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Leseprobe_300327

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2016<br />

DVS-BERICHTE<br />

DVS Congress<br />

Große<br />

Schweißtechnische<br />

Tagung<br />

DVS-Studentenkongress


DVS Congress 2016<br />

Große<br />

Schweißtechnische<br />

Tagung<br />

DVS-Studentenkongress<br />

Vorträge der Veranstaltungen in Leipzig<br />

am 19. und 20. September 2016<br />

Veranstalter:<br />

DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte<br />

Verfahren e. V., Düsseldorf


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

DVS-Berichte Band 327<br />

ISBN 978-3-945023-74-7<br />

Die Vorträge wurden als Manuskript gedruckt.<br />

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses<br />

Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der DVS Media GmbH, Düsseldorf.<br />

© DVS Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2016<br />

Herstellung: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm


Vorwort<br />

Erfahrungen teilen, neue Erkenntnisse vermitteln und den Nachwuchs fördern! Unter diesem Motto steht<br />

der DVS Congress 2016.<br />

Betriebspraxis, Entwicklung und Forschung schreiben stetig den Stand der Technik fort. Technologien<br />

und Anforderungen werden durch kürzere Innovationszyklen und die Globalisierung der Wirtschaft<br />

immer rascher vorangetrieben. Der DVS Congress 2016 bietet eine wichtige Informations- und<br />

Kontaktbörse für die Fügetechnik an. Hier werden Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis, aber auch<br />

jüngste Erkenntnisse aus der Fügetechnik branchenspezifisch und praxisnah vorgestellt.<br />

Die Große Schweißtechnische Tagung hat sich in den letzten Jahren sehr erfolgreich mit praxisnahen<br />

Vorträgen und einer branchenbezogenen Ausrichtung neu aufgestellt. In der diesjährigen Veranstaltung<br />

werden Themen aus dem Schiffbau sowie auch fügetechnische Aspekte zur Energieerzeugung und zum<br />

Fahrzeugbau besonders berücksichtigt. Zum Thema Stahlbau wird über die Anwendung der DIN EN<br />

1090, Festigkeitsfragen sowie den Einsatz von Fügeverfahren und Werkstoffen informiert. Rund um die<br />

Weiterentwicklung von Fügeverfahren stehen moderne Lichtbogenschweißverfahren, additive Fertigung,<br />

Strahlschweißen und Widerstandspunktschweißen im Fokus der Betrachtungen. Aktuelle Anforderungen<br />

an die Fügetechnik werden unter dem Schwerpunkt Industrie 4.0 diskutiert. Über den Korrosions- und<br />

Verschleißschutz sowie neue Anforderungen an Grund- und Zusatzwerkstoffe werden auch Themen aus<br />

Forschung und Entwicklung vorgestellt. Unter der Prämisse „nach dem Schweißen ist vor dem<br />

Schweißen“ werden auch umfangreiche Aspekte der Qualitätssicherung und Qualifizierung sowie die<br />

dazu korrespondierenden fügetechnisch relevanten Regelwerke präsentiert. Belange des Arbeitsschutzes<br />

informieren über aktuelle Anforderungen und Lösungen in den Betrieben.<br />

Der DVS-Studentenkongress bietet Arbeiten zu den Schwerpunkten „Mischverbindungen im automobilen<br />

Leichtbau“, „Simulationsmodelle in der Lasertechnik“ und „Werkstofftechnische Herausforderungen<br />

und Prüfverfahren“.<br />

Mit dieser Vielfalt spricht der DVS Congress 2016 wieder ein breites Fachpublikum an und lädt alle an<br />

der Füge-, Trenn- und Beschichtungstechnik Interessierten zu einem spannenden Erfahrungsaustausch<br />

nach Leipzig ein.<br />

Ein besonderer Dank geht an alle, die an der Durchführung der Veranstaltung beteiligt sind, insbesondere<br />

an die Programmkommission des DVS, der es wieder gelungen ist, ein fachlich aktuelles und überaus<br />

interessantes Vortragsprogramm zusammenzustellen.<br />

Wir wünschen allen Teilnehmern eine erfolgreiche Tagung, gute Diskussionen und zahlreiche neue<br />

Impulse für die tägliche Arbeit und für zukünftige Projekte.<br />

Düsseldorf, im August 2016<br />

DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V.<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

Dr.-Ing. Roland Boecking


Schäden im Rahmen der Herstellungs- und Betriebsphase an Komponenten im Bereich<br />

Kraftwerk- und Anlagentechnik sowie deren Prüfmöglichkeiten und Bewertung<br />

C. Lehmkuhl und H. C. Schröder, Mannheim<br />

Aus der Schadensstatistik und der täglichen Praxis verfahrenstechnischer Anlagen kennen wir viele Ursachen und<br />

Wirkungsmechanismen, die zu Schäden führen und letztlich eine Lebensdauerreduzierung zur Folge haben. Im<br />

Folgenden werden wesentliche Einflussgrößen beschrieben, die zu einer Beeinträchtigung der geplanten Lebensdauer<br />

