11/2016
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Fr. 7.50 <strong>11</strong>/November <strong>2016</strong><br />
Jesper Juul<br />
Wie Mütter es schaffen,<br />
an sich zu denken<br />
Ein Tag bei der KESB<br />
Wie die Behörde<br />
arbeitet –<br />
eine Reportage<br />
Jetzt<br />
mitmachen<br />
Leserumfrage<br />
www.fritzundfraenzi.ch/<br />
leserumfrage<br />
Kinder und Karriere<br />
Die Lüge von<br />
der Vereinbarkeit
Besuchen Sie<br />
die Zukunft.<br />
Spass, Wissen und unvergessliche<br />
Erlebnisse für Familien<br />
Die Zukunft ist näher als Sie denken. In der Umwelt<br />
Arena Spreitenbach – der Erlebniswelt für Familien –<br />
entdecken Sie die vielfältigsten Umweltthemen von<br />
ihrer spannendsten Seite: interaktiv werden Sie durch<br />
die Ausstellung geführt und lernen spielerisch die nachhaltigsten<br />
Energien der Zukunft kennen.<br />
Gewinnerpfade mit attraktiven Monatspreisen, Testfahrten<br />
auf dem In-/Outdoor Parcours mit Zwei- und<br />
Vierradfahrzeugen wie Tret-Karts, E-Bikes, Segways<br />
und den neuesten Elektroautos wie BMWi3, Nissan<br />
e-NV200, Renault Twizy, VW e-up oder Renault Zoe ergänzen<br />
das Angebot.<br />
Wir freuen uns auf Ihren Besuch.<br />
Öffnungszeiten Besucher<br />
Donnerstag / Freitag 10–18 Uhr<br />
Samstag / Sonntag 10–17 Uhr<br />
Abweichende Öffnungszeiten und<br />
detaillierte Daten In-/Outdoor Parcours<br />
siehe Website<br />
Umwelt Arena Spreitenbach<br />
Türliackerstrasse 4<br />
8957 Spreitenbach<br />
Telefon +41 56 418 13 00<br />
info@umweltarena.ch<br />
www.umweltarena.ch<br />
www.facebook.com/umweltarena<br />
Patronat: Kanton Aargau. Mit Unterstützung der W. Schmid Projekte AG.<br />
Hauptpartner:
Editorial<br />
Bild: Geri Born<br />
Nik Niethammer<br />
Chefredaktor<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Ohne Kathrin ginge es nicht. Kathrin ist meine Schwiegermutter – eine rüstige<br />
Endsechzigerin und ehemalige Sonderschullehrerin. Was für ein Glück, dass sie<br />
Kinder noch immer sehr liebt – unsere kleinen Strolche ganz besonders. Die Liebe<br />
ist gegenseitig – die Kinder geniessen die Zeit beim Grossmami. Sie lebt in<br />
einer Villa Kunterbunt, wo fast alles erlaubt ist; da gibt es einen Hund, ein Kätzchen,<br />
einen grossen Garten, ein Gemüsebeet und viele Bäume zum Klettern.<br />
Beim Grossmami dürfen die Kinder Mondstein schlecken, sich vom Balkon<br />
abseilen, Feuer machen und im hauseigenen Steinbruch Steine klopfen.<br />
Ohne Kathrin ginge es nicht. Denn auch meine Frau ist berufstätig und als Reisejournalistin<br />
viel unterwegs. Wir teilen uns Pflege und Hege unserer Kinder, so<br />
gut es eben geht. Ich arbeite beim Schweizer ElternMagazin 80 Prozent, Freitag<br />
ist Papitag, ich schmiere Pausenbrote, putze die Schuhe vom letzten Waldtag, verarzte<br />
Wunden, flicke verstopfte Abflussrohre. Wir fahren Rad, ich geh einkaufen,<br />
erledige Rechnungen, besuche den Elternabend.<br />
«Das weibliche soziale Netz –<br />
Mütter, Schwestern,<br />
Freundinnen – entlastet<br />
berufstätige Frauen am<br />
nachhaltigsten.»<br />
Irene Mariam Tazi-Preve, österreichische<br />
Familienforscherin und Politwissenschaftlerin<br />
Ohne Kathrin ginge es nicht. Meine Schwiegermutter unterstützt unsere kleine<br />
Familie mit Rat und Tat. Stets gut gelaunt, zaubert sie in Windeseile Berge von<br />
Essen auf den Tisch, lässt sich selbst von der frühpubertierenden Tochter nicht<br />
aus der Fassung bringen, übt mit dem Junior Schlagzeug, malt und töpfert und<br />
schnitzt mit den Kindern und hält uns den Rücken frei, wenn<br />
meine Frau und ich zu viele Bälle in der Luft haben.<br />
Ohne Kathrin ginge es nicht. Deshalb an dieser Stelle und<br />
ganz offiziell: vielen Dank, liebe Kathrin und allen Grossmüttern<br />
und Grossvätern dieser Welt für die Unterstützung. Die<br />
Geduld. Die Zeit. Und die Inspiration.<br />
Wie aber gelingt das Nebeneinander von Familie und Beruf,<br />
wenn keine Kathrin zur Stelle ist? Wenn der Arbeitgeber keine<br />
Teilzeit zulässt? Wenn nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann? Kann das<br />
überhaupt gelingen? Was muss sich ändern in der Wirtschaft, der Politik, damit<br />
berufstätige Müttter endlich gleiche Voraussetzungen vorfinden wie berufstätige<br />
Väter? Und wie können berufstätige Mütter entlastet werden? Davon handelt<br />
unser Dossier «Familie und Beruf: Die Lüge von der Vereinbarkeit» – ab Seite 10.<br />
***<br />
Während andere verlieren, legen wir zu: Das Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi erreicht mehr Leserinnen und Leser. Neu sind es 154 000 – das ist<br />
ein Plus von 7000! Im Namen von Redaktion und Verlag danke ich Ihnen, liebe<br />
Leserin, lieber Leser, für Ihre Treue. Weil wir immer noch besser werden möchten,<br />
ist uns Ihre Meinung wichtig: Was machen wir gut, was können wir besser<br />
machen? Welche Titel, welche Geschichten sind Ihnen in Erinnerung geblieben,<br />
über welche Themen würden Sie gerne mehr lesen? Nehmen Sie sich bitte einige<br />
Minuten Zeit für unsere grosse Leserumfrage – zum Link geht es hier entlang:<br />
www.fritzundfraenzi.ch/leserumfrage.<br />
Ich wünsche Ihnen wie immer viel Lesevergnügen mit unserem Magazin.<br />
Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>3
Inhalt<br />
Ausgabe <strong>11</strong> / November <strong>2016</strong><br />
Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />
fritzundfraenzi.ch und<br />
facebook.com/fritzundfraenzi.<br />
Augmented Reality<br />
Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen, erhalten Sie digitalen<br />
Mehrwert im Heft. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos<br />
und Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />
Psychologie & Gesellschaft<br />
42 Wir hören Eltern zu<br />
Bei der Elternberatung von Pro<br />
Juventute sind Fachpersonen Tag<br />
und Nacht im Einsatz.<br />
Erziehung & Schule<br />
46 Wenn Eltern mit dem Anwalt drohen<br />
Nicht immer ist das Verhältnis<br />
zwischen Eltern und Lehrern<br />
konstruktiv.<br />
10<br />
Dossier: Vereinbarkeit<br />
10 Mythos «Kind und Karriere»<br />
Frauen reiben sich auf zwischen Familie<br />
und Job. Denn wer als Mutter berufstätig<br />
ist, hat vor allem eins: ganz viel Stress.<br />
30 «Mütter, vernetzt euch!»<br />
Die Familienforscherin und Autorin Irene<br />
Mariam Tazi-Preve fordert ein<br />
gesellschaftliches Umdenken, wenn es<br />
um die Vereinbarkeit geht.<br />
Bild: Jan von Holleben<br />
34 5 Tipps – so wird ihr Leben leichter<br />
Familien, in denen beide Eltern beruflich<br />
eingespannt sind, haben es schwer. Es gibt<br />
Strategien, den Alltag zu erleichtern.<br />
Cover<br />
Das Leben zwischen<br />
Familie und Job ist ein<br />
andauernder<br />
Ausnahmezustand.<br />
Berufstätige Mütter<br />
wünschen sich ab und<br />
an, fliegen zu können.<br />
Bilder: Jan von Holleben, Marvin Zilm / 13 Photo, Ruben Hollinger / 13 Photo, iStockphoto<br />
4
60<br />
36<br />
72<br />
Wie sterben Kinder in der Schweiz, Eva<br />
Bergsträsser und Eva Cignacco?<br />
Wie arbeitet die KESB? Besuch bei einer<br />
umstrittenen Behörde.<br />
Vorsicht, Feuchtgebiete! Gummistiefel<br />
bieten den Nährboden für Fusspilzsporen.<br />
48 Die Lust am Schreiben<br />
Die Fähigkeit, sich schriftlich<br />
auszudrücken, bleibt im<br />
Zeitalter von Video, Fotos und<br />
Emojis eine Kernkompetenz.<br />
52 Kostenfaktor Kind<br />
Welche Anlageformen lohnen sich,<br />
wenn es darum geht, für den<br />
Nachwuchs Geld anzulegen?<br />
60 Ein Tag bei der KESB<br />
Sie steht ständig unter medialem<br />
Beschuss. Trotzdem hat die Kindesund<br />
Erwachsenenschutzbehörde<br />
für uns ihre Türen geöffnet.<br />
Eine Innenansicht.<br />
68 Können Steine weise sein?<br />
Kinderphilosophin Kristina Calvert<br />
erklärt, wie Eltern mit ihren Kindern<br />
ins Philosophieren kommen.<br />
Ernährung & Gesundheit<br />
72 Wenn kleine Füsse jucken<br />
Fuss- und Nagelpilze sind lästige<br />
Krankheiten, können aber gut<br />
therapiert werden.<br />
76 Knochenfutter<br />
Gesundes Essen liefert alles für eine<br />
optimale Entwicklung der Knochen.<br />
Digital & Medial<br />
78 Splatoon, Toy Soldiers, Unravel<br />
Viele Eltern haben von den<br />
Lieblings-games ihrer Kinder keine<br />
Ahnung. Ein Überblick.<br />
82 Neue Medien in der Schule<br />
Wie die Swisscom Schüler im Umgang<br />
mit Smartphone und Co. schult.<br />
84 Mixed Media<br />
Rubriken<br />
03 Editorial<br />
06 Entdecken<br />
36 Monatsinterview<br />
Eva Bergsträsser und Eva Cignacco<br />
über die Möglichkeiten, ein unheilbar<br />
krankes Kind bestmöglich zu begleiten.<br />
44 Jesper Juul<br />
Eine alleinerziehende Mutter dreier<br />
Kinder fühlt sich ausgelaugt. Der Rat<br />
des Familientherapeuten: «Denken Sie<br />
mehr an sich!»<br />
50 Fabian Grolimund<br />
Wenn Ihr Kind alles perfekt machen<br />
möchte, ist das nicht nur positiv.<br />
54 Stiftung Elternsein<br />
Ellen Ringier über mächtige Männer<br />
und den Wert der Familie.<br />
56 Leserbriefe<br />
75 Michèle Binswanger<br />
Über Aberglauben und wie dieser<br />
Eltern durch die Pubertät hilft.<br />
Service<br />
55 Abo<br />
81 Verlosung<br />
86 Unser Wochenende …<br />
… in Innerschwyz.<br />
88 Impressum/Sponsoren<br />
89 Buchtipps<br />
90 Eine Frage – drei Meinungen<br />
Was tun, wenn die Tochter in<br />
billiger Aufmachung in den<br />
Ausgang geht?<br />
Die nächste Ausgabe erscheint<br />
am 1. Dezember <strong>2016</strong>.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>5
Entdecken<br />
Gesunde<br />
Daumenlutscher<br />
3 FRAGEN<br />
Nägelkauen und Daumenlutschen<br />
sind Angewohnheiten, die Eltern<br />
ihren Kindern schnell abgewöhnen<br />
wollen. Doch sie haben eine gesunde<br />
Nebenwirkung. Der ständige Keimkontakt<br />
trainiert offenbar das<br />
Immunsystem und vermindert so<br />
allergische Reaktionen, etwa gegen<br />
Gräser, Hausstaubmilben oder Pilzsporen.<br />
Das ergab eine Untersuchung<br />
von mehr als 1000 neuseeländischen<br />
Kindern im Alter zwischen 5 und <strong>11</strong>.<br />
Den besten Allergieschutz hatten jene<br />
Probanden, die sowohl am Daumen<br />
lutschten als auch an den Nägeln kauten.<br />
Diese Kinder wollten wohl auf<br />
Nummer sicher gehen.<br />
an Marie-Louise Ernst, Projektleiterin Senior bei Sucht Schweiz<br />
«Mädchen dürfen Nein sagen!»<br />
Sucht Schweiz hat erstmals ein geschlechterspezifisches Präventionsprojekt<br />
gestartet. Denn die Gründe, wieso man eine Sucht entwickelt, sind bei<br />
jungen Männern und Frauen oft ganz unterschiedlich, erklärt Marie-Louise<br />
Ernst, Expertin in Genderfragen von Sucht Schweiz.<br />
Interview: Evelin Hartmann<br />
4 Stunden nach dem Lernen sollte<br />
man Sport treiben. Dann bleibt der Inhalt gut<br />
im Gedächtnis.<br />
(Für ein Experiment der niederländischen Radboud-Universität<br />
prägten sich Probanden Bilder ein. Einige gingen anschliessend<br />
sofort ins Fitnessstudio, andere nach 4 Stunden, die dritte<br />
Gruppe faulenzte. Am besten schnitt die zweite Gruppe ab.)<br />
Marie-Louise Ernst, wie unterscheiden sich Mädchen und Buben in ihrem<br />
Suchtverhalten?<br />
Buben weisen eher extravertierte Verhaltensweisen auf. Sie sind schon als<br />
Kinder lauter und körperlicher als Mädchen – manchmal auch aggressiver.<br />
Mädchen sind tendenziell introvertierter. Sie entwickeln ein höheres Schamempfinden,<br />
entwickeln schneller Schuldgefühle. Diese Geschlechter-Stereotypen<br />
spiegeln sich im Suchtverhalten wider: Während Buben zu Alkohol oder<br />
illegalen Substanzen greifen, entwickeln Mädchen eher Essstörungen oder<br />
selbstverletzendes Verhalten.<br />
Auch Mädchen trinken Alkohol.<br />
Aber während Buben einfach Spass haben und dazugehören wollen, geht es<br />
bei Mädchen eher darum, Probleme zu vergessen, nicht Nein sagen zu können,<br />
wenn ihnen etwas angeboten wird. Oder sie wollen mit den Buben gleichberechtigt<br />
sein.<br />
Was bezweckt Sucht Schweiz mit dieser geschlechterspezifischen<br />
Kampagne?<br />
Man weiss, dass zielgruppenspezifische Projekte und Angebote zu mehr Erfolg<br />
führen. Wir hoffen, die Lebenswelt der Jugendlichen so noch besser zu treffen.<br />
Auf keinen Fall wollen wir die geschlechterspezifischen Rollenbilder noch weiter<br />
festigen – sondern diese gemeinsam mit den Jugendlichen hinterfragen und<br />
erweitern. Ein Mädchen darf auch Nein sagen.<br />
www.suchtschweiz.ch, www.genderundpraevention.ch<br />
Film ab!<br />
Das bedeutendste Kurzfilmfestival der Schweiz lockt jedes Jahr<br />
Tausende von Filmfans in die Winterthurer Altstadt. Kein Wunder:<br />
Mit ihren tiefgründigen, skurrilen und originellen Filmen zählen<br />
die Kurzfilmtage Winterthur zu den wichtigsten und beliebtesten<br />
Kurzfilm-Events in ganz Europa – seit nunmehr 20 Jahren!<br />
Übrigens: Für die jungen Kinobesucher gibt es ein eigenes<br />
Programm ab 6 Jahren. Und Jugendliche können sich erstmals in<br />
den Kategorien 16+ und 18+ über spannende Filme freuen.<br />
8. bis 13. November, alle Infos auf www.kurzfilmtage.ch<br />
Bild: iStockphoto, Susanne Hefti / IKFTW<br />
6 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Rubrik<br />
Eine einfache Online-Krankenkasse<br />
Persönliche Beratung<br />
kpt.ch/beides<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>7
Entdecken<br />
Die kleine Hexe<br />
Finsteres Glück Spätabends wird die Psychologin Eliane Hess zu einem Notfall ins Spital<br />
gerufen. Eingeliefert worden ist der achtjährige Yves, der Stunden zuvor bei einem Autounfall seine<br />
Familie verloren hat. Der Junge steht unter Schock. Eliane, alleinerziehende Mutter zweier Töchter,<br />
bleibt fürs Erste professionell distanziert. Und doch bewegt sie das Schicksal des traumatisierten<br />
Jungen: Ist sein Vater absichtlich in die Tunnelwand gerast? «Jeder, der sich mit Kindern und Familien<br />
befasst, wird vieles, was uns in unserer Arbeit beschäftigt, wiedererkennen», sagt Dr. med. Monika<br />
Strauss, Oberärztin Psychosomatik am Kinderspital Zürich. Die Medizinerin stand dem Schweizer<br />
Filmemacher Stefan Haupt («Der Kreis») beratend zur Seite. «Finsteres Glück» läuft in den Schweizer<br />
Kinos. www.fontanafilm.ch<br />
Mit 127 Jahren ist die kleine<br />
Hexe noch viel zu jung für die<br />
Walpurgisnacht. Dabei ist es<br />
doch ihr sehnlichster Wunsch,<br />
mit den grossen Hexen auf<br />
dem Blocksberg zu tanzen.<br />
Als sie sich heimlich unter die<br />
anderen Hexen mischt und<br />
erwischt wird, muss sie sich<br />
als «gute» Hexe beweisen.<br />
Doch wie wird man eine<br />
«gute» Hexe? «Die kleine<br />
Hexe» fliegt ab November<br />
<strong>2016</strong> durch die Deutschschweiz<br />
und hext sich in die<br />
Herzen von Klein und Gross.<br />
Alle Infos und Tickets zu dem<br />
schönen Kindermusical gibt’s<br />
auf www.kindermusicals.ch.<br />
«Es gibt immer mehr Kinder<br />
mit Verhaltensauffälligkeiten<br />
bereits im Kindergarten.<br />
Diesen Kindern fehlt dann die<br />
Erfahrung, sich in eine Gruppe<br />
einzuordnen, zu warten,<br />
nicht immer im Mittelpunkt<br />
zu stehen.»<br />
(Beatrice Kronberg in einem Bericht der NZZ. Dort<br />
wird thematisiert, dass sich Kindergärtnerinnen über<br />
die steigende Zahl an schwierigen Kindern sorgen.)<br />
Beatrice Kronberg ist<br />
Direktorin des<br />
Schweizer Zentrums<br />
für Heil- und<br />
Sonderpädagogik.<br />
«Wie geht’s dir?»<br />
Wenn Kinder psychische Probleme haben, sind<br />
auch die Eltern im Alltag stark gefordert. Sie leiden<br />
unter Selbstzweifeln, sind traurig, fühlen sich<br />
hilflos. Sind Vater oder Mutter selbst von<br />
psychischen Problemen betroffen, haben sie oft<br />
Sorge, den Anforderungen als Eltern nicht<br />
gewachsen zu sein. Aus diesem Grund widmet sich<br />
die Stiftung Pro Mente Sana im dritten Teil ihrer<br />
Kampagne «Wie geht’s dir?» dem Thema<br />
Psychische Gesundheit und Erkrankungen in<br />
der Familie: Wie zeigt sich eine psychische<br />
Erkrankung bei Kindern und Eltern? Wie spricht<br />
man diese Probleme in der Familie an? Die<br />
Broschüre «Psychische Gesundheit und<br />
Erkrankungen in der Familie. Anregungen für Eltern<br />
und Bezugspersonen» ist zu finden auf<br />
www.wie-gehts-dir.ch.<br />
Bilder: ZVG, Franziska Frutiger<br />
8 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
PLÜSCH 30 CM<br />
Ab 4 J.<br />
P0-38161909<br />
je 16.90<br />
KRÖNUNGSSAAL<br />
Die Knospe lässt sich zu einem Krönungssaal öffnen und<br />
offenbart eine leuchtende Tanzfläche mit Drehfunktion.<br />
Inkl. Poppy und Branch als ca. 10 cm grosse Trolls sowie<br />
<strong>11</strong> Accessoires. Ab 4 J. P0-38161906<br />
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Charakteren erhältlich.<br />
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Die grosse Anführerin spricht, bewegt sich zur Musik,<br />
lässt ihr Haar fröhlich leuchten und kann mithilfe<br />
des Armbands sogar mit ihrer Besitzerin interagieren.<br />
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69.90<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>9
Dossier<br />
Die Lüge von<br />
der Vereinbarkeit<br />
Wer Kinder hat und Karriere machen möchte, zahlt einen hohen<br />
Preis – besonders als Frau. Mütter reiben sich auf zwischen<br />
Familie und Beruf. Denn die viel zitierte Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf bedeutet vor allem eins: ganz viel Stress.<br />
Eine Entmystifizierung. Text: Sibylle Stillhart Bilder: Jan von Holleben<br />
10 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong><strong>11</strong>
Dossier<br />
Die Bilder für dieses Dossier stammen vom<br />
deutschen Fotografen, Künstler, Illustrator<br />
und Autor Jan von Holleben. Zu seinem<br />
Universum gehören neben der Kamera, vielen<br />
kleinen und grossen Spielkindern und<br />
haufenweisen Alltagsgegenständen auch<br />
literweise Kräutertee, Tonnen an Müesli sowie<br />
kunterbunte Socken.<br />
Salome ist froh, dass sie<br />
nicht mehr arbeiten muss.<br />
Nach der Geburt ihres<br />
zweiten Kindes wurde ihr<br />
Job zusehends zur Belastung.<br />
«Ich hatte wenig zu tun im<br />
Büro, fragte mich je länger, je mehr<br />
nach dem Sinn meiner Stelle, während<br />
zu Hause unzählige Arbeiten<br />
hätten erledigt werden sollen», erinnert<br />
sich die Juristin.<br />
Nach der Geburt des dritten Kindes<br />
reichte sie die Kündigung ein.<br />
Ihr Mann hatte inzwischen einen<br />
Chefposten ergattert, ein Vollzeitpensum.<br />
«Zudem wollte ich mir den<br />
Stress nicht mehr länger zumuten,<br />
die Kinder an meinem Job vorbeizujonglieren»,<br />
erzählt Salome.<br />
«Mittlerweile geniesse ich es so richtig,<br />
bei meinen Kindern zu sein.»<br />
Allerdings spricht sie nur im<br />
engsten Freundeskreis offen über<br />
ihre Situation: «Ich meine, darf man<br />
heute überhaupt noch sagen, dass<br />
einem die Kinder mehr am Herzen<br />
liegen als der Job, ohne den Stempel<br />
einer Konservativen zu haben?»<br />
Die Ökonomin Sabine pendelte<br />
dreimal die Woche von Bern nach<br />
Zürich – frühmorgens gab sie in der<br />
Kita ihre beiden Mädchen ab und<br />
rannte anschliessend auf den Zug.<br />
Als sie im Büro erzählte, dass sie<br />
Mühe hätte, ihre weinende Tochter<br />
einer ihr fremden Betreuerin in die<br />
Arme zu drücken, erntete sie ein<br />
müdes Lächeln. «Man sagte mir, ich<br />
sei eben eine Glucke, die ihre Kinder<br />
nicht loslassen könne.»<br />
Sabine verstand die Welt nicht<br />
mehr, nahm sie doch einen mehr als<br />
zweistündigen Arbeitsweg auf sich,<br />
um weiterzuarbeiten. Irgendwann<br />
wurde ihr die Belastung zu viel.<br />
«Hätte ich so weitergemacht, wäre<br />
ich in ein Burnout geschlittert», sagt<br />
sie. «Allein schon wegen meiner<br />
Töchter konnte ich mir das nicht<br />
leisten.»<br />
Exakt deshalb hat Nadine ihren<br />
Job reduziert. Heute arbeitet die<br />
Politologin noch einen Tag die<br />
Woche als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
– meistens von zu Hause<br />
aus, weil sich das mit der Betreuung<br />
ihrer beiden schulpflichtigen Buben<br />
am einfachsten vereinbaren lässt.<br />
Nach der Geburt des ersten Kindes<br />
hatte sie sich die Betreuung mit<br />
ihrem Mann noch «einigermassen<br />
gleichmässig» geteilt. Er reduzierte<br />
auf 80 Prozent; sie arbeitete 60 Prozent.<br />
«Das war aber ein riesiger<br />
Stress», erinnert sie sich. Am Abend<br />
sah die Wohnung aus, als hätte eine<br />
Bombe eingeschlagen. Zeit, um auszuruhen,<br />
blieb keine. Gemeinsam<br />
hätten sie dann die Kinder gefüttert,<br />
sie ins Bett gebracht, die Wohnung<br />
aufgeräumt, bevor sie erschöpft ins<br />
Bett sanken.<br />
Hinzu kam, dass ihr Mann bei<br />
der Arbeit vermehrt bessere Angebote<br />
erhielt, stets mehr ver-<br />
Die sogenannte Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie wird uns seit<br />
Jahren als harmonisch verkauft.<br />
Die Realität sieht anders aus. >>><br />
12 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>13
Dossier<br />
14 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Die Strukturen in der<br />
Arbeitswelt sind so unbeweglich<br />
wie vor 50 Jahren. Einzig die<br />
Kita-Plätze haben sich erhöht.<br />
>>> diente, während Nadine nach<br />
einem Jobwechsel eine Lohneinbusse<br />
von 30 Prozent hinnehmen<br />
musste und zu blossen Sekretariatsarbeiten<br />
verdonnert wurde. Irgendwann<br />
wurde es ihr zu viel, sie nahm<br />
sich eine Auszeit, um wieder zu<br />
Kräften zu kommen.<br />
Drei Frauen, drei Szenarien, eine<br />
Rechtfertigung: Heute müssen sich<br />
Frauen verteidigen, wenn sie den Job<br />
an den Nagel hängen, um für ihre<br />
Kinder da zu sein. Denn die Maxime<br />
in Sachen Vereinbarkeit lautet: Wer<br />
will, kann auch. Hey, dröhnt es aus<br />
allen Richtungen, ihr müsst euch<br />
nur genügend anstrengen, dann seid<br />
ihr auch so gut organisiert wie alle<br />
anderen Powerfrauen. Dabei hat sich<br />
an den Rahmenbedingungen viel<br />
weniger geändert, als man glauben<br />
könnte.<br />
Starre Strukturen<br />
Die Strukturen in der Arbeitswelt<br />
sind so unbeweglich wie vor 50 Jahren;<br />
nach wie vor wird mehr Wert<br />
auf lange Präsenzzeit gelegt als auf<br />
den Output. Zudem diskutiert die<br />
Politik die Vereinbarkeit nur halbherzig.<br />
Einzig die Anzahl Kita-Plätze<br />
hat sich erhöht. Doch reduziert<br />
haben sich die Selbstzweifel und das<br />
schlechte Gewissen der Frauen nicht:<br />
«Ich habe zusehends Mühe, meine<br />
Kinder wegzugeben, bloss damit ich<br />
für einen Arbeitgeber attraktiv bleibe»,<br />
gibt etwa Daniela zu.<br />
Als die Anwältin nach dem<br />
14-wöchigen Mutterschaftsurlaub<br />
ihren Sohn in fremde Hände gab,<br />
fühlte sie sich, als würde ihr das<br />
Herz aus dem Leibe gerissen. Auf<br />
Verständnis in ihrem Umfeld konnte<br />
die Angestellte nicht zählen. «Von<br />
einer modernen Mutter wird >>><br />
15
Dossier<br />
>>> heute erwartet, dass sie ihr<br />
dreimonatiges Baby ohne Reue<br />
fremdbetreuen lässt, um schnellstmöglich<br />
an den Arbeitsplatz zurückzukehren.»<br />
Bei Daniela war das Gegenteil der<br />
Fall. Sie vermisste nicht nur ihr<br />
Kind, auch die Arbeit erschien ihr<br />
fade. Und in Sachen Beförderung<br />
erwies sich ihre Mutterschaft als<br />
Karrierekiller: Daniela wurde einfach<br />
übergangen. Ihr Vorgesetzter<br />
war der Meinung, als Mutter sei sie<br />
nicht mehr flexibel genug für einen<br />
verantwortungsvollen Job.<br />
Drei Frauen, drei Ausnahmen?<br />
Mitnichten. Die sogenannte Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie wird<br />
uns seit Jahren als «harmonisch»<br />
und «befriedigend» verkauft. Erfolgreiche,<br />
glückliche und reiche Firmengründerinnen,<br />
Ministerinnen<br />
und weibliche CEOs lassen sich mit<br />
aufmunternden Worten zitieren<br />
oder schreiben Bücher über ihren<br />
Willen zum Erfolg.<br />
Keine Einzige spricht oder<br />
schreibt von Augenringen, schlaflosen<br />
Nächten oder Organisationskatastrophen<br />
wegen Grippe, Prüfungsangst<br />
oder einem Zug, der<br />
morgens schon wieder Verspätung<br />
hat.<br />
Der Alltag von ganz normalen<br />
erwerbstätigen Eltern ist nüchtern<br />
betrachtet ein permanent andauernder<br />
Ausnahmezustand. Sie klagen<br />
über «Stress», «zu wenig Zeit». Sie<br />
fühlen sich «wie in einem Hamsterrad».<br />
Sie führen ein Leben in der<br />
Rushhour, strampeln sich täglich ab,<br />
bringen ihre Kinder frühmorgens in<br />
die Kita, eilen ins Büro, arbeiten<br />
über Mittag durch und hasten nach<br />
Feierabend noch in den Supermarkt<br />
– bevor sie zu Hause das Abendessen<br />
zubereiten und die Kinder ins<br />
Bett bringen.<br />
Der Alltag von erwebstätigen<br />
Eltern ist ein andauernder<br />
Ausnahmezustand.<br />
«Zwischen 1997 und 2013 zeigt sich<br />
eine Zunahme der zeitlichen Gesamtbelastung<br />
für alle Väter und Mütter<br />
in Paarhaushalten», hält das Bundesamt<br />
für Statistik (BfS) in seiner jüngsten<br />
Auswertung fest. Mütter und<br />
Väter von kleinen Kindern arbeiteten<br />
insgesamt durchschnittlich 68 re -<br />
spektive 70 Stunden pro Woche. Allmählich<br />
wird klar, dass «Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf» vor<br />
allem bedeutet, nahtlos am Stück zu<br />
arbeiten.<br />
Dass sich Kinder und Karriere<br />
reibungsfrei vereinbaren lassen, ist<br />
also ein Mythos. Es ist an der Zeit,<br />
diesen Mythos zu entlarven. Herauszufinden,<br />
was in dieser Debatte<br />
schiefläuft.<br />
Mythos 1: Hausarbeit und Kinderbetreuung<br />
werden sich ebenbürtig<br />
auf Mütter und Väter verteilen,<br />
wenn beide erwerbstätig sind.<br />
Falsch: Hausarbeit und Kinderbetreuung<br />
liegen nach wie vor in der<br />
Verantwortung der Frau.<br />
Immer mehr Frauen arbeiten nach<br />
der Geburt eines Kindes weiter, die<br />
meisten – 63 Prozent – Teilzeit. Die<br />
Hoffnung, dass Männer ihr Arbeitspensum<br />
ebenfalls reduzieren<br />
würden, um sich mit ihren erwerbstätigen<br />
Partnerinnen Haushalt und<br />
Kinder zu teilen, hat sich aber als<br />
Irrtum erwiesen.<br />
Laut Bundesamt für Statistik<br />
(BfS) tragen nach wie vor gut drei<br />
Viertel der erwerbstätigen Frauen<br />
die Hauptverantwortung für Hausarbeit<br />
und Kinderbetreuung allein.<br />
In Zahlen ausgedrückt: Mütter wenden<br />
durchschnittlich 55,5 Stunden<br />
pro Woche dafür auf, dass der Kühlschrank<br />
gefüllt, das Essen gekocht<br />
und die Wohnung aufgeräumt ist,<br />
die Kleider gewaschen und die Kinder<br />
zufrieden sind.<br />
Geht sie zusätzlich einer Erwerbsarbeit<br />
nach, erhöht sich der durchschnittliche<br />
Arbeitsaufwand auf 68<br />
Stunden. Das sind täglich knapp 10<br />
Stunden, auch samstags und sonn-<br />
16 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
tags. Die vermehrte Er-werbsbeteilung<br />
der Mütter, die in den letzten<br />
Jahren zu beobachten ist, führt zu<br />
einer noch grösseren Gesamtbelastung<br />
der Frau, lautet das Fazit der<br />
BfS-Studie.<br />
Allerdings ist auch das durchschnittliche<br />
Arbeitspensum der<br />
Männer enorm. Sie müssen aufgrund<br />
ihrer erwerbstätigen Frauen vermehrt<br />
im Haushalt mit anpacken:<br />
30,5 Stunden pro Woche Hausarbeit<br />
leisten Väter in Familien mit kleinen<br />
Kindern. Kumuliert mit der Erwerbsarbeit<br />
– die in den meisten Fällen ein<br />
Vollzeitpensum von mindestens 40<br />
Stunden umfasst – ist das ebenfalls<br />
ein beachtliche 70-Stunden-Woche.<br />
Mythos 2: «Moderne Väter» kümmern<br />
sich mehr um ihren Nachwuchs<br />
als um ihre Karriere.<br />
Falsch: Beruflicher Erfolg ist<br />
Vätern wichtiger als die Familie.<br />
Ja, es gibt sie, die «modernen Väter»,<br />
die ihre Babys stolz im Tragetuch<br />
spazieren führen, sie mit Brei füttern<br />
und im Supermarkt Windeln<br />
kaufen.<br />
Tatsächlich glaubt man, dass<br />
«moderne Väter» ihre berufstätigen<br />
Partnerinnen zu Hause entlasten.<br />
Wünschen tun es sich einige – wie<br />
eine repräsentative Studie von Pro<br />
Familia zeigt, die sich generell mit<br />
dem Teilzeitarbeitswunsch von<br />
Erwerbstätige Mütter<br />
arbeiten täglich zehn Stunden,<br />
auch samstags und sonntags.<br />
Männern (nicht nur Vätern) befasst.<br />
Sie besagt, dass 9 von 10 Männern<br />
gerne Teilzeit ar beiten würden.<br />
Doch Wunsch und Wirklichkeit<br />
klaffen weit auseinander: 9 von 10<br />
Vätern arbeiten nach wie vor Vollzeit.<br />
«Der engagierte Vater, der sich<br />
die Familienarbeit partnerschaftlich<br />
mit der Mutter teilt, ist ein Exot»,<br />
sagt die österreichische Familienforscherin<br />
Irene Mariam Tazi-Preve.<br />
Der Mann sei erwerbsorien- >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>17
Dossier<br />
>>> tiert und definiere sich über Konflikt zwischen Beruf und Familie,<br />
seinen Beruf, über seine Position,<br />
das Geld – und erst dann über seine<br />
Kinder, so Tazi-Preve (vgl. In terview<br />
entscheidet sich die Mehrheit der<br />
Männer – ganz im Gegensatz zu den<br />
Müttern – für den Beruf.<br />
Seite 30). Auf ein ähnliches Resultat<br />
kommt eine Studie des deutschen<br />
Instituts für Demoskopie Allensbach,<br />
in der 947 Männer zwischen<br />
Mythos 3: Ein hohes Arbeitspensum<br />
ist Ausdruck für ein emanzipiertes<br />
Leben.<br />
18 und 65 Jahren befragt wurden:<br />
Der Erfolg im Beruf ist für die meisten<br />
Männer wichtiger als die Familie.<br />
Kommt es zu einem zeitlichen<br />
Falsch: Zu viel Arbeit macht krank.<br />
Die Arbeitsbelastung, die sowohl<br />
Väter wie auch Mütter wöchentlich<br />
bewerkstelligen, bleibt nicht folgenlos.<br />
Eine Studie des Staatssekretariats<br />
für Wirtschaft (SECO) ergab, dass<br />
rund ein Drittel der Erwerbstätigen<br />
häufig oder sehr häufig gestresst ist.<br />
Dies sind 30 Prozent mehr als noch<br />
vor zehn Jahren.<br />
Burnout bei Hausfrauen und<br />
berufstätigen Müttern nimmt zu.<br />
18 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Frauen mit einer 60-Stunden-<br />
Woche haben ein dreimal höheres<br />
Risiko, an Krebs zu erkranken oder<br />
einen Herzinfarkt zu erleiden.<br />
Kur machten, lag im Jahr 2003 noch<br />
bei 49 Prozent. Zehn Jahre später<br />
waren es bereits 86 Prozent. Zeitdruck<br />
und zu wenig Anerkennung<br />
für ihre Arbeit belasten Mütter am<br />
meisten.<br />
Amerikanische Wissenschaftler<br />
haben zudem herausgefunden, dass<br />
Frauen mit einer 60-Stunden-<br />
Woche ein dreimal so hohes Risiko<br />
