De:Bug 181
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ICH HABE MICH NIE BESSER GEFÜHLT. DOUGLAS FAIRBANKS SEN., 12. DEZEMBER 1939<br />
180 — 33<br />
beständig, diese hell leuchtenden, oft stark bedruckten<br />
Future-Fasern mit der Normalkleidung zu kombinieren, die<br />
sich ja verblüffenderweise in den vergangenen 1 Jahren<br />
zur parallel laufenden, technologischen Welterneuerung kaum<br />
geändert hat. Kleidung, die symbolisch für die Zukunft steht,<br />
funktioniert in der zeitgenössischen Wirklichkeit nur auf den<br />
Laufstegen von Extremfeldern wie Outdoor, Hochleistungssport,<br />
Super-Unterwäsche. Ganz nah dran (am Körper), oder ganz<br />
weit draußen (in der Umwelt). Außer Jack-Wolfskin-Jacken<br />
und Nike-Free-Sneakern wurde smarte Kleidung nie Post-<br />
Internet (oder sagen wir Post-Idee), sie wurde nie zur so<br />
genannten zweiten Natur, erreichte nie auch nur im Ansatz die<br />
selbstverständliche Weltintegrität technischer Objekte, aus<br />
denen sich in HER Kommunikation produziert. Mode dient in dem<br />
Film im Gegenteil als grundlegender Rahmen aus klassischer,<br />
kindlicher Erinnerung: Wir sehen gute Dinge, mit denen sich<br />
unsere Augen gut auskennen. Und an dieser Stelle ist der Film<br />
reiner Realismus. <strong>De</strong>nn auch in der wahren Wirklichkeit ist es<br />
eben so: In Zeiten größter technischer Erneuerung in allen<br />
Lebensbereichen übernimmt Mode plötzlich die Rolle der<br />
Konstante. Diejenige kulturelle Ausformung, die ihrer DNA nach<br />
das Neue, den Moment des Forward verspricht, verschleppt den<br />
Zeitgeist und bleibt auf der historischen Strecke.<br />
Die halbwegs positive Erklärung dazu lautet: Es ist<br />
schlichtweg extrem schwierig, ein so flexibles, kompliziertes,<br />
weil sich ständig wild bewegendes Material mit Hardwaretechnisch<br />
lieber statisch Existierendem zu verschränken. Ist<br />
dieser Zustand erst einmal überwunden, dann geht's richtig ab.<br />
Man könnte aber auch konstatieren: Wir wohnen dem Tod des<br />
sich selbst verschlingenden Systems Mode bei, das in immer<br />
neuen Ausprägung an diesem <strong>De</strong>ad End seiner Geschichte<br />
nurmehr um die eigene Vergangenheit kreist. Das Gros der<br />
Consumer Electronics sowie der Mode wird von Billiglöhnern in<br />
Asien hergestellt. (High Fashion nicht, aber High Fashion war<br />
auch nie irrelevanter als heute). Die einen produzieren aber<br />
High-End-Objekte (und Ramsch), die anderen nur Ramsch für<br />
H&M. So bleibt womöglich an diesem Punkt erst einmal nur die<br />
dümmste aller Ideen zur Revolution smarter Kleidung: Kauft<br />
mehr teure Kleidung! Doch darf man eins nicht vergessen: Mode<br />
kann nicht sterben. Dazu ist sie letztlich an sich zu schlau, denn<br />
sie folgt einer ganz eigenen, scheinbar widersprüchlichen Logik,<br />
die auf zwei Säulen fußt: <strong>De</strong>r sozialen Paradoxie (Individualität<br />
durch Nachahmung, ich will anders, nämlich genau so wie der<br />
Andere da vorne sein) und der Ordnungsparadoxie (Stabilität<br />
durch Veränderung, kurzer Rock folgt auf langer Rock folgt auf<br />
kurzer Rock).<br />
Das wird sich nie ändern, nur gibt es aktuell so ein<br />
schrecklich langweiliges Bild ab, da sich die Lifestyle-Industrie<br />
im Fegefeuer des Internet-Beschleunigers nur immer weiter<br />
von Scheinerneuerungen zu Mikrounterscheidung hangeln<br />
kann. Dazu kommt: <strong>De</strong>r einzelne Individualmensch interessiert<br />
heute keinen Mensch mehr, sondern der Cyberkörper, Digital-<br />
Roboter und Facebook-Avatar dient uns als Ort für Utopien.<br />
Die Folge davon auf dem Avantgarde-Bürgersteig: "Normcore",<br />
also das, was eine Trendagentur aus New York zuletzt so luzide<br />
als das vorgebliche Ende des Strebens nach Differenzierung<br />
und Zugehörigkeit auf den Begriff gebracht hat. Daraus<br />
erstarkt das Bedürfnis, auf der echten Identitätsebene etwas<br />
Einfaches, Verständliches, Unaffektiertes und milde Wirhaftes<br />
auszudrücken. Weil der Rest ja schon so kompliziert<br />
ist! <strong>De</strong>r komplett unsmarte Hoody-Look von Mark Zuckerberg<br />
oder die Uniform von Steve Jobs werden dabei als Gesten<br />
der Überlegenheit entdeckt. Einziger Lichtblick: Das Digitale<br />
befindet sich trendmäßig im Abseits und die Rückeroberung des<br />
Analogen wird in den kommenden 17 Jahren die Oberentdeckung.<br />
Und das wiederum wird Nährboden für: High Fashion, Fashion<br />
Forward und dann auch logischer- weil widersprüchlichsterweise<br />
endlich: Smart Fashion.