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zds#8

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eitenweg<br />

16.09 Uhr<br />

Auf der Brake,<br />

Spielkasino „Planet Ufo“<br />

Ein Mann kommt heraus, zündet sich<br />

eine Zigarette an und zieht die Fellkapuze<br />

ins Gesicht.<br />

16.24 Uhr<br />

Zitrone–Zitrone–Glocke. Verdammt –<br />

wieder kein Gewinn!<br />

16.40 Uhr<br />

Breitenweg<br />

Eine junge Frau in Röhrenjeans<br />

springt über eine Pfütze. Das Regenwetter<br />

verträgt sich nicht mit ihrem<br />

Lippenstift.<br />

zurück an<br />

die tische<br />

interview<br />

38 39<br />

Spielen macht nicht unglücklich – zumindest, solange man<br />

gewinnt. Aber unterm Strich verlieren die meisten<br />

de des Jahres mehr Geld in der Tasche hat als<br />

am Anfang. Ich habe in dieser Zeit einen guten<br />

Freund kennengelernt. Der war mir im Pokern<br />

um einiges voraus. Von ihm habe ich viel gelernt<br />

und bin auf ein höheres Level gekommen. Ab<br />

dann konnte ich mir durch das Pokern mehr leisten,<br />

als ich es jemals zuvor konnte.<br />

zds Macht Pokern süchtig?<br />

Stark Oh, das ist schwierig. Jeder definiert Sucht<br />

anders. Sucht ist, wenn du wider besseren Wissens<br />

es trotzdem machst. Auf Glücksspiel bezogen<br />

ist süchtig, wer sein Geld nimmt, es in die<br />

Spielhalle trägt, alles verliert und weiterhin auf<br />

den großen Gewinn hofft.<br />

zds Weil er denkt: Je öfter ich spiele, umso größer<br />

meine Gewinnchance?<br />

Stark Ja genau. Du hast viel Geld in den Automaten<br />

geworfen und das möchtest du nun auch<br />

wieder zurückgewinnen. Oder bei Sportwetten:<br />

Wenn die ersten fünf Spiele nicht liefen, glaubst<br />

du, dass das sechste ein Gewinn sein wird.<br />

zds Warum ist es so schwer aufzuhören?<br />

Stark Ich hab dazu eine interessante Studie gelesen,<br />

über einen Versuch mit Laborratten, bei<br />

denen man Suchtverhalten untersuchte. Der Versuch<br />

sah so aus, dass die Ratten auf einen Knopf<br />

gedrückt haben, wenn sie was zu essen haben<br />

wollten. Jedes Mal, wenn sie draufgedrückt haben,<br />

bekamen sie Essen. Dann haben die Tester<br />

die Versuchsanordnung geändert: Auch wenn die<br />

Ratten den Knopf gedrückt haben, bekamen sie<br />

kein Essen mehr. Die Ratten beschäftigten sich<br />

jetzt bald mit etwas anderem. War der Knopf allerdings<br />

so eingestellt, dass ein Zufallsgenerator<br />

bei jedem Drücken neu entschied, ob es etwas<br />

zu Essen gab oder nicht, drückten die Ratten den<br />

ganzen Tag auf den Knopf. Und das spiegelt genau<br />

das Prinzip der Spielhallen wider. Du weißt<br />

nicht, wann du gewinnst. Weil die Leute nicht<br />

wissen, wann sie gewinnen, laufen sie immer wieder<br />

hin. Denn sie denken, dass sie irgendwann<br />

ja gewinnen müssen.<br />

zds Sie haben doch auch gespielt!<br />

Stark Beim Pokern kommt ein spezieller Faktor<br />

hinzu: Es gibt die offenen Karten in der Mitte.<br />

Deswegen ist ein großer strategischer Teil<br />

dabei. Das ist der Teil, den du selbst beeinflussen<br />

kannst – der Unterschied zwischen Pokern<br />

und reinen Glücksspielen. Aber selbst der beste<br />

Pokerspieler der Welt kann verlieren, sogar<br />

gegen Anfänger. Es kommt nur seltener vor. Es<br />

ist eine Achterbahn. Die geht nicht nur nach<br />

oben, sondern auch nach unten.<br />

zds Auch bei Ihnen?<br />

Stark Ich habe jeden Monat eine vierstellige<br />

Summe gewonnen, in guten sogar fünfstellig. Aber<br />

mit dem Spielen kamen Probleme in meinem Umfeld.<br />

Nach dem vierten Semester habe ich mein<br />

Studium abgebrochen – und stand dann ohne regelmäßiges<br />

Einkommen da. Schließlich bekam ich<br />

kein BAföG mehr. Meine Freundin hat mich verlassen.<br />

Ich bin in ein ziemliches Loch gefallen.<br />

Ich habe damals gelernt, dass man nur pokern<br />

sollte, wenn man sich gut fühlt.<br />

zds Sie haben verloren?<br />

Stark Ich bin nach England geflogen zu einem<br />

großen Turnier, bei dem ich mit einem Einsatz<br />

von 1.400 Pfund die Chance auf einen großen<br />

Gewinn hatte. Ich bin aber schnell aus dem Turnier<br />