haben, an Krebs, Arthritis oder Diabetes<br />
zu erkranken oder einen Herzinfarkt<br />
zu erleiden. Auslöser sei der<br />
gesundheitsschädigende Einfluss<br />
von multiplem Stress, der durch die<br />
Mehrfachbelastung von Kindern<br />
und Haushalt entsteht.<br />
Mythos 4: Wer mehr arbeitet, hat<br />
auch mehr Geld.<br />
Während Männer Deadlines, nervende<br />
Chefs oder belastende<br />
Arbeitszeiten als Stressfaktoren<br />
nennen, kämpfen Frauen am häufigsten<br />
damit, Job und Familie unter<br />
einen Hut zu bringen. Hinzu<br />
kommt, dass die Doppelbelastung<br />
vermehrt zu psychischen Störungen<br />
führt. «Burnout bei Hausfrauen und<br />
bei berufstätigen Müttern nimmt<br />
tendenziell zu», sagte Wulf Rössler,<br />
Vorsteher und Klinikdirektor der<br />
Psychiatrischen Universitätsklinik<br />
Zürich.<br />
Ähnliches ist in Deutschland zu<br />
beobachten: Die Zahl der Mütter<br />
mit Erschöpfungssyndrom bis hin<br />
zum Burnout mit Schlafstörungen,<br />
Angstzuständen oder Kopfschmerzen<br />
ist gemäss Anne Schilling,<br />
Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes<br />
in Berlin, deutlich<br />
gestiegen. Der Anteil der Mütter, die<br />
wegen psychischer Störungen eine<br />
Falsch: Wir arbeiten immer mehr<br />
für immer weniger Geld.<br />
Mütter und Väter arbeiten immer<br />
mehr – und kommen trotzdem auf<br />
keinen grünen Zweig: Teure Kinderbetreuungskosten,<br />
die Steuerprogression<br />
bei zwei Einkommen,<br />
explodierende Krankenkassenprämien<br />
und die Wohnungsmieten<br />
belasten das Portemonnaie der Mittelschicht.<br />
Oft ist am Ende des<br />
Monats kaum mehr Geld übrig, auch<br />
wenn beide Eltern in hohen Pensen<br />
arbeiten.<br />
Monika Bütler, Wirtschaftsprofessorin<br />
an der Universität St. Gallen,<br />
hat bereits vor Jahren herausgefunden,<br />
dass sich ein Zweiteinkommen<br />
oft gar nicht lohnt. Ein Krippenplatz<br />
kostet im Durchschnitt pro Tag <strong>11</strong>0<br />
Franken. Bei durchschnittlich 22<br />
Krippentagen pro Monat ergibt sich<br />
ein stattlicher Betrag, der einem<br />
Drittel des Haushaltseinkommens<br />
einer Durchschnittsfamillie >>><br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>19
Dossier<br />
>>> entspricht, wie die Universität<br />
St. Gallen in einer Studie 2013 herausfand.<br />
Schweizer Familien bezahlen<br />
damit für die externe Kinderbetreuung<br />
doppelt so viel wie Eltern in<br />
24 anderen europäischen Ländern.<br />
Kommen die Kinder in die Schule,<br />
reduzieren sich die Beiträge zwar,<br />
sind aber vergleichsweise immer<br />
noch hoch. So kostet ein Hortplatz<br />
mit Mittagessen und Nachmittagsbetreuung<br />
pro Kind und Tag 70<br />
Franken. Wer eine ausgebildete<br />
Nanny beschäftigt, muss bei Vollzeit<br />
mit monatlichen Kosten von bis zu<br />
4500 Franken rechnen.<br />
Deshalb macht die Erwerbstätigkeit<br />
einer Zweitverdienerin laut Bütler<br />
erst dann Sinn, wenn der Nettolohn<br />
einer Vollzeitanstellung nach<br />
Steuern und anderen Berufsauslagen<br />
mindestens 50 000 Franken<br />
beträgt. Das heisst: Selbst für gut<br />
ausgebildete Mütter lohnt es sich<br />
finanziell nicht, zu arbeiten. Trotzdem<br />
arbeiten immer mehr Frauen<br />
nach der Geburt weiter – der Anteil<br />
nicht erwerbstätiger Frauen ist seit<br />
1992 von rund 40 auf 20 Prozent<br />
gesunken. Frauen in der Schweiz<br />
bezahlen also dafür, dass sie zur<br />
Arbeit gehen dürfen.<br />
Mythos 5: Männer und Frauen<br />
haben die gleichen Chancen auf<br />
dem Arbeitsmarkt.<br />
Falsch: Weibliche Arbeit wird nach<br />
wie vor schlechter oder gar nicht<br />
bezahlt.<br />
In der Arbeitswelt zählen immer<br />
noch dieselben starren Mechanismen<br />
wie vor 50 Jahren: Noch immer gilt<br />
als produktiv, wer von frühmorgens<br />
bis spätabends an seinem Arbeitsplatz<br />
ausharrt, egal wie effizient er<br />
tatsächlich ist. «Karriere in >>><br />
Erfolg im Job ist für<br />
die meisten Männer<br />
wichtiger als die Familie.<br />
20 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>21
Dossier<br />
22 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Die Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf ist eine trügerische Behauptung<br />
von Politik und Wirtschaft.<br />
>>> Deutschland», hat der Trendforscher<br />
Matthias Horx einmal<br />
geschrieben, «ist ein Wettbewerb um<br />
Anwesenheitszeiten, um kommunikative<br />
Präsenz. Wer führt, muss nach<br />
einem Acht-Stunden-Tag noch für<br />
Meetings und Absprachen an der Bar<br />
zur Verfügung stehen. Kann sein<br />
Wochenende vergessen. Muss immer<br />
erreichbar sein.»<br />
In der Schweiz ist das nicht<br />
anders. Kaum eine Mutter kann es<br />
sich leisten, zwölf Stunden bei der<br />
Arbeit auszuharren oder am Feierabend<br />
mit ihren Kollegen abzuhängen.<br />
Frauen hetzen nach Büroschluss<br />
nach Hause zu den Kindern,<br />
während es für Männer verpönt ist,<br />
um 17 Uhr wegen der Kinder das<br />
Büro zu verlassen.<br />
Zudem verdienen Männer immer<br />
noch 20 bis 30 Prozent mehr als<br />
Frauen. In «typischen Männerberufen»<br />
– wie etwa in der Banken-,<br />
Auto- oder Versicherungsbranche<br />
– ist der Lohn schon von Beginn an<br />
höher angesetzt als etwa im Pflegebereich,<br />
wo sich vermehrt Frauen<br />
um Kleinkinder, Kranke und ältere<br />
Leute kümmern.<br />
Hinzu kommt die unbezahlte<br />
Arbeit: Haushalt, Kinderbetreuung<br />
und die Pflege bedürftiger Angehöriger.<br />
2013 wurden in der Schweiz<br />
dafür 8,7 Milliarden Stunden gearbeitet,<br />
was einem Geldwert von 401<br />
Milliarden Franken entspricht, wie<br />
das Bundesamt für Statistik berechnet<br />
hat.<br />
Es sind vorwiegend Frauen (62<br />
Prozent), die diese unbezahlten<br />
Tätigkeiten ausführen, während 62<br />
Prozent der Männer bezahlter Arbeit<br />
nachgehen. Weil Frauen oft gratis<br />
arbeiten oder schlechter bezahlt<br />
sind, droht ihnen die Gefahr der<br />
Altersarmut, weil unbezahlte oder<br />
schlecht bezahlte Arbeit nicht ren<br />
tenrelevant ist. Auch bekommen<br />
Frauen im Alter eine kleinere Pension,<br />
obwohl sie lebenslang gearbeitet<br />
haben.<br />
Mythos 6: Die emanzipierte Frau<br />
kann problemlos Beruf und Arbeit<br />
vereinbaren.<br />
Falsch: Die Karrierefrau mit Kindern<br />
ist die Ausnahme.<br />
Das Bild der beruflich erfolgreichen<br />
Mutter, die ihre Karriere verfolgt,<br />
während sie spielend drei Kinder<br />
aufzieht, ist heute genauso ideologisiert<br />
wie unlängst das überhöhte Bild<br />
der duldsamen Mutter, die sich für<br />
ihren Mann und ihre Kinder aufopfert.<br />
Beides hat mit der Realität<br />
wenig zu tun. Auch in den ehemaligen<br />
sozialistischen Ländern, in<br />
denen die Strukturen so ausgelegt<br />
waren, dass Mütter voll erwerbstätig<br />
waren, blieb die Karrierefrau mit<br />
Kindern die Ausnahme. Während<br />
Frauen vorwiegend assistierende<br />
Tätigkeiten ausführten, hatten die<br />
Männer die interessanten Jobs –<br />
Männer befahlen, Frauen dienten.<br />
Die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf ist eine trügerische Be <br />
hauptung von Wirtschaft und Politik.<br />
Dieses Hin und Her zwischen den<br />
Ansprüchen der Arbeitswelt und der<br />
Familie zehrt an der Substanz – bei<br />
Vätern wie auch bei Müttern. Trotzdem<br />
werden wir dazu angehalten,<br />
immer mehr und immer länger zu<br />
arbeiten. In der Europäischen Union<br />
hat sich der Appell des «dual earner<br />
couple» – der Integration beider<br />
Elternteile in die Arbeitswelt – schon<br />
seit längerer Zeit etabliert. Beide<br />
Eltern sollen möglichst Vollzeit<br />
arbeiten, um eigenverantwortlich ihr<br />
Leben zu verdienen, während die<br />
staatlichen Leistungen ausgedünnt<br />
oder abgeschafft werden. >>><br />
23
Dossier<br />
>>> Der Ruf nach der weiblichen<br />
Arbeitskraft hat nichts mit einem<br />
emanzipierten, selbstbestimmten<br />
Leben zu tun: Es geht nicht darum,<br />
den Frauen in der Arbeitswelt die<br />
gleichen Rechte wie den Männern<br />
einzuräumen oder ihnen einen Lohn<br />
zu bezahlen, mit dem sie eine Familie<br />
ernähren könnten. Will die Wirtschaft<br />
mehr weibliche Arbeitnehmerinnen,<br />
dann nur, um den Profit<br />
des Unternehmens oder die Wirtschaftskraft<br />
des Landes zu steigern.<br />
Und wer fragt die Kinder?<br />
Bemerkenswert ist, dass bei der ganzen<br />
Vereinbarungsdebatte das Wohl<br />
der Kinder nicht im Zentrum steht.<br />
Noch vor 20 Jahren wurden<br />
Kinder bemitleidet, die eine<br />
Krippe besuchen mussten.<br />
Noch vor 20 Jahren wurden Kinder<br />
bemitleidet, die eine Krippe besuchen<br />
mussten. Heute werden Eltern<br />
schräg angeguckt, die ihre Kinder<br />
nicht fremdbetreuen lassen – obwohl<br />
eine Studie aus dem Jahre 2012 die<br />
Qualität in Schweizer Kitas sogar als<br />
«durchzogen» beurteilt. Es fehle an<br />
Personal und finanziellen Ressourcen,<br />
um eine qualitative Betreuung<br />
zu gewährleisten.<br />
Es ist falsch, dass sich Familien<br />
den Bedürfnissen der Arbeitgeber<br />
unterordnen müssen. Kinder sollen<br />
nicht weggebracht, fremdbetreut<br />
und rumgeschoben werden, nur<br />
damit ihre Eltern als Arbeitskräfte<br />
verfügbar sind. Es muss umgekehrt<br />
sein: Die Arbeitswelt muss sich den<br />
familiären Bedürfnissen anpassen.<br />
In einer familienfreundlichen<br />
Gesellschaft darf die Vereinbarung<br />
von Beruf und Familie nicht dazu<br />
führen, dass Väter wie Mütter 100<br />
Prozent arbeiten. Eher sollten >>><br />
Kinder haben:<br />
das grösste Glück –<br />
der grösste Stress<br />
Eltern stehen permanent unter Druck,<br />
fühlen sich femdbestimmt. Warum ist<br />
das so? Und was kann man dagegen<br />
tun? Text: Claudia Landolt<br />
1. Multitasking<br />
Eltern sind Meister darin, tausend Dinge<br />
gleichzeitig zu erledigen. Doch diese<br />
Fähigkeit, die man automatisch erlernt,<br />
wenn man Mutter oder Vater wird, hat<br />
ihre Tücken. Zumindest, wenn man der<br />
Arbeitsmarkt-Analyse glaubt, die der<br />
Deutsche Gewerkschaftsbund regelmässig<br />
erstellt. Darin geben 65 Prozent der total<br />
5000 Befragten an, dass Multitasking<br />
für sie der grösste Stress bedeute.<br />
Gleichzeitig mit mehreren Projekten<br />
und Aufgaben jonglieren zu müssen, sei<br />
besonders nervenaufreibend. Neurologen<br />
bestätigen, dass unser Gehirn dafür gar<br />
nicht geschaffen ist. Eine Untersuchung<br />
der Stanford University um den Forscher<br />
Clifford Nass ergab, dass Multitasker eine<br />
durchwegs schlechtere Denkleistung<br />
aufwiesen als Personen, die sich nur einer<br />
Sache widmen.<br />
2. Kinderbetreuung<br />
Die Schweiz ist diesbezüglich Ödland.<br />
Wer mit Kind arbeiten will, kann dies nur,<br />
wenn die Grosseltern einspringen oder der<br />
Geldbeutel weit geöffnet wird (vgl. Mythos<br />
4, Seite 19). 67 Prozent der Kinderbetreuungskosten<br />
müssen nach Abzug der<br />
Steuern von den Eltern getragen werden:<br />
Das ist die bittere Wahrheit. Die Schweiz<br />
bestraft alles, was nicht dem traditionellen<br />
Modell eines Familienhaushaltes<br />
entspricht. Das muss man entweder aushalten<br />
– oder man wandert aus!<br />
3. Müdigkeit<br />
Müde in Vollzeit ist die Crux aller Eltern.<br />
Anfänglich, wenn das Baby im Zweistundentakt<br />
gestillt werden will. Später, wenn<br />
die bösen Träume kommen. Danach sind<br />
es Wachstumsschmerzen, Erlebnisse und<br />
Ängste, die verarbeitet werden müssen.<br />
Der Wechsel der Schlafgewohnheiten in<br />
der Pubertät, das Warten, bis die Teenie-<br />
Tochter endlich nach Hause kommt.<br />
Nicht zu vergessen die diversen Krankheiten,<br />
die es zu überstehen gilt. Und der<br />
persönliche Stress, der einen schlaflos<br />
macht.<br />
Irgendwann ist man selbst so weit, dass<br />
man nicht mehr in den Schlaf findet.<br />
Diesen Momenten allergrösster<br />
Erschöpfung und Einsamkeit können<br />
Väter und Mütter nicht entgehen, leider.<br />
Ein kleiner Trost: Alle, die Kinder haben,<br />
kennen diese Momente. Und nur sie verstehen<br />
die Grösse dieser Erfahrung – in<br />
jeder Hinsicht.<br />
24 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
4. Fremdbestimmung<br />
Die Flexibilität eines Erwachsenenlebens<br />
endet abrupt mit der Geburt des ersten<br />
Kindes. Keine spontanen Städtetrips mehr,<br />
Essen im angesagten Restaurant nur noch<br />
sporadisch, wenig(er) Sex. Stattdessen:<br />
Ferien im Reka-Dorf, Mahlzeiten in der Pizzeria.<br />
Am Sonntag werden die elterlichen<br />
Terminkalender abgeglichen und die Aufgaben<br />
für die kommenden Tage verteilt –<br />
eine Managementherausforderung. Nicht<br />
lustig!<br />
Machen Kinder und der Rhythmus,<br />
den sie uns aufzwingen, also faktisch<br />
unglücklich? Erkenntnisse der Glücksforscher<br />
(etwa Keith Campbell und<br />
Jean Twenge) beweisen, dass Kinder<br />
tatsächlich nicht glücklich machen. Wer<br />
Kinder bekommt, ist in den ersten Jahren<br />
eher unglücklich. Während der Schulzeit<br />
steigt die Glückskurve wieder an, ehe<br />
sie in der Pubertät vollends in den Keller<br />
rutscht. Erst wenn der Nachwuchs aus<br />
dem Haus ist, sind viele Eltern wieder<br />
richtig glücklich. Glücksphilosophen wie<br />
etwa Wilhelm Schmid sagen indes, auf<br />
Eltern treffe eher das «Glück der Fülle» zu,<br />
eine Art Ganzheitsglück, in dem extreme<br />
Erfahrungen gemacht würden, nicht nur<br />
Freude, sondern auch Schmerz. Also viele<br />
Höhen und ein paar Tiefen zu durchleben,<br />
die man bestenfalls als Erfahrung ansehen<br />
kann. Kinder zu haben, schenke den<br />
Menschen viel Wertvolles, das zum Glück<br />
beitrage.<br />
5. Selbstaufgabe<br />
Kinder zwingen einem nicht nur ihren<br />
Rhythmus auf, sie bringen eine Identitätswandlung<br />
mit. Die Geburt eines Kindes<br />
bedeutet, dass sich sowohl Männer als<br />
auch Frauen in einer neuen Rolle erleben<br />
und diese Rolle ein neuer Teil der Identität<br />
wird. Frauen machen diese Erfahrung<br />
früher, und sie ist durch Schwangerschaft<br />
und Stillen vielleicht ausgeprägter. Es<br />
wäre völlig verrückt, diese Erfahrung auszublenden.<br />
Mütter sind die gleichen Personen<br />
wie vorher. Dennoch fällt es gerade<br />
ihnen schwer, auf ihre eigenen Bedürfnisse<br />
zu achten und sich einzugestehen, dass es<br />
zu viel wird.<br />
Wenn wir den ganzen Tag damit<br />
beschäf-tigt sind, es dem Chef, den Kollegen<br />
und den Kindern recht zu machen,<br />
besteht die Gefahr, sich selbst zu vernachlässigen.<br />
Eine Zeit lang mag dies<br />
funktionieren, auf Jahre aber macht es<br />
unzufrieden – und einsam, weil man niemandem<br />
von seiner Not erzählt.<br />
Viele Eltern haben gute Erfahrungen<br />
damit gemacht, sich einen Abend pro<br />
Woche für sich auszubedingen. Wer<br />
Energie hat, kann Freunde treffen. Wem<br />
diese fehlt, guckt sich in Ruhe Serien an<br />
oder geht früh schlafen. Hauptsache, man<br />
schenkt sich selbst etwas Zuwendung, in<br />
welcher Form auch immer.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>25
Dossier<br />
horchen: Die Angestellten sind nicht<br />
nur motivierter und weniger er <br />
schöpft, sondern auch zufriedener,<br />
weil mehr Zeit für die Familie bleibt.<br />
Apropos Skandinavien: Die<br />
Dänen – die 35-Stunden-Woche ist<br />
dort wie übrigens auch in unserem<br />
Nachbarland Frankreich längst die<br />
Regel – stufen Familienleben und<br />
Freizeit höher ein als ihre Arbeit.<br />
Wer meint, in Dänemark seinem<br />
Chef mit langen Arbeitsstunden zu<br />
imponieren, sei auf dem Holzweg,<br />
schreibt Rahel Leupin, eine Doktorandin,<br />
die an der Universität Roskilde<br />
arbeitet und mit ihrer Familie<br />
seit zwei Jahren in Dänemark lebt,<br />
in einem Blog des «Tages-Anzeiger».<br />
Tue man das, trete das Gegenteil ein,<br />
man ernte besorgte Blicke von Kollegen<br />
und vielleicht sogar eine Verwarnung<br />
des Vorgesetzten, doch<br />
bitte die Familien- und Freizeit zu<br />
wahren. Spätestens um 16 Uhr wird<br />
die Bürotüre ganz selbstverständlich<br />
zugemacht – übrigens auch vom<br />
In Dänemark verlässt die<br />
Chefin der IT-Abteilung einer<br />
Bank ihr Büro um 14.30 Uhr.<br />
Weil sie vier Kinder hat.<br />
Chef. In Dänemark sorgt es noch<br />
nicht einmal für Erstaunen, wenn<br />
die Chefin der IT-Abteilung einer<br />
grossen Bank jeden Tag um 14.30<br />
Uhr verschwindet, weil sie vier Kinder<br />
hat.<br />
Ja, Sie haben richtig gelesen: die<br />
Chefin der IT-Abteilung. Vier Kinder.<br />
Geht um halb drei nach Hause.<br />
In der Schweiz ist das die Zeit, in<br />
welcher der Sitzungsmarathon in<br />
vollem Gange ist.<br />
>>><br />
Sibylle Stillhart<br />
>>> sich Eltern für ein Familienmodell<br />
entscheiden, das ihnen am<br />
besten behagt: Wer von beiden<br />
weniger, gar nicht oder voll arbeitet,<br />
ist Privatsache. Ebenso, ob beide<br />
einem Teilzeitjob nachgehen. Das zu<br />
ermöglichen, wäre Aufgabe des<br />
Staates, der Wirtschaft und der Ge <br />
sellschaft, die daran interessiert sein<br />
müssten, die Burnout-Diagnosen<br />
der angestellten Bevölkerung so<br />
niedrig wie möglich zu halten.<br />
Es wäre deshalb klug, einmal<br />
grundsätzlich über unsere Arbeitsstunden<br />
nachzudenken. Die Schweiz<br />
gehört zu den Ländern mit den<br />
höchsten Präsenzzeiten. Doch ist es<br />
tatsächlich sinnvoll, dass ein Ar <br />
beitstag acht oder achteinhalb Stunden<br />
dauert, wenn neurologische<br />
Studien beweisen, dass Menschen<br />
nicht mehr als vier Stunden täglich<br />
konzentrationsfähig sind? Würde es<br />
mit einem Arbeitstag von fünf oder<br />
sechs Stunden nicht ebenso gut<br />
funktionieren?<br />
In Göteborg experimentieren<br />
Unternehmen seit Kurzem mit<br />
einem Sechs-Stunden-Arbeitstag –<br />
bei gleichem Gehalt. Angestellte<br />
eines Pflegeheims, eines Krankenhauses,<br />
einer Fabrik und eines Tech-<br />
Start-ups arbeiten nur 30 Stunden<br />
pro Woche. Das Resultat lässt aufist<br />
freie Journalistin und Buchautorin<br />
(«Müde Mütter – fitte Väter»). Sie ist Mutter<br />
von drei Buben und lebt mit ihrer Familie<br />
in Bern.<br />
Infos, Links und Buchtipps zum Thema<br />
Gemeinsam Regie führen. Ein Impuls<br />
der Gleichstellungsfachstellen der<br />
Kantone Bern, Luzern, Zürich, der<br />
Fachstelle UND sowie des<br />
Eidgenössischen Büros für die<br />
Gleichstellung von Frau und Mann:<br />
www.gemeinsam-regie-fuehren.ch<br />
Fachstelle UND, Familien- und<br />
Erwerbsarbeit für Männer und Frauen:<br />
www.und-online.ch<br />
Informations- und Beratungszentrum<br />
Frau und Arbeit: www.frac.ch<br />
Familienfreundliche Unternehmen<br />
können Sie hier finden und bewerten:<br />
www.jobundfamilie.ch,<br />
www.familyscore.ch<br />
Sibylle Stillhart: Müde Mütter – fitte<br />
Väter. Warum Frauen immer mehr<br />
arbeiten und es trotzdem<br />
nirgendwohin bringen. Limmat-<br />
Verlag, 2015. <strong>11</strong>0 Seiten, Fr. 23.90<br />
Michèle Roten: Wie Mutter sein.<br />
Echtheit-Verlag, 2013. 176 Seiten,<br />
Fr. 31.90<br />
Marc Brost, Heinrich Wefing: Geht<br />
alles gar nicht. Warum wir Kinder,<br />
Liebe und Karriere nicht<br />
vereinbaren können. Rowohlt-Verlag,<br />
2015. 240 Seiten, Fr. 18.30<br />
Susanne Garsoffky, Britta Sembach:<br />
Die Alles-ist-möglich-Lüge. Wieso<br />
Beruf und Familie nicht zu<br />
vereinbaren sind. Pantheon-Verlag,<br />
2014. 256 Seiten, Fr. 20.40<br />
Stefanie Lohaus, Tobias Scholz: Papa<br />
kann auch stillen. Wie Paare Kind,<br />
Job und Abwasch unter einen Hut<br />
bringen. Goldmann-Verlag, 2015.<br />
224 Seiten, Fr. 10.30<br />
26 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
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Das neue Kindermusical «Die kleine<br />
Hexe» tourt ab November <strong>2016</strong><br />
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mitreissender Hexen-Spass für die<br />
ganze Familie.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>27
Dossier<br />
Wie im Bienenhaus:<br />
Roc, 6, Gieri Cavelty,<br />
Sibylle Stillhart,<br />
Antonin, 1, und<br />
Giuli, 8 (v. l. n. r.).<br />
28 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
«Wie an einem<br />
Marathonlauf –<br />
aber ohne<br />
Aussicht auf<br />
Erholung»<br />
Der Spagat zwischen Arbeit und<br />
Familie brachte unsere Autorin an<br />
den Rand ihrer Belastbarkeit. Seit<br />
sie sich aus der Abhängigkeit als<br />
Angestellte losgesagt hat, hat sie<br />
vor allem gewonnen: Zeit und Geld<br />
und Lebensqualität – inzwischen ist<br />
ihr drittes Baby zur Welt gekommen.<br />
Text: Sibylle Stillhart<br />
Ich weiss nicht, was letztlich den Ausschlag<br />
gab. War es das Gespräch mit<br />
meiner Ärztin, das mir nicht mehr aus<br />
dem Kopf gehen wollte? «Kümmern Sie<br />
sich allein um Ihre Kinder und den Haushalt<br />
oder werden Sie von Ihrem Mann<br />
unterstützt?», fragte sie während einer<br />
Routineuntersuchung. «Falls nicht – kündigen<br />
Sie Ihren Job und suchen Sie erst<br />
wieder eine Stelle, wenn Ihr jüngster<br />
Sohn in der Schule ist. Sonst fallen Sie<br />
irgendwann um vor lauter Erschöpfung.»<br />
Moment! Irgendwie hatte ich das Gefühl,<br />
etwas nicht richtig mitbekommen zu<br />
haben. «Ich? Zu Hause? Soll das etwa ein<br />
emanzipiertes Leben sein?», wollte ich<br />
sagen, doch ich schwieg. War denn meine<br />
jetzige Situation «emanzipiert»? Dieses<br />
Gehetze zwischen Kita und Büro? Diese<br />
Anspannung, die sich anfühlte wie bei<br />
einem Marathonlauf, aber ohne Aussicht<br />
auf Erholung?<br />
Einige Tage nach diesem Gespräch<br />
reichte ich die Kündigung ein. Vielleicht<br />
war es auch das Niveau im Büro, wo ich<br />
als Kommunikationsverantwortliche<br />
angestellt war: Mit dem neuen Chef sank<br />
dieses zusehends. Ich ärgerte mich, für<br />
einen Vorgesetzten zu arbeiten, der nicht<br />
imstande war, selbst eine Mail zu verfassen,<br />
aber darauf bestand, dass man ihn<br />
als Herrn Doktor ansprach. Als ich mich<br />
einmal mit ihm im Flur unterhielt, brach<br />
er das Gespräch abrupt ab, weil er zu<br />
einem Treffen mit «wichtigen Leuten»<br />
musste. Ganz Herr alter Schule, überreichte<br />
er mir seinen Füllfederhalter, bat<br />
mich, ihn zurück in sein Büro zu bringen.<br />
Natürlich gehorchte ich. Aber mal ehrlich:<br />
Würde er das auch von einem Mann verlangen?<br />
Meine Bemühungen, Job und Familie<br />
unter einen Hut zu bringen, brachten<br />
mich zusehends an den Rand meiner<br />
Belastbarkeit. Ich fühlte mich zerrissen<br />
zwischen zwei Welten, die sich gegenseitig<br />
abstossen. Zudem hatte ich das<br />
Gefühl, weder meinen Kindern noch meinem<br />
Arbeitgeber gerecht zu werden –<br />
obwohl ich von früh bis spät auf den Beinen<br />
war. Das begann schon am Morgen,<br />
wenn ich nach neun Uhr ins Büro kam<br />
und von meinen Kollegen bloss genervte<br />
Blicke erntete. Denn es galt die unausgesprochene<br />
Regel: Der Erste im Büro ist<br />
der Fleissigste. Als Mutter zweier Kleinkinder<br />
war ich die ewige Verliererin in<br />
diesem Wettbewerb, an dem sich alle zu<br />
orientieren schienen.<br />
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind<br />
noch sehr lebendig: Der Tag beginnt um<br />
halb sechs Uhr in der Früh. Um diese Zeit<br />
verlangt der dreijährige Sohn seinen<br />
Schoppen – so laut, dass auch sein kleiner<br />
Bruder wach wird. Ich haste todmüde<br />
in die Küche, wärme Milch, wickle das<br />
Baby, setze Kaffee auf, mache Frühstück.<br />
Um halb neun stehe ich mit den beiden<br />
Buben vor der Haustüre. Trotz Minustemperaturen<br />
bin ich nass geschwitzt, weil<br />
ich den Nuggi in der Wohnung vergessen<br />
habe und vorher noch die Playmobil-<br />
Pistole unter dem Bett hervorklauben<br />
musste. Die Wohnung sieht aus, als ob ein<br />
Wirbelsturm darin gewütet hätte: Das<br />
Frühstücksgeschirr liegt unter dem Tisch,<br />
tausend Playmobil-Teilchen sind auf dem<br />
Boden zerstreut. Endlich in der Kita, heult<br />
der Grosse. Ich tröste ihn und verspreche,<br />
ihn frühabends abzuholen. Mit einem<br />
klammen Gefühl verabschiede ich mich<br />
von meinen Kindern und renne zum Tram,<br />
das mich ins Büro bringt.<br />
Es ist nun fast vier Jahre her, seit ich<br />
mich aus der Abhängigkeit als angestellte<br />
Arbeitnehmerin befreit habe. Der<br />
Stress ist wie weggefegt. Heute arbeite<br />
ich als freischaffende Journalistin und<br />
Autorin, während die Kinder an zwei<br />
Tagen die Kita oder den Hort besuchen.<br />
Als Freiberuflerin habe ich nun die<br />
Freiheit, meine Arbeitszeit selbst einzuteilen:<br />
Was nicht nur mir, sondern der<br />
ganzen Familie zugutekommt. Ich kann<br />
problemlos darauf reagieren, wenn ein<br />
Kind krank wird, und es ist auch keine<br />
Katastrophe, dass meine mittlerweile<br />
schulpflichtigen Kinder 13 Wochen Ferien<br />
haben. Selbst mein Mann profitiert:<br />
Natürlich hat er nach wie vor ein schlechtes<br />
Gewissen, wenn er am Wochenende<br />
arbeiten muss oder der Bürotag bis weit<br />
in die Nacht dauert. Trotzdem hat sich<br />
unsere familiäre Situation inzwischen so<br />
entspannt, dass wir uns für ein drittes<br />
Kind entschieden haben – was ich als<br />
Angestellte niemals auf die Reihe<br />
gekriegt hätte. Baby Antonin ist vor<br />
einem Jahr auf die Welt gekommen.<br />
Ich verdiene heute viel weniger als<br />
früher. Doch seltsamerweise haben wir<br />
immer noch gleich viel Geld zur Verfügung<br />
wie zuvor: Die Steuern sind gesunken,<br />
ebenfalls die Betreuungskosten, die<br />
dem neuen Einkommen angepasst wurden.<br />
Geblieben ist die Ernüchterung: Er -<br />
werbstätige Mütter haben nicht die gleichen<br />
Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie<br />
erwerbstätige Väter. Ich staune, wie fleissig<br />
Mütter auf ihren Teilzeitjobs arbeiten<br />
– befördert wird dann aber doch der<br />
männliche Kollege. Selbst wenn Frauen in<br />
ihren Teilzeitpensen oft effizienter arbeiten,<br />
erhalten sie weniger Lohn und haben<br />
weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Seit ich<br />
mich von meinem Arbeitgeber losgesagt<br />
habe, haben wir als Familie vor allem<br />
gewonnen: ein wunderbares Baby, Zeit,<br />
Geld und mein Buch, das inzwischen<br />
erschienen ist.<br />
Bild: Gabi Vogt / 13 Photo<br />
29
Dossier<br />
«Das weibliche soziale Netz<br />
entlastet Mütter am nachhaltigsten»<br />
Irene Mariam Tazi-Preve zeichnet ein düsteres Bild von der Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie. Die österreichische Familienforscherin über die Wirtschaft als Feind der Familie,<br />
den zukünftigen Stellenwert von Kindererziehung in der Gesellschaft und warum der Ruf<br />
nach mehr weiblichen Arbeitskräften nichts mit Gleichstellung zu tun hat.<br />
Interview: Sibylle Stillhart Bild: Jan von Holleben<br />
Frau Tazi-Preve, Frauen sollen ihre<br />
Erwerbspensen aufstocken und möglichst<br />
lebenlsang 70 Prozent arbeiten<br />
– das fordern nicht nur Wirtschaftsvertreter,<br />
sondern neuerdings auch<br />
Gleichstellungsbeauftragte. Was halten<br />
Sie von solchen Forderungen?<br />
Das ist in etwa so, als wenn man dem<br />
Esel die Karotte vorhält, die er sowieso<br />
niemals erhaschen wird. Als<br />
Nächstes wird verlangt, dass Frau –<br />
trotz Kinder und Haushalt – Vollzeit<br />
arbeiten muss. Das aber ist problematisch,<br />
weil Frauen in der Regel<br />
weiter hauptverantwortlich für<br />
Haushalt und Kinderbetreuung sind.<br />
Tatsache ist auch: Frauen verdienen<br />
europaweit immer noch bis zu 30<br />
Prozent weniger als Männer. Zudem<br />
wird ihnen die Erziehungsarbeit selten<br />
an die Renten angerechnet.<br />
Weshalb setzen Gleichstellungsbeauftragte<br />
arbeitende Mütter noch mehr<br />
unter Druck?<br />
Gleichstellungsfrauen verkörpern<br />
den liberalen Feminismus – und der<br />
hat sich ganz dem Neoliberalismus<br />
verpflichtet. Das heisst: Nur Profit<br />
zählt, der Staat soll verkleinert und<br />
insbesondere der Sozialstaat beschnitten<br />
werden. Alles soll privatisiert<br />
werden, und man appelliert an die<br />
Eigenverantwortung.<br />
Die sogennante Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie – das hat nichts mit<br />
Frauenförderung zu tun?<br />
Geht es um die sogenannte Vereinbarung<br />
von Familie und Beruf, muss<br />
«Frauen verdienen<br />
europaweit immer<br />
noch bis zu<br />
30 Prozent weniger<br />
als Männer.»<br />
man sich immer das Wirtschaftssystem<br />
und die Politik vor Augen führen:<br />
Das Interesse an der weiblichen<br />
Arbeitskraft hat nichts mit Gleichstellung<br />
oder Vereinbarung, wie es<br />
heute heisst, zu tun. Es geht einzig<br />
darum, den Profit des Unternehmens<br />
oder das Wirtschaftswachstum<br />
des Landes zu vergrössern.<br />
Wem nützt es denn, wenn alle immer<br />
mehr arbeiten?<br />
Die Globalisierung zeigt uns: Die<br />
Einkommen steigen nur im obersten<br />
Segment, während der Mittelstand<br />
schrumpft. Vielleicht muss man die<br />
Geschichte der Arbeit etwas genauer<br />
betrachten. Die Trennung von<br />
Arbeit und Familie von der Politik<br />
fand in der Antike statt. Lange Zeit<br />
hat sich dann die Wirtschaft mit der<br />
Familie entwickelt – das Handwerk<br />
fand zu Hause bei der Familie statt.<br />
Erst ab der Neuzeit, mit Beginn der<br />
Industrialisierung, wurden Produktion<br />
und Reproduktion getrennt. Die<br />
Menschen arbeiteten ausser Haus in<br />
Fabriken, wo Frauen die Hälfte der<br />
männlichen Einkommen verdienten.<br />
Mit welcher Begründung?<br />
Man sagte ihnen, dass sie ja keine<br />
Familie zu ernähren bräuchten –<br />
selbst dann, wenn sie Kinder hatten.<br />
Schon damals verlangte das vorherrschende<br />
Mutterbild von den Frauen,<br />
einerseits gute Mütter zu sein, andererseits<br />
mussten sie zehn Stunden in<br />
der Fabrik arbeiten – niemals >>><br />
30 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Dossier<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>31
Dossier<br />
>>> ist es aufgegangen mit diesem<br />
Miteinander von Beruf und Familie.<br />
Kommt hinzu, dass Arbeit ohnehin<br />
etwas für das Volk war und nicht für<br />
die Elite, die ja bis heute nicht arbeitet.<br />
Wohlhabende lassen arbeiten, sie<br />
delegieren. Sie können es sich auch<br />
problemlos leisten, eine hohe Anzahl<br />
Kinder zu haben. Trotzdem stellen<br />
sie immer noch die Wächter des Systems<br />
