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0 1 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Afrikanische Eingreiftruppe<br />
Die Multi-National Joint Task Force<br />
(MNJTF) wurde am 29. Jänner <strong>2015</strong> vom<br />
Peace and Security Council (PSC) der<br />
Afrikanischen Union (AU) autorisiert. Die<br />
Zahl der Soldaten wurde im Februar auf<br />
8.700 festgelegt. Die strategische Kontrolle<br />
über die MNJTF unterliegt aber<br />
nicht nur der AU, sondern auch den Lake<br />
Chad Basin Countries (LCBC) Kamerun,<br />
Tschad, Niger sowie Nigeria und Benin –<br />
also jenen Staaten, die sich in der MNJTF<br />
engagieren. Den größten personellen<br />
Anteil an der Task Force stellen Nigeria<br />
mit ca. 3.250 Soldaten gefolgt vom<br />
Tschad mit ca. 3.000. Die größte Herausforderung<br />
für die MNJTF ist die Finanzierung,<br />
die die AU von externen Quellen,<br />
vor allem der UNO, zu erhalten versucht.<br />
Aber auch die USA beteiligen sich am<br />
Kampf gegen die Terrorgruppe. Präsident<br />
Obama hat die Entsendung von<br />
300 Soldaten nach Kamerun autorisiert,<br />
die bleiben sollen, „bis sie nicht mehr<br />
benötigt werden“.<br />
des Konflikts trotzdem nicht. Im Gegenteil,<br />
es dürfte schwierig sein, Boko<br />
Haram nachhaltig zu bekämpfen, solange<br />
sich die ökonomischen und ökologischen<br />
Bedingungen für die Menschen<br />
in Nordnigeria nicht ändern. Die<br />
Austrocknung des Tschad-Sees, der für<br />
viele Menschen die Lebensgrundlage<br />
darstellt, ist nur eines von mehreren<br />
Problemen, die das Erstarken der<br />
Terrorgruppe begünstigen. Zudem<br />
erschweren die komplexen ethnischen<br />
und religiösen Beziehungsgeflechte in<br />
der Region eine rasche Aussöhnung.<br />
Hochrangige nigerianische Offiziere<br />
halten eine militärische Lösung überhaupt<br />
für unmöglich, oder wie es der<br />
ehemalige Generalstabschef Martin<br />
Luther Agwai in einem Interview mit<br />
der Zeitung The Guardian formulierte:<br />
„It is a political issue; it is a social issue;<br />
it is an economic issue, and until these<br />
issues are addressed, the military can<br />
never give you a solution.“<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Friedenssicherung<br />
und Konfliktmanagement an der<br />
Landesverteidigungsakademie mit<br />
Forschungsschwerpunkt Afrika.<br />
„Das Chaos nützt den Terroristen!“<br />
BRIGADIER WALTER<br />
FEICHTINGER ist seit<br />
2002 Leiter des Instituts<br />
für Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (IFK)<br />
an der Landesverteidigungsakademie.<br />
Die Terrororganisation Islamischer Staat hat<br />
nun auch in Nigeria in Gestalt der Boko Haram<br />
einen Ableger, der sich zum Kalifat bekennt<br />
und einen Treueeid auf den selbsternannten<br />
Kalifen, Abu Bakr al-Baghdadi in<br />
Syrien, abgelegt hat. Dazu kommt der IS<br />
in Libyen, der sich das Chaos im Lande infolge<br />
des Bürgerkriegs ab Sommer 2014<br />
und der bislang gescheiterten Friedensbemühungen<br />
rasch zunutze gemacht hat.<br />
Da die Angriffe auf den IS in Syrien und im<br />
Irak bislang nicht von Erfolg gekrönt waren,<br />
muss man sich sowohl im Westen wie auch<br />
in der arabischen Welt vermehrt darauf<br />
einstellen, dass die Terrororganisation<br />
noch länger ihr Unwesen treiben und nach<br />
Expansionsmöglichkeiten suchen wird.<br />
Dabei sind drei Voraussetzungen auszumachen,<br />
die es dem IS oder vergleichbaren<br />
Terrorgruppen ermöglichen, Fuß<br />
zu fassen und ihr Unwesen zu treiben. Zum<br />
Ersten sind es dysfunktionale Staatsführungen,<br />
die Teile der Bevölkerung bewusst<br />
ausgrenzen, marginalisieren oder sogar<br />
terrorisieren. Dies führt zu Enttäuschung,<br />
Frustration oder offenem Widerstand und<br />
erzeugt Sympathien für radikale Lösungsansätze<br />
– so beispielsweise im Irak, wo die<br />
Sunniten nach der Machtübernahme der<br />
Schiiten systematisch an den Rand und<br />
somit ins Lager der al-Kaida und des IS<br />
gedrängt wurden.<br />
Zum Zweiten sind es schwache Regierungen,<br />
die es nicht schaffen, die staatliche<br />
Kontrollgewalt über das gesamte Staatsgebiet<br />
auszuüben, und daher unkontrollierte<br />
Regionen entstehen – das ist in<br />
Afghanistan oder Pakistan ebenso zu beobachten<br />
wie etwa in Mali oder auch Nigeria.<br />
Chaotische Zustände wie in Libyen<br />
wiederum sind ein dritter Faktor, der den<br />
Aufbau und die nachhaltige Festigung extremistischer<br />
Gruppierungen begünstigt.<br />
Je länger es daher zu keiner Annäherung<br />
zwischen den verfeindeten Regierungen<br />
in Tobruk und Tripolis kommt, desto<br />
stärker wird der IS in Libyen werden.<br />
Diese Entwicklungen machen deutlich,<br />
warum die derzeitigen politischen Verhältnisse<br />
vielerorts Terroristen begünstigen<br />
und wie wichtig es deshalb ist, Chaos zu<br />
vermeiden und zu Verhandlungslösungen<br />
zu kommen.<br />
FOTO S : G E T T y I M AG E S , N A D J A M E I ST E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L