rausgeflogen. Aus Frust habe ich die kommenden<br />

Nächte im Casino verbracht und dort<br />

beim Pokern fünfstellig verloren. Konkret sah<br />

das so aus: Ich fuhr zum Casino, setzte mein Geld,<br />

verlor es und fuhr nach Hause. Die Gefahr war<br />

groß, alles zu verlieren. Da habe ich mir gesagt:<br />

Zieh die Notbremse!<br />

zds Und haben Sie sie gezogen?<br />

Stark Ich habe mein Geld meinen Eltern geschenkt<br />

und mir selbst nur so viel gelassen, dass<br />

ich ein paar Monate davon leben konnte. Ich war<br />

am Punkt null.<br />

zds Also nie wieder pokern?<br />

sprecher Doch klar. Ich gewann dann glücklicherweise<br />

ein Turnier, das mir 8.000 Euro einbrachte.<br />

Das war ein wichtiges Polster für mich.<br />

Hab dann die Entscheidung gefällt, ein anderes<br />

Studium anzufangen, das mich mehr anspricht,<br />

als mein erstes.<br />

ZDS Macht Gewinnen glücklich?<br />

STARK Von mir kann ich sagen, dass mich das<br />

Spielen nicht unglücklich macht, solange ich gewinne.<br />

Aber ich kenne viele, die mit Glücksspiel<br />

viel Geld gemacht haben und jetzt ihr Leben nicht<br />

mehr geregelt bekommen. Viele Onlinepokerspieler<br />

verkriechen sich in dieser Onlinewelt,<br />

sind sozial isoliert und kommen kaum noch aus<br />

dem Haus. Oder sie leben in Saus und Braus und<br />

haben nichts Ernstes mehr in ihrem Leben, nach<br />

dem Motto: Das ganze Leben ist ein Glücksspiel.<br />

Selbst bei mir kann ich nicht sagen, inwieweit<br />

mich Pokern nicht doch verbrannt hat. Wenn du<br />

einmal so viel Geld mit einer leichten Tätigkeit<br />

gemacht hast, ist es schwierig, sich für richtige<br />

Arbeit zu motivieren. Ich etwa hatte mir schon<br />

ab und an die Frage gestellt, warum ich überhaupt<br />

noch studiere.<br />

ZDS Hat Ihr plötzlicher Reichtum Ihr Verhältnis<br />

zum Geld verändert?<br />

STARK Schon. Ich habe beispielsweise während<br />

meines Studiums lieber 20 Euro für ein Taxi ausgegeben<br />

als zehn Minuten auf eine Bahn zu warten.<br />

Das hat sich aber schnell wieder gelegt.<br />

ZDS Macht es einen Unterschied, ob man Geld<br />

für Pokern oder für andere Dinge ausgibt?<br />

STARK Klar. Mir fällt es beispielsweise heute<br />

noch schwer, für Belangloses zehn Euro rauszuhauen.<br />

Wenn ich aber am Pokertisch sitze und<br />

verliere 200 Euro, dann ist es halt so – scheißegal,<br />

für mich war es ein Einsatz!<br />

ZDS Geht es beim Gewinnen nur ums Geld?<br />

STARK Nein, manchmal auch vielmehr darum,<br />

sich selbst zu beweisen.<br />

ZDS Deutschland stellt mit Pius Heinz seit<br />

Kurzem erstmals den Weltmeister im Pokern.<br />

Die Medien preisen ihn als neuen Star. Sollten<br />

wir jetzt alle pokern?<br />

STARK Erst mal ist dieses Gerede, wir sind Pokerweltmeister,<br />

ein völliger Quatsch. Letztendlich<br />

spielt jeder für sich. Auch Pius Heinz spielt<br />

nicht „für Deutschland“, sondern gewinnt das<br />

Geld für sich. Zum Pokern würde ich niemandem<br />

raten. 95 Prozent der Spieler beim Onlinepoker<br />

verlieren mehr Geld, als sie gewinnen. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass du dich verbrennst, ist<br />

also viel höher, als dass du etwas gewinnst. Und<br />

wer sich mit der Szene näher beschäftigt, der<br />

wird schnell erkennen, dass da mehr Schein als<br />

Sein ist. Viele von den durch das Fernsehen hochstilisierten<br />

vermeintlichen Stars sind in Wahrheit<br />

Gauner und Verbrecher, haben fünfmal geheiratet,<br />

nehmen regelmäßig harte Drogen und<br />

saßen schon im Knast. Leichtes Geld verführt<br />

zu Dummheiten.<br />

ZDS Haben Sie noch Spaß am Spiel?<br />

STARK Nein. Viele Spieler verlieren irgendwann<br />

die Passion.<br />

ZDS Wovon leben Sie heute? Von den Ersparnissen,<br />

die Sie sich nach Ihrem „Punkt null“<br />

erspielt haben?<br />

STARK Ja, zum Teil. Wenn es allerdings eng wird,<br />

geht es zurück an die Tische.<br />

Zur Person<br />

Jan Stark (Name geändert) ist 24 und studiert<br />

in Bremen. Seine Familie schätzte seine<br />

Pokerkarriere und unterstützte ihn.

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