von Komponenten führen können.<br />

1 Einleitung<br />

Bei der Herstellung von Komponenten und Bauteilen<br />

für Kraftwerke und Anlagen steht ein sicherer und<br />

wirtschaftlicher Betrieb im Vordergrund. Sicherer Betrieb<br />

bedeutet in erster Linie, dass das Bauteil keine<br />

Gefahr für Menschen und die Umwelt darstellt.<br />

Trotz sorgfältiger Konstruktion und Fertigung lassen<br />

sich Schäden auch im ordnungsgemäßen Betrieb<br />

nicht immer vermeiden. Meist bleibt es bei Sachschäden<br />

und wirtschaftlichen Verlusten z.B. durch Produktionsausfall<br />

sowie evtl. Folgekosten durch Reparaturen<br />

wie auch durch Folgeschäden.<br />

Um zukünftige Schäden zu vermeiden und auch die<br />

Kosten für den Schaden vom Hersteller bzw. der Versicherung<br />

erstattet zu bekommen, ist die Schadensanalyse<br />

ein wichtiges Werkzeug von entscheidender<br />

Bedeutung.<br />

2 Schadensursachen schon in der Planungsphase<br />

beseitigen<br />

Abbildung 1: Einflussparameter auf eine Konstruktion [Eigene<br />

Darstellung]<br />

Schon in der Planungsphase sind nach Möglichkeit<br />

alle konstruktiven und betrieblichen Belange zu berücksichtigen,<br />

um ungünstige und nicht betriebsgerechte<br />

Konstruktionen und Werkstoffe zu vermeiden.<br />

Abbildung 1 zeigt die Zusammenhänge verschiedener<br />

Aspekte. Eine alleinige werkstoffkundliche Untersuchung<br />

führt oft nicht zur eigentlichen Lösung der Problemstellung<br />

eines Schadens. In jedem Fall sind dabei<br />

alle notwendigen Parameter zu berücksichtigen, die<br />

Einflüsse auf mögliche Schäden haben können. Für<br />

diese Anforderungen müssen Konstruktionen und<br />

Komponenten ausgelegt werden. Eine wichtige Rolle<br />

spielt hierbei auch eine prüffreundlich und zugänglich<br />

ausgeführte Komponente, damit entsprechende Wirkungsmechanismen<br />

hinsichtlich eines möglichen<br />

Schadens rechtzeitig erkannt bzw. detektiert werden<br />

können. Des Weiteren müssen durch geeignete Messeinrichtungen<br />

die sich real ergebenden Betriebsbeanspruchungen<br />

wie Druck, Temperaturverläufe, Transienten,<br />

Relativbewegungen usw. sicher erfasst werden,<br />

um daraus rechtzeitige Maßnahmen ableiten zu<br />

können.<br />

3 Korrekturmaßnahmen von festgestellten<br />

Planungsfehlern<br />

Nach Möglichkeit sind frühzeitige Änderungsmaßnahmen<br />

und Verbesserungen der Konstruktionsausführungen<br />

durchzuführen. Konstruktionsfehler sollten<br />

spätestens bei der Endabnahme des Produktes festgestellt<br />

werden, da diese zu diesem Zeitpunkt noch im<br />

Herstellerwerk durchgeführt werden können.<br />

Dies setzt eine sorgfältige und umfängliche Überprüfung<br />

der Komponente bei der Endabnahme voraus.<br />

Leider wird in der Praxis oft der Focus zu sehr auf die<br />

Werkstoff- und Schweißtechnik gelegt. Die Erfüllung<br />

der schweißtechnischen Vorgaben ist natürlich ein<br />

wichtiger Gesichtspunkt bei Abnahmen, doch die eigentliche<br />

Prüfung des Bauteils mit seinen Funktionsmerkmalen<br />

(sofern prüfbar) und späteren Instandhaltbarkeit<br />

sollte dabei auch berücksichtigt werden.<br />

Um Schäden und einen reibungslosen und vor allem<br />

störungsfreien Betrieb zu gewährleisten ist die ordnungsgemäße<br />

Funktion des Bauteils unabdingbar.<br />

Hierfür ist vor allem das Wissen über die genaue<br />

Funktionsweise und Einsatzzweck sowie die spezifischen<br />

Feinheiten solcher Produkte hilfreich.<br />

Diese Gesichtspunkte setzen nicht nur spezielles<br />

Wissen der Schweißtechnik, Normenlage, Konstruktion<br />

sondern auch Kenntnisse in der Betriebsweise und<br />

deren notwendige Instandhaltung von Anlagen voraus.<br />

4 Schonende und optimale Fahrweise<br />

Hier geht es im Wesentlichen darum, rechtzeitig nach<br />

der Inbetriebnahme und während des Betriebes entsprechende<br />

Schwachstellen aufzudecken, die die<br />

Lebensdauer maßgeblich beeinträchtigen können, um<br />

diese dann zu eliminieren.<br />

DVS 327 1


Durch die Fahrweise der Anlage sollen im Wesentlichen<br />

Einwirkungen wie hohe Transienten, Thermoschock,<br />

Schwingungen, Wärmedehnungen, Dehnungsbehinderungen,<br />

Verschiebungen, Leitungsverlagerungen,<br />

ungünstige An- und Abschaltvorgänge<br />

durch eine nicht optimal eingestellte Mess- und Regeltechnik<br />

usw. möglichst gering gehalten werden.<br />

5 Prüfmöglichkeiten und Bewertung<br />

Bereits bei der Planung und Konstruktion sollte ein<br />

Augenmerk auf die Möglichkeiten der Prüfung gelegt<br />

werden.<br />

Dies betrifft zum einen die zerstörungsfreie Prüfung<br />

(ZfP) bei der Fertigung der Komponente sowie die<br />

Prüfung des im Betrieb befindlichen Bauteiles im<br />

Rahmen wiederkehrender Prüfungen.<br />

Die ZfP ist unter anderem bei einer Revision im Kraftwerk<br />

ein sehr gutes Werkzeug, um Schäden an Anlagenteilen<br />

vorzeitig zu erkennen. Als Werkzeuge werden<br />

dabei eine Reihe von zerstörungsfreien Prüfungsmaßnahmen<br />

eingesetzt wie z. B.:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ultraschallprüfung<br />

