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Fritz + Fränzi

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Fr. 7.50 <strong>11</strong>/November <strong>2016</strong><br />

Jesper Juul<br />

Wie Mütter es schaffen,<br />

an sich zu denken<br />

Ein Tag bei der KESB<br />

Wie die Behörde<br />

arbeitet –<br />

eine Reportage<br />

Jetzt<br />

mitmachen<br />

Leserumfrage<br />

www.fritzundfraenzi.ch/<br />

leserumfrage<br />

Kinder und Karriere<br />

Die Lüge von<br />

der Vereinbarkeit


Besuchen Sie<br />

die Zukunft.<br />

Spass, Wissen und unvergessliche<br />

Erlebnisse für Familien<br />

Die Zukunft ist näher als Sie denken. In der Umwelt<br />

Arena Spreitenbach – der Erlebniswelt für Familien –<br />

entdecken Sie die vielfältigsten Umweltthemen von<br />

ihrer spannendsten Seite: interaktiv werden Sie durch<br />

die Ausstellung geführt und lernen spielerisch die nachhaltigsten<br />

Energien der Zukunft kennen.<br />

Gewinnerpfade mit attraktiven Monatspreisen, Testfahrten<br />

auf dem In-/Outdoor Parcours mit Zwei- und<br />

Vierradfahrzeugen wie Tret-Karts, E-Bikes, Segways<br />

und den neuesten Elektroautos wie BMWi3, Nissan<br />

e-NV200, Renault Twizy, VW e-up oder Renault Zoe ergänzen<br />

das Angebot.<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch.<br />

Öffnungszeiten Besucher<br />

Donnerstag / Freitag 10–18 Uhr<br />

Samstag / Sonntag 10–17 Uhr<br />

Abweichende Öffnungszeiten und<br />

detaillierte Daten In-/Outdoor Parcours<br />

siehe Website<br />

Umwelt Arena Spreitenbach<br />

Türliackerstrasse 4<br />

8957 Spreitenbach<br />

Telefon +41 56 418 13 00<br />

info@umweltarena.ch<br />

www.umweltarena.ch<br />

www.facebook.com/umweltarena<br />

Patronat: Kanton Aargau. Mit Unterstützung der W. Schmid Projekte AG.<br />

Hauptpartner:


Editorial<br />

Bild: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Chefredaktor<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Ohne Kathrin ginge es nicht. Kathrin ist meine Schwiegermutter – eine rüstige<br />

Endsechzigerin und ehemalige Sonderschullehrerin. Was für ein Glück, dass sie<br />

Kinder noch immer sehr liebt – unsere kleinen Strolche ganz besonders. Die Liebe<br />

ist gegenseitig – die Kinder geniessen die Zeit beim Grossmami. Sie lebt in<br />

einer Villa Kunterbunt, wo fast alles erlaubt ist; da gibt es einen Hund, ein Kätzchen,<br />

einen grossen Garten, ein Gemüsebeet und viele Bäume zum Klettern.<br />

Beim Grossmami dürfen die Kinder Mondstein schlecken, sich vom Balkon<br />

abseilen, Feuer machen und im hauseigenen Steinbruch Steine klopfen.<br />

Ohne Kathrin ginge es nicht. Denn auch meine Frau ist berufstätig und als Reisejournalistin<br />

viel unterwegs. Wir teilen uns Pflege und Hege unserer Kinder, so<br />

gut es eben geht. Ich arbeite beim Schweizer ElternMagazin 80 Prozent, Freitag<br />

ist Papitag, ich schmiere Pausenbrote, putze die Schuhe vom letzten Waldtag, verarzte<br />

Wunden, flicke verstopfte Abflussrohre. Wir fahren Rad, ich geh einkaufen,<br />

erledige Rechnungen, besuche den Elternabend.<br />

«Das weibliche soziale Netz –<br />

Mütter, Schwestern,<br />

Freundinnen – entlastet<br />

berufstätige Frauen am<br />

nachhaltigsten.»<br />

Irene Mariam Tazi-Preve, österreichische<br />

Familienforscherin und Politwissenschaftlerin<br />

Ohne Kathrin ginge es nicht. Meine Schwiegermutter unterstützt unsere kleine<br />

Familie mit Rat und Tat. Stets gut gelaunt, zaubert sie in Windeseile Berge von<br />

Essen auf den Tisch, lässt sich selbst von der frühpubertierenden Tochter nicht<br />

aus der Fassung bringen, übt mit dem Junior Schlagzeug, malt und töpfert und<br />

schnitzt mit den Kindern und hält uns den Rücken frei, wenn<br />

meine Frau und ich zu viele Bälle in der Luft haben.<br />

Ohne Kathrin ginge es nicht. Deshalb an dieser Stelle und<br />

ganz offiziell: vielen Dank, liebe Kathrin und allen Grossmüttern<br />

und Grossvätern dieser Welt für die Unterstützung. Die<br />

Geduld. Die Zeit. Und die Inspiration.<br />

Wie aber gelingt das Nebeneinander von Familie und Beruf,<br />

wenn keine Kathrin zur Stelle ist? Wenn der Arbeitgeber keine<br />

Teilzeit zulässt? Wenn nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann? Kann das<br />

überhaupt gelingen? Was muss sich ändern in der Wirtschaft, der Politik, damit<br />

berufstätige Müttter endlich gleiche Voraussetzungen vorfinden wie berufstätige<br />

Väter? Und wie können berufstätige Mütter entlastet werden? Davon handelt<br />

unser Dossier «Familie und Beruf: Die Lüge von der Vereinbarkeit» – ab Seite 10.<br />

***<br />

Während andere verlieren, legen wir zu: Das Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi erreicht mehr Leserinnen und Leser. Neu sind es 154 000 – das ist<br />

ein Plus von 7000! Im Namen von Redaktion und Verlag danke ich Ihnen, liebe<br />

Leserin, lieber Leser, für Ihre Treue. Weil wir immer noch besser werden möchten,<br />

ist uns Ihre Meinung wichtig: Was machen wir gut, was können wir besser<br />

machen? Welche Titel, welche Geschichten sind Ihnen in Erinnerung geblieben,<br />

über welche Themen würden Sie gerne mehr lesen? Nehmen Sie sich bitte einige<br />

Minuten Zeit für unsere grosse Leserumfrage – zum Link geht es hier entlang:<br />

www.fritzundfraenzi.ch/leserumfrage.<br />

Ich wünsche Ihnen wie immer viel Lesevergnügen mit unserem Magazin.<br />

Herzlichst, Ihr Nik Niethammer<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>3


Inhalt<br />

Ausgabe <strong>11</strong> / November <strong>2016</strong><br />

Viele nützliche Informationen finden Sie auch auf<br />

fritzundfraenzi.ch und<br />

facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Augmented Reality<br />

Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen, erhalten Sie digitalen<br />

Mehrwert im Heft. Hinter dem ar-Logo verbergen sich Videos<br />

und Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

42 Wir hören Eltern zu<br />

Bei der Elternberatung von Pro<br />

Juventute sind Fachpersonen Tag<br />

und Nacht im Einsatz.<br />

Erziehung & Schule<br />

46 Wenn Eltern mit dem Anwalt drohen<br />

Nicht immer ist das Verhältnis<br />

zwischen Eltern und Lehrern<br />

konstruktiv.<br />

10<br />

Dossier: Vereinbarkeit<br />

10 Mythos «Kind und Karriere»<br />

Frauen reiben sich auf zwischen Familie<br />

und Job. Denn wer als Mutter berufstätig<br />

ist, hat vor allem eins: ganz viel Stress.<br />

30 «Mütter, vernetzt euch!»<br />

Die Familienforscherin und Autorin Irene<br />

Mariam Tazi-Preve fordert ein<br />

gesellschaftliches Umdenken, wenn es<br />

um die Vereinbarkeit geht.<br />

Bild: Jan von Holleben<br />

34 5 Tipps – so wird ihr Leben leichter<br />

Familien, in denen beide Eltern beruflich<br />

eingespannt sind, haben es schwer. Es gibt<br />

Strategien, den Alltag zu erleichtern.<br />

Cover<br />

Das Leben zwischen<br />

Familie und Job ist ein<br />

andauernder<br />

Ausnahmezustand.<br />

Berufstätige Mütter<br />

wünschen sich ab und<br />

an, fliegen zu können.<br />

Bilder: Jan von Holleben, Marvin Zilm / 13 Photo, Ruben Hollinger / 13 Photo, iStockphoto<br />

4


60<br />

36<br />

72<br />

Wie sterben Kinder in der Schweiz, Eva<br />

Bergsträsser und Eva Cignacco?<br />

Wie arbeitet die KESB? Besuch bei einer<br />

umstrittenen Behörde.<br />

Vorsicht, Feuchtgebiete! Gummistiefel<br />

bieten den Nährboden für Fusspilzsporen.<br />

48 Die Lust am Schreiben<br />

Die Fähigkeit, sich schriftlich<br />

auszudrücken, bleibt im<br />

Zeitalter von Video, Fotos und<br />

Emojis eine Kernkompetenz.<br />

52 Kostenfaktor Kind<br />

Welche Anlageformen lohnen sich,<br />

wenn es darum geht, für den<br />

Nachwuchs Geld anzulegen?<br />

60 Ein Tag bei der KESB<br />

Sie steht ständig unter medialem<br />

Beschuss. Trotzdem hat die Kindesund<br />

Erwachsenenschutzbehörde<br />

für uns ihre Türen geöffnet.<br />

Eine Innenansicht.<br />

68 Können Steine weise sein?<br />

Kinderphilosophin Kristina Calvert<br />

erklärt, wie Eltern mit ihren Kindern<br />

ins Philosophieren kommen.<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

72 Wenn kleine Füsse jucken<br />

Fuss- und Nagelpilze sind lästige<br />

Krankheiten, können aber gut<br />

therapiert werden.<br />

76 Knochenfutter<br />

Gesundes Essen liefert alles für eine<br />

optimale Entwicklung der Knochen.<br />

Digital & Medial<br />

78 Splatoon, Toy Soldiers, Unravel<br />

Viele Eltern haben von den<br />

Lieblings-games ihrer Kinder keine<br />

Ahnung. Ein Überblick.<br />

82 Neue Medien in der Schule<br />

Wie die Swisscom Schüler im Umgang<br />

mit Smartphone und Co. schult.<br />

84 Mixed Media<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

36 Monatsinterview<br />

Eva Bergsträsser und Eva Cignacco<br />

über die Möglichkeiten, ein unheilbar<br />

krankes Kind bestmöglich zu begleiten.<br />

44 Jesper Juul<br />

Eine alleinerziehende Mutter dreier<br />

Kinder fühlt sich ausgelaugt. Der Rat<br />

des Familientherapeuten: «Denken Sie<br />

mehr an sich!»<br />

50 Fabian Grolimund<br />

Wenn Ihr Kind alles perfekt machen<br />

möchte, ist das nicht nur positiv.<br />

54 Stiftung Elternsein<br />

Ellen Ringier über mächtige Männer<br />

und den Wert der Familie.<br />

56 Leserbriefe<br />

75 Michèle Binswanger<br />

Über Aberglauben und wie dieser<br />

Eltern durch die Pubertät hilft.<br />

Service<br />

55 Abo<br />

81 Verlosung<br />

86 Unser Wochenende …<br />

… in Innerschwyz.<br />

88 Impressum/Sponsoren<br />

89 Buchtipps<br />

90 Eine Frage – drei Meinungen<br />

Was tun, wenn die Tochter in<br />

billiger Aufmachung in den<br />

Ausgang geht?<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 1. Dezember <strong>2016</strong>.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>5


Entdecken<br />

Gesunde<br />

Daumenlutscher<br />

3 FRAGEN<br />

Nägelkauen und Daumenlutschen<br />

sind Angewohnheiten, die Eltern<br />

ihren Kindern schnell abgewöhnen<br />

wollen. Doch sie haben eine gesunde<br />

Nebenwirkung. Der ständige Keimkontakt<br />

trainiert offenbar das<br />

Immunsystem und vermindert so<br />

allergische Reaktionen, etwa gegen<br />

Gräser, Hausstaubmilben oder Pilzsporen.<br />

Das ergab eine Untersuchung<br />

von mehr als 1000 neuseeländischen<br />

Kindern im Alter zwischen 5 und <strong>11</strong>.<br />

Den besten Allergieschutz hatten jene<br />

Probanden, die sowohl am Daumen<br />

lutschten als auch an den Nägeln kauten.<br />

Diese Kinder wollten wohl auf<br />

Nummer sicher gehen.<br />

an Marie-Louise Ernst, Projektleiterin Senior bei Sucht Schweiz<br />

«Mädchen dürfen Nein sagen!»<br />

Sucht Schweiz hat erstmals ein geschlechterspezifisches Präventionsprojekt<br />

gestartet. Denn die Gründe, wieso man eine Sucht entwickelt, sind bei<br />

jungen Männern und Frauen oft ganz unterschiedlich, erklärt Marie-Louise<br />

Ernst, Expertin in Genderfragen von Sucht Schweiz.<br />

Interview: Evelin Hartmann<br />

4 Stunden nach dem Lernen sollte<br />

man Sport treiben. Dann bleibt der Inhalt gut<br />

im Gedächtnis.<br />

(Für ein Experiment der niederländischen Radboud-Universität<br />

prägten sich Probanden Bilder ein. Einige gingen anschliessend<br />

sofort ins Fitnessstudio, andere nach 4 Stunden, die dritte<br />

Gruppe faulenzte. Am besten schnitt die zweite Gruppe ab.)<br />

Marie-Louise Ernst, wie unterscheiden sich Mädchen und Buben in ihrem<br />

Suchtverhalten?<br />

Buben weisen eher extravertierte Verhaltensweisen auf. Sie sind schon als<br />

Kinder lauter und körperlicher als Mädchen – manchmal auch aggressiver.<br />

Mädchen sind tendenziell introvertierter. Sie entwickeln ein höheres Schamempfinden,<br />

entwickeln schneller Schuldgefühle. Diese Geschlechter-Stereotypen<br />

spiegeln sich im Suchtverhalten wider: Während Buben zu Alkohol oder<br />

illegalen Substanzen greifen, entwickeln Mädchen eher Essstörungen oder<br />

selbstverletzendes Verhalten.<br />

Auch Mädchen trinken Alkohol.<br />

Aber während Buben einfach Spass haben und dazugehören wollen, geht es<br />

bei Mädchen eher darum, Probleme zu vergessen, nicht Nein sagen zu können,<br />

wenn ihnen etwas angeboten wird. Oder sie wollen mit den Buben gleichberechtigt<br />

sein.<br />

Was bezweckt Sucht Schweiz mit dieser geschlechterspezifischen<br />

Kampagne?<br />

Man weiss, dass zielgruppenspezifische Projekte und Angebote zu mehr Erfolg<br />

führen. Wir hoffen, die Lebenswelt der Jugendlichen so noch besser zu treffen.<br />

Auf keinen Fall wollen wir die geschlechterspezifischen Rollenbilder noch weiter<br />

festigen – sondern diese gemeinsam mit den Jugendlichen hinterfragen und<br />

erweitern. Ein Mädchen darf auch Nein sagen.<br />

www.suchtschweiz.ch, www.genderundpraevention.ch<br />

Film ab!<br />

Das bedeutendste Kurzfilmfestival der Schweiz lockt jedes Jahr<br />

Tausende von Filmfans in die Winterthurer Altstadt. Kein Wunder:<br />

Mit ihren tiefgründigen, skurrilen und originellen Filmen zählen<br />

die Kurzfilmtage Winterthur zu den wichtigsten und beliebtesten<br />

Kurzfilm-Events in ganz Europa – seit nunmehr 20 Jahren!<br />

Übrigens: Für die jungen Kinobesucher gibt es ein eigenes<br />

Programm ab 6 Jahren. Und Jugendliche können sich erstmals in<br />

den Kategorien 16+ und 18+ über spannende Filme freuen.<br />

8. bis 13. November, alle Infos auf www.kurzfilmtage.ch<br />

Bild: iStockphoto, Susanne Hefti / IKFTW<br />

6 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

Eine einfache Online-Krankenkasse<br />

Persönliche Beratung<br />

kpt.ch/beides<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>7


Entdecken<br />

Die kleine Hexe<br />

Finsteres Glück Spätabends wird die Psychologin Eliane Hess zu einem Notfall ins Spital<br />

gerufen. Eingeliefert worden ist der achtjährige Yves, der Stunden zuvor bei einem Autounfall seine<br />

Familie verloren hat. Der Junge steht unter Schock. Eliane, alleinerziehende Mutter zweier Töchter,<br />

bleibt fürs Erste professionell distanziert. Und doch bewegt sie das Schicksal des traumatisierten<br />

Jungen: Ist sein Vater absichtlich in die Tunnelwand gerast? «Jeder, der sich mit Kindern und Familien<br />

befasst, wird vieles, was uns in unserer Arbeit beschäftigt, wiedererkennen», sagt Dr. med. Monika<br />

Strauss, Oberärztin Psychosomatik am Kinderspital Zürich. Die Medizinerin stand dem Schweizer<br />

Filmemacher Stefan Haupt («Der Kreis») beratend zur Seite. «Finsteres Glück» läuft in den Schweizer<br />

