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34 WELTEREIGNIS REFORMATION archiv<strong>nachrichten</strong> 16/1· 2016<br />

wird die Bedeutung der geistlichen Fürstentümer für<br />

die Reichsritter sichtbar: Hier gab es nicht allein die<br />

Versorgungsmöglichkeiten für unverheiratete Söhne<br />

und Töchter, sondern Positionen in Verwaltung und<br />

Regierung. Hier konnten Reichsritter zu Reichsfürsten<br />

aufsteigen. Auf einer breiteren Grundlage, für die vier<br />

Reichsrittergeschlechter – Frei von Dehrn, von und zum<br />

Stein, Langwerth von Simmern und Schütz von Holzh<strong>aus</strong>en<br />

– stehen, untersuchte Dieter Wunder den Zusammenhang<br />

von Karriere und konfessionellem Verhalten.<br />

Der Konfessionalisierungsdruck erwies sich für lange<br />

Zeit noch nicht so stark, dass mit der Übernahme eines<br />

Amtes notwendigerweise die Annahme der Konfession<br />

des Dienstherrn verbunden war. Neben Beispielen<br />

für den Wechsel zur Konfession des Dienstherrn finden<br />

sich Konversionen <strong>aus</strong> primär religiösen Gründen; angesichts<br />

der häufigen konfessionsverschiedenen Ehen<br />

spielten Ehefrauen/Witwen eine wichtige Rolle bei<br />

Entscheidungen zu Konfessions-, Karriere- und Versorgungsoptionen.<br />

Die beiden abschließenden Vorträge eröffneten<br />

Blicke auf weitere Orte und Räume konfessioneller<br />

Auseinandersetzungen. Anette Baumann erörterte<br />

am Beispiel eines „Religionsprozesses“ zwischen dem<br />

lutherischen Nassau-Saarbrücken und dem reformierten<br />

Nassau-Dillenburg, in dem es um die Berechtigung<br />

zur Erziehung des Erbgrafen in der ‚richtigen‘ Konfession<br />

und damit um die Stärkung des eigenen Lagers<br />

ging, ob das zu konfessioneller Neutralität verpflichtete<br />

Reichskammergericht möglicherweise doch Raum für<br />

konfessionelles Handeln bot.<br />

Adelssöhne, aber vorherrschend waren nicht-adelige<br />

Studenten, die sich auf eine Karriere in Verwaltung,<br />

Diplomatie oder Regierung vorbereiteten und in den<br />

kleinen weltlichen Territorien den niederen Adel <strong>aus</strong><br />

diesen Positionen verdrängten.<br />

Demgegenüber verfolgten die geistlichen Kurfürsten<br />

eine andere Personalpolitik, die Jens Friedhoff<br />

am Beispiel des Reichsritters Sebastian von Hatzfeld<br />

(1566–1630/31) vorstellte: Dem lutherisch erzogenen<br />

Hatzfeld wurde für die Übernahme der Position des<br />

Oberamtmanns auf dem Eichsfeld die Konversion<br />

nahe gelegt, wofür er sich erst nach fünfjähriger Überlegungszeit<br />

entschied. Der Zusammenhang von Konversion<br />

und Karriere liegt in diesem Fall auf der Hand,<br />

ebenso die Strategie des Mainzer Kurfürsten, in seinem<br />

Dienst stehende fähige Protestanten nicht zu entlassen,<br />

sondern zur Konversion zu bewegen. Gleichzeitig<br />

Schließend stellte Rouven Pons die Selbstverständlichkeit,<br />

dass ein Kirchenraum eindeutig konfessionell<br />

geprägt sei, am Beispiel der Idsteiner Unionskirche in<br />

Frage. Der <strong>aus</strong>gesprochen fromme Lutheraner Graf<br />

Johannes von Nassau-Idstein ließ die Ausmalung seiner<br />

Hofkirche in einer gegenreformatorisch geprägten<br />

Bildsprache <strong>aus</strong>führen, geleitet von einem Ästhetizismus,<br />

der gleichfalls seine Gemäldesammlung prägte<br />

und seinem Repräsentationsbedürfnis diente, den er<br />

aber nicht als Widerspruch zu seiner persönlichen pietistischen<br />

Frömmigkeit empfand. Im Plenum kam die<br />

Frage auf, ob dieser Wandel der visuellen Kultur denn<br />

als Indiz für ein Zurücktreten konfessioneller Gegensätze<br />

zu werten sein könnte, vergleichbar dem Pietismus<br />

als einer konfessionsübergreifenden Frömmigkeitsbewegung.<br />

Es ist zu hoffen, dass der Studientag weiterführende<br />

lokale und regionale Forschungen anstoßen wird.<br />

Heide Wunder, Bad Nauheim

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