Farbeindringprüfung<br />

Magnetpulverprüfung<br />

Sichtprüfung<br />

Gefügeabdrücke<br />

Dehnungsmessung (Ovalität)<br />

Die Aufgabe der zerstörungsfreien Prüfung ist es,<br />

Fehler zuverlässig und qualifiziert nachzuweisen, die<br />

zu einem Versagen des Bauteils führen können.<br />

Hierfür stehen verschiedene Verfahren zu Verfügung,<br />

die auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipien<br />

basieren. Kein Verfahren lässt sich universell einsetzen<br />

und ist uneingeschränkt in der Lage, Fehler in<br />

Abhängigkeit von Fehlercharakteristik, Größe und<br />

Lage im Bauteil nachzuweisen.<br />

Daher ist eine Auswahl geeigneter Prüfverfahren<br />

unerlässlich, da sich mit jedem einzelnen Verfahren<br />

aufgrund seiner physikalischen Grundlagen nur spezielle<br />

Fehler lokalisieren lassen.<br />

Durch frühzeitige Schadenserkennung können weitere<br />

Maßnahmen zeitnah durchgeführt werden. Hierdurch<br />

können zum einen Kosten durch die Verhinderung<br />

des Bauteilversagens reduziert werden und zum anderen<br />

die Anlagenverfügbarkeit gesteigert werden.<br />

Voraussetzung für eine Vorhersage von Restlebensdauer<br />

von geschädigten Anlagenkomponenten ist<br />

eine qualifizierte Prüfung mit verlässlicher Aussage<br />

über den genauen Fehlerstatus. Dies könnte z.B. ein<br />

Riss in einem Bauteil sein. Durch eine ergänzende<br />

bruchmechanische Berechnung und FEM kann anhand<br />

der Rissbefunde eine qualifizierte Aussage über<br />

einen möglichen Weiterbetrieb getroffen werden.<br />

Eine Möglichkeit der qualifizierten und zuverlässigen<br />

Bewertung von Fehlstellen in Bauteilen ist z.B. die<br />

Ultraschalltomographie. Dieses Verfahren funktioniert<br />

ähnlich wie eine konventionelle Ultraschallprüfung, ist<br />

jedoch in der Lage ein 3D Volumen des geprüften<br />

Bereiches darzustellen. Anhand dieser Daten können<br />

nun die Fehlerlage und die Länge genau bestimmt<br />

werden. Ein weiterer großer Vorteil ist die Speicherung<br />

der Daten. Im Falle einer Nachprüfung nach<br />

einem Zeitraum von z.B. einem Jahr, können die Daten<br />

genau abgeglichen werden und mögliche Veränderungen<br />

sind sofort ersichtlich. Zum einen kann hier<br />

der genaue Rissfortschritt ausgemessen werden oder<br />

es können neue Risse oder Defekte erkannt und bewertet<br />

werden. In Abbildung 2 ist eine Ultraschalltomographie<br />

einer Heißdampfumleitung aus einem<br />

Kraftwerk zu sehen.<br />

Abbildung 2: Ultraschalltomographie HDU [Eigene Darstellung]<br />

6 Rechtzeitige Sanierungsmaßnahmen<br />

Durch die vorher genannten Maßnahmen, richtigen<br />

Einsatz und Durchführung von inneren Untersuchungen<br />

der Anlagenteile, sowie sinnhafte Interpretationen<br />

von Betriebsabläufen und Betriebsaufschreibungen<br />

können notwendige und fällige Sanierungsmaßnahmen<br />

rechtzeitig eingeplant werden.<br />

Bei der Durchführung von entsprechenden Sanierungsmaßnahmen/Reparaturschweißungen<br />