Kinos. www.fontanafilm.ch<br />

Mit 127 Jahren ist die kleine<br />

Hexe noch viel zu jung für die<br />

Walpurgisnacht. Dabei ist es<br />

doch ihr sehnlichster Wunsch,<br />

mit den grossen Hexen auf<br />

dem Blocksberg zu tanzen.<br />

Als sie sich heimlich unter die<br />

anderen Hexen mischt und<br />

erwischt wird, muss sie sich<br />

als «gute» Hexe beweisen.<br />

Doch wie wird man eine<br />

«gute» Hexe? «Die kleine<br />

Hexe» fliegt ab November<br />

<strong>2016</strong> durch die Deutschschweiz<br />

und hext sich in die<br />

Herzen von Klein und Gross.<br />

Alle Infos und Tickets zu dem<br />

schönen Kindermusical gibt’s<br />

auf www.kindermusicals.ch.<br />

«Es gibt immer mehr Kinder<br />

mit Verhaltensauffälligkeiten<br />

bereits im Kindergarten.<br />

Diesen Kindern fehlt dann die<br />

Erfahrung, sich in eine Gruppe<br />

einzuordnen, zu warten,<br />

nicht immer im Mittelpunkt<br />

zu stehen.»<br />

(Beatrice Kronberg in einem Bericht der NZZ. Dort<br />

wird thematisiert, dass sich Kindergärtnerinnen über<br />

die steigende Zahl an schwierigen Kindern sorgen.)<br />

Beatrice Kronberg ist<br />

Direktorin des<br />

Schweizer Zentrums<br />

für Heil- und<br />

Sonderpädagogik.<br />

«Wie geht’s dir?»<br />

Wenn Kinder psychische Probleme haben, sind<br />

auch die Eltern im Alltag stark gefordert. Sie leiden<br />

unter Selbstzweifeln, sind traurig, fühlen sich<br />

hilflos. Sind Vater oder Mutter selbst von<br />

psychischen Problemen betroffen, haben sie oft<br />

Sorge, den Anforderungen als Eltern nicht<br />

gewachsen zu sein. Aus diesem Grund widmet sich<br />

die Stiftung Pro Mente Sana im dritten Teil ihrer<br />

Kampagne «Wie geht’s dir?» dem Thema<br />

Psychische Gesundheit und Erkrankungen in<br />

der Familie: Wie zeigt sich eine psychische<br />

Erkrankung bei Kindern und Eltern? Wie spricht<br />

man diese Probleme in der Familie an? Die<br />

Broschüre «Psychische Gesundheit und<br />

Erkrankungen in der Familie. Anregungen für Eltern<br />

und Bezugspersonen» ist zu finden auf<br />

www.wie-gehts-dir.ch.<br />

Bilder: ZVG, Franziska Frutiger<br />

8 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


PLÜSCH 30 CM<br />

Ab 4 J.<br />

P0-38161909<br />

je 16.90<br />

KRÖNUNGSSAAL<br />

Die Knospe lässt sich zu einem Krönungssaal öffnen und<br />

offenbart eine leuchtende Tanzfläche mit Drehfunktion.<br />

Inkl. Poppy und Branch als ca. 10 cm grosse Trolls sowie<br />

<strong>11</strong> Accessoires. Ab 4 J. P0-38161906<br />

39.90<br />

HIT<br />

49.90<br />

GUY DIAMOND 35 CM<br />

Ab 4 J. P0-38161910<br />

49.90<br />

TROLL 10 CM MIT ZUBEHÖR<br />

Eine grosse Auswahl verschiedener<br />

Charakteren erhältlich.<br />

Ab 4 J. P0-38161903<br />

16.90<br />

KUSCHELZEIT POPPY 35 CM<br />

Die grosse Anführerin spricht, bewegt sich zur Musik,<br />

lässt ihr Haar fröhlich leuchten und kann mithilfe<br />

des Armbands sogar mit ihrer Besitzerin interagieren.<br />

Inkl. Batterien. Ab 4 J. P0-381619<strong>11</strong><br />

69.90<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>9


Dossier<br />

Die Lüge von<br />

der Vereinbarkeit<br />

Wer Kinder hat und Karriere machen möchte, zahlt einen hohen<br />

Preis – besonders als Frau. Mütter reiben sich auf zwischen<br />

Familie und Beruf. Denn die viel zitierte Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf bedeutet vor allem eins: ganz viel Stress.<br />

Eine Entmystifizierung. Text: Sibylle Stillhart Bilder: Jan von Holleben<br />

10 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong><strong>11</strong>


Dossier<br />

Die Bilder für dieses Dossier stammen vom<br />

deutschen Fotografen, Künstler, Illustrator<br />

und Autor Jan von Holleben. Zu seinem<br />

Universum gehören neben der Kamera, vielen<br />

kleinen und grossen Spielkindern und<br />

haufenweisen Alltagsgegenständen auch<br />

literweise Kräutertee, Tonnen an Müesli sowie<br />

kunterbunte Socken.<br />

Salome ist froh, dass sie<br />

nicht mehr arbeiten muss.<br />

Nach der Geburt ihres<br />

zweiten Kindes wurde ihr<br />

Job zusehends zur Belastung.<br />

«Ich hatte wenig zu tun im<br />

Büro, fragte mich je länger, je mehr<br />

nach dem Sinn meiner Stelle, während<br />

zu Hause unzählige Arbeiten<br />

hätten erledigt werden sollen», erinnert<br />

sich die Juristin.<br />

Nach der Geburt des dritten Kindes<br />

reichte sie die Kündigung ein.<br />

Ihr Mann hatte inzwischen einen<br />

Chefposten ergattert, ein Vollzeitpensum.<br />

«Zudem wollte ich mir den<br />

Stress nicht mehr länger zumuten,<br />

die Kinder an meinem Job vorbeizujonglieren»,<br />

erzählt Salome.<br />

«Mittlerweile geniesse ich es so richtig,<br />

bei meinen Kindern zu sein.»<br />

Allerdings spricht sie nur im<br />

engsten Freundeskreis offen über<br />

ihre Situation: «Ich meine, darf man<br />

heute überhaupt noch sagen, dass<br />

einem die Kinder mehr am Herzen<br />

liegen als der Job, ohne den Stempel<br />

einer Konservativen zu haben?»<br />

Die Ökonomin Sabine pendelte<br />

dreimal die Woche von Bern nach<br />

Zürich – frühmorgens gab sie in der<br />

Kita ihre beiden Mädchen ab und<br />

rannte anschliessend auf den Zug.<br />

Als sie im Büro erzählte, dass sie<br />

Mühe hätte, ihre weinende Tochter<br />

einer ihr fremden Betreuerin in die<br />

Arme zu drücken, erntete sie ein<br />

müdes Lächeln. «Man sagte mir, ich<br />

sei eben eine Glucke, die ihre Kinder<br />

nicht loslassen könne.»<br />

Sabine verstand die Welt nicht<br />

mehr, nahm sie doch einen mehr als<br />

zweistündigen Arbeitsweg auf sich,<br />

um weiterzuarbeiten. Irgendwann<br />

wurde ihr die Belastung zu viel.<br />

«Hätte ich so weitergemacht, wäre<br />

ich in ein Burnout geschlittert», sagt<br />

sie. «Allein schon wegen meiner<br />

Töchter konnte ich mir das nicht<br />

leisten.»<br />

Exakt deshalb hat Nadine ihren<br />

Job reduziert. Heute arbeitet die<br />

Politologin noch einen Tag die<br />

Woche als wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

– meistens von zu Hause<br />

aus, weil sich das mit der Betreuung<br />

ihrer beiden schulpflichtigen Buben<br />

am einfachsten vereinbaren lässt.<br />

Nach der Geburt des ersten Kindes<br />

hatte sie sich die Betreuung mit<br />

ihrem Mann noch «einigermassen<br />

gleichmässig» geteilt. Er reduzierte<br />

auf 80 Prozent; sie arbeitete 60 Prozent.<br />

«Das war aber ein riesiger<br />

Stress», erinnert sie sich. Am Abend<br />

sah die Wohnung aus, als hätte eine<br />

Bombe eingeschlagen. Zeit, um auszuruhen,<br />

blieb keine. Gemeinsam<br />

hätten sie dann die Kinder gefüttert,<br />

sie ins Bett gebracht, die Wohnung<br />

aufgeräumt, bevor sie erschöpft ins<br />

Bett sanken.<br />

Hinzu kam, dass ihr Mann bei<br />

der Arbeit vermehrt bessere Angebote<br />

erhielt, stets mehr ver-<br />

Die sogenannte Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie wird uns seit<br />

Jahren als harmonisch verkauft.<br />

Die Realität sieht anders aus. >>><br />

12 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>13


Dossier<br />

14 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Die Strukturen in der<br />

Arbeitswelt sind so unbeweglich<br />

wie vor 50 Jahren. Einzig die<br />

Kita-Plätze haben sich erhöht.<br />

>>> diente, während Nadine nach<br />

einem Jobwechsel eine Lohneinbusse<br />

von 30 Prozent hinnehmen<br />

musste und zu blossen Sekretariatsarbeiten<br />

verdonnert wurde. Irgendwann<br />

wurde es ihr zu viel, sie nahm<br />

sich eine Auszeit, um wieder zu<br />

Kräften zu kommen.<br />

Drei Frauen, drei Szenarien, eine<br />

Rechtfertigung: Heute müssen sich<br />

Frauen verteidigen, wenn sie den Job<br />

an den Nagel hängen, um für ihre<br />

Kinder da zu sein. Denn die Maxime<br />

in Sachen Vereinbarkeit lautet: Wer<br />

will, kann auch. Hey, dröhnt es aus<br />

allen Richtungen, ihr müsst euch<br />

nur genügend anstrengen, dann seid<br />

ihr auch so gut organisiert wie alle<br />

anderen Powerfrauen. Dabei hat sich<br />

an den Rahmenbedingungen viel<br />

weniger geändert, als man glauben<br />

könnte.<br />

Starre Strukturen<br />

Die Strukturen in der Arbeitswelt<br />

sind so unbeweglich wie vor 50 Jahren;<br />

nach wie vor wird mehr Wert<br />

auf lange Präsenzzeit gelegt als auf<br />

den Output. Zudem diskutiert die<br />

Politik die Vereinbarkeit nur halbherzig.<br />

Einzig die Anzahl Kita-Plätze<br />

hat sich erhöht. Doch reduziert<br />

haben sich die Selbstzweifel und das<br />

schlechte Gewissen der Frauen nicht:<br />

«Ich habe zusehends Mühe, meine<br />

Kinder wegzugeben, bloss damit ich<br />

für einen Arbeitgeber attraktiv bleibe»,<br />

gibt etwa Daniela zu.<br />

Als die Anwältin nach dem<br />

14-wöchigen Mutterschaftsurlaub<br />

ihren Sohn in fremde Hände gab,<br />

fühlte sie sich, als würde ihr das<br />

Herz aus dem Leibe gerissen. Auf<br />

Verständnis in ihrem Umfeld konnte<br />

die Angestellte nicht zählen. «Von<br />

einer modernen Mutter wird >>><br />

15


Dossier<br />

>>> heute erwartet, dass sie ihr<br />

dreimonatiges Baby ohne Reue<br />

fremdbetreuen lässt, um schnellstmöglich<br />

an den Arbeitsplatz zurückzukehren.»<br />

Bei Daniela war das Gegenteil der<br />

Fall. Sie vermisste nicht nur ihr<br />

Kind, auch die Arbeit erschien ihr<br />

fade. Und in Sachen Beförderung<br />

erwies sich ihre Mutterschaft als<br />

Karrierekiller: Daniela wurde einfach<br />

übergangen. Ihr Vorgesetzter<br />

war der Meinung, als Mutter sei sie<br />

nicht mehr flexibel genug für einen<br />

verantwortungsvollen Job.<br />

Drei Frauen, drei Ausnahmen?<br />

Mitnichten. Die sogenannte Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie wird<br />

uns seit Jahren als «harmonisch»<br />

und «befriedigend» verkauft. Erfolgreiche,<br />

glückliche und reiche Firmengründerinnen,<br />

Ministerinnen<br />

und weibliche CEOs lassen sich mit<br />

aufmunternden Worten zitieren<br />

oder schreiben Bücher über ihren<br />

Willen zum Erfolg.<br />

Keine Einzige spricht oder<br />

schreibt von Augenringen, schlaflosen<br />

Nächten oder Organisationskatastrophen<br />

wegen Grippe, Prüfungsangst<br />

oder einem Zug, der<br />

morgens schon wieder Verspätung<br />

hat.<br />

Der Alltag von ganz normalen<br />

erwerbstätigen Eltern ist nüchtern<br />

betrachtet ein permanent andauernder<br />

Ausnahmezustand. Sie klagen<br />

über «Stress», «zu wenig Zeit». Sie<br />

fühlen sich «wie in einem Hamsterrad».<br />

Sie führen ein Leben in der<br />

Rushhour, strampeln sich täglich ab,<br />

bringen ihre Kinder frühmorgens in<br />

die Kita, eilen ins Büro, arbeiten<br />

über Mittag durch und hasten nach<br />

Feierabend noch in den Supermarkt<br />

– bevor sie zu Hause das Abendessen<br />

zubereiten und die Kinder ins<br />

Bett bringen.<br />

Der Alltag von erwebstätigen<br />

Eltern ist ein andauernder<br />

Ausnahmezustand.<br />

«Zwischen 1997 und 2013 zeigt sich<br />

eine Zunahme der zeitlichen Gesamtbelastung<br />

für alle Väter und Mütter<br />

in Paarhaushalten», hält das Bundesamt<br />

für Statistik (BfS) in seiner jüngsten<br />

Auswertung fest. Mütter und<br />

Väter von kleinen Kindern arbeiteten<br />

insgesamt durchschnittlich 68 re -<br />

spektive 70 Stunden pro Woche. Allmählich<br />

wird klar, dass «Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf» vor<br />

allem bedeutet, nahtlos am Stück zu<br />

arbeiten.<br />

Dass sich Kinder und Karriere<br />

reibungsfrei vereinbaren lassen, ist<br />

also ein Mythos. Es ist an der Zeit,<br />

diesen Mythos zu entlarven. Herauszufinden,<br />

was in dieser Debatte<br />

schiefläuft.<br />

Mythos 1: Hausarbeit und Kinderbetreuung<br />

werden sich ebenbürtig<br />

auf Mütter und Väter verteilen,<br />

wenn beide erwerbstätig sind.<br />

Falsch: Hausarbeit und Kinderbetreuung<br />

liegen nach wie vor in der<br />

Verantwortung der Frau.<br />

Immer mehr Frauen arbeiten nach<br />

der Geburt eines Kindes weiter, die<br />

meisten – 63 Prozent – Teilzeit. Die<br />

Hoffnung, dass Männer ihr Arbeitspensum<br />

ebenfalls reduzieren<br />

würden, um sich mit ihren erwerbstätigen<br />

Partnerinnen Haushalt und<br />

Kinder zu teilen, hat sich aber als<br />

Irrtum erwiesen.<br />

Laut Bundesamt für Statistik<br />

(BfS) tragen nach wie vor gut drei<br />

Viertel der erwerbstätigen Frauen<br />

die Hauptverantwortung für Hausarbeit<br />

und Kinderbetreuung allein.<br />

In Zahlen ausgedrückt: Mütter wenden<br />

durchschnittlich 55,5 Stunden<br />

pro Woche dafür auf, dass der Kühlschrank<br />

gefüllt, das Essen gekocht<br />

und die Wohnung aufgeräumt ist,<br />

die Kleider gewaschen und die Kinder<br />

zufrieden sind.<br />

Geht sie zusätzlich einer Erwerbsarbeit<br />

nach, erhöht sich der durchschnittliche<br />

Arbeitsaufwand auf 68<br />

Stunden. Das sind täglich knapp 10<br />

Stunden, auch samstags und sonn-<br />

16 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


tags. Die vermehrte Er-werbsbeteilung<br />

der Mütter, die in den letzten<br />

Jahren zu beobachten ist, führt zu<br />

einer noch grösseren Gesamtbelastung<br />

der Frau, lautet das Fazit der<br />

BfS-Studie.<br />

Allerdings ist auch das durchschnittliche<br />

Arbeitspensum der<br />

Männer enorm. Sie müssen aufgrund<br />

ihrer erwerbstätigen Frauen vermehrt<br />

im Haushalt mit anpacken:<br />

30,5 Stunden pro Woche Hausarbeit<br />

leisten Väter in Familien mit kleinen<br />

Kindern. Kumuliert mit der Erwerbsarbeit<br />

– die in den meisten Fällen ein<br />

Vollzeitpensum von mindestens 40<br />

Stunden umfasst – ist das ebenfalls<br />

ein beachtliche 70-Stunden-Woche.<br />

Mythos 2: «Moderne Väter» kümmern<br />

sich mehr um ihren Nachwuchs<br />

als um ihre Karriere.<br />

Falsch: Beruflicher Erfolg ist<br />

Vätern wichtiger als die Familie.<br />

Ja, es gibt sie, die «modernen Väter»,<br />

die ihre Babys stolz im Tragetuch<br />

spazieren führen, sie mit Brei füttern<br />

und im Supermarkt Windeln<br />

kaufen.<br />

Tatsächlich glaubt man, dass<br />

«moderne Väter» ihre berufstätigen<br />

Partnerinnen zu Hause entlasten.<br />

Wünschen tun es sich einige – wie<br />

eine repräsentative Studie von Pro<br />

Familia zeigt, die sich generell mit<br />

dem Teilzeitarbeitswunsch von<br />

Erwerbstätige Mütter<br />

arbeiten täglich zehn Stunden,<br />

auch samstags und sonntags.<br />

Männern (nicht nur Vätern) befasst.<br />

Sie besagt, dass 9 von 10 Männern<br />

gerne Teilzeit ar beiten würden.<br />

Doch Wunsch und Wirklichkeit<br />

klaffen weit auseinander: 9 von 10<br />

Vätern arbeiten nach wie vor Vollzeit.<br />

«Der engagierte Vater, der sich<br />

die Familienarbeit partnerschaftlich<br />

mit der Mutter teilt, ist ein Exot»,<br />

sagt die österreichische Familienforscherin<br />

Irene Mariam Tazi-Preve.<br />

Der Mann sei erwerbsorien- >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>17


Dossier<br />

>>> tiert und definiere sich über Konflikt zwischen Beruf und Familie,<br />

seinen Beruf, über seine Position,<br />

das Geld – und erst dann über seine<br />

Kinder, so Tazi-Preve (vgl. In terview<br />

entscheidet sich die Mehrheit der<br />

Männer – ganz im Gegensatz zu den<br />

Müttern – für den Beruf.<br />

Seite 30). Auf ein ähnliches Resultat<br />

kommt eine Studie des deutschen<br />

Instituts für Demoskopie Allensbach,<br />

in der 947 Männer zwischen<br />

Mythos 3: Ein hohes Arbeitspensum<br />

ist Ausdruck für ein emanzipiertes<br />

Leben.<br />

18 und 65 Jahren befragt wurden:<br />

Der Erfolg im Beruf ist für die meisten<br />

Männer wichtiger als die Familie.<br />

Kommt es zu einem zeitlichen<br />

Falsch: Zu viel Arbeit macht krank.<br />

Die Arbeitsbelastung, die sowohl<br />

Väter wie auch Mütter wöchentlich<br />

bewerkstelligen, bleibt nicht folgenlos.<br />

Eine Studie des Staatssekretariats<br />

für Wirtschaft (SECO) ergab, dass<br />

rund ein Drittel der Erwerbstätigen<br />

häufig oder sehr häufig gestresst ist.<br />

Dies sind 30 Prozent mehr als noch<br />

vor zehn Jahren.<br />

Burnout bei Hausfrauen und<br />

berufstätigen Müttern nimmt zu.<br />

18 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Frauen mit einer 60-Stunden-<br />