dar, indem sie verlangen, dass<br />
Menschen, die auf Erwerbstätigkeit<br />
angewiesen sind, immer mehr arbeiten.<br />
Zudem zählt die weibliche Arbeitskraft<br />
nach wie vor nicht so viel wie die<br />
männliche ...<br />
Wo Frauen arbeiten, wird weniger<br />
verdient. Frauen sind zumeist in<br />
«zu arbeitenden» Berufen, als Verkäuferinnen,<br />
Coiffeusen und Assistentinnen,<br />
beschäftigt – also im<br />
Niedriglohnsektor. Dringen sie in<br />
Berufe vor, die vorher in Männerhand<br />
waren, wie etwa das Lehramt,<br />
die Psychologie oder die Medizin,<br />
verlieren diese Berufe an Prestige<br />
und das Lohnniveau sinkt.<br />
Die Wirtschaft ist also der Feind der<br />
Familien.<br />
Lange sind wir dem Irrglauben aufgesessen,<br />
dass Arbeit befreien soll.<br />
Das hat sich mittlerweile als ein riesiger<br />
Irrtum herausgestellt. Die<br />
Belastungsszenarien zeigen, dass<br />
neben niedrigem Verdienst die ge <br />
sundheitlichen Probleme zunehmen.<br />
«Dringen Frauen<br />
in Männerberufe<br />
vor, sinkt sofort<br />
das Lohnniveau.»<br />
Es ist ein neues Phänomen, dass in<br />
Amerika die Todesrate der weissen<br />
Frauen im Alter zwischen 30 und 50<br />
Jahren steigt – also just in der Zeit,<br />
wenn sie Kinder und Beruf unter<br />
einen Hut bringen müssen.<br />
«Die Arbeitswelt<br />
hat sich<br />
brutalisiert, fordert<br />
immer mehr.»<br />
Doch die meisten von uns sind auf<br />
Arbeit angewiesen. Was tun?<br />
Eine Lösung wäre, wenn sich auch<br />
Männer mitbefreien und sich sowohl<br />
in der Kinderbetreuung als auch im<br />
Haushalt engagieren würden. Doch<br />
das passiert nicht. Männer arbeiten<br />
nach wie vor Vollzeit und zementieren<br />
damit dieses Ungleichgewicht.<br />
Sie unterwerfen sich dem neoliberalen<br />
System, weil sie glauben, das sei<br />
normal.<br />
Deshalb leiden vor allem Familien<br />
unter diesen Umständen. Sie haben<br />
wenig Zeit für ihre Kinder und kaum<br />
mehr Energie. Weshalb kommt kaum<br />
Kritik aus ihren Reihen?<br />
Diejenigen, die im System sind, werden<br />
es nicht kritisieren, im Gegenteil:<br />
Sie verteidigen ihre Lebensweise.<br />
Aber innerhalb des Systems wird<br />
es nie eine Lösung geben, denn es<br />
geht immer um Macht und Geld. Das<br />
widerspricht natürlich allen Bedürfnissen<br />
nach Empathie und Sicherheit<br />
in einem Familienleben. Daher<br />
müsste man den jungen Frauen<br />
sagen: Hört auf, an das Märchen von<br />
der Karriere zu glauben, an die vermeintliche<br />
Macht, die ihr niemals<br />
haben werdet. Auch die jungen Männer<br />
müssen ihre Karriereentwürfe<br />
überdenken. Es ist ja ungeheuerlich,<br />
welche Abstriche an Lebensqualität<br />
es bedeutet, Karriere zu machen.<br />
Viele sind mit 40 oder 50 Jahren desillusioniert,<br />
glauben an ihr persönliches<br />
Versagen, was falsch ist. Die<br />
Arbeitswelt hat sich brutalisiert,<br />
fordert immer mehr. Etwa «Flexibilität»<br />
oder allzeitige Verfügbarkeit<br />
und das Eintreten für Prinzipen, die<br />
auschliesslich der Profitmaximierung<br />
dienen. Das Ganze wird dann<br />
«Fortschritt» genannt, und es wird<br />
sanktioniert, wenn dagegen opponiert<br />
wird.<br />
Welchen Stellenwert hat das Kind in<br />
unserer leistungsorientierten Gesellschaft?<br />
Die Gesellschaft fordert zwar permanent<br />
Kinder, aber kümmert sich<br />
nicht um sie. Doch die Erziehung<br />
von Kindern – das ist an sich eine<br />
Aufgabe für mehrere Menschen.<br />
Selbst zwei Personen sind im Prinzip<br />
zu wenig für ein Kind.<br />
Was wäre die Lösung für ein besseres<br />
Leben für alle?<br />
Es gibt seit den 1970er-Jahren Experimente<br />
der Lebensführung, wo man<br />
sich vieles – Kinderbetreuung,<br />
Essenszubreitung, Wäsche – teilte.<br />
Obwohl diese Lebensform sowohl<br />
Frauen als auch Männer von der<br />
Familienarbeit entlasten würde, sind<br />
«Von politischer<br />
Seite ist nicht<br />
wirklich Hilfe<br />
zu erwarten.»<br />
viele solcher Kommunen mittlerweile<br />
verschwunden. Ganz grundsätzlich<br />
gesehen kommen wir wohl nicht<br />
um eine Debatte über die sich verschärfende<br />
Arbeitswelt, also die<br />
Existenzsicherung, im Zusammenhang<br />
mit der Nachwuchsproblematik<br />
herum. Zudem muss eine Kultur<br />
des Teilens von Erwerbsarbeit und<br />
Kinderbetreuung normal werden –<br />
sonst kommen wir mit der Gleichberechtigung<br />
niemals weiter.<br />
Wie können Frauen entlastet werden?<br />
Empirisch gesehen ist das weibliche<br />
soziale Netz – Mutter, Schwestern,<br />
Freundinnen, andere Mütter – das<br />
wertvollste, um Frauen nachhaltig<br />
zu entlasten. Auch von politischer<br />
Seite ist nicht wirklich Hilfe zu<br />
erwarten, es geht ja heute nur mehr<br />
um das Schlagwort der «Vereinbar<br />
32 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
keit von Familie und Beruf» – besonders<br />
also darum, dass genügend<br />
Kita-Plätze vorhanden sind. Der<br />
erwerbstätigen Mutter ist damit<br />
«Die Bedeutung<br />
von sinnstiftender<br />
Arbeit wird<br />
zunehmen.»<br />
allerdings nicht ausreichend geholfen.<br />
Sie muss ihre Kinder trotzdem<br />
holen, bringen und anschliessend<br />
einkaufen, kochen, waschen und so<br />
weiter. Das gesamte Management<br />
bleibt grösstenteils bei ihr.<br />
Was schlagen Sie vor?<br />
Das Erste ist, dass Frauen und Männer<br />
aufhören, daran zu glauben, dass<br />
die Kleinfamilie der ideale Ort zum<br />
Aufziehen der Kinder ist. Das Zweite<br />
ist, dass Mütter beginnen, Familie<br />
als «Matrilinearität» zu verstehen<br />
(Matrilinearität, lateinisch «in der<br />
Linie der Mutter», bezeichnet die<br />
Weitergabe und Vererbung von so -<br />
zialen Eigenschaften und Besitz ausschliesslich<br />
über die weibliche Linie<br />
von Müttern an Töchter, Anm. der<br />
Red.) Das heisst, dass Frauen die<br />
Hilfe und Unterstützung, die sie von<br />
ihren Müttern, Schwestern, anderen<br />
Müttern erhalten, als wesentlich<br />
begreifen und nicht als Ersatz für den<br />
oft abwesenden Partner.<br />
Wo stehen wir in dieser Debatte in<br />
fünf Jahren?<br />
Wir sind einen wesentlichen Schritt<br />
weiter in Richtung einer «equal share<br />
society» (gleichberechtigte Gesellschaft)<br />
und eines Infragestellens der<br />
Sinnhaftigkeit des Arbeitsmarktes.<br />
Menschen werden zunehmend<br />
nichtausbeuterische Arbeit einfordern<br />
wollen, d. h., sie werden eine<br />
sinnstiftende Arbeit anstreben,<br />
womit sie weder sich selbst noch<br />
anderen Menschen oder der Natur<br />
schaden. Die Unterscheidung in<br />
bezahlte und unbezahlte Arbeit wird<br />
obsolet. Neu wird die Kindererziehung<br />
als eine der wertvollsten Tätigkeiten<br />
überhaupt erachtet, die die<br />
Gesellschaft leistet.<br />
>>><br />
Zur Person<br />
Bild: ZVG<br />
Irene Mariam Tazi-Preve ist promovierte<br />
Politikwissenschaftlerin und unterrichtet in<br />
den USA und Österreich. Sie hat zahlreiche<br />
Werke (wie etwa «Die Vereinbarkeitslüge»)<br />
mit dem Schwerpunkt Geschlechterfragen,<br />
Mutter- und Vaterschaft sowie<br />
Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik<br />
publiziert. Ihr Buch «Vom Versagen der<br />
Klein familie. Ideologie und Alternativen»<br />
erscheint im Frühjahr 2017.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>33
Dossier<br />
Wie bringe ich Familie und Job<br />
unter einen Hut? 5 Tipps für Eltern<br />
Sie versuchen täglich den Spagat zwischen Beruf und Familie? Werden permanent von<br />
Ihrem schlechten Gewissen geplagt, weil Sie niemandem gerecht werden? Sie fühlen sich<br />
im Hamsterrad, allein und unverstanden? Höchste Zeit, ein paar Dinge zu ändern.<br />
Text: Claudia Landolt<br />
Verabschieden Sie sich<br />
vom Anspruch, Super-Eltern<br />
sein zu müssen.<br />
1. Sie sind nicht perfekt<br />
Alle Eltern wünschen sich ausreichend<br />
Zeit für ihre Kinder, den Partner,<br />
den Haushalt, die Hobbys. Doch<br />
niemand schafft es, einen verantwortungsvollen<br />
Job zu machen, immer<br />
Zeit für die Kinder zu haben, die<br />
Partnerschaft zu pflegen, einen<br />
makellosen Haushalt zu führen und<br />
am Wochenende Freunden ein erstklassiges<br />
Dinner zu servieren.<br />
Es gilt sich einzugestehen, dass<br />
der Tag nur 24 Stunden hat und sich<br />
nicht strecken lässt. Sie und Ihr Partner,<br />
Ihre Partnerin müssen Abstriche<br />
machen – verabschieden Sie sich<br />
vom Supereltern-Anspruch. Es sei<br />
denn, Sie heissen Sheryl Sandberg<br />
(CEO von Facebook) oder Melissa<br />
Meyers (Yahoo-Chefin), die beide<br />
eine Armada von Nannys und Hausangestellten<br />
beschäftigen, um alles<br />
unter einen Hut zu kriegen.<br />
2. Sie sind nicht allein<br />
Vereinbarkeit ist kein individuelles<br />
Problem. In Hunderttausenden<br />
Schweizer Familien üben Mütter und<br />
Väter täglich den Spagat zwischen<br />
Familie und Job.<br />
Höchste Zeit also, mit sich ehrlich<br />
zu sein: Gestehen Sie sich ein, dass<br />
in den allermeisten Fällen entweder<br />
der Beruf oder die Familie leidet,<br />
wenn Sie versuchen, beide Teile<br />
gleich stark auszuleben. Das gelänge<br />
Bilder: Maskot / Plainpicture, Sabine Koe / Millennium / Plainpicture<br />
34 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
nur dem, der an einer Persönlichkeitsspaltung<br />
leidet.<br />
Der zweite Schritt: Sprechen Sie<br />
über Ihre Situation. Thematisieren<br />
Sie Ihr Dilemma im Freundeskreis,<br />
in der Familie, bei der Arbeit. Nur<br />
so wird Selbstverständliches zum<br />
Selbstverständlichen.<br />
3. Stellen Sie sich ein paar Fragen<br />
Zum Beispiel die hier: Wie viel Geld<br />
brauchen wir mindestens zum<br />
Leben? Wie kann es verdient werden?<br />
Wer macht Babypause, und wie<br />
lange soll diese dauern? Wer möchte<br />
wie viel Zeit in den Job investieren?<br />
Und: Wie viel Hilfe für Kinderbetreuung<br />
und Haushalt können wir<br />
finanzieren? Für wen ist zu welchem<br />
Zeitpunkt welcher berufliche Entwicklungsschritt<br />
wichtig? Wie viel<br />
Zeit wollen wir mit unseren Kindern<br />
verbringen? Wie lässt sich innerhalb<br />
dieser Rahmenbedingungen der<br />
Haushalt sinnvoll aufteilen?<br />
Nicht immer finden Sie sofort<br />
eine Lösung. Ist sie einmal gefunden,<br />
müssen Sie sie immer wieder<br />
überdenken. Nichts ist für die Ewigkeit,<br />
besonders nicht mit Kindern.<br />
4. Legen Sie Regeln fest<br />
Mit dem Sohn auf dem Fussballplatz<br />
und das Smartphone vibriert? Wir<br />
alle wissen nur zu gut, was passiert,<br />
wenn der Chef sich am Abend oder<br />
am Wochenende meldet. Sie greifen<br />
nach dem Smartphone, lesen, tippen<br />
und tippen, immer weiter.<br />
Was tun? Werden Sie sich über<br />
ihre eigene Rolle in der Partnerschaft,<br />
der Familie und der Arbeitswelt<br />
klar. Entwicklen Sie ein Be <br />
wusstsein dafür, für den Arbeitgeber<br />
nicht rund um die Uhr erreichbar<br />
sein zu müssen. Und stellen Sie mit<br />
der Familie Regeln auf fürs Arbeiten<br />
zu Hause.<br />
5. Sie haben allen Grund, stolz zu<br />
sein<br />
Gehören Sie zu den Eltern, die sich<br />
laufend entschuldigen? Dafür, dass<br />
Sie arbeiten? Dafür, dass Sie nicht<br />
arbeiten? Dass Ihr Kind krank ist?<br />
Oder dass Sie sich gerade mit dem<br />
Kind beschäftigen?<br />
Vergessen Sie es.<br />
Auf dem Spielplatz oder an<br />
Schulanlässen flüstern Sie ins Telefon,<br />
wenn Ihr Chef oder Ihre Chefin<br />
anruft und nach etwas fragt. Nein,<br />
Sie hätten besagtes Dokument jetzt<br />
gerade nicht vor sich liegen, denn<br />
Sie seien nicht am Schreibtisch, sondern<br />
mit den Kindern zugange.<br />
Hören Sie auf damit.<br />
Woher nur diese Schuldgefühle?<br />
Sie kümmern sich um Ihre Kinder.<br />
Es gibt keine wertvollere, sinnvollere,<br />
nachhaltigere Tätigkeit. Brüllen<br />
Manager am Flughafen in München<br />
Warum Schuldgefühle? Sie<br />
kümmern sich um Ihre Kinder.<br />
Es gibt keine sinnvollere,<br />
wertvollere, nachhaltigere<br />
Tätigkeit.<br />
oder London in ihr Handy, demonstrieren<br />
sie: Ich bin wichtig. Ein bisschen<br />
von deren Selbstbewusstsein<br />
kann Ihnen nicht schaden. Wer wie<br />
Sie jeden Tag den Kampf der Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie führt,<br />
ist genauso wichtig, verdient Re spekt<br />
und Anerkennung.<br />
Die Statistik gibt Ihnen recht:<br />
Modellrechnungen wie beispielsweise<br />
jene des Prognos-Institutes in<br />
Basel ergaben, dass Teilzeitarbeit für<br />
Unternehmen einen «Return on<br />
Investment» von 25 Prozent generiert.<br />
Im Klartext: Wenn ein Unternehmen<br />
100 Franken in ein Teilzeitmodell<br />
investiert, bekommt es 125<br />
Franken zurück. Das Unternehmen<br />
profitiert von weniger Krankentagen<br />
und produktiveren und besser motivierten<br />
Teilzeitarbeitenden.<br />
Denken Sie daran, wenn Sie das<br />
nächste Mal ins Telefon flüstern,<br />
weil Sie gerade nicht am Schreibtisch<br />
sitzen. Und beim nächsten<br />
Lohngespräch.<br />
Im nächsten Heft:<br />
Sexualität<br />
Mit den Kindern verändert sich das Intimleben von<br />
Paaren. Jetzt setzt ein neuer Trend auf Qualität<br />
anstelle von Quantität: Slow-Sex, natürlich und<br />
lebendig. Statt um Lust geht es um Offenheit und<br />
Entspannung. Unser Dossier im Dezember.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>35
Monatsinterview<br />
Setzen sich für eine<br />
gute Betreuung<br />
sterbender Kinder<br />
ein: Eva Bergsträsser<br />
(l.) und Eva Cignacco.<br />
36 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Monatsinterview<br />
«Wir können viel tun, damit ein<br />
Kind in Würde sterben kann»<br />
Wenn das eigene Kind unheilbar erkrankt, steht das Leben einer Mutter, eines Vaters<br />
still. Eva Bergsträsser und Eva Cignacco fordern, diese Familien besser zu begleiten.<br />
Die Medizinerin und die Pflegewissenschafterin über Palliative Care, die letzte Zeit im<br />
Leben eines Kindes und die Nöte ihrer Eltern. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Marvin Zilm / 13 Photo<br />
Ein regnerischer Septembertag in<br />
Zürich. Eva Bergsträsser empfängt<br />
am Eingang des Kinderspitals ihre<br />
Kollegin Eva Cignacco aus Basel. Die<br />
beiden Frauen kennen sich gut, sie<br />
haben im Rahmen einer nationalen<br />
Studie eng zusammengearbeitet.<br />
Gemeinsam gehen die Ärztin und<br />
die Pflegewissenschaftlerin zum<br />
Aufzug. Im oberen Stock: graue<br />
Böden, schmucklose Wände. Kurze<br />
Betten für kleine Patienten reihen<br />
sich auf den Fluren aneinander,<br />
stehen zum Einsatz bereit. «Ich<br />
denke, wir suchen uns einen<br />
Besprechungsraum, dort können<br />
wir uns in Ruhe unterhalten», sagt<br />
Eva Bergsträsser und lächelt.<br />
Frau Bergsträsser, Frau Cignacco,<br />
beim Begriff Palliative Care (lat. palliare,<br />
«mit einem Mantel bedecken»;<br />
engl. care, «Fürsorge, Betreuung»)<br />
denken viele sofort an Sterbebeziehungsweise<br />
Trauerbegleitung.<br />
Eva Bergsträsser: Das sind mit<br />
Sicherheit zwei wesentliche Bestandteile<br />
der Palliative Care. Palliative<br />
Care umfasst aber weit mehr als die<br />
Sterbe- und Trauerbegleitung –<br />
nämlich die Lebensgestaltung in den<br />
letzten Wochen, Monaten, ja vielleicht<br />
sogar Jahren eines Patienten.<br />
Das Ziel ist dann, dass das Leben<br />
trotz einer unheilbaren Krankheit<br />
lebenswert bleibt.<br />
Eva Cignacco: International gesehen<br />
kann man sagen, dass der Beizug<br />
spezialisierter Palliative-Care-Teams<br />
für Familien die Lebensgestaltung<br />
dieser Kinder trotz schwerer Krankheit<br />
erleichtert. Diese Unterstützung<br />
kann Spitalaufenthalte verhindern<br />
helfen und auch Therapien vermeiden,<br />
die leider nicht mehr zu einer<br />
Krankheitskontrolle und Lebensverlängerung<br />
führen. Dieser Bestandteil<br />
von Palliative Care kommt aber hierzulande<br />
in der Kindermedizin häufig<br />
noch zu kurz.<br />
«Ich würde die<br />
Mutter fragen:<br />
Warum haben Sie<br />
das Gefühl, dass<br />
Ihr Kind stirbt?»<br />
Eva Bergsträsser: Ausserdem bekamen<br />
alle Kinder in den letzten ein<br />
bis vier Lebenswochen eine sehr<br />
intensive Behandlung mit einer<br />
hohen Anzahl von Medikamenten.<br />
Viele dieser Medikamente sind notwendig,<br />
wie Schmerzmedikamente,<br />
aber die Anzahl hat uns überrascht<br />
– bis zu 45 Medikamente am Tag<br />
wurden verschrieben.<br />
Was schliessen Sie daraus?<br />
Eva Bergsträsser: Dass eine sehr<br />
intensive Medizin betrieben wird<br />
und dabei wichtige Aspekte der<br />
Betreuung am Lebensende zu kurz<br />
kommen.<br />
Fühlen sich Ärzte unsicher, wenn es<br />
um sterbende Kinder geht?<br />
Eva Cignacco: Unsere Studie deutet<br />
darauf hin. Aktiv sein, Therapien<br />
durchführen, Medikamente verschreiben<br />
hat man als Mediziner<br />
gelernt. Um den Sterbeprozess einzuleiten,<br />
bräuchte es aber einen<br />
Richtungswechsel in der Behandlung.<br />
Dieser Richtungswechsel setzt aber<br />
den Moment voraus, in dem klar ausgesprochen<br />
wurde: «Ab jetzt gibt es<br />
keine Aussicht mehr auf Heilung.»<br />
Warum tun sich Mediziner damit so<br />
schwer?<br />
Eva Cignacco: Weil sie darin zu wenig<br />
Erfahrung haben. Das Palliative, bei<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Eva Cignacco: Wir haben in einer<br />
national angelegten Studie die Krankengeschichten<br />
von 149 verstorbenen<br />
Kindern untersucht (siehe Box<br />
S. 41). Wir wollten wissen, wie Kinder<br />
an ihrem Lebensende betreut<br />
werden. Dabei wurde unter anderem<br />
deutlich, dass der überwiegende Teil<br />
dieser Kinder im Spital, auf der<br />
Intensivstation, statt zu Hause verstorben<br />
ist. Nachrichten zu übermitteln,<br />
dem es wichtig ist, Eltern schlechte<br />
>>><br />
37
Monatsinterview<br />
Palliative Betreuung bei Kindern<br />
Jährlich sterben in der Schweiz 400<br />
bis 500 Kinder, etwa die Hälfte von<br />
ihnen im ersten Lebensjahr. Neugeborene<br />
sterben, weil sie zu früh<br />
oder mit schweren Fehlbildungen zur<br />
Welt kommen. Krankheitsbedingte<br />
Todesfälle jenseits des ersten Lebensjahres<br />
treten aufgrund unheilbarer<br />
Krankheiten auf. Neurologische Diagnosen<br />
stehen dabei im Vordergrund,<br />
gefolgt von Krebs- und Herzerkrankungen.<br />
«Palliativ» beschreibt eine<br />
Krankheitsphase, in der Therapien<br />
men, an dessen Ende die Aussage der<br />
Mutter besser eingeordnet werden<br />
kann. Dafür ist es auch wichtig, dass<br />
die Betreuungspersonen nicht zu viel<br />
wechseln.<br />
Frau Bergsträsser, Sie leiten am Kinderspital<br />
Zürich eines der wenigen<br />
pädiatrischen Palliative-Care-Zentren<br />
der Schweiz. Betroffene Familien aus<br />
der Region Zürich haben also Glück<br />
gehabt.<br />
«Mir ist wichtig,<br />
festzuhalten:<br />
Nicht nur der Tod<br />
zu Hause ist<br />
ein guter Tod.»<br />
Eva Bergsträsser: Unsere Patienten<br />
kommen nicht nur aus dem Raum<br />
Zürich. Und wenn von mir oder meinem<br />
Team betreute Patienten nach<br />
Hause entlassen werden, fahren wir<br />
in Absprache mit dem Hausarzt und<br />
der Spitex auch bis in den Kanton<br />
Aargau, um sie zu begleiten. So lerne<br />
ich die Familien gut kennen und es<br />
entsteht ein Vertrauensverhältnis.<br />
Eva Cignacco: Es ist wichtig, dass die<br />
Versorgungskette aufrechterhalten<br />
nicht mehr das Ziel einer Heilung<br />
haben. Das heisst nicht, dass Kinder<br />
mit einer unheilbaren Krankheit direkt<br />
ab Diagnosestellung palliativ betreut<br />
werden müssen. Diese sollte aber einsetzen,<br />
wenn es dem Kind im Verlaufe<br />
dieser unheilbaren Krankheit merklich<br />
schlechter geht. Ziel einer palliativen<br />
Betreuung ist die Verbesserung der<br />
Lebensqualität des Kindes und der<br />
Familie in der noch verbleibenden<br />
Lebenszeit. Diese kann nur wenige<br />
Wochen bis viele Jahre andauern.<br />
>>> auch einmal mit den Eltern zu<br />
schweigen, wird hierzulande in der<br />
Ausbildung zu wenig berücksichtigt.<br />
Experten auf diesem Gebiet lassen<br />
sich im Ausland ausbilden. Wie Eva<br />
Bergsträsser in England.<br />
Eva Bergsträsser: Ich höre auch von<br />
Ärzten: «Die Eltern waren noch nicht<br />
so weit.» Aber das sollte differenzierter<br />
gesehen werden. Vielleicht sind<br />
wir selbst noch nicht so weit!<br />
Können Sie ein konkretes Beispiel<br />
nennen?<br />
Eva Bergsträsser: Ja, eines aus der<br />
Studie. Eine Mutter von einem Neugeborenen<br />
berichtete in einem Interview<br />
von ihrem Gespräch mit dem<br />
betreuenden Arzt: dass sie das Gefühl<br />
habe, dass ihr Kind stirbt. Der Arzt<br />
schickte sie nach Hause mit den Worten<br />
sie solle sich ausruhen. Es komme<br />
schon gut. Zu Hause angekommen,<br />
wurde sie vom Spital angerufen. Das<br />
Kind war in der Zwischenzeit gestorben.<br />
So etwas darf nicht passieren.<br />
Was hätten Sie am Kinderspital Zürich<br />
anders gemacht, wenn dieser Fall bei<br />
Ihnen passiert wäre?<br />
Eva Bergsträsser: Ich würde die Mutter<br />
fragen: «Warum haben Sie das<br />
Gefühl, dass Ihr Kind stirbt?» «Wie<br />
hat sich das Kind verändert?» Es<br />
muss ein Gespräch zustande komwird,<br />
die vom Spital aus gesteuert<br />
wird. Das Spital ist die Instanz, die<br />
die Familie und das Kind am besten<br />
kennt.<br />
Sie fordern, dieses Konzept flächendeckend<br />
auszuweiten. Wann werden Sie,<br />
Frau Bergsträsser, bei einem Fall hinzugezogen?<br />
Eva Bergsträsser: Für mich ist der<br />
Punkt, aktiv zu werden, nicht der<br />
Moment der Diagnose, sondern der,<br />
in dem sich der Zustand des Kindes<br />
innerhalb dieser unheilbaren Krankheit<br />
verschlechtert und Kind und<br />
Familie mehr Unterstützung benötigen.<br />
Schildern Sie uns einen konkreten<br />
Fall?<br />
Eva Bergsträsser: Gerade heute war<br />
ich bei einem Kind und seiner Familie,<br />
die letzte Woche stationär ins<br />
Kinderspital aufgenommen wurde.<br />
Das Kind hat eine syndromale, sehr<br />
komplexe Erkrankung. Diese Kinder<br />
haben oft grosse Probleme, wenn sie<br />
eine Luftwegserkrankung bekommen.<br />
Wegen einer Muskelschwäche<br />
haben sie nicht die Kraft, den<br />
Schleim hochzuhusten, und erkranken<br />
schneller an einer Lungenentzündung.<br />
Wie gehen Sie weiter vor?<br />
Eva Bergsträsser: Wenn das Kind den<br />
akuten Infekt überstanden hat,<br />
machen wir einen Termin zu Hause<br />
ab. Dann schauen wir, ob bei einer<br />
nächsten Erkrankung die Therapie,<br />
die es jetzt im Spital bekommt, auch<br />
zu Hause stattfinden kann. In<br />
Absprache mit der Kinderärztin und<br />
der Spitex würde ich diese Versorgung<br />
dann zu Hause unterstützen.<br />
Das wünschen sich die Eltern.<br />
Vor einigen Monaten ging der Fall<br />
eines kleinen Mädchens durch die<br />
Medien. Es ist im Kinderspital<br />
verstorben.<br />
Eva Bergsträsser: Lara hatte eine<br />
Fehlbildung der Speiseröhre, die<br />
nach der Geburt zwar operativ behoben<br />
werden konnte, aber der gesamte<br />
Verdauungsapparat war so krank,<br />
dass sie nicht normal ernährt werden<br />
konnte. Über vier Jahre wurde sie<br />
38 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Monatsinterview<br />
künstlich ernährt, bis man keine<br />
Venenzugänge mehr fand. Aufgrund<br />
der schweren, komplexen Erkrankung<br />
und der fehlenden Aussicht auf<br />
eine Verbesserung oder Heilung<br />
wurde entschieden, die Therapie<br />
nicht weiter auszudehnen und einen<br />
letzten Venenkatheter zu setzen.<br />
Hier im Spital. Bei uns ist sie dann<br />
auch gestorben.<br />
Nicht zu Hause?<br />
Eva Bergsträsser: Ich hatte das angeboten,<br />
aber die Familie entschied<br />
sich aus verschiedenen Gründen da <br />
gegen. Es ist mir wichtig, das festzuhalten:<br />
Nicht nur der Tod zu Hause<br />
ist ein guter Tod. Aber dann muss<br />
man das auch als solches deklarieren:<br />
Das Kind ist im Spital, um zu<br />
sterben, und nicht, um geheilt zu<br />
werden. Wenn dies klar kommuniziert<br />
wird, kann sich auch das Pflegepersonal<br />
anders verhalten. Die<br />
Pflegerinnen und Pfleger haben sich<br />
rührend liebevoll um das Mädchen<br />
gekümmert. Die halbe Station war<br />
auf der Beerdigung.<br />
In dem Moment, in dem Sie zum ersten<br />
Mal hinzugezogen werden, ahnen<br />
die Eltern doch sicher bereits, worum<br />
es geht.<br />
«Jedes Leben zählt.<br />
Unabhängig<br />
davon, wie lange<br />
es dauert.»<br />
Eva Bergsträsser: Das ist richtig. Laras<br />
Eltern haben rückblickend ge <br />
sagt, dass das ein komisches Gefühl<br />
war, zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit<br />
mit dem Begriff «palliativ»<br />
konfrontiert zu werden und verstehen<br />
zu müssen, was das für ihr Kind<br />
und für sie als Familie bedeutet. Aber<br />
auch, dass sie diese Kontinuität als<br />
so positiv erlebt haben. Es war immer<br />
die gleiche Person da, die immer<br />
wieder den Faden aufgenommen hat.<br />
Die einfach mal eine Stunde Zeit<br />
hatte, um zuzuhören, oder die ihnen<br />
geraten hat, noch einmal zusammen<br />
in ein verlängertes Wochenende zu<br />
fahren.<br />
Wie ist das für Sie, wenn Sie Eltern<br />
sagen, dass es nun keine Hoffnung<br />
mehr auf Heilung gebe, sondern es<br />
darum gehe, die letzten Wochen,<br />
Monate so schön wie möglich zu<br />
gestalten?<br />
Eva Bergsträsser: Ich finde das nicht<br />
nur schwierig. Es kommt immer darauf<br />
an, welche Einstellung man zum<br />
Leben hat. Jedes Leben hat einen<br />
Anfang und ein Ende. Es gibt auch<br />
Kinderleben, die früher aufhören, als<br />
sie aufhören sollen. Und das kann<br />
genauso einen Sinn ma- >>><br />
Es bräuchte in<br />
der ganzen<br />
Schweiz<br />
Palliative-Care-<br />
Teams, sagen<br />
Eva Bergsträsser<br />
und Eva<br />
Cignacco.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>39
Monatsinterview<br />
>>> chen,wie das Lebensende ich das auch. Ich weiche diesem Thema<br />
eines alten Menschen. Diese Kinder<br />
hinterlassen wichtige Spuren auf dieser<br />
Erde. Wenn man es so sieht, dass<br />
das Leben an sich zählt – unabhängig<br />
davon, wie lang es ist –, dann kann<br />
man vielleicht auch eher darauf setzen,<br />
in dieses Leben noch so viel<br />
Leben zu füllen wie möglich – statt<br />
es um jeden Preis verlängern zu wollen.<br />
Wie reagieren Eltern darauf?<br />
Eva Bergsträsser: Sehr unterschiedlich.<br />
Für manche Eltern ist es ein<br />
No-Go, dass man so etwas ausspricht.<br />
Ich würde dieses Thema auch nie<br />
beim ersten Kennenlernen ansprechen.<br />
nicht aus.<br />
Eva Cignacco: Eltern wollen eine<br />
ehrliche, authentische Kommunikation.<br />
Im Rahmen unserer Studie<br />
berichtete eine Mutter von einem<br />
Gespräch mit einer Ärztin, die eine<br />
Stunde um den heissen Brei herumgeredet<br />
hatte. Sie war drauf und dran<br />
zu sagen: «Jetzt sprichs doch aus:<br />
Mein Kind wird sterben.» Ärzte, die<br />
eine gute Palliativ-Ausbildung<br />
haben, können ein solches Gespräch<br />
hingegen in einen guten Kontext<br />
setzen, einen Kontext, der es Eltern<br />
erlaubt, einem solchen Gespräch zu<br />
folgen.<br />
Was heisst das?<br />
Eva Cignacco: Man nimmt sich Zeit,<br />
«Wir können ganz<br />
schaut nicht auf die Uhr, geht mit<br />
den Eltern in einen separaten Raum<br />
und erklärt ihnen, was alles gemacht<br />
viel dafür tun, dass<br />
wurde, um dem Kind zu helfen, wie<br />
das Kind nicht das Kind reagiert hat und warum<br />
man denkt, dass beispielsweise ein<br />
leiden muss.»<br />
Therapieabbruch der richtige Weg<br />
ist. Man bespricht mit den Eltern die<br />
Ge schichte, die man bis dahin zu -<br />
Aber je mehr ich die Familie<br />
kennenlerne, desto eher weiss ich,<br />
wie ich dieses Tabuthema ansprechen<br />
kann, und umso mehr mache<br />
sammen geteilt hat, und schaut, wie<br />
es weitergeht.<br />
Eva Bergsträsser: In diesem Gespräch<br />
darf nicht nur thematisiert werden,<br />
was alles nicht mehr getan werden<br />
kann, sondern was jetzt zu tun ist:<br />
«Wir können ganz viel dafür tun,<br />
damit das Kind nicht leiden muss,<br />
dass es würdig sterben kann, dass Sie<br />
sich verabschieden können.»<br />
«Eltern tun sich<br />
schwerer mit der<br />
Diagnose als die<br />
Kinder.»<br />
Das Schlimmste, was einem als<br />
Mutter oder Vater passieren kann,<br />
ist der Tod des eigenen Kindes.<br />
Eva Bergsträsser: Sie haben natürlich<br />
recht. Aber es ist ein langer Prozess,<br />
während dessen sich die Eltern mit<br />
diesem Gedanken vertraut machen.<br />
Manche Kinder sind vier, fünf, ja<br />
sieben Jahre in einer palliativen Situation.<br />
Wie lange betreuen Sie diese Familien<br />
nach dem Tod?<br />
Eva Bergsträsser: Das ist unterschiedlich.<br />
Bei manchen bricht der Kontakt<br />
schnell ab, andere rufe ich noch Jahre<br />
später an.<br />
«Erwarten Sie keinen Dank»<br />
Wenn ein Kind in der Familie, im Freundeskreis,<br />
der Nachbarschaft stirbt, brauchen die Eltern<br />
viel Verständnis und Unterstützung, sagen<br />
Eva Bergsträsser und Eva Cignacco. So können<br />
Sie laut den Expertinnen helfen:<br />
Ein unheilbares Kind nach Hause nehmen, verlangt<br />
von den Eltern unglaublich viel Engagement.<br />
Förderlich wäre ein grosses Netzwerk an Freunden,<br />
die sie im Alltag unterstützen: einkaufen, kochen,<br />
die Wäsche waschen, die Geschwister zum Spielen<br />
einladen, damit die Eltern Zeit haben, mit dem<br />
kranken Kind zusammen zu sein und es zu pflegen.<br />
Haben Sie Mut für diesen Kontakt. Das Schlimmste<br />
für die Familien ist, ausgesondert zu werden.<br />
Einfach fragen: Wie ist es, kann ich was tun?<br />
Und erwarten Sie keinen Dank. Ihre Dankbarkeit<br />
können Eltern in dieser Situation häufig nicht<br />
äussern.<br />
Trauer braucht Zeit – länger als ein Jahr. Würdigen<br />
Sie das.<br />
Ein No-Go sind Sätze wie diese: «Ihr seid doch<br />
noch jung – ihr könnt noch viele andere Kinder<br />
bekommen.» Dieses Kind wird durch kein anderes<br />
ersetzt. Oder: «Das kann ich mir vorstellen.» Solch<br />
existenzielle Krisen kann man sich nicht vorstellen.<br />
Schweigen Sie lieber oder sagen Sie: «Ich kann<br />
mir das überhaupt nicht vorstellen, magst du mir<br />
erzählen, wie es für dich ist?»<br />
40 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Frau Bergsträsser, Sie haben einmal<br />
gesagt, dass die Eltern sich schwerer<br />
mit der Diagnose tun als die Kinder.<br />
Eva Bergsträsser: Kinder machen<br />