ergeben<br />

sich im Wesentlichen hierbei Unterschiede im direkten<br />

Vergleich zu Neuschweißungen aufgrund folgender<br />

Ursachen:<br />

Falsche Werkstoffkonzepte<br />

Keine anlagenspezifische Berücksichtigung<br />

von Schadensursachen wie Korrosion,<br />

Erosion, Thermoschock<br />

Ungünstige Werkstoffzustände bedingt<br />

durch vorherige Schweißungen, Wärmebehandlungen<br />

und Betriebsbeanspruchungen<br />

Dehnungsbehinderungen<br />

schlechte Zugänglichkeit<br />

Schweißdurchführungen in Zwangslagen<br />

Wärmebehandlungen nicht in jedem Fall<br />

durchführbar<br />

eingeschränkte Prüfmöglichkeiten<br />

hohe Qualifikationsanforderungen an Planungs-<br />

und Überwachungspersonal<br />

Berücksichtigung entsprechender Sicherheits-<br />

und Risikovorkehrungen<br />

Durch die Ausführung von Reparaturen können sich<br />

bei richtiger und sachgerechter Ausführung und Ein-<br />

2 DVS 327


satz von entsprechenden Verfahren wesentliche Lebensdauerverlängerungen<br />

ergeben.<br />

Ergebnisse eine Schadensursache ermittelt werden<br />

und verfolgt dabei folgende Methodik, Abbildung 5:<br />

7 Schadensanalyse<br />

Nicht immer werden Schäden in Anlagen frühzeitig<br />

erkannt und können somit verhindert werden. Sollte<br />

ein Schaden auftreten, ist die richtige Herangehensweise<br />

an die Schadensaufklärung wichtig. Eine sehr<br />

gute Hilfe mit detaillierten Beschreibungen und einem<br />

Leitfaden liefert hier die VDI 3822, Blatt 1. Die Schadensanalyse<br />

gliedert sich in verschiedene Teilpunkte<br />

und ist in Abbildung 3 dargestellt.<br />

Abbildung 5: Methodik einer Schadensuntersuchung<br />

8 Beispiele von Schäden<br />

Abbildung 6 zeigt eine konstruktive Änderung an<br />

einer Schweißverbindung eines Speisewasserbehälters.<br />

Durch die eingebrachte Hohlkehle wurde eine<br />

erhebliche Spannungsreduzierung erreicht. Durch<br />

eine weitere Optimierung der Temperaturverteilung im<br />

Behälter erfolgte eine weitere Reduzierung um 20 %.<br />

Abbildung 3: Durchführung einer Schadenanalyse [Quelle<br />

und Abbildung VDI 3822 Blatt1]<br />

Zu beachten ist, dass in der Regel alleine auf Grundlage<br />

werkstoffkundlicher Untersuchungen und Einzelbegutachtungen<br />

ein Schaden nicht gelöst werden<br />

kann. Grundsätzlich besteht die Vorgehensweise aus<br />

folgenden Punkten, wie dieses in der Abbildung 4<br />

skizziert wurde:<br />

Abbildung 6: Reduzierung der Bauteilspannungen durch<br />

Änderung der Konstruktion bzw. der Betriebsweise<br />

Abbildung 7 a + b zeigen die Innenansicht eines<br />

Überhitzers mit starken Abzehrungen und deren<br />

Blecheinhausung.<br />

Abbildung 4: Leitfaden zur Vorgehensweise einer Schadenanalyse<br />

[Quelle und Abbildung VDI 3822 Blatt1]<br />

Anhand dieser Informationen und aus Erfahrungswerten<br />

aus anderen Schadensfällen kann anhand dieser<br />

Abbildung 7a: Stark abgezehrte Bleche durch falsche Werkstoffwahl<br />

DVS 327 3


Weiterhin zeigt Bild 9 b versinterte Anbackungen:<br />

Abbildung 7b: Stark abgezehrte Bleche durch falsche Werkstoffwahl<br />

Abbildung 8 zeigt einen direkten Vergleich eines abgezehrten<br />

Bleches zu einem nicht abgezehrten Blech.<br />

Abbildung 9 b: Versinterte Anbackungen im Feuerraum<br />

Diese weisen eine glasförmige Struktur aus, die sich<br />

im Feuerraum auf Grund zu hoher Feuerraumtemperaturen<br />

ergeben haben. Grund hierfür ist, dass diese<br />

oberhalb der Ascheerweichungstemperaturen liegen<br />

und somit zu diesem Effekt führen, wie dieses auch in<br />

Bild 10 beschrieben wird.<br />

Abbildung 8: Abzehrung von der Blechkonstruktion durch<br />

Sigmaphasenschädigung.<br />

Abbildung 9 a zeigt eine detaillierte Untersuchung aus<br />

Bild 8 mit entsprechender Schädigung in Form von<br />

Sigmaphasen-Ausscheidung und Korngrenzenoxidation.<br />

Die Ursache für die Sigmaphasen-<br />

Ausscheidung liegt darin, dass dieser Werkstoff im<br />

Bereich einer ungünstigen Betriebstemperatur im<br />

Bereich von 600 – 950 °C betrieben wurde, wie dieses<br />

in Abbildung 10 a beschrieben wird.<br />

Abbildung 10: Temperaturbereich der Sigmaphase<br />

Abbildung 11 zeigt einen Abriss einer Rücklaufleitung<br />

in einem Schmierölsystem verursacht durch vorhandene<br />

Schwingungsbelastungen (ungünstige Konstruktion).<br />

Abbildung 11: Detailansicht einer abgerissenen Rücklaufleitung<br />

in einem Schmierölsystem<br />

Abbildung 9 a: Detailuntersuchung aus Bild 8<br />

Abbildung 12 zeigt eine Detailaufnahme der Bruchflächen<br />

aus Abbildung 11.<br />

4 DVS 327


Abbildung 12: Detailaufnahme aus Abbildung 11<br />

9 Zusammenfassung<br />

Der heutige Umfang von Untersuchungsmöglichkeitenmittels<br />

entsprechenden Prüf- und Berechnungsmethoden<br />

und Schadensbeurteilungen versetzt<br />

uns in die Lage, umfangreiche Anlagenbewertungen<br />

durchzuführen. In Verbindung mit gezielten Schwachstellenanalysen,<br />

Objektuntersuchungen an relevanten<br />

Bauteilen, bruchmechanischen Analysen und Probabilistik<br />

ist der optimale und sichere Weiterbetrieb von<br />

Anlagen möglich.<br />

Das wesentliche Aufgabenziel aller Beteiligten ist,<br />

dass sich einzelne Interessen zu einem gemeinsamen<br />

Ziel bezüglich<br />

• kostenwirtschaftlichem Weiterbetrieb,<br />

• Abschätzung von Lebenszykluskosten,<br />

• hohe Verfügbarkeit,<br />

• hohe Verfahrens- und Prozesssicherheit,<br />

• reale Einschätzung von technischen<br />

Problemstellungen und Befunden,<br />

• Vermeidung von unnötigen Sanierungsbzw.<br />

Austauschmaßnahmen,<br />

verknüpfen lassen.<br />

Das reine Feststellen und Bewerten von Einzelaussagen<br />

ohne einen ganzheitlichen Ansatz der zu beurteilenden<br />

Komponenten / Anlage ist nicht alleine maßgebend.<br />

Beispielsweise müssen mittels zerstörungsfreier<br />

Prüfungen festgestellte Befunde wie Risse nicht<br />

beseitigt werden, sofern bruchmechanische Analysen<br />

und Risikoanalysen ergeben, dass die Unbedenklichkeit<br />

dieser Fehler gegeben ist. Bei der Bewertung von<br />

Befunden ist in jedem Fall deren Ursache zu klären,<br />

damit diese beseitigt werden kann.<br />

Entsprechende Auswirkungen sind dahingehend zu<br />

bewerten, inwieweit sie zu wirklichen Beeinträchtigungen<br />

der Verfügbarkeit bzw. zu einem Anlagenausfall<br />

führen können bevor an Sanierungsmaßnahmen gedacht<br />

wird. Entsprechende Prüfmethoden sowie betriebsbegleitende<br />

Messungen können in diesem Fall<br />

als ergänzende Maßnahmen eingesetzt werden, um<br />

jeweils die Sachverhalte reproduzierbar zu verfolgen<br />

hinsichtlich eines optimalen Anlagenbetriebes.<br />

DVS 327 5


Thermisches Richten – Keine schwarze Magie mit der richtigen Theorie!<br />

T. Vauderwange, Offenburg<br />

Beim Richten von Schweißverzug gab es in den letzten Jahrzehnten einen Trend hin zum Kaltrichten mit Presse<br />

oder Richtmaschine. Ursache hierfür war in vielen Fällen die Angst, beim Richten mit der Flamme das Material zu<br />

schädigen. Außerdem hatte das Flammrichten stets den Ruch der Zauberei, da im Betrieb diejenigen, die es praktizieren,<br />

normalerweise nicht in der Lage sind, zu erklären, was da warum funktioniert. In diesem Beitrag geht es<br />

nun darum, ein paar Dinge grundlegend zu klären – unter anderem, dass Richten mit Wärme mit dem richtigen<br />

Equipment eigentlich ein einfacher, verlässlicher Prozess sein kann und dass Kaltrichten nicht wirklich materialschonend<br />

