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SPEZIAL
UNIversalis-Zeitung
Für Universität und Hochschulen in Freiburg
ArtMedia Verlag Freiburg Sommer 2016 22. Ausgabe / 12. Jahrgang
Der Künstler – ein Held?
Historisch interessant und dabei hochaktuell: Die Neuerscheinung „Künstlerhelden?“
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Können Künstler Helden sein?
Diese Frage drängt sich auf, wenn
man das Buch „Künstlerhelden?
Heroisierung und mediale Inszenierung
von Malern, Bildhauern
und Architekten“ (kürzlich erschienen
bei ›ad picturam‹, Merzhauen)
in den Händen hält – nicht zuletzt
wegen des mit einem Fragezeichen
garnierten Buchtitels.
Genau das soll sie auch. Diese
Frage ist Programm, versteht man
doch gemeinhin unter Helden tapfere
Krieger, die in Liedern und Sagen
Anerkennung fanden. Oder zumindest
uneigennützige Menschen,
die ein vorbildhaftes Verhalten an
den Tag legen und in schwierigen
Situationen stets kühlen Kopf und
andere vor Unglück bewahren.
Aber der Künstler – ein Held? Wie
Aus dem Inhalt:
Lernradio PH 88,4 - erfolgreiches
Konzept der PH 4
Aus alter Märchenzeit - ein
Poet als Ameisensammler 5
Die verborgene Universität 7
Freiburger Musikhochschule
feiert 70jähriges Jubiläum 8
Erinnerungen an Ernst Bloch
Bloch 10
Spieglein, Spieglein in der
Stadt 11
Absurditäten des Alltags -
Emotionales Grundnahrungsmittel
12
Frauen in der Kunst des 20.
20. Jahrhunderts 13
Paul Valéry und seine Cahiers
Cahiers 14
will er mit seiner Kunst
andere oder gar die Welt
retten?
Hier kommt neben
dem Topos des Helden
auch der Kunstbegriff ins
Spiel. Dass sich die Auffassung
beider Kategorien
mit dem Wandel der
Zeiten stets veränderte,
macht die Sache nicht
leichter. Nun nahmen
sich in einem Überblick
und in methodisch reflektierter
Weise erstmalig
die Experten Sabine Feser,
Anja Grebe, Ulrich
Heinen, Andreas Henning,
Hans W. Hubert,
Angeli Janhsen, Henry
Keazor, Barbara Lange,
Doris H. Lehmann, Laura
Rodrigues Nöhles und
Andreas Thielemann dieser
Frage an.
Zur Sprache kommen
herausragende Künstlerinnen
und Künstler,
die bereits Gegenstand
einer Vortragsreihe waren,
die 2013/14 an der
Universität Freiburg in
Zusammenhang mit dem
Sonderforschungsbereich
SFB 948 „Helden – Heroisierungen
– Heroismen.
Transformationen
und Konjunkturen von
der Antike bis zur Moderne“
veranstaltet wurde,
ergänzt durch weitere
neue Beiträge.
Dabei werden die
verschiedenen Medien,
Ausdrucksformen und
Topoi, die bei der Künstlerverehrung
verwendet
wurden, in den Fokus
genommen. Zudem wird
aufgezeigt, zu welchem
Zweck die Künstler in den Olymp
gehoben wurden; beziehungsweise
welche kulturellen, gesellschaftlichen,
politischen oder nationalen
Interessen dahinterstanden. Und
dies macht das Buch gerade auch
für heute so spannend, da sich die
Mechanismen gar nicht so sehr von
denen noch vor Jahrhunderten unterscheiden.
Dustin Weaver und Gerald Parel, Titelblatt der ersten Ausgabe des Marvel-
Comics »S. H. I. E. L. D.«, Variant Edition, 2010
© MARVEL (Aufsatz Feser)
Sind wir nicht alle
Künstlerhelden?
Wie aktuell dieses Buch ist, zeigt
sich schon darin, dass uns Heutigen
der Begriff „Künstlerhelden“
zunächst gar nicht so fragwürdig
erscheint; – zumal in den „Social
Media“ der Eigenpräsentation und
Selbstinszenierung inflationär gefrönt
wird, um möglichst viele Bewunderer
(genannt Follower) hinter
sich zu scharen. Denn: Sind wir
nicht alle Künstler (gleichbedeutend
mit Individuen)? Und sind wir
nicht alle auch (durch Therapien
bestärkte) Helden?
Ob verehrt oder versehrt – die
Palette der hier nachgezeichneten
Künstlerhelden-Biografien ist
groß, die Wege des Ruhms sind ja
auch vielfältig. „Genau genommen
gibt es die Kunst gar nicht. Es gibt
nur Künstler“, begann schon Ernst
Gombrich seine berühmte ›Geschichte
der Kunst‹. So wird also
auch Kunstgeschichte geschrieben:
Nicht zuletzt aufgrund ihrer jahrhunderte-
und jahrzehntelangen Heroisierung
oder Selbstinszenierung
dürften sämtliche Protagonisten
der heutigen Allgemeinheit wohlbekannt
sein – Andrea Mantegna,
Leonardo da Vinci, Raffael, Michelangelo,
Peter Paul Rubens, Albrecht
Dürer, Nicolas Poussin, Hans
Makart, Frida Kahlo, Joseph Beuys
und Marina Abramovi.
Es gibt nicht nur Künstler, es gibt
auch Sponsoren. Diese verstehen es
nicht erst seit heute, die Evolution
der Kunst in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Ein erstes markantes Beispiel
stammt mit Andrea Mantegna
(von Andreas Thielemann) aus
der frühen Neuzeit, am Ende des
Quattrocento im Stadtstaat Mantua.
Dieser erhielt von Ludovico
Gonzaga, Sohn des Markgrafen
Luigi III. Gonzaga und seit 1483
Bischof von Mantua, ein Grundstück.
Das darauf erbaute Haus
sollte die angemessene Repräsentation
des Künstlers ermöglichen,
in dessen Glanz stets der edle
Spender mitaufschien. Zunächst
nutzte Mantegna, auch genannt der
„zweite Apelles“, das Gebäude als
Bühne für seine Antikensammlung.
Hohe Kunst aus alten Zeiten, deren
Exponate bildeten raffiniert und
wohlkalkuliert den Rahmen für das
eigene Schaffen und legten so die
Tradition nahe, an die der Künstler
anknüpfte.
Auch wenn Mantegnas Kunstleistungen
für die Nachwelt unstrittig
sind, lebt eine solche Blase nur
durch diejenigen, die den Ruhm
und Glanz des Verehrten auch zurückspiegeln.
„Die Aufdeckung von
Inszenierungen, Manipulationen
und Herrschaftstechniken aller Art
ist in Zeiten, die sich als progressiv
und aufklärerisch verstehen, gleichsam
ein forschungs-politischer
Dauerauftrag“, begründet Thielemann
sein Vorgehen, das durchaus
zum Verständnis auch des heutigen
Starkults beizutragen vermag.
Auch Peter Paul Rubens (von Ulrich
Heinen) hatte selbst Anteil an
der Inszenierung seines Künstlerdaseins,
indem er die mit ihm verbundenen
Topoi durch die Darstellung
antiker Bildthemen regelrecht
nährte. Doch nutzte Rubens seinen
Ruhm im Sinne einer politischen
Einflussnahme als Kriegs- und
Friedensdiplomat, weshalb er nicht
nur im Sinne seiner künstlerischen
Fähigkeiten, sondern als politischer
Maler auch inhaltlich motiviert –
und somit tatsächlich heldenhaft –
agierte.
Selbst- und Fremd
heroisierung
Schon immer spielte
für den künstlerischen
Erfolg eine große Rolle,
wie gut sich jemand vermarkten
konnte. Allein
die Fotografie des Titelbilds,
darauf der Wiener
Maler-Star Hans Makart
(von Doris H. Lehmann)
im Festzugskostüm zu
Pferde (1879), vermittelt
anschaulich einige
grundlegende Strategien,
wie man sich werbewirksam
in Szene setzt. Seine
Selbstinszenierungen
brachten ihm gleichermaßen
Bewunderer wie
Hasser ein. Immerhin
wurde der „Malerfürst“
auf diese Weise zur Identifikationsfigur
Wiens,
deren Ruhm als „größter
Colorist der Neuzeit“
posthum immer
weiter anwuchs. Seine
Totenmaske und der in
Marmor nachgefertigte
Gipsabdruck seiner Hand
sollten später gar reliquienhafte
Züge annehmen.
Zentrales Medium für
die Selbstheroisierung
waren seit jeher das
Selbstporträt sowie die
Selbstdarstellung in historischen
Kontexten. So
durfte in diesem Reigen
der Selbstinszenierung
natürlich Albrecht Dürer
nicht fehlen (von Anja
Grebe), der bereits überaus
zielgerichtete Imagebildung
betrieb.
Die Fremdheroisierung
hingegen setzte
häufig erst nach dem
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Ableben des Künstlers ein. „Das
Schwein und der Künstler werden
erst nach ihrem Tode geschätzt“, lakonisierte
einst der Komponist Max
Reger. Dass manche Künstler oder
Werke in den Fokus der kollektiven
Betrachtung gerückt sind und andere
nicht, verdankten sie häufig ihren
Biographen, die deren Heroisierung
initiierten. Ausgehend von Giorgio
Vasari („Vite“, 1550/68) entwickelte
sich seit der Renaissance die
Künstlerbiographie zum Medium
schlechthin, verblichene Künstlerseelen
in den Götterhimmel zu befördern.
Einige, etwa Leonardo da Vinci,
wären natürlich ohnehin da oben
angekommen. Seine Verehrung als
heroische Figur ist überaus vielseitig,
wie Sabine Feser darlegt, und
als „uomo universale“ seinen vielen
Schaffensbereichen als Maler,
Zeichner, Forscher und Erfinder
geschuldet. Vasaris Lebensbeschreibung
glorifizierte ihn schon
zu Lebzeiten. Fortan wurde er in jeder
darauffolgenden Epoche anders
interpretiert, Leonardo wurde zur
Marke. Zuletzt als Action-Hero im
gleichnamigen Hollywood-Streifen,
in der Comic-Serie „S.H.I.E.L.D“
(2010) oder in Computerspielen,
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2 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 3
Nicolas Chaperon, Raffaels Ruhm, Sacrae Historiae Acta a Raphaele Urbin, Rom 1649, Staatliche Kunstsammlungen Dresden,
Kupferstich-Kabinett (Aufsatz Henning)
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wo er als genialer Erfinder von Waffen-
und Fluggeräten die Welt vor
ihrem Rückfall ins finstere Mittelalter
bewahrt.
Auch Raffael (von Andreas
Henning), dessen Rezeption stark
werkbasiert ist, gehört unstrittig in
den Olymp. Die hohe innovative
und zugleich immer auch sinnfällige
Qualität seiner Werke war die
wichtigste Ursache dafür, dass er
von Beginn an von elitären Gesellschaftskreisen
beauftragt wurde und
sich posthum zum Star der Kunstsammlungen
entwickelte.
Nicolas Poussin (von Henry
Keazor) wurde regelrecht in den
Götterhimmel hochgejubelt. Zum
einen griffen spätere Künstler wiederholt
seine Sterbeszene auf, was
schließlich 1822 zur entrückten
Darstellung des „Triumph der Malerei.
Die Apotheose von Poussin“
von Charles Meynier führte. Zum
anderen wurde der Maler über die
verschiedenen Stationen mehrerer
Biografen regelrecht zur Heroenfigur
hochstilisiert. Dies wiederum
beeindruckte Richard Strauss derart,
dass er 1898 nach deren Vorbild
eine Tondichtung „Ein Heldenleben“
(op. 40) komponierte.
Ein interessantes, weil entgegengesetztes
Beispiel ist Michelangelo
(von H. W. Hubert), der als Erster
im Wortsinne die inhaltliche Grenze
zwischen „Künstler“ und „Held“
aufzuheben vermochte. Befördert
durch seine dramatischen Lebensumstände
brach sich mit ihm ein
rebellisch subjektives Kunstschaffen
Bahn, was ihn schließlich zur
Heldenfigur formte.
Das Leiden war der ständige Begleiter
der mexikanischen Malerin
Frida Kahlo (von Laura Rodrigues
Nöhles). Als Frau, zudem körperlich
versehrt, fiel damit auch ihr
ein Opferstatus zu, der ihr schließlich
die Anwartschaft am Reigen
der bisher durchweg männlichen
Künstlerhelden zutrug. Ihr exotisch-erotisches
Äußeres und ihr
linkspolitisches Engagement taten
das Übrige dazu.
Der moderne Künstlerheld
muss ein Kämpfer sein
Zur Ausnahmeerscheinung avancierte
auch Joseph Beuys (von
Barbara Lange), der als Kriegsversehrter
die Bühne der Kunst betrat.
Geheimnisumwittert und charismatisch
war sein Habitus. Indem
er den eigenen Körper als Projektionsfläche
nutzte, stilisierte sich
der Künstler selbst zur Kunstfigur.
Lob und Verehrung erhielt er also
nicht nur für sein Schaffen, Beuys
war ein wandelndes Gesamtkunstwerk.
Je mehr er sich als Antibürger-,
als Bürgerschreck inszenierte,
desto mehr Beifall bekam er vom
Publikum.
Der moderne Künstlerheld muss
ein Kämpfer sein, um die Legitimation
zum Heroen zu erlangen.
Diesen Umstand verstand auch
Marina Abramovi (von Angeli
Janhsen) seit jeher publikumswirksam
einzusetzen. Deren inszeniertes
Video „The Hero“ über
oder für ihren Vater zeigt anstelle
des Helden sie selbst auf einem
Schimmel, mit weißer Fahne posierend.
Ihre Performance ist an
sich zwar Inszenierung, die aber
gar nicht der eigenen Heroisierung
gilt – was sie natürlich wiederum
(publikumswirksam) adelt. „Sie
handelt als Künstlerin wie ein
Held: setzt Regeln außer Kraft,
übertritt Gesetze, wenn nötig für
höhere Ziele, ist rücksichtslos,
Schmerzen und Strafen interessieren
sie nicht. Ihre Ziele und Werke
stehen ihr über allem“. Somit zeigt
Abramovis Beispiel, dass künstlerische
Selbstinszenierung durchaus
Mittel zum ›heiligen‹ Zweck sein
kann, indem sie die Aufmerksamkeit
über den Umweg der eigenen
Person als Projektionsfläche auf
„höhere Ziele“ richtet.
Gute Lesbarkeit bei hohem
wissenschaftlichem Anspruch
Dieses Buch ist trotz seines hohen
wissenschaftlichen Anspruchs
selbst für Laien verständlich geschrieben.
Hinzu kommt seine
schöne Aufmachung, die – anschaulich
bebildert in hervorragender
Qualität – diese Ausgabe auch in
sinnlich-haptischer Hinsicht zu
einem Genuss macht. Es ist nach
der Veröffentlichung ihrer Dissertation
(„Armeleutemalerei“ 2013)
im neu gegründeten Eigenverlag
›ad picturam‹ sozusagen das „Meisterstück“
der jungen Freiburger
Verlegerin Carmen Flum, die – so
ist auf ihrer Homepage zu lesen –
gemäß dem Motto „klein, aber fein“
vergleichsweise wenige Buchprojekte
im Jahr, diese jedoch, sei es
als Printausgabe oder als Onlinepublikation,
in enger Zusammenarbeit
mit den Autoren und mit viel Liebe
zum Detail realisiert.
Entsprechend ist hier das Verhältnis
von Form und Inhalt einfach
stimmig. Und ein Buch, das
Intellekt und Sinne gleichermaßen
anspricht, trägt nun mal ungemein
zum Vergnügen der Lektüre bei.
„Künstlerhelden? Heroisierung
und mediale Inszenierung von Malern,
Bildhauern und Architekten“,
Katharina Helm, Hans W. Hubert,
Christina Posselt-Kuhli und Anna
Schreurs-Morét (Hg.), Freiburg-
Merzhausen 2015, ad picturam
Fachverlag für kunstwissenschaftliche
Literatur e. K., ISBN 978-3-
942919-02-9, Hardcover, Fadenheftung,
26,5 x 20 cm, 329 Seiten,
112 Abbildungen, 38,00 €. www.
ad-picturam.de.
Friederike Zimmermann
4 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
Lernradio PH 88,4
Ein erfolgreiches Konzept an der Pädagogischen Hochschule Freiburg
Medienbildung an der Hochschule
zu etablieren und mit praktischer
Medienarbeit an Schulen und in
außerschulischen Bildungseinrichtungen
zu verknüpfen, ist Ziel
des Lernradios der Pädagogischen
Hochschule Freiburg. Studierende
erwerben medienpädagogische
Qualifikationen und leiten Schulradioredaktionen;
Medienkompetenz
wird nachhaltig gefördert. Für
Konzept und Umsetzung wurde das
Lernradio im Jahr 2015 mit dem
Landeslehrpreis ausgezeichnet.
Vor zehn Jahren, am 04. Mai
2006 ging PH 88,4 zum ersten Mal
On Air. Studierende, Senior/-innen,
Kinder und Jugendliche produzieren
seit dieser Zeit in Redaktionen,
Workshops, im Klassenzimmer,
in Seminaren und in Radio-AGs
gemeinsam das 14-stündige Programm
auf PH 88,4, das auf uniFM
ausgestrahlt wird.
