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Starnberger Bote 9 Titelthema<br />
die Formel 1-Aerodynamik, das aber<br />
abgebrochen wurde, weil sich BMW<br />
vom Rennsport zurückzog. Ein weiteres<br />
war eine vollautomatische Bahnlinie<br />
in Ringform um München, mit einer<br />
gemeinsamen Trasse mit der A 99 mit<br />
Ringanschluss im Süden. Hierbei wurden<br />
alle S-Bahn-Radiallinien mit diesem Ring<br />
verknüpft.<br />
Hört sich futuristisch an.<br />
Nicht ganz, alle Elemente des Konzepts<br />
sind bekannt. Zielsetzung war es, durch<br />
leistungsfähige P+R-Stationen eine<br />
umweltschon<strong>end</strong>e Verkehrsverlagerung<br />
vom PKW auf die Schiene zu erreichen<br />
und die Reisezeiten für S-Bahnfahrgäste<br />
zu reduzieren. Momentan arbeite ich<br />
noch an zwei Straßenverkehrs-Projekten<br />
für das Bundesministerium für Verkehr<br />
und digitale Infrastruktur.<br />
Kommt daher ihre Fähigkeit von der<br />
Technik über Städtebau bis zur<br />
Projektentwicklung alles im Blick zu<br />
haben?<br />
In den zwölf Jahren bei der BMW-<br />
Verkehrsforschung habe ich eine Vielzahl<br />
sehr unterschiedlicher Projekte begleitet.<br />
Das reicht vom „Citykonzept Blaue<br />
Zone“ über den Tunnelbau am mittleren<br />
Ring zu automatischen Parkgaragen,<br />
innovativen Bahnsystemen und zur<br />
Gründung der „Inzell-Initiative“ um die<br />
Verkehrssituation in München zu verbessern.<br />
Das hat doch stark geprägt.<br />
Es gibt Zauderer, die sehen zwar ihren<br />
Wunsch nach freiem Zugang zum<br />
See durch den Kompakttunnel zeitlich<br />
in greifbare Nähe, glauben aber<br />
dass dies erst in 30 Jahren umsetzbar<br />
sei. Andere scheinen sich mit diffusen<br />
Grobkostenschätzungen selbst<br />
soviel Angst einzujagen, dass es fürs<br />
Überprüfen neuer Ideen nicht mehr reicht.<br />
Wie erklären sie sich diese Mechanik?<br />
Die Umsetzung der Seeanbindung<br />
ist aus meiner Sicht weder ein technisches,<br />
noch ein monetäres, sondern<br />
ausschließlich ein lokalpolitisches<br />
Problem. Der Kompakttunnel wäre bei<br />
politischem Konsens ohne Probleme in<br />
ca. acht Jahren umsetzbar und auch für<br />
Starnberg bezahlbar.<br />
Womit wir bei den Kosten wären. Die<br />
im Stadtrat vor den Wahlen nicht mehr<br />
behandelte oberirdische Gleisverlegung<br />
des AK-Seeanbindung beinhaltete eine<br />
Kostenberechnung von ca. 63 Mio. Euro<br />
für die Stadt minus ca. 32 Mio. Euro für<br />
die Grundstücksverwertung zu Gunsten<br />
der Stadt. Ihr Konzept der unterirdischen<br />
Gleisführung ermöglicht eine Bebauung<br />
am See, die zur Kostenminderung eingesetzt<br />
werden könnte. Würden Sie bitte<br />
diese „Gegenfinanzierung“ erläutern.<br />
Die Einnahmen aus der Verwertung<br />
der Bahngrundstücke und auch der<br />
Grundstücke der Stadt in Seenähe,<br />
sind das Schlüsselelement zur<br />
Gegenfinanzierung des Bahntunnels.<br />
Durch Entfall des Bahnlärms und wegen<br />
der besseren Aussicht sind diese Flächen<br />
deutlich wertvoller und können mit<br />
gemäßigter Nutzungsdichte veräußert<br />
werden.<br />
Die deutlich höheren Gewinne bei der<br />
Tunnellösung können aber erst ermittelt<br />