ist.<br />

1 Grundlagen<br />

1.1 Materialgrundlagen: Streckgrenze<br />

Die Grundüberlegung ist folgende: Bei einer zu beseitigenden<br />

(oder zu erzeugenden!) Deformation soll so<br />

materialschonend wie möglich vorgegangen werden.<br />

Was bedeutet das?<br />

Generell ist zunächst zu verstehen, dass eine Formänderung<br />

genau dann auftritt, wenn eine mechanische<br />

Spannung σ (Biege-, Zug- oder Druckspannung)<br />

aufgebracht wird, die größer ist als die Streckgrenze<br />

Re.<br />

Betrachten wir also einen Baustahl S355, so wird im<br />

hier ausschließlich relevanten Belastungsfall der Biegung<br />

eine Spannung von deutlich weniger als 355<br />

N/mm² eine elastische Verformung erzeugen, die sich<br />

komplett zurückbildet, wenn die Spannung wieder<br />

weg ist. Erst eine Spannung von deutlich mehr als<br />

355 N/mm² wird zu einer bleibenden Verformung führen.<br />

Hierbei darf man aber nicht glauben, dass die Spannung<br />

durch die plastische Verformung komplett abgebaut<br />

wird. Es bleiben auf jeden Fall Spannungen –<br />

unterhalb der Streckgrenze! – zurück. Wird nun die<br />

externe Ursache, also z.B. eine aufgebrachte Biegespannung<br />

weggenommen, entspannt sich ein Teil<br />

dieser Restspannungen. Wenn er denn kann! Denn<br />

bedingt durch die plastischen Verformungen sind die<br />

Karten neu gemischt.<br />

Es kommt in jedem Fall zu einem verbleibenden Eigenspannungszustand.<br />

- Ein Bauteil, was man mit Hilfe einer Presse<br />

gerichtet hat und was gerade war, ist nach<br />

den Vibrationen eines längeren Straßentransports<br />

auf einmal nicht mehr gerade.<br />

Und noch ein ganz anderer Aspekt: Wir haben in unserem<br />

Bauteil ein Gefüge vorliegen, was nur auf den<br />

ersten Blick völlig homogen ist. In Wirklichkeit ist es<br />

das natürlich nicht. Je genauer man hinschaut, desto<br />

mehr Imperfektionen erkennt man. Kleine, lokale Unregelmäßigkeiten<br />

wie Fehlstellen, Versetzungen,<br />

Fremdatome und vieles mehr.<br />

Wenn man nun eine große Spannung aufbringt, wo<br />

genau wird das Material als erstes nachgeben? An<br />

den schwächsten Stellen. Solange es um kleine Deformationen<br />

geht, ist das nicht weiter der Erwähnung<br />

wert und es gibt sogar positive Sondereffekte wie<br />

lokale, kleine Verfestigungen, die uns betreffend der<br />

dynamischen Eigenschaften helfen können. Sofern es<br />

aber – wie man es in der Praxis leider immer mal<br />

wieder beobachten muss – um große Deformationen<br />

geht, teilweise auf dem Weg zur richtigen Form mehrfach<br />

hin- und hergedrückt wird, ist eine Schädigung<br />

vorprogrammiert.<br />

Schnell ausprobiert: Sie nehmen ein Stück 5mm-<br />

Rundmaterial und biegen dieses so stark, dass sich<br />

ein 90°-Winkel bildet. Jetzt wieder gerade biegen.<br />

Dann wieder zum Winkel. Dann wieder…? Haben Sie<br />

schon zwei Teile in der Hand? Dann ist ja alles klar.<br />

Die Handwerkliche Erfahrung sagt uns zu dem Thema,<br />

dass es besser geht, wenn wir den Stahl an der<br />

Stelle heiß machen, an der wir ihn verbiegen wollen.<br />

Diese Grafik zeigt uns, warum:<br />

Ist das schlimm? Nicht unbedingt. Schlimm wird es<br />

erst, wenn man durch externe Einflüsse dafür sorgt,<br />

dass sich diese Eigenspannungen abbauen können.<br />

Durch Plastifizierungen. Durch unerwartete und<br />

durchaus unerwünschte Verformungen. Beispiele<br />

gefällig?<br />

- Ein kaltgerichtetes Blech verbiegt und verwindet<br />

sich auf einmal, nachdem es für eine<br />

Feuerverzinkung erwärmt wird<br />

Bild 1: Streckgrenze bei verschiedenen Temperaturen<br />

6 DVS 327


Wie man sieht, sinkt die Streckgrenze mit steigender<br />

Temperatur, bei 650°C auf die Hälfte - und bei noch<br />

höheren Temperaturen noch weiter.<br />

Passend hierzu gibt es den Verlauf der Streckgrenze<br />

über der Temperatur in der folgenden Grafik aufgetragen:<br />

Nicht zuletzt wollen wir natürlich in Erinnerung behalten,<br />

dass höhere Temperaturen nur mit Energieaufwand<br />

und damit mit Energiekosten, möglicherweise<br />

auch mit Emissionen zu erreichen sind. Es ist also<br />

immer der konkrete Nutzen zu betrachten.<br />

An dieser Stelle muss eindringlich vor dem<br />

Richten mit rein oberflächlich wirkenden<br />

Induktionsverfahren wie Hochfrequenzoder<br />

Resonanzinduktion gewarnt werden. Aufgrund<br />

fehlender Wirktiefe lässt sich bei diesen Verfahren die<br />

Oberflächentemperatur kaum unter Kontrolle halten!<br />

Wird mit solchen Verfahren dann noch an hochfesten<br />

Materialien wie Feinkornstahl S700 gearbeitet, sind<br />

Versprödungen durch Grobkornbildung vorprogrammiert.<br />

Leider sieht man speziell im nicht regulierten<br />

Bereich derlei immer wieder, selbst an dynamisch<br />

belasteten Konstruktionen.<br />

1.3 Materialgrundlagen: Oberflächen<br />

Bild 2: Streckgrenze über Temperatur (Quelle: TU Braunschweig<br />

/ ifs)<br />

Aus der Perspektive der Streckgrenze gilt also ganz<br />

klar ‚viel hilft viel‘ was die Richt-Temperatur angeht.<br />

Natürlich wäre es möglich, ein Metall ganz ohne nachteilige<br />

Veränderung der Oberfläche sogar bis auf<br />

Glühtemperaturen zu bringen, sofern man mit induktiver<br />

Erwärmung und einer reinen Formiergasatmosphäre<br />

arbeitet.<br />

1.2 Materialgrundlagen: Temperaturgrenzen<br />

So wünschenswert eine hohe Temperatur in der Umformzone<br />

zur Absenkung der Streckgrenze auch ist,<br />

je nach Material kommt man schnell an Grenzen, die<br />

man nicht überschreiten darf, da das Material sonst<br />

bleibende Schäden davonträgt.<br />

Die entscheidenden Fragen, die man für das zu verwendende<br />

Material beantworten muss:<br />

- Wo beginnt gegebenenfalls eine Gefügeumwandlung<br />

(z.B. bei Stahl AC1, also 723°C), ist<br />

das Material empfindlich für Aufhärtung bei<br />

normaler Abkühlung an Luft?<br />

- Liegt eventuell ein Vergütungszustand vor?<br />

Welches ist also die Vergütungstemperatur,<br />