Das Konzept des Lernradios ist
in vier Arbeitsbereiche unterteilt,
die den Studierenden verschiedene
Ausbildungsangebote und
Beteiligungsmöglichkeiten bieten:
medienpädagogische Seminare,
Kooperationen mit Fachwissenschaften,
Redaktionsarbeit sowie
das Hochschulzertifikat „Radio
und Medienbildung“. Die Kooperationsangebote
mit Fächern und
Studiengängen werden sehr gut
angenommen. Es zeigt sich, dass
die Produktion von Beiträgen oder
Radiosendungen mit Seminaren gut
zu bewältigen ist und Lehrende sich
dauerhaft Kooperationen mit dem
Lernradio wünschen. Sie bekräftigen,
dass Studierende medienpädagogisches
Handeln für die Praxis
im Schulalltag erlernen: „Durch das
Lernradio ist aktive Medienarbeit
möglich. Medienkompetenz kann
in Theorie und Praxis erworben
werden“ so ein Kooperationspartner
aus den Fachwissenschaften.
PH 88,4 hat sich zur Aufgabe gemacht,
systematisch eine nachhaltige
Entwicklung von Medienkompetenz
und medienpädagogischer
Seit Herbst 2014 beschäftigen
sich im Rahmen des EU-Förderprogramms
„Erasmus+“ zwölf Partner
aus vier Ländern (Frankreich,
Tschechien, Ungarn, Deutschland)
unter dem Titel „musik kreativ+“
mit der Förderung von Kreativität
und Entrepreneurship durch Musik,
Performance und kulturelle Zusammenarbeit.
Die Koordination des
Projekts hat das Institut für Musik
der Pädagogischen Hochschule
Freiburg. Unter pädagogischen
sowie künstlerischen Perspektiven
und Voraussetzungen wird gemeinsam
mit Studierenden, Musiker/-innen
sowie Schüler/-innen ein Konzept
erarbeitet, erprobt und in einem
gemeinsamen Abschlusskonzert am
Ende des zweiten Projektjahres realisiert
und somit der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Darüber
hinaus werden die erprobten Konzepte
in einem Lehrerfortbildungscurriculum
veröffentlicht, das Lehrkräfte
verschiedener Schularten zur
Anwendung der länderspezifischen
kreativen Ansätze im Unterricht befähigen
und informieren soll. Die
enge Vernetzung der vier Partnerländer
bildet dabei die Basis für die
Förderung kultureller Zusammenarbeit
auf schulischer, künstlerischer
und universitärer Ebene.
Lernradio: Klasse 3 d der Rheinschule Neuenburg im Radiostudio der PH Freiburg. Projektleitung: Chris Britz, Referendar und PH-Radio-Alumni
Kompetenz angehender Lehrer/-innen
zu fördern, bietet Studierenden
die Möglichkeit sich zu engagieren,
sich medienpädagogisch fort- und
weiterzubilden. Radiomachen ist
vergleichsweise einfach zu erlernen
und benötigt insbesondere im
Schulkontext wenig Infrastruktur.
Die Produktion von Radiosendungen
fördert die Konzentration
auf das Akustische und sensibilisiert
für die Kulturtechnik „(Zu-)Hören“
(Stiftung Zuhören 2009). Zudem
werden sprachlicher und akustischer
Ausdruck, die Kreativität und
die Fertigkeit, digitale Medien zu
nutzen und zu gestalten gefördert.
Ein Student äußert: „Ich bin selbstbewusster,
mutiger und organisatorisch
versierter geworden. Durch
den Mut zum Ausprobieren und
dem Vertrauen, das unterdessen immer
in mich gesetzt wurde, habe ich
meine Kreativität steigern können.“
Das Konsortium der vier Partnerländer
besteht jeweils aus einer Universität,
einer Schule und einem Musikensemble.
Während Frankreich
(Universität Strasbourg, Ensemble
Hanatsu mirroir, Grundschule Sélestat)
und Deutschland (Pädagogische
Hochschule Freiburg, ensemble recherche,
Friedrich Gymnasium) ihr
Konzept aus Verfahren zeitgenössischer
Musik sowie in Verbindung
mit der am Institut für Musik der
Pädagogischen Hochschule Freiburg
angesiedelten Abteilung für Musikkulturen
im Dialog aus afrikanischen
Musiktraditionen speist, basieren das
Konzept Tschechiens (Masaryk Universität
Brno, Horňácká cimbálová
muzika Petra Galečky und Grundschule
Lipov) auf der Verbindung
mit tschechischer Folklore sowie das
Ungarns (Universität Szeged, Pulzus
Quartett Budapest, Grundschule Budapest)
auf dem kreativen Umgang
mit Interpretation von klassischer
Musik.
Interessanterweise werden im
wissenschaftlichen Diskurs Kreativität
und Entrepreneurship mit
denselben Begriffen wie etwa Identifikation
von Problemen, Entwicklung
von Ideen, Ausdauer, Arbeit in
Teams, Überführung in eine Produktion
etc. beschrieben. Tatsächlich
Wie aktive Medienarbeit in das
künftige Arbeitsfeld integriert werden
kann, erlernen Studierende in
Seminaren und durch die Teilnahme
am Hochschulzertifikat „Radio
und Medienbildung“. Dazu kooperiert
das Lernradio der Hochschule
mit Schulen, außerschulischen
Bildungseinrichtungen sowie mit
den Fachbereichen innerhalb der
Hochschule. Selbst aktiv zu sein,
eigene Ideen einzubringen, mitzubestimmen
und verantwortlich für
Sendeplanung und Ausstrahlung zu
sein, stärkt soziale wie sprachliche
und medienpädagogische Kompetenzen
aller Beteiligten. In Kooperationsseminaren
mit den Fachwissenschaften
werden Inhalte auditiv
aufbereitet, die neben der Ausstrahlung
im Radio auch im Unterricht
eingesetzt werden können.
Dass durch aktive Radioarbeit
die Medienkompetenz von angehenden
Pädagog/-innen gefördert
und gestärkt wird, hat die Evaluation
2015 bestätigt. Befragt wurden
Alumni, Studierende, interne
Kooperationspartner/-innen sowie
externe Bildungseinrichtungen, die
mit dem Lernradio Projekte durchführen.
Eine ehemalige Studentin
äußert: „Ich konsumiere Medien
nicht, ich nutze sie aktiv; insgesamt
höre ich mehr Radio, ich höre Radioberichte
kritischer, ich achte mehr
auf ihre Machart, auf Inhalte und wie
diese präsentiert werden. Ich achte
darauf, ob Inhalte gut recherchiert
sind, Inhalte durch Quellen belegt
werden und durch welche. Dies gilt
nicht nur für Radioberichte, sondern
auch für andere Medienberichte
(Fernsehberichte, Zeitungsberichte,
Internetinhalte, etc.)“.
Studierende, die das medienpädagogische
Angebot des Lernradios
durchlaufen, leiten im Rahmen ihrer
musik kreativ+
Musik, Performance und kulturelle Zusammenarbeit
sind die Konzepte des EU-Projektes
so angelegt, dass für die beteiligten
Schülerinnen und Schüler stets
Lehr-Lern-Arrangements inszeniert
werden, in denen die beschriebenen
Fähigkeiten gefordert und gefördert
werden. Kleine Impulse geben immer
wieder Anreize für produktive
Überlegungen der künstlerisch kreativen
Umsetzung, die ausprobiert –
und damit bereits im Kleinen „performt“
– reflektiert, weiterentwickelt
oder verworfen werden. Hinzukommt,
dass die musikalischen
„Produkte“ von den Schülerinnen
und Schülern selbst „vermarktet“
werden. Gemeinsam werden Strategien
diskutiert und entworfen, wie
etwa eine Performance ablaufen
soll und wie diese annonciert wird.
Ausbildung oder für ihre wissenschaftlichen
Arbeiten Radioprojekte
in Schulen und außerschulischen
Einrichtungen. Schüler/-innen, die
an diesen Projekten teilnehmen,
profitieren im Gegenzug von diesem
Angebot. Eine Lehrerin äußert „Sie
[die Schüler/-innen] sind stolz auf
sich, weil sie sich selbst im Radio
hören können. Einige haben auch
ganz neue Stärken an sich entdeckt.
Außerdem sind sie auch für das
Thema sensibler geworden und stehen
manchen Fragen nun kritischer
gegenüber.“ Die Projekte erstrecken
sich über die gesamte Bildungslandschaft:
PH 88,4 bietet Projekte für
Kinder aller Altersklassen, ist aktiv
in der frühen Bildung, in allen Schulformen,
in der beruflichen Bildung
sowie in Inklusions- und Integrationsprojekten.
Viele Kinder und Jugendliche
trauen sich zunächst nicht
zu eine Sendung zu produzieren.
Lehr-Lern-Arrangement während der gemeinsamen Arbeitsphase in Brünn (Tschechien)
Hierzu erarbeiten Schülergruppen
Plakate, Zeitungsartikel, Radio Features
(in Zusammenarbeit mit dem
Lernradio der Pädagogischen Hochschule
Freiburg), Moderationstexte,
Ablaufpläne etc.
Um dies vorzubereiten, trafen
sich erstmals nach den nationalen
Vorbereitungen in den Heimatländern
alle Projektpartner/-innen (ca.
Durch schrittweise Heranführung an
die Arbeit mit Audio lernen sie neue
Stärken an sich kennen. Dies bekräftigt
die Aussage einer befragten Lehrerin:
„Das Selbstbewusstsein wurde
gestärkt, weil in der Wahrnehmung
der Werkrealschüler/-innen selten
wirklich jemand mit ‚nur‘ ihrem
Bildungsniveau sich vollkommen
öffentlich äußert und weil sie eine
wunderbare Radiosendung erstellen
konnten. Zudem konnten in der Vorbereitung
Diskussionen in der Klasse
geführt werden, um das Thema zu
erarbeiten; für die Abschlussprüfung
wurde das Thema ‚Interview und
offene/geschlossene Fragen‘ besser
und dauerhafter erarbeitet als es
nur im Unterricht der Fall gewesen
wäre.“
Die Nachhaltigkeit der Ausbildung
im Lernradio der Pädagogischen
Hochschule Freiburg zeigt sich u.a.
an den Baumaßnahmen, die an Schulen
in Konstanz und Breisach anstehen:
Angeregt von ehemaligen Studierenden
werden dort Radiostudios
in den Schulen gebaut.
Aber auch für Studierende, die
sich nach dem Studium an der Pädagogischen
Hochschule gegen das
pädagogische Arbeitsfeld entscheiden,
ist die Ausbildung im Lernradio
eine Möglichkeit, sich fort- und
weiterzubilden wie der folgende
ehemalige Student bekräftigt: „Ich
habe mich nach meinem Studium
gegen das Lehramt entschieden
und bin heute Redakteur, Journalist
und Moderator im Hörfunk. In
meinem Fall hat das Lernradio PH
88,4 also meinen beruflichen Werdegang
maßgeblich beeinflusst.
Alle Grundfertigkeiten (…) habe
ich hier erlernt. Die medienpädagogische
Komponente kommt mir
noch heute zugute, wenn ich etwa
in Schulen bei Projekttagen zu Gast
bin und das Berufsbild des Radioredakteurs
vorstelle.“
Dipl.-Päd. Monika Löffler, Pädagogische
Hochschule Freiburg, Projektleitung
PH 88,4 – Das Radio der
PH Freiburg
70 Personen, inkl. Musikensembles)
vom 8. bis 12. Februar 2016
in Brünn (Tschechien). Hier stellte
man zunächst an der Pädagogischen
Fakultät der Universität die nationalen
Ergebnisse vor, bevor man
dann an den einzelnen Konzepten
gemeinsam weiterarbeitete und
weitere Ideen bis hin zu einem gemeinsamen
Stück entwickelte. Eine
zweite Arbeitsphase mit ca. 100
Teilnehmenden ist vom 29. Mai bis
3. Juni an der Pädagogischen Hochschule
Freiburg geplant, an deren
Ende am 3. Juni um 18 Uhr eine
große Abschlusspräsentation stehen
wird. Vorausgeschaltet ist eine kostenlose
Fortbildungsveranstaltung
für Lehrkräfte (3. Juni, 15.30-17
Uhr, KG 6, Raum 109 an der Pädagogischen
Hochschule Freiburg),
bei der konzeptionelle Ansätze des
Projektes vorgestellt und diskutiert
werden.
Prof. Dr. Georg Brunner, Pädagogische
Hochschule Freiburg
Institut für Musik und Prorektor
für Lehre und Studium, Projektleiter
„musik kreativ+“
Weitere Informationen (inkl.
Anmeldung zur Fortbildung am
03.06.2016) finden sich unter www.
musik-kreativ-plus.eu
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 5
Aus alter Märchenzeit
Der Poet als Ameisensammler
Friedrich Kittler beim Lesen, Notieren, Denken am Niederrimsinger Baggersee
© Erika Kittler
Niemals in der Geistesgeschichte
hat ein Literaturwissenschaftler
eine radikalere Lehre der materiellen
(medialen) Voraussetzungen
der Literatur und von
uns selbst vertreten als Friedrich
Kittler. Niemand vor Kittler
hat die Vertreter seines eigenen
Faches durch eine „Austreibung
des Geistes aus den Geisteswissenschaften“
so unterminiert und
auch gekränkt. Und niemand vor
ihm hat mit Heideggers „Mut, die
Wahrheit der eigenen Voraussetzungen
und den Raum der eigenen
Ziele zum Fragwürdigsten zu
machen“ ernster gemacht.
Niemals nämlich hat seit Platons
Zerrissenheit, an der Schwelle
eines Medienbruchs zwischen
Mündlichkeit und Schriftlichkeit
zu stehen, jemand eine radikalere
Lehre von Medienbrüchen vollzogen
als Kittler, indem er sie in eigener
Person durchexerziert: Noch in
der Gutenberg-Galaxis des Buches
sozialisiert, lötet er bereits in den
70er Jahren die ersten Computer in
seinem Wohnzimmer in Freiburg.
Und schreibt – neben den ersten
Software-Programmen – auf losen
Blättern, die er in einer Schublade
sammelt, erst vier Jahre nach seinem
Tod 2011 veröffentlichte Texte.
Kittler war zeit seines Lebens ein
gespaltener Geist: Ein Computerfreak
und ein Poet, ein Ingenieur
und ein Schöngeist, ein sensibler
Denker und einer der austeilen
konnte...
Was Friedrich Kittler, der späterhin
so berühmt gewordene, aber auch
ungeliebte Sohn der Freiburger
Universität, Begründer der „Berliner
Schule der Medientheorie“,
schon in jungen Jahren auszeichnete,
war sein ganz persönlicher
Stil. Er erfand eine neue Gattung,
es ist die Gattung der Wissenschaftspoesie.
Es ist deshalb eine
neue Gattung, weil er diese Art von
wissenschaftlicher Prosa bis ins
hohe Alter pflegte und auch viele
Nachahmer fand. Nun legen Tania
Hron und Sandrina Khaled, zwei
Schülerinnen Kittlers, als Herausgeberinnen
mit „Baggersee – Frühe
Schriften aus dem Nachlass“ vor.
Die Geburt des Programmierens
aus dem Geist der Poesie
Schon zu Zeiten seiner Habilitation,
die erst nach dem zehnten
Gutachten (Abschlussgutachten)
durchgewunken wurde, hatte er die
rauschverdächtige und zuweilen
selbstzerstörerische Chuzpe, keine
Rücksicht zu nehmen auf seine eigene
Karriere – von seiner Gesundheit
ganz zu schweigen – sondern
allem akademischen Stil und Gebaren
mit herausgestreckter Zunge zu
begegnen und nach seiner eigenen
Überzeugung zu schreiben, zu argumentieren
und die gesamten Geisteswissenschaften
gegen den Strich
zu bürsten. Der harte Kern dieser
Art von wissenschaftlicher Prosa
– oder bleiben wir bei Wissenspoesie
– hatte jedoch Hand und Fuß
und setzte sich durch, was anfangs
keineswegs selbstverständlich war.
Inhaltlich war eine methodische
Seinsgeschichte der Medien entsprungen,
die ihn in fortgeschrittenem
Alter über die Untersuchung
des griechischen Vokalalphabets als
eine der folgenreichsten Errungenschaften
für das Abendland von der
harten Medienwissenschaft vordergründig
wegführte und durch das
Studium und die Neuübersetzungen
klassischer Texte Homers, Sapphos
usw. zwangsläufig zu einer Seinsgeschichte
der Liebe führte. Soweit so
verständlich.
Was sich in seinen bislang unveröffentlichten
Essays aus dem
Nachlass, die dank der Recherche
im Deutschen Literaturarchiv Marbach
durch ihre Herausgeberinnen
Tania Hron und Sandrina Khaled
aus den 60er und 70er Jahren, die
im Oktober 2015 erschienen sind,
jedoch zeigt, stellt vieles in den
Schatten, was das 20. Jahrhundert
an großen Essayisten hervorgebracht
hat. In dem Band verbinden
sich eine kindliche Beobachtungsgabe
von Alltagsphänomenen wie
dem Rauchen, Atmen, kleine Tiere
wie Ameisen und Spinnen, Automobile,
Nacktheit, Vampire, Wasser
und Milch oder auch das Auge
und ganz großartig: Alkohol... (…
der des Menschen spottet, „weil er
ihn an die Pforte des Geheimnisses
geleitet, nur um ihn vor ihr ermattet
niedersinken zu lassen. Wie aus
Fernen naht die Verheißung, der
Wahrheit ansichtig werden zu können:
aber der Geist ist zu schwach,
ihr zu folgen“ (S.15)), u.v.a. mehr in
einer zuweilen tastenden Dialektik
mit höchst philosophischen Gedanken.