Woche haben ein dreimal höheres<br />

Risiko, an Krebs zu erkranken oder<br />

einen Herzinfarkt zu erleiden.<br />

Kur machten, lag im Jahr 2003 noch<br />

bei 49 Prozent. Zehn Jahre später<br />

waren es bereits 86 Prozent. Zeitdruck<br />

und zu wenig Anerkennung<br />

für ihre Arbeit belasten Mütter am<br />

meisten.<br />

Amerikanische Wissenschaftler<br />

haben zudem herausgefunden, dass<br />

Frauen mit einer 60-Stunden-<br />

Woche ein dreimal so hohes Risiko<br />

haben, an Krebs, Arthritis oder Diabetes<br />

zu erkranken oder einen Herzinfarkt<br />

zu erleiden. Auslöser sei der<br />

gesundheitsschädigende Einfluss<br />

von multiplem Stress, der durch die<br />

Mehrfachbelastung von Kindern<br />

und Haushalt entsteht.<br />

Mythos 4: Wer mehr arbeitet, hat<br />

auch mehr Geld.<br />

Während Männer Deadlines, nervende<br />

Chefs oder belastende<br />

Arbeitszeiten als Stressfaktoren<br />

nennen, kämpfen Frauen am häufigsten<br />

damit, Job und Familie unter<br />

einen Hut zu bringen. Hinzu<br />

kommt, dass die Doppelbelastung<br />

vermehrt zu psychischen Störungen<br />

führt. «Burnout bei Hausfrauen und<br />

bei berufstätigen Müttern nimmt<br />

tendenziell zu», sagte Wulf Rössler,<br />

Vorsteher und Klinikdirektor der<br />

Psychiatrischen Universitätsklinik<br />

Zürich.<br />

Ähnliches ist in Deutschland zu<br />

beobachten: Die Zahl der Mütter<br />

mit Erschöpfungssyndrom bis hin<br />

zum Burnout mit Schlafstörungen,<br />

Angstzuständen oder Kopfschmerzen<br />

ist gemäss Anne Schilling,<br />

Geschäftsführerin des Müttergenesungswerkes<br />

in Berlin, deutlich<br />

gestiegen. Der Anteil der Mütter, die<br />

wegen psychischer Störungen eine<br />

Falsch: Wir arbeiten immer mehr<br />

für immer weniger Geld.<br />

Mütter und Väter arbeiten immer<br />

mehr – und kommen trotzdem auf<br />

keinen grünen Zweig: Teure Kinderbetreuungskosten,<br />

die Steuerprogression<br />

bei zwei Einkommen,<br />

explodierende Krankenkassenprämien<br />

und die Wohnungsmieten<br />

belasten das Portemonnaie der Mittelschicht.<br />

Oft ist am Ende des<br />

Monats kaum mehr Geld übrig, auch<br />

wenn beide Eltern in hohen Pensen<br />

arbeiten.<br />

Monika Bütler, Wirtschaftsprofessorin<br />

an der Universität St. Gallen,<br />

hat bereits vor Jahren herausgefunden,<br />

dass sich ein Zweiteinkommen<br />

oft gar nicht lohnt. Ein Krippenplatz<br />

kostet im Durchschnitt pro Tag <strong>11</strong>0<br />

Franken. Bei durchschnittlich 22<br />

Krippentagen pro Monat ergibt sich<br />

ein stattlicher Betrag, der einem<br />

Drittel des Haushaltseinkommens<br />

einer Durchschnittsfamillie >>><br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>19


Dossier<br />

>>> entspricht, wie die Universität<br />

St. Gallen in einer Studie 2013 herausfand.<br />

Schweizer Familien bezahlen<br />

damit für die externe Kinderbetreuung<br />

doppelt so viel wie Eltern in<br />

24 anderen europäischen Ländern.<br />

Kommen die Kinder in die Schule,<br />

reduzieren sich die Beiträge zwar,<br />

sind aber vergleichsweise immer<br />

noch hoch. So kostet ein Hortplatz<br />

mit Mittagessen und Nachmittagsbetreuung<br />

pro Kind und Tag 70<br />

Franken. Wer eine ausgebildete<br />

Nanny beschäftigt, muss bei Vollzeit<br />

mit monatlichen Kosten von bis zu<br />

4500 Franken rechnen.<br />

Deshalb macht die Erwerbstätigkeit<br />

einer Zweitverdienerin laut Bütler<br />

erst dann Sinn, wenn der Nettolohn<br />

einer Vollzeitanstellung nach<br />

Steuern und anderen Berufsauslagen<br />

mindestens 50 000 Franken<br />

beträgt. Das heisst: Selbst für gut<br />

ausgebildete Mütter lohnt es sich<br />

finanziell nicht, zu arbeiten. Trotzdem<br />

arbeiten immer mehr Frauen<br />

nach der Geburt weiter – der Anteil<br />

nicht erwerbstätiger Frauen ist seit<br />

1992 von rund 40 auf 20 Prozent<br />

gesunken. Frauen in der Schweiz<br />

bezahlen also dafür, dass sie zur<br />

Arbeit gehen dürfen.<br />

Mythos 5: Männer und Frauen<br />

haben die gleichen Chancen auf<br />

dem Arbeitsmarkt.<br />

Falsch: Weibliche Arbeit wird nach<br />

wie vor schlechter oder gar nicht<br />

bezahlt.<br />

In der Arbeitswelt zählen immer<br />

noch dieselben starren Mechanismen<br />

wie vor 50 Jahren: Noch immer gilt<br />

als produktiv, wer von frühmorgens<br />

bis spätabends an seinem Arbeitsplatz<br />

ausharrt, egal wie effizient er<br />

tatsächlich ist. «Karriere in >>><br />

Erfolg im Job ist für<br />

die meisten Männer<br />

wichtiger als die Familie.<br />

20 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>21


Dossier<br />

22 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf ist eine trügerische Behauptung<br />

von Politik und Wirtschaft.<br />

>>> Deutschland», hat der Trendforscher<br />

Matthias Horx einmal<br />

geschrieben, «ist ein Wettbewerb um<br />

Anwesenheitszeiten, um kommunikative<br />

Präsenz. Wer führt, muss nach<br />

einem Acht-Stunden-Tag noch für<br />

Meetings und Absprachen an der Bar<br />

zur Verfügung stehen. Kann sein<br />

Wochenende vergessen. Muss immer<br />

erreichbar sein.»<br />

In der Schweiz ist das nicht<br />

anders. Kaum eine Mutter kann es<br />

sich leisten, zwölf Stunden bei der<br />

Arbeit auszuharren oder am Feierabend<br />

mit ihren Kollegen abzuhängen.<br />

Frauen hetzen nach Büroschluss<br />

nach Hause zu den Kindern,<br />

während es für Männer verpönt ist,<br />

um 17 Uhr wegen der Kinder das<br />

Büro zu verlassen.<br />

Zudem verdienen Männer immer<br />

noch 20 bis 30 Prozent mehr als<br />

Frauen. In «typischen Männerberufen»<br />

– wie etwa in der Banken-,<br />

Auto- oder Versicherungsbranche<br />

– ist der Lohn schon von Beginn an<br />

höher angesetzt als etwa im Pflegebereich,<br />

wo sich vermehrt Frauen<br />

um Kleinkinder, Kranke und ältere<br />

Leute kümmern.<br />

Hinzu kommt die unbezahlte<br />

Arbeit: Haushalt, Kinderbetreuung<br />

und die Pflege bedürftiger Angehöriger.<br />

2013 wurden in der Schweiz<br />

dafür 8,7 Milliarden Stunden gearbeitet,<br />

was einem Geldwert von 401<br />

Milliarden Franken entspricht, wie<br />

das Bundesamt für Statistik berechnet<br />

hat.<br />

Es sind vorwiegend Frauen (62<br />

Prozent), die diese unbezahlten<br />

Tätigkeiten ausführen, während 62<br />

Prozent der Männer bezahlter Arbeit<br />

nachgehen. Weil Frauen oft gratis<br />

arbeiten oder schlechter bezahlt<br />

sind, droht ihnen die Gefahr der<br />

Altersarmut, weil unbezahlte oder<br />

schlecht bezahlte Arbeit nicht ren­<br />

tenrelevant ist. Auch bekommen<br />

Frauen im Alter eine kleinere Pension,<br />

obwohl sie lebenslang gearbeitet<br />

haben.<br />

Mythos 6: Die emanzipierte Frau<br />

kann problemlos Beruf und Arbeit<br />

vereinbaren.<br />

Falsch: Die Karrierefrau mit Kindern<br />

ist die Ausnahme.<br />

Das Bild der beruflich erfolgreichen<br />

Mutter, die ihre Karriere verfolgt,<br />

während sie spielend drei Kinder<br />

aufzieht, ist heute genauso ideologisiert<br />

wie unlängst das überhöhte Bild<br />

der duldsamen Mutter, die sich für<br />

ihren Mann und ihre Kinder aufopfert.<br />

Beides hat mit der Realität<br />

wenig zu tun. Auch in den ehemaligen<br />

sozialistischen Ländern, in<br />

denen die Strukturen so ausgelegt<br />

waren, dass Mütter voll erwerbstätig<br />

waren, blieb die Karrierefrau mit<br />

Kindern die Ausnahme. Während<br />

Frauen vorwiegend assistierende<br />

Tätigkeiten ausführten, hatten die<br />

Männer die interessanten Jobs –<br />

Männer befahlen, Frauen dienten.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf ist eine trügerische Be ­<br />

hauptung von Wirtschaft und Politik.<br />

Dieses Hin und Her zwischen den<br />

Ansprüchen der Arbeitswelt und der<br />

Familie zehrt an der Substanz – bei<br />

Vätern wie auch bei Müttern. Trotzdem<br />

werden wir dazu angehalten,<br />

immer mehr und immer länger zu<br />

arbeiten. In der Europäischen Union<br />

hat sich der Appell des «dual earner<br />

couple» – der Integration beider<br />

Elternteile in die Arbeitswelt – schon<br />

seit längerer Zeit etabliert. Beide<br />

Eltern sollen möglichst Vollzeit<br />

arbeiten, um eigenverantwortlich ihr<br />

Leben zu verdienen, während die<br />

staatlichen Leistungen ausgedünnt<br />

oder abgeschafft werden. >>><br />

23


Dossier<br />

>>> Der Ruf nach der weiblichen<br />

Arbeitskraft hat nichts mit einem<br />

emanzipierten, selbstbestimmten<br />

Leben zu tun: Es geht nicht darum,<br />

den Frauen in der Arbeitswelt die<br />

gleichen Rechte wie den Männern<br />

einzuräumen oder ihnen einen Lohn<br />

zu bezahlen, mit dem sie eine Familie<br />

ernähren könnten. Will die Wirtschaft<br />

mehr weibliche Arbeitnehmerinnen,<br />

dann nur, um den Profit<br />

des Unternehmens oder die Wirtschaftskraft<br />

des Landes zu steigern.<br />

Und wer fragt die Kinder?<br />

Bemerkenswert ist, dass bei der ganzen<br />

Vereinbarungsdebatte das Wohl<br />

der Kinder nicht im Zentrum steht.<br />

Noch vor 20 Jahren wurden<br />

Kinder bemitleidet, die eine<br />

Krippe besuchen mussten.<br />

Noch vor 20 Jahren wurden Kinder<br />

bemitleidet, die eine Krippe besuchen<br />

mussten. Heute werden Eltern<br />

schräg angeguckt, die ihre Kinder<br />

nicht fremdbetreuen lassen – obwohl<br />

eine Studie aus dem Jahre 2012 die<br />

Qualität in Schweizer Kitas sogar als<br />

«durchzogen» beurteilt. Es fehle an<br />

Personal und finanziellen Ressourcen,<br />

um eine qualitative Betreuung<br />

zu gewährleisten.<br />

Es ist falsch, dass sich Familien<br />

den Bedürfnissen der Arbeitgeber<br />

unterordnen müssen. Kinder sollen<br />

nicht weggebracht, fremdbetreut<br />

und rumgeschoben werden, nur<br />

damit ihre Eltern als Arbeitskräfte<br />

verfügbar sind. Es muss umgekehrt<br />

sein: Die Arbeitswelt muss sich den<br />

familiären Bedürfnissen anpassen.<br />

In einer familienfreundlichen<br />

Gesellschaft darf die Vereinbarung<br />

von Beruf und Familie nicht dazu<br />

führen, dass Väter wie Mütter 100<br />

Prozent arbeiten. Eher sollten >>><br />

Kinder haben:<br />

das grösste Glück –<br />

der grösste Stress<br />

Eltern stehen permanent unter Druck,<br />

fühlen sich femdbestimmt. Warum ist<br />

das so? Und was kann man dagegen<br />

tun? Text: Claudia Landolt<br />

1. Multitasking<br />

Eltern sind Meister darin, tausend Dinge<br />

gleichzeitig zu erledigen. Doch diese<br />

Fähigkeit, die man automatisch erlernt,<br />

wenn man Mutter oder Vater wird, hat<br />

ihre Tücken. Zumindest, wenn man der<br />

Arbeitsmarkt-Analyse glaubt, die der<br />

Deutsche Gewerkschaftsbund regelmässig<br />

erstellt. Darin geben 65 Prozent der total<br />

5000 Befragten an, dass Multitasking<br />

für sie der grösste Stress bedeute.<br />

Gleichzeitig mit mehreren Projekten<br />

und Aufgaben jonglieren zu müssen, sei<br />

besonders nervenaufreibend. Neurologen<br />

bestätigen, dass unser Gehirn dafür gar<br />

nicht geschaffen ist. Eine Untersuchung<br />

der Stanford University um den Forscher<br />

Clifford Nass ergab, dass Multitasker eine<br />

durchwegs schlechtere Denkleistung<br />

aufwiesen als Personen, die sich nur einer<br />

Sache widmen.<br />

2. Kinderbetreuung<br />

Die Schweiz ist diesbezüglich Ödland.<br />

Wer mit Kind arbeiten will, kann dies nur,<br />

wenn die Grosseltern einspringen oder der<br />

Geldbeutel weit geöffnet wird (vgl. Mythos<br />

4, Seite 19). 67 Prozent der Kinderbetreuungskosten<br />

müssen nach Abzug der<br />

Steuern von den Eltern getragen werden:<br />

Das ist die bittere Wahrheit. Die Schweiz<br />

bestraft alles, was nicht dem traditionellen<br />

Modell eines Familienhaushaltes<br />

entspricht. Das muss man entweder aushalten<br />

– oder man wandert aus!<br />

3. Müdigkeit<br />

Müde in Vollzeit ist die Crux aller Eltern.<br />

Anfänglich, wenn das Baby im Zweistundentakt<br />

gestillt werden will. Später, wenn<br />

die bösen Träume kommen. Danach sind<br />

es Wachstumsschmerzen, Erlebnisse und<br />

Ängste, die verarbeitet werden müssen.<br />

Der Wechsel der Schlafgewohnheiten in<br />

der Pubertät, das Warten, bis die Teenie-<br />

Tochter endlich nach Hause kommt.<br />

Nicht zu vergessen die diversen Krankheiten,<br />

die es zu überstehen gilt. Und der<br />

persönliche Stress, der einen schlaflos<br />

macht.<br />

Irgendwann ist man selbst so weit, dass<br />

man nicht mehr in den Schlaf findet.<br />

Diesen Momenten allergrösster<br />

Erschöpfung und Einsamkeit können<br />

Väter und Mütter nicht entgehen, leider.<br />

Ein kleiner Trost: Alle, die Kinder haben,<br />

kennen diese Momente. Und nur sie verstehen<br />

die Grösse dieser Erfahrung – in<br />

jeder Hinsicht.<br />

24 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

4. Fremdbestimmung<br />

Die Flexibilität eines Erwachsenenlebens<br />

endet abrupt mit der Geburt des ersten<br />

Kindes. Keine spontanen Städtetrips mehr,<br />

Essen im angesagten Restaurant nur noch<br />

sporadisch, wenig(er) Sex. Stattdessen:<br />

Ferien im Reka-Dorf, Mahlzeiten in der Pizzeria.<br />

Am Sonntag werden die elterlichen<br />

Terminkalender abgeglichen und die Aufgaben<br />

für die kommenden Tage verteilt –<br />

eine Managementherausforderung. Nicht<br />

lustig!<br />

Machen Kinder und der Rhythmus,<br />

den sie uns aufzwingen, also faktisch<br />

unglücklich? Erkenntnisse der Glücksforscher<br />

(etwa Keith Campbell und<br />

Jean Twenge) beweisen, dass Kinder<br />

tatsächlich nicht glücklich machen. Wer<br />

Kinder bekommt, ist in den ersten Jahren<br />

eher unglücklich. Während der Schulzeit<br />

steigt die Glückskurve wieder an, ehe<br />

sie in der Pubertät vollends in den Keller<br />

rutscht. Erst wenn der Nachwuchs aus<br />

dem Haus ist, sind viele Eltern wieder<br />

richtig glücklich. Glücksphilosophen wie<br />

etwa Wilhelm Schmid sagen indes, auf<br />

Eltern treffe eher das «Glück der Fülle» zu,<br />

eine Art Ganzheitsglück, in dem extreme<br />

Erfahrungen gemacht würden, nicht nur<br />

Freude, sondern auch Schmerz. Also viele<br />

Höhen und ein paar Tiefen zu durchleben,<br />

die man bestenfalls als Erfahrung ansehen<br />

kann. Kinder zu haben, schenke den<br />

Menschen viel Wertvolles, das zum Glück<br />

beitrage.<br />

5. Selbstaufgabe<br />

Kinder zwingen einem nicht nur ihren<br />

Rhythmus auf, sie bringen eine Identitätswandlung<br />

mit. Die Geburt eines Kindes<br />

bedeutet, dass sich sowohl Männer als<br />

auch Frauen in einer neuen Rolle erleben<br />

und diese Rolle ein neuer Teil der Identität<br />

wird. Frauen machen diese Erfahrung<br />

früher, und sie ist durch Schwangerschaft<br />

und Stillen vielleicht ausgeprägter. Es<br />

wäre völlig verrückt, diese Erfahrung auszublenden.<br />

Mütter sind die gleichen Personen<br />

wie vorher. Dennoch fällt es gerade<br />

ihnen schwer, auf ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zu achten und sich einzugestehen, dass es<br />