sich schnell etwas zu eigen. Ich habe<br />
einmal ein zweijähriges Mädchen<br />
mit einem bösartigen Tumor im<br />
Oberschenkelknochen betreut. Das<br />
Bein musste amputiert werden.<br />
Natürlich war das damals für die<br />
heute junge Frau ein grosser Einschnitt.<br />
Aber sie hat es so früh erlebt,<br />
dass sie heute damit ganz gut durchs<br />
Leben kommt.<br />
«Jede Mutter, jeder<br />
Vater würde sagen:<br />
lieber gebe ich mein<br />
Bein her als das<br />
meines Kindes.»<br />
Für die Eltern war es anders?<br />
Eva Bergsträsser: Für die Eltern war<br />
es schrecklich. Jede Mutter, jeder<br />
Vater würde wahrscheinlich sagen:<br />
Lieber gebe ich mein Bein her als das<br />
meines Kindes. Letztendlich möchte<br />
ich aber sagen, dass eine palliative<br />
Betreuung auch etwas sehr Lebensbejahendes<br />
haben kann. Kinder<br />
haben die Fähigkeit, noch am letzten<br />
Tag ihres Lebens am See zu stehen,<br />
ein Steinchen ins Wasser zu werfen<br />
und sich darüber zu freuen.<br />
>>><br />
Alle Fälle – ausser der der kleinen Lara<br />
und zwei weiteren Patientenbeispielen<br />
– stammen aus der im Interview erwähnten<br />
Studie.<br />
Evelin Hartmann<br />
ist zweifache Mutter und hatte grossen<br />
Respekt vor diesem Thema und nach ihrem<br />
Gespräch noch grössere Hochachtung vor<br />
den Menschen, die Kinder an ihrem<br />
Lebensende begleiten.<br />
Die PELICAN-Studie<br />
In einer von 2012 bis 2015 schweizweit<br />
durchgeführten Studie («Paediatric<br />
End-of-Life Care Needs», PELICAN) hat<br />
ein Forscherteam unter der Leitung von<br />
PD Dr. Eva Bergsträsser und PD Dr. Eva<br />
Cignacco 149 Krankengeschichten verstorbener<br />
Kinder ausgewertet und deren<br />
Eltern befragt. Ihre Hauptfragestellung:<br />
Wie sieht die aktuelle Betreuung von<br />
Kindern am Lebensende aus? Die wichtigsten<br />
Ergebnisse: Weniger als eines<br />
von fünf Kindern stirbt zu Hause. Die<br />
meisten von ihnen sterben auf der Intensivstation.<br />
Grundsätzlich berichten die<br />
Eltern über gute Erfahrungen und zeigen<br />
sich zufrieden mit der Betreuung ihres<br />
Kindes. Weniger zufrieden sind sie mit<br />
der mangelnden Kontinuität und<br />
Koordination der Betreuung. In einem<br />
weiteren Teil der Studie wurden Fachpersonen<br />
befragt. Ärzte und Pflegepersonal<br />
fühlen sich im Umgang mit sterbenden<br />
Kindern und ihren Angehörigen meist<br />
unzureichend ausgebildet.<br />
Eva Bergsträsser (l.) und Eva Cignacco mit Fritz+Fränzi-Autorin<br />
Evelin Hartmann.<br />
Zu den Personen<br />
PD Dr. Eva Bergsträsser ist Leiterin des<br />
Kompetenzzentrums Pädiatrische Palliative<br />
Care und Leitende Ärztin Onkologie des<br />
Universitäts-Kinderspitals Zürich.<br />
PD Dr. Eva Cignacco ist Lehrbeauftragte am<br />
Institut für Pflegewissenschaft, Universität<br />
Basel, und Forschungsleiterin der Berner<br />
Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>41
Psychologie & Gesellschaft<br />
Schauplatz<br />
Elternberatung<br />
Bei der Elternberatung von Pro Juventute sind Fachpersonen Tag<br />
und Nacht im Einsatz. Sie beantworten Fragen und helfen bei Problemen<br />
weiter. Ein Einblick in den Beratungsalltag. Text: Susan Edthofer<br />
Fünf Uhr morgens. Eine verzweifelte junge<br />
Mutter ruft an, weil ihr Neugeborenes einfach<br />
nicht in den Schlaf findet. Das Schreien des<br />
Säuglings hält die Mutter mit dem Schlafmanko<br />
fast nicht aus. Verständnisvoll nimmt<br />
die Beraterin Barbara Wüthrich diese Unsicherheit auf<br />
und versucht zu beruhigen. Dabei ist die Beratung nicht<br />
auf das Erteilen von Ratschlägen ausgerichtet. Vielmehr<br />
geht es darum, die Anrufer zu bestärken und auf der<br />
Suche nach einem gangbaren Weg zu begleiten.<br />
Mit diesem Anruf endet für Barbara Wüthrich der<br />
Nachteinsatz, die Morgenschicht übernimmt. Nach<br />
einem kurzen Austausch loggt sich ihre Kollegin Eveline<br />
Männel am Arbeitsplatz ein und beantwortet Mailanfragen.<br />
Eine Mutter schreibt, dass sie im Zimmer ihres<br />
sechzehnjährigen Sohnes Drogen gefunden habe. Ob er<br />
sie selbst konsumiere oder damit deale, wisse sie nicht.<br />
Die Beraterin bestärkt die Mutter, das Gespräch mit<br />
ihrem Sohn zu suchen und, auch wenn es schwierig sei,<br />
hartnäckig immer wieder nachzufragen. Auch sich selber<br />
über Drogen zu informieren helfe, gegen das eigene<br />
Unvermögen anzukommen.<br />
Gemeinsam nach Lösungen suchen<br />
Obwohl Gespräche in der Familie oder mit Bekannten<br />
guttun, ist es manchmal leichter, sich an eine neutrale<br />
Anlaufstelle zu wenden. Bei der Elternberatung von Pro<br />
Juventute werden alle Anfragen vertraulich behandelt.<br />
Das Team aus Psychologinnen, Sozialpädagogen und<br />
Sozialarbeiter/innen ist täglich im Einsatz, und das rund<br />
um die Uhr. Denn nachts ist die Hilflosigkeit oft noch<br />
grösser. Auch wenn das Problem nach einem Anruf nicht<br />
vom Tisch ist, der Austausch hilft. Laut zu denken und<br />
mit einer Fachperson eine Strategie für das Vorgehen<br />
zu entwickeln, trägt meist schon zur Entschärfung einer<br />
Situation bei. Das Team verfügt auch über eine umfassende<br />
Adresskartei. Fachstellen weiterzuempfehlen, ist<br />
ein wichtiger Aspekt des Beratungsauftrags.<br />
Ziel dieses niederschwelligen Angebots ist es, die<br />
Anrufenden zu stärken, zu ermutigen und darauf hinzuweisen,<br />
wo Hilfe zu holen ist.<br />
«Es geht darum,<br />
die Anrufer zu<br />
bestärken und<br />
zu begleiten.»<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
Zurück zu Eveline Männel: Eine Mutter ruft von Pro Juventute.<br />
an, weil ihr gegenüber ihrer zwölfjährigen<br />
Tochter wieder einmal «die Hand ausgerutscht»<br />
ist. Wie sie sagt. Man spürt, dass sie leidet und<br />
ihr Problem in den Griff bekommen möchte. Die Beraterin<br />
versucht auszuloten, welche Hilfe für die Mutter<br />
kurz- und längerfristig in Frage kommt.<br />
Gegen Mittag ruft dann eine Mutter an, die darüber<br />
klagt, dass ihr 21-jähriger Sohn einen ganz anderen<br />
Tagesrhythmus habe als sie. Er nehme keine Rücksicht<br />
auf ihre Befindlichkeit, erwarte, dass der Kühlschrank<br />
voll sei und die Wäsche gewaschen werde. Oft geht es<br />
im Austausch um einen Perspektivenwechsel und die<br />
Erkenntnis, dass man als Eltern Dinge einfordern darf<br />
und sich nicht für alles verantwortlich fühlen muss.<br />
Was Eltern helfen kann<br />
Probleme lösen sich durch einen Anruf nicht einfach in Luft auf,<br />
doch der Austausch mit Fachleuten hilft, herauszufinden, welchen<br />
Weg man einschlagen könnte.<br />
Im Erziehungsalltag gibt es immer wieder Situationen, die verunsichern<br />
oder überfordern. Es lohnt sich, frühzeitig Hilfe zu holen,<br />
denn nicht alle Schwierigkeiten müssen alleine gemeistert werden.<br />
Der Blick von aussen hilft, Distanz zu gewinnen. Eltern werden<br />
bestärkt, das eigene Verhalten zu reflektieren und Situationen zu<br />
fokussieren, die gut laufen. Oft entlastet schon der Gedanke,<br />
dass man eine neutrale Anlaufstelle kontaktieren könnte.<br />
Die Elternberatung informiert gezielt über mögliche Fach- und<br />
Anlaufstellen.<br />
Pro Juventute Elternberatung<br />
Bei der Elternberatung von Pro Juventute können Eltern und<br />
Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen telefonisch (058 261 61 61)<br />
oder online (www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag<br />
stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen keine Kosten an.<br />
Mit «MyFutureJob» (www.projuventute.ch/MyFutureJob.3340.0.html)<br />
unterstützt Pro Juventute die berufliche Neuorientierung von jungen<br />
Erwachsenen mit abgeschlossener Erstausbildung.<br />
42 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Die Familie nicht dem<br />
Schicksal überlassen<br />
Schicksalsschläge, die zu einer Erwerbsunfähigkeit oder gar zum Tod führen, sind an Leid<br />
oft kaum zu übertreffen. Als Folge davon können Geldsorgen die Familie zusätzlich belasten.<br />
Deshalb ist es wichtig, sich auch mit unangenehmen Ereignissen auseinanderzusetzen.<br />
Das 3-Säulen-Prinzip der Schweiz gewährleistet nicht nur die fi nanzielle Vorsorge<br />
für die Zeit nach der Pensionierung. Sie ist auch eine Risikoabsicherung<br />
im Todesfall oder bei invaliditätsbedingter Erwerbsunfähigkeit. Wie hoch die<br />
Unterstützungsleistungen ausfallen, ist nicht leicht zu überblicken, da mehrere,<br />
unterschiedliche Sozialwerke möglicherweise Leistungserbringer sind. Aus<br />
demselben Grund ist es auch wichtig, diese Leistungen aufeinander abzustimmen,<br />
um beispielsweise Überversicherungen zu vermeiden.<br />
Bei Erwerbsunfähigkeit<br />
Familien mit Kindern werden im 3-Säulen-Prinzip besonders berücksichtigt.<br />
Bei voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit wird aus der ersten Säule (IV)<br />
eine Invalidenrente ausbezahlt. Sofern Kinder (bis zum 18. bzw. 25. Lebensjahr,<br />
wenn in Ausbildung) vorhanden sind, wird zudem eine Kinderrente (40% der<br />
IV-Rente pro Kind) geleistet. Die Leistungen der 2. Säule (BVG) lassen sich<br />
nicht pauschal beziffern, denn die einzelnen Pensionskassen decken häufi g weit<br />
mehr als das BVG-Obligatorium ab. Trotzdem ergeben sich gerade bei krankheitsbedingter<br />
Erwerbsunfähigkeit im Gegensatz zu einem Unfall oft grössere<br />
Lücken. Die obligatorische Unfallversicherung (UVG) versichert aktuell maximal<br />
ein Bruttosalär von CHF 148’200.–. Bei höheren Einkommen stellt sich die<br />
Frage, ob die Pensionskasse diese Lohnbestandteile bei Unfall mitversichert<br />
oder der Arbeitgeber eine Unfallzusatzversicherung (UVG-Z) abgeschlossen hat.<br />
Die 3. Säule dient zur Deckung von Vorsorgelücken, die durch die 1. und die 2.<br />
Säule nicht abgedeckt sind. Zum Beispiel können Lücken aus einer Erwerbsunfähigkeit<br />
durch den Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder eines<br />
Invaliditätskapitals aufgefangen werden.<br />
Bei Todesfall<br />
Bei Todesfall erhält eine Ehefrau mit Kindern aus der 1. Säule (AHV) eine<br />
lebenslange Witwenrente. Ohne Kinder gilt das nur, wenn die Hinterbliebene<br />
mindestens 45 Jahre alt ist und das Paar mindestens fünf Jahre verheiratet war.<br />
Witwer indessen erhalten eine Witwerrente nur, solange Kinder unter 18 Jahren<br />
zu betreuen sind. Sofern Kinder (bis zum 18. bzw. 25. Lebensjahr, wenn in Ausbildung)<br />
vorhanden sind, wird für diese zudem eine Waisenrente geleistet. Die<br />
detaillierten Leistungen der 2. Säule müssen individuell dem Pensionskassenausweis<br />
und -reglement entnommen werden. Wenn Säule 1 und 2 einen Todesfall<br />
fi nanziell nur ungenügend abdecken, empfi ehlt sich in der 3. Säule der Abschluss<br />
einer Todesfallrisikoversicherung (Lebensversicherung). Ein Vorteil hier:<br />
Bei Policen, die im Rahmen der Säule 3a abgeschlossen werden, lassen sich<br />
die Prämien bis zu einem Maximalbetrag vom steuerbaren Einkommen abziehen.<br />
Weitere Informationen zum Schweizer Vorsorgesystem sowie zur Finanzplanung<br />
finden Sie unter folgendem Link: credit-suisse.com/ratgeber<br />
Haben Sie Fragen zu diesem Thema?<br />
Wir stehen Ihnen dabei kompetent zur Seite. Rufen Sie uns an: 0844 200 <strong>11</strong>1* oder<br />
vereinbaren Sie auch online ein Beratungsgespräch unter credit-suisse.com/vorsorgeberatung<br />
*Wir sind von Montag bis Freitag gerne für Sie da. Bitte beachten Sie, dass Telefongespräche aufgezeichnet werden können. Bei Ihrem Anruf gehen wir davon aus, dass Sie mit dieser Geschäftspraxis<br />
einverstanden sind.
Kolumne<br />
Machen Sie Ihren Kindern klar,<br />
dass es jetzt um Sie geht<br />
Eine allein erziehende Mutter von drei Kindern wendet sich an Jesper Juul. Sie fühlt sich<br />
überfordert, ausgelaugt, ist verzweifelt und im Begriff, sich aufzugeben.<br />
Jesper Juul<br />
ist Familientherapeut und Autor<br />
zahlreicher internationaler Bestseller<br />
zum Thema Erziehung und Familien.<br />
1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />
nach dem Schulabschluss zur See, war<br />
später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />
und Barkeeper. Nach der<br />
Lehrerausbildung arbeitete er als<br />
Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />
und bildete sich in den Niederlanden<br />
und den USA bei Walter Kempler zum<br />
Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />
leidet Juul an einer Entzündung der<br />
Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />
Rollstuhl.<br />
Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />
Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />
Ehe geschieden.<br />
Die Mutter hat drei<br />
grosse Jungs im Alter<br />
von 14, 16 und 19<br />
Jahren. Ihr Problem<br />
ist, dass vor allem die<br />
jüngeren zwei Jungen sehr schlechte<br />
Angewohnheiten in Bezug auf die<br />
Abendroutine haben. Da die Mutter<br />
im Schichtdienst und dadurch unregelmässig<br />
arbeitet, ist sie zu unterschiedlichen<br />
Zeiten zu Hause. Sie<br />
kann die Aktivitäten ihrer Jungs<br />
nicht kontrollieren, zum Beispiel<br />
wann sie ins Bett gehen und am<br />
Morgen aufstehen. Die aufgestellten<br />
Regeln werden nicht respektiert.<br />
Dies hat oft zur Folge, dass die Kinder<br />
nicht zur Schule gehen oder zu<br />
spät kommen. Die Mutter weiss, dass<br />
es sich dabei auch um ein allgemeines<br />
Problem in diesem Alter handelt,<br />
aber das sei kein Trost. Es geht<br />
über die Grenzen aller, sowohl physisch<br />
als auch mental.<br />
Die Mutter ist geschieden und die<br />
Beziehung zum Vater der Jungen ist<br />
schlecht. Der Vater bombardiert die<br />
Mutter mit Kritik und hält ihr vor,<br />
dass sie sich unangemessen verhal-<br />
Ihre Söhne können nicht<br />
auf Sie aufpassen und in<br />
dieser chaotischen Situation<br />
auch nicht auf sich selbst.<br />
ten würde. Weil die Mutter darauf<br />
bestanden hat, dass die Kinder nach<br />
der Scheidung bei ihr wohnen, lehnt<br />
der Vater jegliche Verantwortung ab.<br />
In letzter Zeit ist die Mutter zunehmend<br />
verzweifelt, wenn sie am Morgen<br />
zu Hause ist und versucht, die<br />
Jungs aufzuwecken und zur Schule<br />
zu schicken. Das sei sowohl entwürdigend<br />
wie auch anstrengend,<br />
berichtet sie. Weiter meint sie, dass<br />
ihr Ex-Mann recht damit hätte,<br />
wenn er sie kritisiert. Sie findet, dass<br />
die Jungs eigentlich genug alt wären,<br />
um selbst die Verantwortung zu<br />
übernehmen, aber der Mutter fällt<br />
es schwer, loszulassen. Sie ist absolut<br />
hilflos.<br />
Mit dem ältesten Sohn, 19, hatte<br />
die Mutter das gleiche Problem. Er<br />
hat die Matura nur knapp geschafft,<br />
und das auch nur durch den enormen<br />
Einsatz seiner Mutter. Die<br />
Angst, dass es bei den beiden anderen<br />
genauso sein wird, ist gross.<br />
Computerspiele und Fernsehen<br />
machen die Sache umso schwerer.<br />
Beides stiehlt den Jungen einen<br />
gros sen Teil ihres täglichen Lebens<br />
und hält sie auch von ihren Pflichten<br />
ab, etwa den Hausaufgaben. Die<br />
Mutter hat darüber nachgedacht, ob<br />
es Sinn macht, ihr Leben komplett<br />
zu ändern, beispielsweise das Fernsehen<br />
für eine Weile zu verbieten.<br />
Die Mutter fühlt sich im Moment<br />
völlig ausgelaugt. Je müder sie wird,<br />
umso schwieriger wird es, über eine<br />
Lösung nachzudenken.<br />
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />
44 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ihre Frage an Jesper Juul lautet: «Wie<br />
viel Verantwortung soll ich übernehmen<br />
und wie viel Verantwortung<br />
können die Kinder bereits tragen?»<br />
Jesper Juul antwortet der Mutter<br />
direkt:<br />
Ich verstehe, dass Sie erschöpft sind,<br />
sich am liebsten verstecken würden<br />
und erst wieder zum Vorschein<br />
kommen möchten, wenn Ihre Kinder<br />
erwachsen sind. Aber das ist<br />
nicht möglich. Ihre einzige Möglichkeit<br />
ist, sich schnell um professionelle<br />
Hilfe zu kümmern – sei es bei einer<br />
öffentlichen Stelle oder einem privaten<br />
Familientherapeuten.<br />
Ihre Kinder verhalten sich unverantwortlich<br />
und sind es gewohnt,<br />
dass Sie sie bedienen. Das älteste<br />
Kind ist Ihr Ex-Mann. Jemand sollte<br />
ihn mit der Frage konfrontieren,<br />
ob er denn etwas Konstruktives zur<br />
aktuellen Situation beitragen kann.<br />
Optimal wären Gespräche, an denen<br />
alle Familienmitglieder teilnehmen.<br />
So wie die Dinge im Moment stehen<br />
und sie auch bereits schon länger<br />
waren, sind ihre Söhne – wie ich<br />
es nenne – «De-facto-Waisen». Was<br />
bedeutet, dass Mutter und Vater<br />
weder die Fähigkeit, den Wunsch<br />
noch die Energie haben, den Kindern<br />
das zu geben, was sie brauchen.<br />
In Ihrem Fall: einen Nutzen, einen<br />
Überblick, Führung und ein sinnvolles<br />
Vorbild. Es liegt in der Verantwortung<br />
der Erwachsenen, dafür<br />
geradezustehen, wie sich die Situation<br />
entwickelt hat, und es wäre deshalb<br />
sehr unfair, die Kinder dafür zu<br />
bestrafen. Die Unverantwortlichkeit<br />
der Kinder ist lediglich ein Symptom,<br />
das sie zeigen.<br />
Als Leserin meiner Kolumnen<br />
wissen Sie, dass ich kein Freund von<br />
Schuldzuweisungen bin. Es gibt sehr<br />
viele Gründe, warum Ihre Familiensituation<br />
im Moment für kein Mitglied<br />
angenehm ist. So wie Sie Ihre<br />
eigene Gefühlslage als Mutter<br />
beschreiben, sind sie verzweifelt,<br />
erschöpft und machtlos. Dies hat<br />
sich über viele Jahre hin entwickelt,<br />
Sie müssen sich selbst und Ihren<br />
Söhnen gegenüber als unnachgiebig<br />
zeigen. Es ist Ihre Chance, als Frau,<br />
Mutter und Mensch zu wachsen.<br />
und wenn ich mich nicht irre, so<br />
liegt es daran, dass Sie nicht gut<br />
genug auf sich selbst aufgepasst<br />
haben.<br />
Sie haben Ihre eigenen Bedürfnisse,<br />
Ihre Werte, Ihre Grenzen und<br />
Ihre Gefühle ignoriert. Sie haben<br />
gegeben und gegeben, und nun sind<br />
sie leer. Wenn Sie nun auch noch<br />
einen Ex-Mann haben, der sich permanent<br />
über Ihre Grenzen hinwegsetzt<br />
und sie ständig verletzt, so ist<br />
es an der Zeit, dass Sie Prioritäten<br />
setzen. Diese sind Sie selbst und Ihre<br />
Gesundheit. Nicht auf Kosten der<br />
Jungen, sondern wegen deren Be -<br />
dürfnis nach einer glaubwürdigen<br />
erwachsenen Führung.<br />
Ihre Söhne können nicht auf Sie<br />
aufpassen und in dieser chaotischen<br />
und unklaren Situation auch nicht<br />
auf sich selbst. Sie erfahren eine<br />
Mutter ohne Autorität und einen<br />
Vater, der ein schlechtes Beispiel<br />
abgibt. Darum ist jetzt nicht der<br />
richtige Zeitpunkt, Ihnen eine<br />
altersgerechte Verantwortung zu<br />
übertragen. Es ist höchste Zeit für<br />
Sie als Frau und Mutter, die gesamte<br />
Verantwortung, die Sie über die Jahre<br />
hin übernommen haben, genauer<br />
zu betrachten und sich zunächst für<br />
sich selbst zu entscheiden.<br />
Ganz wichtig dabei ist, dass Sie<br />
sich Hilfe von aussen holen, um<br />
gemeinsam mit Ihren Kindern darüber<br />
sprechen zu können, wie sich<br />
alle fühlen. Sie müssen Ihren Kindern<br />
klarmachen, dass Sie sich jetzt<br />
um sich selbst kümmern müssen. Es<br />
bedarf einer Form der Kommunikation,<br />
durch die Ihre Familie erkennt,<br />
dass Sie es wirklich ernst meinen.<br />
Ohne diese Hilfe fühlen sich Ihre<br />
Söhne nur noch mehr schuldig und<br />
werden vermehrt selbstzerstörerische<br />
Züge entwickeln.<br />
Ich vertrete die Ansicht, dass<br />
Kinder ihren Eltern helfen können,<br />
sich persönlich zu entwickeln, wie<br />
dies auch Eltern für ihre Kinder tun.<br />
Sie haben als Frau das klassische<br />
Verhalten einer Frau entwickelt, die<br />
durch ihre bedingungslose Liebe,<br />
ihre Aufopferung, erhöhte Belastbarkeit<br />
und ständige Verfügbarkeit<br />
an Selbstwert verliert. Dieses Muster<br />
ist sehr oft bei jungen Frauen zu<br />
beobachten. Später jedoch werden<br />
sie schlecht behandelt, und ich denke,<br />
das war auch einer der Gründe<br />
für Ihre Scheidung.<br />
Nun müssen Sie sich selbst und<br />
Ihren Söhnen gegenüber als unnachgiebig<br />
zeigen. Es ist Ihre Chance, als<br />
Frau, als Mutter und als Mensch zu<br />
wachsen. Die gute Nachricht ist,<br />
dass Ihre Söhne davon profitieren<br />
werden, sobald Sie damit anfangen.<br />
Es wird Ihnen immer noch möglich<br />
sein, eine liebevolle und aufbauende<br />
Beziehung zueinander zu schaffen.<br />
Haben auch Sie eine Frage an Jesper<br />
Juul, die er persönlich beantworten<br />
soll? Dann schreiben Sie uns:<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />
Schweizer ElternMagazin<br />
Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />
8008 Zürich<br />
Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>45
Erziehung & Schule<br />
Wenn Eltern einer Lehrperson<br />
mit dem Anwalt drohen<br />
Die Kooperation zwischen Eltern und Schule ist von zwei gegensätzlichen Trends geprägt. Einerseits<br />
üben Eltern mit Anwälten und Rekursen Druck aus, um ihren Kindern die bestmögliche Schulkarriere zu<br />
verschaffen. Andrerseits reagieren Schulen und Behörden mit Bussen, wenn Eltern ihren Pflichten nicht<br />
nachkommen. Doch in den meisten Fällen funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos.<br />
Text: Beat W. Zemp<br />
«Gegenseitiges Vertrauen<br />
ist die beste Voraussetzung,<br />
um schwierige Situationen<br />
meistern zu können.»<br />
Beat W. Zemp ist Zentralpräsident des<br />
Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer<br />
Schweiz (LCH).<br />
An fetten Schlagzeilen<br />
und aufgeregten Diskussionen<br />
fehlt es in<br />
jüngster Zeit nicht,<br />
wenn es um das Verhältnis<br />
zwischen Elternhaus und<br />
Schule geht.<br />
In Bülach ist ein Ehepaar nach<br />
wiederholtem unentschuldigtem<br />
Fernbleiben an einem Elternabend<br />
von der Schule angezeigt<br />
worden, weil es gegen das Volksschulgesetz<br />
verstossen habe. Das<br />
Bezirksgericht sprach das Ehepaar<br />
frei, weil die Schule zu wenig klar<br />
kommuniziert hatte, dass es sich<br />
um einen obligatorischen Schulanlass<br />
handelte.<br />
In St. Margrethen kassierte ein<br />
muslimischer Vater eine Geldstrafe<br />
von 3000 Franken und eine Busse<br />
von 1000 Franken, weil er sich<br />
seit Jahren weigert, seine Töchter<br />
am Schulschwimmen und am<br />
Klassenlager teilnehmen zu lassen.<br />
In Zürich bestand ein Sechstklässler<br />
die diesjährige Aufnahmeprüfung<br />
für das Langzeitgymnasium<br />
nicht, weil er das Aufsatzthema<br />
nach Meinung der beurteilenden<br />
Lehrpersonen völlig verfehlt hatte<br />
und dafür die Note 2 kassierte.<br />
Dagegen rekurrierten die Eltern<br />
bis vor das kantonale Verwaltungsgericht.<br />
Das Gericht schrieb<br />
in seinem Urteil, dass das selber<br />
erfundene Märchen im Aufsatz<br />
des Schülers zwar etwas unkonventionell<br />
war und deshalb erheblich<br />
von den Aufsätzen der anderen<br />
Schüler abwich. Daraus könne<br />
man aber nicht schliessen, dass er<br />
die Aufgabenstellung vollständig<br />
missachtet habe. Die tiefe Benotung<br />
sei willkürlich und daher<br />
rechtswidrig und müsse nochmals<br />
überprüft werden.<br />
Einschränkung des Rekursrechts<br />
Solche juristischen Streitigkeiten,<br />
Rekurse und Bussen haben zwar<br />
zugenommen, sie sind aber angesichts<br />
der grossen Zahl von Schülerinnen<br />
und Schülern immer noch<br />
Ausnahmefälle. Trotzdem möchte<br />
der Kanton Freiburg die Rekursmöglichkeiten<br />
für Eltern einschränken:<br />
Erzieherische Massnahmen von<br />
Lehrpersonen, die Ablehnung von<br />
Urlaubsgesuchen und die Bewertung<br />
von Noten, die nicht entscheidend<br />
für die Promotion sind, könnten<br />
Eltern dann nicht mehr juristisch<br />
anfechten. Hingegen würde das<br />
Rekursrecht gegen die Notengebung<br />
bei Übertritts-, Aufnahme- oder<br />
Abschlussprüfungen bestehen bleiben.<br />
Begründet wird diese Änderung<br />
des Rekursrechts mit dem hohen<br />
Aufwand an Zeit, Geld und Kraft,<br />
die solche unnötigen Rekurse benötigen.<br />
So kommt es immer wieder<br />
vor, dass Eltern gegen ein abgelehntes<br />
Urlaubsgesuch Rekurs einreichen,<br />
damit sie kurz vor Ferienbeginn<br />
von den tieferen Reise- und<br />
Flugtarifen profitieren können.<br />
Als Lehrperson darf man sich<br />
auch nicht unter Druck setzen lassen,<br />
wenn eine Schülerleistung<br />
erwiesenermassen ungenügend ist<br />
und die Eltern dann mit einem<br />
Anwalt drohen. Gibt man nach und<br />
rundet die Note auf, ermuntert man<br />
solche Eltern nur, ihren Druck auf<br />
die Lehrperson weiter zu erhöhen.<br />
46 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Die kantonalen Instanzen lehnen<br />
solche Rekurse fast immer ab, wenn<br />
die Notengebung nachvollziehbar,<br />
nicht diskriminierend und nicht<br />
willkürlich ist.<br />
Elternfürsorge und Lernerfolg<br />
Aus der Forschung über die Schulwirksamkeit<br />
wissen wir, dass ein<br />
hohes Interesse der Eltern am Lernprozess<br />
ihrer Kinder und die elterliche<br />
Sorge für gute Lernvoraussetzungen<br />
zu Hause sehr wichtig für<br />
den schulischen Lernerfolg sind.<br />
Dazu gehören auch erzieherische<br />
Massnahmen für die Kinder wie<br />
genügend Schlaf, gesunde Ernährung<br />
und ein vernünftiger Me <br />
dienkonsum sowie ein ruhiger<br />
Platz für das Erledigen von Hausaufgaben.<br />
Eltern haben einen positiven<br />
Einfluss auf den Schulerfolg, wenn<br />
sie sich für die Zukunftsperspektiven<br />
ihrer Kinder interessieren. Eine<br />
gute Information, Vertrauen und die<br />
Koordination von pädagogischen<br />
Massnahmen zwischen Schulen und<br />
Eltern sind daher notwendig und<br />
erhöhen erwiesenermassen den<br />
Lernerfolg.<br />
Gegenseitiges Vertrauen zwischen<br />
Eltern und Schule ist eine<br />
wichtige Voraussetzung, um auch<br />
schwierige Situationen meistern zu<br />
können. In Krisensituationen ist<br />
bereits aufgebautes Vertrauen der<br />
Boden zur Lösung von Problemen.<br />
Daher sollten Eltern nicht gleich mit<br />
dem Anwalt drohen und Rekurse<br />
einreichen, wenn ein Problem mit<br />
der Schule oder einer Lehrperson<br />
entsteht. Es ist immer besser, zuerst<br />
eine Lösung im Gespräch und im<br />
gegenseitigen Einvernehmen zu<br />
suchen, bevor man den Rechtsweg<br />
beschreitet oder Bussen verhängt.<br />
Wenn aber Erziehungsberechtigte<br />
ihren Pflichten nach wiederholter<br />
Mahnung nicht nachkommen,<br />
müssen Massnahmen und<br />
rechtliche Verfahren klar geregelt<br />
sein. Diese haben dem Kindeswohl<br />
zu dienen, denn im Zentrum aller<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Bemühungen steht letztlich immer<br />
das Kind.<br />
Anzeige<br />
FIFA World Football Museum<br />
Seestrasse 27 27<br />
8002 Zürich<br />
fifamuseum.com<br />
Rollenklärungen und geregelte<br />
Kooperation<br />
Partner arbeiten besser zusammen,<br />
wenn ihre Rollen klar sind. Eltern<br />
sind keine Kunden der Schule oder<br />
nur Kuchenbäcker für schulische<br />
Anlässe, sondern eigenverantwortliche<br />
Partner der Schule für die<br />
Erziehung ihrer Kinder. Diese wiederum<br />
sind aber keine reinen Objekte<br />
elterlicher Erziehung, sondern<br />
Menschen mit eigenen Vorstellungen<br />
und eigenen Motivationen, die<br />
für den Schulerfolg mit zunehmendem<br />
Alter ebenso wichtig sind wie<br />
die elterliche Fürsorge.<br />
Eine Schule ist kein käufliches<br />
Dienstleistungsangebot sondern ein<br />
professionell geführter Lernort, der<br />
von unserer Gesellschaft per Verfassung<br />
demokratisch legitimiert und<br />
kontrolliert wird. Für beide Seiten<br />
– Schule und Elternhaus – ergibt<br />
sich daraus ein Kooperationsgebot<br />
in allen Bereichen, in denen die<br />
Zuständigkeit nicht alleine bei den<br />
Schulen oder bei den Erziehungsverantwortlichen<br />
liegt.<br />
Geht es beispielsweise um die be <br />
rufliche Orientierung, um ge sundheitliche<br />
Präventionsmassnahmen,<br />
um Hausaufgaben oder Schulanlässe<br />
mit Elternbeteiligung, sind immer<br />
beide Seiten gefordert, ihren Beitrag<br />
zu leisten und die Bereitschaft zur<br />
Zusammenarbeit zu signalisieren.<br />
Das gilt besonders dann, wenn es<br />
darum geht, konkrete Formen und<br />
Konzepte der Zusammenarbeit zwischen<br />
Eltern und Schule zu vereinbaren,<br />
damit künftig weniger Bussen<br />
und Rekurse nötig sind.<br />
DAS SPIEL-<br />
FELD FÜR DIE<br />
GANZE FAMILIE<br />
15 INTERAKTIVE ERLEBNISSE RUND<br />
UM DIE WELT DES FUSSBALLS.<br />
November <strong>2016</strong>47
In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />
Lust auf Schreiben!<br />
Der Weg zum guten Schreiben ist lang und nicht immer einfach – aber er lohnt sich. Afra<br />
Sturm erklärt, warum dies so ist und was Kinder beim Schreibenlernen motiviert und fördert.<br />
Interview: Johanna Oeschger Bild: Tim Leu<br />
Schreiben ist ein<br />
ebenso komplexer<br />
wie faszinierender<br />
Prozess.<br />
Frau Sturm, wozu muss man heute, im<br />
Zeitalter von Fotos, Videos und Emojis,<br />
überhaupt noch schreiben können?<br />
Es gibt sehr viele Situationen, in<br />
denen man schreiben können muss.<br />
In der Arbeitswelt sind die Lese- und<br />
Schreibanforderungen sogar gestiegen.<br />
Es wird auch von Produktionsmitarbeitenden<br />
oder Handwerkern<br />
verlangt, den eigenen Arbeitsprozess<br />
schriftlich zu dokumentieren. Firmen<br />
wenden Lese- oder Schreibtests<br />
an in den Ein stellungsverfahren,<br />
vieles wird protokolliert. So schnell<br />
wird man das Schreiben also nicht<br />
los!<br />
Was bereitet Kindern, die zum ersten<br />
Mal schreiben lernen, besonders<br />
Mühe?<br />
Das Schwierige am Schreiben ist,<br />
dass man dabei sehr viele Aktivitäten<br />
gleichzeitig ausführen muss: Ich<br />
überlege, was ich wem wozu und wie<br />
schreibe – ausserdem muss ich den<br />
Stift oder die Tastatur bedienen,<br />
nach dem passenden Wort suchen<br />
und es auch noch korrekt aufschreiben.<br />
All diese Aktivitäten beanspruchen<br />
das Arbeitsgedächtnis. Dieses<br />
ist aber beschränkt und kann auch<br />
nicht einfach erweitert werden.<br />
Schreibanfängerinnen und -anfänger<br />
steuern den Schreibprozess deshalb<br />
so, dass ihr Arbeitsgedächtnis<br />
nicht alles gleichzeitig schaffen muss.<br />
Aus diesem Grund schreiben sie<br />
häufig «drauflos»: Sie haben eine<br />
Idee, schreiben sie auf, haben die<br />
nächste Idee, schreiben wieder,<br />