Sie haben mit der Formulierungsgabe
etwa der „Denkbilder“
Walter Benjamins mindestens so
viel gemein wie mit Ernst Jüngers
„Subtile(n) Jagden“ oder dessen
stereoskopischen Blickwinkeln in
„An der Zeitmauer“. So etwa, wenn
Before I sink
into the big sleep,
I want to hear
the scream of the butterfly...
Jim Morrison, The Doors
er in dem Text „Kleine Tiere“ die
eigene Haut im Sinne dieser Tierchen
als „Oberfläche einer ganzen
Welt“ reflektiert: „Ich von mir aus
sehe die Härchen auf meiner Haut
nur als ihre Menge; für die Ameise
erweist sich jedes Haar, ein einzelnes
zu sein“ (S.79). Es lässt sich
eine phänomenologische Dialektik
erkennen, die mit einem stereoskopischen
Verfahren verknüpft zu
sein scheint. Wie überhaupt der Einfluss
Hegels auf den jungen Kittler
nicht hoch genug einzuschätzen
ist. Kittler war sich 1991 über den
Stil eines „Hegel-Pastiches“ „bis
in den Satzbau hinein“ sehr klar,
revolutioniert nicht etwa durch die
an Karl Marx geschulten revoltierenden
Studenten, sondern „durch
die Stile von Pink Floyd und Michel
Foucault“, so Kittler selbst
über diese „Brilliant Pebbles“. Man
findet aber mindestens auch den
Stil des Dialektikers im Stillstand,
der auch ein Allegoriker war und
sich „zum Seismographen dessen
macht, was an der Zeit ist“ - Walter
Benjamin. Dieser zwar von dessen
Messianismus und Marxismus purgierte
Stil gilt indes nur für diese
frühen Schriften. Insofern lesen sie
sich wie Fragmente aus einer alten
Märchenzeit, tragen aber zum
Verständnis von Kittlers Herkunft
nicht unerheblich bei, und Zukunft
braucht ja bekanntlich auch Herkunft.
Wie sich diese Herkunft in
der Zukunft manifestiert, zeigt sich
zwar nicht auf den ersten Blick, jedoch
werden die Spuren, die Friedrich
Kittler durch seine Interessen
schon in der Studienzeit legte, an
einigen Beispielen seiner Aphorismen
prägnant. Hier nur zwei: So
scheint seine spätere Faszination
für Bram Stokers Dracula einen
ihrer Ausgangspunkte in Murnaus
Film von 1922 zu finden. Sie mündet
in seinen „Technische(n) Schriften“,
die zusammengefasst unter
dem Titel „Draculas Vermächtnis“
1993 bei Reclam erschienen sind,
benannt nach dem gleichnamigen
Aufsatz von 1982. Erst durch die
Darstellung im Medium Film erlangt
die im Medium der Literatur
schwer darzustellende Geschwindigkeit
(durch Zeitraffer) und
Langsamkeit (durch Zeitlupe) ihr
Wesen für den Fortgang der Handlung
von Opfer und Jäger, der mit
G
6 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
Die Geschichte „K.s“ ließe sich aus seinen verschiedenen Schreibgeräten „deduzieren“, meinte
Kittler einmal in schöner Anlehnung an Nietzsche
© Erika Kittler
seiner „gehemmten Begierde“ sein
Opfer geradezu lähmt, da dieses um
den nahenden Tod weiß und keine
Flucht mehr erwägt (vgl. S. 104 ff.).
Die dazugehörige Gestik lässt sich
nur im Film darstellen.
Das zweite: In „Kabbala: Buchstabe
= Zahl“ macht man eine erstaunliche
Entdeckung: Dass er nämlich
dort bereits andeutet, was ihn später
bis zu seinem Lebensende antreibt:
Die Verbindung von Schrift, Zahl
und Ton im Medienverbund wird
von Kittler zunächst im Hebräischen
untersucht, das ja wie das
Griechische noch keine Zahlwörter
kennt bzw. sie noch an die Alphabetschrift
koppelt: „Es ist eine entscheidende
Möglichkeit kabbalistischer
Tora-Deutung, zwei Worte
miteinander vermittelst ihres gleichen
Zahlenwertes zu identifizieren.
Solche Hermeneutik hat eine
historische Basis, die sie ermöglicht:
die Doppelfunktion hebräischer
Buchstaben, die sekundär auch für
Zahlen einstehen“ (S. 77).
In der Konjunktion von Buchstaben
und Zahlen in dem frühen Text
circa 40 Jahre vor „Musik und Mathematik“
sind die Spuren seines
Spätwerks und die Weichenstellung
für seine Ideen bereits aufgehoben.
Gerade dieser Essay macht deutlich
– wie auch einige andere sehr verdichtete
Essays es tun – wie eingehend
sich Kittler bereits als junger
Mensch neben den einfachen Alltagsphänomenen
auch mit solchen
komplizierten Themen so grundlegend
wie scharfsinnig befasst hat.
Deshalb waren Kittlers frühe
Schreibversuche bereits mehr als
die phänomenologisch dialektischen
Beobachtungs- und Beschreibungsversuche
im Umfeld
der Baggerseekultur. Sie müssen als
Schreibübungen gewertet werden,
den Gedanken eines jungen Genies
eine Form zu verleihen. Seine Form
der Essayistik war schon damals
eine ihm eigene Form der Poesie,
die auch später in seinen wissenschaftlichen
Schriften und Monografien
bei anderen Autoren ihresgleichen
sucht und trotz der vielen
Nachahmer gerade deshalb an Originalität
lange auf sich warten lassen
wird. Ganz im Sinne Montaignes,
jenes Ur-Essayisten, wendet
er sich in dieser Zeit noch – und in
einigen seiner Werke auch später oft
genug – sowohl in Themenfindung
als auch stilistisch gegen die Vorgaben
wissenschaftlicher Diktion.
Heidegger, Freiburg, Baggersee
statt Adorno und weite Welt
In einem Interview bekannte er einmal,
dass er Heidegger gegenüber
Adorno den Vorzug gab: „Weil ich
in Freiburg groß geworden bin und
Heidegger liebte, nicht in Frankfurt
studierte und auch nicht besonders
Adorno liebte und alle meine Generationsgenossen
sich adornisieren
ließen in ihrem Stil, habe ich
mir einfach eines schönen Tages
verboten, das Wort „sich“ zu benutzen.“
Da, wo „sich“ und „mich“
und „uns“ keine Rolle mehr spielen,
wird ein analytischer und eiskalter
Blick frei auf die Phänomene selbst.
Und es war ja gerade Martin Heidegger,
der in seiner Bestimmung der
Aufgabe phänomenologischer Forschung
immer wieder die Grundbestimmung
des griechischen Wortes
phainomenon (φαινόμενον) herausgearbeitet
hat: das, was sich selbst
zeigt. Also ohne Verweisungs- und
Bezugscharakter. Es gibt nichts hinter
den Phänomenen.
Die alphabetische Ordnung der
Texte ist eine arbiträre und der oft
nicht mehr auffindbaren Entstehungsdatierungen
der Kittlerschen
Betrachtungen geschuldet. Diese
Weinfeste & Hocks
unter
www.weinland-baden.eu
Katalogisierung legitimiert sich
vor diesem Hintergrund, auch wenn
sich dadurch die zahlreichen und
durchaus vorhandenen Querbezüge
zwischen den Texten erst auf den
zweiten Blick erschließen.
Den Bezug zum titelgebenden
Baggersee indes sucht der Leser
vergeblich. Gemeint ist übrigens
die konkrete und noch heute vorhandene
Kiesgrube vor den Toren
Niederrimsingens mit dem bis heute
klarsten Wasser der Region, wo
die „versammelten Texte vielleicht
nicht geschrieben, jedoch teilweise
ersonnen und diskutiert“ wurden.
Der Baggersee passt wohl eher in
die Stimmung, in der diese Texte
entstanden sind. Inspiriert von
den Themen, „über die im Kreis
der sonnen- und theoriehungrigen
Freunde gesprochen wurde“, liest
man im Vorwort der Herausgeberinnen
Tania Hron und Sandrina
Khaled. „Geistesblitze schlugen
ein zwischen Denken, Schwimmen,
Reden, Lesen, Exzerpieren, Lieben
und alternativen Lebensentwürfen.“
Der Band ist ein Dokument derselben.
Vielleicht war ja für Kittler der
Baggersee sogar ein wenig das, was
für Heidegger die Hütte in Todtnauberg
war, wo beide die Kontemplation
für ihre genuinen Gedanken
fanden.
Wenn es Aufzeichnungen aus seiner
Studienzeit waren, wäre vielleicht
noch spannend gewesen, in
welchem Zusammenhang seine
Betrachtungen und Reminiszensen
zu besuchten Seminaren stehen
könnten – etwa seinem damaligen
Lehrer, dem Indogermanisten Johannes
Lohmann oder auch den immer
wieder mit gebrochener Stimme
als einen seiner liebsten Lehrer
erwähnten Romanisten Horst Ochse,
der 1973 auf einen Lehrstuhl an
die FU Berlin abwanderte. Solche
Bezüge zur Entstehungsgeschichte
hätten interessiert. Nun weiß man
nicht, ob es hierüber überhaupt Anhaltspunkte
gibt. Der Umgang mit
der Themenvielfalt ist daher sicherlich
auch als Protokoll der damaligen
Lektüreeinflüsse zu deuten.
Die Anmerkungen der Herausgeberinnen,
die von akribischer Kleinarbeit
mit Kittlers Aufzeichnungen
zeugen, sowie die ausführliche Bibliographie
legen darüber Zeugnis
ab.
Der Sinus wird weiterschwingen
Seine spätere Spekulations- und
Kombinationsgabe wird in diesen
frühen Schriften erprobt und entdeckt.
Und der Bogen zum Spätwerk
„Musik und Mathematik“
ward aufgespannt. Den markerschütternden
Schrei des Schmetterlings,
jenes wunderbare Poem, das
uns Jim Morrison singt (vgl. Eingangszitat)
und das Kittler im Essay
„Schlaflosigkeit (S. 155) anführt,
vernahm er im Verlauf seines spannenden,
wenn auch viel zu kurzen
Gelehrtenlebens ganz gewiss. Nicht
allein deshalb wird der in Musik
(„das Schönste nach der Liebe“)
und Mathematik („das Schwerste
nach der Treue“) so vortrefflich
beschriebene Sinus dieses Bogens
einer Gitarrensaite (κιθάρα / kithara)
im Anschlag weiterschwingen...
Jens Bodemer
Friedrich Kittler, Baggersee - Frühe
Schriften aus dem Nachlass,
hrsg. von Tania Hron und Sandrina
Khaled, Wilhelm Fink 2015, Euro
24,90
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 7
Die zentralen Gebäude der Albert-
Ludwigs-Universität Freiburg prägen
weithin sichtbar das Stadtbild:
die futuristische UB gegenüber des
altehrwürdigen KG IV in der Freiburger
Innenstadt, das riesige Areal
der Uniklinik oder die modernen
Neubauten der technischen Fakultät
im Freiburger Norden. Weitaus
weniger bekannt ist hingegen die im
Untergrund verborgene Infrastruktur
der Universität.
Hier werden giftige und explosive
Stoffe gelagert, Laborwasser aufbereitet
und gemeinhin dafür gesorgt,
dass in den überirdischen Einrichtungen
effizient, sicher und umweltfreundlich
gearbeitet und geforscht
werden kann.
Der Zugang zu diesen Einrichtungen
bleibt der Öffentlichkeit gemeinhin
verwehrt, doch in diesem
Frühjahr ermöglichte die Universität
erstmals eine Besichtigung der
unterirdischen Keller und Gänge im
Rahmen einer Presseführung.
Das Zentrale Entsorgungslager
Gleich der erste Keller hat es in sich:
Unter dem Gebäude der Mineralogen
und Geologen im Institutsviertel
geht es, vorbei an rohem Beton,
hinab in das Zentrale Sammellager
(ZSL) – die gefährlichste Einrichtung
der Universität. Daran erinnern
Warnhinweise, Signalleuchten
und Gefahrensymbole wie Totenköpfe,
die hier unten fast an jedem
Gegenstand prangen. Hier werden
feste und flüssige Gefahrstoffe aller
Temperaturklassen angeliefert,
umgefüllt und zwischengelagert,
bis Fachfirmen die Stoffe entsorgen.
Der Keller ist einer der vielen Arbeitsplätze
von Dr. Jürgen Steck,
dem Leiter der unterirdischen Führung.
Da er viel Zeit unter der Erde
verbringt, ist er bei Freunden und
Kollegen auch als „der U-Boot-
Kapitän“ bekannt, eigentlich ist
Steck aber Chemiker und als Leiter
der Stabsstelle Umweltschutz auch
für das Entsorgungslager zuständig.
Bevor die zentrale Entsorgungsstelle
2001 in Betrieb genommen
wurde, verfügte jedes Universitätsgebäude,
das mit Gefahrstoffen
arbeitete, über ein eigenes Lager.
Dies war im Vergleich zur heutigen
Die verborgene Universität
Gefährliche Chemikalien, Hightech und lange Gänge: Unter dem Institusviertel geht es fast so geschäftig zu
wie an der Oberfläche
Lösung mit einem erheblichen logistischen
und finanziellen Mehraufwand
verbunden.
Zu den gefährlichsten Stoffen zählt
etwa der hoch entzündliche und
leicht flüchtige Diethyläther, der
in den Laboren als Lösungsmittel
eingesetzt wird. Entsprechend
hoch sind die Arbeitsschutz- und
Sicherheitsbestimmungen. Zum
Dr. Jürgen Steck, Leiter der Stabstelle Umweltschutz, im Zentralen
Entsorgungslager
Infrastruktur- und Versorgungskanal unter dem Institutsviertel
Schutz vor Explosionen dürfen im
laufenden Betrieb keine Schuhe mit
leitenden Sohlen getragen werden.
Elektrische Geräte wie Handys und
Herzschrittmacher sind ebenfalls
Tabu, denn elektrische Signale können
wie Funken, zur Entzündung
von Gasen führen.
Der Keller wurde aus hocharmiertem
Beton erbaut, die Wände
sind mit Stahl und Kunstfasern
verstärkt. Jeder Raum des Entsorgungslagers
hält dadurch einem
Feuer in seinem Inneren mindestens
anderthalb Stunden stand –
genug Zeit für die Feuerwehr, die
im Entsorgungslager regelmäßig
den Ernstfall probt. Bisher habe es
noch nie gebrannt, merkt Dr. Steck
nicht ohne Stolz an. Im absoluten
Notfall würde die mechanische
Löschanlage den Raum nach einem
mehrstufigen, lauten Warnsignal
mit CO² fluten. Jedem Feuer, aber
auch jedem Lebewesen, würde das
unter einem Druck von 200 Bar in
die Räume gepresste Gas den Sauerstoff
entziehen.
Das Zentrale Sammellager wird
indessen nicht allein von der Universität
genutzt. Aufgrund seiner
vorbildhaften Ausstattung und Kapazitäten
liefern auch andere chemische,
biologische oder medizinische
Einrichtungen aus Freiburg
und dem Umland ihre Sonderabfälle
hier an.
Doch nicht nur reine Chemikalien
werden im zentralen Entsorgungslager
angeliefert, auch verunreinigte
Feststoffe wie Glasabfälle oder
Pinzettenspritzen werden hier zur
Verbrennung gesammelt. „Nach einer
Firma, die uns garantiert, dass
die Stoffströme in Europa bleiben
und nicht etwa in Asien oder Afrika
landen, mussten wir lange suchen“,
erklärt Dr. Steck, der auch den Arbeitskreis
„Nachhaltige Universität“
leitet, „aber das war uns und
dem Rektorat ein wichtiges Anliegen.“
Die „Neutra“
Der nächste Stopp führt unter das
Chemiehochhaus in der Albertstraße.
Im Keller befindet sich die
zentrale Abwasseraufbereitungsanlage,
auch Neutra genannt, an die
alle Labore des Institutsviertels
angeschlossen sind. Während Gifte
oder hormonell verunreinigtes Wasser
im Zentralen Entsorgungslager
landen, werden hier saure oder basische
Lösungen neutralisiert.
Bevor das Wasser die vier riesigen,
jeweils 25.000 Liter fassenden
Tanks erreicht, wird es auf Gifte
untersucht und sein pH-Wert ermittelt.
Anhand des Wertes wird die
Menge der Säure oder Lauge bestimmt,
die vonnöten ist, um einen
pH-Wert zwischen sechs und zehn
herzustellen. Das so neutralisierte
Wasser genügt den Ansprüchen der
Kläranlagen und kann somit, nach
erneuter Messung der Werte, in das
allgemeine Abwassersystem abgeleitet
werden.
Während die Reaktoren aus den 70er
Jahren stammen, ist die Prozesssteuerung
auf dem aktuellen Stand der
Technik. Die Anlage läuft vollautomatisch,
für den Fall dass Störungen
auftreten, gibt es einen Bereitschaftsdienst.
„Wir kennen die Arbeitszeiten
der Chemiker nicht, daher wissen wir
auch nicht, wann wir mit welchem
Aufkommen zu rechnen haben“, erklärt
Dr. Steck. „Dafür arbeiten wir
hier mit zwei redundanten Straßen,
die 200.000 Liter pro Stunde neutralisieren
können. Die Uni legt großen
Wert darauf, dass das Abwasser allen
Verordnungen genügt.“
Der Atombunker
Neutralisationsanlage im Keller des Chemiehochhauses
Vom Zentrum für Neurowissenschaften
aus gelangen wir hinab in
den ehemaligen Atomschutzbunker
der Universität. Die massive Bunkertür
erinnert noch an den Zweck
des Kellers, im Inneren ist er jedoch
seit 15 Jahren weitestgehend
demontiert. Vier Funktionsträger
der Universität – wer zu den Privilegierten
zählte, ist nicht mehr bekannt
– hätten hier theoretisch einen
Atomschlag überleben können.
