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4 DENKANSTOSS archiv<strong>nachrichten</strong> 16/1· 2016<br />

■ Gegen die Alleinherrschaft<br />

der Gegenwart<br />

Archive und wissenschaftliche Forschung als Dialog- und Kooperationspartner<br />

Der Marburger Geschichtsprofessor Eckart Conze wurde einem breiten Publikum<br />

als Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission – Auswärtiges Amt bekannt,<br />

die die Geschichte dieser Behörde während des Nationalsozialismus und den Umgang<br />

damit nach 1945 aufarbeitete. Weiterhin leitet er das Marburger Internationale<br />

Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse. Er gilt als<br />

einer der profiliertesten deutschen Historiker zum 19. und 20. Jahrhundert.<br />

Archive sind gewaltige Wissensspeicher. Sie sind Orte<br />

des Sammelns, des Aufbewahrens und des Ordnens.<br />

Als Häuser der Geschichte ermöglichen sie der Gegenwart<br />

die Begegnung und die Auseinandersetzung mit<br />

der Vergangenheit. In der Aneignung und Auswertung<br />

archivalischer Wissensbestände entsteht Geschichte,<br />

formt sich – immer wieder neu – unser Bild der Vergangenheit.<br />

Jede Gegenwart ist gewordene Gegenwart;<br />

individuelle und kollektive Identitäten erwachsen <strong>aus</strong><br />

dieser Gewordenheit, deren permanente Vergegenwärtigung<br />

ohne Archive nicht möglich wäre. Auch deshalb<br />

sind Archive wirkmächtige Institutionen. Im klassischen<br />

Griechenland verwahrten die Archonten, hohe<br />

Beamte, die an der Spitze des Gemeinwesens standen,<br />

im Archeion die dokumentarische Überlieferung ihrer<br />

Staaten. Herrschaft und Politik der Gegenwart waren<br />

ohne diese Überlieferung nicht denkbar. Die Autorität<br />

der Archonten speiste sich auch dar<strong>aus</strong>, dass sie die<br />

Vergangenheit nicht nur kannten, sondern gleichsam<br />

über sie verfügten.<br />

Kein Nachdenken über das Verhältnis von geschichtswissenschaftlicher<br />

Forschung und Archiven<br />

kommt daran vorbei, sich diese nicht nur kulturelle,<br />

sondern auch politische Bedeutung des Archivs bewusst<br />

zu machen. Poststrukturalistische Philosophen<br />

wie Jacques Derrida oder Michel Foucault haben in ihrem<br />

Werk auf die Macht des Archivs hingewiesen, auch<br />

wenn sie mit ihrem metaphorischen Archivbegriff weit<br />

hin<strong>aus</strong>gegangen sind über die Archive als Institutionen<br />

dokumentarischer Geschichtsüberlieferung: von den<br />

großen staatlichen Einrichtungen bis hin zu kleinen<br />

privaten Sammlungen, die in und mit ihren Beständen<br />

unabdingbar sind für die historische Forschung, ja historische<br />

Forschung erst ermöglichen. Historische Forschung<br />

braucht Archive.<br />

Blick in das Magazin des Grundbucharchivs in Neustadt<br />

In der Kooperation von Archiven und geschichtswissenschaftlicher<br />

Forschung begegnen sich Historiker.<br />

Zwar hat das Leitbild des Historiker-Archivars<br />

schon seit geraumer Zeit zugunsten einer eher praktisch-technischen<br />

Ausrichtung der Archivarstätigkeit an<br />

Bedeutung verloren, und diese Entwicklung wird angesichts<br />

der voranschreitenden Digitalisierung und der<br />

flächendeckenden Ausbreitung elektronischer Spei-

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