werden, wenn ein akzeptierter<br />
Masterplan von der Ludwigstrasse bis<br />
zum Undosa vorliegt.<br />
Ludwigstrasse bis Undosa, sie schließen<br />
die Trogbereiche mit ein?<br />
Genau. Im Nordbereich ist eine<br />
Überbauung des Troges problemlos<br />
möglich. Bei einem derartig nachhaltigen<br />
Städtebaukonzept könnte im Gegensatz<br />
zur oberirdischen Gleisverlegung auch<br />
über eine Aktivierung des Starnberger<br />
„Tafelsilbers“ nachgedacht werden.<br />
Sie meinen die Schifffahrtswiese?<br />
Ja, der Nordbereich könnte bebaut und<br />
der südliche seeseitige Bereich der<br />
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />
Auch die Alte Oberschule und der<br />
Bayerischen Hof bieten sich an.<br />
Der Förderanteil bei der oberirdischen<br />
Lösung war mit nur 1,2 Mio. Euro oder<br />
2% sehr klein. Ergeben sich beim<br />
Kompakttunnel neue Förderaspekte?<br />
Durch die verbesserte Verkehrslösung<br />
mit 2 Durchfahrtsgleisen und wegen<br />
der überregionalen Bedeutung des<br />
Seebahnhofs erwarte ich auch eine<br />
Beteiligung der Bahn, des Freistaats und<br />
des Bundes. Eine Fördermittel-Recherche<br />
sollte auch die diversen EU-Fördertöpfe<br />
beinhalten.<br />
Teil der Umsetzung von kommunalen<br />
Großprojekten ist, ähnlich wie beim<br />
„Häuslebauen“, die Fremdfinanzierung.<br />
Entweder durch staatliche Förderbanken<br />
oder durch kommunale Geldinstitute. In<br />
Starnberg mutmaßen einige Stadträte,<br />
Starnberg könne sich mit seiner einzigartigen<br />
Lage die Seeanbindung als<br />
Alleinstellungsmerkmal nicht leisten.<br />
Woher kommt diese Haltung?<br />
Diese Haltung ist aus meiner Sicht rein<br />
politisch und sachlich nicht begründet.<br />
Ich halte es für ein unverantwortliches<br />
Risiko, den Bahnvertrag im Jahre 2017<br />
ohne Neuverhandlungen auslaufen zu<br />
lassen.<br />
Wobei fraglich ist ob das<br />
„Auslaufenlassen“ nicht eine fromme<br />
Wunschvorstellung ist, oder rechtlich<br />
eher als Bruch eines teilweise erfüllten<br />
Vertrags gewertet würde.<br />
Das ist Sache der Juristen. Auf jeden<br />
Fall ist völlig unsicher, ob die Bahn dann<br />
überhaupt noch verhandlungsbereit<br />
sein wird. Es wird ja erwartet, dass die<br />
Bahn dann den Seebahnhof lediglich<br />
für die S-Bahn barrierefrei umbaut. Ein<br />
Regionalbahn-Halt wäre dann wegen<br />
der anderen Einstiegshöhe nicht mehr<br />
möglich. Der müsste dann für ca. 4,0<br />
Mio. Euro am Haltepunkt Starnberg-Nord<br />
eingerichtet werden, oder Starnberg verzichtet<br />
auf den Halt der Regionalzüge.<br />
Keine erfreulichen Aussichten...<br />
Nach einer Vertragsbe<strong>end</strong>igung würde<br />
die DB-Immobilienabteilung die<br />
Bahnflächen am See an der Stadt vorbei<br />
selbst bebauen oder meistbiet<strong>end</strong><br />
veräußern.<br />
Das heißt, das seit 2005 angewandte<br />
Instrument des „konsensualen<br />
Verfahrens“ in dem mit Hilfe eines<br />
Aufbereitungsvertrages zwischen<br />
Kommune und Bahn die Flächen<br />
gemeinsam entwickelt werden, käme<br />
nicht zur Anw<strong>end</strong>ung, weil sich die Stadt<br />
nicht vertragskonform verhalten hat.<br />
Jetzt sieht es eher nach Konfrontation<br />