Mittels einer Kurbel konnte gefilterte
Frischluft in den ca. 20 Quadratmeter
kleinen Raum gepumpt werden,
davon abgesehen beschränkten sich
Ausstattung und Komfort auf ein
Plumpsklo und einen Tisch sowie
jeweils vier Stühle und Feldbetten.
Bis zu vier Wochen hätten die Auserkorenen
im Ernstfall auf engstem
Raum verbringen können. Was sie
danach in einer atomar verstrahlten
Stadt hätten ausrichten sollen, ist
ebenfalls nicht überliefert.
Heute befindet sich im ehemaligen
Bunkerraum eine Brandmeldezentrale
und ein Switch des Rechenzentrums.
Der Infrastukturkanal
Die unterirdische Tour mit Dr. Steck
führt uns weiter in die ehemalige
Pathologie. „Auch wenn es nicht
SPEZIAL
so aussieht, dieser Eingang ist eigentlich
internationalen Topwissenschaftlern
vorbehalten“ scherzt Dr.
Steck am Eingang in das FRIAS,
dem Freiburg Institut for Advanced
Studies. Von hier aus gelangen wir
in den Infrastruktur- und Versorgungskanal,
dem längsten Keller der
Universität. Unter dem Institutsviertel
bildet er fast einen geschlossenen
Ring, nur ein Teilstück wartet noch
auf seine Fertigstellung. An den
Wänden und im Boden des Kanals
verlaufen Rohre und Leitungen, sie
sind Teil des hier installierten Kühlkreislaufs.
Von der Klimatisierung der Räume,
über die Kühlung der Server des
Rechenzentrums bis hin zur Anwendung
im Rahmen von Experimenten,
sind diverse universitäre Einrichtungen
auf Kühlung angewiesen.
Früher wurde die Kälte direkt im
jeweiligen Gebäude und meist elektrisch
erzeugt. Mit dem Kanal verfolgt
die Universität das Ziel, alle
Gebäude im Institutsviertel mit diesem
einen Kühlkreislauf zu versorgen
– und damit sowohl Energie zu
sparen als auch allen Forschenden
ideale Bedingungen zu bieten.
In einer Abzweigung des Kanals
macht sich ein Doppelturboverdichter
seit 2012 die Kälte des
Grundwassers zu nutzen. Über einen
Wärmeübertrager gelangt die
Kälte in der Kreislauf. Die hocheffiziente
Kühlmaschine verbraucht
dabei kein Grundwasser, sie „leiht“
es sich nur und gibt es, etwas aufgewärmt,
zurück.
Bevor die Maschine 2012 in Betrieb
ging, wurde in Laboren noch mit
fließendem Leitungswasser gekühlt
– was einerseits eine enorme Wasserverschwendung
bedeutete, sich
gleichzeitig aber nicht annähernd
so gut steuern ließ, wie der heutige
Kühlkreislauf. Heute ist das Verwenden
von Trinkwasser zur Kühlung
an der Universität verboten.
Für die Zukunft plant die Universität,
ein Blockheizkraftwerk im
Versorgungskanal unterzubringen.
Die Vorteile von solcherlei Infrastruktur
in einem begehbaren Kanal:
„Für Wartungen, Reparaturen
und Erweiterungen müssen nicht
erst Bagger anrücken und die Straße
aufreißen. Außerdem hoffen wir auf
Synergieeffekte, wenn alle Gebäude
miteinander verbunden sind“.
Über der Erde lässt sich nicht ansatzweise
erahnen, was im Institutsviertel
unter der Erde vor sich
geht. Die von Dr. Steck, dem U-
Boot-Kapitän der Uni Freiburg, gewährten
Einblicke sind spektakulär
und zeigen vor allem folgendes: mit
welchem Hochdruck und Innovationen
die Universität auch unter der
Erde daran arbeitet, Forschung und
Lehre nachhaltig zu gestalten.
Valentin Heneka
UNIversalis-Zeitung
Für Universität und Hochschulen in Freiburg
IMPRESSUM
Herausgeber:
Helmut Schlieper
Christel Jockers
Verlag:
Art Media Verlagsgesellschaft mbH
Auerstr. 2 • 79108 Freiburg
Telefon: 07 61 / 72 072
Fax: 07 61 / 74 972
e-mail: redaktion@kulturjoker.de
Redaktionsleitung:
Christel Jockers
Autoren dieser Ausgabe:
Jens Bodemer
Dr. Cornelia Frenkel
Valentin Heneka
Marion Klötzer
Georg Rüdiger
Dr. Friederike Zimmermann
u.a.
Grafik:
Christian Oehms
Günther Hieber
Satz:
Barbara Becker
Druck:
Rheinpfalz Verlag und Druckerei
GmbH & Co. KG, Ludwigshafen
Der Nachdruck von Texten und den vom
Verlag gestalteten Anzeigen nur mit ausdrücklicher
Genehmigung des Verlages.
8 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016Sommer
Der Blick geht nach vorne
Die Freiburger Musikhochschule feiert 70-jähriges Jubiläum mit einem Festakt und einer Gala – enge
Kooperation mit der Albert-Ludwigs-Universität im neu gegründeten
„Freiburger Lehr-und Forschungszentrum Musik“
Die Bühne im Konzertsaal der
Freiburger Musikhochschule ist
bis auf den letzten Quadratmeter
ausgefüllt. Neben Chor und Symphonieorchester
umrahmen auch
die Big Band, ein Blockflötenensemble
und mehrere Solisten den
Festakt zum 70-jährigen Jubiläum.
Konzertfach- und Schulmusikstudierende
sind dabei vereint. Die
gesamte Breite der renommierten
Ausbildungsstätte soll an diesem
Morgen musikalisch zu erleben
sein. Der Festakt beginnt mit einer
transparenten Interpretation
des Eröffnungschors von Johann
Sebastian Bachs Kantate „Wachet
auf, ruft uns die Stimme“ unter der
Leitung von Frank Markowitsch.
Auch beim allerersten Konzert in
der neu gegründeten Freiburger
Musikhochschule im Juni 1946
wurde das Werk aufgeführt. Zu
den Interpreten gehörten damals
Fritz Neumeyer am Cembalo und
Margarete von Winterfeld (Sopran),
die spätere Gesangslehrerin
von Fritz Wunderlich.
Den Titel der Kantate versteht
Rektor Rüdiger Nolte dabei durchaus
als Leitmotiv für die Feierlichkeiten:
„Zunächst wollten wir
vermeiden, bei einem Jubiläum nur
zurückzuschauen. Zum anderen
müssen sich meiner Meinung nach
alle deutschen Musikhochschulen
neu orientieren. In Freiburg speziell
möchten wir einen Studiengang
entwickeln, der die musikalische
Ausbildung auf hohem Niveau
belässt, aber breiter ausgerichtet
ist. Vor allem die Musikpädagogik
wird wichtiger. Den Jazz- und
Popbereich haben wir gezielt mit
einer zweiten Professur gestärkt.“
Auch im Festakt ist das zu hören,
wenn die Big Band bei „Wake
up!“ des jungen Freiburger Schulmusikerstudenten
Adrian Goldner
das Festivalmotto in ein grooviges
Gewand kleidet oder am Ende zu
den Fotos aus siebzig Jahren Musikhochschulgeschichte
Kompositionen
der Filmmusikklasse von
Cornelius Schwehr ebenfalls im
Big Band-Sound (Leitung: Axel
Beim Festakt der Freiburger Musikhochschule zum 70jährigen Jubiläum war die gesamte musikalische Breite
der renommierten Ausbildungsstätte zu erleben
Alle Fotos: SWR Sinfonieorchester
Kühn) erklingen. Das Gründungsjahr
1946 ist für Rüdiger Nolte
bemerkenswert: „Ein Jahr nach
dem Kriegsende, das den totalen
materiellen, moralischen und
auch kulturellen Zusammenbruch
für Deutschland bedeutete, hat
der damalige Oberbürgermeister
Wolfgang Hoffmann die Idee, eine
Musikhochschule unter der Leitung
von Gustav Scheck zu gründen.
Diese Prioritätensetzung ist,
wenn man das mit heute vergleicht,
mehr als ungewöhnlich. Immerhin
mussten im zerstörten Freiburg
11.000 Wohnungen gebaut werden.
Dass man in einer solchen Situation
sagt: ‚Wir brauchen Kultur, wir
brauchen Musik, um zu überleben‘
– das spricht mich sehr an. Deshalb
haben wir auch entschieden,
unseren Konzertsaal in Wolfgang-
Hoffmann-Saal umzubenennen“.
Für den Festakt konnte Nolte mit
Hans-Martin Linde sogar einen Studenten
der ersten Jahre als Redner
gewinnen. Im September 1947 hatte
Linde in Freiburg ein Flötenstudium
bei Gustav Scheck begonnen
und Koryphäen wie den Musikwissenschaftler
Reinhold Hammerstein
oder Paul Hindemith als Gastdozent
erlebt. Anschaulich berichtet er von
Hamsterfahrten ins ländliche Umland,
um Kartoffeln für eine warme
Mahlzeit im Gasthaus zu besorgen.
Die Freiburger Musikhochschule
wurde ursprünglich als rein städtische
Einrichtung gegründet. Erst
1948 kam das Land Baden als Mitverwalter
hinzu, ehe dann 1963 die
vollständige Übergabe an das Land
Baden-Württemberg vollzogen
wurde. Wichtige Professorinnen
und Professoren der ersten Jahre
waren Edith Picht-Axenfeld und
Carl Seemann (Klavier), Harald
Genzmer (Komposition) und Konrad
Lechner (Musiktheorie, Chorleitung,
Viola da Gamba). Später
sorgten Persönlichkeiten wie Rainer
Kussmaul (Violine), Aurèle Nicolet
(Flöte), Heinz Holliger (Oboe) oder
Bryan Ferneyhough (Komposition)
für den erstklassigen Ruf der Freiburger
Musikhochschule.
Mit der Gründung des Instituts
für Neue Musik unter Wolfgang
Fortner im Jahr 1965 sorgte man
für ein offenes, experimentelles
Klima, aus dem in den 1980er
Jahren mit dem Ensemble Recherche,
dem Ensemble Aventure
und dem Ensemble SurPlus gleich
drei wichtige Formationen der
Neuen-Musik-Szene hervorgingen.
Aber auch das Freiburger
Barockorchester wurde 1987 von
Petra Müllejans, Gottfried von
der Goltz und Thomas Hengelbrock,
alles Studenten von Rainer
Kussmaul, im Umfeld der Freiburger
Musikhochschule gegründet.
Wichtige Wegmarken waren
der Neubau der Musikhochschule
1984 und die Gründungen der
Institute für historische Aufführungspraxis,
Musiktheater und des
„Freiburger Instituts für Musikermedizin“
(alle 2004), das gemeinsam
mit der Medizinischen Fakultät
und dem Universitätsklinikum
der Albert-Ludwigs-Universität
betrieben wird. Heute bietet die
Freiburger Musikhochschule für
506 Studentinnen und Studenten
aus 47 Ländern eine breite Palette
an künstlerischen, pädagogischen
und wissenschaftlichen Ausbildungen.
Nach den harten Auseinandersetzungen
in Baden-Württemberg zwischen
den fünf Musikhochschulen
in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe,
Trossingen und Freiburg haben sich
die Gemüter wieder beruhigt. „Die
Wogen haben sich geglättet und die
Ergebnisse sind zufriedenstellend“,
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 9
sagt Rüdiger Nolte (65), der im
nächsten Jahr in den Ruhestand
geht. „ Auch die Atmosphäre zwischen
den Musikhochschulen hat
sich entspannt – das konnte ich
gerade auf der jüngsten Rektorenkonferenz
erleben.“ Den Dialog in
Gang gesetzt hat Wissenschaftsministerin
Theresia Bauer, die in ihrer
Rede von den Musikhochschulen
neben der Bewahrung des kulturellen
Erbes auch eine Schwerpunktsetzung
auf Vermittlungsarbeit und
kultureller Bildung erwartet.
Für eine stärkere Profilierung
der Musikhochschulen wurden
fünf neue Landeszentren konzipiert,
von denen die hiesige Hochschule
das „Freiburger Lehr- und
Forschungszentrum Musik“ erhält,
das gemeinsam mit der Albert-
Ludwigs-Universität betrieben
wird und Ende des Jahres seine
Arbeit aufnimmt. Für den Zeitraum
von fünf Jahren finanziert das Land
Baden-Württemberg zwei zusätzliche
Stellen – in Freiburg eine für
Musikermedizin (Mittelbaustelle)
und eine für praxisorientierte Musikvermittlung
(Professur). Insgesamt
fünfzehn Professoren aus
den Bereichen Musikpädagogik,
Musiktheorie, Musikwissenschaft
und Musikermedizin werden das
Landeszentrum betreuen. Man erhofft
sich dadurch eine noch engere
Verbindung von Theorie und
Praxis und längerfristig auch neue
Kombinationen mit Fächern wie
Soziologie oder Informatik. Unabhängig
davon soll auch die künstlerische
Ausbildung reformiert
werden. Im Fach Gitarre wird nun
der genreübergreifende Unterricht
betont. Innerhalb der Klavierausbildung
soll künftig mehr Raum
sein für Improvisation und den
Jazz/Popbereich.
Für Konstantin Dupelius, einer
der beiden politischen Sprecher des
Asta, ist die Musikhochschule Freiburg
damit auf dem richtigen Weg.
„Das Berufsbild des Pianisten hat
sich einfach in den letzten Jahren
sehr verändert. Neben den instrumentalen
Fähigkeiten sind auch
pädagogische gefragt. Wir müssen
uns im Berufsleben breit aufstellen“.
Gerade im Jazz-und Popbereich
sieht er noch Luft nach oben.
„Entsprechende Kurse werden stark
belegt. Hier müsste die Hochschule
noch mehr machen.“
Dass für Schulmusiker bislang
noch keine Angebote bezüglich
einer Jazzchor-Ausbildung bestehen,
verwundert etwas, zumal mit
dem Freiburger Jazzchor unter der
Leitung von Bertrand Gröger ein
Spitzenensemble vor Ort ist. Zumindest
hat man mit Fola Dada
eine Dozentin für Jazzgesang engagiert.
Auch in der Jubiläumsgala
am Abend ist der Pop/Jazz-Bereich
mit der Formation „Snarky Puppy“
um die Sängerin und Keyboarderin
Laura Bollack, der Electronic
Urban Music um Thomas Wiebe
und dem Männerquartett „Herrengedeck“
vertreten, das mit einer
anspruchsvollen A-Cappella-Version
von Stings „Fields Of Gold“
überzeugt.
Den stärksten Eindruck hinterlässt
das Schlagzeugensemble von
Professor Bernhard Wulff mit einer
faszinierend-groovenden Version
von Iannis Xenakis‘ „Rebonds B“.
Aber auch Oper und Operette wird
gegeben. Der Kopfsatz von Mendelssohns
Oktett in Es-Dur erklingt
in einer Fassung für Streichorchester.
Ein Brass-Ensemble trifft auf
Mitglieder des SWR-Sinfonieorchesters,
die der Musikhochschule
mit Wagners „Siegfried-Idyll“ ein
Geburtstagsständchen darbringen.
Am Ende der gelungenen Gala führt
eine Marching Band das Publikum
ins Foyer, wo die Geburtstagsparty
erst richtig losgeht.
Georg Rudiger
10 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
„Er insistierte auf (…) der lebendigen
Rede gegen die Funktionärsfloskeln,
gegen das Reden in Schlagzeilen.
Auf die in Widersprüchen
sich bewegende Dynamik des Meinens
komme es an.“
„[Er] war das Gesicht des Widerstands
gegen die reißende Zeit einer unmenschlichen
Epoche.“
Gert Ueding zu Ernst Bloch
Die „utopischen Stoffe, aus denen
die Erde besteht“, sind noch nicht
aufgezehrt, dass wir sie aber nicht
finden, das gehe auf unsere möglicherweise
verkümmerte Wahrnehmungsweise
zurück, die zu sehr der
Gegenwart verhaftet sei. Das ist ein
bekannter Gedanke aus dem „Geist
der Utopie“ des Philosophen Ernst
Bloch (1885-1977), über den soeben
das eindringliche Porträt „Wo noch
niemand war“. Erinnerungen an
Ernst Bloch erschienen ist, verfasst
von seinem ehemaligen Assistenten
und Schüler Gert Ueding. Das Buch
ist ein Stück Wissenschafts- und
Zeitgeschichte sowie eine Hommage
an den legendären Erzähler, Redner,
Vordenker und leidenschaftlichen
Pfeifenraucher Ernst Bloch.
Gert Ueding (*1942), der bis 2009
Hoffnung, Utopie, aufrechter Gang
Ordinarius für Allgemeine Rhetorik
an der Universität Tübingen war, hat
ein gutes Gedächtnis und eine feine
Beobachtungsgabe. Es gelingt ihm,
Bloch als Menschen zu schildern,
der mit Haut und Haar seinem Denken
verbunden war; dieses verstand
sich wesentlich als prozesshaft und
war nicht primär an Resultaten orientiert.