zu viel wird.<br />

Wenn wir den ganzen Tag damit<br />

beschäf-tigt sind, es dem Chef, den Kollegen<br />

und den Kindern recht zu machen,<br />

besteht die Gefahr, sich selbst zu vernachlässigen.<br />

Eine Zeit lang mag dies<br />

funktionieren, auf Jahre aber macht es<br />

unzufrieden – und einsam, weil man niemandem<br />

von seiner Not erzählt.<br />

Viele Eltern haben gute Erfahrungen<br />

damit gemacht, sich einen Abend pro<br />

Woche für sich auszubedingen. Wer<br />

Energie hat, kann Freunde treffen. Wem<br />

diese fehlt, guckt sich in Ruhe Serien an<br />

oder geht früh schlafen. Hauptsache, man<br />

schenkt sich selbst etwas Zuwendung, in<br />

welcher Form auch immer.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>25


Dossier<br />

horchen: Die Angestellten sind nicht<br />

nur motivierter und weniger er ­<br />

schöpft, sondern auch zufriedener,<br />

weil mehr Zeit für die Familie bleibt.<br />

Apropos Skandinavien: Die<br />

Dänen – die 35-Stunden-Woche ist<br />

dort wie übrigens auch in unserem<br />

Nachbarland Frankreich längst die<br />

Regel – stufen Familienleben und<br />

Freizeit höher ein als ihre Arbeit.<br />

Wer meint, in Dänemark seinem<br />

Chef mit langen Arbeitsstunden zu<br />

imponieren, sei auf dem Holzweg,<br />

schreibt Rahel Leupin, eine Doktorandin,<br />

die an der Universität Roskilde<br />

arbeitet und mit ihrer Familie<br />

seit zwei Jahren in Dänemark lebt,<br />

in einem Blog des «Tages-Anzeiger».<br />

Tue man das, trete das Gegenteil ein,<br />

man ernte besorgte Blicke von Kollegen<br />

und vielleicht sogar eine Verwarnung<br />

des Vorgesetzten, doch<br />

bitte die Familien- und Freizeit zu<br />

wahren. Spätestens um 16 Uhr wird<br />

die Bürotüre ganz selbstverständlich<br />

zugemacht – übrigens auch vom<br />

In Dänemark verlässt die<br />

Chefin der IT-Abteilung einer<br />

Bank ihr Büro um 14.30 Uhr.<br />

Weil sie vier Kinder hat.<br />

Chef. In Dänemark sorgt es noch<br />

nicht einmal für Erstaunen, wenn<br />

die Chefin der IT-Abteilung einer<br />

grossen Bank jeden Tag um 14.30<br />

Uhr verschwindet, weil sie vier Kinder<br />

hat.<br />

Ja, Sie haben richtig gelesen: die<br />

Chefin der IT-Abteilung. Vier Kinder.<br />

Geht um halb drei nach Hause.<br />

In der Schweiz ist das die Zeit, in<br />

welcher der Sitzungsmarathon in<br />

vollem Gange ist.<br />

>>><br />

Sibylle Stillhart<br />

>>> sich Eltern für ein Familienmodell<br />

entscheiden, das ihnen am<br />

besten behagt: Wer von beiden<br />

weniger, gar nicht oder voll arbeitet,<br />

ist Privatsache. Ebenso, ob beide<br />

einem Teilzeitjob nachgehen. Das zu<br />

ermöglichen, wäre Aufgabe des<br />

Staates, der Wirtschaft und der Ge ­<br />

sellschaft, die daran interessiert sein<br />

müssten, die Burnout-Diagnosen<br />

der angestellten Bevölkerung so<br />

niedrig wie möglich zu halten.<br />

Es wäre deshalb klug, einmal<br />

grundsätzlich über unsere Arbeitsstunden<br />

nachzudenken. Die Schweiz<br />

gehört zu den Ländern mit den<br />

höchsten Präsenzzeiten. Doch ist es<br />

tatsächlich sinnvoll, dass ein Ar ­<br />

beitstag acht oder achteinhalb Stunden<br />

dauert, wenn neurologische<br />

Studien beweisen, dass Menschen<br />

nicht mehr als vier Stunden täglich<br />

konzentrationsfähig sind? Würde es<br />

mit einem Arbeitstag von fünf oder<br />

sechs Stunden nicht ebenso gut<br />

funktionieren?<br />

In Göteborg experimentieren<br />

Unternehmen seit Kurzem mit<br />

einem Sechs-Stunden-Arbeitstag –<br />

bei gleichem Gehalt. Angestellte<br />

eines Pflegeheims, eines Krankenhauses,<br />

einer Fabrik und eines Tech-<br />

Start-ups arbeiten nur 30 Stunden<br />

pro Woche. Das Resultat lässt aufist<br />

freie Journalistin und Buchautorin<br />

(«Müde Mütter – fitte Väter»). Sie ist Mutter<br />

von drei Buben und lebt mit ihrer Familie<br />

in Bern.<br />

Infos, Links und Buchtipps zum Thema<br />

Gemeinsam Regie führen. Ein Impuls<br />

der Gleichstellungsfachstellen der<br />

Kantone Bern, Luzern, Zürich, der<br />

Fachstelle UND sowie des<br />

Eidgenössischen Büros für die<br />

Gleichstellung von Frau und Mann:<br />

www.gemeinsam-regie-fuehren.ch<br />

Fachstelle UND, Familien- und<br />

Erwerbsarbeit für Männer und Frauen:<br />

www.und-online.ch<br />

Informations- und Beratungszentrum<br />

Frau und Arbeit: www.frac.ch<br />

Familienfreundliche Unternehmen<br />

können Sie hier finden und bewerten:<br />

www.jobundfamilie.ch,<br />

www.familyscore.ch<br />

Sibylle Stillhart: Müde Mütter – fitte<br />

Väter. Warum Frauen immer mehr<br />

arbeiten und es trotzdem<br />

nirgendwohin bringen. Limmat-<br />

Verlag, 2015. <strong>11</strong>0 Seiten, Fr. 23.90<br />

Michèle Roten: Wie Mutter sein.<br />

Echtheit-Verlag, 2013. 176 Seiten,<br />

Fr. 31.90<br />

Marc Brost, Heinrich Wefing: Geht<br />

alles gar nicht. Warum wir Kinder,<br />

Liebe und Karriere nicht<br />

vereinbaren können. Rowohlt-Verlag,<br />

2015. 240 Seiten, Fr. 18.30<br />

Susanne Garsoffky, Britta Sembach:<br />

Die Alles-ist-möglich-Lüge. Wieso<br />

Beruf und Familie nicht zu<br />

vereinbaren sind. Pantheon-Verlag,<br />

2014. 256 Seiten, Fr. 20.40<br />

Stefanie Lohaus, Tobias Scholz: Papa<br />

kann auch stillen. Wie Paare Kind,<br />

Job und Abwasch unter einen Hut<br />

bringen. Goldmann-Verlag, 2015.<br />

224 Seiten, Fr. 10.30<br />

26 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Mitmachen<br />

und gewinnen!<br />

Das neue Kindermusical «Die kleine<br />

Hexe» tourt ab November <strong>2016</strong><br />

durch die Deutschschweiz. Ein<br />

mitreissender Hexen-Spass für die<br />

ganze Familie.<br />

Jetzt an der Verlosung teilnehmen<br />

und mit ein bisschen Glück sind Sie<br />

und Ihre Familie bei diesem musikalischen<br />

Besenritt mit dabei.<br />

www.oekk.ch/kleinehexe<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>27


Dossier<br />

Wie im Bienenhaus:<br />

Roc, 6, Gieri Cavelty,<br />

Sibylle Stillhart,<br />

Antonin, 1, und<br />

Giuli, 8 (v. l. n. r.).<br />

28 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

«Wie an einem<br />

Marathonlauf –<br />

aber ohne<br />

Aussicht auf<br />

Erholung»<br />

Der Spagat zwischen Arbeit und<br />

Familie brachte unsere Autorin an<br />

den Rand ihrer Belastbarkeit. Seit<br />

sie sich aus der Abhängigkeit als<br />

Angestellte losgesagt hat, hat sie<br />

vor allem gewonnen: Zeit und Geld<br />

und Lebensqualität – inzwischen ist<br />

ihr drittes Baby zur Welt gekommen.<br />

Text: Sibylle Stillhart<br />

Ich weiss nicht, was letztlich den Ausschlag<br />

gab. War es das Gespräch mit<br />

meiner Ärztin, das mir nicht mehr aus<br />

dem Kopf gehen wollte? «Kümmern Sie<br />

sich allein um Ihre Kinder und den Haushalt<br />

oder werden Sie von Ihrem Mann<br />

unterstützt?», fragte sie während einer<br />

Routineuntersuchung. «Falls nicht – kündigen<br />

Sie Ihren Job und suchen Sie erst<br />

wieder eine Stelle, wenn Ihr jüngster<br />

Sohn in der Schule ist. Sonst fallen Sie<br />

irgendwann um vor lauter Erschöpfung.»<br />

Moment! Irgendwie hatte ich das Gefühl,<br />

etwas nicht richtig mitbekommen zu<br />

haben. «Ich? Zu Hause? Soll das etwa ein<br />

emanzipiertes Leben sein?», wollte ich<br />

sagen, doch ich schwieg. War denn meine<br />

jetzige Situation «emanzipiert»? Dieses<br />

Gehetze zwischen Kita und Büro? Diese<br />

Anspannung, die sich anfühlte wie bei<br />

einem Marathonlauf, aber ohne Aussicht<br />

auf Erholung?<br />

Einige Tage nach diesem Gespräch<br />

reichte ich die Kündigung ein. Vielleicht<br />

war es auch das Niveau im Büro, wo ich<br />

als Kommunikationsverantwortliche<br />

angestellt war: Mit dem neuen Chef sank<br />

dieses zusehends. Ich ärgerte mich, für<br />

einen Vorgesetzten zu arbeiten, der nicht<br />

imstande war, selbst eine Mail zu verfassen,<br />

aber darauf bestand, dass man ihn<br />

als Herrn Doktor ansprach. Als ich mich<br />

einmal mit ihm im Flur unterhielt, brach<br />

er das Gespräch abrupt ab, weil er zu<br />

einem Treffen mit «wichtigen Leuten»<br />

musste. Ganz Herr alter Schule, überreichte<br />

er mir seinen Füllfederhalter, bat<br />

mich, ihn zurück in sein Büro zu bringen.<br />

Natürlich gehorchte ich. Aber mal ehrlich:<br />

Würde er das auch von einem Mann verlangen?<br />

Meine Bemühungen, Job und Familie<br />

unter einen Hut zu bringen, brachten<br />

mich zusehends an den Rand meiner<br />

Belastbarkeit. Ich fühlte mich zerrissen<br />

zwischen zwei Welten, die sich gegenseitig<br />

abstossen. Zudem hatte ich das<br />

Gefühl, weder meinen Kindern noch meinem<br />

Arbeitgeber gerecht zu werden –<br />

obwohl ich von früh bis spät auf den Beinen<br />

war. Das begann schon am Morgen,<br />

wenn ich nach neun Uhr ins Büro kam<br />

und von meinen Kollegen bloss genervte<br />

Blicke erntete. Denn es galt die unausgesprochene<br />

Regel: Der Erste im Büro ist<br />

der Fleissigste. Als Mutter zweier Kleinkinder<br />

war ich die ewige Verliererin in<br />

diesem Wettbewerb, an dem sich alle zu<br />

orientieren schienen.<br />

Meine Erinnerungen an diese Zeit sind<br />

noch sehr lebendig: Der Tag beginnt um<br />

halb sechs Uhr in der Früh. Um diese Zeit<br />

verlangt der dreijährige Sohn seinen<br />

Schoppen – so laut, dass auch sein kleiner<br />

Bruder wach wird. Ich haste todmüde<br />

in die Küche, wärme Milch, wickle das<br />

Baby, setze Kaffee auf, mache Frühstück.<br />

Um halb neun stehe ich mit den beiden<br />

Buben vor der Haustüre. Trotz Minustemperaturen<br />

bin ich nass geschwitzt, weil<br />

ich den Nuggi in der Wohnung vergessen<br />

habe und vorher noch die Playmobil-<br />

Pistole unter dem Bett hervorklauben<br />

musste. Die Wohnung sieht aus, als ob ein<br />

Wirbelsturm darin gewütet hätte: Das<br />

Frühstücksgeschirr liegt unter dem Tisch,<br />

tausend Playmobil-Teilchen sind auf dem<br />

Boden zerstreut. Endlich in der Kita, heult<br />

der Grosse. Ich tröste ihn und verspreche,<br />

ihn frühabends abzuholen. Mit einem<br />

klammen Gefühl verabschiede ich mich<br />

von meinen Kindern und renne zum Tram,<br />

das mich ins Büro bringt.<br />

Es ist nun fast vier Jahre her, seit ich<br />

mich aus der Abhängigkeit als angestellte<br />

Arbeitnehmerin befreit habe. Der<br />

Stress ist wie weggefegt. Heute arbeite<br />

ich als freischaffende Journalistin und<br />

Autorin, während die Kinder an zwei<br />

Tagen die Kita oder den Hort besuchen.<br />

Als Freiberuflerin habe ich nun die<br />

Freiheit, meine Arbeitszeit selbst einzuteilen:<br />

Was nicht nur mir, sondern der<br />

ganzen Familie zugutekommt. Ich kann<br />

problemlos darauf reagieren, wenn ein<br />

Kind krank wird, und es ist auch keine<br />

Katastrophe, dass meine mittlerweile<br />

schulpflichtigen Kinder 13 Wochen Ferien<br />

haben. Selbst mein Mann profitiert:<br />

Natürlich hat er nach wie vor ein schlechtes<br />

Gewissen, wenn er am Wochenende<br />

arbeiten muss oder der Bürotag bis weit<br />

in die Nacht dauert. Trotzdem hat sich<br />

unsere familiäre Situation inzwischen so<br />

entspannt, dass wir uns für ein drittes<br />

Kind entschieden haben – was ich als<br />

Angestellte niemals auf die Reihe<br />

gekriegt hätte. Baby Antonin ist vor<br />

einem Jahr auf die Welt gekommen.<br />

Ich verdiene heute viel weniger als<br />

früher. Doch seltsamerweise haben wir<br />

immer noch gleich viel Geld zur Verfügung<br />

wie zuvor: Die Steuern sind gesunken,<br />

ebenfalls die Betreuungskosten, die<br />

dem neuen Einkommen angepasst wurden.<br />

Geblieben ist die Ernüchterung: Er -<br />

werbstätige Mütter haben nicht die gleichen<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie<br />

erwerbstätige Väter. Ich staune, wie fleissig<br />

Mütter auf ihren Teilzeitjobs arbeiten<br />

– befördert wird dann aber doch der<br />

männliche Kollege. Selbst wenn Frauen in<br />

ihren Teilzeitpensen oft effizienter arbeiten,<br />

erhalten sie weniger Lohn und haben<br />

weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Seit ich<br />

mich von meinem Arbeitgeber losgesagt<br />

habe, haben wir als Familie vor allem<br />

gewonnen: ein wunderbares Baby, Zeit,<br />

Geld und mein Buch, das inzwischen<br />

erschienen ist.<br />

Bild: Gabi Vogt / 13 Photo<br />

29


Dossier<br />

«Das weibliche soziale Netz<br />

entlastet Mütter am nachhaltigsten»<br />

Irene Mariam Tazi-Preve zeichnet ein düsteres Bild von der Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie. Die österreichische Familienforscherin über die Wirtschaft als Feind der Familie,<br />

den zukünftigen Stellenwert von Kindererziehung in der Gesellschaft und warum der Ruf<br />

nach mehr weiblichen Arbeitskräften nichts mit Gleichstellung zu tun hat.<br />

Interview: Sibylle Stillhart Bild: Jan von Holleben<br />

Frau Tazi-Preve, Frauen sollen ihre<br />

Erwerbspensen aufstocken und möglichst<br />

lebenlsang 70 Prozent arbeiten<br />

– das fordern nicht nur Wirtschaftsvertreter,<br />

sondern neuerdings auch<br />

Gleichstellungsbeauftragte. Was halten<br />

Sie von solchen Forderungen?<br />

Das ist in etwa so, als wenn man dem<br />

Esel die Karotte vorhält, die er sowieso<br />

niemals erhaschen wird. Als<br />

Nächstes wird verlangt, dass Frau –<br />

trotz Kinder und Haushalt – Vollzeit<br />

arbeiten muss. Das aber ist problematisch,<br />

weil Frauen in der Regel<br />

weiter hauptverantwortlich für<br />

Haushalt und Kinderbetreuung sind.<br />

Tatsache ist auch: Frauen verdienen<br />

europaweit immer noch bis zu 30<br />

Prozent weniger als Männer. Zudem<br />

wird ihnen die Erziehungsarbeit selten<br />

an die Renten angerechnet.<br />

Weshalb setzen Gleichstellungsbeauftragte<br />

arbeitende Mütter noch mehr<br />

unter Druck?<br />

Gleichstellungsfrauen verkörpern<br />

den liberalen Feminismus – und der<br />

hat sich ganz dem Neoliberalismus<br />

verpflichtet. Das heisst: Nur Profit<br />

zählt, der Staat soll verkleinert und<br />

insbesondere der Sozialstaat beschnitten<br />

werden. Alles soll privatisiert<br />

werden, und man appelliert an die<br />

Eigenverantwortung.<br />

Die sogennante Vereinbarkeit von<br />

Beruf und Familie – das hat nichts mit<br />

Frauenförderung zu tun?<br />

Geht es um die sogenannte Vereinbarung<br />

von Familie und Beruf, muss<br />

«Frauen verdienen<br />

europaweit immer<br />

noch bis zu<br />

30 Prozent weniger<br />

als Männer.»<br />

man sich immer das Wirtschaftssystem<br />

und die Politik vor Augen führen:<br />

Das Interesse an der weiblichen<br />

Arbeitskraft hat nichts mit Gleichstellung<br />

oder Vereinbarung, wie es<br />

heute heisst, zu tun. Es geht einzig<br />

darum, den Profit des Unternehmens<br />

oder das Wirtschaftswachstum<br />

des Landes zu vergrössern.<br />

Wem nützt es denn, wenn alle immer<br />

mehr arbeiten?<br />

Die Globalisierung zeigt uns: Die<br />

Einkommen steigen nur im obersten<br />

Segment, während der Mittelstand<br />

schrumpft. Vielleicht muss man die<br />

Geschichte der Arbeit etwas genauer<br />

betrachten. Die Trennung von<br />

Arbeit und Familie von der Politik<br />

fand in der Antike statt. Lange Zeit<br />

hat sich dann die Wirtschaft mit der<br />

Familie entwickelt – das Handwerk<br />

fand zu Hause bei der Familie statt.<br />

Erst ab der Neuzeit, mit Beginn der<br />

Industrialisierung, wurden Produktion<br />

und Reproduktion getrennt. Die<br />

Menschen arbeiteten ausser Haus in<br />

Fabriken, wo Frauen die Hälfte der<br />

männlichen Einkommen verdienten.<br />

Mit welcher Begründung?<br />

Man sagte ihnen, dass sie ja keine<br />

Familie zu ernähren bräuchten –<br />

selbst dann, wenn sie Kinder hatten.<br />

Schon damals verlangte das vorherrschende<br />

Mutterbild von den Frauen,<br />

einerseits gute Mütter zu sein, andererseits<br />

mussten sie zehn Stunden in<br />

der Fabrik arbeiten – niemals >>><br />

30 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Dossier<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>31