bei deren Überschreitung sich die Härteeigenschaften<br />

ändern?<br />

- Gibt es eine Temperatur (und Haltezeit), ab<br />

der man mit Grobkornbildung und damit einhergehender<br />

Versprödung rechnen muss,<br />

wenn zu viel Wärme eingetragen wird?<br />

- Gibt es besonders kritische Temperaturen,<br />

bei denen nach gewissen Zeiten spröde Sonder-gefüge<br />

entstehen? (z.B. Sigmaphase bei<br />

Duplexstählen…)<br />

- Im Extremfall: Wo liegt der Schmelzpunkt?<br />

Diese Frage ist in der Praxis bei Stählen und<br />

passendem Wärmeverfahren problemlos –<br />

bei Aluminium hingegen ein echtes Problem!<br />

Bild 3: Zumindest Anlauffarben bleiben auf der Oberfläche<br />

nach dem Richtvorgang zurück<br />

Wenn es aber um ein Praxistaugliches, für den harten<br />

Einsatz in der Produktion vorgesehenes Verfahren<br />

gehen soll, bietet sich eine solche Möglichkeit nicht.<br />

Es gilt dann abzuwägen, ob die Anlauffarben aus<br />

Gründen des Korrosionsschutzes entfernt werden<br />

müssen.<br />

DVS 327 7


Im Fall des Richtens von verzinkten Oberflächen hat<br />

sich hierzu auch der Einsatz von Hartlöt-Flussmittel<br />

bewährt. Dies schützt sowohl die Oberfläche vor Oxidations-Angriffen,<br />

als auch gibt es einen optischen<br />

Hinweis auf erreichte Temperaturniveaus.<br />

Auf- und Abkohlungseffekte, wie sie durch nicht neutral<br />

eingestellte Flammen entstehen, sind normalerweise<br />

unerwünscht.<br />

Hat man oberflächlich wirkende Wärmverfahren wie<br />

die Flamme oder aber Hochfrequenz-/ Resonanzinduktion,<br />

so besteht in jedem Fall die Gefahr einer<br />

Überhitzung. Im Extremfall gibt es durch Anschmelzungen<br />

eine sichtbare Beschädigung der Oberfläche,<br />

aber auch durch zu schnellen Wärmeabfluss in die<br />

Tiefe nach Überschreiten der Gefügeumwandlungstemperatur<br />

droht Gefahr. Mit den einhergehenden<br />

Versprödungen bei zu schneller Abkühlung kommt<br />

man in der Praxis nicht zurecht.<br />

Bei induktiven Richtverfahren mit Feldverstärker ist<br />

zudem dafür zu sorgen, dass Zündstellen, wie sie<br />

durch zwei blanke Stellen an den Induktorleitern und<br />

gleichzeitiges Aufsetzen entstehen, konsequent vermieden<br />

werden.<br />

2 Grundlagen des Richtens mit ‚verhinderter<br />

Ausdehnung‘<br />

2.1 Funktionsprinzip und Einflussgrößen<br />

Die Grundüberlegung ist folgende: Bei einer zu beseitigenden<br />

Deformation soll so materialschonend wie<br />

möglich Abhilfe geschaffen werden. Mit mechanischer<br />

Kraft bei Raumtemperatur zu richten, scheidet damit<br />

als erstes aus, da man damit das Material lokal über<br />

seine maximale Streckgrenze, nämlich die bei normaler<br />

Umgebungstemperatur bringen muss.<br />

Das großflächige Herabsetzen der Streckgrenze, um<br />

danach mit weniger mechanischer Kraft die für plastische<br />

Verformung erforderliche Biegespannung von<br />

außen aufzubringen, dürfte aus energetischen und<br />

aus Zeitgründen nur im Ausnahmefall eine Option<br />

sein.<br />

Mit der alten Handwerkskunst des Flammrichtens ist<br />

ein Zwischenweg gefunden, bei dem das Bauteil (1)<br />

lokal gewärmt wird und dadurch im Material eine Zone<br />

reduzierter Streckgrenze (2) geschaffen ist. Das umliegende<br />

Material (3) wird so wenig wie möglich erwärmt.<br />

Wenn dann noch in geeigneter Weise die notwendige<br />

thermische Ausdehnung dieser Zone verhindert<br />

- oder zumindest behindert - wird, kommt es dort<br />

zu einem Staucheffekt. Diesen an die richtige Stelle<br />

im Metall plaziert, erreicht man eine Verformung des<br />

Bauteils. Ganz ohne externe Kräfte und Momente.<br />

Die so gestauchte Zone hat nun im erwärmten Zustand<br />

dieselben Ausmaße wie im kalten Ausgangszustand.<br />

Nach erfolgter Abkühlung ist die Zone also<br />

Bild 4: Thermischer Richtmechanismus auf Basis der verhinderten<br />

Ausdehnung<br />

kleiner als vorher (5), sie ist geschrumpft. Das Bauteil<br />

(4) hat nach diesem Vorgang durch die unterschiedliche<br />

Formänderung in der Stauchungszone (5) und<br />

dem umliegenden Material (6) die gewünschte Formänderung.<br />

2.2 Richtfiguren<br />

Je nachdem, ob es darum geht, einen Winkelverzug<br />

oder die Auswirkung einer Längsschrumpfung auszugleichen<br />

– oder gar im Fall des Dünnblech-Richtens<br />

im Schienenfahrzeugbau eigentlich die Spannwirkung<br />

für ein Beulfeld im Vordergrund steht – sind die Strategien<br />

betreffend der zu setzenden Wärmefiguren<br />

völlig unterschiedlich. Betreffend der Grundlagen hierfür<br />

wird auf die Qualifikation zur Flammricht-Fachkraft<br />

gemäß der DVS-Richtlinie 1145 bzw. die Unterlagen<br />

zu einschlägigen Flammrichtkursen verwiesen.<br />

Nun sei an dieser Stelle aber auf ein kleines Detail<br />

hingewiesen. Es macht einen enormen Unterschied,<br />

ob die Wärme zur Erzeugung einer Keilfigur von der<br />

Oberfläche über reine Wärmeleitung eingebracht wird,<br />

oder ob ein tiefenwirksames Verfahren wie z.B. ein<br />

Tiefeninduktionsgerät der Marke Alesco eingesetzt<br />

wird, bei dem die Wärme bis in der Tiefe des Materials<br />

entsteht – wohlgemerkt mit einem tiefenabhängigen<br />

Konzentrationsunterschied, denn bei einer<br />

gleichmäßigen Durchwärmung gäbe es ja keinen<br />

Richteffekt.<br />

Quelle [2] beschreibt die Funktion und die Unterschiede<br />

der verschiedenen Induktionsverfahren eingehender.<br />

8 DVS 327


Es lohnt sich, hier einmal genauer hinzuschauen,<br />

denn durch die andere Handhabung, wesentlich geringere<br />

Oberflächentemperaturen und Wärmeeinbringung<br />

und schnellere Verfahrgeschwindigkeit der<br />

Wärmequelle entsteht in der Praxis schnell ein Zeitvorteil,<br />

der je nach Anwendung enorm ist.<br />

In so einem Fall ist es sinnvoll und erforderlich, durch<br />

externe Maßnahmen (verspannen, Auflegen von Gewichten<br />

etc) die Ausdehnung zu behindern. Um das<br />

klarzustellen: Es geht nicht darum, den Verzug wegzubiegen!<br />

