RE KW 28
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kritik über die „Lechschweinerei“<br />
Das Baden im Lech, wie es von einzelnen Personen gepflegt wird, ist gerade kein Baustein der Sittlichkeit<br />
Der aufkommende Fremdenverkehr veranlasste einige Gemeinden,<br />
neben gepflegten Unterkünften und abwechslungsreichen<br />
Wander- und Bergtouren im Rahmen des Möglichen auch Badeanstalten<br />
zu errichten. Zudem boten die zahlreichen Seen viele<br />
Gelegenheiten zum Baden und Schwimmen, wobei es manchmal<br />
zu dramatischen Zwischenfällen kommen konnte. Mit dem hohen<br />
Anspruch an die Sittlichkeit stieg auch die Höhe der Planken,<br />
um die einheimische Jugend vor Verderbnis zu schützen.<br />
Von Peter Linser<br />
HÄSELGEHR, 30. Juli. Die<br />
Bade-Anstalt am Otterbache wurde<br />
von der Gemeinde wieder neu<br />
hergestellt und wird dieselbe am 1.<br />
August wieder in Betrieb genommen.<br />
Das Wasser am Otterbach<br />
ist sehr schwefelhältig und ist nun<br />
das Schwimmbad wieder mit neuen<br />
Kabinen, Umfriedungen und<br />
Planken versehen worden. Auch<br />
eine Wasserleitung mit verzinkten<br />
Rohren wurde eingebaut. Das<br />
Schwimmbad bietet auch gute Gelegenheit<br />
für Sonnenbäder. Schlüssel<br />
und Badekarten sind erhältlich<br />
bei Kaufmann Johann Pohler, Nr.<br />
47, nächst der Anstalt. Die Preise<br />
sind sehr mäßig: Einheimische<br />
und Familien, ständige Fremde 30<br />
Groschen, einzelne Fremde 50 Groschen,<br />
Sommergäste und Auswärtige<br />
60 Groschen pro Bad. (AB, 5.<br />
August1926)<br />
HOLZGAU. 20. September. Ein<br />
Wunsch wäre, wenn auch das Badhaus<br />
einer gründlichen Renovation<br />
unterzogen würde, denn das Baden<br />
im Lech, wie es von einzelnen<br />
Personen gepflegt wird, ist gerade<br />
kein Baustein der Sittlichkeit und<br />
es würden die entrüsteten Volkskritiken<br />
über die „Lechschweinerei“<br />
bald verstummen. (AB, 23. September<br />
1926)<br />
<strong>RE</strong>UTTE. 19. Sept. (Lebensrettung).<br />
Vor einigen Tagen wollte ein<br />
junger Kaufmann aus Rosenheim<br />
in dem Einlauf vor der Schleuse baden<br />
und lieh sich zu diesem Zwecke<br />
von der Frau des Schleusenwärters,<br />
Anna Gräßle, vulgo „Wöll Anna“,<br />
eine Schwimmhose aus. Nachdem<br />
der junge Mann der Frau zu lange<br />
ausblieb, ging sie nachschauen und<br />
sah ihn in der Nähe des Ablaufes,<br />
wo ein Wirbel ist, mit den Wellen<br />
ringen. Sie reichte ihm rasch entschlossen<br />
einen langen Rechen,<br />
den ihr der junge Mann aus der<br />
Hand riss. Ein zugeworfenes Brett<br />
konnte er ebenfalls nicht erreichen.<br />
Die mutige Schleusenwärterin stieg<br />
nun selbst ins Wasser, erreichte den<br />
Rechen und zog den jungen Mann<br />
ans Land. Ohne das Dazwischenkommen<br />
der mutigen Frau hätte<br />
der junge Deutsche leicht ertrinken<br />
können, da an dieser Stelle das<br />
Wasser sehr tief und reißend ist.<br />
(AB, 23. September 1926)<br />
Wasserauspumpen in der Badeanstalt Häselgehr, um 1925.<br />
UNDANK IST DER WELT<br />
LOHN. Am vergangenen Sonntag<br />
ereignete sich am Urisee ein Vorfall,<br />
der wegen seines ungewöhnlichen<br />
Verlaufes verlangt, der großen Öffentlichkeit<br />
bekannt zu werden.<br />
Knapp nach der Mittagszeit befanden<br />
sich am See einige Badegäste,<br />
meist hier weilende Fremde. Ein<br />
Herr, dessen Name uns zur Verfügung<br />
steht, sprang vom Ufer in<br />
das an dieser Stelle tiefe Wasser<br />
und da er des Schwimmens nicht<br />
kundig war, ging er gleich mehrere<br />
Male unter und begann um sich<br />
zu schlagen und um Hilfe zu rufen.<br />
Ein beherzter Herr aus Reutte<br />
sprang dem Ertrinkenden nach und<br />
wollte ihn fassen und ihn in Sicherheit<br />
bringen. Der Fremde griff<br />
aber derart wild nach seinem Retter,<br />
dass er diesen unfehlbar in die<br />
Tiefe gezogen hätte, wenn es ihm<br />
nicht möglich gewesen wäre, sich<br />
aus dieser gefährlichen Umarmung<br />
zu befreien. Aber immerhin hielt<br />
sich der Fremde an einem Fuße des<br />
Retters derart fest, dass er diesen am<br />
Rettungswerk bedeutend behinderte<br />
und ihn oftmals unter das Wasser<br />
hinunterzog, sodass diesem selbst<br />
schon die Kräfte zu versagen drohten.<br />
Nur mit größter Anstrengung<br />
und nahezu vollständig erschöpft<br />
brachte er sich schließlich mit dem<br />
ihn umklammernden Fremden ans<br />
RS-Repros: Linser<br />
Ufer und zog den Mann, der dem<br />
sicheren Tod geweiht gewesen wäre,<br />
ebenfalls heraus. Am Ufer empfing<br />
die Frau des Fremden ihren Mann<br />
und führte ihn ins Hotel, ohne<br />
dass weder sie noch der Gerettete<br />
selbst auch nur ein Dankeswort<br />
für den Retter übrig gehabt hätten.<br />
Dabei muss erwähnt werden, dass<br />
der Retter selbst Familienvater ist<br />
und trotzdem sein Leben für den<br />
ihm ganz fremden Menschen in so<br />
schwere Gefahr brachte. Ebenso darf<br />
nicht unerwähnt bleiben, dass vom<br />
Ufer aus einige fremde Damen der<br />
ganzen Aktion teilnahmslos zusahen,<br />
obwohl es ihnen ein Leichtes<br />
gewesen wäre, durch Hinreichen<br />
eines Ruders helfend einzugreifen.<br />
Zu der ganzen Sache kann sich jeder<br />
Leser selbst sein Urteil bilden. Abschließend<br />
sei der Name des braven<br />
Retters erwähnt. Er heißt Emanuel<br />
Kerber und ist beim Elektrizitätswerk<br />
Reutte bedienstet. (AB, <strong>28</strong>. Juli<br />
19<strong>28</strong>)<br />
Der Urisee bei Reutte.<br />
RUNDSCHAU Seite 26<br />
AUSSERFERNER<br />
SEIT 1922<br />
NACHRICHTEN<br />
Weißensee bei Biberwier.<br />
13./14. Juli 2016