Dossier<br />

>>> ist es aufgegangen mit diesem<br />

Miteinander von Beruf und Familie.<br />

Kommt hinzu, dass Arbeit ohnehin<br />

etwas für das Volk war und nicht für<br />

die Elite, die ja bis heute nicht arbeitet.<br />

Wohlhabende lassen arbeiten, sie<br />

delegieren. Sie können es sich auch<br />

problemlos leisten, eine hohe Anzahl<br />

Kinder zu haben. Trotzdem stellen<br />

sie immer noch die Wächter des Systems<br />

dar, indem sie verlangen, dass<br />

Menschen, die auf Erwerbstätigkeit<br />

angewiesen sind, immer mehr arbeiten.<br />

Zudem zählt die weibliche Arbeitskraft<br />

nach wie vor nicht so viel wie die<br />

männliche ...<br />

Wo Frauen arbeiten, wird weniger<br />

verdient. Frauen sind zumeist in<br />

«zu arbeitenden» Berufen, als Verkäuferinnen,<br />

Coiffeusen und Assistentinnen,<br />

beschäftigt – also im<br />

Niedriglohnsektor. Dringen sie in<br />

Berufe vor, die vorher in Männerhand<br />

waren, wie etwa das Lehramt,<br />

die Psychologie oder die Medizin,<br />

verlieren diese Berufe an Prestige<br />

und das Lohnniveau sinkt.<br />

Die Wirtschaft ist also der Feind der<br />

Familien.<br />

Lange sind wir dem Irrglauben aufgesessen,<br />

dass Arbeit befreien soll.<br />

Das hat sich mittlerweile als ein riesiger<br />

Irrtum herausgestellt. Die<br />

Belastungsszenarien zeigen, dass<br />

neben niedrigem Verdienst die ge ­<br />

sundheitlichen Probleme zunehmen.<br />

«Dringen Frauen<br />

in Männerberufe<br />

vor, sinkt sofort<br />

das Lohnniveau.»<br />

Es ist ein neues Phänomen, dass in<br />

Amerika die Todesrate der weissen<br />

Frauen im Alter zwischen 30 und 50<br />

Jahren steigt – also just in der Zeit,<br />

wenn sie Kinder und Beruf unter<br />

einen Hut bringen müssen.<br />

«Die Arbeitswelt<br />

hat sich<br />

brutalisiert, fordert<br />

immer mehr.»<br />

Doch die meisten von uns sind auf<br />

Arbeit angewiesen. Was tun?<br />

Eine Lösung wäre, wenn sich auch<br />

Männer mitbefreien und sich sowohl<br />

in der Kinderbetreuung als auch im<br />

Haushalt engagieren würden. Doch<br />

das passiert nicht. Männer arbeiten<br />

nach wie vor Vollzeit und zementieren<br />

damit dieses Ungleichgewicht.<br />

Sie unterwerfen sich dem neoliberalen<br />

System, weil sie glauben, das sei<br />

normal.<br />

Deshalb leiden vor allem Familien<br />

unter diesen Umständen. Sie haben<br />

wenig Zeit für ihre Kinder und kaum<br />

mehr Energie. Weshalb kommt kaum<br />

Kritik aus ihren Reihen?<br />

Diejenigen, die im System sind, werden<br />

es nicht kritisieren, im Gegenteil:<br />

Sie verteidigen ihre Lebensweise.<br />

Aber innerhalb des Systems wird<br />

es nie eine Lösung geben, denn es<br />

geht immer um Macht und Geld. Das<br />

widerspricht natürlich allen Bedürfnissen<br />

nach Empathie und Sicherheit<br />

in einem Familienleben. Daher<br />

müsste man den jungen Frauen<br />

sagen: Hört auf, an das Märchen von<br />

der Karriere zu glauben, an die vermeintliche<br />

Macht, die ihr niemals<br />

haben werdet. Auch die jungen Männer<br />

müssen ihre Karriereentwürfe<br />

überdenken. Es ist ja ungeheuerlich,<br />

welche Abstriche an Lebensqualität<br />

es bedeutet, Karriere zu machen.<br />

Viele sind mit 40 oder 50 Jahren desillusioniert,<br />

glauben an ihr persönliches<br />

Versagen, was falsch ist. Die<br />

Arbeitswelt hat sich brutalisiert,<br />

fordert immer mehr. Etwa «Flexibilität»<br />

oder allzeitige Verfügbarkeit<br />

und das Eintreten für Prinzipen, die<br />

auschliesslich der Profitmaximierung<br />

dienen. Das Ganze wird dann<br />

«Fortschritt» genannt, und es wird<br />

sanktioniert, wenn dagegen opponiert<br />

wird.<br />

Welchen Stellenwert hat das Kind in<br />

unserer leistungsorientierten Gesellschaft?<br />

Die Gesellschaft fordert zwar permanent<br />

Kinder, aber kümmert sich<br />

nicht um sie. Doch die Erziehung<br />

von Kindern – das ist an sich eine<br />

Aufgabe für mehrere Menschen.<br />

Selbst zwei Personen sind im Prinzip<br />

zu wenig für ein Kind.<br />

Was wäre die Lösung für ein besseres<br />

Leben für alle?<br />

Es gibt seit den 1970er-Jahren Experimente<br />

der Lebensführung, wo man<br />

sich vieles – Kinderbetreuung,<br />

Essenszubreitung, Wäsche – teilte.<br />

Obwohl diese Lebensform sowohl<br />

Frauen als auch Männer von der<br />

Familienarbeit entlasten würde, sind<br />

«Von politischer<br />

Seite ist nicht<br />

wirklich Hilfe<br />

zu erwarten.»<br />

viele solcher Kommunen mittlerweile<br />

verschwunden. Ganz grundsätzlich<br />

gesehen kommen wir wohl nicht<br />

um eine Debatte über die sich verschärfende<br />

Arbeitswelt, also die<br />

Existenzsicherung, im Zusammenhang<br />

mit der Nachwuchsproblematik<br />

herum. Zudem muss eine Kultur<br />

des Teilens von Erwerbsarbeit und<br />

Kinderbetreuung normal werden –<br />

sonst kommen wir mit der Gleichberechtigung<br />

niemals weiter.<br />

Wie können Frauen entlastet werden?<br />

Empirisch gesehen ist das weibliche<br />

soziale Netz – Mutter, Schwestern,<br />

Freundinnen, andere Mütter – das<br />

wertvollste, um Frauen nachhaltig<br />

zu entlasten. Auch von politischer<br />

Seite ist nicht wirklich Hilfe zu<br />

erwarten, es geht ja heute nur mehr<br />

um das Schlagwort der «Vereinbar­<br />

32 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


keit von Familie und Beruf» – besonders<br />

also darum, dass genügend<br />

Kita-Plätze vorhanden sind. Der<br />

erwerbstätigen Mutter ist damit<br />

«Die Bedeutung<br />

von sinnstiftender<br />

Arbeit wird<br />

zunehmen.»<br />

allerdings nicht ausreichend geholfen.<br />

Sie muss ihre Kinder trotzdem<br />

holen, bringen und anschliessend<br />

einkaufen, kochen, waschen und so<br />

weiter. Das gesamte Management<br />

bleibt grösstenteils bei ihr.<br />

Was schlagen Sie vor?<br />

Das Erste ist, dass Frauen und Männer<br />

aufhören, daran zu glauben, dass<br />

die Kleinfamilie der ideale Ort zum<br />

Aufziehen der Kinder ist. Das Zweite<br />

ist, dass Mütter beginnen, Familie<br />

als «Matrilinearität» zu verstehen<br />

(Matrilinearität, lateinisch «in der<br />

Linie der Mutter», bezeichnet die<br />

Weitergabe und Vererbung von so -<br />

zialen Eigenschaften und Besitz ausschliesslich<br />

über die weibliche Linie<br />

von Müttern an Töchter, Anm. der<br />

Red.) Das heisst, dass Frauen die<br />

Hilfe und Unterstützung, die sie von<br />

ihren Müttern, Schwestern, anderen<br />

Müttern erhalten, als wesentlich<br />

begreifen und nicht als Ersatz für den<br />

oft abwesenden Partner.<br />

Wo stehen wir in dieser Debatte in<br />

fünf Jahren?<br />

Wir sind einen wesentlichen Schritt<br />

weiter in Richtung einer «equal share<br />

society» (gleichberechtigte Gesellschaft)<br />

und eines Infragestellens der<br />

Sinnhaftigkeit des Arbeitsmarktes.<br />

Menschen werden zunehmend<br />

nichtausbeuterische Arbeit einfordern<br />

wollen, d. h., sie werden eine<br />

sinnstiftende Arbeit anstreben,<br />

womit sie weder sich selbst noch<br />

anderen Menschen oder der Natur<br />

schaden. Die Unterscheidung in<br />

bezahlte und unbezahlte Arbeit wird<br />

obsolet. Neu wird die Kindererziehung<br />

als eine der wertvollsten Tätigkeiten<br />

überhaupt erachtet, die die<br />

Gesellschaft leistet.<br />

>>><br />

Zur Person<br />

Bild: ZVG<br />

Irene Mariam Tazi-Preve ist promovierte<br />

Politikwissenschaftlerin und unterrichtet in<br />

den USA und Österreich. Sie hat zahlreiche<br />

Werke (wie etwa «Die Vereinbarkeitslüge»)<br />

mit dem Schwerpunkt Geschlechterfragen,<br />

Mutter- und Vaterschaft sowie<br />

Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik<br />

publiziert. Ihr Buch «Vom Versagen der<br />

Klein familie. Ideologie und Alternativen»<br />

erscheint im Frühjahr 2017.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>33


Dossier<br />

Wie bringe ich Familie und Job<br />

unter einen Hut? 5 Tipps für Eltern<br />

Sie versuchen täglich den Spagat zwischen Beruf und Familie? Werden permanent von<br />

Ihrem schlechten Gewissen geplagt, weil Sie niemandem gerecht werden? Sie fühlen sich<br />

im Hamsterrad, allein und unverstanden? Höchste Zeit, ein paar Dinge zu ändern.<br />

Text: Claudia Landolt<br />

Verabschieden Sie sich<br />

vom Anspruch, Super-Eltern<br />

sein zu müssen.<br />

1. Sie sind nicht perfekt<br />

Alle Eltern wünschen sich ausreichend<br />

Zeit für ihre Kinder, den Partner,<br />

den Haushalt, die Hobbys. Doch<br />

niemand schafft es, einen verantwortungsvollen<br />

Job zu machen, immer<br />

Zeit für die Kinder zu haben, die<br />

Partnerschaft zu pflegen, einen<br />

makellosen Haushalt zu führen und<br />

am Wochenende Freunden ein erstklassiges<br />

Dinner zu servieren.<br />

Es gilt sich einzugestehen, dass<br />

der Tag nur 24 Stunden hat und sich<br />

nicht strecken lässt. Sie und Ihr Partner,<br />

Ihre Partnerin müssen Abstriche<br />

machen – verabschieden Sie sich<br />

vom Supereltern-Anspruch. Es sei<br />

denn, Sie heissen Sheryl Sandberg<br />

(CEO von Facebook) oder Melissa<br />

Meyers (Yahoo-Chefin), die beide<br />

eine Armada von Nannys und Hausangestellten<br />

beschäftigen, um alles<br />

unter einen Hut zu kriegen.<br />

2. Sie sind nicht allein<br />

Vereinbarkeit ist kein individuelles<br />

Problem. In Hunderttausenden<br />

Schweizer Familien üben Mütter und<br />

Väter täglich den Spagat zwischen<br />

Familie und Job.<br />

Höchste Zeit also, mit sich ehrlich<br />

zu sein: Gestehen Sie sich ein, dass<br />

in den allermeisten Fällen entweder<br />

der Beruf oder die Familie leidet,<br />

wenn Sie versuchen, beide Teile<br />

gleich stark auszuleben. Das gelänge<br />

Bilder: Maskot / Plainpicture, Sabine Koe / Millennium / Plainpicture<br />

34 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


nur dem, der an einer Persönlichkeitsspaltung<br />

leidet.<br />

Der zweite Schritt: Sprechen Sie<br />

über Ihre Situation. Thematisieren<br />

Sie Ihr Dilemma im Freundeskreis,<br />

in der Familie, bei der Arbeit. Nur<br />

so wird Selbstverständliches zum<br />

Selbstverständlichen.<br />

3. Stellen Sie sich ein paar Fragen<br />

Zum Beispiel die hier: Wie viel Geld<br />

brauchen wir mindestens zum<br />

Leben? Wie kann es verdient werden?<br />

Wer macht Babypause, und wie<br />

lange soll diese dauern? Wer möchte<br />

wie viel Zeit in den Job investieren?<br />

Und: Wie viel Hilfe für Kinderbetreuung<br />

und Haushalt können wir<br />

finanzieren? Für wen ist zu welchem<br />

Zeitpunkt welcher berufliche Entwicklungsschritt<br />

wichtig? Wie viel<br />

Zeit wollen wir mit unseren Kindern<br />

verbringen? Wie lässt sich innerhalb<br />

dieser Rahmenbedingungen der<br />

Haushalt sinnvoll aufteilen?<br />

Nicht immer finden Sie sofort<br />

eine Lösung. Ist sie einmal gefunden,<br />

müssen Sie sie immer wieder<br />

überdenken. Nichts ist für die Ewigkeit,<br />

besonders nicht mit Kindern.<br />

4. Legen Sie Regeln fest<br />

Mit dem Sohn auf dem Fussballplatz<br />

und das Smartphone vibriert? Wir<br />

alle wissen nur zu gut, was passiert,<br />

wenn der Chef sich am Abend oder<br />

am Wochenende meldet. Sie greifen<br />

nach dem Smartphone, lesen, tippen<br />

und tippen, immer weiter.<br />

Was tun? Werden Sie sich über<br />

ihre eigene Rolle in der Partnerschaft,<br />

der Familie und der Arbeitswelt<br />

klar. Entwicklen Sie ein Be ­<br />

wusstsein dafür, für den Arbeitgeber<br />

nicht rund um die Uhr erreichbar<br />

sein zu müssen. Und stellen Sie mit<br />

der Familie Regeln auf fürs Arbeiten<br />

zu Hause.<br />

5. Sie haben allen Grund, stolz zu<br />

sein<br />

Gehören Sie zu den Eltern, die sich<br />

laufend entschuldigen? Dafür, dass<br />

Sie arbeiten? Dafür, dass Sie nicht<br />

arbeiten? Dass Ihr Kind krank ist?<br />

Oder dass Sie sich gerade mit dem<br />

Kind beschäftigen?<br />

Vergessen Sie es.<br />

Auf dem Spielplatz oder an<br />

Schulanlässen flüstern Sie ins Telefon,<br />

wenn Ihr Chef oder Ihre Chefin<br />

anruft und nach etwas fragt. Nein,<br />

Sie hätten besagtes Dokument jetzt<br />

gerade nicht vor sich liegen, denn<br />

Sie seien nicht am Schreibtisch, sondern<br />

mit den Kindern zugange.<br />

Hören Sie auf damit.<br />

Woher nur diese Schuldgefühle?<br />

Sie kümmern sich um Ihre Kinder.<br />

Es gibt keine wertvollere, sinnvollere,<br />

nachhaltigere Tätigkeit. Brüllen<br />

Manager am Flughafen in München<br />

Warum Schuldgefühle? Sie<br />

kümmern sich um Ihre Kinder.<br />

Es gibt keine sinnvollere,<br />

wertvollere, nachhaltigere<br />

Tätigkeit.<br />

oder London in ihr Handy, demonstrieren<br />

sie: Ich bin wichtig. Ein bisschen<br />

von deren Selbstbewusstsein<br />

kann Ihnen nicht schaden. Wer wie<br />

Sie jeden Tag den Kampf der Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie führt,<br />

ist genauso wichtig, verdient Re spekt<br />

und Anerkennung.<br />

Die Statistik gibt Ihnen recht:<br />

Modellrechnungen wie beispielsweise<br />

jene des Prognos-Institutes in<br />

Basel ergaben, dass Teilzeitarbeit für<br />

Unternehmen einen «Return on<br />

Investment» von 25 Prozent generiert.<br />

Im Klartext: Wenn ein Unternehmen<br />

100 Franken in ein Teilzeitmodell<br />

investiert, bekommt es 125<br />

Franken zurück. Das Unternehmen<br />

profitiert von weniger Krankentagen<br />

und produktiveren und besser motivierten<br />

Teilzeitarbeitenden.<br />

Denken Sie daran, wenn Sie das<br />

nächste Mal ins Telefon flüstern,<br />

weil Sie gerade nicht am Schreibtisch<br />

sitzen. Und beim nächsten<br />

Lohngespräch.<br />

Im nächsten Heft:<br />

Sexualität<br />

Mit den Kindern verändert sich das Intimleben von<br />

Paaren. Jetzt setzt ein neuer Trend auf Qualität<br />

anstelle von Quantität: Slow-Sex, natürlich und<br />

lebendig. Statt um Lust geht es um Offenheit und<br />

Entspannung. Unser Dossier im Dezember.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>35