Bild: Cavan Images / 13 Photo<br />
48 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
haben keine Idee mehr, hören auf ...<br />
Bei geübteren Schreibenden sind<br />
bestimmte Dinge automatisiert und<br />
das Arbeitsgedächtnis wird entlastet.<br />
Dann kann man auch komplexere<br />
Schreibaufgaben bewältigen.<br />
Welche Schreibfähigkeiten können<br />
Eltern bei ihren Kindern in welchem<br />
Alter voraussetzen?<br />
Das hängt vom Kompetenzbereich<br />
ab. Als Eltern sollte man sich vor<br />
allem bewusst sein, dass die Schreibentwicklung<br />
ein sehr langer Prozess<br />
ist. Die heutige Forschung weiss, dass<br />
es bis zu zwei Jahrzehnte dauert, bis<br />
jemand das Schreiben wirklich<br />
erworben hat. Das hat damit zu tun,<br />
dass das Schreiben sehr anspruchsvoll<br />
ist, viel anspruchsvoller als zum<br />
Beispiel das Sprechen oder das<br />
Lesen. Auch die Grundfähigkeiten,<br />
z.B. eine flüssige Handschrift oder<br />
die Rechtschreibung, sind bis Ende<br />
Unterstufe noch nicht vollständig<br />
entwickelt. Diese Fähigkeiten müssen<br />
in der Mittel- und Oberstufe<br />
systematisch weiter ausgebaut werden.<br />
Bei all den Kompetenzen, die das<br />
Schreiben umfasst, wird oft besonders<br />
viel Wert auf die Rechtschreibung<br />
gelegt. Zu Recht?<br />
Die Fähigkeit, korrekt zu schreiben,<br />
sagt noch nicht viel über die gesamten<br />
Schreibkompetenzen aus. Es ist<br />
möglich, dass jemand viele Rechtschreibfehler<br />
macht, aber einen tollen<br />
Text schreiben kann. Umgekehrt<br />
gibt es viele Schülerinnen und Schüler,<br />
die die Rechtschreibung perfekt<br />
beherrschen, aber ihre Botschaft<br />
nicht in einen Text bekommen. Dennoch<br />
hindern Unsicherheiten in der<br />
Rechtschreibung das Schreiben, weil<br />
ich mich ständig fragen muss, wie<br />
ich dieses oder jenes Wort korrekt<br />
schreibe. Das lenkt von der eigentlichen<br />
Schreibaufgabe ab. Eine sichere<br />
Rechtschreibung zu erwerben,<br />
lohnt sich also.<br />
Wie können Eltern ihr Kind beim<br />
Schreiberwerb unterstützen?<br />
Kinder müssen erleben, dass man<br />
mit Schrift etwas mitteilen kann.<br />
Wenn sie das erfahren, sind sie auch<br />
neugierig, Schrift selber auszuprobieren.<br />
Und wie weckt man diese Neugierde?<br />
Einerseits über das Lesen: Wenn<br />
man mit ihnen in Bilderbüchern<br />
liest, fasziniert das die Kinder. Da<br />
steht etwas – und es kommt immer<br />
dieselbe Geschichte raus! Andererseits<br />
ist es wichtig, die Kinder schon<br />
vor dem Schrifterwerb in die eigenen<br />
Schreibtätigkeiten mitzunehmen. Sie<br />
können zum Beispiel die Einkaufsliste<br />
mit Zeichnungen ergänzen,<br />
SMS mittippen, Postkarten diktieren,<br />
das Ferientagebuch mit Bildern<br />
dokumentieren …<br />
Was sollten Eltern nicht tun?<br />
Ist die Neugier für das eigene Schreiben<br />
vorhanden, können Eltern<br />
durchaus darauf eingehen: Sie können<br />
dem Kind zeigen, wie sie den<br />
eigenen Namen schreiben, oder sie<br />
einmal auf der Computer- oder Handytastatur<br />
tippen lassen. Es ist aber<br />
nicht nötig, mit den Kindern Handschrift,<br />
Tastaturschreiben oder gar<br />
Rechtschreibung zu üben. Das ist<br />
Aufgabe der Schule und muss dort<br />
systematisch geübt werden.<br />
Starten Sie<br />
die aktuelle<br />
Fritz+Fränzi-App,<br />
scannen Sie diese Seite<br />
und sehen Sie, wie<br />
Afra Sturm auf Fragen<br />
rund ums Schreiben<br />
antwortet.<br />
Johanna Oeschger<br />
ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />
unterrichtet Deutsch und Englisch auf der<br />
Sekundarstufe II und arbeitet als<br />
Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />
Zur Person<br />
Prof. Dr. Afra Sturm ist Professorin an der<br />
Pädagogischen Hochschule der FHNW und leitet<br />
dort den Schwerpunkt Schreiben am Zentrum<br />
Lesen. Sie erforscht und entwickelt den Erwerb<br />
und die Förderung von Schreiben bei Kindern und<br />
Erwachsenen.<br />
Schreibförderung<br />
Das Schreiben für Schule, Beruf und<br />
Alltag ist wichtiger denn je. Wer gut<br />
schreiben will, muss viel können – von der<br />
Handschrift über das Planen des Textes<br />
bis zur Wahl des treffenden Ausdrucks.<br />
Eine komplexe Herausforderung, die bis<br />
ins Erwachsenenalter geübt werden muss.<br />
Mit diesem Artikel starten wir die Serie<br />
Lust auf Scheiben. Wir zeigen auf, wie<br />
Eltern anhand von Tipps und Übungsideen<br />
ihrem Kind die Lust aufs<br />
Schreiben vermitteln können. Alle Artikel<br />
der Serie finden Sie auch online auf<br />
www.fritzundfraenzi.ch..<br />
Videointerviews<br />
Schreiben unsere Schülerinnen und<br />
Schüler immer schlechter? Wie bekommt<br />
mein Kind die Rechtschreibung in den<br />
Griff? Was, wenn mein Kind «nicht gerne»<br />
schreibt?<br />
Sehen und hören Sie die Antworten im<br />
Video auf www.fritzundfraenzi.ch..<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>49
Elterncoaching<br />
Mein Kind ist ein Perfektionist<br />
In der Prüfung eine Sechs, im Wettkampf der Erste. Manche Kinder wollen<br />
alles besonders gut machen, perfekt sein. Wenn sie dies aus dem Glauben<br />
heraus tun, nur so geliebt zu werden, sollten Eltern handen.<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 36-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 4,<br />
und einer Tochter, 1. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Natalie strahlt übers<br />
ganze Gesicht. «Du<br />
bist ja heute gut aufgelegt!<br />
Was ist denn<br />
los?» Nathalie sieht<br />
ihre Mutter mit einem breiten Grinsen<br />
an: «Wir haben die Geo-Prüfung<br />
zurückbekommen.» Nun beginnt<br />
ein wohlorchestriertes Spiel: Die<br />
Mutter beginnt von der Note 4 nach<br />
oben zu zählen: «Eine Vier? Eine<br />
Viereinhalb? Eine Fünf?» Dabei<br />
schaut die Mutter immer erstaunter,<br />
während Natalie jedes Mal amüsiert<br />
den Kopf schüttelt. «Doch keine<br />
Sechs?», staunt die Mutter. «Doch!»<br />
Die Mutter nimmt sie in den Arm:<br />
«Dabei hast du doch gedacht, es sei<br />
so schlecht gelaufen. Und jetzt so<br />
eine Wahnsinnsnote! Du kannst<br />
stolz auf dich sein.»<br />
Szenen wie diese spielen sich<br />
regelmässig ab. Die Mutter ist sehr<br />
erleichtert, wenn ihre Tochter mit<br />
einer Sechs nach Hause kommt – bei<br />
einer Fünf, manchmal auch einer<br />
Fünfeinhalb, ist Natalie aufgelöst.<br />
Dann plagen sie Selbstzweifel,<br />
Schuld- und Schamgefühle. Dann ist<br />
alles «schlimm» und «peinlich»,<br />
Selbstorientierte Perfektionisten<br />
machen ihren Wert fast<br />
ausschliesslich von der Bewertung<br />
anderer Menschen abhängig.<br />
dann fragt sie, wie sie «nur so einen<br />
dummen Fehler machen konnte».<br />
Ihre Mutter hat das Gefühl, gegen<br />
Windmühlen zu kämpfen, wenn<br />
Natalie sich selbst abwertet, sich als<br />
dumm bezeichnet, weint, weil sie<br />
«nichts kann», sich als «doofe Nuss»<br />
beschimpft. Bei jedem «aber das ist<br />
doch gut!» und «andere wären froh,<br />
wenn sie so gute Noten hätten» wird<br />
Natalie wütender. Gut ist ihr nicht<br />
gut genug. Es muss perfekt sein.<br />
Natalie sucht nach Lob und<br />
Anerkennung, kann es jedoch kaum<br />
annehmen. Sie sucht immer nach<br />
dem «Aber» dahinter. Sie hat ein<br />
grosses Ohr für kleinste kritische<br />
Kommentare und fühlt sich auch bei<br />
gut gemeinten Verbesserungsvorschlägen<br />
entwertet und abgelehnt.<br />
Natalie ist eine Perfektionistin –<br />
und sie und ihr Umfeld kämpfen<br />
damit.<br />
Nicht jede Form von<br />
Perfektionismus ist problematisch<br />
Eltern machen sich oft Sorgen, wenn<br />
ihr Kind perfektionistisch veranlagt<br />
ist. Die Forschung zeigt jedoch, dass<br />
nicht jede Form von Perfektionismus<br />
problematisch ist.<br />
Perfektionisten haben hohe innere<br />
Standards. Sie streben gute Ergebnisse<br />
an und sind bereit, dafür viel<br />
Zeit und Energie zu investieren.<br />
Die «gesunde» Form wird als<br />
selbstorientierter Perfektionismus<br />
beschrieben. Diese Menschen stecken<br />
sich hohe eigene Ziele und<br />
Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />
50 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
arbeiten mit Engagement und<br />
Begeisterung daran, sich stetig zu<br />
verbessern. Sie können mit Misserfolgen<br />
umgehen und aus Fehlern<br />
lernen.<br />
Sozial orientierte Perfektionisten<br />
hingegen leiden unter ihrem Drang<br />
nach Vollkommenheit. Sie setzen<br />
sich nicht selbst Ziele – sie fühlen<br />
sich vielmehr von (vermeintlich)<br />
hohen Erwartungen anderer unter<br />
Druck gesetzt. Sie glauben, perfekt<br />
sein zu müssen, um anderen zu<br />
genügen und liebenswert zu sein. Sie<br />
machen ihren Wert als Mensch fast<br />
ausschliesslich von der Bewertung<br />
anderer abhängig. Teilweise sind sie<br />
so blockiert von Ängsten und Sorgen,<br />
dass sie kaum mehr arbeiten<br />
können. Ihre Gedanken kreisen um<br />
einen möglichen Gesichtsverlust<br />
und die Angst, dass andere enttäuscht<br />
werden könnten, schlecht<br />
über sie denken oder sich von ihnen<br />
abwenden, wenn sie keine Bestleistung<br />
erbringen.<br />
Kinder wie Natalie identifizieren<br />
sich so sehr mit ihrer Leistung, dass<br />
sich ein Misserfolg anfühlt, als würde<br />
ihnen der Boden unter den<br />
Füssen weggezogen.<br />
Der Drang nach Perfektion macht<br />
Eltern und Lehrer hilflos<br />
Eltern und Lehrpersonen sind oft<br />
ratlos, wie sie auf perfektionistische<br />
Kinder eingehen sollen. Meist versuchen<br />
sie das Selbstvertrauen des<br />
Kindes zu fördern, indem sie auf<br />
seine bisherigen Erfolge hinweisen,<br />
bei guten Noten das Kind bestärken<br />
(«Wow! Ich wusste doch, dass du es<br />
kannst!») und bei etwas weniger<br />
guten Leistungen auf die starken<br />
Punkte hinweisen.<br />
Bei Eltern und Lehrpersonen<br />
stellt sich jedoch bald das Gefühl<br />
ein, dass all das Lob und all die<br />
Ermutigung nicht auf fruchtbaren<br />
Boden fallen. Es fühlt sich an, als<br />
würde man ein Fass ohne Boden<br />
füllen. Die Anerkennung versickert<br />
nach einem kurzen Moment der<br />
Freude oder Erleichterung und<br />
scheint langfristig nur dazu zu führen,<br />
dass das Kind immer mehr<br />
davon braucht, um sich für kurze<br />
Zeit erleichtert zu fühlen. Die Selbstzweifel<br />
sind sofort wieder da.<br />
Der Versuch, das Selbstvertrauen<br />
perfektionistischer Kinder zu stärken,<br />
verstärkt oft das Problem.<br />
Denn: Jede Anerkennung für gute<br />
Leistungen und jedes Gespräch über<br />
Prüfungen, Noten, Stärken und<br />
Erfolge vermittelt ihnen indirekt<br />
und unbewusst: Es geht im Leben<br />
um Leistung und Erfolg. Jede Versicherung,<br />
dass das Kind «gut» sei, es<br />
etwas «toll gemacht» hat, signalisiert<br />
dem Kind, dass sein Wert als<br />
Mensch von seiner Leistung abhängt.<br />
Wörter wie schlecht und richtig<br />
spielen eine gewichtige Rolle<br />
Im Gedankenuniversum von Kindern<br />
wie Natalie spielen Wörter wie<br />
gut und schlecht, richtig und falsch<br />
eine zu gewichtige Rolle. Sie sind<br />
ständig dabei, Mass zu nehmen, sich<br />
und ihre Leistung kritisch zu beäugen.<br />
Als Eltern oder Lehrperson<br />
können Sie perfektionistische Kinder<br />
unterstützen, indem Sie dem<br />
Thema Leistung insgesamt deutlich<br />
weniger Beachtung schenken.<br />
Menschen wie Natalie legen<br />
immenses Gewicht auf das Ergebnis<br />
und identifizieren sich kaum mit<br />
dem Thema oder dem Arbeitsprozess.<br />
Es geht ihnen darum, eine<br />
schöne Zeichnung zu machen, eine<br />
gute Note zu schreiben, den Wettkampf<br />
zu gewinnen. Die Freude am<br />
Zeichnen, das Interesse am Stoff, das<br />
Zusammensein mit anderen beim<br />
Training zählen kaum.<br />
Als Eltern oder Lehrperson können<br />
Sie perfektionistischen Kindern<br />
helfen, diese Dimensionen stärker<br />
wahrzunehmen, indem sie diese<br />
Aspekte in den Vordergrund rücken.<br />
Anstatt zu sagen, dass die Zeichnung<br />
schön ist, könnten Sie das<br />
Kind zur verwendeten Technik<br />
befragen oder mit ihm darüber sprechen,<br />
warum dieses Motiv es ange-<br />
Bei einem Misserfolg könnten<br />
Sie das Kind fragen, was ihm<br />
nun guttun würde, anstatt über<br />
die Prüfung zu sprechen.<br />
sprochen hat. Anstatt über die Aufsatznote<br />
Ihres Kindes zu staunen,<br />
könnten Sie den Aufsatz lesen und<br />
mit ihm über das Thema sprechen.<br />
Bei einem Misserfolg könnten Sie<br />
das Kind fragen, was ihm nun guttun<br />
würde und mit ihm gemeinsam<br />
etwas unternehmen, anstatt über die<br />
Prüfung zu sprechen. Damit signalisieren<br />
Sie ihm: Wir können es auch<br />
gut miteinander haben und etwas<br />
Schönes erleben, wenn auf der<br />
«Leistungsebene» im Moment nicht<br />
alles rundläuft.<br />
Das Kind wird Widerstand leisten,<br />
um Anerkennung bitten<br />
Wenn Sie diesen Aspekten mehr Be -<br />
achtung schenken, müssen Sie sich<br />
zunächst auf Widerstand gefasst<br />
machen. Perfektionistische Kinder<br />
werden augenblicklich unsicher,<br />
wenn die Anerkennung für gute<br />
Leistungen schwächer ausfällt. Wenn<br />
Sie beispielsweise darüber sprechen,<br />
was die Zeichnung des Kindes in<br />
Ihnen auslöst und ihm Fragen stellen,<br />
wie es bestimmte Effekte hinbekommen<br />
hat, wird das Kind fragen:<br />
«Ja, aber findest du es schön!?» Kinder<br />
wie Natalie benötigen Zeit, um<br />
sich auf diese Gespräche einzulassen<br />
und stärker wahrzunehmen, was<br />
ihnen gefällt und sie interessiert.<br />
In der nächsten Ausgabe:<br />
Mein Kind gibt an. Wie soll ich reagieren,<br />
wenn es sich aufspielt?<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>51
In Zusammenarbeit mit PostFinance<br />
Erziehung & Schule<br />
Sparbatzen: Vorsorgen für die Kinder<br />
In den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes bleiben die Kosten für Krankenkasse, Nahrung und<br />
Kleider überschaubar. Ab Schuleintritt kommen Auslagen für Schulreisen, Hobbys und Haustiere dazu,<br />
und nach Schulabschluss, wenn Fahrprüfung, Ausbildung und vielleicht ein Auslandaufenthalt anstehen,<br />
steigen die Ausgaben noch einmal. Text: Oliver Ege<br />
MoneyFit-Tipp<br />
Sparziel festlegen: Welcher Betrag soll ab<br />
wann verfügbar sein?<br />
Geeignete Sparform oder eine Kombination<br />
verschiedener Formen wählen. Lassen Sie<br />
sich allenfalls von einem unabhängigen<br />
Berater unterstützen.<br />
Regelmässig (z. B. monatlich oder quartalsweise<br />
mit Dauerauftrag) einzahlen.<br />
Rechtzeitig (d. h. 8 bis 15 Jahre im Voraus)<br />
mit Sparen beginnen.<br />
Laut Schätzungen des Bundesamtes<br />
für Statistik wenden<br />
Eltern für ein Kind bis ins Alter<br />
von 12 Jahren durchschnittlich 700<br />
Franken im Monat auf. Bei 12- bis<br />
18-Jährigen sind es rund 1000<br />
Franken pro Monat. Noch höher<br />
wird der Aufwand, wenn die Eltern<br />
während der Ausbildung für einen<br />
auswärtigen Unterhalt aufkommen.<br />
Zur finanziellen Vorbereitung<br />
darauf und um den Jugendlichen<br />
Projekte wie die Fahrprüfung oder ein<br />
Auslandjahr ermöglichen zu können,<br />
gibt es für Eltern und Angehörige<br />
eine Reihe von Sparformen.<br />
Sparkonto<br />
Mit diesem geht das Sparen am<br />
unkompliziertesten. Eltern können<br />
für ihr Kind von Geburt an ein<br />
Jugendsparkonto zu speziellen<br />
Konditionen (z.B. Vorzugszins, kostenlose<br />
Kontoführung) eröffnen und<br />
regelmässig oder nur ab und zu einen<br />
Betrag einzahlen. Für Grosseltern,<br />
Götti oder Tante gibt es bei verschiedenen<br />
Banken analog dazu das sogenannte<br />
Geschenkkonto. Auf einem<br />
Sparkonto ist das Kapital sicher<br />
angelegt, ohne Börsenrisiken –<br />
dafür sind die Ertragsmöglichkeiten<br />
deutlich geringer als bei anderen<br />
Anlageformen.<br />
Sparfonds<br />
Die höchste Rendite erzielen Aktienfonds<br />
– bei ungünstiger Börsenlage<br />
sind aber Verluste möglich. Um<br />
das Risiko möglichst tief zu halten,<br />
eignen sich Strategiefonds, ein Mix<br />
aus Aktien- und Obligationenfonds.<br />
Am kostengünstigsten sind sogenannte<br />
Indexfonds, deren Verwaltung<br />
auf ein Minimum reduziert ist. Wenn<br />
das Kapital langfristig angespart wird<br />
und nicht ungeplant plötzlich zur Verfügung<br />
stehen muss, können auch<br />
Schwankungen an der Börse besser<br />
verkraftet werden.<br />
Ausbildungsversicherung<br />
Das ist eine Form der Lebensversicherung,<br />
bei der Eltern oder andere<br />
Angehörige einen Versicherungsvertrag<br />
abschliessen und über eine<br />
längere Zeit regelmässig Geld einzahlen.<br />
Am Ende der Laufzeit erhält<br />
das Kind garantiert die vereinbarte<br />
Summe ausgezahlt, auch dann, wenn<br />
der Person, die den Vertrag abgeschlossen<br />
hat, während der Laufzeit<br />
etwas zustösst. Im Vordergrund steht<br />
hier mehr das Erreichen des Sparziels<br />
als ein hoher Ertrag, deshalb<br />
müssen höhere Gebühren in Kauf<br />
genommen werden.<br />
Bei allen Sparformen ist zu<br />
bedenken, auf wessen Namen das<br />
Kapital laufen soll. Lautet es auf den<br />
Namen des Kindes, haben die Eltern<br />
aus rechtlichen Gründen nicht ohne<br />
Weiteres Zugriff auf das Geld und das<br />
Kind verfügt mit dem Erreichen der<br />
Volljährigkeit automatisch über das<br />
Vermögen.<br />
Oliver Ege<br />
ist Berater für Privatkunden und Leiter der<br />
Filiale Bern PostParc bei PostFinance.<br />
Seit über zehn Jahren setzt sich<br />
PostFinance mit kostenlosen<br />
Angeboten für die Steigerung der<br />
Finanzkompetenz der Jugend ein.<br />
Die professionell aufbereiteten<br />
Lernmedien unterstützen<br />
Lehrpersonen und Eltern bei der<br />
Erziehungsarbeit ums Thema Geld.<br />
moneyfit.postfinance.ch<br />
postfinance.ch<br />
Bild: Fotolia<br />
52 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Rubrik<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>53<br />
Einfach ALDI.
Stiftung Elternsein<br />
Verstehe, wer wolle<br />
Ellen Ringier über Männer mit Macht und den Wert der Familie.<br />
Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />
die Stiftung Elternsein.<br />
Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />
Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat<br />
Donald Trump, in dritter Ehe<br />
verheiratet, vergreift sich, wie eine Tonaufnahme<br />
aus dem Jahre 2005 belegt, verbal<br />
an Frauen!<br />
In der Schweiz macht der frühere CVP-<br />
Präsident Christophe Darbellay der<br />
Freundin ein Kind und bestätigt Berichte<br />
erst wenige Tage vor der Geburt, sodass<br />
die Familie vom ausserfamiliären Zu -<br />
wachs nicht aus der Presse erfährt!<br />
Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand hielt<br />
seine Geliebte Anne Pingeot mit dem gemeinsamen<br />
Kind Mazarine 24 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1996,<br />
vor der Öffentlichkeit versteckt. Vor Kurzem wurden<br />
seine über 1000 (Liebes-)Briefe an seine Geliebte veröffentlicht:<br />
«Ich liebe Deinen Körper, die Freude, die mich<br />
durchströmt, wenn ich Deinen Mund nehme. Besitz,<br />
der mich verbrennt aus allen Feuern der Welt, das Sprühen<br />
meines Blutes tief in Deinem Inneren, Deine Lust,<br />
die aus dem Vulkan unserer Körper herausspringt,<br />
Flamme im Weltall, Feuersbrunst.» (Juli 1970)<br />
Kaum ein Staatspräsident, kaum ein Wirtschaftsführer<br />
und kaum ein Prominenter ohne Geliebte neben der<br />
öffentlich als heile Familie zur Schau gestellten wirklichen<br />
– oder soll ich sagen: ursprünglichen – Familie.<br />
Wer Macht hat, verliert sich im Wertekodex, glaubt<br />
mit der Zeit, darüber zu stehen, erliegt dem Anspruch<br />
auf «das Ganze», das ihm in politischer, wirtschaftlicher<br />
oder gesellschaftlicher Hinsicht schon zusteht. Warum<br />
nicht auch in Bezug auf sein Liebesleben?<br />
Unlängst sagte eine Freundin: «Wer reich ist, hat eine<br />
schöne Frau.» Logisch, wer reich, mächtig oder in gesellschaftlicher<br />
Hinsicht bedeutend ist, hat doch mindestens<br />
Anspruch auf ein grosses Haus, ein schickes Auto<br />
und so weiter und so fort und eben: auf eine schöne<br />
Frau. Das versteht doch jeder.<br />
Die Union der islamischen Gemeinden und Organisationen<br />
in Italien (UCOII) hat im Sommer, nachdem<br />
die Homo-Ehe legalisiert worden war, gefordert, Italien<br />
möge nun auch die Polygamie legalisieren. Wenn es<br />
schon so viele Scheidungen und Zweit- und Drittehen,<br />
Ehen gleichgeschlechtlicher Partner und Kinder von<br />
Leihmüttern gebe, solle man es allen Männern möglich<br />
machen, mehrere Frauen zu haben – nicht nur den Reichen<br />
und den Mächtigen! Das versteht doch jeder.<br />
Liebe Leserinnen und Leser, fällt Ihnen etwas auf?<br />
Oder finden Sie es normal, dass zumeist von Männern<br />
die Rede ist, wenn es darum geht, sich selber «optimal»<br />
zu verwirklichen?<br />
Wir Frauen wollen in Bezug auf Selbstverwirklichung<br />
endlich Chancengleichheit! Den gleichen Lohn für gleiche<br />
Leistung, eine wirklich taugliche Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf und echte Partizipation der Väter in<br />
der Kindererziehung. Wir wollen auch reich und mächtig<br />
werden, um uns einen Geliebten zu «nehmen»! Denn<br />
auch wir wissen, dass es für die Ehe keine soziale oder<br />
moralische Notwendigkeit mehr gibt!<br />
Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser: In einer<br />
Gesellschaft, die sich den menschlichen Bedürfnissen<br />
immer mehr entzieht, wird der Stellenwert der Familie<br />
– «als Überbegriff für die liebevolle Beziehung zwischen<br />
Eltern und Kindern, entfernteren Verwandten und<br />
Geschwistern definiert» – zusehends an Bedeutung<br />
gewinnen. Sagt der dänische Familientherapeut Jesper<br />
Juul. «Eine Neuerfindung der Familie ist der einzige<br />
Weg, die menschliche Entwicklung in einer Gesellschaft<br />
zu gewährleisten, die sich von unseren Bedürfnissen<br />
wegentwickelt.»<br />
Eines ist bei aller gesellschaftlichen Verunsicherung<br />
gewiss: Kinder brauchen als Nährboden zum Erwachsenwerden<br />
emotionale Geborgenheit, Sicherheit. Diese<br />
kann nur in einem Liebesverhältnisses zwischen Kind<br />
und elterlichen Erziehern, mithin innerhalb einer Familie,<br />
wie immer die Familie in Zukunft definiert werden<br />
mag, gewährleistet werden. Wenn man das nicht mehr<br />
versteht?<br />
STIFTUNG ELTERNSEIN<br />
«Eltern werden ist nicht schwer,<br />
Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />
Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />
Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie<br />
richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und<br />
Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern,<br />
Kindern, Lehrern und die Vernetzung der eltern- und<br />
erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschsprachigen<br />
Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer<br />
ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch<br />
Bild: Vera Hartmann / 13 Photo<br />
54 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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130 g/km; Kategorie D. Der Durchschnittswert der CO 2<br />
-Emissionen aller immatrikulierten Neuwagen beträgt für das Jahr <strong>2016</strong> 139 g/km.
Do sier<br />
Do sier<br />
«Von den Lehrern gemobbt»<br />
«Mobbing hätte<br />
meinem Sohn fast das<br />
Leben gekostet»<br />
(Dossier «Mobbing», Heft 9/16)<br />
Bild: Bildbyran / Imago<br />
10 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
… und alle<br />
schauen weg<br />
Was gehört zu einer schönen Kindheit? Einsamkeit, Trauer und<br />
Verzweiflung sicher nicht. Warum mobben Kinder andere<br />
Kinder? Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind gemobbt wird?<br />
Und was können sie dagegen tun? Text: Fabian Grolimund<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 1<br />
«Eine Ursachen- Analyse fehlt»<br />
Anzeige<br />
In unserem Fall hat die Schule total versagt. Diese Meinung<br />
kann ich vertreten, obwohl ich selbst im Schuldienst bin. Ich<br />
bereue es noch heute, nach acht Jahren, nicht das KM und<br />
die Polizei über die Vorgänge in der Schule informiert zu<br />
haben. Damals hatte ich einfach keine Kraft mehr. Meinem<br />
Sohn kam nur ein Zufall zu Hilfe: Nachdem ihm Mitschüler<br />
abends auf dem Nachhauseweg aufgelauert hatten, um ihn<br />
wieder mal zu verprügeln, hat das Mädchen, das mit meinem<br />
Sohn unterwegs war, sich bereit erklärt, bei der Polizei<br />
auszusagen. Bislang hatten sog. «Zuschauer» vor einer<br />
Aussage bei der Polizei immer einen Rückzieher gemacht. Es<br />
kam zu einer Verhandlung, und die Mobber wurden zu bis zu<br />
80 Sozialstunden verurteilt. Die Ansage des Staatsanwaltes<br />
war für mich und meinen Sohn eine Genugtuung und eine<br />
Erlösung. Mein Sohn wechselte darauf die Schule und das<br />
Drama und der Terror hatten ein für alle Mal ein Ende.<br />
Ich denke noch oft an diese schwere Zeit zurück, die<br />
meinem Sohn (jetzt 21 Jahre) fast das Leben gekostet hätte.<br />
Als Lehrer reagiere ich seitdem extrem sensibel, wenn ich<br />
den Verdacht habe, ein Schüler würde gemobbt.<br />
Tine (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />
So lernen wir.<br />
Infoabende<br />
5./6. Primar- und Sekundarstufe:<br />
8. Dezember <strong>2016</strong>, 18 Uhr<br />
Waldmannstrasse 9, 8001 Zürich<br />
Fachmittelschule und 10. Schuljahr:<br />
15. November <strong>2016</strong>, 18 Uhr<br />
Kreuzstrasse 72, 8008 Zürich<br />
Mitten<br />
in<br />
Zürich<br />
Was mir in diesem Dossier fehlt, ist eine Analyse der Ursachen<br />
und die präventive Arbeit. Mobbing wird als etwas beschrieben,<br />
das es einfach gibt. Und das muss meiner Meinung nach nicht so<br />
sein. Ich stimme zu, dass man Mobbing vermindern kann, wenn<br />
man aufmerksam ist, es anspricht und dagegen Stellung bezieht.<br />
Doch damit bekämpft man nur die Symptome. Die Ursachen sind<br />
meiner Meinung nach etwas anderes.<br />
Mobbing ist ein Zeichen dafür, dass wir immer noch in einer<br />
Kultur leben, wo es ein Richtig und Falsch gibt, und das Falsche<br />
wird aus der Gruppe verbannt. Was nicht gewünscht ist, wird<br />
ausgegrenzt und hat keinen Wert. Gewisse Personen haben das<br />
Recht, über richtig und falsch zu urteilen. Die Akteure bestimmen,<br />
wer falsch ist und deshalb erniedrigt werden darf. Diese<br />
Kultur wird auch von den Erwachsenen vorgelebt. Wo Erwachsene<br />
bestimmen, was objektiv richtig ist, ohne Respekt für das<br />
Subjekt des Kindes zu haben, schafft man Voraussetzungen für<br />
Mobbing. Immer noch (und leider wieder zunehmend) prägt die<br />
Erziehung stark diese Haltung, z. B. Belohnung und Bestrafungsmethoden.<br />
Mit dieser Art «Miteinander» wird ganz klar das<br />
Selbstwertgefühl der Kinder geschwächt.<br />
Ein gutes Selbstwertgefühl vermindert das Risiko für Täter<br />
wie Opfer. Jesper Juul schrieb in seiner Kolumne im letzten<br />
Februar genau über diese Thematik. Nämlich, dass es ganz stark<br />
um die Führung der Erwachsenen geht. Wie ist das Klima? Wie<br />
wird jeder Einzelne behandelt? Ist Verschiedenartigkeit erlaubt?<br />
Wird das Kind gesehen? Und bei diesem Satz muss ich immer<br />
wieder betonen, dass, wenn man ein Kind in seiner Integrität<br />
sieht, es nicht heisst, dass es bekommt, was es will, sondern es<br />
wird einfach in seinem Sein gesehen. Solange wir in einer<br />
Gesellschaft leben, wo es richtig und falsch gibt, wo es Belohnung<br />
und Bestrafung gibt, wird Mobbing nicht nachlassen. Viele<br />
Erwachsene leben mit einem geringen Selbstwertgefühl und<br />
wissen es von daher nicht besser.<br />
Caroline Märki, familylab.ch (per Mail)<br />
www.fesz.ch | 043 268 84 84<br />
November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Leserbriefe<br />
«Von der Ignoranz<br />
der Lehrpersonen erschüttert»<br />
Ja, das Thema Mobbing ist leider brandaktuell. Unsere kleine<br />
Tochter wurde im Kindergarten ab der ersten Woche von den<br />
anderen drei Mädchen (alle anderen waren Jungs) konsequent<br />
ausgeschlossen und gehänselt. Die Situation hat sich das ganze<br />
erste Jahr hindurch nicht verbessert. Da die Klassenlehrerin zwei<br />
Mal ein Burnout hatte, wurde die Klasse von diversen Lehrpersonen<br />
unterrichtet. Keine einzige davon hat konstruktiv reagiert,<br />
sondern die problematische Situation damit abgetan, dass unser<br />
Kind eben einzelgängerisch sei. Ich kenne mein Kind wohl etwas<br />
besser und kann mit Sicherheit sagen, dass das nicht stimmt.<br />
Unsere Tochter blieb bis zum letzten Tag ausgeschlossen, nichts<br />
wurde unternommen. Sie klagte mit der Zeit täglich über<br />
Bauchschmerzen, verlor ihre kindliche Leichtigkeit und Fröhlichkeit.<br />
Ausserdem quälten sie Alpträume, jede Nacht zum Teil bis<br />
zu fünf, sechs Mal.<br />
Mich hat die Ignoranz der Lehrpersonen erschüttert. Ich<br />
habe sehr freundlich und möglichst «unkompliziert»<br />
versucht, mit ihnen eine Lösung zu finden. Ich wollte<br />
unbedingt vermeiden, als «Gluggere» mein Kind noch mehr<br />
in Schwierigkeiten zu bringen. Aber meine Bemühungen<br />
waren umsonst. Letztlich konnten und wollten wir der<br />
Situation nicht länger zuschauen. Uns liegt viel daran, dass<br />
unsere Kinder angstfrei zur Schule gehen dürfen.<br />
Wir haben unsere Tochter aus der Schule genommen und<br />
schicken sie nun an eine private Schule, welche sich unter<br />
anderem an Montessori ausrichtet. Die Probleme unserer<br />
Tochter waren schon nach einer Woche weg. Bauchweh,<br />
Alpträume, Bedrücktheit waren wie weggeblasen.<br />
Ich möchte an dieser Stelle auf diese kleine, aber feine<br />
Schule hinweisen (www.tagesschule-sesam.ch). Im Kanton<br />
Freiburg ist sie ein Lichtblick für viele Kinder und ihre Eltern.<br />
Beste Grüsse und einen grossen Dank für das tolle Magazin!<br />
Simone Stocker (per Mail)<br />
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bio-strath.ch<br />
erhältlich in führenden Apotheken und Drogerien Natürlich für die ganze Familie – Seit 1961<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>57
Do sier<br />
Do sier<br />
Leserbriefe<br />
«Blond. Blöd. Blauäugig.»<br />
«Heute erst begreife<br />
ich, was ich ihnen<br />
angetan habe!»<br />
(Dossier «Mobbing», Heft 9/16)<br />
Bild: Bildbyran / Imago<br />
10 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Ich muss zu meiner Schande zugeben: Auch ich habe in<br />
