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De:Bug 181

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80 — <strong>181</strong> — REVIEWS<br />

UND<br />

DANACH<br />

DANN<br />

MEHR<br />

45.265 Reviews und 32.224.25<br />

Zeichen später (rund 7,3 Bibeln)<br />

konnten wir auf einen Abgesang<br />

zum Abgang nicht verzichten.<br />

Unser hauseigener Review-Mönch<br />

wurde für ein paar Tage eingekerkert<br />

(wie immer), hat sich an die<br />

diffizile Aufgabe der doppelten<br />

Werk-Exegese gemacht, das halbe<br />

Tausend Platten des Monats<br />

durch seine Ohren fließen lassen,<br />

nur um dann brutalstmöglich auf<br />

zwei schlappe Seiten runterzukürzen.<br />

Seine Aufgabe war einfach:<br />

schreib los, wie immer, um dein<br />

Leben, transkribiere was du hörst,<br />

zu hören glaubst, hoffst, denkst,<br />

oder was sonst gerade in deinem<br />

Kopf rumspukt, detailtreu und<br />

schriftgewandt wie immer, notfalls<br />

darf auch geschwurbelt werden,<br />

aber vergiss dabei nur eins,<br />

die Namen der Platten, um die<br />

es wirklich ging. Nur dieses eine<br />

Mal. Gesagt, getan, ausgeblutet.<br />

Unknown - Unknown 1<br />

(White Label)<br />

Wie ist das, wenn jeder Track Abschied feiert. In sich diese Menge<br />

an Referenzen versammelt, die Geschichte ausmachen, die<br />

einen in dieser Schwebe festhalten, die eine Weigerung ist, die<br />

Zeit akzeptieren zu können, weil sie die Zeit in sich aufweicht, zu<br />

einer verschlungenen Geschichte macht, nicht zu dieser Welle<br />

aus unberührt nach vorne preschenden Momenthaftigkeiten.<br />

Wie ist das, wenn die Welt sich nicht dreht, sondern in einem<br />

Blick stillhält, in einem Kick den Weg in eine Sicht freimacht,<br />

die sich nicht von den Belangen der Realität einfangen lässt,<br />

sondern auf etwas verweist, das mit einem bis in die letzten Winkel<br />

der Seele (wir meinten nie Seele, wir meinten immer dieses<br />

ungreifbar unauslöschbar Materielle) verhaftet ist. Wie ist das?<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 2<br />

(White Label)<br />

Strings. Warum sind es immer wieder Strings, die einen dazu<br />

verleiten jemand alles abzunehmen? Sich selbst auch. Stell dir<br />

vor auf der Straße, ein Streichquintett. Geigt dir was vor, das<br />

wäre nie so ein Moment, den man stolz mit "das war dieser Moment<br />

in dem" betiteln würde, sondern voller Kanten, voller Brüche,<br />

unmöglicher Zusammenhänge, die nicht schnurstracks in<br />

diese Ebene führen, in der sich ein Himmel aus surrend, gurrend,<br />

schnurrenden Synths auftut, in den man all seine letzten Gefühle<br />

mit einer Bereitwilligkeit übergibt, die keine Grenze kennt, außer<br />

der der eigenen Fähigkeit, sich begeistern zu können, rückhaltlos,<br />

mit jedem treibenden Rimshot, jedem noch so kleinen<br />

Snarewirbel, jeder noch so beliebig unter der Lupe totgetretenen<br />

Idee von <strong>De</strong>troit und Chicago. Näher hinsehen, die bewegt sich<br />

noch, die krabbelt einem unter dem Gewicht der Old School einfach<br />

davon, weil es diese geteilte Begeisterung für den Ursprung<br />

ist, der keiner war, sondern ein Sickern aus allen Poren, das nicht<br />

aufzuhalten ist. Wie ein Patient, der aus jeder Pore blutet, obwohl<br />

es nicht sein kann, nur um als Mysterium zu erscheinen,<br />

sich zu verwandeln, nicht in sein eigenes Ende, sondern in die<br />

endlosen Anfänge auf der Suche nach dem Grund.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 3<br />

(White Label)<br />

Wisst ihr, der Tunnel. <strong>De</strong>r Tunnel war immer wieder ein schwieriger<br />

