DOLCE VITA MAGAZIN N° 7 / 2016
QUEENSLAND - GREAT BEACH DRIVE | 70 JAHRE VESPA | ANANDA IN THE HIMALAYAS – LESERREISE | KÖNIGSTOUR IM ALPSTEIN | DIJON| FRISCHEKICK | FRESH SUMMERLOOKS | RICHTIG TRINKEN
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70 JAHRE VESPA LIFESTYLE<br />
Waswäre aus derzartenRomanze zwischen AudreyHepburn und Gregory Peck 1953 in<br />
Rom geworden ohne die Vespa, die sie durch die Ewige Stadt trug? Wohl nichts. Und wer<br />
hätte gedacht, dass die Vespa nach 70 Jahren noch immer topaktuell ist. Wohl niemand.<br />
DIE VESPA-STORY: UND SIE ROLLT UND ROLLT UND ROLLT …<br />
Die beidenMänner, die im Sommer 1945 über Konstruktionszeichnungen<br />
brüteten,wären bestimmt nicht im Traum auf die Idee gekommen,<br />
dass sie gerade einem Mythos Gestalt verliehen. Corradino d’Ascanio<br />
und sein Zeichner Mario d’Este hatten lediglich den Auftrag, ein motorisiertes<br />
Zweirad zu entwickeln, das leicht zu fahren, einfach aufgebaut<br />
und preisgünstig zu produzieren war. Von Lifestyle hatte ihr Auftraggeber<br />
Enrico Piaggio nichts gesagt. Doch kam es anders.<br />
Die eigentliche Erfolgsgeschichte nahm bereits 1884 ihren Lauf, als<br />
Rinaldo Piaggio die Firma Piaggio in Genua gründete. In den 20er-Jahren<br />
begann sich die Firma auf den Bau von Schiffseinrichtungen zu<br />
spezialisieren. Später dehnte sie ihre Aktivitäten auf den Bau von Eisenbahnwagen,<br />
Motoren, Trams und Karosserien für LKWs aus. Zu<br />
Beginn des ersten Weltkriegs stieg Piaggio in den Luftfahrtsektor ein.<br />
1917 kaufte die Firma eine Flugzeugfabrik in Pisa auf, vier Jahre später<br />
eine kleine Anlage in Pontedera, die das luftfahrttechnische Produktionszentrum<br />
von Piaggio werden sollte. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg<br />
und auch während der Kriegsjahre war Piaggio einer der grössten<br />
Flugzeughersteller Italiens. Gerade aus diesem Grund gab die<br />
Firma ein strategisch wichtiges militärisches Ziel ab: die Piaggio-<br />
Fabriken in Genua, Finale Ligure und Pontedera wurden während des<br />
Weltkriegs komplett zerstört.<br />
DIE GEBURT DER VESPA<br />
Die Söhne von Rinaldo Piaggio, Enrico und Armando, widmeten sich<br />
unmittelbar nach dem Krieg der industriellen Produktion.Die grösste<br />
Arbeit oblag Enrico, der das Fabrikgebäude von Pontedera wieder aufbauen<br />
und einen Teil der Anlagen, die nach Biella im Piemont ver- legt<br />
worden war, retten sollte. Und Enrico Piaggio hatte einen Traum: Er<br />
wollte ein Fahrzeug bauen, das nur wenig kostete und eine breite Käuferschaft<br />
ansprach. Im Hinblick auf das unmittelbar bevorstehende<br />
Ende des zweiten Weltkrieges prüfte Enrico jede Lösung, um die Produktion<br />
inseinenAnlagen zu lancieren. InBiellawurde ein «Motorscooter»<br />
produziert, nach dem Vorbild der kleinen Motorräder, die es für<br />
Fallschirmspringer bereits gab. Der Prototyp, ein MP 5, der wegen seiner<br />
auffälligen Form «Paperino» – so heisst Donald Duck im Italienischen<br />
– genannt wurde, gefiel Enrico jedoch nicht. So wurde Corradino<br />
D’Ascanio, ein Flugzeugingenieur und genialer Erfinder, von Enrico beauftragt,<br />
das Projekt nochmals zu überarbeiten. Ihm ist es zu verdanken,<br />
dass die Vespa so aussieht wie sie aussieht. D’Ascanio, der noch<br />
nie zuvor ein erdgebundenes Verkehrsmittel konstruiert hatte, hasste<br />
Motorräder und entwickelte ein Fahrzeug, das vor Schmutz schützt<br />
und schnelle Reifenwechsel sowie mit freiem Durchstieg eine einfache<br />
Bedienung ermöglicht. Die legendäre Form beruht also nicht auf Design-Genie,<br />
sondern auf pragmatischen Überlegungen.<br />
«DER SCHAUT JA AUS WIE EINE WESPE!»<br />
Das neue Modell von D’Ascanio hatte mit dem «Paperino» nichts mehr<br />
gemein. Mithilfe von Mario D’Este, seinem Vertrauenszeichner, kreierte<br />
er einen Entwurf, der nichts mit existierenden Zweirädern gemeinsam<br />
hatte und einen revolutionären Konstruktionszugang verfolgte.<br />
Für die ersten Skizzen der Vespa, die im April 1946 in Pontedera erstmals<br />
dasWerk verliess, brauchte der Ingenieur lediglich ein paar Tage.<br />