Gerade dieser Stil, zu dem das
Erzählen gehörte, bescherte Bloch
volle Vorlesungen. Es muss einmalig
gewesen sein, ihm beim Denken zuzuhören,
wenn er „Zeitungsdeutsch
und Bibelton, Märchenwendung und
Lapidar-Floskel zusammenspannte,
(…) Redewendungen gegen den
Strich bürstete, Sprichwörter verballhornte,
klassische Zitate parodierte“.
Er war kein Professor, der im monotonen
Tonfall, mit gesenktem Kopf,
routinemäßig seinen Stoff vom Papier
las, sondern der geborene Redner.
Das bestätigen alle Berichte über
sein Auftreten, seine Wirkung und
seinen buchstäblich pädagogischen
Eros. Ging es um philosophische
Dinge im engeren Sinne, dann war
er bestimmt und nachdenklich; rekurrierte
er in seinen Ausführungen
auf Kunst und Literatur, dann wurde
er mäandernd und oft enthusiastisch.
Was ihn so anziehend und gleichzeitig
respekteinflößend machte,
fragt sich Gert Ueding und schreibt:
„Wo noch niemand war“. Erinnerungen an Ernst Bloch
„Es war das Gesicht des Widerstands
gegen die reißende Zeit einer
unmenschlichen Epoche.“ Dem kulturellen
Leben der jungen Bundesrepublik
verschaffte Bloch Weltruf; er
war ein Zeuge des 20. Jahrhunderts
und bedeutende Personen kreuzen
seinen Weg, darunter Brecht, Weill,
Eisler, Klemperer, Kracauer und
Lukács – zudem Margarete Susmann,
Hugo Ball, Hans Meyer und
Walter Jens.
Ernst Bloch erreichte das Alter
von 92 Jahren, obwohl ihm das Leben
viel zugemutet hatte. Nach dem
Studium in München und Würzburg
lebte er in Berlin. 1932 erschien sein
Werk „Erbschaft dieser Zeit“. 1933
begab er sich ins Exil: nach Zürich,
Wien, Paris, Prag und 1938 in die
USA, er kann 1949 nach Deutschland
zurückkehren und nimmt eine
Professur in Leipzig an. Seine Kritik
am SED-Regime führt jedoch rasch
zu Lehr- und Publikationsverbot und
zu giftigen Auseinandersetzungen
mit der Kultusbürokratie. Während
des Mauerbaus 1961 hält er sich in
Westdeutschland zu einer Vortragsreise
auf und beschließt zu bleiben.
Dank einiger Fürsprecher, vor
allem der Buchhändlerin Julie Gastl
und dem Rektor der Universität (Theodor
Eschenburg) erhält er schließlich
eine Gastprofessur in Tübingen.
Ernst und Karola Bloch
© Ernst-Bloch-Zentrum / Ernst-Bloch-Archiv, Ludwigshafen
Studenten laufen ihm in Scharen zu.
Seine Philosophie setzte auf die Fähigkeiten
des Denkens und des Widerspruchs
gegen alles, was herrschen
und niederzwingen will. Individuelles
Rückgrat sah Bloch als Voraussetzung
für demokratische Entwicklungen.
Das stand in scharfem Kontrast zum
Klima der Nachkriegszeit, in dem
man dem Ende der Nazidiktatur mit
Verdrängung und denkfeindlichem
Arbeitspathos begegnete.
1966 hielt er in der Frankfurter
Paulskirche eine Rede gegen die
Notstandsgesetze. Nach den Anfeindungen
in der DDR schlug
ihm auch in der BRD damals viel
Borniertheit entgegen, an die sich
Viele heute nicht mehr erinnern
wollen: Zahlreiche NS-Täter saßen
in der Regierungsverantwortung,
häufig wurde die Pressefreiheit
angegriffen (der „Spiegel“
etwa wegen angeblichem „Landesverrat“).
Emigranten, etwa
Willy Brandt, Marlene Dietrich
und Heinrich Mann, konnten als
unerwünschte Vaterlandsverräter
diffamiert werden. Theateraufführungen
von Brecht und
Hochhuth („Der Stellvertreter“)
wurden schikaniert; Arno Schmidt
und Günter Grass galten als
Pornographen. In Schulen und
Familien herrschte Dumpfheit
und Unterdrückung des Denkens,
die Justiz war korrupt und verlogen.
Und wer sich für revolutionärdemokratische
Autoren interessierte,
erhielt den Rat „nach drüben zu gehen“.
Liberalere Tendenzen kamen
erst nach und nach zum Zuge. Ernst
Bloch hatte Verständnis für die Studentenbewegung,
widersprach aber
den kunstfeindlichen Plattitüden des
Vulgärmarxismus ebenso wie einer
weit verbreiteten kleinbürgerlichen
Verachtung der Intellektuellen. Sein
Ideal war die undogmatische, nichtautoritäre
Persönlichkeit, die über
den Tellerrand hinausblickt.
Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen
In seiner Geburtsstadt Ludwigshafen
am Rhein besteht seit über zehn
Jahren das Ernst-Bloch-Zentrum,
das mit einer ständigen Ausstellung
über sein Leben und Werk informiert.
Im Untergeschoss ist Blochs
Arbeitszimmer aus der Tübinger Zeit
(1961-1977) mit dem originalen Inventar
rekonstruiert; durch eine begehbare
Glasdecke ist es von oben
einsehbar. Drei Bereiche definieren
die Einrichtung: Archiv, Ausstellung
und Zukunftsforum. Sie dient der
wissenschaftlichen Forschung und
widmet sich als Veranstaltungsort
aktuellen Fragen.
Die Ausstellung bietet über sogenannte
Satelliten einen Zugang
zu Ernst Blochs Themen: Hoffnung
(Utopie und Zukunft), Aufrechter
Gang (Zivilcourage, Bürgergesellschaft),
Künste (Musik, Literatur,
Kunst, Architektur, Design), Naturallianz
(Ökologie, technische Utopien,
Weltraumforschung), Heimat
(kulturelle Identität, Migrationsfragen,
Exil), Arbeitskultur (Zukunft der
Arbeit, Bildung, Informationsgesellschaft),
Religion (Interreligiöse Fragen,
Glauben, Atheismus). Die Themen
werden als veränderbar verstanden,
offen für das „Noch-Nicht“,
weshalb die Satelliten auf Rädern
stehen, bestückt mit transparenten
Modulen und multimedialen
Techniken, die auf das Bloch-
Informations-und Such-System
(BISS) mit PC-Arbeitsplätzen
hinleiten. Blochs Denken dreht
sich um „alle Menschenträume
von einem besseren Leben“ und
die Trotzmacht des Geistes, d.h.
dessen Fähigkeit eine bewusste
Anstrengung zu unternehmen,
auch „das Hoffen zu lernen“, da
sich sonst Ratlosigkeit ausbreite.
Er setzte zudem, gerade in schwierigen
gesellschaftlichen Lagen,
auf die persönliche Freundschaft
und erachtete Utopien als notwendig,
um politisch-sozialen Aufgaben
ihre Richtung zu geben. „Das
Prinzip Hoffnung“, „Spuren“ und
„Experimentum Mundi“ gehören
zu seinen Hauptwerken. Seit
1985 wird im dreijährigen Turnus der
Ernst-Bloch-Preis vergeben; ein jährlicher
Höhepunkt ist die „Zukunftsrede“.
Cornelia Frenkel
● Gert Ueding. Wo noch niemand
war. Erinnerungen an Ernst Bloch.
Klöpfer & Meyer. 2016
● Ernst-Bloch-Zentrum. Walzmühlstr.
63 D–67061 Ludwigshafen.
0621/504 2202. www.bloch.de
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 11
Spieglein, Spieglein in der Stadt
Freiburg im Glück: Die neue UB erweist sich als echtes Juwel
Freiburg hat nun eine aus 500 Spiegelelementen verglaste Unibliothek
Foto: Sandra Meyndt
„Lernt ihr noch oder chillt ihr
schon?“, möchte die Autorin im
bekannten Ikea-Werbe-Slogan den
in der neuen Unibibliothek Studierenden
zurufen. Diese haben ihren
neuen Lerntempel im ersten Jahr
seiner Inbetriebnahme mehr als bestätigt
und in Beschlag genommen.
Vielmehr gelangte dieser Ort zu
solcher Beliebtheit und Attraktivität,
dass er, was seine Arbeitsplätze
anbelangt, von Anfang an aus allen
Nähten platzte.
Wen wundert’s? Schon beim Betreten
des Foyers findet man sich in
einem weitläufigen lichten Raum
wieder, der sowohl nach außen
als auch innen in alle Richtungen
freie Sicht bietet. Eine anmutig
geschwungene Info- und Ausleihtheke
aus hellem Holz nimmt das
raffinierte Spiel mit der Perspektive
auf. Elegantes Mobiliar sorgt in den
oberen Bereichen für klare Raumstrukturen,
lädt im Parlatorium zum
Verweilen ein oder verführt in den
geschmackvoll eingerichteten Lesesälen
zum Arbeiten.
Lesewellness, Wohlfühlfaktor…
Befinde ich mich wirklich in einer
öffentlichen Bibliothek? Ungläubig
sieht sich die Autorin um. Und fragt
sich: Ist eine derart ausgestattete Bibliothek
vielleicht das Zugeständnis
an die zahlenmäßig schwache Generation,
an den demografischen
Wandel? Auf der anderen Seite
scheinen die jungen Leute, wenn
sie das neue Terrain mit ihren
Notebooks eher pragmatisch in
Beschlag nehmen, dieses hochwertige
Ambiente gar nicht besonders
wahrzunehmen. Da wird nicht etwa
begeistert durchs neue Gebäude flaniert.
Gleichwohl ist mit Sicherheit
davon auszugehen, dass sich diese
wunderbar ausgestattete UB regelrecht
inspirierend auf deren Lernerfolge
auswirken wird.
Und damit entspricht sie voll und
ganz den Anforderungen, die man
heute an eine (Universitäts-)Bibliothek
stellt. Wie auch Wohnhäuser
oder Kultstätten lassen sich Bibliotheken
durch die gesamte Menschheitsgeschichte
nachweisen. Seit jeher
kommt diesen also eine immense
gesellschaftliche Bedeutung zu.
Keine andere Bildungs- oder Kultureinrichtung
erreicht einen so hohen
Anteil der Bevölkerung aller Alters-,
Sozial- und Bildungsschichten. Sie
sind Archiv und Sammelbecken für
Wissen, Kompetenz und Lehre, bieten
freien Zugang zu Informationen
und dienen der Kommunikation.
Dennoch sind Überlegungen
und Strategien zur Erbauung einer
zukunftsfähigen Bibliothek stets
ein abenteuerliches Unterfangen.
Und so war auch die Planung dieser
Bibliothek ein sehr komplexes
Vorhaben – zumal es sich hierbei
um eine Universitätsbibliothek mit
(naturgemäß) großem Zulauf handelt
– und stellte an die Leitende
Direktorin Antje Kellersohn und
Karl-Heinz Bühler, den Leiter des
Universitätsbauamts Freiburg, hohe
Anforderungen, denn sie mussten in
Vor der Unibliothek
enger Verzahnung mit dem zuständigen
Architekten Heinrich Degelo
stets das Ganze im Blick behalten.
Hierzu zählte als erste Priorität
die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität
des Bibliotheksgebäudes.
Das bedeutet, die Anordnung der
Arbeits- und Dienstleistungsbereiche
sollte in der Gestaltung
möglichst offen bleiben. Möglichst
große freie Flächen sollten geschaffen
werden, damit die verschiedenen
Abteilungen, Ausgabetheken,
Bücherregale, Leseplätze oder andere
Funktionen der Bibliothek je
nach Zukunftsbedarf und ohne kostspielige
bauliche Änderungen auch
in einen beliebigen anderen Gebäudeteil
versetzt werden können. Auf
diese Weise bleibt die ganze Fläche
multifunktional bespielbar.
Dabei folgten sie der Grundidee,
die Arbeitsplätze aus dem Innenbereich
nach den Außenseiten hin und
umgekehrt die jeweiligen Buchbestände
ins Zentrum der Etage zu
verlagern. Frappierend ist, dass der
Neubau trotz seines um 20 Prozent
verringerten Volumens weitläufiger
und luftiger wirkt als der bisherige
Bau. Das liegt daran, dass sich
mit seinen 30.600 Quadratmetern
zugleich die Nutzfläche mit heute
insgesamt 1.800 Arbeitsplätzen
vergrößert hat. Zu den zentralen
Problemen in stark besuchten Bibliotheken
mit weitgehend offener
Bauweise zählt immer auch der Geräuschpegel,
der durch akustische
Maßnahmen an Einrichtungsgegenständen,
Fußböden oder Decken
eingedämmt werden kann.
Ein Café im Erdgeschoss trägt
den kommunikativen wie leiblichen
Foto: Sandra Meyndt
Bedürfnissen der Nutzer Rechnung.
Ab dem ersten Obergeschoss sind
die Etagen dann zweigeteilt: Im südlichen
Teil befinden sich die Lesesäle,
an denen es sich ruhig arbeiten
lässt. Im nördlichen Teil erstreckt
sich vom ersten bis zum fünften
Obergeschoss das sogenannte Parlatorium
mit den Gruppenarbeitsplätzen,
die mit gemütlichen Sofaecken
oder Sesseln und z.T. sogar
mit Bildschirmen ausgestattet sind.
Wie der Name schon sagt, darf dort
geredet werden. Durch diese kompakte
Anordnung ergeben sich nicht
zuletzt auch kürzere Wege.
Die Verwaltung mit der Direktion
sind im fünften Obergeschoss
angesiedelt, das sechste Stockwerk
beherbergt die Haustechnik. Im ersten
Untergeschoss befindet sich
der Ausleihbereich (früher Freihandmagazin)
mit 700.000 Bänden
und Selbstverbucher-Terminals sowie
eine Fahrradgarage. Die beiden
anderen Untergeschosse fungieren
weiterhin als Magazin, aus denen
Bücher nur bestellt werden können.
Zwingend zählte natürlich auch
der demographische Wandel, der
unsere Bildungs- und Kulturlandschaft
der nächsten Jahrzehnte sehr
stark prägen wird, zu den notwendigen
Überlegungen der Verantwortlichen.
Unsere immer älter
werdende und zugleich zahlenmäßig
schrumpfende Gesellschaft
wird auch für die Bibliotheken der
Zukunft zu einer echten Herausforderung.
Glaubte man hingegen noch vor
wenigen Jahren, Bibliotheken gälten
im digitalen Zeitalter als veraltet
oder gar überflüssig, so erleben
wir heute im Gegenteil einen regelrechten
Boom im Bibliotheksbau.
Zugleich verlagern sich mehr und
mehr die Aufgaben einer öffentlichen
Bibliothek als reinem Bildungsort
und Wissenschaftsstätte
hin zu Räumen für Austausch und
Kommunikation – und damit richtet
sich auch der Fokus zunehmend
auf deren Aufenthaltsqualität. So
gilt es beim Erbauen öffentlicher
Bibliotheken eine Art Gratwanderung
zwischen einem allgemein
zugänglichen Wohnzimmer und
einem öffentlichen Arbeitszimmer
zu meistern. Speziell dem Austausch
unter den Studierenden wird
zunehmend Bedeutung beigemessen,
viel mehr als etwa noch vor
zwanzig Jahren.
Ja, sie hat sich schon sehr verändert,
die altehrwürdige Bibliothek
– und bestimmt nicht zuletzt
aufgrund der allgemeinen Internet-
Vereinsamung, die auf der ganzen
Welt um sich greift. Nun hat Freiburg
also eine aus 500 Spiegelelementen
verglaste Universitätsbibliothek
– mit einem Bestand von
über drei Millionen gedruckter
Medien die größte Bibliothek Südbadens
und eine der vier größten
Bibliotheken innerhalb Baden-
Württembergs –, die zudem optische
wie auch gesellschaftliche
Transparenz bietet und dadurch
nicht mehr nur zwischen den verschiedenen
Fakultäten, den verschiedenen
Altersstufen, sondern
vielleicht künftig auch zwischen
den verschiedenen Bevölkerungsgruppen
zu vermitteln vermag.
Friederike Zimmermann
Stress mit dem Vermieter ?
Kommen Sie zu uns !
Wir können weiterhelfen.
Mieterverein Regio Freiburg e.V
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12 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
Es gibt Momente im Leben, die
mit ihrem Glanz alles überstrahlen,
was schlecht oder einfach nur belanglos
ist. Und es gibt Momente,
die ein ganzes Leben zu überschatten
vermögen. Beides – das besonders
Schöne oder das besonders
Schlimme – findet in der Regel seinen
Niederschlag in Geschichten
oder Gedichten. Jene Szenen aber,
die aus der Banalität des Alltags
gegriffen sind, erscheinen es häufig
nicht wert erzählt zu werden. Dabei
sind sie es, die die wahren Bilder
des Lebens zeichnen, mit all seinen
Höhen und Tiefen.
Solche Momente sind es, die
im Erzählband „Einladung nach
Rumänien“ (Hg. Elsa Lüder) ihre
Schlaglichter auf die Realität eines
Landes werfen, das der „Kenntnis
des Lesers“ trotz der Öffnung nach
1989 noch weithin verschlossen
ist, wie es in der Einleitung heißt.
Darum ist die im Titel formulierte
„Einladung nach Rumänien“ durchaus
mehrdeutig aufzufassen:
Zum einen ist sie das Angebot
an die deutschen Leserinnen und
Leser, aus der Perspektive vorwiegend
jüngerer Erzähler am
rumänischen Leben teilzuhaben
und dadurch die Menschen ein
wenig kennenzulernen. Zum anderen
ist sie aber auch eine Aufforderung,
mit all den guten wie schlechten
Klischees über Land und Leute
endlich aufzuräumen und sich dem
melancholischen Witz in den Erzählungen
zu stellen.