Begleiter. <strong>De</strong>r Tunnel nimmt einen nicht an die Hand, entführt<br />

einen nicht auf eine Reise, von der man nicht weiß wohin, der<br />

Tunnel sagt da lang und man geht einfach so mit, obwohl man<br />

die Richtung kennt, die Ausweglosigkeit. Sich übergeben. Nicht<br />

konvulsiv, geführt, eingebettet, abgedunkelt. Kein Abenteuer, keine<br />

zerbrechenden Wände, keine Wände an denen man abprallt,<br />

der Tunnel hat keine Grenze, keine Brüche, kein Licht am Ende.<br />

Im Tunnel nimmt man das Licht mit, in den Ohren, die diesen Aal<br />

auskleiden, wie eine Passage in die Zeit dazwischen, die nicht<br />

sein kann, sich aber gut überleben lässt. Ein schwieriger Begleiter,<br />

den man nicht missen kann, weil er nur mit einem selbst zusammen<br />

zu durchschreiten ist. Und das selbst ist bockig.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 4<br />

(White Label)<br />

Es gibt diesen Moment, an dem man alles gut findet. An dem<br />

man blind wird, weil man soviel sieht, an dem die Gefühle unbeschreibar<br />

zu werden drohen, nicht weil sie Gefühle sind, sondern<br />

weil sie in ihren feinsten Nuancen zu flatterig sind, als dass eine<br />

Schrift auf ihnen noch Platz hätte. Hat man diesen Moment<br />

erreicht, der eigentlich das Gegenteil eines Moments ist, oder<br />

vielleicht sein Sinn, kann man so blöd sein zu sagen, mir fehlen<br />

die Worte. Ist man so blöd, kommen meist andere, das ist dann<br />

die Blindheit, die sich durch die kommenden Worte tasten muss,<br />

um genau das zu erwischen, das sich in dem Geflatter so präsentiert,<br />

als gäbe es gar keinen Zweifel, dass genau dieses Wort<br />

stimmt, jetzt sein muss, jetzt das Wort ist, das man dem Strudel<br />

anvertrauen kann, weil es mit dahin weht, wo man sich glaubt<br />

zu befinden. Es sieht eh keiner mehr nach, ob das stimmig war.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 5<br />

(White Label)<br />

Rauschen. Es gibt ein unaufhörliches Rauschen. Nicht der<br />

Krach, die Undifferenziertheit als Generve, das nur Unfähigkeit<br />

ist. Eigene. Es gibt dieses Rauschen, das die Überwachung abweist,<br />

weil es zu viel Information ist, aber auch so viel Information<br />

schafft, dass wir die Punkte, um die es wirklich geht, erst sehen<br />

können. Dieser Schleier an Rauschen, der mehr zeigt als er<br />

verdecken wollte. Dieses Rauschen als Duftspur, der man nicht<br />

nachgehen kann, weil sie wie die erste Sommerwärme einfach<br />

alles umgibt, alles tönt, alles mit einer Sicherheit umgibt, die keine<br />

Blase ist, die zerplatzen könnte, sondern die jedes Außen zu<br />

einer fragwürdigen Existenz macht, über die man gerade nicht<br />

nachdenken kann, weil sie unvorstellbar ist, auch wenn man sie<br />

hinschreiben kann. Dieses Rauschen ist eine Gewalt, die Gewalt<br />

des unspürbar Anwesenden in allem, das in ihm sichtbar (wir<br />

meinten nie sichtbar, es gab immer zu hören) wird.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 6<br />

(White Label)<br />

Was wenn ein Review kürzer ist als die Musik. Verrat. Aber von<br />

wem? Wer hat wen da abgewürgt? Die Musik bleibt trotzdem.<br />

Was immer man damit anfangen kann, soll, will. Die dunkle Seite<br />

der Macht ist überall, das Rettende auch. Brotkrumen aus Referenzen<br />

halten alles zusammen.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 7<br />