meiner Schulzeit andere gemobbt. Seit meine drei<br />
Kinder in der Schule sind, ist Mobbing immer wieder<br />
Thema im Schulhaus. Erst jetzt beginne ich zu<br />
begreifen, was ich meinen Opfern jeweils angetan habe.<br />
Ich habe auch lange überlegt, wie es dazu gekommen<br />
ist. Meine Erkenntnisse zeigen, dass vieles unbewusst<br />
von zu Hause mit einfliesst. Bei uns war ganz klar, dass<br />
wir die «Richtigen» sind, das heisst, alles, was anders<br />
oder fremd war, war falsch. Ich hoffe, meinen Kindern<br />
sehr viel Toleranz mitzugeben, und gebe mir Mühe,<br />
ihnen zu zeigen, dass innere Werte mehr zählen. Und<br />
vor allem sprechen wir viel über «Gott und die Welt»,<br />
auch völlig offen über Tabuthemen! Früher bei uns gab<br />
es nie offene Worte, aber wir Kinder spürten, dass<br />
etwas im Busch war. Ich hoffe auch, meine Opfer bald<br />
zu treffen und mich bei ihnen zu entschuldigen.<br />
Helen (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />
… und alle<br />
schauen weg<br />
Was gehört zu einer schönen Kindheit? Einsamkeit, Trauer und<br />
Verzweiflung sicher nicht. Warum mobben Kinder andere<br />
Kinder? Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind gemobbt wird?<br />
Und was können sie dagegen tun? Text: Fabian Grolimund<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 1<br />
Meine Tochter wurde nicht von den Klassenkameraden gemobbt,<br />
sondern von den Lehrern. Ich sprach mit der Lehrerin, der<br />
Schulpflege und der Schulpsychologin. Bei ihr erhoffte ich mehr<br />
Hilfe, denn sie kannte meine Tochter sehr gut. Doch es wurde nur<br />
noch schlimmer für meine Tochter. Sie sagte zu mir, ich solle<br />
aufhören, das wäre nicht so schlimm. Doch ich wusste nur zu gut,<br />
wie sehr sie darunter litt. Sie liess es auch nicht zu, wenn die<br />
Lehrperson einen Mitschüler vor der ganzen Klasse blossstellte<br />
und Dummkopf nannte.<br />
Da wir in einer kleinen Gemeinde mit Gesamtschule wohnen,<br />
konnten wir nicht die Klasse wechseln, und meine Tochter wollte<br />
nicht täglich mit dem Bus nach Brugg fahren. Erst als sie in die<br />
9. Klasse kam, schrieb ich einige Schulen in der näheren<br />
Umgebung an, und eine meldete sich. Dieser Lehrer in Windisch<br />
war ein Glückstreffer. Meine Tochter liebte das Leben wieder, war<br />
fröhlich und glücklich, und das Lernen fiel ihr nicht mehr so<br />
schwer.<br />
Dann gab es leider in der Berufsschule den Mathematiklehrer,<br />
der sie «drü B» nannte: blond, blöd, blauäugig. Wenn er «drü B»<br />
rief, sah sie sich im Schulzimmer um und sagte: «Sorry, in dieser<br />
Klasse gibt es niemanden mit diesem Namen.» Und der Lehrer<br />
sagte: «Dich meine ich!» Das ging drei Jahre so. Meine Tochter<br />
färbte sich deshalb ihre Haare schwarz. Die Lehre schloss sie mit<br />
der Note 4,6 ab!<br />
Ich wünsche allen Eltern, dass ihr Kind das nicht durchmachen<br />
muss!<br />
Lucy (per Brief)<br />
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Leben ist Wagen, und<br />
Kle tern ist ein Stück<br />
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werden.<br />
Ernährungsumste lung<br />
Ergänzungspräparate<br />
Serie<br />
Wochen ein.<br />
Sport und Bewegung<br />
<<br />
ADHS<br />
Teil 1 Leben mit ADHS<br />
Teil 2 Mein Kind hat ADHS<br />
Teil 3 Kranke Gesellschaft?<br />
Teil 4 ADHS und Recht<br />
Teil 5 ADHS und Schule<br />
Teil 6 Medikalisierung<br />
Teil 7 Diagnose<br />
Teil 8 Therapie<br />
über unsere A p.<br />
«Freilernen eignet<br />
sich nicht für alle»<br />
(«Unschooling: Jeden Tag<br />
schulfrei», Heft 9/16)<br />
Jeden Tag<br />
schulfrei<br />
Stress mit Hausaufgaben, Notendruck und Pausenplatz-Kabbeleien:<br />
A l dies kennen die drei Kinder der Familie Gantenbein nicht. Sara, Olivia<br />
und Nalin aus Herisau AR haben noch keinen einzigen Tag in einer Schule<br />
verbracht. Ihre Eltern sind die Pioniere des sogenannten Unschooling:<br />
des freiwi ligen Lernens nach Lust und Laune.<br />
Text: Claudia Landolt Bilder: Martin Mischkulnig / 13 Photo<br />
Beim Homeschooling sehe ich auch Gefahren: Wenn<br />
und weil sich Kontakte zu Gspänli nicht automatisch<br />
via Schulweg und Schule ergeben, droht Isoliertsein.<br />
Zudem könnten die Kinder später im «richtigen,<br />
wahren Leben», wenn das Lust-und-Laune-Prinzip<br />
nicht mehr funktioniert, Probleme mit der<br />
Umstellung haben. Denn das Leben bietet neben<br />
viel Schönem auch Gefahren und Risiken.<br />
Loslassen ist für Eltern wie Kinder wichtig, nötig<br />
und ein Prozess, der nicht erst mit der Einschulung<br />
beginnt, sondern unmittelbar nach der Geburt mit<br />
dem Durchtrennen der Nabelschnur. Häufig haben<br />
nicht die Kinder Mühe damit, sondern die Eltern.<br />
Eltern, die ihre Kinder dauerüberwachen, in Watte<br />
packen und vor Gefahren und Risiken bewahren<br />
wollen, erweisen ihnen einen Bärendienst und<br />
bremsen sie in der Entwicklung zu selbständigen,<br />
selbstsicheren und selbstvertrauten Mitmenschen.<br />
Doch alternative Modelle haben ihre Berechtigung,<br />
und jede Familie soll entscheiden dürfen, wie<br />
und wo sie ihre Kinder zur Schule schicken will –<br />
ohne sich stets rechtfertigen zu müssen!<br />
Andrea Mordasini (per Mail)<br />
Erziehung & Schule<br />
Freiheit: Das wei s der<br />
1-jährige Nalin, der<br />
sein Leben am liebsten<br />
drau sen verbringt.<br />
«Ich habe Heft<br />
für Heft gelesen!»<br />
(ADHS-Serie,<br />
Heft 9/15 bis 9/16)<br />
Die Erziehung und Förderung von Kindern ist eine grosse<br />
Leistung von Eltern und Lehrpersonen. Bei schwierigen<br />
Kindern, wie etwa bei Kindern mit ADHS, muss besonders<br />
behutsam vorgegangen werden. Eine multimodale Therapie<br />
ohne Medikamente so l das Problem ganzheitlich angehen<br />
und neben den Symptomen auch die Ursachen für das<br />
unerwünschte Verhalten lösen. Text: Amrei Wittwer<br />
62 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
Herzlichen Dank, liebes Fritz+Fränzi-Team! Die<br />
interessante und ausführliche Serie über<br />
ADHS habe ich Heft für Heft gelesen und finde<br />
es eine sehr gute Idee, diese Sammlung als ein<br />
komplettes PDF-Dokument anzubieten.<br />
Tanja (via unsere Webseite)<br />
Schreiben Sie uns!<br />
E<br />
ine multimodale, an<br />
möglichst vielen Punkten<br />
ansetzende Therapie<br />
von ADHS ist heute<br />
die Norm. Allerdings<br />
wird die medikamentöse Behandlung<br />
mit Methylphenidat als therapeutischer<br />
Baustein immer noch<br />
häufig von Begi n an eingesetzt.<br />
Wegen des erhöhten gesundheitlichen<br />
Risikos und geringer therapeutischer<br />
Wirkung sollte dieser<br />
Therapiebaustein jedoch erst zum<br />
Einsatz kommen, we n sich die<br />
anderen Therapien langfristig als<br />
wirkungslos erweisen und das<br />
Kind leidet.<br />
Daher so lte die multimodale<br />
Therapie ohne Medikamente<br />
immer das erste Mi tel der Wahl<br />
für Kinder mit ADHS-Diagnose<br />
sein. Je ausgeprägter die ADHS-<br />
Symptome ausfa len, desto mehr<br />
Strategien so lten verfolgt werden.<br />
Dieser Artikel foku siert auf die<br />
wichtigsten Bausteine, die wegen<br />
ihrer wi senschaftlich erwiesenen<br />
Wirksamkeit für alle betroffenen<br />
Kinder und involvierten Erwachsenen<br />
als Grundtherapie empfohlen<br />
Familie verzichten und den Ernährungsplan<br />
umste len. Ausnahmen<br />
sind erlaubt.<br />
Bei sensitiven Kindern so lten<br />
ausserdem künstliche Farbstoffe<br />
Industrielle Lebensmi tel führen zu<br />
einem Mangel an Mikronährstoffen,<br />
ohne die Nerven schlecht<br />
funktionieren. Bei Kindern führt<br />
Mangel- oder Fehlernährung der<br />
Nerven zu ADHS-Symptomen.<br />
Leider entwickelt der Körper der<br />
Kinder Lust auf genau jene Stoffe,<br />
die Schaden kö nen: raffinierte<br />
Kohlehydrate, zucker haltige<br />
Lebensmi tel, Säfte und Fertigprodukte.<br />
Auf diese Stoffe so lte die<br />
vermieden werden. Die Faustregel<br />
lautet: I s das E sen, da schon<br />
Gro smu ter geka nt hat. Gut für<br />
gestre ste Nerven sind Nüsse, Linsen,<br />
Eier, Fisch, Gemüse und Obst.<br />
Zusätzlich zur Nahrungsumstellung<br />
sind au serdem Präparate aus<br />
der Apotheke zu empfehlen. Gut<br />
wirksam gegen ADHS-Sym ptome<br />
sind Omega-3- und -6-Fe tsäuren.<br />
Kinder, die einen Mangel an Vitaminen<br />
und Spurenelementen aufweisen,<br />
seien Vitamin-B-Komplex,<br />
Vitamin D, Biotin, Niacin, Zink,<br />
Jod, Kalium, Kupfer, Magnesium<br />
und Pantothensäure empfohlen. Es<br />
gibt diese Stoffe in Form von Kombinationspräparaten<br />
unterschiedlicher<br />
Zusammensetzung und richtiger<br />
Dosierung, die abgewechselt<br />
werden kö nen.<br />
Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />
Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />
wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />
oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich.<br />
Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi oder<br />
Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />
Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />
Was genau für das eigene Kind<br />
in Frage kommt, so lte man im<br />
Gespräch mit dem Apotheker, der<br />
Apothekerin klären. Die Kosten<br />
werden nicht von der Krankenkasse<br />
übernommen. Omega-3- und<br />
-6-Fe tsäuren sind für a le Kinder<br />
indiziert. Wichtig zu wi sen: Eine<br />
Verbesserung der Symptome tritt<br />
bei der Ei nahme von Nervennahrung,<br />
angewandt als drei- bis viermonatige<br />
Kur, erst nach ein bis vier<br />
Kinder haben einen gro sen Bewegungsdrang.<br />
Der Anteil an Sport in<br />
der Schule ist jedoch nur gering<br />
und so lte erhöht werden. Ein<br />
Mangel an Bewegung ka n<br />
ADHS-Symptome verursachen.<br />
Bei mehr Bewegung verschwinden<br />
ode reduzieren sich die Symptome<br />
in kurzer Zeit.<br />
Kinder mit ADHS sind manchmal<br />
wegen Unaufmerksamkeit,<br />
impulsiven Verhaltens, gerin-<br />
Für manche ist es die Mode <br />
diagnose unserer Zeit, für andere<br />
die häufigste psychische Störung<br />
im Kindes und Jugendalter:<br />
ADHS (Aufmerksamkeits defizit-<br />
Hyperaktivität störung) bzw. ADS<br />
(Aufmerksamkeitsdefizit syndrom).<br />
Betroffen sind rund 5 bis 6 Prozent<br />
a ler Kinder. Jungen deutlich öfter<br />
als Mädchen. Diagnostiziert wird<br />
die Krankheit aber weitaus<br />
häufiger.<br />
Diese 1teilige Serie ist in<br />
Zusammenarbeit mit dem<br />
Institut für Familienforschung und<br />
beratung der Universität Freiburg<br />
unter der Leitung von Dr. Sandra<br />
Hotz entstanden.<br />
Teil 9 ADHS und Ethik<br />
Teil 10 ADHS und Psychotherapie<br />
Teil 1 Alternative Behandlungen<br />
Die gesamte<br />
ADHS-Serie<br />
jetzt kostenlos<br />
als PDF<br />
downloaden!<br />
Dies ist die letzte Folge unserer<br />
<strong>11</strong>-teiligen Serie zu ADHS, in der<br />
Fachleute, Betro fene und<br />
Angehörige zu Wort gekommen<br />
sind. Wir haben die gesamte Serie<br />
als PDF für Sie gebündelt.<br />
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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 63<br />
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Erziehung & Schule<br />
Die KESB Bern<br />
führt rund 600<br />
Beistandschaften<br />
für Kinder. Als<br />
Vater gehen<br />
Markus Engel<br />
diese Fälle nah.<br />
60
Erziehung & Schule<br />
«Wir tun so viel wie<br />
nötig und so wenig<br />
wie möglich»<br />
Sie gilt als das umstrittenste Amt der Schweiz: die Kindes- und<br />
Erwachsenenschutzbehörde KESB. Für das Schweizer ElternMagazin<br />
öffnete die KESB der Stadt Bern einen Tag lang ihre Türen.<br />
Ein Einblick in die Arbeit der Menschen, die es scheinbar niemandem<br />
recht machen können. Text: Sandra Casalini Bilder: Ruben Hollinger / 13 Photo<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>61
Erziehung & Schule<br />
«Wir lassen uns nicht von<br />
Kritik beeinflussen. Und schon<br />
gar nicht einschüchtern.»<br />
Mittwochmorgen,<br />
8.30 Uhr. Vor der<br />
Kaffeemaschine<br />
der kleinen<br />
Küche der KESB<br />
an der Berner Weltpoststrasse hat<br />
sich eine Schlange gebildet. Charlotte<br />
Christener, die Chefin, steht an<br />
wie alle anderen auch. «Charlotte,<br />
hast du kurz Zeit für Frau Sonderegger?<br />
Sie ist am Telefon.» Christine<br />
Brauchle, die Leiterin des Sekretariats,<br />
streckt den Kopf zur offenen<br />
Tür herein, kaum steht Christener<br />
zuvorderst. Sie nickt, zuckt die<br />
Schultern. Der Kaffee muss warten.<br />
Zwei Minuten später schlendert sie<br />
mit einem Headset auf dem Kopf<br />
durch die Gänge. «Ja, ich rechne<br />
auch noch mit einer Anzeige. Aber<br />
was will man machen?», sagt sie.<br />
Leute, die der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
KESB im Allgemeinen<br />
und ihrer Chefin im<br />
Besonderen nichts Gutes wünschen,<br />
gibt es zur Genüge. Kaum eine<br />
Woche vergeht ohne Schlagzeilen<br />
wie «Sozial-Irrsinn bei der KESB»,<br />
«Mahnwache gegen KESB-Willkür»<br />
oder «Schafft endlich die KESB ab».<br />
Charlotte Christener und ihr<br />
Team haben gelernt, damit zu leben.<br />
Egal ist die Kritik den Menschen, die<br />
hier täglich Entscheidungen über<br />
das Privatleben anderer Leute treffen,<br />
nicht. «Oft können wir uns nur<br />
noch aussuchen, von welcher Seite<br />
wir den Klapf wollen», wird Christeners<br />
Stellvertreter Markus Engel<br />
im Laufe des Tages sagen. Beeinflussen<br />
lassen will man sich davon nicht.<br />
Einschüchtern schon gar nicht.<br />
Meistens geht es um Konflikte<br />
in der Familie<br />
9 Uhr. Das erste Meeting des Tages.<br />
Bei der informellen interdisziplinären<br />
Sitzung diskutiert die Behörde,<br />
bestehend aus insgesamt sieben Personen<br />
– Juristinnen, Sozialarbeitern<br />
und einem Psychologen –, ihre<br />
schwierigen Fälle. Markus Engel trägt<br />
sein erstes «Sorgenkind» vor.<br />
Die Mutter, Akademikerin mit<br />
Migra tionshintergrund, und der<br />
Vater, Lebenskünstler vom Lande,<br />
haben zwar das gemeinsame Sorgerecht<br />
für das zweijährige Kind, aber<br />
sie haben dermas sen unterschiedliche<br />
Ansichten über Kindererziehung<br />
und das Leben im Allgemeinen,<br />
dass der Vater sich nach<br />
diversen Streitereien an die KESB<br />
wandte. Diese setzte für das Kind,<br />
das bei der Mutter lebt, einen begleitenden<br />
Beistand ein. Bei den meisten<br />
Kindesschutzfällen geht es um<br />
Konflikte zwischen den Eltern.<br />
Charlotte Christener lächelt: «Da<br />
haben wieder einmal zwei komplette<br />
Gegensätze zueinander gefunden.»<br />
Die Mutter hat bei der KESB<br />
einen Antrag gestellt, mit dem Kind<br />
ihre Verwandten in der Heimat<br />
besuchen zu dürfen. Der Vater<br />
erhebt Einspruch: Angst vor Kindesentführung.<br />
«Was machen wir?»,<br />
fragt Engel und schielt über seinen<br />
Brillenrand. «Die Eltern sind nicht<br />
verheiratet?», fragt Sozialarbeiterin<br />
Franziska Voegeli.<br />
Markus Engel nickt: «Mutter und<br />
Kind tragen denselben Namen und<br />
haben gültige Pässe. Wenn sie es<br />
entführen wollte, könnte sie doch<br />
einfach mit dem Kind ins Flugzeug<br />
steigen und hätte wohl kaum Vater<br />
und Beistand vorgängig informiert.»<br />
«Was sind die Fakten?», will<br />
Charlotte Christener wissen. Die<br />
Frage der Juristin. Und die unterschwellige<br />
Angst vor den Folgen<br />
eines übereilten Entscheides. «Wir<br />
können nicht einfach über den Daumen<br />
gepeilt davon ausgehen, dass<br />
die schon wieder kommt mit dem<br />
Kind. Was, wenn nicht? Dann sind<br />
wir s Poulet!» Markus Engel soll die<br />
Mutter zu den Einwänden des Vaters<br />
Stellung nehmen lassen. Dann wird<br />
nochmals über die Sache verhandelt.<br />
Eine Heimplatzierung ist vertretbar<br />
Im nächsten Fall geht es um zwei<br />
Buben, 15 und 16 Jahre alt, mit<br />
Schleppern aus Afrika in die Schweiz<br />
gekommen und bei der Tante in Bern<br />
aufgewachsen. Diese zog mit den<br />
Buben in einen anderen Kanton um,<br />
was sie aus ausländerrechtlichen<br />
Gründen nicht hätte tun dürfen. Die<br />
Buben hauten ab, möchten lieber in<br />
der Hauptstadt in einem Kinderheim<br />
leben als bei der Tante in der für sie<br />
fremden Umgebung. «Sie hat den<br />
62 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Buben mit dem illegalen Umzug den<br />
Boden unter den Füssen weggezogen»,<br />
sagt Franziska Voegeli. Das<br />
und das Einverständnis der Jungen<br />
machen eine Platzierung im Heim<br />
vertretbar.<br />
144 neue Obhutsentzüge gab es<br />
2015 im Kanton Bern. Nach Schätzungen<br />
von Charlotte Christener<br />
und ihren Kolleginnen und Kollegen<br />
hätten die Betroffenen in gut 90<br />
Prozent davon im Laufe des Prozesses<br />
die Notwendigkeit der Massnahme<br />
eingesehen. «Es ist also bei Weitem<br />
nicht so, dass wir täglich<br />
«Es ist nicht so, dass wir täglich<br />
Wohnungen stürmen und<br />
Kinder wegnehmen lassen.»<br />
Wohnungen stürmen und unbescholtenen<br />
Eltern ihre Kinder wegnehmen<br />
lassen», sagt Charlotte<br />
Christener.<br />
Zumal jeder eröffnete Fall Geld<br />
kostet. Immer wieder fällt dieser<br />
eine Satz: «Wer zahlt das?» Bern ist<br />
in dieser Hinsicht ein Sonderfall:<br />
Anders als zum Beispiel im Kanton<br />
Zürich, wo die Gemeinden für die<br />
Massnahmen aufkommen, bezahlt<br />
in Bern der Kanton selbst, was die<br />
kantonale KESB verordnet. Das verhindert<br />
manchen Konflikt mit der<br />
Stadt, heisst aber nicht, dass sich die<br />
KESB jederzeit für alles in der finanziellen<br />
Pflicht fühlt.<br />
Dass an diesem Morgen zwei von<br />
drei besprochenen Fällen Kinder<br />
betreffen, ist eine Ausnahme. In der<br />
Regel sind nur gut drei von sieben<br />
Fällen Kindesschutzfälle. >>><br />
Die Räume der<br />
Behörde sollen<br />
einladend wirken.<br />
Spielzeug steht<br />
immer bereit.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>63
Charlotte<br />
Christener ist<br />
seit Mai <strong>2016</strong><br />
Präsidentin der<br />
KESB Bern. Die<br />
Anwältin möchte<br />
helfen.<br />
>>> Beim Rest geht es meist um<br />
Beistandschaften für Erwachsene,<br />
oft für ältere Personen. Auch darum<br />
kümmert sich die KESB.<br />
Und die neusten Statistiken belegen:<br />
Seit der Einführung der KESB<br />
im Januar 2013 wurden gesamtschweizerisch<br />
1,3 Prozent weniger<br />
Kindesschutzmassnahmen pro Jahr<br />
getroffen als zuvor. Ende 2012 waren<br />
es 42 381, im Jahr 2015 nur noch<br />
40 629. «Das liegt vermutlich vor<br />
allem daran, dass heute mehr versucht<br />
wird, in freiwilligem Rahmen<br />
mit den Betroffenen nach Lösungen<br />
zu suchen. Gelingt dies, sind behördlich<br />
angeordnete Kindesschutzmassnahmen<br />
unnötig», so Charlotte<br />
Christener.<br />
«Ist das Wohl des Kindes gefährdet<br />
und sorgen die Eltern nicht von<br />
sich aus für Abhilfe oder sind sie<br />
dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde<br />
die geeigneten<br />
«Ohne Humor könnte man diesen Job kaum bewältigen»<br />
Charlotte Christener ist seit<br />
Mai <strong>2016</strong> Präsidentin der KESB<br />
der Stadt Bern. Ein Gespräch über<br />
ihre anspruchsvolle Arbeit, die<br />
Dauerkritik an ihrer Behörde und<br />
wie sie mit Schicksalen umgeht, mit<br />
denen sie täglich konfrontiert ist.<br />
Interview: Sandra Casalini<br />
Frau Christener, warum tut man sich als<br />
Anwältin, die in der Privatwirtschaft viel<br />
Geld verdienen könnte, einen Job bei einem<br />
so umstrittenen Amt wie der KESB an?<br />
Ich sehe nirgends sonst so viel Sinn hinter<br />
meiner Arbeit wie hier. Es geht darum, die<br />
schwächsten Glieder der Gesellschaft zu<br />
unterstützen, bei denen die privaten Netze<br />
nicht mehr greifen. Der Job ist sehr vielseitig.<br />
Und hie und da kann man über die Absurditäten,<br />
die das Leben manchmal mit sich<br />
bringt, auch lachen. Ohnehin könnte man<br />
diesen Job ohne Humor kaum bewältigen.<br />
Sie sind sehr überzeugt vom System der<br />
KESB. Warum scheint denn so oft so vieles<br />
schiefzulaufen?<br />
Ich war bereits vor der Einführung der KESB<br />
rund 15 Jahre lang auf diesem Gebiet tätig und<br />
kann deshalb sagen, dass sicher nicht mehr<br />
schiefläuft als vorher. Aber die mediale<br />
Präsenz hat sich erhöht. Das ist nachvollziehbar,<br />
denn von Profis erwartet man mehr als<br />
von Laien. Zudem kann das Ausgeliefertsein<br />
an eine Behörde bei Betroffenen eine gewisse<br />
Ohnmacht auslösen.<br />
Empfinden Sie die teilweise sehr harsche<br />
Kritik als belastend?<br />
Ja, sehr! Natürlich passieren auch bei uns<br />
Fehler, wie überall, wo gearbeitet wird. Wir<br />
müssen aber unter Umständen nicht nur mit<br />
veheerenden Folgen, sondern jedes Mal auch<br />
mit einem beispiellosen Bashing seitens der<br />
Medien rechnen. Unsere Klienten drohen auch<br />
oft damit. Davon darf man sich natürlich nicht<br />
beeindrucken lassen.<br />
Was erhalten Sie für Reaktionen, wenn<br />
Sie erzählen, dass Sie bei einer KESB<br />
arbeiten?<br />
Manche verwerfen die Hände, manche sind<br />
sehr interessiert. Kalt lässt das Thema<br />
offenbar niemanden.<br />
Warum hat die KESB eigentlich so einen<br />
schlechten Ruf?<br />
Wir arbeiten in einem extrem sensiblen<br />
Bereich. Niemand hört gern, dass er oder sie<br />
nicht in der Lage sei, für die eigenen Kinder zu<br />
sorgen. Die Betroffenen fühlen sich oft<br />
ungerecht behandelt und sehen die Medien als<br />
ihre einzige Waffe. Die KESB kann sich dann<br />
nur sehr schlecht öffentlich wehren, weil sie<br />
sich zu konkreten Fällen nicht äussern darf.<br />
Was geht in Ihnen vor, wenn etwas passiert<br />
wie im Fall von Flaach, wo eine Mutter ihre<br />
64 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Erziehung & Schule<br />
Massnahmen zum Schutz des Kindes.»<br />
So steht es in Artikel 307,<br />
Absatz 1 des Zivilgesetzbuches. So<br />
lautet der gesetzliche Auftrag der<br />
Kindesschutzbehörde. Wie schwierig<br />
es sein kann, diesen Auftrag auszuführen,<br />
zeigt sich in der 10-Uhr-<br />
Sitzung, in der die aktuellen<br />
Ent scheide der KESB diskutiert und<br />
formell erlassen werden. Die erste<br />
und entscheidende Frage lautet:<br />
«Machen wir überhaupt etwas?»<br />
Vermutungen sind keine Fakten<br />
Eine Gefährdungsmeldung einreichen<br />
kann jeder. Amtspersonen,<br />
welche die Gefährdung in der Ausübung<br />
ihres Amtes feststellen, sind<br />
dazu verpflichtet. So geschehen im<br />
Fall, den Franziska Voegeli vorträgt.<br />
Die Gefährdungsmeldung kam von<br />
der Schulkommission, welche häusliche<br />
Gewalt im Fall von vier Geschwistern<br />
im Alter zwischen neun<br />
«Beim Verdacht, dass Eltern<br />
regelmässig ihre Kinder<br />
verprügeln, müssen wir handeln.»<br />
und zwei Jahren vermutet. Die Kinder<br />
sind verhaltensauffällig, schlagen<br />
andere Kinder und erzählten in der<br />
Schule von Schlägen mit Stöcken<br />
und Gürteln. Die Eltern sagten bei<br />
einer Anhörung, sie würden keine<br />
Unterstützung bei der Erziehung der<br />
Kinder brauchen, allfällige Verletzungen<br />
seien auf das Spielen im Freien<br />
zurückzuführen.<br />
«Schwierig», meint Markus<br />
Engel. «Im Moment wissen wir einfach<br />
zu wenig.» Der Entscheid: Die<br />
Eltern werden angewiesen, bei einer<br />
Intensivabklärung vor Ort aktiv mitzumachen.<br />
Mehr kann und will die<br />
Behörde derzeit nicht machen.<br />
Franziska Voegeli atmet tief durch.<br />
Sozialarbeit heisst manchmal auch,<br />
Unsicherheiten aushalten zu müssen.<br />
Die Juristen wollen es genau wissen.<br />
Wenn die Vermutung naheliegt, dass<br />
Eltern regelmässig ihre Kinder verprügeln,<br />
muss man handeln. Aber<br />
eben: Vermutungen sind keine<br />
Fakten.<br />
Viele der Männer und Frauen, die<br />
hier arbeiten, sind selbst Eltern.<br />
Auch Markus Engels Bürowände<br />
zieren zahlreiche Kinderzeichnungen,<br />
die Ablagen diverse Star-Wars-<br />
Figuren. «Dass wir mehr Distanz zu<br />
den Klienten haben als vorher die<br />
Vormundschaftsbehörde, >>><br />
beiden Kinder umbrachte, um sie nicht<br />
zurück ins Heim bringen zu müssen?<br />
Totale Fassungslosigkeit, Bestürzung und<br />
Betroffenheit!<br />
Können Sie sich erklären, warum man in<br />
dem Fall nicht den Grosseltern das<br />
Sorgerecht gab?<br />
Da wir zum Glück nicht in den Fall involviert<br />
waren, ist das sehr, sehr schwer zu beurteilen.<br />
Grundsätzlich wird aber immer zuerst nach<br />
einer Lösung im familiären Umfeld gesucht.<br />
Von KESB-Gegnern wird Ihnen immer<br />
wieder Bürokratie vorgeworfen.<br />
Wir bemühen uns sehr, so unbürokratisch wie<br />
möglich zu sein. Aber ein gewisses Mass an<br />
Bürokratie ist nötig. Schliesslich müssen wir<br />
unsere Entscheide auf juristische Grundlagen<br />
stützen.<br />
Es heisst, die KESB sei total überlastet.<br />
Wir sind sehr gut ausgelastet, das stimmt.<br />
Dennoch gelingt es den KESBs, ihre Arbeit<br />
trotz der Ressourcenknappheit gut zu<br />
erledigen.<br />
Können Sie die Argumente der Gegner<br />
nachvollziehen – beispielsweise man sei<br />
einem übermächtigen Verwaltungsapparat<br />
ausgeliefert, der weit weg vom Alltag der<br />
Menschen agiere?<br />
Ein Stück weit schon. Viele können sich aber<br />
kaum vorstellen, was wir machen. Am meisten<br />
ärgere ich mich über den Vorwurf, wir seien<br />
nur an Machtausübung interessiert. Das ist<br />
das Letzte, was wir wollen. Wir sind im Übrigen<br />
sehr offen und transparent, auch den Medien<br />
und der Politik gegenüber.<br />
Wie gehen Sie privat mit den teilweise<br />
harten Schicksalen um, mit denen Sie<br />
jeden Tag konfrontiert werden?<br />
Es gibt schon Einzelfälle, die mir an die Nieren<br />
gehen. Auch Drohungen – mit Selbstmord<br />
oder gegen mich und meine Mitarbeitenden<br />
– belasten. In der Regel kann ich aber nach<br />
Feierabend gut abschalten. Das muss man in<br />
diesem Beruf können.<br />
Wie erklären Sie Ihren Kindern, was Sie<br />
beruflich machen?<br />
Ich sage ihnen, dass ich versuche, Leuten zu<br />
helfen, die sich selbst nicht helfen können. Die<br />
machen das ja nicht extra. Und ganz wichtig:<br />
Mich interessiert nicht, wer schuld ist an der<br />
Situation, sondern nur, wie die Betroffenen da<br />
wieder herauskommen.<br />
Zur Person<br />
Charlotte Christener-Trechsel ist Anwältin<br />
und seit Mai 2014 für die KESB tätig; seit<br />
<strong>2016</strong> ist sie Präsidentin der KESB der Stadt<br />
Bern. Zuvor arbeitete sie 16 Jahre lang für<br />
das Kantonale Jugendamt Bern. Sie ist<br />
verheiratet und Mutter eines zehnjährigen<br />
Sohnes und einer siebenjährigen Tochter.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>65
Erziehung & Schule<br />
Was ist die KESB?<br />
Am 1. Januar 2013 löste die professionelle<br />
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
die Vormundschaftsbehörden<br />
ab, bei denen Laien über das Schicksal<br />
von psychisch Kranken, Behinderten<br />
und Kindern, deren Eltern nicht für sie<br />
sorgen können, bestimmten. Interdisziplinäre<br />
Teams aus Juristen, Psychologen,<br />
Pädagogen und Sozialarbeitern<br />
sind nun für über 100 behördliche<br />
Aufgaben aus dem Kindes- und Erwachsenenschutzrecht<br />
zuständig. Schutzbedürftige<br />
erhalten eine Beistandschaft,<br />
die individuell auf sie abgestimmt ist.<br />
Das führt zu aufwendigeren Verfahren.<br />
Dies oder auch die Kosten, welche die<br />
KESB den Gemeinden auferlegt, löst<br />
teilweise massive Kritik aus.<br />
>>> stimmt und ist durchaus<br />
gewollt», erklärt er und kramt in seinen<br />
Unterlagen – in säuberlichen<br />
Stapeln aufgereiht. «Es soll nicht<br />
mehr der Nachbar über familienrechtliche<br />
Belange entscheiden können.<br />
Wir überblicken die Gesamtsituation.<br />
Nah dran sind die von der<br />
Gemeinde gestellten Beistände und<br />
Abklärenden. So ergibt sich ein<br />
ganzheitliches Bild.»<br />
Distanz zu den Fällen ist wichtig<br />
Gut 300 Kindesschutzfälle eröffnet<br />
die KESB Bern pro Jahr. «Wenn es<br />
um Kinder geht, eröffnen wir lieber<br />
«Häusliche Gewalt ist<br />
in unserer Gesellschaft<br />
Realität.»<br />
mal ein Dossier zu viel als eines zu<br />
wenig», sagt Markus Engel. Getreu<br />
dem KESB-Grundsatz «So viel wie<br />
nötig, so wenig wie möglich».<br />
Dann zieht er ein Blatt aus einer<br />
Mappe, liest, schüttelt den Kopf.<br />
«Psychische Krankheiten und häusliche<br />
Gewalt sind in unserer Gesellschaft<br />
Realität. Davon können direkt<br />
oder indirekt auch Kinder betroffen<br />
sein. Häufig erkennen psychisch<br />
angeschlagene Eltern nicht, dass sie<br />
krank sind.» Klar, als Vater betreffen<br />
ihn gewisse Schicksale mehr als<br />
andere. «Aber schlussendlich gehört<br />
es zu den Kernkompetenzen von<br />
Sozialarbeitenden, genügend Distanz<br />
zu haben.»<br />
Der Nachmittag verläuft ruhig.<br />
Charlotte Christener besucht eine<br />
Klientin in der psychiatrischen Klinik,<br />
Markus Engel bearbeitet seine<br />
66 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
«Liebe KESB, Sie haben uns<br />
sehr geholfen. Ohne Sie hätten<br />
wir nicht so schnell eine Lösung<br />
gefunden. Danke.»<br />
Fälle. Es geschieht aber auch öfter,<br />
dass ein Notfall-Anruf die Tagesplanung<br />
durcheinanderbringt. So wie<br />
vor Kurzem, als in der Babyklappe<br />
des Inselspitals ein Säugling deponiert<br />
wurde. Da hiess es für Markus<br />
Engel: alles stehen und liegen lassen.<br />
Das Baby brauchte einen Namen,<br />
einen Geburtstag, ein Bürgerrecht,<br />
einen Beistand und eine Anschlusslösung<br />
an den Spitalaufenthalt.<br />
17 Uhr. Charlotte Christener und<br />
ihr Kollege Raffaele Castellani kommen<br />
zurück aus der Klinik. «Sie<br />
spricht jetzt gar nicht mehr mit uns»,<br />
meint Christener über die Klientin.<br />
Auch daran ist sie mittlerweile ge -<br />
wöhnt. Genau wie an die Tatsache,<br />
dass es die KESB niemals allen recht<br />
machen kann. Entweder sie handelt<br />
zu früh oder zu spät oder falsch oder<br />
hätte gar nicht handeln sollen.<br />
Warum Charlotte Christener sich<br />
den Job trotzdem antut? Sie lächelt<br />
und zeigt auf die Wand in ihrem<br />
Büro. Zwischen den Zeichnungen<br />
und Fotos von ihren Kindern hängt<br />
ein unscheinbarer Brief, nur ein paar<br />
Sätze: «Liebe KESB, Sie haben uns<br />
sehr geholfen. Ohne Sie hätten wir<br />
nicht so schnell eine Lösung gefunden.<br />
Danke.»
