

durchschnittliches Testergebnis im internationalen<br />

Vergleich einen geringen<br />

Einfluss auf die Chancengleichheit haben.<br />

Vielmehr scheint Chancengleichheit<br />

hauptsächlich von der Struktur des<br />

Bildungssystems abhängig zu sein.<br />

Bevor Kinder zum ersten Mal Bildungseinrichtungen<br />

besuchen, ist ihr Bildungsniveau<br />

vor allem durch ihre Familien<br />

bestimmt. Sobald sie jedoch<br />

öffentliche oder private Bildungseinrichtungen<br />

besuchen, können diese<br />

einen zusätzlichen <strong>und</strong> möglicherweise<br />

ausgleichenden Effekt auf die Lernfortschritte<br />

ausüben. Bildungschancen in<br />

einem Schulsystem sind deshalb umso<br />

gerechter verteilt, je früher dieser aus-<br />

gleichende Effekt einsetzt <strong>und</strong> je mehr<br />

Kinder – speziell aus Familien mit geringem<br />

sozioökonomischem Status – ihn<br />

erfahren. Das bedeutet: Erst wenn ein<br />

Großteil aller Kinder eines Jahrgangs eine<br />

frühkindliche Bildungsinstitution<br />

besucht, kann sich dies auf die Chancengleichheit<br />

im Schulsystem positiv<br />

auswirken.<br />

Positive Auswirkungen<br />

So führt beispielsweise ein Anstieg der<br />

Besuchsquoten im vorschulischen Bereich<br />

von 60 auf 100 Prozent zu einer<br />

Verringerung der gemessenen Ungleichheit<br />

um 4,4 Punkte. Diese Veränderung<br />

entspricht etwa 17 Prozent des gesamten<br />

familiären Einflusses in Deutschland<br />

(von 25,6 Punkten, s. Grafik S. 24).<br />

BILDUNGSPOLITIK<br />

Auch das ifo-Institut<br />

empfiehlt: Der<br />

Ausbau des frühkindlichenBildungsbereichs<br />

<strong>und</strong> ein längeres<br />

gemeinsames<br />

Lernen aller Kinder<br />

in der Schule<br />

sind die beste<br />

Medizin gegen<br />

Chancenungleichheit.<br />

6/2006 <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong> 23

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