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LIES MICH!<br />
„Reisebuch für <strong>de</strong>n<br />
Menschenfeind<br />
– die Freu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Misanthropie“<br />
Friedrich-Karl Praetorius<br />
Der Natur <strong>de</strong>s Menschen scheint es immanent<br />
zu sein sich stets nach an<strong>de</strong>rem zu sehnen,<br />
nach Dingen zu streben die fern ab und nahezu<br />
unerreichbar sind. Doch damit nicht genug!<br />
Dieses Verhaltensmuster ist schlicht und<br />
ergreifend evolutionär kontaminiert. Durch dieses<br />
Streben nach Verän<strong>de</strong>rung, Spezifizierung und<br />
Modifizierung vollzieht sich je<strong>de</strong> Entwicklung, aber<br />
das dadurch auch alles schöner und besser wird<br />
sei in Irrglaube mit <strong>de</strong>m Friedrich-Karl Praetorius<br />
ein für alle Mal aufräumt. Als bestes Beispiel<br />
zur Falsifizierung erstgenannter These dient <strong>de</strong>r<br />
Mensch höchst Selbst: Der Mensch wird schöner<br />
mit je<strong>de</strong>m Tag... und besser selbstverständlich<br />
auch! Dies sollte zumin<strong>de</strong>st nach allgemeiner<br />
Auffassung so sein! Doch irgendwie muss zu<br />
verhin<strong>de</strong>rn sein, dass man am En<strong>de</strong> nicht als<br />
schlechte Kopie seiner Selbst evolutionsbiologisch<br />
zurückbleibt, muss diese zugegebenermaßen<br />
nicht ungefährliche Entwicklung gestoppt und<br />
dafür gesorgt wer<strong>de</strong>n, dass einem <strong>de</strong>r Nachwuchs<br />
wie<strong>de</strong>r ähnlicher wird! Abhilfe zu leisten, dass<br />
das selbst gezeugte Geschöpf nicht einfach mit<br />
<strong>de</strong>n besseren Eigenscha�en seines Prototyps<br />
davon läu� ist eine <strong>de</strong>r leichtesten Aufgaben für<br />
Misanthropen: „Zwei, drei Ohrfeigen zur rechten<br />
Zeit und die evolutionären Schwachstellen treten<br />
<strong>de</strong>utlich hervor: Mein Hass, mein Grimm, mein<br />
Frust! Nun war mir das Kind wie<strong>de</strong>r näher.<br />
Auch meine Anläufe zum Schönerwer<strong>de</strong>n ha�e<br />
man ja rechtzeitig gestoppt. Ein Schlag auf<br />
<strong>de</strong>n Hinterkopf, ein langgezogenes Ohr, und<br />
die Physiognomie formt sich auf alte Weise!“<br />
12 -Blicklicht<br />
sag’s und sichert so die eigene misanthropische<br />
Arterhaltung!<br />
In seinem natürlichen Element erlebt man <strong>de</strong>n<br />
gemeinen Menschenfeind auf Reisen. Nach<br />
Möglichkeit fernab vom Pauschaltourismus,<br />
bevorzugt als Individualist, selbstverständlich<br />
ganz auf sich allein gestellt. Somit kommt<br />
es an bestimmten Reisezielen zu gehäu�en<br />
Vorkommen dieser Ga�ung, was wie<strong>de</strong>rum für<br />
Verstimmung beim Einzelnen sorgt: sei es auf<br />
<strong>de</strong>n Malediven, auf <strong>de</strong>nen innerhalb kürzester<br />
Zeit die Reviermarkierung innerhalb eines<br />
bestimmten Areals um <strong>de</strong>n Einzeltisch <strong>de</strong>s<br />
Menschenfein<strong>de</strong>s erfolgt, <strong>de</strong>r Insel Gili Air (<strong>de</strong>r<br />
Insel „Fürmichganzallein“...), <strong>de</strong>r Burgfriedhof-<br />
Sightseeing-Tour in Bonn, in Phuket / Thailand<br />
o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Reise durch geronnene Städte im<br />
Intercity. Dabei macht sich beim Misanthropen<br />
o� das Gefühl breit, dass die damaligen Menschen<br />
im Gegensatz zu <strong>de</strong>m heutigen wohl aber über<br />