(White Label)<br />

Darkness ist nicht das Gegenteil von Licht. Lasst euch das nicht<br />

erzählen. Darkness sind all die Farben, die etwas schwerer zu<br />

sehen sind. Und gelegentlich können die ganz schön rumalbern.<br />

Ein Track wie ein Stahlträger mitten durchs Gehirn. Ich nehme<br />

zwei davon bitte, to go. Toppings? Echt jetzt? Ok, Erdbeere, was<br />

sonst.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 8<br />

(White Label)<br />

"Niedertracht", was für ein Titel. Mal im Ernst. Du hast hier so<br />

wenige Worte, warum dann gerade das? Muss das sein, wir hatten<br />

uns doch gerade erst alle so lieb gewonnen, und du weißt<br />

es doch auch, auf dem Floor hört den keiner, nicht mal als<br />

Hintergedanken. Und nein, falls du darauf hinauswolltest, der<br />

reimt sich nicht auf Trachtenberg. Auch nicht auf Achtung. Wie<br />

in Achtung, ich dreh mittendrin die Bassdrum um, versuch erst<br />

gar nicht mich wegzumixen. Oder wie in Achtung, mein Track ist<br />

so schwer, der gießt die Nacht in Blei. Wir wissen doch beide,<br />

beides kann und wird man genießen. Bis zum letzten Atemzug,<br />

und wenn die Nacht zu Blei wird, verwandeln wir - tapsige Alchemisten<br />

- das Blei in Quecksilber, das Quecksilber in Nebel und<br />

den Nebel in Schweiß.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 9<br />

(White Label)<br />

Wo sind hier die Breaks? Ich frag ja nur. Es gibt wenige Tracks,<br />

denen ein Amen nicht gut tun könnte. Ja, ich nehm' auch eine<br />

Bassline stattdessen. Eine auf der man stehen kann, wie auf<br />

einer Welle, die Balance finden. Warum das "Wax" heißt? Weil<br />

es wachst. Blöde Frage. Auch das Snowboard will gewachst<br />

werden. Wie sonst ginge das mit dem Gleiten? Jeder Track ist<br />

ein Parcours. Jeder Instant Replay. Wir sind die, die dem Wax<br />

vertrauen, das Gleiten da hindurch so arrangiert zu haben, dass<br />

wir am Ende nicht mit Knochenbrüchen - noch schlimmer, einer<br />

Bogengangsdehiszenz - im Krankenhaus landen. Verlassen wir<br />

uns also lieber auf das Wax. Es gibt keine Enttäuschung, nur<br />

Täuschung.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 10<br />

(White Label)<br />

Das ist genau so ein Track. (Erst mal feststellen.) Da muss<br />

man einfach immer lauter drehen. (Lass uns alle die gleiche<br />

Bewegung machen.) Jede noch so flapsige Bassdrum soll den<br />

Schädel wegpumpen. (Gewalt ist wenn man trotzdem lacht, alles<br />

andere ist Verbrechen.) Nimm mich und zerstäube was du findest<br />

ins All. (Kosmonauten aller Länder…) Und wenn es nicht lauter<br />

geht, glaubt nicht, wir hätten nicht die Möglichkeit selber noch<br />

lauter zu machen, selbst wenn es nur flüstert, wozu sonst gibt<br />

es das wir? (Jetzt sind selbst wir verwirrt.) Gut, dass am Ende<br />

eines solchen Tracks, immer ein sanftes Outro auf einen wartet,<br />

das einen ganz sanft wieder auf den Boden der Tatsachen<br />

zurückführt, der schon viel zu lange keinen Staubsauger mehr<br />

gesehen hat.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 11<br />

(White Label)<br />

Wenn das Piano nicht mehr hilft, dann ist es Zeit die Notlichter<br />

anzuschalten. Wir stellen uns das so vor. Am unwahrscheinlichen<br />

Ende der Nacht, ganz unverhofft, blicken erst mal alle<br />

verwirrt durch die Gegend, die DJs trudeln durch die letzten<br />

Gefangenen und machen die große Konferenz der Tiere. Was ist<br />

da schief gelaufen? Das konnte doch gar nicht passieren. Das<br />

Piano, Mensch! Verkommen diese Szene, die das Piano nicht<br />

ehrt - ist des Kicks nicht wert. Wir haben sie glücklicherweise nie<br />

erlebt. Ein gutes Ravepiano duftet wie Kastanienholz getränkt in<br />

Ecstasy, hat ein Herz aus Strobo und ist hier so anschmiegsam,<br />

dass wir natürlich alle hier bleiben. Für immer.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 12<br />