Dann nämlich wird man mit einer
unsäglichen Lust am Lesen belohnt,
die diese vielfältigen Bilder aus unterschiedlichen
Zeiten unweigerlich
auslösen. Ist doch der Perspektivwechsel
zwischen den zeitgenössischen
Autoren und den wenigen
Texten „älterer“ Meister besonders
Absurditäten des Alltags
Überaus großes Lesevergnügen: Der Erzählband „Einladung nach Rumänien“
aufschlussreich, da letztere
den Bodensatz abbilden, aus
dem die Jungen hervorgegangen
sind.
Die Wende von 1990
brachte in Rumänien „nicht
nur die seit langem ersehnte
Freiheit“ mit sich, sondern
auch „die Bürde, damit umzugehen“.
Häufig ist vom
„Unglück, das die Revolution
mit sich brachte“ die
Rede, denn wie immer bei
einer Revolution wurden
auch hier nicht nur ungeliebte
überkommene Werte zerschlagen,
sondern mit ihnen
auch geliebte alte Bräuche
über Bord geworfen. Dieses
Thema, jener Wandel von alt
nach neu, die Zerrissenheit
zwischen Melancholie und
Zuversicht, dieser Schwebezustand
zwischen einem
Nicht-Mehr und dem Noch-
Nicht ist in nahezu allen Geschichten
dieser Sammlung
deutlich spürbar.
Ausgewählt wurden neben
den „Klassikern“ Ion Luca
Caragiale, Alexandru Macedonski
oder Calistrat Hogaş
vorwiegend unbekannte junge
Autorinnen und Autoren
Rumäniens, deren Texte von
Studierenden der Literaturund
Sprachwissenschaft der
Freiburger Universität, deren
Fakultät auch die Herausgeberin
Elsa Lüder angehört,
mit (man darf es so ausdrücken)
großer Feinheit und
einer offenkundigen Liebe
zur rumänischen Sprache
übersetzt wurden. Auch ein Text
des aus Rumänien stammenden
und in Freiburg wohlbekannten Lyrikers
und Universitätsprofessors
Paul Miron ist darunter; eine zärtliche
Liebeserklärung an das eigene
Volk, die zugleich einen Hauch von
Schwermut verströmt.
Es sind Momente, die vorbeihuschen
wie zufällig aus einem Leben
gegriffen, irgendwo in diesem
Land, das so viele Ethnien und
noch mehr Gesichter hat. Es
ist, als zoomte jemand einen
beliebigen kleinen Flecken
dieses Landes heran, um
diesen dann für den Leser
auszuleuchten. Zum Beispiel
in der Geschichte über
den kleinen Tănase, der Gedenktafelschriftsteller
wurde
(Daniela Gherghina) und somit
mit Inbrunst sein ganzes
Leben dem Verfassen von
blumig-illustren Trauertexten
verschrieb, die (kenntlich
durch Schrägstellung der
Buchstaben) die Erzählung
immer wieder durchkreuzen
– ein wunderbar komisches
kleines Universum inmitten
von Bukarest.
Andere Erzählungen haben
fast dokumentarischen
Charakter, schildern die
Vergeblichkeit des mühseligen
Alltags. Daneben gibt
es auch beispielhafte schöne
Ereignisse, etwa als eine Sozialarbeiterin
ein behindertes
Kind adoptiert und ihm so zu
einem menschenwürdigen
Dasein verhilft (Dan Lungu,
„Der Bub“).
Auffällig ist ein gewisses
Selbstverständnis, das den
älteren Erzählungen noch
anhaftet. Eine Art rumänischer
Identität, die wie
ein intaktes Mosaik anmutet.
Hier ist noch Raum für
Idylle. Diese scheint sich in
den späteren Geschichten
verloren zu haben, da die
verschiedenen Löcher im
Mosaik schmerzhaft zutage
treten. Beschrieben wird ein „Land,
in dem wir nicht mehr wussten, wer
wir sind, das wir so oft mit Verdruss
betrachteten, das wir empfanden,
wie ein notwendiges Übel, wie Fusel
oder eine Zigarette ohne Filter
– ein Land, in dem Gut und Böse
so ineinander übergehen, dass man
nie weiß, woran man ist.“ (Călin
Torsan, „Die Leierkastenmänner“)
Sinnbildlich zeigt die junge Adina
Popesca in ihrer Geschichte („Barbu
Marilena“) anhand der Klassenhierarchie
in einer Grundschule die
Gebräuche von Bevorzugung und
Bestechung auf. Es menschelt eben
überall. Auch in Sorin Ion Stoicas
augenzwinkernder Beschreibung
einer „Dörfliche(n) Berichterstattung
eines Fußballspiels“, die diese
Situation so köstlich lebensnah
einzufangen vermochte. Oder in
der selbstironischen Schilderung
eines Besuchs von Bandmusikern
in Deutschland (Călin Torsans), wobei
der Blick des Rumänen auf die
deutschen Gastgeber mehr über sein
Volk verrät als es die umgekehrte
Sichtweise je vermocht hätte.
Die Absurditäten des Alltags ans
Licht zu holen – dafür erweisen sich
die Rumänen wahrlich als Spezialisten.
Immer wieder fühlt man sich
an den Satiriker Ephraim Kishon
oder die grotesken Geschichten Daniil
Charms erinnert. Ihr Humor war
seit jeher die bewährte Wunderwaffe
der Rumänen gegen all die Zwänge
und Einschränkungen, die das
Volk Jahrhunderte lang aushalten
musste und zum großen Teil noch
heute aushalten muss. Wie stellte
schon Michelangelo lakonisch fest:
„Aus dem Leide schöpft die Kunst
die erhabensten Eingebungen.“
Elsa Lüder (Hg.): „Einladung
nach Rumänien. Klassische und
moderne Erzählungen“, 33 Texte
und AutorInnen, 356 Seiten, Edition
Noack & Block, ISBN: 978-3-
86813-032-4, 19,80 Euro.
Friederike Zimmermann
Emotionales Grundnahrungsmittel
„Musik mit Leib und Seele“: Ein Plädoyer von Claudia Spahn und Bernhard Richter
Es gibt nur wenige Dinge in
unserem Leben, die uns derart beglücken
oder beeinflussen wie die
Musik. Sie begleitet uns überall, sei
es im Supermarkt oder im Restaurant,
zu Hause beim Kochen oder
im Wald beim Joggen, im Aufzug
oder in der Warteschleife beim Telefonieren.
Dennoch sind sich die
Wenigsten ihrer wahren Bedeutung
für unser Leben überhaupt bewusst.
Durch die Bilderflut in den Medien
verkümmert die Fähigkeit des Hörens
immer mehr. So ist eine Verlagerung
von der sprachlich-auditiven
hin zur visuellen Information
zu beobachten, eine Verschiebung
vom Wort zum Bild – vom Ohr zum
Auge.
Aus diesem Grund verfassten
Claudia Spahn und Bernhard Richter,
seit zehn Jahren Leiter des Freiburger
Instituts für Musikermedizin
(FIM), ihr neuestes Buch „Musik
mit Leib und Seele. Was wir mit
Musik machen und sie mit uns“.
Musikalisches Empfinden sei eine
Art „emotionales Grundnahrungsmittel“,
lautet ihr leidenschaftliches
Credo, das Hören, respektive die
Musik elementar für viele Prozesse
im Körper. Man denke nur an deren
stimmungsaufhellende Wirkung.
Das Ohr als direkter Zugang zur
Seele fungiere wie eine Art emotionales
Tor.
Daher sei es ihnen ein „Herzensanliegen“,
das Thema Musik
aus unterschiedlichen Perspektiven
zu beleuchten: „Musik schafft
Raum für Muße und Kreativität,
Musizieren fördert Gemeinschaft
und Gesundheit, Musik vermittelt
die kulturelle Identität der Gesellschaft
– und mit Musik ist das Leben
einfach schöner“, schwärmt
Claudia Spahn im Vorwort und
stellt dem Leser in zehn Essays in
Aussicht, „welche wichtigen Funktionen
Musik gerade heute in unserem
kulturellen Leben einnimmt,
weshalb die Stimme der Spiegel der
Seele ist und warum Rituale auf der
Bühne wichtig sind“. Und Bernhard
Richter zeigt sich überzeugt: „Egal
ob Berufsmusiker, begeisterter
Musikliebhaber oder passionierter
Badewannensänger – dieses Buch
richtet sich an alle, die neugierig
darauf sind, was Musik uns alles
zu bieten hat, und die sich einen
Alltag ohne Musik nicht vorstellen
können.“
Nun wurde über das Phänomen
Musik schon viel geforscht und geschrieben,
doch wirklich beschreiben
lässt es sich nicht. Allein deren
parallele Entwicklung zur Sprache
ist ein weites Feld, kurzum, an
diesem Thema haben sich schon
viele kompetente Wissenschaftler
die Zähne ausgebissen. Warum es
also nicht einmal von einer anderen
Seite aus beleuchten, sagten sich
die beiden Autoren, und zwar von
„Leib und Seele“ aus. Zweifellos
ein interessanter Ansatz, den die
beiden Autoren kraft ihrer Mehrfachkompetenzen
– beide studierten
Musik und Medizin – verfolgen.
Schließlich waren Musik und Gesundheit
schon für
die deutsche Mystikerin,
Äbtissin und
Heilkundlerin Hildegard
von Biengen
aus dem 11. Jahrhundert
untrennbar
verbunden.
Freudig erwartet
der Leser nun einen
so leidenschaftlichen
wie erhellenden Diskurs.
Ersteren bekommt
er auch, doch
fällt dieser leider etwas
unsortiert aus.
So lautet etwa das
Kapitel 5: „Mozarts
›Zauberflöte‹ - die
Kraft der Musik“.
Es folgen im Kapitel
6 „Das Ohr – Tor
zur Seele“, sowie
in Kapitel 7 „›Hoppe,
hoppe Reiter‹
- Musik und Spracherwerb“–
und so
weiter. Flammende
Plädoyers wechseln
sich ab mit pseudowissenschaftlichen
Exkursen. Berühmte Sänger
aller musikalischen Genres (Elvis
Presley, Maria Callas…), allseits
bekannte Soundtracks („Dschungelbuch“),
Arien und Komponisten
(Mozarts „Zauberflöte“…)
kommen aufs Tapet, gespickt mit
biologischen und evolutionstheoretischen
Theorien. All diese Ausführungen
weisen jedoch keine einzige
Fußnote auf, die das Ganze etwa
nachvollziehbar machten.
Hie und da flackert beim Lesen
Interesse auf, als es zum Beispiel
um die Stimme Christina Aguileras
und die musikalischen Elemente der
Sprache – genannt Prosodie – geht:
„Zum Teil singt sie die
Töne sehr behaucht, zum
Teil sehr rau, eine kräftige
Beltingstimme wechselt
mit einer ›schwachen‹,
kindlich anmutenden Kopfstimme
ab; […] Emotional
entsteht so ein Gefühls-chaos
– man weiß nicht mehr,
ob der Beschützer- oder der
Don Juan-Instinkt angesprochen
wird.“ Gespannt
möchte man nun wissen,
was diese stimmliche Mode
unter den heutigen Pop-
Sängerinnen zu bedeuten
hat, was sie aussagt über
die Verfassung unserer Jugend,
über die heutige Zeit
– schließlich lässt sich eine
Zeit durch nichts besser
rekapitulieren als durch
die sie prägende Musik…
Aber nein, nichts, der Inhalt
biegt ab und verliert sich
wieder in Allgemeinplätzen
wie: „Die Stimme ist
als Ausdrucksorgan neben
der sehr variablen Prosodie
gleichzeitig auch Träger unserer
Persönlichkeit.“
Das Buch vermag also nicht, was
die Musik vermag: Es versetzt uns
in keinen Rausch, die ekstatischen
Momente beglückender Erkenntnis
bleiben aus. Immer wieder wird
zwar ein Thema philosophisch angerissen.
Sobald es aber spannend
wird, verweisen die Autoren auf
eine weiterführende Lektüre, deren
Quelle dann im Anhang aufgeführt
ist. Mehr und mehr beschleicht einen
das Gefühl, als verweigerten
sich die Texte regelrecht in eine
Materie einzutauchen.
Diese Essays sind Spaziergänge
ohne klaren Hinweis, wohin die Gedanken
tragen werden. Stattdessen
wechseln die Autoren hin und her
zwischen subjektiver Anschauung
und vermeintlich objektiver Fakten
und genügen sich in ihren gedanklichen
Ausschweifungen selbst. Einen
wissenschaftlichen Anspruch
stellten sie an sich auch gar nicht,
„unterhaltsam und kurzweilig“
sollte die Lektüre sein, die Auswahl
der Themen zwanglos. Das Ganze
wurde denn auch in durchaus vergnüglichem
Stil verfasst, dessen
schwärmerischer Grundton sicherlich
den ein oder anderen zu fesseln
vermag.
„Musik mit Leib und Seele – Was
wir mit Musik machen und sie mit
uns“ von Claudia Spahn und Bernhard
Richter, Schattauer Verlag,
ISBN: 978-3794531295, 232 Seiten,
10 Abb. 19,99 Euro.
Friederike Zimmermann
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 13
Frauen in der Kunst des 20. Jahrhunderts
Neue Ausstellungen, Kataloge, Bücher
Hannah Höch: „Entartet“ - Eine Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim zeigt noch bis 14. August 2016 die Retrospektive „Hannah Höch.
Revolutionärin der Kunst“
Frauen in der Kunst? Man gehe
durch ein beliebiges Museum und
stelle fest: Fast alle ausgestellten
Bilder stammen von Männern und
Frauen müssen nackt sein, um in
die heiligen Hallen zu gelangen.
Mit solchen Feststellungen haben
die sogenannten „Guerilla Girls“
in den 1980er Jahren die Kunstszene
provoziert. Bereits im Jahrzehnt
vorher gab es Versuche,
die Dominanz der Männer in der
Kunst aufzubrechen: Sie erhalten
die meisten Ausstellungen, so erzielen
ihre Werke Höchstpreise
und sie besetzen die Mehrzahl der
Professuren an den Akademien.
Und all dies spielt sich auf einem
gesellschaftlichen Sektor ab, der
sich als unkonventionell versteht?
Erst seit dem 20. Jahrhundert
werden Künstlerinnen zunehmend
wahrgenommen und Vorurteile allmählich
abgebaut; da sie lange unterschätzt
wurden, sind aber viele
ihrer Werke verloren gegangen
oder nie gezeigt worden. In den
letzten zwei Jahren hat man verschiedene
neue Anläufe gemacht,
um diesbezügliche Ausstellungen
zu organisieren. Diese sind mit viel
Recherche-Aufwand verbunden,
weshalb die gleichzeitig entstehenden
Publikationen, die Unbekanntes
oft erstmals dokumentieren, sehr
wichtig sind. Unter dem Titel „Die
Malweiber von Paris. Deutsche
Künstlerinnen im Aufbruch“ hat die
Kunsthistorikerin Kathrin Umbach
kürzlich für das Edwin Scharff Museum
in Neu-Ulm eine Ausstellung
erarbeitet, die danach in Aschaffenburg
gezeigt wurde - ein ausgezeichneter
Katalog ist geblieben.
Die „Malweiber“
Noch um 1900 war verpönt, dass
eine Frau Malerin oder Bildhauerin
werden wollte. Nur in Paris
belächelte man die sogenannten
„Malweiber“- so der Titel einer Karikatur
von Bruno Paul im „Simplicissimus“
- damals nicht. Deshalb
wurde die Stadt zum Sehnsuchtsziel
für Künstlerinnen aus aller Welt, die
u.a. zu den Akademien Colarossi,
Grande-Chaumière und Julian pilgerten.
Hier durften sie gemeinsam
mit Männern in „classes mixtes“
malen, der Anatomie- und Aktunterricht
stand allen offen; das war
in Deutschland zu dieser Zeit noch
undenkbar, hier hatten Frauen erst
ab 1919 Zugang zu den Akademien.
Wer sich vorher der Konvention
widersetzte, brach nach Paris auf,
etwa Paula Modersohn-Becker.
Dort hatte, neben den genannten
Akademien, Henri Matisse (1869-
1954) 1908 eine private „Académie“
gegründet, die etwa von den
Malerinnen Annemarie Kruse,
Marg Moll und Martha Bernstein
besucht wurde. Zudem gab Auguste
Rodin in seinem Atelier Unterricht,
Käthe Kollwitz besuchte ihn oft;
Rodin hat auch das Werk der Bildhauerin
Clara Westhoff geprägt.
Letztere besuchte – ebenso wie
Ida Gerhardi und Maria Slavona -
einen Anatomiekurs in der École
des Beaux-Arts. Die Pionierinnen
des Aktzeichnens trugen jedoch
selbst noch lange, hochgeschlossene
Kleider – und mitunter einen
modernen Hut. Für Künstlerinnen,
die an der Wende zum 20. Jahrhundert
dem erzkonservativen deutschen
Kaiserreich zu entkommen
suchten, war Paris ein Leuchtturm
für die unterschiedlichsten Zielsetzungen,
die etwa im Café du Dôme
am Boulevard Montparnasse debattiert
wurden. Zwar existierten in
München und Stuttgart kleine Privatschulen
und Damenakademien,
die Aufnahme von Frauen hing
jedoch von der Zahlungsfähigkeit
und Erlaubnis eines männlichen
Vormunds ab. Oder war es ausreichend,
jung und hübsch zu sein?