Monatsinterview<br />

Setzen sich für eine<br />

gute Betreuung<br />

sterbender Kinder<br />

ein: Eva Bergsträsser<br />

(l.) und Eva Cignacco.<br />

36 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview<br />

«Wir können viel tun, damit ein<br />

Kind in Würde sterben kann»<br />

Wenn das eigene Kind unheilbar erkrankt, steht das Leben einer Mutter, eines Vaters<br />

still. Eva Bergsträsser und Eva Cignacco fordern, diese Familien besser zu begleiten.<br />

Die Medizinerin und die Pflegewissenschafterin über Palliative Care, die letzte Zeit im<br />

Leben eines Kindes und die Nöte ihrer Eltern. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Marvin Zilm / 13 Photo<br />

Ein regnerischer Septembertag in<br />

Zürich. Eva Bergsträsser empfängt<br />

am Eingang des Kinderspitals ihre<br />

Kollegin Eva Cignacco aus Basel. Die<br />

beiden Frauen kennen sich gut, sie<br />

haben im Rahmen einer nationalen<br />

Studie eng zusammengearbeitet.<br />

Gemeinsam gehen die Ärztin und<br />

die Pflegewissenschaftlerin zum<br />

Aufzug. Im oberen Stock: graue<br />

Böden, schmucklose Wände. Kurze<br />

Betten für kleine Patienten reihen<br />

sich auf den Fluren aneinander,<br />

stehen zum Einsatz bereit. «Ich<br />

denke, wir suchen uns einen<br />

Besprechungsraum, dort können<br />

wir uns in Ruhe unterhalten», sagt<br />

Eva Bergsträsser und lächelt.<br />

Frau Bergsträsser, Frau Cignacco,<br />

beim Begriff Palliative Care (lat. palliare,<br />

«mit einem Mantel bedecken»;<br />

engl. care, «Fürsorge, Betreuung»)<br />

denken viele sofort an Sterbebeziehungsweise<br />

Trauerbegleitung.<br />

Eva Bergsträsser: Das sind mit<br />

Sicherheit zwei wesentliche Bestandteile<br />

der Palliative Care. Palliative<br />

Care umfasst aber weit mehr als die<br />

Sterbe- und Trauerbegleitung –<br />

nämlich die Lebensgestaltung in den<br />

letzten Wochen, Monaten, ja vielleicht<br />

sogar Jahren eines Patienten.<br />

Das Ziel ist dann, dass das Leben<br />

trotz einer unheilbaren Krankheit<br />

lebenswert bleibt.<br />

Eva Cignacco: International gesehen<br />

kann man sagen, dass der Beizug<br />

spezialisierter Palliative-Care-Teams<br />

für Familien die Lebensgestaltung<br />

dieser Kinder trotz schwerer Krankheit<br />

erleichtert. Diese Unterstützung<br />

kann Spitalaufenthalte verhindern<br />

helfen und auch Therapien vermeiden,<br />

die leider nicht mehr zu einer<br />

Krankheitskontrolle und Lebensverlängerung<br />

führen. Dieser Bestandteil<br />

von Palliative Care kommt aber hierzulande<br />

in der Kindermedizin häufig<br />

noch zu kurz.<br />

«Ich würde die<br />

Mutter fragen:<br />

Warum haben Sie<br />

das Gefühl, dass<br />

Ihr Kind stirbt?»<br />

Eva Bergsträsser: Ausserdem bekamen<br />

alle Kinder in den letzten ein<br />

bis vier Lebenswochen eine sehr<br />

intensive Behandlung mit einer<br />

hohen Anzahl von Medikamenten.<br />

Viele dieser Medikamente sind notwendig,<br />

wie Schmerzmedikamente,<br />

aber die Anzahl hat uns überrascht<br />

– bis zu 45 Medikamente am Tag<br />

wurden verschrieben.<br />

Was schliessen Sie daraus?<br />

Eva Bergsträsser: Dass eine sehr<br />

intensive Medizin betrieben wird<br />

und dabei wichtige Aspekte der<br />

Betreuung am Lebensende zu kurz<br />

kommen.<br />

Fühlen sich Ärzte unsicher, wenn es<br />

um sterbende Kinder geht?<br />

Eva Cignacco: Unsere Studie deutet<br />

darauf hin. Aktiv sein, Therapien<br />

durchführen, Medikamente verschreiben<br />

hat man als Mediziner<br />

gelernt. Um den Sterbeprozess einzuleiten,<br />

bräuchte es aber einen<br />

Richtungswechsel in der Behandlung.<br />

Dieser Richtungswechsel setzt aber<br />

den Moment voraus, in dem klar ausgesprochen<br />

wurde: «Ab jetzt gibt es<br />

keine Aussicht mehr auf Heilung.»<br />

Warum tun sich Mediziner damit so<br />

schwer?<br />

Eva Cignacco: Weil sie darin zu wenig<br />

Erfahrung haben. Das Palliative, bei<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Eva Cignacco: Wir haben in einer<br />