Das Bauteil soll nur daran gehindert werden,<br />

durch thermische Ausdehnung der erwärmten<br />

Zone ‚mitzugehen‘ – denn dann tritt kein oder zu wenig<br />

Richteffekt ein.<br />

In der Realität trifft man leider immer wieder den Fall<br />

an, dass der Werker den mangelnden Richteffekt<br />

durch Steigerung der Temperatur (Gelbglut jenseits<br />

der Gefügeumwandlung und mit der Gefahr der lokalen<br />

Versprödung) auszugleichen versucht. Das hat mit<br />

Richten nichts zu tun und ist nicht fachgerecht.<br />

2.4 Richten von mehrteiligen Schweissungen<br />

Der einfachste Fall: Eine mehrlagige Kehlnaht. Mit der<br />

ersten Naht entsteht ein Winkelverzug. Mit den weiteren<br />

Lagen wird dieser Verzug nun ‚festgeschweißt‘!<br />

Bild 5: Mit Tiefeninduktion entsteht die Richtfigur sofort,<br />

nicht schrittweise von der Oberfläche her<br />

2.3 Dehnungsbehinderung<br />

Da das nicht erwärmte Material seine volle Streckgrenze<br />

behält, hat dieses ein relativ großes Vermögen,<br />

die erwärmte Zone an der Ausdehnung zu hindern.<br />

Ob diese Eigendehnbehinderung ausreicht oder<br />

nicht, lässt sich daran ablesen, ob das Bauteil 'mitgeht',<br />

sich bei der Erwärmung also entgegen der<br />

gewünschten Formänderung verformt.<br />

Wenn das geschieht, ist das ein Zeichen dafür, dass<br />

die thermisch bedingte Ausdehnung der Erwärmungszone<br />

nicht oder nicht hinreichend verhindert<br />

wird.<br />

Angewandte Energieverschwendung, egal mit welcher<br />

Wärmequelle gearbeitet wird!<br />

Praxistipp:<br />

Machen Sie pro Bauteilgeometrie einmal<br />

eine Verzugsmessung, wenn die Wärme<br />

komplett eingebracht ist. Wurde der Verzug<br />

nennenswert GRÖSSER, ist das Bauteil<br />

also ‚MITGEGANGEN‘, dann ist der Richtvorgang<br />

nicht ideal. Dehnungsbehinderung<br />

oder abschnittsweises Wärmen kann einfache<br />

Abhilfe schaffen!<br />

Der Richter bemerkt einen auffälligen Unterschied im<br />

Richteffekt. Während der Winkelverzug einer einfachen<br />

Kehlnaht mit wenig Aufwand beseitigt ist, funktioniert<br />

das bei einer mehrlagigen Schweißung nicht<br />

mehr. Wird jedoch nach der ersten Lage kurz gerichtet,<br />

ist der Verzug mit wenig Aufwand beseitigt. Die<br />

weiteren Lagen werden dann auf einem schon vorgewärmten<br />

Material durchgeführt, was deutlich weniger<br />

Verzug erzeugt.<br />

Nun geht es aber nicht nur um mehr-LAGIGE<br />

Schweißungen, sondern in der Praxis trifft man regelmäßig<br />

Fälle an, bei denen das andere Ende eines<br />

verzogenen Bauteils am falschen Ort festgeschweißt<br />

wird, anstatt zuerst den Verzug zu richten und dann<br />

die Schweißung am richtigen Ort machen zu können.<br />

Beliebtes Beispiel: Verstrebungen, die zwischen zwei<br />

Bauteile eingeschweißt werden sollen, von denen<br />

eines durch die vorhergehende Schweißung verzogen<br />

ist.<br />

2.5 Zusammenfassung der Grundlagen<br />

Damit ist das thermische Richten mit verhinderter<br />

Ausdehnung in der Theorie beschrieben. Zwei Zonen<br />

unterschiedlicher Temperatur, die thermische Ausdehnung<br />

der heißeren Zone wird verhindert – dies<br />

führt zu einer lokalen Stauchung und damit zur gewünschten<br />

Formänderung.<br />

Die Realität weicht von der Theorie in einem wichtigen<br />

Punkt ab: die Temperatur der erhitzten Zone ist<br />

nicht gleichmäßig, da die Wärme mittels einer Autogenflamme<br />

nur mittels einer Übertemperatur an der<br />

Oberfläche eingebracht und über den Mechanismus<br />

der Wärmeleitung mit entsprechendem Zeitverzug in<br />

die Tiefe des Materials gebracht werden kann.<br />

DVS 327 9


Außerdem ist bei der Erwärmung mit der Flamme<br />

eine Erwärmung eines großen Bereichs um die gewünschte<br />

Zone herum durch die abgeleiteten Flammgase<br />

unvermeidlich.<br />

Wichtiger Hinweis: Die benötigte Wärme für das Richten<br />

eines verzogenen Bauteils ist wesentlich geringer, als beim<br />

Versuch, ein gerades Bauteil im selben Umfang krumm zu<br />

machen! In der Praxis profitiert man davon, indem es einen<br />

breiten Bereich an richtwirksamem Energieeintrag gibt, bei<br />

dem der Verzug beseitigt ist. Ein ‚Zuviel‘ an Richtenergie,<br />

wodurch es zu einem Verzug in Gegenrichtung kommt, ist<br />

bei den typischen Richtaufgaben kaum ein Thema!<br />

Weiterbringend für das Verständnis der Effekte ist an<br />

dieser Stelle, die nötigen Mechanismen für Spannungserzeugung<br />

im Material nachzuvollziehen, die<br />

Voraussetzung für eine plastische Verformung – sofern<br />

die Spannungen die Streckgrenze überschreiten!<br />

Hierzu betrachten wir zwei Spiralfedern mit gleicher<br />

Windungszahl, aber mit unterschiedlicher Federsteifigkeit.<br />

Die blaue Feder habe eine hohe, die graue<br />

Feder eine geringe Federsteifigkeit. Beide besitzen<br />

lastfrei dieselbe Ausgangslänge l0.<br />

3 ‚Minimalinvasives Richten‘<br />

3.1 Richteffekt<br />

Die bisherigen Ausführungen gingen davon aus, dass<br />

man das, was man beim Flammrichten mit der Autogenflamme<br />

macht, mit Tiefeninduktion mehr oder<br />

weniger nachempfunden wird.<br />

Die erste prinzipielle Abweichung resultierte aus der<br />

Feststellung, dass man bei der Tiefenwirkung der<br />

neuen Technologie die hohen Temperaturen an der<br />

Oberfläche zur Beschleunigung der Wärmeleitung in<br />

die Tiefe bei dickem Material nicht mehr braucht.<br />

Hinzu kamen aber schon in den ersten Jahren der<br />

Nutzung in Einzelfällen wahrgenommene Fälle großer<br />

Richtwirkung bei erstaunlich niedrigen Temperaturen,<br />

die zunächst nicht reproduzierbar und nicht erklärbar<br />

waren.<br />

Zum Verständnis der Effekte, wie es entgegen der<br />

handwerklichen Erfahrung tatsächlich Fälle geben<br />

kann, bei denen man bei niedrigerer Temperatur höheren<br />

Richteffekt hat, hilft ein Blick auf den Verlauf<br />

von Streckgrenze und Elastizitätsmodul von Raumtemperatur<br />

z.B. bis 1000°C. Solche Daten sind jedoch<br />

von den Herstellern der Materialien kaum zu bekommen.<br />

