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Wiehre Magazin, Mai 2016

Bahnhofsliebe: Ludwig Quaas hat sich seinen Traum erfüllt und ist Koch sowie Inhaber der Gaststätte im Wiehre Bahnhof

Bahnhofsliebe: Ludwig Quaas hat sich seinen Traum erfüllt und ist Koch sowie Inhaber der Gaststätte im Wiehre Bahnhof

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PORTRAIT<br />

Flüchtlinge<br />

Steckbrief<br />

Name:<br />

Alter:<br />

Beruf oder andere Tätigkeit:<br />

Herkunft:<br />

Familie:<br />

im Portrait<br />

Çağlar<br />

31 Jahre<br />

Elektrotechnikerin<br />

Türkei, Ankara<br />

Ehemann und zwei Söhne<br />

(1 und 8 Jahre) in Freiburg<br />

Was sind deine Hobbys? Was macht dir am meisten Spaß?<br />

Çağlar: Kochen, Backen, das Singen im Chor und romantische<br />

Fernsehserien anschauen.<br />

Wie sieht dein Tagesablauf aus?<br />

Çağlar: 7 Uhr Aufstehen und meinen Sohn Efe in die<br />

Schule bringen, 8.30 Uhr Fernsehen, 9 Uhr Schlafen,<br />

11 Uhr Aufstehen, denn Efe kommt nach Hause.<br />

Dann frühstücken wir zusammen. 14 Uhr Einkaufen,<br />

manchmal Spazieren gehen, 16 Uhr<br />

Kochen. Um 17 Uhr kommt Metin, mein Ehemann,<br />

nach Hause, dann essen wir zusammen.<br />

Um 18 Uhr Nachrichten im Fernsehen schauen<br />

und Tee trinken, 23.30 Uhr gehe ich schlafen.<br />

Dazwischen: reden, spielen, Hausaufgaben<br />

machen …<br />

Was gefällt dir an Freiburg? Hast du einen<br />

Lieblingsplatz?<br />

Çağlar: Freiburg gefällt mir, besonders, wenn<br />

das Wetter schön ist. Es gibt viel Grün und die<br />

Menschen sind nett. Eine kleine, schöne Stadt. Mein<br />

Lieblingsort ist der Seepark, dort können wir im Sommer<br />

grillen, picknicken und schwimmen.<br />

Was waren deine Erwartungen, als du nach Deutschland gekommen<br />

bist? Was hat dich überrascht?<br />

Çağlar: Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, hatte ich<br />

viele Erwartungen: Pünktliche, ordentliche Menschen; zuverlässige<br />

Briefe, ein freies Land, guter Städtebau mit funktionierendem<br />

Straßenbahnsystem, unkomplizierte Hilfe in Krankenhäusern<br />

und Altenheimen, Fahrradstraßen. Diese Erwartungen<br />

haben sich dann auch bestätigt.<br />

Hast du ein Lieblingswort auf Deutsch?<br />

Çağlar: „Ist mir egal.“<br />

Hast du ein Lieblingsessen?<br />

Çağlar: Croissants<br />

Ein Lieblingslied?<br />

Çağlar: „Hey Pippi Langstrumpf“<br />

Gibt es etwas, was du den Deutschen gerne sagen möchtest?<br />

Çağlar: Ihr helft viel. Ich habe das Gefühl, das hier alle Leute<br />

gleich behandelt werden – egal ob sie geflüchtet sind oder nicht.<br />

Zum Beispiel können sich alle Menschen das gleiche Essen leisten.<br />

Mir gefallen auch die Arbeitszeiten in Deutschland – in der<br />

Türkei habe ich länger gearbeitet, zehn Stunden waren normal,<br />

manchmal bis zu zwölf Stunden. Hier gibt es sogar Teilzeit und<br />

die Bezahlung ist besser.<br />

Gibt es etwas, was du deinen Landsleuten (in Deutschland oder<br />

in deinem Heimatland) gerne sagen möchtest?<br />

