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zds#41

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BERICHT | 13<br />

sich damit der Kontrolle über seine eigene Entwicklung<br />

beraubt.“ In den 1990er-Jahren wurde<br />

beispielsweise die Bremische Wohnungsbaugesellschaft<br />

privatisiert – heute gehört sie Vonovia, dem<br />

größten Immobilienkonzern in Deutschland. 1991<br />

gab es in Bremen noch 61.000 Sozialwohnungen,<br />

30 Jahre später waren es nur noch 8.000. Joachim<br />

Barloschky fordert daher eine Kehrtwende, mehr<br />

Wohnungen in kommunalem Eigentum: „Dann<br />

kann man solche Dinge als Stadt entscheiden und<br />

muss sie sich nicht von der privaten Wohnungswirtschaft<br />

vorschreiben lassen.“<br />

Gert Brauer, der als Anwalt für Mietrecht für<br />

den Bremer Mieterschutzbund arbeitet, ist skeptisch:<br />

„In vielen Bremer Stadtteilen sind mittlerweile<br />

alle Wohnungen vergeben. Im Stadtgebiet<br />

selber wird man es nicht schaffen, Obdachlosen<br />

ohne Verdrängung Wohnraum zu gewähren.“ Daran<br />

werden auch die 40 Millionen Euro wenig ändern,<br />

die das Land Bremen privaten Bauherren als<br />

Kredite zur Verfügung stellen will.<br />

Wie es in der Rückertstraße nun weitergeht,<br />

ist noch offen. „Das muss mit dem Amt noch besprochen<br />

werden“, sagt Masri. Zwar hat der Senat<br />

öffentlich zugesichert, keine Wohnungen mit Obdachlosen<br />

zu belegen, sollten sie durch eine „Räumungsklage<br />

oder eine andere Form von Zwang frei<br />

gemacht worden sein“. Doch wann fängt Zwang<br />

an? „Uns wurde damals von Vermieterseite keine<br />

andere Möglichkeit angeboten“, sagt Jeffrey. Als<br />

ein Mitglied seiner WG auszog, habe der Vermieter<br />

die Aufnahme eines Nachfolgers verweigert. „Eine<br />

Option zu bleiben, gab es so nicht.“<br />

Für die letzten verbliebenen Bewohner ist ihr<br />

Wohnungskampf zu einem traurigen Hobby geworden:<br />

„Wir haben sehr viel gelernt – über Mietrecht,<br />

die Strukturen und wie in verschiedenen<br />

Stellen und Behörden zusammengearbeitet wird“,<br />

sagt Ariane. Ihr Plan für die Zukunft: „Ein Bewusstsein<br />

schaffen, dass so etwas passiert – nicht<br />

nur hier bei uns.“<br />

Nina Sieverding, Studentin der HfK Bremen,<br />

wohnt auch in der Neustadt. Das Thema des<br />

Artikels beschäftigt sie noch immer.<br />

Sabrina Jenne, ebenfalls Neustädterin, kann<br />

nicht verstehen, dass man Altbau-Charme so<br />

radikal entfernt.<br />

Über Monate glich das Haus einer Baustelle, innen wie außen. Etliche Mieter sind deshalb<br />

entnervt auszogen.<br />

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wohnungslos, und es werden immer mehr: Die<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe<br />

schätzt, dass schon in zwei Jahren über eine halbe<br />

Million Menschen ohne eigene Wohnung leben<br />

müssen. Dazu zählen zwar auch Menschen in Notunterkünften,<br />

Wohnheimen und den Auffangstellen<br />

für Geflüchtete. Doch 39.000 Menschen leben<br />

in Deutschland buchstäblich auf der Straße, weil<br />

sie sich keine Wohnung leisten können.<br />

Und wer auf der Straße übernachtet, begibt<br />

sich in Gefahr. Deshalb muss das Land Bremen<br />

gemäß Ortspolizeirecht obdachlosen Menschen<br />

eine kurzfristige – meist vierzehntägige – Unterkunft<br />

anbieten. Dies geschieht bevorzugt in vier<br />

Notunterkünften gemeinnütziger Träger. Weil die<br />

insgesamt 108 Plätze meist ausgelastet sind, arbeitet<br />

die Zentrale Fachstelle für Wohnen aber auch<br />

mit derzeit sieben privaten Vermietern und Einfachhotels<br />

wie der Herberge Masris zusammen.<br />

Solche Privatunterkünfte sind in den letzten Jahren<br />

zunehmend auch mit Geflüchteten belegt. Die<br />

Auslastung ist aus Unternehmersicht erfreulich,<br />

weshalb mancher expandieren möchte.<br />

Bremen nahm sich die<br />

Kontrolle über die eigene<br />

Entwicklung<br />

Wie aber lässt sich temporärer Wohnraum für<br />

wohnungslose Menschen schaffen, ohne andere<br />

zu verdrängen? Joachim Barloschky, Sprecher des<br />

Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“,<br />

sieht das Grundproblem in der zunehmenden Privatisierung<br />

in Bremen: „Dem Land Bremen gehört<br />

nur noch etwa ein Drittel des Stadtgebiets. Es hat<br />

Die JOBMESSE für den öffentlichen Dienst<br />

Ausbildung.<br />

Bremen<br />

16./ 17. Sept.<br />

10–15 Uhr<br />

AFZ — Aus- und Fortbildungszentrum<br />

der Freien Hansestadt Bremen<br />

Doventorscontrescarpe 172B, Bremen-Mitte<br />

Doventor: Linien 2, 10 und 25<br />

www.ausbildung.bremen.de

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