ein gewisses ästhetisches Empfin<strong>de</strong>n verfügten,<br />
ein Menschenbild o<strong>de</strong>r eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Vorstellung davon, dass in keiner Weise <strong>de</strong>n<br />
Menschen tangiert welcher heute massenha�<br />
an <strong>de</strong>n Altertümern vorüberströmt. Vom<br />
Verlangen nach Apokalypse, Weltuntergang o<strong>de</strong>r<br />
wenigstens einer ne�en kleinen Epi<strong>de</strong>mie wird<br />
<strong>de</strong>r Menschenfeind in Anbetracht <strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n<br />
und nicht immer vermeidbaren Kontakts zu<br />
Mitmenschen beschlichen. Ein Gefühl <strong>de</strong>m sich<br />
selbst <strong>de</strong>r Menschenfeind am besten zuhause<br />
entziehen kann... Ach ja zuhause! Dort wo es<br />
am schönsten ist und man sich gern auch mal<br />
au�ängt! Der Menschenfeind ist bevorzugt<br />
in vereinsamten Landstrichen zu Hause, in<br />
Chapendu zum Beispiel, doch ich bin mir <strong>de</strong>ssen<br />
ganz sicher, dass auch unsere entzücken<strong>de</strong><br />
Bran<strong>de</strong>nburger Region sich mehr und mehr<br />
zum bevorzugten Nie<strong>de</strong>rlassungsort <strong>de</strong>s<br />
Menschenfein<strong>de</strong>s entwickeln wird... und einzelne<br />
Exemplare wur<strong>de</strong>n auch schon gesichtet!<br />
Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 120 Seiten, Preis 7,50€<br />
„Belishs Garten“<br />
Lilian Noetzel<br />
In Lilian Noetzel`s ersten Roman „Belishs<br />
Garten“ geht es um die Geschichte <strong>de</strong>s<br />
persischen Kalligraphen Manour Chayed.<br />
In Paris lebend bestreitet <strong>de</strong>r stumme<br />
Schönschreiber seinen Lebensunterhalt mit<br />
kleinen Au�rägen. Auf Anraten seines Onkels<br />
soll er ein Hochzeitsgeschenk für die Tochter <strong>de</strong>s<br />
wohlhaben<strong>de</strong>n Belish erarbeiten. Eine schri�liche<br />
Dokumentation alter Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r verstorbenen<br />
Mu�er <strong>de</strong>r Braut. Und da Belish reich ist, so reich,<br />
dass ein Au�rag von ihm allen Existenzsorgen<br />
Manour`s ein für allemal ein En<strong>de</strong> bereiten wür<strong>de</strong>,<br />
nimmt er das verlocken<strong>de</strong> Angebot an.<br />
Im Verlauf <strong>de</strong>r Arbeiten verliebt sich <strong>de</strong>r stumme<br />
Künstler in Nuriye, die schöne Tochter seines<br />
Au�raggebers, die – wie sollte es an<strong>de</strong>rs sein-<br />
bereits einem an<strong>de</strong>rem, in diesem Fall einem<br />
Parfümhändler versprochen ist.<br />
Doch je näher das Fertigstellungsdatum <strong>de</strong>s<br />
Geschenks und somit <strong>de</strong>r Hochzeitstermin rückt,<br />
<strong>de</strong>sto mehr kämpfen Manour und Nuriye mit und<br />
um ihre Gefühle und versuchen ihrer Bestimmung<br />
zu entgehen.<br />
Die Autorin scha� es in ihrem Roman lei<strong>de</strong>r nicht<br />
<strong>de</strong>n roten Fa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r an sich schöne Geschichte<br />
zu halten. Ansta� <strong>de</strong>r interessanten Romanze zu<br />
folgen, wird die Handlung immer wie<strong>de</strong>r durch<br />
die endlos erscheinen<strong>de</strong>n Arbeiten <strong>de</strong>s jungen<br />
Künstlers unterbrochen. Diese Tatsache ist jedoch<br />
nicht das Schlimmste, son<strong>de</strong>rn die <strong>de</strong>tailgetreuen<br />
Beschreibungen mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Leser gelangweilt<br />