national angelegten Studie die Krankengeschichten<br />

von 149 verstorbenen<br />

Kindern untersucht (siehe Box<br />

S. 41). Wir wollten wissen, wie Kinder<br />

an ihrem Lebensende betreut<br />

werden. Dabei wurde unter anderem<br />

deutlich, dass der überwiegende Teil<br />

dieser Kinder im Spital, auf der<br />

Intensivstation, statt zu Hause verstorben<br />

ist. Nachrichten zu übermitteln,<br />

dem es wichtig ist, Eltern schlechte<br />

>>><br />

37


Monatsinterview<br />

Palliative Betreuung bei Kindern<br />

Jährlich sterben in der Schweiz 400<br />

bis 500 Kinder, etwa die Hälfte von<br />

ihnen im ersten Lebensjahr. Neugeborene<br />

sterben, weil sie zu früh<br />

oder mit schweren Fehlbildungen zur<br />

Welt kommen. Krankheitsbedingte<br />

Todesfälle jenseits des ersten Lebensjahres<br />

treten aufgrund unheilbarer<br />

Krankheiten auf. Neurologische Diagnosen<br />

stehen dabei im Vordergrund,<br />

gefolgt von Krebs- und Herzerkrankungen.<br />

«Palliativ» beschreibt eine<br />

Krankheitsphase, in der Therapien<br />

men, an dessen Ende die Aussage der<br />

Mutter besser eingeordnet werden<br />

kann. Dafür ist es auch wichtig, dass<br />

die Betreuungspersonen nicht zu viel<br />

wechseln.<br />

Frau Bergsträsser, Sie leiten am Kinderspital<br />

Zürich eines der wenigen<br />

pädiatrischen Palliative-Care-Zentren<br />

der Schweiz. Betroffene Familien aus<br />

der Region Zürich haben also Glück<br />

gehabt.<br />

«Mir ist wichtig,<br />

festzuhalten:<br />

Nicht nur der Tod<br />

zu Hause ist<br />

ein guter Tod.»<br />

Eva Bergsträsser: Unsere Patienten<br />

kommen nicht nur aus dem Raum<br />

Zürich. Und wenn von mir oder meinem<br />

Team betreute Patienten nach<br />

Hause entlassen werden, fahren wir<br />

in Absprache mit dem Hausarzt und<br />

der Spitex auch bis in den Kanton<br />

Aargau, um sie zu begleiten. So lerne<br />

ich die Familien gut kennen und es<br />

entsteht ein Vertrauensverhältnis.<br />

Eva Cignacco: Es ist wichtig, dass die<br />

Versorgungskette aufrechterhalten<br />

nicht mehr das Ziel einer Heilung<br />

haben. Das heisst nicht, dass Kinder<br />

mit einer unheilbaren Krankheit direkt<br />

ab Diagnosestellung palliativ betreut<br />

werden müssen. Diese sollte aber einsetzen,<br />

wenn es dem Kind im Verlaufe<br />

dieser unheilbaren Krankheit merklich<br />

schlechter geht. Ziel einer palliativen<br />

Betreuung ist die Verbesserung der<br />

Lebensqualität des Kindes und der<br />

Familie in der noch verbleibenden<br />

Lebenszeit. Diese kann nur wenige<br />

Wochen bis viele Jahre andauern.<br />

>>> auch einmal mit den Eltern zu<br />

schweigen, wird hierzulande in der<br />

Ausbildung zu wenig berücksichtigt.<br />

Experten auf diesem Gebiet lassen<br />

sich im Ausland ausbilden. Wie Eva<br />

Bergsträsser in England.<br />

Eva Bergsträsser: Ich höre auch von<br />

Ärzten: «Die Eltern waren noch nicht<br />

so weit.» Aber das sollte differenzierter<br />

gesehen werden. Vielleicht sind<br />

wir selbst noch nicht so weit!<br />

Können Sie ein konkretes Beispiel<br />

nennen?<br />

Eva Bergsträsser: Ja, eines aus der<br />

Studie. Eine Mutter von einem Neugeborenen<br />

berichtete in einem Interview<br />

von ihrem Gespräch mit dem<br />

betreuenden Arzt: dass sie das Gefühl<br />

habe, dass ihr Kind stirbt. Der Arzt<br />

schickte sie nach Hause mit den Worten<br />

sie solle sich ausruhen. Es komme<br />

schon gut. Zu Hause angekommen,<br />

wurde sie vom Spital angerufen. Das<br />

Kind war in der Zwischenzeit gestorben.<br />

So etwas darf nicht passieren.<br />

Was hätten Sie am Kinderspital Zürich<br />

anders gemacht, wenn dieser Fall bei<br />

Ihnen passiert wäre?<br />

Eva Bergsträsser: Ich würde die Mutter<br />

fragen: «Warum haben Sie das<br />

Gefühl, dass Ihr Kind stirbt?» «Wie<br />

hat sich das Kind verändert?» Es<br />

muss ein Gespräch zustande komwird,<br />

die vom Spital aus gesteuert<br />

wird. Das Spital ist die Instanz, die<br />

die Familie und das Kind am besten<br />

kennt.<br />

Sie fordern, dieses Konzept flächendeckend<br />

auszuweiten. Wann werden Sie,<br />

Frau Bergsträsser, bei einem Fall hinzugezogen?<br />

Eva Bergsträsser: Für mich ist der<br />

Punkt, aktiv zu werden, nicht der<br />

Moment der Diagnose, sondern der,<br />

in dem sich der Zustand des Kindes<br />

innerhalb dieser unheilbaren Krankheit<br />

verschlechtert und Kind und<br />

Familie mehr Unterstützung benötigen.<br />

Schildern Sie uns einen konkreten<br />

Fall?<br />

Eva Bergsträsser: Gerade heute war<br />

ich bei einem Kind und seiner Familie,<br />

die letzte Woche stationär ins<br />

Kinderspital aufgenommen wurde.<br />

Das Kind hat eine syndromale, sehr<br />

komplexe Erkrankung. Diese Kinder<br />

haben oft grosse Probleme, wenn sie<br />

eine Luftwegserkrankung bekommen.<br />

Wegen einer Muskelschwäche<br />

haben sie nicht die Kraft, den<br />

Schleim hochzuhusten, und erkranken<br />

schneller an einer Lungenentzündung.<br />

Wie gehen Sie weiter vor?<br />

Eva Bergsträsser: Wenn das Kind den<br />

akuten Infekt überstanden hat,<br />

machen wir einen Termin zu Hause<br />

ab. Dann schauen wir, ob bei einer<br />

nächsten Erkrankung die Therapie,<br />

die es jetzt im Spital bekommt, auch<br />

zu Hause stattfinden kann. In<br />

Absprache mit der Kinderärztin und<br />

der Spitex würde ich diese Versorgung<br />

dann zu Hause unterstützen.<br />

Das wünschen sich die Eltern.<br />

Vor einigen Monaten ging der Fall<br />

eines kleinen Mädchens durch die<br />

Medien. Es ist im Kinderspital<br />

verstorben.<br />

Eva Bergsträsser: Lara hatte eine<br />

Fehlbildung der Speiseröhre, die<br />

nach der Geburt zwar operativ behoben<br />

werden konnte, aber der gesamte<br />

Verdauungsapparat war so krank,<br />

dass sie nicht normal ernährt werden<br />

konnte. Über vier Jahre wurde sie<br />

38 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Monatsinterview<br />

künstlich ernährt, bis man keine<br />

Venenzugänge mehr fand. Aufgrund<br />

der schweren, komplexen Erkrankung<br />

und der fehlenden Aussicht auf<br />

eine Verbesserung oder Heilung<br />

wurde entschieden, die Therapie<br />

nicht weiter auszudehnen und einen<br />

letzten Venenkatheter zu setzen.<br />

Hier im Spital. Bei uns ist sie dann<br />

auch gestorben.<br />

Nicht zu Hause?<br />

Eva Bergsträsser: Ich hatte das angeboten,<br />

aber die Familie entschied<br />

sich aus verschiedenen Gründen da ­<br />

gegen. Es ist mir wichtig, das festzuhalten:<br />

Nicht nur der Tod zu Hause<br />

ist ein guter Tod. Aber dann muss<br />

man das auch als solches deklarieren:<br />

Das Kind ist im Spital, um zu<br />

sterben, und nicht, um geheilt zu<br />

werden. Wenn dies klar kommuniziert<br />

wird, kann sich auch das Pflegepersonal<br />

anders verhalten. Die<br />

Pflegerinnen und Pfleger haben sich<br />

rührend liebevoll um das Mädchen<br />

gekümmert. Die halbe Station war<br />

auf der Beerdigung.<br />

In dem Moment, in dem Sie zum ersten<br />

Mal hinzugezogen werden, ahnen<br />

die Eltern doch sicher bereits, worum<br />

es geht.<br />

«Jedes Leben zählt.<br />

Unabhängig<br />

davon, wie lange<br />

es dauert.»<br />

Eva Bergsträsser: Das ist richtig. Laras<br />

Eltern haben rückblickend ge ­<br />

sagt, dass das ein komisches Gefühl<br />

war, zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit<br />

mit dem Begriff «palliativ»<br />

konfrontiert zu werden und verstehen<br />

zu müssen, was das für ihr Kind<br />

und für sie als Familie bedeutet. Aber<br />

auch, dass sie diese Kontinuität als<br />

so positiv erlebt haben. Es war immer<br />

die gleiche Person da, die immer<br />

wieder den Faden aufgenommen hat.<br />

Die einfach mal eine Stunde Zeit<br />

hatte, um zuzuhören, oder die ihnen<br />

geraten hat, noch einmal zusammen<br />

in ein verlängertes Wochenende zu<br />

fahren.<br />

Wie ist das für Sie, wenn Sie Eltern<br />

sagen, dass es nun keine Hoffnung<br />

mehr auf Heilung gebe, sondern es<br />

darum gehe, die letzten Wochen,<br />

Monate so schön wie möglich zu<br />

gestalten?<br />

Eva Bergsträsser: Ich finde das nicht<br />

nur schwierig. Es kommt immer darauf<br />

an, welche Einstellung man zum<br />

Leben hat. Jedes Leben hat einen<br />

Anfang und ein Ende. Es gibt auch<br />

Kinderleben, die früher aufhören, als<br />

sie aufhören sollen. Und das kann<br />

genauso einen Sinn ma- >>><br />

Es bräuchte in<br />

der ganzen<br />

Schweiz<br />

Palliative-Care-<br />

Teams, sagen<br />

Eva Bergsträsser<br />

und Eva<br />

Cignacco.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>39


Monatsinterview<br />

>>> chen,wie das Lebensende ich das auch. Ich weiche diesem Thema<br />

eines alten Menschen. Diese Kinder<br />

hinterlassen wichtige Spuren auf dieser<br />

Erde. Wenn man es so sieht, dass<br />

das Leben an sich zählt – unabhängig<br />

davon, wie lang es ist –, dann kann<br />

man vielleicht auch eher darauf setzen,<br />

in dieses Leben noch so viel<br />

Leben zu füllen wie möglich – statt<br />

es um jeden Preis verlängern zu wollen.<br />

Wie reagieren Eltern darauf?<br />

Eva Bergsträsser: Sehr unterschiedlich.<br />

Für manche Eltern ist es ein<br />

No-Go, dass man so etwas ausspricht.<br />

Ich würde dieses Thema auch nie<br />

beim ersten Kennenlernen ansprechen.<br />

nicht aus.<br />

Eva Cignacco: Eltern wollen eine<br />

ehrliche, authentische Kommunikation.<br />

Im Rahmen unserer Studie<br />

berichtete eine Mutter von einem<br />

Gespräch mit einer Ärztin, die eine<br />

Stunde um den heissen Brei herumgeredet<br />

hatte. Sie war drauf und dran<br />

zu sagen: «Jetzt sprichs doch aus:<br />

Mein Kind wird sterben.» Ärzte, die<br />

eine gute Palliativ-Ausbildung<br />

haben, können ein solches Gespräch<br />

hingegen in einen guten Kontext<br />

setzen, einen Kontext, der es Eltern<br />

erlaubt, einem solchen Gespräch zu<br />

folgen.<br />

Was heisst das?<br />

Eva Cignacco: Man nimmt sich Zeit,<br />

«Wir können ganz<br />

schaut nicht auf die Uhr, geht mit<br />

den Eltern in einen separaten Raum<br />

und erklärt ihnen, was alles gemacht<br />

viel dafür tun, dass<br />

wurde, um dem Kind zu helfen, wie<br />

das Kind nicht das Kind reagiert hat und warum<br />

man denkt, dass beispielsweise ein<br />

leiden muss.»<br />

Therapieabbruch der richtige Weg<br />

ist. Man bespricht mit den Eltern die<br />

Ge schichte, die man bis dahin zu -<br />

Aber je mehr ich die Familie<br />

kennenlerne, desto eher weiss ich,<br />

wie ich dieses Tabuthema ansprechen<br />

kann, und umso mehr mache<br />

sammen geteilt hat, und schaut, wie<br />

es weitergeht.<br />

Eva Bergsträsser: In diesem Gespräch<br />

darf nicht nur thematisiert werden,<br />

was alles nicht mehr getan werden<br />

kann, sondern was jetzt zu tun ist:<br />

«Wir können ganz viel dafür tun,<br />

damit das Kind nicht leiden muss,<br />

dass es würdig sterben kann, dass Sie<br />

sich verabschieden können.»<br />

«Eltern tun sich<br />

schwerer mit der<br />

Diagnose als die<br />

Kinder.»<br />

Das Schlimmste, was einem als<br />

Mutter oder Vater passieren kann,<br />

ist der Tod des eigenen Kindes.<br />

Eva Bergsträsser: Sie haben natürlich<br />

recht. Aber es ist ein langer Prozess,<br />

während dessen sich die Eltern mit<br />

diesem Gedanken vertraut machen.<br />

Manche Kinder sind vier, fünf, ja<br />

sieben Jahre in einer palliativen Situation.<br />

Wie lange betreuen Sie diese Familien<br />

nach dem Tod?<br />

Eva Bergsträsser: Das ist unterschiedlich.<br />

Bei manchen bricht der Kontakt<br />

schnell ab, andere rufe ich noch Jahre<br />

später an.<br />

«Erwarten Sie keinen Dank»<br />

Wenn ein Kind in der Familie, im Freundeskreis,<br />

der Nachbarschaft stirbt, brauchen die Eltern<br />

viel Verständnis und Unterstützung, sagen<br />

Eva Bergsträsser und Eva Cignacco. So können<br />

Sie laut den Expertinnen helfen:<br />

Ein unheilbares Kind nach Hause nehmen, verlangt<br />

von den Eltern unglaublich viel Engagement.<br />

Förderlich wäre ein grosses Netzwerk an Freunden,<br />

die sie im Alltag unterstützen: einkaufen, kochen,<br />

die Wäsche waschen, die Geschwister zum Spielen<br />

einladen, damit die Eltern Zeit haben, mit dem<br />

kranken Kind zusammen zu sein und es zu pflegen.<br />

Haben Sie Mut für diesen Kontakt. Das Schlimmste<br />

für die Familien ist, ausgesondert zu werden.<br />

Einfach fragen: Wie ist es, kann ich was tun?<br />

Und erwarten Sie keinen Dank. Ihre Dankbarkeit<br />

können Eltern in dieser Situation häufig nicht<br />

äussern.<br />

Trauer braucht Zeit – länger als ein Jahr. Würdigen<br />

Sie das.<br />

Ein No-Go sind Sätze wie diese: «Ihr seid doch<br />

noch jung – ihr könnt noch viele andere Kinder<br />

bekommen.» Dieses Kind wird durch kein anderes<br />

ersetzt. Oder: «Das kann ich mir vorstellen.» Solch<br />

existenzielle Krisen kann man sich nicht vorstellen.<br />

Schweigen Sie lieber oder sagen Sie: «Ich kann<br />

mir das überhaupt nicht vorstellen, magst du mir<br />

erzählen, wie es für dich ist?»<br />

40 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Frau Bergsträsser, Sie haben einmal<br />

gesagt, dass die Eltern sich schwerer<br />

mit der Diagnose tun als die Kinder.<br />

Eva Bergsträsser: Kinder machen<br />

sich schnell etwas zu eigen. Ich habe<br />

einmal ein zweijähriges Mädchen<br />

mit einem bösartigen Tumor im<br />

Oberschenkelknochen betreut. Das<br />

Bein musste amputiert werden.<br />

Natürlich war das damals für die<br />

heute junge Frau ein grosser Einschnitt.<br />

Aber sie hat es so früh erlebt,<br />

dass sie heute damit ganz gut durchs<br />

Leben kommt.<br />

«Jede Mutter, jeder<br />

Vater würde sagen:<br />

lieber gebe ich mein<br />

Bein her als das<br />

meines Kindes.»<br />

Für die Eltern war es anders?<br />

Eva Bergsträsser: Für die Eltern war<br />

es schrecklich. Jede Mutter, jeder<br />

Vater würde wahrscheinlich sagen:<br />

Lieber gebe ich mein Bein her als das<br />

meines Kindes. Letztendlich möchte<br />

ich aber sagen, dass eine palliative<br />

Betreuung auch etwas sehr Lebensbejahendes<br />

haben kann. Kinder<br />

haben die Fähigkeit, noch am letzten<br />

Tag ihres Lebens am See zu stehen,<br />

ein Steinchen ins Wasser zu werfen<br />

und sich darüber zu freuen.<br />

>>><br />

Alle Fälle – ausser der der kleinen Lara<br />

und zwei weiteren Patientenbeispielen<br />

– stammen aus der im Interview erwähnten<br />

Studie.<br />

Evelin Hartmann<br />

ist zweifache Mutter und hatte grossen<br />

Respekt vor diesem Thema und nach ihrem<br />

Gespräch noch grössere Hochachtung vor<br />

den Menschen, die Kinder an ihrem<br />

Lebensende begleiten.<br />

Die PELICAN-Studie<br />

In einer von 2012 bis 2015 schweizweit<br />

durchgeführten Studie («Paediatric<br />

End-of-Life Care Needs», PELICAN) hat<br />

ein Forscherteam unter der Leitung von<br />

PD Dr. Eva Bergsträsser und PD Dr. Eva<br />

Cignacco 149 Krankengeschichten verstorbener<br />

Kinder ausgewertet und deren<br />

Eltern befragt. Ihre Hauptfragestellung:<br />

Wie sieht die aktuelle Betreuung von<br />

Kindern am Lebensende aus? Die wichtigsten<br />

Ergebnisse: Weniger als eines<br />

von fünf Kindern stirbt zu Hause. Die<br />

meisten von ihnen sterben auf der Intensivstation.<br />

Grundsätzlich berichten die<br />

Eltern über gute Erfahrungen und zeigen<br />

sich zufrieden mit der Betreuung ihres<br />

Kindes. Weniger zufrieden sind sie mit<br />

der mangelnden Kontinuität und<br />

Koordination der Betreuung. In einem<br />

weiteren Teil der Studie wurden Fachpersonen<br />

befragt. Ärzte und Pflegepersonal<br />

fühlen sich im Umgang mit sterbenden<br />

Kindern und ihren Angehörigen meist<br />

unzureichend ausgebildet.<br />

Eva Bergsträsser (l.) und Eva Cignacco mit Fritz+Fränzi-Autorin<br />

Evelin Hartmann.<br />

Zu den Personen<br />

PD Dr. Eva Bergsträsser ist Leiterin des<br />

Kompetenzzentrums Pädiatrische Palliative<br />

Care und Leitende Ärztin Onkologie des<br />

Universitäts-Kinderspitals Zürich.<br />

PD Dr. Eva Cignacco ist Lehrbeauftragte am<br />

Institut für Pflegewissenschaft, Universität<br />

Basel, und Forschungsleiterin der Berner<br />

Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>41


Psychologie & Gesellschaft<br />

Schauplatz<br />

Elternberatung<br />

Bei der Elternberatung von Pro Juventute sind Fachpersonen Tag<br />

und Nacht im Einsatz. Sie beantworten Fragen und helfen bei Problemen<br />

weiter. Ein Einblick in den Beratungsalltag. Text: Susan Edthofer<br />

Fünf Uhr morgens. Eine verzweifelte junge<br />

Mutter ruft an, weil ihr Neugeborenes einfach<br />

nicht in den Schlaf findet. Das Schreien des<br />

Säuglings hält die Mutter mit dem Schlafmanko<br />

fast nicht aus. Verständnisvoll nimmt<br />

die Beraterin Barbara Wüthrich diese Unsicherheit auf<br />

und versucht zu beruhigen. Dabei ist die Beratung nicht<br />

auf das Erteilen von Ratschlägen ausgerichtet. Vielmehr<br />

geht es darum, die Anrufer zu bestärken und auf der<br />

Suche nach einem gangbaren Weg zu begleiten.<br />

Mit diesem Anruf endet für Barbara Wüthrich der<br />

Nachteinsatz, die Morgenschicht übernimmt. Nach<br />

einem kurzen Austausch loggt sich ihre Kollegin Eveline<br />

Männel am Arbeitsplatz ein und beantwortet Mailanfragen.<br />

Eine Mutter schreibt, dass sie im Zimmer ihres<br />

sechzehnjährigen Sohnes Drogen gefunden habe. Ob er<br />

sie selbst konsumiere oder damit deale, wisse sie nicht.<br />

Die Beraterin bestärkt die Mutter, das Gespräch mit<br />

ihrem Sohn zu suchen und, auch wenn es schwierig sei,<br />

hartnäckig immer wieder nachzufragen. Auch sich selber<br />

über Drogen zu informieren helfe, gegen das eigene<br />

Unvermögen anzukommen.<br />

Gemeinsam nach Lösungen suchen<br />

Obwohl Gespräche in der Familie oder mit Bekannten<br />

guttun, ist es manchmal leichter, sich an eine neutrale<br />

Anlaufstelle zu wenden. Bei der Elternberatung von Pro<br />

Juventute werden alle Anfragen vertraulich behandelt.<br />

Das Team aus Psychologinnen, Sozialpädagogen und<br />

Sozialarbeiter/innen ist täglich im Einsatz, und das rund<br />

um die Uhr. Denn nachts ist die Hilflosigkeit oft noch<br />

grösser. Auch wenn das Problem nach einem Anruf nicht<br />

vom Tisch ist, der Austausch hilft. Laut zu denken und<br />

mit einer Fachperson eine Strategie für das Vorgehen<br />

zu entwickeln, trägt meist schon zur Entschärfung einer<br />

Situation bei. Das Team verfügt auch über eine umfassende<br />

Adresskartei. Fachstellen weiterzuempfehlen, ist<br />

ein wichtiger Aspekt des Beratungsauftrags.<br />

Ziel dieses niederschwelligen Angebots ist es, die<br />

Anrufenden zu stärken, zu ermutigen und darauf hinzuweisen,<br />

wo Hilfe zu holen ist.<br />

«Es geht darum,<br />

die Anrufer zu<br />

bestärken und<br />

zu begleiten.»<br />

Susan Edthofer ist Redaktorin<br />

im Bereich Kommunikation<br />

Zurück zu Eveline Männel: Eine Mutter ruft von Pro Juventute.<br />

an, weil ihr gegenüber ihrer zwölfjährigen<br />

Tochter wieder einmal «die Hand ausgerutscht»<br />

ist. Wie sie sagt. Man spürt, dass sie leidet und<br />

ihr Problem in den Griff bekommen möchte. Die Beraterin<br />

versucht auszuloten, welche Hilfe für die Mutter<br />

kurz- und längerfristig in Frage kommt.<br />

Gegen Mittag ruft dann eine Mutter an, die darüber<br />

klagt, dass ihr 21-jähriger Sohn einen ganz anderen<br />

Tagesrhythmus habe als sie. Er nehme keine Rücksicht<br />

auf ihre Befindlichkeit, erwarte, dass der Kühlschrank<br />

voll sei und die Wäsche gewaschen werde. Oft geht es<br />

im Austausch um einen Perspektivenwechsel und die<br />

Erkenntnis, dass man als Eltern Dinge einfordern darf<br />

und sich nicht für alles verantwortlich fühlen muss.<br />

Was Eltern helfen kann<br />

Probleme lösen sich durch einen Anruf nicht einfach in Luft auf,<br />

doch der Austausch mit Fachleuten hilft, herauszufinden, welchen<br />

Weg man einschlagen könnte.<br />

Im Erziehungsalltag gibt es immer wieder Situationen, die verunsichern<br />

oder überfordern. Es lohnt sich, frühzeitig Hilfe zu holen,<br />

denn nicht alle Schwierigkeiten müssen alleine gemeistert werden.<br />

Der Blick von aussen hilft, Distanz zu gewinnen. Eltern werden<br />

bestärkt, das eigene Verhalten zu reflektieren und Situationen zu<br />

fokussieren, die gut laufen. Oft entlastet schon der Gedanke,<br />

dass man eine neutrale Anlaufstelle kontaktieren könnte.<br />

Die Elternberatung informiert gezielt über mögliche Fach- und<br />

Anlaufstellen.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Bei der Elternberatung von Pro Juventute können Eltern und<br />

Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen telefonisch (058 261 61 61)<br />

oder online (www.projuventute-elternberatung.ch) Fragen zum Familienalltag<br />

stellen. Ausser den normalen Telefongebühren fallen keine Kosten an.<br />

Mit «MyFutureJob» (www.projuventute.ch/MyFutureJob.3340.0.html)<br />

unterstützt Pro Juventute die berufliche Neuorientierung von jungen<br />

Erwachsenen mit abgeschlossener Erstausbildung.<br />

42 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Die Familie nicht dem<br />

Schicksal überlassen<br />

Schicksalsschläge, die zu einer Erwerbsunfähigkeit oder gar zum Tod führen, sind an Leid<br />

oft kaum zu übertreffen. Als Folge davon können Geldsorgen die Familie zusätzlich belasten.<br />

Deshalb ist es wichtig, sich auch mit unangenehmen Ereignissen auseinanderzusetzen.<br />

Das 3-Säulen-Prinzip der Schweiz gewährleistet nicht nur die fi nanzielle Vorsorge<br />

für die Zeit nach der Pensionierung. Sie ist auch eine Risikoabsicherung<br />

im Todesfall oder bei invaliditätsbedingter Erwerbsunfähigkeit. Wie hoch die<br />

Unterstützungsleistungen ausfallen, ist nicht leicht zu überblicken, da mehrere,<br />

unterschiedliche Sozialwerke möglicherweise Leistungserbringer sind. Aus<br />

demselben Grund ist es auch wichtig, diese Leistungen aufeinander abzustimmen,<br />

um beispielsweise Überversicherungen zu vermeiden.<br />

Bei Erwerbsunfähigkeit<br />

Familien mit Kindern werden im 3-Säulen-Prinzip besonders berücksichtigt.<br />

Bei voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit wird aus der ersten Säule (IV)<br />

eine Invalidenrente ausbezahlt. Sofern Kinder (bis zum 18. bzw. 25. Lebensjahr,<br />

wenn in Ausbildung) vorhanden sind, wird zudem eine Kinderrente (40% der<br />

IV-Rente pro Kind) geleistet. Die Leistungen der 2. Säule (BVG) lassen sich<br />

nicht pauschal beziffern, denn die einzelnen Pensionskassen decken häufi g weit<br />

mehr als das BVG-Obligatorium ab. Trotzdem ergeben sich gerade bei krankheitsbedingter<br />

Erwerbsunfähigkeit im Gegensatz zu einem Unfall oft grössere<br />

Lücken. Die obligatorische Unfallversicherung (UVG) versichert aktuell maximal<br />

ein Bruttosalär von CHF 148’200.–. Bei höheren Einkommen stellt sich die<br />

Frage, ob die Pensionskasse diese Lohnbestandteile bei Unfall mitversichert<br />

oder der Arbeitgeber eine Unfallzusatzversicherung (UVG-Z) abgeschlossen hat.<br />

Die 3. Säule dient zur Deckung von Vorsorgelücken, die durch die 1. und die 2.<br />

Säule nicht abgedeckt sind. Zum Beispiel können Lücken aus einer Erwerbsunfähigkeit<br />

durch den Abschluss einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder eines<br />

Invaliditätskapitals aufgefangen werden.<br />

Bei Todesfall<br />

Bei Todesfall erhält eine Ehefrau mit Kindern aus der 1. Säule (AHV) eine<br />

lebenslange Witwenrente. Ohne Kinder gilt das nur, wenn die Hinterbliebene<br />

mindestens 45 Jahre alt ist und das Paar mindestens fünf Jahre verheiratet war.<br />

Witwer indessen erhalten eine Witwerrente nur, solange Kinder unter 18 Jahren<br />

zu betreuen sind. Sofern Kinder (bis zum 18. bzw. 25. Lebensjahr, wenn in Ausbildung)<br />

vorhanden sind, wird für diese zudem eine Waisenrente geleistet. Die<br />

detaillierten Leistungen der 2. Säule müssen individuell dem Pensionskassenausweis<br />

und -reglement entnommen werden. Wenn Säule 1 und 2 einen Todesfall<br />

fi nanziell nur ungenügend abdecken, empfi ehlt sich in der 3. Säule der Abschluss<br />

einer Todesfallrisikoversicherung (Lebensversicherung). Ein Vorteil hier:<br />

Bei Policen, die im Rahmen der Säule 3a abgeschlossen werden, lassen sich<br />

die Prämien bis zu einem Maximalbetrag vom steuerbaren Einkommen abziehen.<br />

Weitere Informationen zum Schweizer Vorsorgesystem sowie zur Finanzplanung<br />

finden Sie unter folgendem Link: credit-suisse.com/ratgeber<br />

Haben Sie Fragen zu diesem Thema?<br />

Wir stehen Ihnen dabei kompetent zur Seite. Rufen Sie uns an: 0844 200 <strong>11</strong>1* oder<br />

vereinbaren Sie auch online ein Beratungsgespräch unter credit-suisse.com/vorsorgeberatung<br />

*Wir sind von Montag bis Freitag gerne für Sie da. Bitte beachten Sie, dass Telefongespräche aufgezeichnet werden können. Bei Ihrem Anruf gehen wir davon aus, dass Sie mit dieser Geschäftspraxis<br />

einverstanden sind.


