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Neue Szene Augsburg 2016-07

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de

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48 Cinerama<br />

THE ASSASSIN<br />

Regie: Hsiao-Hsien Hou<br />

mit: Qi Shu, Chen Chang, Yun<br />

Zhou, Satoshi Tsumabuki, Jacques<br />

Picoux u.a.<br />

Nonnen, die junge Mädchen zu Mördern<br />

ausbilden? Im China des 9. Jahrhundert,<br />

zur Zeit der Tang Dynastie, soll es sich<br />

so zugetragen haben: Nie Yinniang<br />

wächst bei einer taoistischen Nonne<br />

auf, die aus ihr eine perfekte Assassine<br />

macht. Trotz ihrer Fähigkeiten ist ihre<br />

Meisterin enttäuscht, denn die junge<br />

Frau hat nicht gelernt ihr Herz auszuschalten<br />

und somit zu einer perfekten<br />

Kriegerin zu werden. Nie Yinniang wird<br />

zurück zu ihren Eltern in die Provinz<br />

geschickt, um den Mann, dem sie einst<br />

versprochen war, zu töten, und zu<br />

zeigen, dass sie eine wahre Assassine<br />

ist... das Werk des Taiwanesen Hsiao-<br />

Hsien Hou muss als Kontrapunkt zur<br />

chinesischen Politik und Kultur gesehen<br />

werden. Verblüffend minimalistisch<br />

fallen hier die Martial Arts <strong>Szene</strong>n aus,<br />

als Gestus der Verweigerung. Opulent<br />

ausstaffiert und kunstvoll bis ins letzte<br />

Detail hingegen sind die Bilder komponiert.<br />

Ein Kunstwerk, das in Cannes mit<br />

dem Preis für die beste Regie bedacht<br />

wurde. (fs) (30.06.)<br />

<br />

TANGERINE L.A.<br />

Regie: Sean Baker<br />

mit: Kitana Kiki Rodriguez, Mya<br />

Taylor, Karren Karagulian, Ana Foxx,<br />

Mickey O‘Hagan u.a.<br />

Das Tischgespräch in einem Diner mit<br />

Fensterblick auf die Schnellstraße ist<br />

eines der wichtigsten Motive innerhalb<br />

der amerikanischen Kulturgeschichte.<br />

Man könnte so weit gehen, zu sagen,<br />

dass der Blick vom Diner auf die Straße<br />

die amerikanische Entsprechung für das<br />

Fenstermotiv der europäischen Romantik<br />

ist. Mit dem Unterschied, dass in der<br />

Romantik die Ferne ein Sehnsuchtsort<br />

bleibt, während in Amerika alles schon<br />

immer in Bewegung ist. So gesehen<br />

ist die Enge der Diner Lokale und<br />

der Blick heraus auch ein Trick: Man<br />

hat den Eindruck, das Tischgespräch<br />

fände in einem Speisewagen statt. So<br />

bleibt der Film auch im Stillstand in<br />

Bewegung. In „Tangerine L.A.“ finden<br />

wir zuhauf derlei Schablonen, die uns<br />

sagen wollen: Schaut her, ich bin ein<br />

Straßenfilm! Gefilmt auf einem iPhone<br />

– daher der orangefarben bröselige,<br />

titelgebende, Stich. Und: Transgender-<br />

Sexarbeiterinnen können auch richtig<br />

eifersüchtig sein. (fs) (<strong>07</strong>.<strong>07</strong>.)<br />

<br />

THE NEON DEMON<br />

Regie: Nicolas Winding Refn<br />

mit: Elle Fanning, Christina Hendricks,<br />

Keanu Reeves, Abbey Lee,<br />

Jena Malone u.a.<br />

Das ewige Problem mit der glatten<br />

Oberfläche: Soll man an ihr kratzen,<br />

oder soll man sich mit ihr begnügen<br />

und sie als Realität respektieren?<br />

Mit ebendiesem Argument, samt der<br />

Gebrauchsanleitung‚den Film als visuelle<br />

Droge zu genießen‘, war der letzte<br />

NWR Streifen „Only God Forgives“ den<br />

Lesern der <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong> von mir noch<br />

