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Wiehre Magazin, Mai 2016

Bahnhofsliebe: Ludwig Quaas hat sich seinen Traum erfüllt und ist Koch sowie Inhaber der Gaststätte im Wiehre Bahnhof

Bahnhofsliebe: Ludwig Quaas hat sich seinen Traum erfüllt und ist Koch sowie Inhaber der Gaststätte im Wiehre Bahnhof

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Pflegefall im Auto sitzen hatte, war nichts mehr in Ordnung. Anfang<br />

des Jahres hatte ich ihn in die Klinik gebracht, weil er kaum<br />

noch drei Schritte laufen konnte. Beim Atmen gurgelte es aus<br />

seiner Kehle. Sein Gesicht war aufgequollen.<br />

Doch, Papa. Du gehst jetzt ins Krankenhaus. Hör auf mit deinem<br />

dauernden „Das wird schon wieder.“ Im Moment wird da gar nix.<br />

Eine Niereninsuffizienz hatten sie festgestellt, einen nach Herzinfarkt<br />

schlechten Gesundheitszustand. Plötzlich stand das Wort<br />

Dialyse im Raum.<br />

Wir waren beide geschockt.<br />

Er, weil er die Dialyse wohl immer von sich weggeschoben hatte,<br />

und ich, weil ich noch nicht mal wusste, dass das Wort überhaupt<br />

irgendetwas mit meinem Vater zu tun haben könnte.<br />

Ich hasse es, Einzelkind zu sein.<br />

Hätte ich Geschwister, hätten wir den Schockzustand teilen können.<br />

Die Tränen über das plötzliche Bergab in Papas Gesundheitskurve.<br />

Die Ratlosigkeit, was zu tun war. Die Arbeit. Die unglaublich<br />

viele Arbeit, die da ist, wenn jemand von heute auf morgen hilfsbedürftig<br />

wird. Pflegestufe 1, wie der Medizinische Dienst einige Zeit<br />

später – Tage, die mir wie Monate erschienen – feststellen würde.<br />

Wecken. Mobilisieren. Aufsetzen. Blutzucker kontrollieren. Insulinpen<br />

vorbreiten. Beim Spritzen assistieren. Frühstück richten.<br />

Beim Essen helfen. Abräumen. Waschen helfen. Rasieren helfen.<br />

Zähneputzen assistieren. Anziehen helfen.<br />

Depression aushalten.<br />

Scheiße, Papa, vor ein paar Wochen hattest du noch ein selbständiges<br />

Leben. Und ich auch. Heute sind wir beide in einer Situation,<br />

die uns überfordert. Du hast mich nie darauf vorbereitet, dass ein<br />

Vater plötzlich hinfällig wird. Dass mein starker Papa schwach<br />

wird. Und ich hatte dich nie darauf vorbereitet, dass ich, die patente<br />

Dreifachmutter, bei dauernder Überforderung eine zickige,<br />

hilflose, keifende Tante bin. Und überhaupt der schlechteste Pflegedienst,<br />

den man sich vorstellen kann.<br />

„Kannst du mich versorgen?“ hast du mich gefragt. Nein, hast<br />

du nicht gefragt. Hätte ich es mir gewünscht, dass du gefragt<br />

hättest? Weiß nicht. Es war aber ohnehin selbstverständlich. Es<br />

war niemand anderes da. Du hättest niemand anderes an dich<br />

ran gelassen. Und auch ich hätte niemand anderes an dich ran<br />

gelassen. Mein Papa.<br />

Zwei Monate lang jeden Tag zwischen drei und acht Stunden<br />

Papadienst, je nach Tagesform, Deiner Tagesform, nicht meiner.<br />

Scheiße, Papa, wenn ich Pflegerin hätte werden wollen, dann hätte<br />

ich das gemacht. Aber ich wollte nicht Pflegerin werden.<br />

Ich hatte einst schon Schwierigkeiten damit, dass meine neugeborenen<br />

Kinder mir ihren Rhythmus vorgaben. Jetzt versuchst du, deinen<br />

Rhythmus irgendwie beizubehalten und ich versuche, meinen<br />

irgendwie auf deinen abzustimmen. Was mit Mühe und Not, mit<br />

viel Liebe und genauso vielen Frustrationen klappt.<br />

Medikamente richten. Füße eincremen. Füße nach Druckstellen<br />

absuchen. Beim Duschen helfen. Kämmen. Anziehen helfen. Blutzucker<br />

kontrollieren. Zwischenmahlzeit richten.<br />

Depression aushalten. MEINE Depression. DEINE Depression.<br />

„Weißt du, eines Tages werd ich einfach umfallen und bin weg.“<br />

Oh, Papa, das liebe ich an dir. Du bist immer so lakonisch. Noch<br />

immer. Aber überhaupt: Quatsch, Papa. Du bist erst 70. Okay, dein<br />

Gesundheitszustand ist nicht so toll, aber das wird wieder.<br />

WOHNSTIFTKULTUR<br />

Das Alter muss nicht immer eintönig sein. Denn<br />

wir bieten Seniorinnen und Senioren wie Ihnen<br />

nicht nur höchsten Komfort, sondern auch jede<br />

Menge Kultur. Dabei genießen Sie alle Vorteile eines<br />

selbstbestimmten Lebens.<br />

„Grundlos vergnügt …“<br />

Freitag, 13. <strong>Mai</strong>, 17 Uhr<br />

Lesung mit Verena Blecher. Sie liest eigene Texte<br />

sowie Sagen und Gedichte anderer bekannter<br />

Autoren.<br />

Von Barock bis heute mit Geige und Klavier<br />

Freitag, 20. <strong>Mai</strong>, 17 Uhr<br />

Mit Jelena Wilke an der Violine und Rada Pecanac<br />

am Klavier, die u.a. Stücke von Brahms und Reger<br />

zum Besten geben.<br />

Operettenzauber<br />

Freitag, 3. Juni, 17 Uhr<br />

Dina Salák, Mario Verkerk und Romeo Knoebel<br />

laden Sie ein zu einer Reise in die Welt der Operette.<br />

Probieren Sie’s aus:<br />

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*Angebot gültig im <strong>Mai</strong> und Juni <strong>2016</strong><br />

„Können Sie gleich kommen?“<br />

„Ja, ich komme. Natürlich.“<br />

„Machen Sie sich keine Sorgen – wir wollen es nur abklären lassen.“<br />

Fünf Tage später war Papa tot.<br />

Rabenkopfstraße 2 · 79102 Freiburg<br />

Telefon 0761 3685-0 · Fax 0761 3685-107<br />

info@wohnstift-freiburg.de · www.wohnstift-freiburg.de<br />

Freiburg <strong>Wiehre</strong> Stadtteilmagazin | 27

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