wird. Da wird zum Teil seitenlang die Akribie<br />
<strong>de</strong>s Manour Chayed bei <strong>de</strong>r Fertigstellung <strong>de</strong>s<br />
Hochzeitsgeschenks geschil<strong>de</strong>rt. Ein Beispiel<br />
gefällig? Bi�e schön: „Bei unserer Schri� ist <strong>de</strong>r<br />
Punkt <strong>de</strong>r Anfang. Ich drücke zuerst die Fe<strong>de</strong>r<br />
fest auf das Papier, bis ein Tintenpunkt entsteht.<br />
Dann mache ich die erste Linie, in<strong>de</strong>m ich lauter<br />
Punkte hintereinan<strong>de</strong>r setzte, sie streckt sich in<br />
die Höhe, dann setze ich Punkte rechts und links<br />
von ihr, sie breitet die Arme aus und beginnt zu<br />
tanzen. Sie neigt sich von rechts nach links rollt<br />
sich ein, hält inne und summt zu <strong>de</strong>r Musik. Sie<br />
fällt vom dicken in <strong>de</strong>n dünnen Strich, wird zum<br />
Buchstaben... „<br />
Um die Besessenheit Manours zu seiner Arbeit<br />
auszudrücken, hä�e eine solcher Textpassagen<br />
gereicht, aber lei<strong>de</strong>r erstreckt sich <strong>de</strong>r Schönschri�-<br />
Fetisch <strong>de</strong>s Kalligraphen über die gesamten 155<br />
Seiten, weshalb es <strong>de</strong>m Leser nicht leicht gemacht<br />
wird <strong>de</strong>r eigentlichen Handlung zu folgen.<br />
Piper Verlag, 155 Seiten, Preis: 14,90€<br />
„Die schönste<br />
Frau <strong>de</strong>r Welt“<br />
Tony Parsons<br />
Die Familie – ein Konstrukt, dass sich im<br />
wesentlichen durch die typisch familiäre Mu�er-<br />
Vater-Kind Beziehung gestaltete, zuweilen<br />
noch Großeltern dazu. Dieses Konstrukt gerät<br />
ins wanken, unterliegt einer sich unbemerkt<br />
vollziehen<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rung... heute ist Familie<br />
o�mals vieles mehr... <strong>de</strong>r Vater hat `ne Neue,<br />
die wie<strong>de</strong>rum bereits Kin<strong>de</strong>r hat... von Papa<br />
o<strong>de</strong>r beliebig auch gern von einem an<strong>de</strong>ren<br />
Mann (o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Männern) – je nach<strong>de</strong>m,<br />
bei Mu�i und <strong>de</strong>n jeweiligen temporären<br />
Lebensabschni�sgefährten sieht es auch nicht<br />
wesentlich an<strong>de</strong>rs aus... zwischendrin die Kin<strong>de</strong>r<br />
und drum herum die doppelte Anzahl Großeltern,<br />
als seien sie klammheimlich geklont wor<strong>de</strong>n!<br />
„Patchworkfamily“ nennt sich die Modifizierung<br />
<strong>de</strong>s veralteten Familienmo<strong>de</strong>lls & genau davon<br />
han<strong>de</strong>lt Tony Parsons Roman „Die schönste Frau<br />
<strong>de</strong>r Welt“. Es wird die Geschichte von Harry<br />
erzählt, von Harry und seiner um ihn herum<br />
angehäu�en und auf <strong>de</strong>m ersten Blick willkürlich<br />
zusammen gewürfelten Patchworkfamily:<br />
bestehend aus seiner Ex-Frau Gina und <strong>de</strong>m<br />
gemeinsamen Sohn Pat, <strong>de</strong>r bei Gina und ihrem<br />
neuen Lover aufwächst. Dies allein macht natürlich<br />
noch keine Patchworkfamily... da wären noch Cyd<br />
– die schönste Frau <strong>de</strong>r Welt – und Harry`s neue<br />
Ehefrau, die auch schon eine kleine Tochter mit<br />
in die Ehe brachte... und Cyd hat einen Ex-Mann<br />
<strong>de</strong>r gut und gerne als Hells-Angels-Mitglied<br />
durchgehen könnte gleich mit im Gepäck! Diverse<br />
Großeltern und natürlich auch Freun<strong>de</strong>, Kollegen