Blasmusik-in-Tirol-4-2015
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schwerpunkt schlagzeug<br />
Foto: BMK Unterlangkampfen<br />
Das Schlagzeug<br />
Das 20. Jahrhundert hat dem Rhythmus<br />
die Fessel abgenommen. Er dankt es<br />
mit e<strong>in</strong>er noch längst nicht verhallten<br />
Explosion musikalischer Überraschungen. Ke<strong>in</strong>e<br />
andere Instrumentengruppe hat sich <strong>in</strong> den vergangenen<br />
hundert Jahren so grundlegend und<br />
rasant entwickelt wie die Schlag<strong>in</strong>strumente.<br />
Trommeln gehören zur Wiege der Menschheit.<br />
Sie dienten zur Verständigung über weitere<br />
Distanzen und strukturierten später u.a. Arbeitsverläufe.<br />
Bis heute grundieren Trommeln mythisches<br />
Geschehen.<br />
Im 17. und 18. Jahrhundert haben die Pauken <strong>in</strong><br />
Europa s<strong>in</strong>gen gelernt, da gibt es virtuose Paukenkonzerte<br />
mit <strong>in</strong>teressanten stilistischen Unterschieden.<br />
Symphoniker schufen elegante höfische<br />
Musik. Das solistische Werk von Vater und<br />
Sohn Philidor dagegen ist typisch für den älteren,<br />
halbimprovisierten Stil der Militärpauker. Über<br />
die Militärpauker, die seit 1528 als privilegierte<br />
Zunft anerkannt waren, kamen die Pauken <strong>in</strong><br />
die Kunstmusik. Die Große Trommel bzw. Marschiertrommel<br />
h<strong>in</strong>gegen, die es <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Varianten gibt, gelangte im 18. Jahrhundert über<br />
die türkische Janitscharenmusik nach Europa.<br />
Trommeln haben <strong>in</strong> <strong>Blasmusik</strong>kapellen entscheidende<br />
Funktionen. Beim Marschieren wird<br />
die Große Trommel entweder auf e<strong>in</strong>em Wagen<br />
gezogen oder mit Schultergurten vor der Brust<br />
getragen. Zur Gewichtsersparnis wird die Große<br />
Trommel für Marschkapellen meist aus dünnerem<br />
Holz hergestellt als die Orchestertrommel.<br />
Das frühe 20. Jahrhundert setzte von zwei Seiten<br />
her Schlag<strong>in</strong>strumente vehement <strong>in</strong> Szene.<br />
Da war der amerikanische Jazz, der das Schlagzeug<br />
gleichberechtigt e<strong>in</strong>setzte zu den anderen<br />
Instrumenten der Gruppe (z.B. Trompete, Saxophon).<br />
In Europa lief es anders. Da löste sich die<br />
Kunstmusik aus dem tonalen Bereich, da haben<br />
immer mehr Komponisten nicht mehr die Oberhoheit<br />
der Tonika zelebriert, sondern farbliche<br />
Klang<strong>in</strong>tensität und dafür auch auf außereuropäische<br />
Musik und ihre Instrumente zugegriffen.<br />
Das Arsenal der Schlag<strong>in</strong>strumente wuchs <strong>in</strong>s<br />
Unendliche – Besonnenheit und Konzentration<br />
wird <strong>in</strong>zwischen längst e<strong>in</strong>gemahnt.<br />
Was das alles mit <strong>Blasmusik</strong> zu tun hat? Die Konzerte<br />
geben Antwort. Da wird ja unterschieden<br />
zwischen traditionellen Märschen, Polkas, Ouvertüren<br />
usw. im ersten Konzertteil und „modernen“<br />
Werken danach, was immer das <strong>in</strong> den<br />
Leistungsstufen bedeutet. Es ist nicht nur Pauke,<br />
Trommel, Becken, Triangel, was die Schlagwerker<br />
da nach der Pause aufbauen, die Jungen s<strong>in</strong>d<br />
zu Percussionisten geworden und nicht mehr<br />
zufrieden mit der Rolle des Akzent-Setzens und<br />
Timekeep<strong>in</strong>gs. Die Spanne im orchestralen H<strong>in</strong>terland<br />
ist groß zwischen dem e<strong>in</strong>fachen Marsch<br />
und der symphonischen Kunststufe.<br />
Nicht zu überhören: Die Jungen wollen mehr.<br />
„Schlagzeug“ bzw. „Schlagwerk“ umfasst heute<br />
das Standard-Drumset mit Großer Trommel,<br />
Kle<strong>in</strong>er Trommel, auch Snare-Drum genannt,<br />
Bass-Drum (Kick-Drum), Tomtoms, Ride-Becken<br />
und Hi-Hat, weiters Pauken, Tsch<strong>in</strong>ellen,<br />
Triangel, Stabspiele wie Marimba, Xylophon,<br />
Glockenspiel, dann Bongos, Congas, Maracas<br />
usw. usw. In der Instrumentenkunde zählen die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Instrumente entweder zu den „Selbstkl<strong>in</strong>gern“<br />
(Idiophone) oder zu den „Fellkl<strong>in</strong>gern“<br />
(Membranophone). Zur Bedienung der letzteren<br />
braucht es Schlägel, deren Beschaffenheit von<br />
großer Bedeutung ist.<br />
Schlagzeuger s<strong>in</strong>d kreativ und körperlich gefordert.<br />
International beobachtet, erobern Frauen<br />
längst schon die Szene. In <strong>Tirol</strong> ist das <strong>in</strong> Jazz<br />
und Klassik noch Männerarbeit – aber <strong>in</strong> der<br />
<strong>Blasmusik</strong>szene wagen sich junge Frauen immer<br />
öfter ans Werk. <br />
n<br />
<br />
Ursula Strohal<br />
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