Erziehung & Schule<br />
«Ist ein Baum traurig, wenn<br />
er seine Blätter verliert?»<br />
Hat ein Salat Angst? Können Steine weise sein? Wie lange dauert die Ewigkeit? Ein<br />
Gespräch mit der Kinderphilosophin Kristina Calvert über die einfachen und komplizierten<br />
Dinge des Alltags, warum das laute Nachdenken jedem guttut und wie Eltern mit ihren<br />
Kindern ins Philosophieren kommen. Text: Claudia Füssler Bilder: Ulrike Schacht<br />
Die Kinder kichern.<br />
Kristina Calvert hatte<br />
in die Runde ge <br />
fragt: «Philosophieren,<br />
was ist das?»<br />
Niemand weiss eine Antwort.<br />
«Okay», sagt Kristina Calvert,<br />
«schauen wir uns das Wort mal<br />
genau an und zerlegen es. Welche<br />
Silben haben wir dann?»<br />
«Phil, oso, phier, ren», kommt es<br />
von den Kindern.<br />
«Prima. Was fällt euch dazu ein?»<br />
«Es gibt vier Jahreszeiten!», sagt<br />
Leah.<br />
«Rennen!», ruft Felix.<br />
«Aha, interessant», sagt Kristina<br />
«Nicht jede<br />
Forscherfrage ist<br />
eine philosophisch<br />
relevante Frage.»<br />
sophieren. Wisst ihr, was Philosoph<br />
bedeutet? Ein Freund der Weisheit.»<br />
Sie nimmt einen weissen Plüschpudel<br />
und zeigt ihn den Kindern.<br />
«Das ist Hubert. Er hat ein weisses<br />
Fell. Kann er deshalb weise<br />
sein?»<br />
«Ja natürlich», sagt Leah.<br />
«Spannend», sagt Kristina Calvert,<br />
«erzähl mal, wie man das feststellen<br />
könnte.»<br />
Frau Calvert, Kinder stellen ja generell<br />
viele Fragen, philosophieren sie also<br />
schon so ganz nebenbei?<br />
Das kann man so nicht verallgemeinern.<br />
Nicht jede Forscherfrage ist<br />
gleich eine philosophisch relevante<br />
Frage. Will ein Kind wissen, warum<br />
die Blätter am Baum im Herbst<br />
braun werden, ist das eine reine<br />
Naturfrage. Fragt es sich aber, ob der<br />
Baum traurig ist, wenn er seine Blätter<br />
verliert, dann kann das der<br />
Anfang für eine wunderbare kleine<br />
Philosophiestunde sein.<br />
Wie bringen Sie Kinder zum Philosophieren?<br />
Das ist gar nicht so schwierig. Ich<br />
bringe ein philosophisch relevantes<br />
Thema in die Runde ein, gebe also<br />
den ersten Impuls. Neulich habe ich<br />
gefragt: Wie kann ich werden, was<br />
Calvert. «Ich kenne da einen, der ist<br />
zwar nicht gerannt, aber mit seinen<br />
Schülern spazieren gegangen. Das<br />
war der Philosoph Aristoteles. Philosoph,<br />
das kommt uns bekannt vor,<br />
oder? Es steckt auch im Wort Philoich<br />
bin? Wir kamen sehr schnell auf<br />
das Wort «möglich», was alles möglich<br />
ist für einen selbst. Die Kinder<br />
versuchen dann, das im Gespräch<br />
weiterzubearbeiten, während ich<br />
«Ich vergleiche<br />
das Philosophieren<br />
mit der Arbeit<br />
eines Detektivs.»<br />
mich auf eine beobachtende und<br />
moderierende Position zurückziehe.<br />
Beim Philosophieren können die<br />
Kinder selber denken, miteinander<br />
denken und weiterdenken.<br />
Das klingt nach viel Kopfarbeit.<br />
Die Kinder finden das spannend und<br />
aufregend. Da kommen die interessantesten<br />
Vorschläge. Neulich haben<br />
die Kinder in der Gruppe entdeckt,<br />
dass bei «möglich» ja ein «ich» hinter<br />
«mög», von «mögen», steht, also<br />
sind Dinge möglich, die ich mag. So<br />
hatte ich das noch nie gesehen. Ich<br />
vergleiche das Philosophieren<br />
immer mit der Arbeit eines Detektivs,<br />
der die Welt genau unter die<br />
Lupe nimmt und versucht, sich<br />
68 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Sachen logisch zu erklären. Da gehen<br />
die Augen auf bei den Kindern, wenn<br />
ich das erzähle.<br />
Ist Philosophieren auch an strengend?<br />
Wenn Kinder sich in einem Leistungssystem<br />
befinden, in dem ihnen<br />
ganz genau gesagt wird, was sie tun<br />
müssen und wie die Dinge funktionieren,<br />
dann ist der Prozess des Selberdenkens<br />
für sie eine regelrechte<br />
Erschütterung. Sie, die sonst nicht<br />
gross nachdenken müssen, sollen<br />
plötzlich etwas selber generieren. Es<br />
ist anstrengend, wenn man nicht<br />
daran gewöhnt ist, sich selbst zu<br />
befragen. Da stehen viele Kinder erst<br />
einmal da und sagen etwas, von dem<br />
sie denken, dass ich das von ihnen<br />
erwarte.<br />
Wie reagieren Sie dann?<br />
Ich sage ihnen, dass die Welt nicht<br />
aus Antworten besteht, sondern aus<br />
Fragen und Theorien. Das müssen<br />
Kinder auszuhalten lernen.<br />
Wie sehr lenken Sie das Denken der<br />
Kinder?<br />
Gar nicht. Ich lasse mich darauf ein,<br />
was die Kinder als Schwerpunkt entwickeln,<br />
und registriere, welche<br />
Richtung das Gespräch nimmt. Der<br />
«Was glaubst du:<br />
Kann ein Fussboden<br />
auch ohne Gehirn<br />
weise sein?»<br />
Über das Philosophieren erfahre ich,<br />
wie ein Kind die Welt sieht. So haben<br />
wir mal mit Karten gearbeitet, auf<br />
denen das Universum zu sehen ist.<br />
Ein Junge legte eine Karte mit einem<br />
Himmelbild bei Tag an ein Himmelbild<br />
bei Nacht. Klar, dachte ich, das<br />
passt, Himmel bei Tag und Nacht.<br />
Er aber erklärte, dass er, wenn er<br />
nachts Angst habe, sich immer schon<br />
auf den nächsten hellen Tag freue.<br />
In meinem Kopf habe ich ständig ein<br />
grosses «Ah, na so etwas, das ist ja<br />
interessant», das ich den Ideen der<br />
Kinder entgegenbringe. Wenn wir<br />
etwa darüber sprechen, was weise<br />
ist, und ein Kind sagt, dafür brauche<br />
man ein Gehirn, ein anderes vorschlägt,<br />
auch ein Fussboden könne<br />
weise sei, dann wird das nicht einfach<br />
abgelehnt mit dem Hinweis<br />
darauf, dass der Fussboden kein Ge <br />
hirn hat. Stattdessen frage ich: Was<br />
Moderator oder die Moderatorin<br />
muss sehr gut zuhören können und<br />
das, was die Kinder sagen, aufeinander<br />
beziehen und verdichten können,<br />
ohne das eigene Konzept aufzudrängen.<br />
Das kann man lernen.<br />
Man kommt dadurch ganz anders<br />
an ein Kind heran.<br />
glaubst du, kann ein Fussboden auch<br />
Inwiefern? ohne Gehirn weise sein? >>><br />
Wenn Kinder<br />
philosophieren:<br />
Kristina Calvert<br />
mit ihren kleinen<br />
und grossen<br />
Denkern.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>69
Erziehung & Schule<br />
Kristina Calvert:<br />
«Ich möchte<br />
Kinder ein<br />
Stück weit<br />
erschüttern.»<br />
>>> Welche Themen besprechen<br />
Sie denn mit Kindern?<br />
Ich orientiere mich dabei an den vier<br />
Fragen, mit denen Kant die Philosophie<br />
definiert: Was kann ich wissen?<br />
Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?<br />
Was ist der Mensch? Ich stelle<br />
den Kindern auch sehr abstrakte<br />
Fragen wie «Was ist Glück?». So<br />
etwas interessiert schon die ganz<br />
Kleinen. Die Jüngsten, mit denen ich<br />
philosophiere, sind viereinhalb Jahre<br />
alt. Die beschäftigen sich zum<br />
Beispiel auch gerne mit der Frage<br />
nach dem Tod und dem, was nach<br />
dem Tod kommt. Ähnlich interessante<br />
Themen sind Angst, Mut oder<br />
Tapferkeit.<br />
Ist das nicht ein bisschen schwere<br />
Kost?<br />
Das sind die Fragen, die die Kinder<br />
interessieren. Darüber denkt ein<br />
Kind im Alter von fünf, sechs Jahren<br />
nach. Und wenn es niemanden hat,<br />
der mit ihm gemeinsam darüber<br />
nachdenkt, dann belässt man es in<br />
einem engen Raum. Philosophieren<br />
ermöglicht es dem Kind, da ein Stück<br />
weit herauszukommen und sich auszudrücken.<br />
Philosophieren hilft ihm,<br />
mündig zu werden und die Welt zu<br />
verstehen. Es stellt fest, was es alles<br />
kann, wenn es alles, was es im Kopf<br />
hat, einsetzen und entwickeln kann.<br />
Wirkt das Philosophieren auch über<br />
Ihre Philosophiestunde hinaus?<br />
Auf jeden Fall. Ich möchte die Kinder<br />
ein Stück weit erschüttern in<br />
dem, was sie als vermeintlich sicher<br />
annehmen. Es ist ungeheuer wichtig,<br />
dass die Personen, die sich mit Bildung<br />
beschäftigen, nicht einfach<br />
Traditionswissen an die Kinder herantragen.<br />
Sie sollten ihnen stattdessen<br />
lieber Sicherheit in Beziehungen<br />
geben, sodass sich ein Kind traut,<br />
Fragen zu stellen und Wege zu finden,<br />
diese Fragen für sich fruchtbar<br />
zu machen.<br />
Kann man auch ohne Ausbildung mit<br />
Kindern philosophieren?<br />
Unbedingt! Fangen Sie mit einmal<br />
die Woche für zehn Minuten an. Eine<br />
«Philosophieren<br />
hilft Kindern, die<br />
Welt zu verstehen.»<br />
grosse offene Frage als Impuls formulieren<br />
und sich dann aufs Zuhören<br />
einstellen. Gut ist es auch, ein<br />
Phänomen und gleich eine Frage<br />
mitzunehmen. Zum Beispiel einen<br />
Stein hinzulegen und zu fragen:<br />
Können Steine glücklich sein? Als<br />
70 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
«Hören Sie zu,<br />
fragen Sie nach,<br />
lassen Sie Ihrem<br />
Kind Zeit!»<br />
Thema eignet sich alles aus der Welt<br />
der Kinder. Hast du manchmal Mitleid<br />
mit deinem Essen? Mit dem<br />
Kaugummi? Dem Salat?<br />
Und wenn die Kinder dann sagen, der<br />
Salat hat Angst?<br />
Dann sage ich: «Aha, das ist ja interessant.<br />
Könntest du mir das beweisen?<br />
Woran erkennst du, dass der<br />
Salat Angst hat? Ist das wie bei dir?<br />
Woran merkst du, dass du Angst<br />
hast?» Ich gebe den Kindern ein paar<br />
stützende Fragen, die sie ins logische<br />
Argumentieren reinbringen. Ich<br />
arbeite viel mit Erziehern und weiss,<br />
Zur Person<br />
Kristina Calvert hat im<br />
Philosophieren mit Kindern<br />
promoviert und arbeitet als<br />
selbständige Dozentin und Autorin<br />
mit Erwachsenen sowie als<br />
Kinderphilosophin mit Kindern ab<br />
vier Jahren. Sie bildet Erzieher im<br />
Philosophieren mit Kindern aus und<br />
hat den Verein «Philosophieren mit<br />
Kindern» mitgegründet.<br />
wie schwierig es für sie ist, eine Situation<br />
so stehen zu lassen und keine<br />
Antworten zu geben und zum Beispiel<br />
zu sagen: «Nein, ein Salat hat<br />
keine Angst, weil Gemüse keine<br />
Gefühle hat.» Alle Gedanken, die<br />
von den Kindern eingebracht werden,<br />
sind hier nicht überflüssig, sondern<br />
wesentlich. Das ist der Kern des<br />
Philosophierens.<br />
>>><br />
Claudia Füssler<br />
philosophiert gerne mit dem Teenie darüber,<br />
welche inneren Widerstände ihn wohl davon<br />
abhalten, sich dem Staubsauger oder<br />
einem vollen Abfallsack zu nähern. Auch<br />
mit Freundinnen mag sie es philosophisch:<br />
Möchte der Zwetschgenkuchen mit einem<br />
Klecks Rahm liiert werden oder geht es ihm<br />
als Single besser?<br />
Buchtipps<br />
Kristina Calvert, Petra Schreiber: Selbstkompetenz<br />
stärken mit dem Bilderbuch «ich» von Philip<br />
Wächter. 40 Projektideen für die Kita. Beltz, 2015,<br />
64 Seiten, Fr. 21.90<br />
Kristina Calvert: 48 Bildkarten zum Philosophieren<br />
mit Kindern. Mit 48-seitigem Booklet. Beltz,<br />
2015, Fr. 39.90<br />
Kristina Calvert und Eva Muggenthaler: Lügen<br />
Ameisen eigentlich? Ein Bilderbuch zum Weitermalen<br />
und Philosophieren mit Kindern. Aracari,<br />
2014, 40 Seiten, Fr. 23.90<br />
Kristina Calvert und Sabine Dittmer: Wolkenbilder<br />
und Möwendreck. 16 Geschichten und 16<br />
Bilder zum Philosophieren mit Kindern. Aracari,<br />
20<strong>11</strong>, 44 Seiten, Fr. 23.90<br />
Philosophieren mit Kindern –<br />
9 Tipps für Eltern<br />
Hören Sie zu, offen, ohne mit den Gedanken<br />
schon weiter und bei Ihrer Idee zu sein.<br />
Fragen Sie nach: «Aha, erzähl mal, wie meinst<br />
du das genau? Wie stellst du dir das vor?»<br />
Verwenden Sie die Sprache und Begriffe, die<br />
Ihr Kind benutzt. Formulieren Sie damit Ihre<br />
Nachfragen.<br />
Stellen Sie die Fragen so, dass Ihr Kind sie<br />
nicht mit Ja oder Nein beantworten kann,<br />
sondern spekulieren, nachdenken muss und<br />
seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.<br />
Widerstehen Sie der Versuchung, Antworten zu<br />
geben. Gerade am Anfang kommen die Kinder<br />
immer wieder und sagen: «Jetzt sag mir mal,<br />
wie es ist.» Sagen Sie dann: «Es geht nicht<br />
darum, wie ich das sehe, sondern wie du das<br />
siehst.»<br />
Geben Sie Ihrem Kind Zeit, um seine Antworten<br />
zu finden und zu formulieren.<br />
Nutzen Sie die kleinen Gelegenheiten<br />
zwischendurch zum Philosophieren: auf dem<br />
Weg zur Schule, beim Abendessen oder<br />
Frühstück. Oft genügen ein paar Minuten.<br />
Philosophieren Sie auch über schwierigere<br />
Themen. Wenn Sie zum Beispiel merken,<br />
dass Ihr Kind besonders ängstlich ist. Dann<br />
reden Sie aber nicht über die Angst, sondern<br />
besorgen sich ein Buch über Mut und kommen<br />
darüber ins Gespräch.<br />
Haben Sie beide Spass dabei!<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>71
Achtung, Fusspilz!<br />
Heute beobachten Dermatologen nicht nur Fusspilz bei Kindern, sondern vermehrt auch<br />
Nagelpilz. Lästig sind beide Erkrankungen, aber auch therapierbar. Text: Susanna Steimer Miller<br />
Bild: iStockphoto<br />
In feuchter, warmer und dunkler<br />
Umgebung finden Pilzsporen<br />
die besten Bedingungen,<br />
um sich zu verbreiten.<br />
So herrschen gerade in<br />
Schwimmbädern oder Gemeinschaftsduschen<br />
ideale Voraussetzungen<br />
für den Fusspilz. Ist dann<br />
noch das Immunsystem des Besuchers<br />
geschwächt oder funktioniert<br />
der Säureschutzmantel seiner Haut<br />
nicht optimal, steigt das Fusspilz<br />
risiko beträchtlich. Im Hallenbad ist<br />
die Pilzkonzentration gerade rund<br />
um die Desinfektionsbrause besonders<br />
hoch. Dr. med. Paolo Pedrazzetti,<br />
Dermatologe aus Adliswil, rät<br />
deshalb, im Hallenbad Badeschuhe<br />
zu tragen: «Nur so ist die Benutzung<br />
der Desinfektionsmöglichkeit empfehlenswert.»<br />
Von Fusspilz sind vor allem auch<br />
jene Kinder betroffen, die verstärkt<br />
an den Füssen schwitzen, viel Sport<br />
treiben oder häufig Gummistiefel,<br />
dicke Winterstiefel, Schlittschuhe,<br />
Skischuhe oder Turnschuhe tragen,<br />
die nicht atmungsaktiv sind. Pilzsporen<br />
können auf Hautschuppen in<br />
In Hallenbädern sollte man<br />
nur in Badeschuhen<br />
die Füsse desinfizieren.<br />
72 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Ernährung & Gesundheit<br />
Schuhen, aber auch in Teppichböden,<br />
Kleidungsstücken und<br />
Handtüchern bis zu sechs Monate<br />
überleben.<br />
Die Sporen können jedoch nur<br />
dann in die Haut eindringen, wenn<br />
diese vorgeschädigt ist, also kleinste<br />
Risse aufweist, die von blossem<br />
Auge nicht sichtbar sind.<br />
Fusspilz erkennen<br />
Fusspilz äussert sich auf drei Arten.<br />
In etwa 90 Prozent der Fälle tritt die<br />
Infektion zwischen dem vierten und<br />
fünften Zeh auf. Anfangs sieht die<br />
Haut weiss und aufgeweicht aus.<br />
Meist kommen später kleine<br />
Bläschen und schmerzhafte, nässende<br />
Risse dazu. Manchmal stinkt die<br />
Haut auch – dafür verantwortlich<br />
sind Bakterien, die sich in den Wunden<br />
einnisten.<br />
Bei der zweiten Form bildet der<br />
Fusspilz Bläschen auf dem Fussgewölbe,<br />
die oft als Allergie verkannt<br />
werden. Bei der dritten Form verdickt<br />
sich die Hornhaut. Betroffene<br />
glauben, dass ihre Haut an den<br />
Füssen einfach trocken ist. Aufschluss<br />
gibt hier die Untersuchung<br />
der Haut unter dem Mikroskop oder<br />
das Anlegen einer Pilzkultur.<br />
In etwa 90 Prozent der Fälle<br />
tritt die Infektion zwischen dem<br />
vierten und fünften Zeh auf.<br />
Konsequent therapieren<br />
Dr. Pedrazzetti empfiehlt, Fusspilz<br />
immer konsequent und möglichst<br />
früh zu therapieren, um zum einen<br />
die Ansteckung von Mitmenschen<br />
zu vermeiden. Zum andern bietet die<br />
Erkrankung auch eine Eintrittspforte<br />
für diverse Erreger wie Bakterien.<br />
Der Fachmann erklärt: «Wenn zum<br />
Beispiel Streptokokken oder Staphylokokken<br />
ins Lymphsystem gelangen,<br />
kann es zu einer Blutvergiftung<br />
kommen, die im Extremfall im Spital<br />
mit Antibiotika behandelt werden<br />
muss.»<br />
Die Behandlung erfolgt durch<br />
eine Antipilzsubstanz, die es heute<br />
als Spray, Milch, Puder oder Creme<br />
gibt. Wichtig ist, die Therapie auch<br />
nach Abklingen der Symptome während<br />
mindestens einer Woche weiterzuführen.<br />
Denn bei einem zu<br />
schnellen Absetzen der Medikamente<br />
ist ein erneutes Aufflammen der<br />
Infektion möglich. Normalerweise<br />
dauert die Behandlung etwa zwei<br />
Wochen.<br />
Ursachen für Nagelpilz<br />
Fusspilz sollte auch behandelt werden,<br />
weil daraus Nagelpilz entstehen<br />
kann. Der Mikrobiologe Prof. Hans<br />
Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für<br />
Pilzkrankheiten in Berlin, stellt fest,<br />
dass heute immer mehr Kinder an<br />
dieser Infektion leiden. Grund dafür<br />
seien neben der Veranlagung für<br />
Andockstellen und andere genetische<br />
Faktoren vor allem nichtatmungsaktive<br />
Schuhe (beispielsweise<br />
aus Plastik) und Sportarten, die<br />
die Zehennägel stark belasten wie<br />
zum Beispiel Fussball, Tanzen oder<br />
Tennis.<br />
Begünstigend wirken auch Verletzungen<br />
der Na gelplatte, zu kleines<br />
oder zu grosses Schuhwerk oder<br />
Schläge auf den Nagel. Nagelpilz<br />
zeigt sich durch eine Abhebung der<br />
Nagelplatte, eine Farbveränderung<br />
oder eine Verdickung des Nagels.<br />
Mit der Zeit kann der Nagel brüchig<br />
werden und sich abspalten. Manchmal<br />
treten auch schmerzhafte Entzündungen<br />
im Nagelfalz auf.<br />
Die Therapie hängt vom Befall ab<br />
Auch bei Nagelpilz empfiehlt Paolo<br />
Pedrazzetti eine frühzeitige Behandlung,<br />
denn im Anfangsstadium lässt<br />
er sich einfacher und schneller<br />
behandeln als ein verschleppter Pilz.<br />
Laut dem Dermatologen hängt die<br />
Therapie vom Befall ab: «Ist die<br />
Nagelplatte verdickt, muss die infizierte<br />
Nagelmasse zuerst abgetragen<br />
und mit einer harnstoffhaltigen Salbe<br />
in Kombination mit einem >>><br />
Der sanfte Weg zur Heilung<br />
Elfi Seiler, Drogistin in der St. Peter Apotheke in<br />
Zürich, empfiehlt folgende Mittel:<br />
Tupfen Sie zehnprozentiges Teebaumöl,<br />
reines Salbeiöl oder Lavendelöl mehrmals<br />
täglich auf die befallene Stelle.<br />
Baden Sie die Füsse Ihres Kindes zweimal<br />
pro Tag zehn Minuten in:<br />
– warmem Wasser mit Thymian- oder<br />
Zinnkrauttee<br />
– Molke (Säure wirkt pilzabtötend)<br />
– Eichenrindenabsud (bei offenen Stellen)<br />
– Schwarztee (lindert Juckreiz und<br />
Schmerzen)<br />
Wichtig ist, dass die Füsse zwischen den<br />
Behandlungen trocken gehalten werden. Wenn<br />
sich ein Fusspilz stark ausbreitet oder wenn<br />
sich Entzündungen zwischen den Zehen bilden,<br />
muss das Kind zum Arzt.<br />
So vermeiden Sie Fusspilz<br />
In Schwimmbädern und in öffentlichen<br />
Duschen Badeschuhe tragen.<br />
Fussdesinfektionsbrause in öffentlichen<br />
Schwimmbädern nutzen – aber eben: nur<br />
mit Badeschuhen.<br />
Atmungsaktive und passende Schuhe tragen.<br />
Die gleichen Turnschuhe nicht an zwei<br />
aufeinanderfolgenden Tagen tragen.<br />
Leicht schwitzende Füsse trocken halten.<br />
Nach dem Duschen oder Baden<br />
Zehenzwischenräume gut trocknen.<br />
Täglich die Strümpfe oder Socken wechseln.<br />
Keine synthetischen Strümpfe oder Socken<br />
tragen. Sie fördern das Schwitzen.<br />
Socken und Handtücher bei mindestens<br />
60° C waschen.<br />
Haut an den Füssen mit einer Pflegecreme<br />
geschmeidig halten (Achtung: dies gilt nicht<br />
während der Pilzbehandlung).<br />
Füsse eventuell mit einem Puder behandeln,<br />
um Feuchtigkeit aufzusaugen.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>73
Wenn mehr als drei Nägel<br />
betroffen sind, muss mit<br />
Tabletten behandelt werden.<br />
>>> Antipilzmittel behandelt werden.<br />
Bei zersetzten Nägeln wird ein<br />
Antipilzmittel in Form eines Sprays<br />
oder Lacks aufgetragen. Ist nur der<br />
vordere Teil des Nagels befallen,<br />
bringt der Lack den Pilz in 80 Prozent<br />
der Fälle zum Verschwinden.<br />
Wenn die Nagelwurzel oder mehr<br />
als drei Nägel betroffen sind, muss<br />
der Pilz mit Tabletten behandelt<br />
werden.» Die gut verträglichen Tabletten<br />
müssen während mindestens<br />
dreier Monate eingenommen werden.<br />
Danach kann die medikamentöse<br />
Therapie entweder fortgesetzt<br />
oder die noch befallene Stelle mit<br />
Lack weiterbehandelt werden, bis<br />
der Nagel gesund herausgewachsen<br />
ist. Während der Behandlung sollten<br />
Eltern betroffener Kinder alle Schuhe<br />
am besten am Ende der ersten<br />
Therapiewoche gründlich mit einem<br />
pilzabtötenden Mittel desinfizieren,<br />
um eine erneute Ansteckung zu verhindern.<br />
>>><br />
Susanna<br />
Steimer Miller<br />
ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />
«Baby & Kleinkind» und schreibt als freie<br />
Journalistin über Themen wie Gesundheit,<br />
Ernährung, Kinder und Tiere.<br />
Tipp: erst die Diagnose –<br />
dann die Thearpie<br />
Gerade bei Kindern handelt<br />
es sich nicht bei jeder<br />
Verfärbung der Nägel um<br />
einen Pilz. Auch Schläge auf<br />
den Nagel oder Nagellacke<br />
und Nagellackentferner auf<br />
der Basis von Aceton oder<br />
Formaldehyd können zu einer<br />
Farbveränderung führen, die<br />
keiner Behandlung bedarf.<br />
Besonders wenn die<br />
Nagelpilzbehandlung mit<br />
Tabletten erfolgen soll, muss<br />
der Arzt immer zuvor eine<br />
Nagelprobe mikroskopisch<br />
untersuchen, um eine klare<br />
Diagnose zu stellen.<br />
Immer da, wo Zahlen sind.<br />
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74 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
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Kolumne<br />
Holz aalänge!<br />
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />
Michèle Binswanger<br />
Die studierte Philosophin<br />
ist Journalistin und Buchautorin.<br />
Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />
ist Mutter zweier Kinder<br />
und lebt in Basel.<br />
Ich liebe es, mit meiner Schwester zu diskutieren. Sie ist psychologisch<br />
geschult, mir zugeneigt und doch kritisch. Deshalb wende<br />
ich mich gern an sie, wenn Konflikte mir zu schaffen machen.<br />
Doch so rational sie denkt, so irrational ist diese eine Angewohnheit.<br />
Immer wenn von Dingen die Rede ist, die in Ordnung sind,<br />
aber leicht aus dem Lot geraten könnten, sagt sie beschwörend: «Holz<br />
aalänge, gäll!» Leider haben die meisten Dinge im Leben die Neigung,<br />
irgendwann aus dem Lot zu geraten, besonders wenn Kinder involviert<br />
sind. Und deshalb sagt meine Schwester das ziemlich oft.<br />
Neulich war ich mit ihr in unserem Haus am See. Wir machten den<br />
Garten winterfertig, rechten das Laub zusammen und stapelten Feuerholz,<br />
abends kochten wir und redeten vor dem warmen Holzofen. Ich<br />
erzählte ihr vom Sohn einer gemeinsamen Bekannten, der immer sehr<br />
verschlossen gewesen und von den Eltern angeregt worden war, sich<br />
mehr zu öffnen. Dann begann er sich plötzlich für weiche Drogen, lange<br />
Nächte und abenteuerliche politische Ideen zu interessieren, nicht genau<br />
das, was die Eltern sich vorgestellt hatten, doch das war ihm egal. Er ging<br />
auf Konfrontationskurs, begann sich abzuschotten und tauchte immer<br />
seltener überhaupt noch zu Hause auf. Die Eltern machten sich Sorgen,<br />
um seinen schulischen Abschluss, ihre Beziehung, seine Zukunft.<br />
Das erzählte ich der Schwester. «Es ist ja schon schlimm genug, was<br />
die Pubertät mit Kindern anstellt, aber ist es für die Eltern nicht fast noch<br />
schlimmer?», fragte ich. «Plötzlich ist das Kind, das du ein Leben lang<br />
gekannt hast, ein Jugendlicher, der dem Teufel vom Karren gefallen ist.<br />
Wie muss das für Eltern sein, die selber nie mit dem Teufel geritten sind?<br />
Zum Glück haben wir uns nie derart zerstritten.»<br />
«Holz aalänge», meinte die Schwester und warf ein Holzscheit ins Feuer.<br />
«Ausserdem sieht man von aussen schlecht in Familien hinein.<br />
Wir wissen ja nicht, wer in dieser Geschichte mit welchen Teufeln ge <br />
ritten ist.»<br />
«Ich glaube nicht, dass die Eltern etwas dafür können», entgegnete ich.<br />
«Ich hatte als Teenie ja weiss Gott auch meine Dämonen, und unsere<br />
Eltern waren sicher nicht schuld daran. Manchmal denke ich, ich hatte<br />
einfach grosses Glück, dass alles gut gegangen ist.»<br />
«Holz aalänge!», rief die Schwester und warf mehr Holz aufs Feuer.<br />
«Man weiss nie, was noch kommt. Und vielleicht bist du es ja, die wegen<br />
deiner Kinder eine zweite Pubertät durchlebt», sagte sie mit spöttischem<br />
Blick auf meine Turnschuhe. «Wenn auch vielleicht eher modisch.»<br />
«Holz aalänge!», rief ich panisch und warf einen ganzen Stapel Scheite<br />
in den Ofen, so dass wir vor dem Ofen zu schwitzen begannen. Dann<br />
sagte ich: «Vielleicht ist es am besten, wir bleiben einfach hier und holzen<br />
die paar Jahre durch, bis alle ihre Pubertät hinter sich haben. Mir scheint<br />
es jedenfalls am klügsten, einfach immer in Berührung mit Holz zu sein,<br />
bis das alles vorbei ist.»<br />
Sie antwortete: «Du hast recht. Man weiss nie, wie streng der Winter<br />
werden wird.»<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>75
Ernährung & Gesundheit<br />
Knochenfutter<br />
Gesundes Essen macht stark<br />
Knochen brauchen mehr als nur Kalzium. Weder Supplemente noch angereicherte Produkte<br />
liefern das, was sie wirklich brauchen: gesundes Essen mit dem richtigen Mix aus pflanzlichen<br />
und tierischen Produkten. Text: Regula Thut Borner<br />
Knochen sind kleine<br />
Kunstwerke. Ein<br />
menschliches Skelett<br />
wiegt ungefähr zehn<br />
Kilo, das sind rund<br />
14 Prozent des Körpergewichtes.<br />
Trotz seiner Leichtbauweise ist es<br />
stärker als Stahlbeton. Erstaunlich<br />
ist auch die Regenerationsfähigkeit<br />
der Knochen. Ständig im Umbau<br />
be griffen, erneuern sie sich im<br />
Durchschnitt alle zehn Jahre von<br />
Grund auf.<br />
Stoffe, aus denen die Knochen sind<br />
Zwei Drittel eines Knochens bestehen<br />
aus Mineralien, insbesondere<br />
aus Kalzium, Phosphor und Magnesium.<br />
Sie machen die Knochen stabil<br />
und stark. Damit die Mineralstoffe<br />
aus dem Blut in den Knochen aufgenommen<br />
und eingebaut werden<br />
können, braucht es Vitamin D. Das<br />
restliche Drittel des Knochens besteht<br />
aus eiweisshaltigen Kollagenfasern.<br />
Dank ihnen sind die Knochen<br />
elastisch und biegsam.<br />
Gesunde Knochen brauchen<br />
Nahrung<br />
Alles, was eine gesunde und ausgewogene<br />
Nahrung liefert, tut auch den<br />
Knochen gut. Die Basisdiät besteht<br />
76 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Bilder: iStockphoto<br />
aus drei Portionen Milch und Milchprodukten,<br />
die nicht nur Kalzium,<br />
sondern auch Phosphor, Vitamin D<br />
und qualitativ hochwertiges Eiweiss<br />
liefern. Dazu fünf Portionen Gemüse<br />
und Obst. Sie versorgen das Knochengerüst<br />
mit Magnesium und<br />
Kalium und halten den Säure-Basen-Haushalt<br />
im Lot.<br />
Das brauchen<br />
Knochen: Sonne,<br />
Sport und<br />
gesundes Essen.<br />
Schadet zu viel Eiweiss?<br />
Innerhalb einer bestimmten Bandbreite<br />
reagiert der Körper in der<br />
Regel tolerant, wenn von einem<br />
Nährstoff zu viel oder zu wenig aufgenommen<br />
wird. Wird diese Toleranzgrenze<br />
allerdings ständig und<br />
erheblich unter- oder überschritten,<br />
kommt es zu gesundheitlichen Reaktionen.<br />
Die Wissenschaft kann belegen,<br />
dass zu hohe Mengen Eiweiss<br />
zu einer erhöhten Kalziumausscheidung<br />
führen und damit Einfluss<br />
nehmen auf das Osteoporose-Risiko.<br />
Dabei geht es jedoch nicht um die<br />
absolute Menge Eiweiss, die man isst.<br />
Ist gleichzeitig auch die Kalziumzufuhr<br />
hoch, entsteht kein Schaden.<br />
Isst man jedoch ständig sehr viel<br />
Fleisch oder Fisch, aber zu wenig<br />
Milchprodukte, ist die Eiweisszufuhr<br />
hoch und die Kalziumeinnahme tief<br />
– und das ist auf Dauer ungesund.<br />
Letztlich ist also nicht die Eiweisszufuhr<br />
insgesamt massgebend, sondern<br />
das Kalzium-Eiweiss-Verhältnis.<br />
Top-Kalziumlieferant<br />
Als Hauptlieferanten von «Knochenbaumaterial»<br />
gehören nach wie vor<br />
Milch, Milchprodukte und Käse zu<br />
den Topfavoriten. Bereits drei Portionen<br />
decken nicht nur den<br />
Tagesbedarf an Kalzium, sondern<br />
liefern auch gleich hochwertiges<br />
Eiweiss, Vitamine und andere Mineralstoffe.<br />
Wer Mühe hat mit dem<br />
Milchzucker, verwendet wenn nötig<br />
laktosefreie Milch und Jogurt und<br />
hält sich ansonsten an die grosse,<br />
natürlicherweise laktosefreie Käseauswahl.<br />
Leidlich gute Kalziumquellen<br />
sind einige Gemüsesorten wie Kohl,<br />
Brokkoli und Fenchel, ebenso ein<br />
paar Getreidesorten, Nüsse und<br />
Hülsenfrüchte. Rein rechnerisch<br />
lässt sich der Bedarf mit pflanzlichen<br />
Produkten zwar decken, aber<br />
Quantität ist nicht gleich Qualität.<br />
Die Verfügbarkeit von Milchkalzium<br />
ist wesentlich besser als die Verfügbarkeit<br />
aus pflanzlichen Quellen.<br />
Knochen brauchen Bewegung<br />
Die beste Ernährung nützt wenig,<br />
wenn die Bewegung fehlt. Knochen<br />
lagern vermehrt Kalzium ein, wenn<br />
sie durch körperliche Arbeit dazu<br />
angeregt werden. Babys sind ständig<br />
in Bewegung, später lernen sie krabbeln<br />
und gehen. Kinder hüpfen und<br />
springen gerne – solche Bewegungen<br />
sind gut für den Knochenaufbau.<br />
Erwachsene sind leider weniger diszipliniert,<br />
sitzen viel und lange – das<br />
motiviert das Skelett wenig, für einen<br />
gesunden Knochenerhalt zu sorgen.<br />
Täglich mindestens eine halbe Stunde<br />
aktive Bewegung an der frischen<br />
Luft tut den Knochen gut, kurbelt<br />
die Eigenproduktion von Vitamin D<br />
an und kräftigt die Muskulatur.<br />
Regula Thut Borner<br />
ist dipl. Ernährungsberaterin HF und<br />
Projektleiterin Fachbereich Ernährung<br />
bei Swissmilk.<br />
ernaehrungsberatung@swissmilk.ch<br />
www.swissmilk.ch<br />
Milch beugt vor<br />
Milchgegner führen immer wieder an, dass<br />
Milch nicht vor Osteoporose schütze und<br />
deshalb darauf verzichtet werden könne.<br />
Milch beziehungsweise das Kalzium<br />
aus der Milch schützt tatsächlich nicht<br />
vor Osteoporose. Osteoporose ist eine<br />
Krankheit und Milch ein Grundnahrungsmittel,<br />
kein Medikament. Die eigentliche<br />
Bedeutung von Kalzium liegt in der Prävention.<br />
Wer von Kindheit an ausreichend<br />
davon zu sich nimmt, mineralisiert seine<br />
Knochen optimal. Es ist deshalb richtig, zu<br />
sagen, dass Milch und Milchprodukte den<br />
Aufbau und Erhalt von Knochenmasse und<br />
Knochendichte unterstützen.<br />
Gut zu wissen<br />
➢Kochen und essen Sie vielseitig,<br />
abwechslungsreich und ausgewogen.<br />
➢Bereits drei Portionen Milch und Milchprodukte<br />
liefern ausreichend Kalzium.<br />
➢Verwenden Sie für sich und Ihre Familie<br />
in der lichtarmen Zeit ein Vitamin-D-<br />
Präparat. In der Apotheke kann man Sie<br />
bei der Auswahl beraten.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>77
Digital & Medial<br />
«Du willst WAS spielen?»<br />
Eine Game-Genre Übersicht für Eltern<br />
Wenn sich das Kind ein Computerspiel wünscht, wird vielen Eltern häufig klar, dass sie<br />
von dem sehr breiten Themengebiet Games wenig Ahnung haben. Wir haben für Sie<br />
einen Überblick über die wichtigsten Genres erstellt. Text: Stephan Petersen<br />
In der Frühzeit der Computerspiele<br />
– also vermutlich in der<br />
Jugend der meisten Eltern –<br />
dominierte ein einziges Genre<br />
den Markt: das Arcadespiel.<br />
In Klassikern wie Pac-Man<br />
oder Donkey Kong ging der Spieler<br />
auf Punktejagd. Mit fortschreitender<br />
Technik wurden Computerspiele<br />
dann vielfältiger und abwechslungsreicher,<br />
neue Genres entstanden.<br />
Eine allgemeingültige Genredefinition<br />
gibt es nicht, es kommt<br />
immer wieder zu Überschneidungen<br />
und Mischgenres. Zudem be -<br />
steht jedes Genre aus mehreren<br />
Unterkatego rien. Die hier aufgeführte<br />
Einordnung gibt einen Überblick<br />
über die wichtigsten Spielkategorien,<br />
ihre Unterschiede und ihre<br />
Zielgruppe. Am Ende der Genres<br />
stehen Beispiele mit der jeweiligen<br />
Altersempfehlung von PEGI.<br />
Action<br />
Bei Actionspielen sind vor allem<br />
Re aktionsschnelligkeit und Geschicklichkeit<br />
gefordert. Meistens<br />
lenkt der Spieler eine Figur oder ein<br />
Fahrzeug und muss sich gegen Gegner<br />
behaupten. Diese variieren in<br />
den unterschiedlichen Levels und<br />
erfordern verschiedene Taktiken.<br />
Oftmals wartet am Levelende ein<br />
«Bossgegner», also ein sehr schwer<br />
zu besiegender Gegner.<br />
Das Action-Genre umfasst<br />
höchst unterschiedliche Untergenres.<br />
So besiegt der Spieler in Shoo-<br />
tern und Shoot'em ups seine Gegner<br />
mit Schusswaffen, während sich in<br />
einem Beat'em up, auch «Prügelspiel»<br />
genannt, Kontrahenten in<br />
einer Art Arena im Nahkampf attackieren.<br />
Wenn in der Vergangenheit<br />
über Gewalt in Computerspielen<br />
diskutiert wurde, dienten fast immer<br />
die Shooter als Negativbeispiel. Der<br />
Gewaltgrad ist insbesondere in Ego-<br />
Shootern hoch, so dass viele Titel<br />
erst ab 18 empfohlen sind.<br />
Ein anderes Untergenre sind die<br />
Jump'n Runs, bei denen man mit der<br />
Spielfigur Hindernisse durch akrobatische<br />
Sprünge überwindet und<br />
virtuelle Punkte sammelt. Jump'n<br />
Runs sind im Kern kindgerechte<br />
Spiele mit fantasievollen Welten und<br />
skurrilen Figuren. Der Gewaltgrad,<br />
wenn überhaupt vorhanden, ist<br />
meistens sehr abstrakt.<br />
Beispiele: Super Smash Bros. (Beat'<br />
em up, ab 12), Unravel (Jump'n Run,<br />
ab 7), Splatoon (Shooter, ab 7).<br />