So sah noch 1930 der Kunstkritiker
Julius Meier-Graefe die Bedeutung
von Frauen in der Kunst.
1971 beantwortete die Kunsthistorikerin
Linda Nochlin die Frage,
warum es so wenig große Künstlerinnen
gegeben hat, mit der einfachen
Antwort: Es fehlten einfach
die Voraussetzungen, da Frauen
lange zu keiner künstlerischen
Ausbildung zugelassen waren. Ausnahmen,
die sich meist besonderen
Vätern verdanken, hat es gegeben,
etwa Elisabeth Vigée-Le Brun, Angelika
Kauffmann (1741-1895),
Rosa Bonheur (1822-1899), Mary
Cassat (1844-1926) und Berthe
Morisot (1841-1895); letztere war
an allen Ausstellungen der Impressionisten
beteiligt.
Künstlerinnen auf dem Weg in
die Moderne
Allen Hindernissen zum Trotz
wächst um die Wende zum 20.
Jahrhundert eine Generation von
Künstlerinnen, die sich parallel zum
etablierten Betrieb eine fundierte
Bildung verschaffte und gleichzeitig
am Weg der deutschen Kunst
in die Moderne mitwirkte; die bekanntesten
sind Paula Modersohn-
Becker, Marianne von Werefkin,
Gabriele Münter, Käthe Kollwitz,
Sabine Lepsius, Hannah Höch,
Jeanne Mammen. Sehr lang ist aber
die Liste der hervorragenden Malerinnen,
die relativ unbekannt blieben,
darunter etwa Maria Slavona,
Ida Gerhardi, Anita Rée, Helene
Funke, Maria Caspar-Filser, Julie
Wolfthorn, Ida Kerkovius. Eine
kürzlich in der Kunsthalle Bielefeld
gezeigte Ausstellung „Einfühlung
und Abstraktion. Die Moderne der
Frauen in Deutschland“ hat eben
dieses Kunstschaffen von Frauen,
vom späten 19. Jahrhundert bis zu
den 1930er Jahren, aufgezeigt und
einen Bogen zu späteren Positionen
gespannt, etwa zu Meret Oppenheim,
Maria Lassnig und Christa
Näher. Ein Katalog mit Abbildungen,
Biographien und Essays ist
als wichtiges Dokument geblieben.
Sturm-Frauen
Für Künstlerinnen gab es nicht
zuletzt im Ausstellungsbereich viele
Hindernisse. Der Kunstkenner und
Musiker Herwarth Walden, der 1910
die Zeitschrift „Der Sturm“ sowie
eine gleichnamige Galerie in Berlin
gegründet hat, bildete in der damals
männlich geprägten Kunstszene die
Ausnahme. Er versammelte nicht
nur Kandinsky, Marc, Chagall, Klee
sowie etwa die späteren Dadaisten
Hausmann und Schwitters um sich;
Walden hat auch wesentlich dazu
beigetragen, dass Künstlerinnen
gemeinsam mit männlichen Kollegen
ausstellen konnten, darunter
Natalija Gontscharowa, Sonia Delaunay,
Gabriele Münter, Marianne
von Werefkin und die wegweisende
Alexandra Exter. Diesen weiblichen
Beitrag zur Kunst vor und nach dem
Ersten Weltkrieg hat kürzlich die
Frankfurter Kunsthalle Schirn mit
der Ausstellung „Sturm-Frauen.
Künstlerinnen der Avantgarde
in Berlin 1910 – 1932“ erstmals
konzentriert aufgearbeitet. Zudem
wurde ein gewichtiger Katalog zu
diesen Vertreterinnen des frühen
20. Jahrhunderts ediert; deren Spektrum
reicht von Expressionismus
über Kubismus, Konstruktivismus
bis zur Neuen Sachlichkeit. Die
Dichterin Else Lasker-Schüler hat
Herwarth Walden als „den größten
Künstler und tiefsten Idealisten“ bezeichnet,
den sie je getroffen habe.
Die schwedische Künstlerin Nelly
Roslund hatte übrigens zentralen
Einfluss auf Waldens Ausstellungspraxis.
Agieren im Künstlerpaar
Viele Künstlerinnen zu Beginn
des Jahrhunderts agierten im Künstlerpaar,
etwa Gabriele Münter, Lebensgefährtin
von Kandinsky, oder
Marianne von Werefkin (1860-
1938), Gefährtin von Alexej Jawlensky,
wobei ihr innovatives Potential
oft von Männern absorbiert
wurde. Teil eines Künstlerpaares
war auch Sonia Delaunay, die Textilien
als Farbträger für ihre Arbeiten
entdeckte. Die Französin Marcelle
Cahn verschrieb sich dagegen der
konstruktiven Abstraktion, ebenso
die belgische Künstlerin Marthe
Donas; letztere legte sich das Pseudonym
„Tour Donas“ zu, um ihren
weiblichen Namen zu verdecken.
Auch Else Lasker-Schüler legte sich
mit „Prinz Yussuf“ ein männliches
Alter Ego zu, indessen Marianne
von Werefkin zum Neutrum werden
wollte. Das klassische Zurückstecken
zugunsten von Ehemann oder
Familie findet sich bei Magda Langenstrass-Uhlig,
Mathilde Vollmoeller-Purrmann
sowie Maria Marc.
Weitere wichtige Künstlerinnen des
beginnenden 20. Jahrhunderts sind:
Jacoba van Heemskerck, Hilla von
Rebay, Emmy Klinker und Maria
Uhden; letztere verstarb sehr jung
im Kindbett, wie es damals häufig
vorkam.
Mehrere dieser Künstlerinnen
greifen mit ihren Arbeiten übrigens
auf die Bühnenkunst aus, haben Marionetten
geschaffen und verbinden
Bewegungskonzepte mit Verwandlungslust.
Insgesamt scheint der
Übergang zu den angewandten und
performativen Künsten bei Künstlerinnen
fließender gewesen zu sein
als bei ihren männlichen Kollegen,
was auch damit zusammen hängt,
dass ihnen Kunstgewerbeschulen
und Theater eher offen standen als
Akademien.
Dada-Frauen
2016 wird hundert Jahre Dada
gefeiert, und bei dieser Gelegenheit
werden auch die beteiligten
Frauen besonders hervorgehoben,
etwa mit der Ausstellung „Die
Dada. Wie Frauen Dada prägten“.
Ein gründlich recherchierter
Begleitkatalog befasst sich mit
Sophie Taeuber (1889-1943),
Hannah Höch (1889-1978), Elsa
von Freytag-Loringhoven (1874-
1927), Angelika Hoerle, Céline
Arnauld, Luise Straus-Ernst und
anderen markanten Figuren, die als
Bildende Künstlerinnen, Schriftstellerinnen,
Musikerinnen, Tänzerinnen,
Verlegerinnen und Musen
an der Dada-Bewegung entscheidend
mitwirkten. Oft standen
sie im Schatten ihrer männlichen
Mitstreiter, nämlich Hans Arp,
14 UNIversalis-Zeitung Sommer 2016
Raoul Hausmann, Marcel Duchamp,
Man Ray und Tristan Tzara
– doch das Milieu bot ihnen auch
eine Chance. Während die Arbeiten
von Sophie Taeuber und Hannah
Höch mittlerweile weltweit
in Ausstellungen gezeigt werden,
ist Elsa von Freytag-Loringhoven
weitgehend unbekannt geblieben.
Ebenso geht es der jung verstorbenen
Angelika Hoerle, die sich
im Kreis von Dada-Köln bewegte
und nur 35 Werke hinterlassen hat.
Zu ihr ist dieses Jahr eine fiktive
Biographie erschienen „Die Welt
zerschlagen. Die Geschichte der
Dada-Künstlerin Angelika Hoerle“
(Autorin Uta Bales), die das
schmerzliche Schicksal dieser
Künstlerin verarbeitet.
Hannah Höch gehört zu den bekanntesten
Dadaistinnen und wird
zum 100jährigen Jubiläum mit einer
Einzelausstellung bedacht, die
zunächst im Kunsthaus Stade zu
sehen war und aktuell in der Kunsthalle
Mannheim läuft: „Vorhang auf
für Hannah Höch“. Ausstellung und
Katalog werfen einen neuen Blick
auf Höchs Werk, indem sie Collagen
von ihr zeigen, die Themen wie
auf einer Theaterbühne inszenieren
und sich in Form von Masken
und maskenartigen Gesichtern mit
männlichen und weiblichen Rollen
auseinandersetzen.
Eine bedeutende Dada-Protagonistin
ist auch Emmy Hennings,
die 1916 zusammen mit Hugo Ball
das legendäre Cabaret Voltaire in
Zürich gegründet hat und nach dessen
frühem Tod (1927) seine Nachlassverwalterin
und Biografin war.
Ihre eigenen Texte, die verstreut
in Zeitungen oder kleinen, längst
vergriffenen Ausgaben erschienen,
werden nun erstmals in einer kommentierten
Studienausgabe herausgegeben
und können so überhaupt
entdeckt werden. Es sind spannende
Texte, die nicht nur Einblick
in Hennings‘ Seelenleben geben,
sondern auch die Kunstszene zu
Beginn des 20. Jahrhunderts erhellen.
Mit den Dada-Pionierinnen
stehen übrigens viele zeitgenössische
Künstlerinnen im Dialog.
Germaine Richier, Ré Soupault …
Frausein allein ist kein Programm,
das haben sie sich alle hinter die
Ohren geschrieben.
Neueste Veröffentlichungen:
● Katrin Umbach. Die Malweiber
von Paris. Deutsche Künstlerinnen
im Aufbruch. H. Gutbrod (Hg.).
Gebr. Mann Verlag. Berlin 2015
● Die Moderne der Frauen.
Einfühlung und Abstraktion. Jutta
Hülsewig-Johnen, Henrike Mund
(Hg.). Kunsthalle Bielefeld. Katalog:
Wienand Verlag 2015
● Sturm-Frauen. Künstlerinnen
der Avantgarde in Berlin 1910-
1932. Ingrid Pfeiffer und Max
Hollein (Hg.). Kunsthalle Schirn
Frankfurt. Katalog: Wienand Verlag
2015
●Vorhang auf für Hannah Höch.
S. Möllers, A. Schäfer u.a. (Hg.).
Michael Imhof Verlag 2016
● Hannah Höch. Revolutionärin
der Kunst. Das Werk nach 1945.
Inge Herold / Karoline Hille (Hg.).
Edition Braus. Berlin 2016
● Ina Boesch (Hg.). Die Dada.
Wie Frauen Dada prägten. Verlag
Scheidegger & Spiess. Zürich 2015
● Uta Bales. Die Welt zerschlagen!
Die Geschichte der Dada-
Künstlerin Angelika Hoerle. Roman.
Rhein-Mosel-Verlag. Zell
2016
● Emmy Hennings. Gefängnis
- Das graue Haus - Das Haus im
Schatten. Schweizerisches Literaturarchiv
(Hg.). 576 S., zahlr. Abb..
Wallstein Verlag. 2016
● Christa Baumberger, Nicola
Behrmann. Emmy Hennings Dada.
Scheidegger & Spiess. Zürich 2015
● Bärbel Reetz. Das Paradies
war für uns. Emmy Hennings und
Hugo Ball. Suhrkamp 2016
● Maria Marc. „Das Herz droht
mir manchmal zu zerspringen“.
Mein Leben mit Franz Marc. Brigitte
Roßbeck (Hg.). Siedler Verlag
2016
Standardwerke:
● Renate Berger. Malerinnen auf
dem Weg ins 20. Jahrhundert. Du-
Mont Verlag 1982
● Isabel Schulz. Künstlerinnen.
Leben – Werk – Rezeption. Zweitausendeins.
1991
Cornelia Frenkel
Sommer 2016 UNIversalis-Zeitung 15
„Meine Philosophie zielt einzig
darauf ab, mich mit mir selbst
vertraut zu machen (…), mein
Unbestimmtes zu vermindern (…).“
Paul Valéry
Es gibt einen Anlass, den großen
Europäer Paul Valéry (1871 – 1945)
in Erinnerung zu rufen, nämlich
eine endlich erfolgte Taschenbuchausgabe
einer Auswahl seiner
„Denkhefte“. Für viele Autoren ist
und war er eine Referenz, so haben
sich etwa André Gide, Jules Renard,
Harry Graf Kessler, Thomas Mann,
Elias Canetti und Hannah Arendt
auf diesen Autor bezogen, für den
geistige Arbeit auf Übung, Widerspruch
und Selbstreflexion beruht.
Aber Valérys Interesse galt auch
der Krise der europäischen Kultur
und den deutsch-französischen Beziehungen
während und zwischen
den beiden Weltkriegen. In Berlin
sprach er 1926 vor prominentem
Publikum über die Freiheit des
Denkens und Europas Verantwortung
für den Frieden. Er war Mitglied
der Academie Française, viele
Jahre Präsident des P.E.N.-Clubs
und wirkte im Völkerbund mit.
Auf der Suche nach Eigenständigkeit
hat er sein Gehirn wie eine
Wiese abgegrast, um es mit seinem
eigenen Bild zu sagen. Damit steht
er in der französischen Tradition
einer Form des Schreibens, deren
Möglichkeiten erstmals Michel de
Montaigne erkundet hat: ein skeptisches
Reflektieren, das nicht unbedingt
zu allgemeinverbindlicher
„Ich grase meine Gehirnwiese ab“
Erkenntnis führt, aber doch zu Aufschlüssen
darüber, wie das Denken
funktioniert. Um seinen Innenraum
in ruhiger Aufrichtigkeit zu inspizieren,
hat Paul Valéry über ein
halbes Jahrhundert lang seine sogenannten
„Cahiers“ geführt. Vor
fünf Jahren ist daraus eine Auswahl
– unter dem Titel „Ich grase meine
Gehirnwiese ab“ – in der Anderen
Bibliothek ediert worden. Der Band
liegt nun als Taschenbuch vor.
„Die meisten tummeln sich an
der Oberfläche ihrer Natur.
Manche tauchen nackt ein. Andere
mit Tauchgerät.“
Paul Valéry
„Cahiers - Denkhefte“
In 263 einfachen Schulheften, die
er über fünfzig Jahre hinweg führte
(1894-1945), entwickelte Valéry
eine kritische Aufmerksamkeit für
sein Denken und die eigene Person.
Fast täglich, beginnend zwischen
fünf und sechs Uhr morgens, notierte
er Gedanken, Widerreden,
Wahrnehmungen und fragte sich,
wie er sein Leben bewusst zu führen
vermöchte. Viele Themen ergänzte
er durch Zeichnungen und
Aquarelle, mittels Studien von Personen,
Landschaften, Portraits und
Gegenständen.
Er suchte in der Formel „CEM“
(Corps-Esprit-Monde) zu erfassen,
in welchem Spannungsfeld er sich
im Dialog mit der Welt bewegte. Ein
philosophisches System, „in dem
Der Schriftsteller Paul Valéry und seine „Cahiers“
der Körper des Menschen
nicht eine grundlegende
Rolle spielt“, hielt er für
misslungen; der Geist sei
„ein Moment der Antwort
des Körpers auf die Welt“.
Valéry wollte Spezialist
für sich selbst werden
und vertraute dabei auf
keine Autorität. Indem er
sich rückhaltlos des eigenen
Verstandes bediente,
zeigt er sich als Vertreter
des antiken Skeptizismus,
der französischen Moralisten
und der europäischen
Aufklärung. Sogar
„Dummheiten“ wollte er
nicht achtlos vorübergehen
lassen, diese sagten
oft mehr über uns als „unsere
besten Werke“.
Postum (1957 – 1961)
wurden die „Cahiers“ zunächst
in 29 faksimilierten
Bänden ediert. Die auf
Deutsch vorliegende Auswahl
geht auf eine sechsbändige
Edition zurück,
die von den Romanisten
- und wichtigsten deutschen
Valéry-Forschern – Hartmut
Köhler und Jürgen Schmidt-Radefeldt
übersetzt und herausgegeben
wurde. Textgrundlage dieser ersten
deutschen Edition sind die in
der „Bibliothèque de la Pléiade“
erschienenen „Cahiers“, die circa
ein Zehntel des Ausgangsmaterials
umfassen.
Valérys „Denkhefte“ gelten als
wesentliches intellektuelles Experiment
der Moderne. Es sind keine
Tagebücher, die aktuell autobiographisches
Geschehen notieren, sondern
Protokolle einer beharrlichen
geistigen Suchbewegung. Zunächst
vermischen sich in den fortlaufend
geschriebenen Heften alle Themen,
später wurden diese in dreißig
Rubriken geordnet und etwa
betitelt: Ego, Sprache,
Philosophie, System,
Psychologie, Sensibilität,
Gedächtnis, Zeit,
Traum, Bewusstsein,
Aufmerksamkeit, Das
Ich und die Person,
Eros, Gladiator, Mathematik,
Wissenschaft,
Geschichte
und Politik, Kunst und
Ästhetik, Poesie, Literatur.
Thomas Stölzel,
der die vorliegende
Auswahl besorgt hat
und im einleitenden
Essay die geistigen
Konturen Valérys skizziert,
schreibt: „Die
Rubriken sind so arrangiert,
dass jede einzelne
jeweils die volle
Zeitspanne der „Cahiers“
durchläuft und
also neben der thematischen
Ordnung auch
noch die Chronologie
der Denk-, Probier-,
Such- und Erkenntniswege“
nachvollziehbar
macht.
