Vertriebenenlager in Brandenburg 1945 - 1953 - Brandenburgische ...
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1. Flucht und Vertreibung<br />
Mit Beg<strong>in</strong>n der sowjetischen Sommeroffensive am 22.6.1944 rückte die<br />
Front, von Osten her, rasch an die Grenzen des Deutschen Reiches heran.<br />
Mehr als e<strong>in</strong>e Millionen sowjetischer Soldaten durchbrachen die Front auf<br />
e<strong>in</strong>er Länge von 400 km und rückten unter Zerschlagung der Heeresgruppe<br />
„Mitte“ unaufhaltsam Richtung Westen vor. Ende August konnte dieser<br />
Vormarsch kurzzeitig am Ostufer der Weichsel gestoppt werden. Die Angst<br />
vor dem „russischen Untermenschen“, die jahrelang durch das goebbelsche<br />
Propagandam<strong>in</strong>isterium den Menschen <strong>in</strong>doktr<strong>in</strong>iert wurde, versetzte die<br />
Bevölkerung <strong>in</strong> Aufruhr. Diese nicht unbegründete Furcht vor den sowjetischen<br />
Soldaten war mit dem Heranrücken der Kampfhandlungen die hauptsächliche<br />
Ursache der beg<strong>in</strong>nenden Fluchtbewegung. Als erstes setzte e<strong>in</strong>e<br />
Flucht der memelländischen Bevölkerung nach Ostpreußen e<strong>in</strong>. 3<br />
Am 19.10.1944 drangen sowjetische Truppen erstmals auf deutsches<br />
Reichsgebiet vor und besetzten unter anderem den Ort Nemmersdorf,<br />
wobei es seitens der Roten Armee zu Übergriffen auf die deutsche Bevölkerung<br />
kam. Nach wenigen Tagen wurde Nemmersdorf von deutschen<br />
Truppen zurückerobert. Die <strong>in</strong>- und ausländische Presse berichtete daraufh<strong>in</strong><br />
von Gräueltaten der Roten Armee. Der Genfer „Courrier“ veröffentlichte<br />
dazu den Augenzeugenbericht se<strong>in</strong>es Sonderkorrespondenten an der<br />
Ostfront: „Die Lage wird nicht nur durch die erbitterten Kämpfe der regulären<br />
Truppen gekennzeichnet, sondern leider auch durch Verstümmelung und<br />
H<strong>in</strong>richtung von Gefangenen und die fast vollständige Ausrottung der deutschen<br />
bäuerlichen Bevölkerung.“ 4 Die Geschehnisse wurden <strong>in</strong> der<br />
„Deutschen Wochenschau“ ausgiebig kommentiert, um den Durchhaltewillen<br />
der deutschen Bevölkerung zu steigern. Die Reaktionen auf die<br />
Propaganda bewirkten aber genau das Gegenteil, denn sie verstärkten die<br />
Angst vor der Roten Armee zusätzlich. Nachdem sich Ende Oktober die Lage<br />
stabilisiert hatte, verfügte die Gauleitung 5 e<strong>in</strong>e Evakuierung der Bevölkerung<br />
aus dem Gebiet bis zu 30 km h<strong>in</strong>ter der Front. Obwohl Evakuierungspläne<br />
für das gesamte Territorium ausgearbeitet waren, zwang die harte L<strong>in</strong>ie des<br />
ostpreußischen Gauleiters Erich Koch Hunderttausende zum Durchhalten.<br />
Die Evakuierung der frontnahen Räume war der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er stillen<br />
Abwanderung der Bevölkerung entgegen den Befehlen der Gauleitung.<br />
Zusammen mit e<strong>in</strong>em großen Teil der Flüchtl<strong>in</strong>ge aus den evakuierten<br />
Gebieten verließen Zehntausende Ostpreußen. Die H<strong>in</strong>haltetaktik der deutschen<br />
Führung verh<strong>in</strong>derte jedoch e<strong>in</strong>e rechtzeitige Evakuierung der gesamten<br />
Bevölkerung, sodass mit Beg<strong>in</strong>n der sowjetischen Großoffensive am 12.<br />
Januar <strong>1945</strong> die Menschen gezwungen waren, im tiefsten W<strong>in</strong>ter vor der<br />
heranrückenden Front zu fliehen. Da Nebenstraßen aufgrund der widrigen<br />
Witterung unpassierbar waren, bewegten sich die Flüchtl<strong>in</strong>gstrecks auf den<br />
Hauptstraßen. Diese waren jedoch von eigenem Militär verstopft und sowje-<br />
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