Für wen geeignet? Prinzipiell: für<br />
Jugendliche mit sehr schnellen Daumen<br />
und ausgeglichenem Ge müt. Da<br />
sich ein harmloses Jump'n-Run-Spiel<br />
ganz grundsätzlich von einem blutigen<br />
Shooter unterscheidet, gilt: Bei<br />
Action-Spielen genau hinsehen und<br />
PEGI- oder USK-Hinweise unbedingt<br />
beachten. Wenn sich die Angaben der<br />
Siegel unterscheiden, lieber auf die<br />
strengere Empfehlung vertrauen. Am<br />
besten vorher mal selbst Probe spielen<br />
und nachfragen, was dem Kind daran<br />
gefällt.<br />
Gerade bei Actionspielen sind<br />
die Unterschiede riesig. Also<br />
genau hinsehen und am besten<br />
selbst Probe spielen.<br />
Strategie<br />
In diesem Genre sind taktisches und<br />
strategisches Geschick gefragt. In<br />
Runden- und Echtzeitstrategiespielen<br />
steuert man Einheiten und versucht,<br />
die des Gegners zu schlagen. Häufig<br />
kommt hierbei das Schere-Stein-<br />
Papier-Prinzip zur Anwendung, so<br />
dass es keine übermächtigen Einheiten<br />
gibt. Die Spannbreite reicht von<br />
fantasyartigen bis hin zu historischen<br />
und für Kinder bedenklichen<br />
Themen wie etwa dem Zweiten<br />
Weltkrieg.<br />
Friedlicher geht es meist im<br />
Aufbauspiel zu. Hier lenkt der Spieler<br />
etwa die Geschicke eines mittelalterlichen<br />
Dorfes oder einer Stadt.<br />
Er errichtet Gebäude und sieht sich<br />
mit verschiedenen Problemen konfrontiert,<br />
die es zu lösen gilt – zum<br />
Beispiel wenn bestimmte Waren im<br />
Dorf plötzlich knapp werden und<br />
die Bewohner nicht hungern sollen.<br />
Beispiele: Toy Soldiers (Echzeitstrategie,<br />
ab 12), Anno 2205 (Aufbaustrategie,<br />
ab 7), Tropico 5 (Aufbaustrategie,<br />
ab 16).<br />
Für wen geeignet? Jugendliche mit<br />
Zeit und Geduld. Meistens gefallen<br />
diese Games Eltern gut, weil die Kin-<br />
78 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Bild: Mikael Svensson / Johner / Plainpicture<br />
der ganz nebenbei vorausschauendes<br />
Denken trainieren.<br />
Abenteuer<br />
Abenteuerspiele waren die ersten<br />
Games, die komplexe Geschichten<br />
erzählten. Auch heute noch liegt der<br />
Fokus auf der Geschichte. Im Untergenre<br />
der Adventures löst der Spieler<br />
Rätsel, indem er Objekte der Spielumgebung<br />
miteinander kombiniert<br />
und diese in der dafür vorgesehenen<br />
Weise einsetzt. Beispielsweise benötigt<br />
man für eine verschlossene Tür<br />
einen Schlüssel, der jedoch von einer<br />
Spielfigur bewacht wird. Diese muss<br />
zunächst abgelenkt werden.<br />
In Rollenspielen absolviert der<br />
Spieler Kämpfe und Aufgaben, die<br />
sogenannten Quests, in einer meist<br />
grossen Spielwelt. Durch Erfolge<br />
sammelt die Spielfigur Erfahrungspunkte,<br />
die in besondere Fähigkeiten<br />
und Talente investiert werden.<br />
Die Entscheidungen des Spielers<br />
haben also Einfluss auf die Spielwelt<br />
und dessen Charaktere, und so ist<br />
jede Spielrunde unterschiedlich. Ein<br />
weiteres Untergenre sind die Action-<br />
Adventures. Diese zeichnen sich<br />
meist durch einen unterschiedlich<br />
hohen Grad an Action-Anteilen<br />
(z. B. Springen und Schiessen) sowie<br />
an Rätseln aus.<br />
Beispiele: Deponia Doomsday<br />
(Adventure, ab 12), LEGO Star Wars<br />
– Das Erwachen der Macht (Action-<br />
Adventure, ab 7), Day of the Tenta cle<br />
Remastered (Adventure, ab 7).<br />
Für wen geeignet? Für kleine Perfektionisten,<br />
die ihre Figur zur stärksten,<br />
schönsten und schlausten werden<br />
lassen wollen – koste es so viel (Zeit),<br />
wie es wolle. Adventurs trainieren<br />
Geduld und Kombinationsgabe.<br />
Auch bei Abenteuer-Games sollten<br />
Eltern wieder darauf achten, ob und<br />
wie Gewalt dargestellt wird – die<br />
PEGI-Empfehlung hilft dabei.<br />
Sport<br />
Wie der Name schon nahelegt, kann<br />
der Spieler in diesem Genre virtuellen<br />
Sport ausüben. Von Fussball über<br />
Leichtathletik und Tennis bis hin zu<br />
Trendsportarten wie Skateboarden<br />
ist fast für jeden Sportgeschmack<br />
etwas dabei. Insbesondere Ballsportarten<br />
sind sehr häufig anzutreffen.<br />
Meist werden die Spielfiguren<br />
mit einem klassischen Controller<br />
gesteuert. Seit der Etablierung der<br />
Bewegungssteuerung gibt es auch<br />
Sportspiele, in denen der Spieler<br />
selbst aktiv wird und seine Figur<br />
mittels einer Kamera und eines<br />
Bewegungscontrollers lenkt. Bei<br />
manchen Spielen und Konsolen<br />
bleiben die Hände sogar komplett<br />
frei. Neben kurzweiligen Spassspielen<br />
gibt es auch ganze Fitnessprogramme.<br />
Beispiele: FIFA 17 (Fussball, ab 3),<br />
Mario & Sonic bei den Olympischen<br />
Spielen (diverse Sportarten, ab 7),<br />
Kinect Sports Rivals (diverse Sportarten,<br />
ab 12) >>><br />
Strategiespiele gefallen<br />
Eltern meist reicht gut. Denn<br />
hier lernen die Kinder<br />
vorauschauendes Denken.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>79
Digital & Medial<br />
Der Nachteil von Lernspielen?<br />
Die finden oft nur die Eltern<br />
richtig gut.<br />
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>>> Für wen geeignet? Sportspiele<br />
gehören zu den unbedenklichsten<br />
Games und sind auch schon oft für<br />
sehr junge Spieler freigegeben. Sie<br />
können mit Freunden gespielt werden.<br />
So wird das Rumzappeln vor<br />
dem Bildschirm zum Gemeinschaftserlebnis<br />
oder zum kleinenWettkampf.<br />
Simulation<br />
Dieses Genre umfasst eine grosse<br />
Bandbreite an Games. So lenkt der<br />
Spieler zum Beispiel in einer Flugsimulation<br />
selbst Flugzeuge. Kennzeichnend<br />
für Simulationen ist ein<br />
meist hoher Grad an Realismus<br />
unter Berücksichtigung von physikalischen<br />
Gesetzen und technischen<br />
Weil Kinder<br />
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Gegebenheiten. In einer Marinesimulation<br />
übernimmt der Spieler<br />
das Kommando über ein Schiff oder<br />
ein U-Boot, in einer Rennsimulation<br />
sitzt man hingegen hinter dem Lenkrad<br />
eines Autos. Während sich viele<br />
Spiele dieses Genres mit der authentischen<br />
Simulierung von – oft militärischen<br />
– Fahrzeugen beschäftigen,<br />
gibt es jedoch auch ganz andere<br />
Simulation-Games: Die Lebenssimulation<br />
simuliert den Zyklus eines<br />
Lebewesens. Ein bekanntes Beispiel<br />
hierfür ist die Reihe Sims. Sehr<br />
beliebt sind aktuell auch die Landwirtschaftssimulationen,<br />
in denen<br />
der Spieler den Alltag auf einem<br />
Bauernhof meistert.<br />
Beispiele: Die Sims 3 (Lebenssimulation,<br />
ab 12), Landwirtschafts-Simulator<br />
17 (ab 3), Euro Truck Simulator<br />
2: Titanium Edition (LKW-Simulation,<br />
ab 3).<br />
Für wen geeignet? Für Mädchen und<br />
Jungen, die später am Steuer eines<br />
Flugzeugs, Schiffes oder Rennwagens<br />
sitzen und schon einmal üben möchten.<br />
Und für Stadtkinder, die von<br />
einem eigenen Bauernhof träumen.<br />
Vorsicht ist bei Lebenssimulationen<br />
bei Kindern, die leicht den Bezug zur<br />
Realität verlieren, geboten.<br />
Casuals und Lernspiele<br />
Unter Casuals versteht man Games,<br />
die eher simpel aufgebaut sind und<br />
sich somit auch für Gelegenheitsspieler<br />
eignen, die vielleicht zum<br />
ersten Mal einen Controller in die<br />
Hand nehmen. Das Angebot ist hier<br />
sehr vielfältig und reicht von Quizund<br />
Partyspielen bis zu Tanz- oder<br />
Karaokespielen. Auch die am Computer<br />
beliebten Karten- und Puzzlespiele<br />
gehören dazu. Während die<br />
Casual-Games dem kurzweiligen<br />
Zeitvertreib dienen, haben Lernspiele<br />
eine andere Zielsetzung: Sie wollen<br />
Wissen zu bestimmten Themen spielerisch<br />
vermitteln. Je nach Qualität<br />
funktioniert das sehr gut, so dass<br />
Lernspiele heutzutage auch in einigen<br />
Kindergärten und Schulen eingesetzt<br />
werden.<br />
Beispiele: Professor Layton und die<br />
Maske der Wunder (Lernspiel, ab 7),<br />
Singstar Ultimate Party (Karaoke,<br />
ab 12), Just Dance <strong>2016</strong> (Tanzspiel,<br />
ohne Altersbeschränkung).<br />
Für wen geeignet? Casual-Games<br />
sind in Familien selten ein Streitpunkt,<br />
weil Eltern sie kennen oder<br />
selbst spielen. Lernspiele gefallen<br />
Erwachsenen oft besser als ihren Kindern.<br />
Kinder wollen eben zweckfrei<br />
spielen.<br />
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ist studierter Historiker und freier Journalist.<br />
Zu seinen Themen gehören unter anderem<br />
Videospiele und Familie. Als Vater zweier<br />
technikaffiner Kinder im Alter von sechs und<br />
zehn Jahren sieht er sich täglich mit den<br />
Verlockungen und Herausforderungen der<br />
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reflektiert und geübt<br />
Immer mehr Schulen ziehen für die<br />
Medienbildung externe Fachkräfte bei. Pro<br />
Juventute, zischtig.ch oder die Polizei bieten<br />
Unterrichtseinheiten an, und Swisscom gibt<br />
Medienkurse. Ein Einblick. Text: Michael In Albon<br />
Bild: Swisscom<br />
Zwölf- bis Neunzehnjährige<br />
in der Schweiz nutzen<br />
Medien durchschnittlich<br />
während<br />
zwei Stunden und fünf<br />
Minuten pro Tag. Zwei Stunden sind<br />
es auch bei den Siebtklässlern der<br />
Schule Frenkendorf. Das wissen sie<br />
so genau, weil sie sich während einer<br />
Projektwoche intensiv mit digitalen<br />
Medien auseinandersetzen. Die<br />
eigene Smartphone-Nutzung zu<br />
reflektieren und zu messen, gehört<br />
dazu.<br />
An diesem Freitagvormittag stehen<br />
nun vier Stunden Unterricht mit<br />
zwei externen Experten auf dem<br />
Stundenplan. Die beiden Kursleiter<br />
der Swisscom-Medienbildung interessieren<br />
sich zuerst einmal dafür,<br />
was die Jugendlichen mit ihren<br />
Smartphones tun. «Kommunizieren<br />
mit WhatsApp und Snapchat. Bilder<br />
ablegen auf Instagram. Suchen mit<br />
Google. Videos schauen auf YouTube<br />
und Filmlisten mit Playtube anlegen»,<br />
lauten die Antworten. Diese<br />
wären wohl in jeder x-beliebigen<br />
Schweizer Klasse ähnlich ausgefallen.<br />
Im Verlauf des Morgens erstellen<br />
die Schülerinnen und Schüler untereinander<br />
kurze Videointerviews mit<br />
ihren Handys zu den Chancen und<br />
Gefahren von Smartphones. Beeindruckende<br />
Interviews. Diese Ju-<br />
gendlichen nutzen ihr Smartphone<br />
wohlüberlegt.<br />
Was kommt auf uns zu?<br />
Nach den realen Chancen und Gefahren<br />
des Alltags gehen die beiden<br />
Experten zur Zukunft über. Sie zeigen<br />
den Schülerinnen und Schülern<br />
«intelligente digitale Helfer», die es<br />
in naher Zukunft wohl geben wird.<br />
Die Schüler müssen sich überlegen:<br />
«Finde ich das gut oder nicht?», und<br />
ihre Antworten begründen. Auch<br />
hier zeigt die Klasse Geschick und<br />
ein Bewusstsein dafür, was hilfreich<br />
ist beziehungsweise wo Probleme<br />
auftreten könnten.<br />
In einer weiteren Sequenz schauen<br />
sich die Schüler einige Kurzfilme<br />
an und analysieren sie anschliessend:<br />
Welcher Ton wird eingesetzt,<br />
welche Musik? Wie ist die Kameraeinstellung?<br />
Wie sind die Bilder<br />
farblich komponiert? Wie wurde der<br />
Film geschnitten? Und welche Wirkung<br />
wird damit erzielt? Mit diesem<br />
Wissen vergleichen sie danach einen<br />
Informationsbeitrag und einen Werbeclip.<br />
Sie erkennen nun genau, welche<br />
filmischen Mittel zu welchem<br />
Zweck eingesetzt werden.<br />
Zum Schluss folgt eine Einheit zu<br />
den Themen Persönlichkeitsrecht,<br />
Urheberrecht und Quellenangaben.<br />
Vor allem bei den Quellenangaben<br />
wollen es die Jugendlichen genau<br />
wissen. Etwa: «Muss ich einen Beitrag<br />
kennzeichnen, den ich umformuliere<br />
– mit eigenen Worten?»<br />
Und erfahren von den Experten:<br />
«Wenn du den Inhalt unverändert<br />
belässt, also nicht mit eigenen Ideen<br />
ergänzt, und nur die Worte neu<br />
wählst, musst du die Quelle nennen.»<br />
Alle erarbeiteten Inhalte halten<br />
die Experten auf einem Klassenplakat<br />
fest. Dieses bleibt im Schulzimmer<br />
hängen, damit der Klassenlehrer,<br />
Raffael Segna, immer wieder<br />
darauf zurückgreifen und das Ge -<br />
lernte mit der Klasse weiter vertiefen<br />
kann. «Der Start mithilfe der externen<br />
Profis ist gelungen.»<br />
Michael In Albon<br />
ist Jugendmedienschutz-Beauftragter<br />
und Medienkompetenz-Experte von<br />
Swisscom.<br />
facebook.com/michaelinalbon<br />
twitter.com/MichaelInAlbon<br />
Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />
Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />
digitalen Medien im Familienalltag.<br />
swisscom.ch/medienstark<br />
82 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
DER SCHULWEG<br />
IST DER WEG<br />
AUS DER ARMUT.<br />
Mit CHF 20.– schicken Sie ein Kind<br />
im tibetischen Hochland oder in Nepal<br />
einen Monat lang in die Schule.<br />
JETZT GLEICH<br />
PER SMS SPENDEN:<br />
ROKPA und Betrag (Zahl bis 99)<br />
an Nummer 488<br />
(Beispiel: ROKPA 20)<br />
Mehr Das Schweizer Infos ElternMagazin unter Fritz+Fränzi www.rokpa.org<br />
November <strong>2016</strong>83
«Die Facebook-Gesellschaft vernichtet die Gegenwart, indem sie sie permanent<br />
festhält … Der Mitteilungsdrang verhindert, dass die Gegenwart<br />
tatsächlich wahrgenommen wird … Man fällt im Grunde aus der Zeit,<br />
und zwar nicht obwohl, sondern weil man diese permanent festhält.»<br />
Medien- und Kulturwissenschaftler Roberto Simanowski in seinem Buch<br />
«Facebook-Gesellschaft», Matthes & Seitz, <strong>2016</strong>, 238 Seiten, Fr. 17.90<br />
Eine kleine<br />
Philosophie<br />
der Macht<br />
Politiker sind korrupt, und auf<br />
dem Schulhof regiert der Stärkste –<br />
ist Macht also etwas Schlimmes?<br />
Oder doch etwas, nach dem man<br />
streben sollte, weil nur der Stärkere<br />
gewinnt? Der Pariser Autor<br />
Jean-Baptiste Hennequin greift<br />
zu einem umstrittenen philosophischen<br />
Buch über die Macht: Ma -<br />
chia vellis «Der Fürst», und übersetzt<br />
dessen Aussagen für seinen<br />
pubertierenden Sohn in die heutige<br />
Sprache. Herausgekommen ist<br />
ein sehr kluges Buch über Wahrheit,<br />
Lüge und Manipulation. Und<br />
ganz galant zeigt der Autor noch<br />
nebenbei, wie wichtig all die Dinge<br />
sind, die man nur aus Büchern,<br />
nicht aber in Smartphone-Games<br />
lernt. Für ältere Teenager, die die<br />
Welt verstehen möchten.<br />
Jean-Baptiste Hennequin:<br />
Machiavelli für meinen Sohn.<br />
Beltz, <strong>2016</strong>. 164 Seiten, Fr. 21.90<br />
Smartphone,<br />
Smartphone in der<br />
Hand, wer ist der<br />
Grösste …<br />
Mit der App Child-Growth können Eltern den<br />
Verlauf von Grösse, Gewicht und Body-Mass-<br />
Index (BMI) ihres Kindes verfolgen. Dank<br />
der hinterlegten Normwerte ist sofort<br />
ersichtlich, ob sich das Kind richtig entwickelt.<br />
Ein ungewöhnliches Wachstum könnte<br />
Anzeichen einer chronischen Erkrankung sein.<br />
Und mit der App hat man auch die Daten<br />
beim Kinderarzt gleich mit dabei. Das<br />
Pädiatrisch-Endokrinologische Zentrum<br />
Zürich (PEZZ) hat seine App Child-Growth in<br />
einer neuen, völlig überarbeiteten Version<br />
herausgebracht. Die App zeigt den Verlauf von<br />
Grösse, Gewicht und BMI über einen<br />
gewählten Zeitraum und vergleicht diese<br />
Werte mit jenen von gleichaltrigen Schweizer<br />
Kindern. Child-Growth ist gratis erhältlich<br />
und läuft unter iOS 8 sowie Android 4 und<br />
höher. Neben Deutsch existiert die App neu<br />
auch in Französisch und Englisch.<br />
www.pezz.ch > Apps<br />
Meine Freundin<br />
aus Syrien<br />
«Die Aisha ist immer zu spät und kommt<br />
immer mit ihrem Bruder, das ist bei denen<br />
so.» Dem beliebten deutschen<br />
Kinderbuchautor Paul Maar gelingt mit<br />
diesem Hörbuch ein kleines Kunststück:<br />
Er erzählt die Geschichte einer liebevollen<br />
Mädchenfreundschaft zwischen einem<br />
deutschen Mädchen und einem syrischen<br />
Flüchtlingsmädchen, ohne dabei Streit<br />
und Schwierigkeiten zu verschweigen,<br />
welche die beiden wegen der kulturellen<br />
Unterschiede haben. Schriftsteller<br />
Maar hat seine Geschichte aus den 80ern<br />
der heutigen Asylproblematik angepasst<br />
und kindgerecht aufgearbeitet. Die<br />
Sprecherin Natalia Wörner liest<br />
unaufgeregt und doch einfühlsam. Ein<br />
sehr schönes Hörbuch für Kinder ab<br />
sieben Jahren.<br />
Paul Maar: Neben mir ist noch Platz. Oetinger<br />
Audio, <strong>2016</strong>. 27 Minuten Spielzeit, Fr. 15.90<br />
als CD oder Fr. <strong>11</strong>.40 als Download<br />
Bilder: ZVG<br />
84 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Digital & Medial<br />
Wenn Worte kostbar sind<br />
Paul und Marie leben in einer Welt, in der Wörter ein kostbares Gut sind. Sie<br />
werden in der Wörterfabrik hergestellt und dann verkauft. Besondere Wörter sind<br />
teuer, bedeutungslose werden im Sonderangebot verscherbelt. Der kleine Paul<br />
ist arm und hat sich drei Wörter für einen ganz besonderen Moment aufgespart<br />
... Die grosse Wörterfabrik ist eine liebevoll erzählte Kinderbuch-App für<br />
iPads, iPhones und Android-Geräte, in der man sich spielerisch mit Sprache und<br />
Schrift beschäftigt. Man verbindet Silben oder ordnet Wörter bestimmten<br />
Sprachen zu – die App gibt es nämlich auf Deutsch, Englisch und Französisch.<br />
Besonders süss ist der Teil, in dem man durch Neigen des Geräts Wörter<br />
einfangen muss. Eine schöne Kinderbuch-<br />
App mit Lerneffekt, besonderen Illustrationen<br />
und einer authentischen,<br />
humorvollen Erzählstimme.<br />
Und sogar an selten gewordene<br />
Begriffe wie Firlefanz oder<br />
Bandsalat wurde gedacht.<br />
Für Primarschüler geeignet,<br />
Kostenpunkt: etwa drei<br />
Franken.<br />
Starten Sie<br />
die aktuelle<br />
Fritz+Fränzi-App,<br />
scannen Sie diese Seite<br />
und sehen Sie Szenen<br />
aus der Kinderbuch-<br />
App.<br />
www.diewoerterfabrik.de<br />
Diese Rezension wird mit freundlicher Genehmigung von<br />
www.enemenemobile.de veröffentlicht, der Webseite für<br />
Kinder-App-Rezensionen aus Berlin.<br />
SWISS CARD<br />
NAILCARE<br />
13 Functions, Swiss Made<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>85<br />
MAKERS OF THE ORIGINAL SWISS ARMY KNIFE | ESTABLISHED 1884
Unser Wochenende …<br />
in Innerschwyz<br />
Arth<br />
Lauerzersee<br />
Vierwaldstättersee<br />
Pfäffikon<br />
E41<br />
Brunnen<br />
Morschach<br />
Flüelen<br />
Sattel<br />
Gut zu wissen …<br />
Hochstuckli<br />
Kleiner Mythen<br />
Grosser Mythen<br />
Schwyz<br />
Fronalpstock<br />
Stoos<br />
Mythenregion<br />
Muotathal<br />
… In Innerschwyz finden Sie kleine bis mittlere, überschaubare<br />
Familienwintersportorte mit einem umfassenden Familienangebot<br />
für kleine bis mittlere Budgets. Dank der zentralen<br />
Lage sind sie aus der ganzen Deutschschweiz relativ schnell<br />
erreichbar. Wintersaisonbeginn: Anfang bis Mitte Dezember.<br />
www.schwyz-tourismus.ch<br />
Erleben …<br />
… Kinderskiparks mit allem, was Ihre Familie begehrt, und<br />
mit Schweizer Skischulen finden Sie in den Destinationen<br />
Mythenregion (Skischule Einsiedeln), Stoos und Sattel-<br />
Hochstuckli. Letztere beiden bieten ausserdem Förderbänder<br />
für die Kleinsten. Auf dem Sattel lernen Ihre Kinder in<br />
Rondos Kinderwelt mit einem Zaubertunnel schnell und<br />
mit Spass Ski fahren.<br />
www.stoos-muotatal.ch, www.sattel-hochstuckli.ch,<br />
www.mythenregion.ch, www.skischule-einsiedeln.ch<br />
… Grössere Kinder und Jugendliche mit einer Vorliebe fürs<br />
Freestylen kommen in der Mythenregion und auf dem Stoos<br />
auf ihre Rechnung. Der Mythenpark liegt zwischen Grossenboden<br />
und Brünnelistock in einem abwechslungsreichen<br />
Gelände und ist auch für Anfänger geeignet. Für jedes Alter ist<br />
auch der Snowpark Shredisfaction Stoos beim Skilift<br />
Holibrig angelegt.<br />
www.mythenpark.ch<br />
Snowpark-App oder www.shredisfaction.ch<br />
… Und auch Schlittler kommen nicht zu kurz: 2 Kilometer in<br />
Stoos, 3,5 Kilometer in Sattel-Hochstuckli (rasante Pisten bis<br />
zu herrlichen Schlittelwanderwegen) oder 1,3 Kilometer in<br />
Grossenboden-Handgruobi. In diesen drei Gebieten sind an<br />
bestimmten Tagen die Pisten fürs Nachtschlitteln beleuchet<br />
(in Sattel-Hochstuckli gibt es auch Nachtskifahrten).<br />
Mythenregion: freitags und samstags, Abendkarte Fr. 13.– inkl.<br />
Schlittelbus von Schwyz Post nach Handgruobi; Schlittenmiete<br />
Fr. 6.– pro Abend und Schlitten.<br />
Stoos: samstags, am Sternegg-Skilift mitten im Dorf Stoos, von<br />
19.30 bis 22 Uhr. Schlittenmiete und Zubringer-Ticket zum<br />
Stoos: Erwachsene Fr. 32.–, Jugendliche (16–20 Jahre) Fr. 23.–,<br />
Kinder (6–16) Fr. 14.–.<br />
Sattel-Hochstuckli: Nachtschlitteln, samstags, Familiengaudi-<br />
Nachtkarte Fr. 60.– (für Eltern und ihre Kinder), Einzelpreis:<br />
Fr. 22.–/Person (Skifahren/Schlitteln), Schlittenmiete Fr. 8.–.<br />
Geniessen …<br />
… Aussichtsreiche Winterwander- und Schneeschuhtouren<br />
in allen drei Gebieten führen Sie durch die fantastischen<br />
Berg- und Seelandschaften der Zentralschweiz und zu<br />
zahlreichen Skihütten und Aussichtspunkten.<br />
… Zum Geniessen sind auch die urchigen und gemütlichen<br />
Pistenrestaurants und Skihütten in Nähe der Kinderwelten<br />
sowie auf und neben den Pisten. Als «Geheimtipp» gelten die<br />
«ächt SCHWYZ»-Restaurants, die authentische regionale<br />
Küche anbieten.<br />
www.aecht-schwyz.ch<br />
… Gemütlich geniessen können sie es bei einer Kutschenfahrt<br />
über knirschenden Schnee in Stoos. Etwas rasanter<br />
86 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Service<br />
Gemütliche<br />
Kutschenfahrt auf<br />
dem Stoos,<br />
verkehrte Sicht vom<br />
Mythenpark auf den<br />
Vierwaldstättersee,<br />
stiebende Abfahrt in<br />
Sattel-Hochstruckli.<br />
Bilder: Schwyz Tourismus<br />
vorwärts geht es bei einer Schlittenfahrt mit sibirischen<br />
Huskys in Muotathal, wo Ihre Familie beim Winterwandern in<br />
der Husky Lodge das Tempo selber bestimmt.<br />
Kutschenfahrten: www.stoos-muotatal.ch > Winter > Familien<br />
Husky Lodge: www.erlebniswelt.ch<br />
Übernachten …<br />
… Der Familien-, Ferien- und Freizeitpark Swiss Holiday Park<br />
in Morschach setzt alles daran, den Bedürfnissen von<br />
Familien mit Kindern jeden Alters gerecht zu werden. Dank<br />
drei Preisstufen sind Familienferien oder Weekends erschwinglich.<br />
Neben vielen Freizeitaktivitäten für jedes Wetter<br />
profitieren Familien von zahlreichen Gratisleistungen. Der<br />
Swiss Holiday Park hat eine riesige Bäderlandschaft, einen<br />
eigenen Bauernhof und einen eigenen Skilift direkt vor der<br />
Haustür. Kinder bis und mit 15 Jahren fahren gratis mit allen<br />
Stoos-Bergbahnen und essen, wenn sie im Hotel und<br />
Mehrbettzimmer übernachten, gratis vom Kinderbuffet oder<br />
wählen aus der Teeniekarte aus; generell wird auf eine<br />
ausgewogene Ernährung geachtet. Bücher stehen kostenlos<br />
zur Verfügung, ebenso Spiele und Puzzles (gegen ein Depot<br />
von 20 Franken).<br />
Swiss Holiday Park, Dorfstrasse 10, Morschach. Preisbeispiel<br />
Familienzimmer mit Terrasse / Balkon: 2 Erwachsene ab<br />
Fr. 260.–, Kinder bis 2 Jahre Fr. 20.–, 3–6 Jahre Fr. 60.–,<br />
7–<strong>11</strong> Jahre Fr. 90.–, 12–15 Jahre Fr. 120.–.<br />
www.swissholidaypark.ch<br />
… Auch in Stoos können Sie erschwingliche Familienwinterferien<br />
verbringen. Vom Wellnesshotel zum rustikalen,<br />
modernen Familienhotel (Stoos Hüttä) bis hin zu einem<br />
grossen Angebot an Ferienwohnungen und Lagerhäusern<br />
findet man alles.<br />
Wellnesshotel Stoos, Ringstrasse 10, www.hotel-stoos.ch<br />
Stoos Hüttä, auf 1400 m ü. M. auf einem Hügel oberhalb des<br />
Dorfes Stoos, www.stooshutta.ch<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>87
Service<br />
Vielen Dank<br />
Finanzpartner<br />
Dr. iur. Ellen Ringier<br />
Walter Haefner Stiftung<br />
an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />
Hauptsponsoren<br />
Credit Suisse AG<br />
Rozalia Stiftung<br />
UBS AG<br />
Heftsponsor<br />
UBS AG<br />
Impressum<br />
16. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />
Herausgeber<br />
Stiftung Elternsein,<br />
Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />
www.elternsein.ch<br />
Präsidentin des Stiftungsrates:<br />
Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />
Tel. 044 400 33 <strong>11</strong><br />
(Stiftung Elternsein)<br />
Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />
ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />
Redaktion<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />
n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />
Verlag<br />
Fritz+Fränzi,<br />
Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />
Tel. 044 277 72 62,<br />
info@fritzundfraenzi.ch,<br />
verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />
www.fritzundfraenzi.ch<br />
Business Development & Marketing<br />
Leiter: Tobias Winterberg,<br />
t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />
Anzeigen<br />
Administration: Dominique Binder,<br />
d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />
Tel. 044 277 72 62<br />
Art Direction/Produktion<br />
Partner & Partner, Winterthur<br />
Bildredaktion<br />
13 Photo AG, Zürich<br />
Korrektorat<br />
Brunner AG, Kriens<br />
Auflage<br />
(WEMF/SW-beglaubigt 2015)<br />
total verbreitet 103 920<br />
davon verkauft 17 206<br />
Preis<br />
Jahresabonnement Fr. 68.–<br />
Einzelausgabe Fr. 7.50<br />
iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />
Abo-Service<br />
Galledia Verlag AG Berneck<br />
Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />
abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />
Für Spenden<br />
Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />
Postkonto 87-447004-3<br />
IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />
Inhaltspartner<br />
Institut für Familienforschung und -beratung<br />
der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />
und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />
Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Forum<br />
Bildung / Elternnotruf / Pro Juventute /<br />
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik<br />
Zürich / Schweizerisches Institut für Kinderund<br />
Jugendmedien<br />
Stiftungspartner<br />
Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />
Zürich / Marie-Meierhofer-Institut für das Kind /<br />
Schule und Elternhaus Schweiz / Schweizerischer<br />
Verband alleinerziehender Mütter und Väter<br />
SVAMV / Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />
Kinderbetreuung Schweiz<br />
FAMILIEN-WINTERSPASS – NAH UND PREISWERT!<br />
Winterperlen im Kanton Schwyz – wo Kinder und Eltern sich wohlfühlen.<br />
Finden Sie Ihr passendes Angebot:<br />
www.schwyz-tourismus.ch/familie<br />
Bestellen Sie unser Magazin unter:<br />
www.schwyz-tourismus.ch/broschueren
Buchtipps<br />
Erstmals ist<br />
«Rastelli<br />
erzählt» 1935<br />
in der «NZZ»<br />
erschienen, nun<br />
liegt die<br />
Geschichte<br />
farbig illustriert<br />
als SJW-Heft vor.<br />
Der arme<br />
Peter<br />
Eine grosse<br />
Bühne, ein<br />
nervöses Kinderpublikum:<br />
Und dann<br />
geht endlich<br />
der Vorhang auf! Gespielt wird<br />
Heines Gedicht «Der arme Peter» –<br />
wimmlig und mit viel Humor ins Bild<br />
gesetzt von Peter Schössow.<br />
Hanser, 2013, Fr. 21.90,<br />
ab 5 Jahren<br />
Auch Stoffe, Motive und Texte der<br />
«grossen» Literatur lassen sich in<br />
der richtigen Aufmachung von Kindern<br />
und Jugendlichen gut verdauen.<br />
Ein Häppchen Weltliteratur<br />
Rastelli erzählt<br />
Wasserstadt –<br />
Träume, Geld und<br />
Wirklichkeit<br />
Der Schweizer<br />
Autor Franco<br />
Supino nahm<br />
Gotthelfs «Bartli,<br />
der Korber» als<br />
loses Vorbild und macht daraus einen<br />
modernen Jugendroman über<br />
zeitlose Themen wie Geld und Macht,<br />
Identität und Träume.<br />
Kwasi, 2013, Fr. 30.90,<br />
ab 14 Jahren<br />
Bilder: Anna Sommer / SJW Schweizerisches Jugendschriftenwerk, ZVG<br />
Kinder lesen Kinderbücher,<br />
Erwachsene<br />
«richtige» Literatur.<br />
So ist es doch – oder<br />
etwa nicht?<br />
Grenzen weichen: Bilderbücher<br />
werden für ein erwachsenes Publikum<br />
produziert, 12-Jährige und<br />
längst Erwachsene diskutieren die<br />
gleichen Fantasy-Romane, und<br />
natürlich dürfen auch Kinder und<br />
Jugendliche Texte lesen, die ur -<br />
sprünglich für ein erwachsenes<br />
Publikum gedacht waren.<br />
Zum Beispiel Walter Benjamins<br />
kurze Novelle «Rastelli erzählt». Im<br />
Jahr 1935 wurde die Geschichte, die<br />
von einem trickreichen Jongleur<br />
handelt, auf der Titelseite der NZZ<br />
erstmals abgedruckt. Und nun liegt<br />
sie als SJW-Heft vor, farbig illustriert,<br />
aber textlich unverändert. In<br />
ihrer Kürze eignet sie sich gut für<br />
einen Einstieg in die Weltliteratur,<br />
und über den rätselhaften Ausgang<br />
werden sich auch Jugendliche gerne<br />
die Köpfe zerbrechen.<br />
Die Papiercollagen von Anna<br />
Sommer sind dabei ein wichtiges<br />
Element: Die Aufführung des Jongleurs<br />
vor dem Sultan, seine ge -<br />
schmeidigen Bewegungen werden<br />
auf mehreren reinen Illustrationsseiten<br />
gezeigt. Text und Bild ergänzen<br />
sich und tragen gegenseitig zum<br />
Verständnis bei.<br />
Unter den Heften, die SJW seit<br />
über 80 Jahren herausgibt, sind<br />
immer auch Werke der Weltliteratur<br />
– so ausgewählt, dass die Texte ein<br />
ideales Häppchen grosse Literatur<br />
bieten.<br />
Walter<br />
Benjamin: Rastelli<br />
erzählt …<br />
SJW, <strong>2016</strong>, Fr. 5.–,<br />
ab 12 Jahren<br />
Nathan und seine<br />
Kinder<br />
Lessings Drama<br />
«Nathan der<br />
Weise» ist auch<br />
nach über 200<br />
Jahren vielleicht<br />
aktueller denn je.<br />
Mirjam Pressler hat das Stück als<br />
beeindruckenden Roman für Jugendliche<br />
aufbereitet.<br />
Beltz & Gelberg, 2008, Fr. 14.90,<br />
ab 14 Jahren<br />
Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />
Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />
Instituts für Kinder- und<br />
Jugendmedien SIKJM.<br />
Auf www.sikjm.ch sind weitere<br />
Buchempfehlungen zu finden.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
November <strong>2016</strong>89
Eine Frage – drei Meinungen<br />
Unsere Tochter, 14, trifft sich jeden Samstag mit ihren Freundinnen<br />
in der Stadt, um Jungs kennenzulernen. Ohne High Heels, Minirock und<br />
Make-up geht das nicht. Unserer Meinung nach ein bisschen zu viel<br />
des Guten – sie sieht mitunter ziemlich billig aus. Was sollen wir tun?<br />
Karin, 45, Bern<br />
Nicole Althaus<br />
Hmm. Wer hat Ihrer Tochter<br />
denn die High Heels und den<br />
Minirock gekauft? Bekommt<br />
sie so viel Sackgeld? Oder sah<br />
das Outfit in der Garderobe<br />
in ihren Augen weniger billig<br />
aus? Eltern haben bei den<br />
Kleidern mitzureden, zumindest<br />
solange sie sie finanzieren.<br />
Doch vergessen Sie nicht: Teenager brauchen die<br />
Freiheit, sich auszuprobieren, mit ihrer Weiblichkeit zu<br />
spielen. Das sieht für jede Elterngeneration zuweilen<br />
billig aus.<br />
Tonia von Gunten<br />
Sagen Sie Ihrer Tochter, was<br />
Sie von ihren Ausgeh-Klamotten<br />
halten. Kaufen Sie ihr<br />
Jeans, T-Shirt, Pulli, Jacke,<br />
gute Schuhe sowie Sportklamotten.<br />
Unternehmen Sie in<br />
Zukunft jeden zweiten Samstag<br />
etwas zusammen. Als<br />
Familie, mit oder auch ohne<br />
die Freundinnen. Bieten Sie zum billigen Aussehen ein<br />
neues Kontrastprogramm!<br />
Peter Schneider<br />
Sie könnten ihr ein Paar Louboutins,<br />
einen Minirock von<br />
Prada und einen dezenten<br />
Lippenstift von Dior schenken<br />
– und schon wird Ihr<br />
Töchterchen viel, viel teurer<br />
aussehen. Aber das ist vermutlich<br />
nicht das Gegenteil<br />
von dem, was sie mit «billig»<br />
meinen. Wenn Sie Ihrer Tochter mitteilen, dass sie in<br />
ihrem Outfit aussieht wie die 13-jährige Jodie Foster in<br />
«Taxi Driver», wird sie Sie vermutlich nur verständnislos<br />
anschauen. Erstens weil sie nicht weiss, wer Jodie<br />
Foster ist und was das mit Taxifahren zu tun hat; zweitens<br />
weil solche pubertäre Hypersexualisierung nur<br />
funktioniert, solange die Pubertierenden nicht wissen,<br />
was sie tun. Sparen Sie sich also Grundsatzdebatten<br />
und machen Sie allenfalls einen brauchbaren Vorschlag<br />
zu einem etwas weniger billigen Styling.<br />
Nicole Althaus, 47, ist Kolumnistin, Autorin und<br />
Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag».<br />
Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und<br />
hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert<br />
und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei<br />
Kindern, 16 und 12.<br />
Tonia von Gunten, 42, ist Elterncoach, Pädagogin<br />
und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />
Programm, das frische Energie in die Familien<br />
bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />
stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />
und Mutter von zwei Kindern, 9 und 6.<br />
Peter Schneider, 58, ist praktizierender<br />
Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />
andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />
für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />
ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />
der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />
erwachsenen Sohnes.<br />
Haben Sie auch eine Frage?<br />
Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />
redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />
Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />
90 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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