(White Label)<br />

Kein Leben ohne Sample. Soweit sind wir gekommen. Wir lassen<br />

uns immer gerne etwas schenken, gerade weil wir es kennen,<br />

in und auswendig. Wir vergleichen noch den letzten Rest eines<br />

Soundfetzens mit den Trillionen (<strong>De</strong>r Autor dieser Zeilen hat in<br />

seiner Jugend zu viele Lustige Taschenbücher geschnupft, Anm.<br />

der Setzer) anderen Fetzen. "Ringtone", was für ein Titel für<br />

einen Track, der mit falschen Didgeridoos lockt und zwischen<br />

Ragga und Diven nicht unterscheiden will. Das ist so entschieden<br />

Aphex Twin, dass man es nicht im entferntesten hören kann.<br />

Da können wir gar nicht falsch liegen, weil jeder einzelne Groove<br />

so sprunghaft um die Ecke gekantet kommt, dass unsere Füße<br />

in einem Tempo über dem Boden schweben, dass wir uns selbst<br />

kaum zugetraut hätten. Was obendrein den guten Nebeneffekt<br />

hat, dass wir uns um eine grundlegende Diskussion von Samples<br />

herumdrücken können. Und die sind geschwätzig.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 13<br />

(White Label)<br />

Nicht jeder der singt, kann singen. Wir sind in den letzten Jahren<br />

nicht müde geworden, das zu betonen, und nicht nur weil wir ich<br />

bin, der findet eine gute Stimme ist so selten wie eine leckere<br />

Tomate, oder weil ich abhängig bin von Tomaten, oder weil Musik<br />

kein Gemüse ist, oder weil es darauf ankommt, was man daraus<br />

macht und wie gemein übrigens, hier der Stimme eine so verbratene<br />

Bassline unterzuschieben, dass man am Ende versucht<br />

sich an Gedanken von akustischer Flatulenz festzuhalten, deren<br />

Odem der Stimme… So. Jetzt ist uns der Satz abgebrochen. Das<br />

hast du nun davon, das so unverschämt gegeneinander laufen<br />

zu lassen. Wie hätten wir darauf vorbereitet sein können. Nein,<br />

auch im Review kann man, wie auf dem Floor, nicht zurückspulen.<br />

Da musst du uns schon abholen. Das kannst du. Wiederholung<br />

ohne ewige Wiederkehr ist doch unsere große Erfindung.<br />

Darauf verlassen wir uns einfach mal. Und streiche bitte verlassen<br />

aus deinem Wortschatz für die nächsten Tage. Das kommt<br />

schon von selbst wieder, keine Sorge.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 14<br />

(White Label)<br />

Wenn ein Track sich, wie dieser hier (wir wollten immer schon<br />

die Freiheit uns vom Release zu lösen, wir sind weder Romanciers<br />

noch deren Duftküchelchen) stolz "Give Me More" nennt,<br />

dann gehört schon eine Portion Genie (lange nicht mehr gesehen)<br />

dazu, dieses mehr auch zu liefern. Oder - die durchtriebene<br />

Variante - zu ignorieren. Wir sind uns nicht sicher welches von<br />

beiden hier zutrifft. Die Spannung ist so schon kaum auszuhalten.<br />

Aber was, wenn in deinen Adern kein Acid fließt? Bist du<br />

dann kein Alien? Manchmal kann man nicht helfen. Verführung<br />

ist auch nicht gerade die Qualität, die man in einem Alien sucht.<br />

Ein Track, so gut, dass man ruhig jetzt auch mal an die Bar gehen<br />

kann, der nächste muss noch besser werden.<br />

bleed<br />

Unknown - Unknown 15<br />

(White Label)<br />

Versteht uns nicht falsch, das mit der Bassline, damit ihr wisst<br />

wovon ich rede, das ist nicht immer so. Manchmal packt die einen<br />

auch einfach, in den Eingeweiden, an den Fusselhärchen, oder wo<br />

man sonst gerade angreifbar ist, nimmt einen in ihre schmutzig<br />

brummigen Hände, zerrt einen auf den Floor, wirbelt einen herum,<br />

zermalmt einen zu ganz viel Brei, der sich gerade noch halten<br />

kann, als wabernd glücklich glucksendes etwas und spuckt<br />

einen bestenfalls kurz aus, um dann mit dem Wiederkäuen des

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