Beim Anblick des Prototyps MP 6 mit seinen Rundungen und der<br />
schmalen Taille rief Piaggio: «Der schaut ja aus wie eine Wespe!» Die<br />
Vespa war geboren.<br />
Bereits am 23. April 1946 liess Piaggio beim Zentralpatentamt in Florenz<br />
die Vespa patentieren. Die anschliessende Präsentation in der Öffentlichkeit<br />
rief gemischte Reaktionen hervor – dennoch liess Enrico<br />
Piaggio 2000 Stück der ersten Vespa produzieren. Die Vespa fand so<br />
grossen Anklang, dass sich die Verkaufszahlen im zweiten Jahr bereits<br />
vervierfachten.<br />
EIN KULTURELLES PHÄNOMEN<br />
Auch wenn der Anfang schwer war (Moto Guzzi lehnte<br />
es ab, den Vertrieb zu übernehmen), wurde die<br />
Geschichte der Vespa schnell eine Geschichte des<br />
Erfolgs, die untrennbar mit Stars, Italien und sogar<br />
Hollywood verbunden ist. Die Vespa wurde das Vorzeigeprodukt<br />
von Piaggio. Hartnäckig trieb Enrico<br />
Piaggio den Vertrieb der Vespa im Ausland weiter voran<br />
und förderte den Aufbau eines dichten Netzes<br />
von Händlern in den europäischen Ländern und auf<br />
der ganzen Welt. Der Unternehmer sorgte dafür,<br />
dass das Interesse an seinem Produkt stetig stieg,<br />
unter anderem durch die Gründung von Vespa-Clubs.<br />
Vespafahren wurde zum Symbol für Freiheit,<br />
Leichtigkeit und Offenheit. Die Vespa ist nicht<br />
nur ein kommerzielles Phänomen, sondern auch ein<br />
gesellschaftliches. In den Jahren des «Dolce Vita»<br />
stand die Vespa für den Scooter schlechthin. Mehr<br />
als 18 Millionen Roller liefen bis heute bei Piaggio<br />
vom Band. Den einstigen Zweifler Moto Guzzi hat<br />
Piaggio sogar inzwischen geschluckt.<br />
DIE VESPA ALS FILMSTAR<br />
Hollywood und Vespa waren seit jeher füreinander bestimmt,<br />
egal, ob auf der Leinwand oder im Alltag: Audrey<br />
Hepburn und Gregory Peck sind 1953 in «Roman<br />
Holiday» die ersten in einer langen Reihe von internationalen<br />
Schauspielerinnen und Schauspielern, die sich<br />
– nicht nur im Film – auf einen Vespasattel schwingen.<br />
AROUND THE WORLD MIT DER VESPA<br />
Die Vespa blickt auf eine beispiellose Karriere zurück.<br />
In den fünfziger Jahren nahm sie, oft erfolgreich,<br />
an offiziellen Rennen in ganz Europa teil. Auch<br />
bei anderen zum Teil abenteuerlichen Gelegenheiten<br />
spielte sie eine wichtige Rolle.<br />
1952 baute der Franzose Georges Monneret eine<br />
«Vespa Anfibia» für das Rennen Paris-London und<br />
überquerte erfolgreich den Ärmelkanal. Ein Jahr zuvor<br />
hatte die Firma Piaggio einen Prototyp der Vespa<br />
125 ccm für Rennen gebaut und einen Weltrekord<br />
mit 171,102 km/h aufgestellt. Die Vespa war<br />
auch 1951 beim Sechstagerennen in Varese sehr<br />
erfolgreich. Sie gewann neun Goldmedaillen, mehr<br />
als jedes andere italienische Motorrad. Mit einer<br />
Reise in den Kongo startete im selben Jahr eine nicht<br />
enden wollende Serie von Vespa-Expeditionen –<br />
eine unvorstellbare Reise für einen eigentlich für<br />
den Stadtverkehr konzipierten Roller.<br />
EINE UNENDLICHE GESCHICHTE<br />
Nach wie vor ist die Vespa eines der erfolgreichsten<br />
Motorräder aller Zeiten und erfreut sich grosser Beliebtheit.<br />
Vor allem die alten Stahlblech-Modelle<br />
sind heiss begehrt. Für seltene Exemplare, wie die<br />
Vespa U, Vespa SS90 oder Vespa SS50 werden fünfstellige<br />
Beträge geboten.<br />
Mit neuen Modellen, Versionen und technischen Innovationen<br />
ist die Vespa stets auf dem neusten Stand<br />
der Technik, wobei sie ihren klassischen Linien stets<br />
treu geblieben ist. Genau das ist es, was die Vespa so<br />
attraktiv und zeitlos erscheinen lässt, den Mythos<br />
Vespa unterstreicht und in hohem Masse zum Erfolg<br />
der Vespa beiträgt. Selbst mit 70 Jahren wirft das berühmte<br />
Blechkleid der Vespa noch keine Falten und<br />
bringt heute noch ganze Generationen auf die Räder!<br />
ks<br />
<strong>N°</strong> 07 | SOMMER <strong>2016</strong> <strong>DOLCE</strong> <strong>VITA</strong> <strong>MAGAZIN</strong><br />
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