Dass die STRECKGRENZE (Rp0.2) eines Metalls mit<br />

der Temperatur abnimmt, ist altbekannt - wahrscheinlich<br />

hat jeder schon mal einen Stahlstab über Rotglut<br />

erwärmt und dann mit wenig Kraft bleibend verformt.<br />

Ohne eine Reduzierung der Streckgrenze in der Zone<br />

der beabsichtigten Verformung ist eine gegenüber der<br />

Kaltverformung schonendere Richtwirkung nicht zu<br />

erwarten - andererseits haben Versuche eindeutig<br />

klar gemacht, dass dies nicht der einzige Einflussfaktor<br />

ist. Denn in vielen Fällen war bei reproduzierbar<br />

gleichmäßiger Erwärmung der Richteffekt mit steigender<br />

Temperatur der Erwärmungszone (allerdings<br />

immer im Bereich deutlich unterhalb AC3) eher rückläufig!<br />

Bild 6: Auslenkung von Federn unterschiedlicher Federsteifigkeit<br />

unter derselben Last / auf gleiche Auslenkung<br />

In Umkehrung dessen, was dieses Beispiel zeigt,<br />

könnte man nun untersuchen, wieviel Kraft es<br />

braucht, um eine gewisse Auslenkung zu erzeugen.<br />

Einfache Antwort: Für dieselbe Auslenkung braucht<br />

man bei der geringeren Federsteife weniger Kraft!<br />

Nun sollte man beachten, dass es eigentlich nicht um<br />

die auslenkende Kraft F geht, sondern um die resultierende<br />

Zugspannung<br />

σ = F / A<br />

(A: Querschnittsfläche des Federdrahts)<br />

Bei einem Metall unter Zug-/Druckbeanspruchung ist<br />

dessen 'Federsteifigkeit', also das Dehnungsverhalten<br />

unter einer gewissen Beanspruchung, beschrieben<br />

durch den ELASTIZITÄTSMODUL E.<br />

Was hat dies nun mit dem thermischen Richten zu<br />

tun?<br />

Die Erwärmungszone gibt die Antwort. Diese hat bei<br />

Umgebungstemperatur eine gewisse Länge l0. Unter<br />

der Erwärmung um die Temperaturdifferenz ∆T ergäbe<br />

sich unbehindert eine Längenänderung ∆l, die vom<br />

thermischen Ausdehnungskoeffizienten α und von l0<br />

abhängt.<br />

α = ∆l / ( l0 * ∆T) bzw. ∆l = α / ( l0 * ∆T)<br />

Nun soll die thermische Ausdehnung aber gerade<br />

behindert oder sogar verhindert werden. Das Material,<br />

das bei der höheren Temperatur eigentlich die Länge<br />

l = l0+ ∆l<br />

hätte, wird ja nun auf die Länge l0 zusammengepresst!<br />

10 DVS 327


Anhand des Bilds der Federn unterschiedlicher Federsteife<br />

kann man sich nun vorstellen, dass die resultierende<br />

Druckspannung σ im Material dabei massiv<br />

vom vorhandenen Elastizitätsmodul E abhängt. Ist<br />

dieser hoch, so wird eine hohe Druckspannung entstehen<br />

- ansonsten eher nicht. Die entscheidende<br />

Frage zum Thema Richteffekt ist nur, ob bei den vorliegenden<br />

Temperaturen die entstehende Druckspannung<br />

über der zugehörigen Streckgrenze liegt oder<br />

nicht.<br />

Benötigt würde also die Information über den Verlauf<br />

von Streckgrenze und Elastizitätsmodul über der<br />

Temperatur - und das weit außerhalb des regulären<br />

Nutzungsbereichs der Materialien! Sieht man entsprechende<br />

Verläufe, kann man sich anhand des<br />

qualitativ unterschiedlichen Abfalls von Streckgrenze<br />

und E-Modul durchaus Fälle erklären, in denen 100K<br />

weniger Temperatur zwar eine leichte Zunahme der<br />

Streckgrenze, jedoch eine starke Zunahme des Elastizitätsmoduls<br />

mit sich bringen. Und damit mehr Richteffekt!<br />

Aufgrund des Fehlens systematischer Untersuchungen<br />

ist man zu diesem Thema bislang auf eigene<br />

Versuche angewiesen, der Hinweis, es mit deutlich<br />

weniger Wärme, erzielt durch schnellere Bewegung<br />

der Wärmequelle zu versuchen, ist aber was das<br />

neue Induktionsrichtverfahren angeht in jedem Fall<br />

zielführend.<br />

3.2 Eigendehnbehinderung<br />

Betrachten wir einen wirklich schlimmen Fall betreffend<br />

der Eigendehnbehinderung: Ein Doppel-T-<br />

Trägerprofil. Zum Zweck der Überhöhung des Trägers<br />

zur Mitnahme statischer Vorteile (oder auch zum<br />

Richten eines Verzugs) wird dieser mit der Unterseite<br />

nach oben auf zwei möglichst weit voneinander entfernte<br />

Auflager (Böcke) gelegt. Bedingt durch die<br />

Streckenlast des Eigengewichts ergibt sich an der<br />

Oberseite ein gewisses Maß an Druckspannung.<br />

Eventuell wird zur Erhöhung dieser Druckspannung<br />

sogar noch weiteres Gewicht aufgelegt.<br />

Bild 7: Typische Verläufe des E-Modul über Temperatur<br />

(Quelle: TU Braunschweig / ifs)<br />

Bei den bisher betrachteten Metallen gab es jeweils<br />

eine Zone mit einem charakteristischen Steilabfall des<br />

E-Modul. Andererseits hat der Streckgrenzenverlauf<br />

über demselben Temperaturbereich einen mehr oder<br />

weniger monotonen Abfall zu verzeichnen.<br />

Daraus resultiert nun die Definition einer 'Hyperplastizitätszone'<br />

(HPZ), innerhalb derer man die Streckgrenze<br />

schon reduziert, den Elastizitätsmodul aber<br />

noch so hoch wie möglich vorfindet.<br />

Bild 8: Die 'Hyperplastizitätszone' (HPZ)<br />

Bild 9: Träger richten (oder überhöhen): So bitte nicht!<br />

In der rot markierten Zone soll eine Stauchung stattfinden.<br />

In der Abbildung mit dem Ziel einen Verzug zu<br />

beseitigen, alternativ auch zum Erzielen einer Überhöhung.<br />

Was ist zu tun? Fragen wir zunächst die einfache<br />

Frage: Was ist auf keinen Fall zu tun? Antwort: Versuchen<br />

Sie bitte nicht, den Keil in seiner Gesamtheit,<br />

also das Dreieck im Steg und den Streifen im Gurt,<br />

auf einmal gleichmäßig auf Temperatur zu bringen.<br />

Es gibt ja schöne Hochglanzbilder, bei denen der<br />

komplette Keil ROT glüht. Ende vom Lied ist, dass der<br />

Werker mit dem Richteffekt völlig unzufrieden ist und<br />

den ‚Autogen-Notausgang‘ wählt. Die Flamme nochmal<br />

stärker stellen, länger draufhalten bis zur Gelbglut<br />

– das hat zwar nichts mehr mit Richten zu tun, aber<br />

so bekommt jeder das gewünschte Deformationsergebnis<br />

hin. Nur, nach dem Material darf man dabei<br />

nicht mehr fragen…<br />

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