Kindheit und Jugend hatte Paul
Valéry (1871 – 1945) in Sète verbracht,
bereits in jungen Jahren
zeichnete er und verfasste Lyrik;
dann studierte er Jura in Montpellier.
1892 zieht er nach Paris und
heiratet. Zuvor war er infolge einer
alptraumartigen Liebeskrise in
Genua von der Lyrik abgekommen
und wandte sich der Architektur zu.
In dem Essay „Einführung in die
Methode des Leonardo da Vinci“
(1885) legt Valéry sein Ideal geistiger
Arbeit dar, das im systematischen
Forschen besteht. Diesem
Anliegen geht er in verschiedenen
Formen nach, etwa mit dem Prosazyklus
„Monsieur Teste“ oder
mit dem Poem „Die junge Parze“
(1917), das an Stéphane Mallarmés
„Poésie pure“ anknüpft.
Ästhetische Idee und leibliches
Dasein sind für Valéry untrennbar,
dieses Grundpostulat behandelt er
1921 in dem Dialog „Eupalinos oder
der Architekt“ (Rainer Maria Rilke
hat den Text damals sofort ins Deutsche
übersetzt); 1922 verabschiedet
er sich mit dem Gedicht-band
„Charmes“ von der Lyrik und verfasst
zunehmend Essays zu Ästhetik,
Kultur, Politik und ist häufig auf Vortragsreisen.
Bis zu seinem Lebensende
beschäftigte ihn die dramatische
Szenenfolge „Mon Faust“, die von
einem neuen „Mephistopheles“ handelt,
der beobachtet, was sich der
Mensch an abstoßenden Extremen
zumuten lässt; nicht von ungefähr
verfasst während der deutschen
Besatzung Frankreichs im Zweiten
Weltkrieg. Kurz danach schloss dieser
wichtige Europäer die Augen, die
er vorher – mit Gewinn für die Nachwelt
– weit geöffnet hatte.
Paul Valéry: Ich grase meine
Gehirnwiese ab. S. Fischer Verlag,
Frankfurt am Main 2016; 365 S.,
12,99 €
Cornelia Frenkel
Angesteckt vom Theatervirus
Im Gespräch: Lena Schuler und Sebastian Heinricht vom neu gegründeten Theater POWse
Theater POWse
„Kreative Prozesse im Team“, so
das Ziel der neugegründeten Theatergruppe
POWse vom Start-
Up-Zentrum Grünhof e.V. in der
Belfortstraße. Mit Arthur Millers
Flüchtlingsdrama „Ein Blick von
der Brücke“ feierten sie im April
mit fünf ausverkauften Vorstellungen
rauschende Premiere, ihre
zweite Produktion ist für November
geplant. Die beiden Organisatoren
Lena Schuler und Sebastian
Heinricht sprachen mit Marion
Klötzer über ihre Visionen, Pläne
und Erfahrungen.
UNIversalis: Freie Theatergruppen
gibt es in Freiburg jede Menge,
viele davon sind studentische Ensembles.
Was reizte euch daran, das
Theater POWse zu gründen?
Lena: Der Theatervirus hat mich
schon ewig gepackt, ich bin da seit
vielen Jahren aktiv: Während der
Schulzeit leitete ich selbst eine Theatergruppe,
habe Regie bei einem
Kindermusical geführt und immer
wieder geschauspielert. Aktuell
studiere ich im zehnten Semester
Deutsch und Geschichte auf Lehramt.
Die bestehenden Gruppen interessierten
mich nicht so: Ich hatte
viel mehr Lust wieder was Eigenes
zu machen, ohne Casting, ohne Vorgaben.
Und ich wollte nicht nur mit
Studenten spielen, sondern in einer
möglichst gemischten Gruppe.
Sebastian: Bei mir war das ähnlich:
In Heilbronn habe ich selbst
ein Stück geschrieben, nun bin ich
frischgebackener Grundschullehrer
und wollte sehr gern wieder Theater
machen. Als Lena und ich im Mai
die Idee hatten, eine eigene Gruppe
zu gründen, war ich sofort Feuer
und Flamme. Zumal ich schon länger
im Grünhof engagiert bin und
sich dort für uns optimale Bedingungen
boten: Ein Probe- und Aufführungsort,
dem ein interessiertes
Netzwerk angeschlossen ist, das
uns Tipps und Unterstützung bei
Pressekontakten und Marketing anbietet.
Lena: Unser Plan war es, ein Stück
über das Flüchtlingsthema zu machen.
Erst hatten wir sogar angedacht,
selbst eines zu schreiben.
Jedenfalls war die Resonanz riesig:
Auf unsere Zettel in Cafés, Uni und
Bibliothek kamen dann vierzig ganz
unterschiedliche Leute zum ersten
Treffen in den Grünhof, darunter
auch zwei Flüchtlinge. Letztendlich
blieben fünfzehn im Alter zwischen
19 und 32 Jahren fest in der Gruppe,
manche mit und manche ohne Theatererfahrung.
Die meisten davon
sind auch bei der zweiten Inszenierung
mit dabei.
UNIversalis: Eine bunt gemischte
Truppe mit ganz unterschiedlichen
Vorstellungen und Vorerfahrungen
Theater POWse
Ansprechpartner: Lena Schuler,
Sebastian Heinricht
Email: schuler-lena@web.de,
sebastian-heinricht@web.de
Treffen: immer Dienstags um
20.30 Uhr im offenen
Theaterraum, Grünhof
– wie klappt das?
Sebastian: Wir haben von Anfang
an demokratisch gearbeitet, auf Augenhöhe.
Wir diskutierten viel über
das Stück, teilten uns in verschiedene
Arbeitsgruppen auf: Dramaturgie,
Technik, Licht, Bühnenbild,
Requisite, Kostüme, Schauspiel,
Marketing. Lena und ich als Orgateam
koordinierten und versuchten
den Überblick zu bewahren.
Lena: Der Projektcharakter steht
bei uns im Mittelpunkt – und natürlich
die Menschen: Alle, die mitmachen,
sollen Spaß haben. Trotzdem
wurde uns ziemlich schnell
klar, dass wir eine Regie brauchen:
Einen Profi, der sich nur darauf
konzentriert, das große Ganze im
Blick zu behalten. Mit der Schauspielerin
Anke Stocker fanden wir
dann genau die Richtige: Es war ihr
erstes Regieprojekt und ihr erstes
Projekt nach der Babypause. Dank
der vom Grünhof akquirierten Fördergelder
war dann Ankes Mitarbeit
möglich.
Sebastian: Wir machten eine Art
Dreierleitung, arbeiteten ihr zu,
hielten ihr den Rücken frei. Aber
nun brauchten wir einen klar strukturierten
Zeitrahmen. Die ganze
Projektphase hat dann nur zehn
Wochen gedauert, der Knackpunkt
waren unsere zwei Intensivwochen:
Die haben mega viel Spaß gemacht,
da waren wir wirklich auf einem
gemeinsamen Weg. Gerade unter
Druck wurde der kreative Prozess
sehr intensiv.
Lena: So war dann auch die Rollenverteilung
ein gemeinsamer
Entscheidungsprozess, der zu ungewöhnlichen
Besetzungen führte:
Frauen spielten Männer, unser
Hauptdarsteller hatte vorher noch
nie Theater gespielt. Jeder brachte
sein eigenes Talent und seine Connections
ein, plötzlich bekamen wir
von allen Seiten Unterstützung: Der
eine machte Licht, der andere Musik.
Das Theater im Marienbad lieh
uns umsonst seine Anlage. Wir fuhren
nach Staufen und verbrachten
einen ganzen Mittag im Kostümverleih
Funduz, wir tüftelten am
Vorhang herum, bestellten Podeste.
Das war alles sehr aufregend.
UNIversalis: Gibt es im Grünhof
denn überhaupt einen Bühnenraum?
Lena: Nein, das Drumherum ist
etwas anstrengend: Wir müssen
bei jedem Treffen den kompletten
Raum leerräumen, um überhaupt
eine Art Bühne einzurichten. Umso
verblüffender ist es jedes Mal aufs
Neue, wie sich das Großraumbüro
dann in ein Theater verwandelt…
UNIversalis: Und was plant ihr als
Nächstes?
Sebastian: Unser nächstes Stück
soll im November Premiere haben,
das ist schon klar. Also ist auch dieses
Mal ein Zeitrahmen einzuhalten.
Anke Stocker ist als Regisseurin
wieder mit im Boot. Wir möchten
passend zum Winter gerne was
Böses, Gruseliges machen, eine Art
modernes Psychostück, skurril und
komisch. Der Entscheidungsprozess
läuft gerade auf Hochtouren.
Lena: Dafür brauchen wir unbedingt
noch Männer. Wer Lust hat,
kann sich gerne bei uns melden
oder einfach zum nächsten Treffen
in den Grünhof kommen.
Grünhof
Jahrzehntelang war der Grünhof an der Ecke Belfort-/Schnewlinstraße
nahe dem Freiburger Hauptbahnhof eine Traditions- Gaststätte
mit großen Portionen und kleinen Preisen. Ab 2008 gab es mehrere
Pächterwechsel, ab 2011 schlossen die Pforten des denkmalgeschützten
Hauses. Im November 2013 gründeten die Soziologin Martina
Knittel und der Geo- Ökologe Hagen Krohn die Grünhof GmbH und
eröffneten mit dieser Idee Freiburgs erste Denk- Fabrik: Vermietet
werden etwa 40 Arbeitsplätze auf rund 210 Quadratmetern Co- Workspace
tageweise oder länger an kreative Selbstständige und Jungunternehmer.
Ziel: Eine Keimzelle für Ideen zu schaffen, eine gut vernetzte
Plattform für Gründungskultur, Unternehmertum, Gemeinwohlökonomie
und Kultur. Mit Hilfe von Förderprogrammen, verschiedenen
Workshop-Formaten, Beratungen und Veranstaltungen unterstützt der
Grünhof e.V. – Verein für gesellschaftliche Innovation Menschen und
Initiativen dabei, innovative Ideen und Konzepte in folgenden Bereichen
zu entwickeln und umzusetzen: Bildung, Wissenschaft und
Forschung, Kunst und Kultur, Integration & Inklusion sowie bürgerschaftliches
Engagement und politische Teilhabe.
Angeschlossen ist das öffentliche Cafe POW mit täglichem Mittagstisch
und großem Biergarten im Innenhof.
Infos unter www.gruenhof.org
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noch Wetter scheut, sollte auf die richtige
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und alle Menschen, die gerne
in der freien Natur sind“.
UND VIELE WEITERE ANGEBOTE IM LADEN
Hier finden Menschen, die gerne
draußen sind nicht nur eine große
Auswahl an Wander- und Trekkingschuhen
sondern auch Ruck- und
Schlafsäcke, Lauf-, Rad- und allgemeine
Funktionskleidung (bis 8 XL).
Kompetentes Fachpersonal berät
Sie gerne in unserem Geschäft in
Eimeldingen auf 700 Quadratmetern.
KOMPASS SPORT versteht sich als
„Haus, das die ganze Familie anspricht
und alle Menschen, die gerne
in der freien Natur sind“.
ISOMATTEN
BIS ZU 50% REDUZIERT
Verschiedene Isomattenmodelle bieten die optimale Grundlage für
Ihre Nacht unter freiem Himmel. Je nach Anforderungen gibt es
leichte Matten, die durch Ihr kleines Packmaß punkten, oder
komfortable Varianten mit erhöhtem Kopfteil oder bis zu 10 cm
hohe Matten auf denen es sich königlich schlafen lässt.
Auch für zwei findet sich die passende
Doppelbettvariante. Auf dem Testbett können
Sie Ihre Auswahl auch probeliegen.
ab € 39,95
AKTIONSPREIS
MIT GROSSER ZELTAUSSTELLUNG
Öffnungszeiten:
Mo – Fr von 10 bis 19 Uhr
Sa von 09 bis 16 Uhr
FOLGE DEINEM WEG
Das Outdoorcenter für die ganze Familie auf 720m 2
Einkaufen zum Outletpreis!
Efringen-Kirchen
Efringen-Kirchen
nach
Freiburg
nach
Freiburg
A5
A5
B3
nach Basel
9 km von Lörrach
12 km von Basel
19 km von Schopfheim
65 km von Freiburg
A98
nach Lörrach
Binzen
FOLGE DEINEM WEG
FUNKTIONSBEKLEIDUNG
In unserem Outdoor-Center in Eimeldingen
finden Sie ein großes Sortiment an Wander-
und Outdoorbekleidung namhafter
Hersteller für jede Witterung. Es erwartet
Sie Qualität, Funktionalität und Strapazierfähigkeit
kombiniert mit modernem Design
zu Outlet-Preisen. Unser vielseitiges Sortiment
umfasst funktionelle Bekleidung für
die ganze Familie auch in besonderen
Größen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
XS – 8XL und 34 – 56, auch Sonderlängen
MIT FACHBERATUNG ZUM
PERFEKTEN SCHUH!
Unser Schuhsortiment fängt da an, wo die
Natur den Kurs bestimmt.
Weg von der Straße und Spaß am Laufen
abseits von Asphalt. Bei uns finden Sie
über 100 verschiedene Schuhmodelle.
Unser Angebot umfasst viele Bereiche:
Laufen, Trailrunning, Nordic-Walking, Berg,
Wandern, Trekking, Klettersteig, Hochtouren,
Klettern sowie Freizeit.
nach Basel
A18
Herren Wanderschuh
ATAKAMA
Der Klassiker unter den Lafuma Trekking Schuhen,
geeignet für ein- bis mehrtägige Wanderung.
Wasserdicht und atmungsaktiv dank Einsatz der
Lafuma CLIMACTIVE®Membrane. Trittschutz im
Zehenbereich aus Gummi und EVA-Fersenstütze.
Die original Vibram® Sohle ist trittsicher und
rutschfest auf jedem Untergrund.
€ 59,95
statt € 129,95
SCHLAFSÄCKE
BIS ZU 50% REDUZIERT
Wählen Sie aus über 20 verschiedenen Modellen, passend für Ihre
Körpergröße und den Einsatzbereich. Das Sortiment umfasst Schlafsäcke
für Kinder bis zum Expeditions-Schlafsack
sowie Inletts und Hüttenschlafsäcke.
Egal ob Daune oder Kunstfaser. Vielfach
ausgezeichnete Modelle. Ab 500g erhalten Sie
einen ultraleichten Sommerschafsack aber auch
Modelle bis –20 Grad halten Sie im Winter warm.
SO FINDEN SIE UNS
35 kostenlose in Parkplätze Eimeldingen direkt an am der Haus B3
35 kostenlose Parkplätze direkt am Haus
A98
A2
ab € 29,95
AKTIONSPREIS
ÜBERNACHTEN UNTER FREIEM HIMMEL
Für die Nacht in der freien Natur oder auf dem Zeltplatz finden Sie hier
die passende Ausstattung. Ob mit der Familie, allein oder zu zweit – mit
einem guten Zelt macht Campen Spaß. Die Nacht unter den Sternen
bietet den passenden Abschluss für alle möglichen Outdoor-Aktivitäten
wie zum Beispiel beim Paddeltrip mit Freunden. Mit den preisgekrönten
Artikeln von LESTRA, TATONKA und FERRINO wird das Erlebnis Natur
zum Genuss.
nach Lörrach
Kleinbasel 9km
Binzen
Münchenstein 16km
Möhlin 27km
FUSSSCAN-ANALYSE
Sie erhalten eine computergestützte
Fußscan-Analyse mit modernster orthopädischer
Auswertung. Die individuellen
Fußwerte (Länge, Ballenbreite, Fersenbreite,
Ganglinie) werden ermittelt. Mittels
Druckpunktanalyse wird für beide Füße
die Gewichtsverteilung bestimmt und
festgestellt ob evtl. eine Fußfehlstellung
wie z.B. Senkfuß, Knickfuß, Spreizfuß,
Hallux Valgus oder Halux Ridigus vorliegt.
Diese verursachen häufig Schmerzen,
Druckstellen, Verhornungen und können
die Ursache für Fehlstellungen und Schmerzen
z.B. im Knie- und Hüftgelenk sowie
der Wirbelsäule sein.
REISEBEKLEIDUNG
Ob in der Hitze der Wüste (UV-Schutz,
Belüftung) oder in der Nässe Schottlands
(wind-/wasserdicht), in der Kälte des
Nordens (Isolation, Wärme) oder im feuchtwarmen
Amazonasgebiet (Moskitoschutz)
– wir bieten für jedes Reiseziel die
passende Auswahl. Craghoppers Nosilife
bietet nicht nur gegen Mücken und Insekten
wirksamen Schutz sondern auch gegen
Zecken. Bei Nosilife ist der Wirkstoff nicht
wie bei anderen Herstellern von Moskitoschutzbekleidung
in den Stoff eingetränkt,
sondern das Mittel wird direkt in die
Faser eingearbeitet und schadet damit
nur den Insekten und nicht der Haut.
Ideal für Reisen in Malaria-Gebiete, da es
einen sicheren Schutz vor Tropenkrankheiten
bietet.
Öffnungszeiten:
Montag – Freitag 10 bis 19 Uhr
Samstag 09 bis 16 Uhr
Kompass Sport GmbH · Hauptstr. 7 · 79591 Eimeldingen
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Tel. +49 7621 - 57 68 60 · info@kompass-sport.de · www.kompass-sport.de
Sie alle Aktionen per E-Mail. Dieser Service ist kostenlos – nutzen Sie alle Vorteile! Mehr auf: www.kompass-sport.de
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