Çağlar: Türkische und deutsche Leute sind nicht gleich. Türkische<br />

Leute sind oft hochnäsig, auf Hierarchien bedacht. Hier<br />

kommt Efes Lehrerin mit dem Fahrrad in die Schule – in der<br />

Türkei wird der rote Teppich ausgerollt, wenn der Chef zur Konferenz<br />

fährt. Das ist interessant für mich. Frauen und Kinder werden<br />

hier mehr wahrgenommen, es ist wichtig, dass sie Teil der<br />

Gesellschaft sind. Auch für Menschen mit Behinderungen gibt es<br />

mehr Möglichkeiten – es gibt viele breite Straßen und Aufzüge.<br />

Was fehlt dir aus deiner Heimat?<br />

Çağlar: Ich vermisse meine Familie. Ich wünsche mir sehr<br />

einen Pass, mit dem ich sie besuchen kann. Ich vermisse<br />

meine Straße – bis elf, zwölf Uhr abends ist dort<br />

Leben. Die Geschäfte haben lange und an jedem<br />

Wochentag geöffnet. Die Menschen gehen spazieren,<br />

die Kinder spielen. Das gibt es hier nicht,<br />

auf dem Spielplatz stehen sogar Öffnungszeiten<br />

und am Abend muss es ruhig sein. Ich vermisse<br />

die Sprache – meine Gedanken auf Deutsch zu<br />

formulieren ist schwer. In der Türkei habe ich<br />

immer viel geredet.<br />

Was ist deine Meinung zur deutschen Flüchtlingspolitik?<br />

Wo siehst du Probleme oder Chancen?<br />

Çağlar: Mich macht die Situation sehr traurig. Viele<br />

Kinder mussten sterben – warum? Diese Welt ist<br />

für alle Menschen da. Ich weiß nicht, wie wir Frieden<br />

finden können. Ich habe kein Vertrauen in die Politik.<br />

Was sind deine Pläne für die Zukunft?<br />

Çağlar: Ich denke, ich hoffe, meine Zukunft hier ist gut. Ich wünsche<br />

mir, dass meine Kinder eine gute Zukunft haben – vielleicht<br />

studieren und eine gute Arbeit finden. Ich will, dass der Krieg<br />

aufhört. Ich weiß nicht, warum es in muslimischen Ländern<br />

Krieg gibt. Ich trauere immer um die Kinder. Wenn ich 15 Jahre<br />

in Deutschland bin, will ich ein kleines Geschäft haben und<br />

selbstgemachte, individuelle Motiv-Torten verkaufen.<br />

Möchtest du gerne eine Geschichte aus deinem Leben erzählen?<br />

Çağlar: Das Leben im Flüchtlingsheim war für mich eine Erfahrung,<br />

aus der ich viele Erfahrungen mitgenommen habe. 18 Monate<br />

zusammen zu leben – eine Küche, ein Bad für vier Familien!<br />

Viele Kulturen an einem Ort: Afghanen, Iraner, Afrikaner, Inder<br />

– so viele. Das vergesse ich nicht.<br />

Der achtjährige Efe meldet sich zu Wort:<br />

Erdogan ist ein Dummkopf. Schreib das auf! Ich liebe meine<br />

Mutter und meinen Bruder, aber mein Vater hasst mich. Und ich<br />

will, dass keine Schule mehr ist. Ich trinke viel Coca-Cola. Ich will<br />

einen Fernseher haben. Und ich will ein eigenes Haus haben.<br />

Mit einem Zimmer für Ruth.<br />

Ruth von der Studierenden-Organisation<br />

„Weitblick“ stellte die Fragen. Sie kam über eine<br />

Patenschaft in Kontakt mit der Familie.<br />

14 | Freiburg <strong>Wiehre</strong> Stadtteilmagazin

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