als Film des Monats vorgestellt worden.<br />

Darüber scheint die Bildgewalt von<br />

NWR – das Kürzel erleuchtet in riesigen<br />

Lettern quasi als Markenname den<br />

Vorspann – völlig entfesselt worden<br />

zu sein. Sechzehnjährige Mädchen spazieren<br />

herein, wie Schaufensterpuppen<br />

– blutleer und zerlegbar, na fein. Heraus<br />

kommt ein Horrorfilm über Schönheit<br />

und Schein in Hollywood, nicht „von“<br />

Hollywood, sondern „in“ im Sinne von:<br />

Ist eine Puppe echt, dann muss sie auch<br />

richtig bluten. Die Oberfläche von „The<br />

Neon Demon“ folgt dabei dem kalten<br />

Blick einer misogynen Versuchsanordnung.<br />

Und wehe dem, der an ihr<br />

kratzt... (fs) (23.06.)<br />

<br />

MEIER MÜLLER<br />

SCHMIDT<br />

Regie: Sebastian Peterson<br />

mit: Ferenc Graefe, Julia Philippi,<br />

Jules Armana, Nicolás Artajo, Anna<br />

Thalbach u.a.<br />

Mensch, Meier Müller Schmidt! Es<br />

klingelt an der WG Tür, herein platzt die<br />

Suppenverkäuferin Eva, und schon sitzt<br />

ihr beide über ihren Tütensuppen in<br />

verschiedenen Geschmacksrichtungen.<br />

Verzweiflung und Erbarmen gestalten<br />

sich zu Liebe und Begehren, Berlin<br />

Romantik zur Mucke der Beatsteaks.<br />

Dabei bist du, Meier Müller Schmidt,<br />

wie alle Tütensuppen aus Evas Korb:<br />

Halbwarm aufgebrüht und klumpig gerührt.<br />

Die Themen, die an der Oberfläche<br />

schwimmen, wären an sich gar nicht<br />

übel (Mensch Meier: Du verknallst dich<br />

in deine Halbschwester und ihr habt Sex!<br />

Mensch Müller: Du liebst einen Mann,<br />

ohne dass dir daraus gleich wer ein Gay<br />

Movie strickt! Mensch Schmidt: Geld und<br />

Moral verstricken dich in Widersprüche!)<br />

Wenn‘s nur zuviel Salz wäre, und nicht<br />

alles so naiv zubereitet, könnte man mit<br />

zwei zugekniffenen Augen sagen, der<br />

Regisseur muss wohl verliebt gewesen<br />

sein. Oder: ein Film für Trunkene und<br />

frisch Verliebte. (fs) (30.06.)<br />

<br />

FILM DES MONATS<br />

TONI ERDMANN<br />

Regie: Maren Ade<br />

mit: Peter Simonischek, Sandra Hüller, Michael Wittenborn, Trystan<br />

Pütter u.a.<br />

Das Wunder von Cannes: Acht Jahre waren vergangen, seitdem zuletzt eine<br />

deutschsprachige Produktion dort für einen Festivalbeitrag nominiert worden<br />

war, acht Minuten lang erntete „Toni Erdmann“ dort nun stehende Ovationen.<br />

Und alles nur wegen dem Gebiss und der Perücke von Peter Simonischek! Dem<br />

Scherzartikel-Outfit, in welches Simonischek schlüpft, um sich vom pensionierten<br />

Musiklehrer Winfried Conradi in Toni Erdmann zu verwandeln, und somit seine<br />

Tochter, gespielt von Sandra Hüller, ein bisschen locker drauf zu bringen. Sie:<br />

Knallharte Businessfrau, Unternehmensberaterin, ganz eingepanzert in der Sphäre<br />

der Headhunter und in den Floskeln der Stöckelschuh- und Anzugträger. Das Spaßmanöver<br />

ihres Vaters, mit dem er sie auf ihren Meetings in ihrer Arbeitsheimat<br />

Bukarest überrascht, ist ihr total peinlich. Klingt nach Slapstick, der auch hätte<br />

daneben gehen können, wundersamerweise aber total aufgeht. Vielleicht ging<br />

den Festivalteilnehmern angesichts der Späße von Toni Erdmann mal wieder so<br />

richtig das Herz auf, weil sie sich in den Etiketten und Floskeln der Kulturschickeria<br />

ebenso gefangen und also verstanden fühlten... (fs) (14.<strong>07</strong>.)<br />

<br />

3D

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