und nicht nach Konsens aus. Die Stadt<br />
besitzt zwar die Planungshoheit über alle<br />
nicht-betriebsnotw<strong>end</strong>igen Bahnflächen,<br />
trotzdem ist das Risiko einer städtebaulich<br />
unverträglichen Bebauung<br />
am Seeufer sehr groß, da der Begriff<br />
„betriebsnotw<strong>end</strong>ig“ sehr weit gefasst<br />
werden kann.<br />
In ihrem Gesamtkonzept scheinen nur<br />
noch Investoren, Projektentwickler<br />
und Marketing-Strategen zu fehlen,<br />
vorausgesetzt die DB, der Rat und die<br />
Verwaltung spielen mit. Was wäre ihrer<br />
Meinung nach der nächste Schritt?<br />
Der nächste Schritt ist die Festlegung<br />
auf eine Vorzugsvariante für den<br />
Kompakttunnel und die Erstellung<br />
einer professionellen trassierungstechnischen<br />
Voruntersuchung. Danach<br />
müssten eine Grobdimensionierung<br />
der Ingenieurbauwerke und eine<br />
Kostenkalkulation durch Bahnfachplaner<br />
unter enger Einbeziehung der DB und<br />
der Bayerischen Eisenbahngesellschaft<br />
erfolgen. Für diese Leistungen liegt ein<br />
Angebot in Höhe von 35.000 Euro vor.<br />
Das ist weitaus weniger im Vergleich zu<br />
den bisher immer genannten 1,2 Mio.<br />
Euro für die Planungen der oberirdischen<br />
Lösung.<br />
Ja, Peanuts, nicht einmal 3%.<br />
Zeitgleich zu diesen Untersuchungen<br />
könnte aus einem akzeptierten<br />
Masterplan des Seebereichs der Gewinn<br />
aus der Grundstücksverwertung ermittelt<br />
werden.<br />
Erst dann kann eine vergleich<strong>end</strong>e<br />
Bewertung des Kompakttunnels mit<br />
dem letzten Stand der oberirdischen<br />
Gleisverlegung erfolgen.<br />
Mit einer eigenen Kostenermittlung will<br />
die Stadt Anfang 2016 entscheiden, ob<br />
der Bahnvertrag erfüllt werden kann oder<br />
ob mit der Bahn nach anderen Lösungen<br />
gesucht werden soll.<br />
Diese Kalkulationen werden wir uns<br />
genau ansehen und mit den Kosten ausgeführter<br />
Bahnprojekte vergleichen.<br />
Welche Schritte haben Sie selbst schon<br />
unternommen, damit der Stapellauf ihres<br />
Ideen-Dampfers gelingt?<br />
Wichtig ist die Kenntnis der Starnberger<br />
Entscheidungsträger über das<br />
Planungs- und Realisierungspotential<br />
des Kompakttunnel-Konzepts. Allen<br />
Starnberger Fraktionen liegt eine<br />
digitale Fassung dieser Entwürfe vor.<br />
Bürgermeisterin John und die Verwaltung<br />
wurden bereits im Mai 20<strong>15</strong> und fast<br />
alle Stadträte in kleineren Präsentationen<br />
informiert.<br />
Vorgesehen sind künftig größere Info-<br />
Veranstaltungen für die Bürger und das<br />
Einstellen des aktuellen Planungsstandes<br />
ins Internet.<br />
Auf jeden Fall sollte eine Blockbildung<br />
wie beim B2-Strassentunnel und<br />
der Umfahrung vermieden werden.<br />
Der Zugang zum See ist eine echte<br />
Schicksalsfrage für Starnberg und sollte<br />
nicht zum Spielball parteipolitischer<br />
Interessen werden.<br />
Herr Janssen, ich danke Ihnen für das<br />
Gespräch.<br />
Die Fragen stellte Redaktionsmitglied<br />
Peter Riemann, Architekt, Stadtplaner<br />
und Mediator.<br />
Hinweis: Copyright für alle Pläne zum<br />
Titelthema, soweit nicht anders<br />
gekennzeichnet, bei Lutz Janssen