Kolumne<br />

Machen Sie Ihren Kindern klar,<br />

dass es jetzt um Sie geht<br />

Eine allein erziehende Mutter von drei Kindern wendet sich an Jesper Juul. Sie fühlt sich<br />

überfordert, ausgelaugt, ist verzweifelt und im Begriff, sich aufzugeben.<br />

Jesper Juul<br />

ist Familientherapeut und Autor<br />

zahlreicher internationaler Bestseller<br />

zum Thema Erziehung und Familien.<br />

1948 in Dänemark geboren, fuhr er<br />

nach dem Schulabschluss zur See, war<br />

später Betonarbeiter, Tellerwäscher<br />

und Barkeeper. Nach der<br />

Lehrerausbildung arbeitete er als<br />

Heimerzieher und Sozialarbeiter<br />

und bildete sich in den Niederlanden<br />

und den USA bei Walter Kempler zum<br />

Familientherapeuten weiter. Seit 2012<br />

leidet Juul an einer Entzündung der<br />

Rückenmarksflüssigkeit und sitzt im<br />

Rollstuhl.<br />

Jesper Juul hat einen erwachsenen<br />

Sohn aus erster Ehe und ist in zweiter<br />

Ehe geschieden.<br />

Die Mutter hat drei<br />

grosse Jungs im Alter<br />

von 14, 16 und 19<br />

Jahren. Ihr Problem<br />

ist, dass vor allem die<br />

jüngeren zwei Jungen sehr schlechte<br />

Angewohnheiten in Bezug auf die<br />

Abendroutine haben. Da die Mutter<br />

im Schichtdienst und dadurch unregelmässig<br />

arbeitet, ist sie zu unterschiedlichen<br />

Zeiten zu Hause. Sie<br />

kann die Aktivitäten ihrer Jungs<br />

nicht kontrollieren, zum Beispiel<br />

wann sie ins Bett gehen und am<br />

Morgen aufstehen. Die aufgestellten<br />

Regeln werden nicht respektiert.<br />

Dies hat oft zur Folge, dass die Kinder<br />

nicht zur Schule gehen oder zu<br />

spät kommen. Die Mutter weiss, dass<br />

es sich dabei auch um ein allgemeines<br />

Problem in diesem Alter handelt,<br />

aber das sei kein Trost. Es geht<br />

über die Grenzen aller, sowohl physisch<br />

als auch mental.<br />

Die Mutter ist geschieden und die<br />

Beziehung zum Vater der Jungen ist<br />

schlecht. Der Vater bombardiert die<br />

Mutter mit Kritik und hält ihr vor,<br />

dass sie sich unangemessen verhal-<br />

Ihre Söhne können nicht<br />

auf Sie aufpassen und in<br />

dieser chaotischen Situation<br />

auch nicht auf sich selbst.<br />

ten würde. Weil die Mutter darauf<br />

bestanden hat, dass die Kinder nach<br />

der Scheidung bei ihr wohnen, lehnt<br />

der Vater jegliche Verantwortung ab.<br />

In letzter Zeit ist die Mutter zunehmend<br />

verzweifelt, wenn sie am Morgen<br />

zu Hause ist und versucht, die<br />

Jungs aufzuwecken und zur Schule<br />

zu schicken. Das sei sowohl entwürdigend<br />

wie auch anstrengend,<br />

berichtet sie. Weiter meint sie, dass<br />

ihr Ex-Mann recht damit hätte,<br />

wenn er sie kritisiert. Sie findet, dass<br />

die Jungs eigentlich genug alt wären,<br />

um selbst die Verantwortung zu<br />

übernehmen, aber der Mutter fällt<br />

es schwer, loszulassen. Sie ist absolut<br />

hilflos.<br />

Mit dem ältesten Sohn, 19, hatte<br />

die Mutter das gleiche Problem. Er<br />

hat die Matura nur knapp geschafft,<br />

und das auch nur durch den enormen<br />

Einsatz seiner Mutter. Die<br />

Angst, dass es bei den beiden anderen<br />

genauso sein wird, ist gross.<br />

Computerspiele und Fernsehen<br />

machen die Sache umso schwerer.<br />

Beides stiehlt den Jungen einen<br />

gros sen Teil ihres täglichen Lebens<br />

und hält sie auch von ihren Pflichten<br />

ab, etwa den Hausaufgaben. Die<br />

Mutter hat darüber nachgedacht, ob<br />

es Sinn macht, ihr Leben komplett<br />

zu ändern, beispielsweise das Fernsehen<br />

für eine Weile zu verbieten.<br />

Die Mutter fühlt sich im Moment<br />

völlig ausgelaugt. Je müder sie wird,<br />

umso schwieriger wird es, über eine<br />

Lösung nachzudenken.<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

44 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ihre Frage an Jesper Juul lautet: «Wie<br />

viel Verantwortung soll ich übernehmen<br />

und wie viel Verantwortung<br />

können die Kinder bereits tragen?»<br />

Jesper Juul antwortet der Mutter<br />

direkt:<br />

Ich verstehe, dass Sie erschöpft sind,<br />

sich am liebsten verstecken würden<br />

und erst wieder zum Vorschein<br />

kommen möchten, wenn Ihre Kinder<br />

erwachsen sind. Aber das ist<br />

nicht möglich. Ihre einzige Möglichkeit<br />

ist, sich schnell um professionelle<br />

Hilfe zu kümmern – sei es bei einer<br />

öffentlichen Stelle oder einem privaten<br />

Familientherapeuten.<br />

Ihre Kinder verhalten sich unverantwortlich<br />

und sind es gewohnt,<br />

dass Sie sie bedienen. Das älteste<br />

Kind ist Ihr Ex-Mann. Jemand sollte<br />

ihn mit der Frage konfrontieren,<br />

ob er denn etwas Konstruktives zur<br />

aktuellen Situation beitragen kann.<br />

Optimal wären Gespräche, an denen<br />

alle Familienmitglieder teilnehmen.<br />

So wie die Dinge im Moment stehen<br />

und sie auch bereits schon länger<br />

waren, sind ihre Söhne – wie ich<br />

es nenne – «De-facto-Waisen». Was<br />

bedeutet, dass Mutter und Vater<br />

weder die Fähigkeit, den Wunsch<br />

noch die Energie haben, den Kindern<br />

das zu geben, was sie brauchen.<br />

In Ihrem Fall: einen Nutzen, einen<br />

Überblick, Führung und ein sinnvolles<br />

Vorbild. Es liegt in der Verantwortung<br />

der Erwachsenen, dafür<br />

geradezustehen, wie sich die Situation<br />

entwickelt hat, und es wäre deshalb<br />

sehr unfair, die Kinder dafür zu<br />

bestrafen. Die Unverantwortlichkeit<br />

der Kinder ist lediglich ein Symptom,<br />

das sie zeigen.<br />

Als Leserin meiner Kolumnen<br />

wissen Sie, dass ich kein Freund von<br />

Schuldzuweisungen bin. Es gibt sehr<br />

viele Gründe, warum Ihre Familiensituation<br />

im Moment für kein Mitglied<br />

angenehm ist. So wie Sie Ihre<br />

eigene Gefühlslage als Mutter<br />

beschreiben, sind sie verzweifelt,<br />

erschöpft und machtlos. Dies hat<br />

sich über viele Jahre hin entwickelt,<br />

Sie müssen sich selbst und Ihren<br />

Söhnen gegenüber als unnachgiebig<br />

zeigen. Es ist Ihre Chance, als Frau,<br />

Mutter und Mensch zu wachsen.<br />

und wenn ich mich nicht irre, so<br />

liegt es daran, dass Sie nicht gut<br />

genug auf sich selbst aufgepasst<br />

haben.<br />

Sie haben Ihre eigenen Bedürfnisse,<br />

Ihre Werte, Ihre Grenzen und<br />

Ihre Gefühle ignoriert. Sie haben<br />

gegeben und gegeben, und nun sind<br />

sie leer. Wenn Sie nun auch noch<br />

einen Ex-Mann haben, der sich permanent<br />

über Ihre Grenzen hinwegsetzt<br />

und sie ständig verletzt, so ist<br />

es an der Zeit, dass Sie Prioritäten<br />

setzen. Diese sind Sie selbst und Ihre<br />

Gesundheit. Nicht auf Kosten der<br />

Jungen, sondern wegen deren Be -<br />

dürfnis nach einer glaubwürdigen<br />

erwachsenen Führung.<br />

Ihre Söhne können nicht auf Sie<br />

aufpassen und in dieser chaotischen<br />

und unklaren Situation auch nicht<br />

auf sich selbst. Sie erfahren eine<br />

Mutter ohne Autorität und einen<br />

Vater, der ein schlechtes Beispiel<br />

abgibt. Darum ist jetzt nicht der<br />

richtige Zeitpunkt, Ihnen eine<br />

altersgerechte Verantwortung zu<br />

übertragen. Es ist höchste Zeit für<br />

Sie als Frau und Mutter, die gesamte<br />

Verantwortung, die Sie über die Jahre<br />

hin übernommen haben, genauer<br />

zu betrachten und sich zunächst für<br />

sich selbst zu entscheiden.<br />

Ganz wichtig dabei ist, dass Sie<br />

sich Hilfe von aussen holen, um<br />

gemeinsam mit Ihren Kindern darüber<br />

sprechen zu können, wie sich<br />

alle fühlen. Sie müssen Ihren Kindern<br />

klarmachen, dass Sie sich jetzt<br />

um sich selbst kümmern müssen. Es<br />

bedarf einer Form der Kommunikation,<br />

durch die Ihre Familie erkennt,<br />

dass Sie es wirklich ernst meinen.<br />

Ohne diese Hilfe fühlen sich Ihre<br />

Söhne nur noch mehr schuldig und<br />

werden vermehrt selbstzerstörerische<br />

Züge entwickeln.<br />

Ich vertrete die Ansicht, dass<br />

Kinder ihren Eltern helfen können,<br />

sich persönlich zu entwickeln, wie<br />

dies auch Eltern für ihre Kinder tun.<br />

Sie haben als Frau das klassische<br />

Verhalten einer Frau entwickelt, die<br />

durch ihre bedingungslose Liebe,<br />

ihre Aufopferung, erhöhte Belastbarkeit<br />

und ständige Verfügbarkeit<br />

an Selbstwert verliert. Dieses Muster<br />

ist sehr oft bei jungen Frauen zu<br />

beobachten. Später jedoch werden<br />

sie schlecht behandelt, und ich denke,<br />

das war auch einer der Gründe<br />

für Ihre Scheidung.<br />

Nun müssen Sie sich selbst und<br />

Ihren Söhnen gegenüber als unnachgiebig<br />

zeigen. Es ist Ihre Chance, als<br />

Frau, als Mutter und als Mensch zu<br />

wachsen. Die gute Nachricht ist,<br />

dass Ihre Söhne davon profitieren<br />

werden, sobald Sie damit anfangen.<br />

Es wird Ihnen immer noch möglich<br />

sein, eine liebevolle und aufbauende<br />

Beziehung zueinander zu schaffen.<br />

Haben auch Sie eine Frage an Jesper<br />

Juul, die er persönlich beantworten<br />

soll? Dann schreiben Sie uns:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch oder<br />

Schweizer ElternMagazin<br />

Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97,<br />

8008 Zürich<br />

Die Kolumnen von Jesper Juul entstehen<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>45


Erziehung & Schule<br />

Wenn Eltern einer Lehrperson<br />

mit dem Anwalt drohen<br />

Die Kooperation zwischen Eltern und Schule ist von zwei gegensätzlichen Trends geprägt. Einerseits<br />

üben Eltern mit Anwälten und Rekursen Druck aus, um ihren Kindern die bestmögliche Schulkarriere zu<br />

verschaffen. Andrerseits reagieren Schulen und Behörden mit Bussen, wenn Eltern ihren Pflichten nicht<br />

nachkommen. Doch in den meisten Fällen funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos.<br />

Text: Beat W. Zemp<br />

«Gegenseitiges Vertrauen<br />

ist die beste Voraussetzung,<br />

um schwierige Situationen<br />

meistern zu können.»<br />

Beat W. Zemp ist Zentralpräsident des<br />

Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer<br />

Schweiz (LCH).<br />

An fetten Schlagzeilen<br />

und aufgeregten Diskussionen<br />

fehlt es in<br />

jüngster Zeit nicht,<br />

wenn es um das Verhältnis<br />

zwischen Elternhaus und<br />

Schule geht.<br />

In Bülach ist ein Ehepaar nach<br />

wiederholtem unentschuldigtem<br />

Fernbleiben an einem Elternabend<br />

von der Schule angezeigt<br />

worden, weil es gegen das Volksschulgesetz<br />

verstossen habe. Das<br />

Bezirksgericht sprach das Ehepaar<br />

frei, weil die Schule zu wenig klar<br />

kommuniziert hatte, dass es sich<br />

um einen obligatorischen Schulanlass<br />

handelte.<br />

In St. Margrethen kassierte ein<br />

muslimischer Vater eine Geldstrafe<br />

von 3000 Franken und eine Busse<br />

von 1000 Franken, weil er sich<br />

seit Jahren weigert, seine Töchter<br />

am Schulschwimmen und am<br />

Klassenlager teilnehmen zu lassen.<br />

In Zürich bestand ein Sechstklässler<br />

die diesjährige Aufnahmeprüfung<br />

für das Langzeitgymnasium<br />

nicht, weil er das Aufsatzthema<br />

nach Meinung der beurteilenden<br />

Lehrpersonen völlig verfehlt hatte<br />

und dafür die Note 2 kassierte.<br />

Dagegen rekurrierten die Eltern<br />

bis vor das kantonale Verwaltungsgericht.<br />

Das Gericht schrieb<br />

in seinem Urteil, dass das selber<br />

erfundene Märchen im Aufsatz<br />

des Schülers zwar etwas unkonventionell<br />

war und deshalb erheblich<br />

von den Aufsätzen der anderen<br />

Schüler abwich. Daraus könne<br />

man aber nicht schliessen, dass er<br />

die Aufgabenstellung vollständig<br />

missachtet habe. Die tiefe Benotung<br />

sei willkürlich und daher<br />

rechtswidrig und müsse nochmals<br />

überprüft werden.<br />

Einschränkung des Rekursrechts<br />

Solche juristischen Streitigkeiten,<br />

Rekurse und Bussen haben zwar<br />

zugenommen, sie sind aber angesichts<br />

der grossen Zahl von Schülerinnen<br />

und Schülern immer noch<br />

Ausnahmefälle. Trotzdem möchte<br />

der Kanton Freiburg die Rekursmöglichkeiten<br />

für Eltern einschränken:<br />

Erzieherische Massnahmen von<br />

Lehrpersonen, die Ablehnung von<br />

Urlaubsgesuchen und die Bewertung<br />

von Noten, die nicht entscheidend<br />

für die Promotion sind, könnten<br />

Eltern dann nicht mehr juristisch<br />

anfechten. Hingegen würde das<br />

Rekursrecht gegen die Notengebung<br />

bei Übertritts-, Aufnahme- oder<br />

Abschlussprüfungen bestehen bleiben.<br />

Begründet wird diese Änderung<br />

des Rekursrechts mit dem hohen<br />

Aufwand an Zeit, Geld und Kraft,<br />

die solche unnötigen Rekurse benötigen.<br />

So kommt es immer wieder<br />

vor, dass Eltern gegen ein abgelehntes<br />

Urlaubsgesuch Rekurs einreichen,<br />

damit sie kurz vor Ferienbeginn<br />

von den tieferen Reise- und<br />

Flugtarifen profitieren können.<br />

Als Lehrperson darf man sich<br />

auch nicht unter Druck setzen lassen,<br />

wenn eine Schülerleistung<br />

erwiesenermassen ungenügend ist<br />

und die Eltern dann mit einem<br />

Anwalt drohen. Gibt man nach und<br />

rundet die Note auf, ermuntert man<br />

solche Eltern nur, ihren Druck auf<br />

die Lehrperson weiter zu erhöhen.<br />

46 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Die kantonalen Instanzen lehnen<br />

solche Rekurse fast immer ab, wenn<br />

die Notengebung nachvollziehbar,<br />

nicht diskriminierend und nicht<br />

willkürlich ist.<br />

Elternfürsorge und Lernerfolg<br />

Aus der Forschung über die Schulwirksamkeit<br />

wissen wir, dass ein<br />

hohes Interesse der Eltern am Lernprozess<br />

ihrer Kinder und die elterliche<br />

Sorge für gute Lernvoraussetzungen<br />

zu Hause sehr wichtig für<br />

den schulischen Lernerfolg sind.<br />

Dazu gehören auch erzieherische<br />

Massnahmen für die Kinder wie<br />

genügend Schlaf, gesunde Ernährung<br />

und ein vernünftiger Me ­<br />

dienkonsum sowie ein ruhiger<br />

Platz für das Erledigen von Hausaufgaben.<br />

Eltern haben einen positiven<br />

Einfluss auf den Schulerfolg, wenn<br />

sie sich für die Zukunftsperspektiven<br />

ihrer Kinder interessieren. Eine<br />

gute Information, Vertrauen und die<br />

Koordination von pädagogischen<br />

Massnahmen zwischen Schulen und<br />

Eltern sind daher notwendig und<br />

erhöhen erwiesenermassen den<br />

Lernerfolg.<br />

Gegenseitiges Vertrauen zwischen<br />

Eltern und Schule ist eine<br />

wichtige Voraussetzung, um auch<br />

schwierige Situationen meistern zu<br />

können. In Krisensituationen ist<br />

bereits aufgebautes Vertrauen der<br />

Boden zur Lösung von Problemen.<br />

Daher sollten Eltern nicht gleich mit<br />

dem Anwalt drohen und Rekurse<br />

einreichen, wenn ein Problem mit<br />

der Schule oder einer Lehrperson<br />

entsteht. Es ist immer besser, zuerst<br />

eine Lösung im Gespräch und im<br />

gegenseitigen Einvernehmen zu<br />

suchen, bevor man den Rechtsweg<br />

beschreitet oder Bussen verhängt.<br />

Wenn aber Erziehungsberechtigte<br />

ihren Pflichten nach wiederholter<br />

Mahnung nicht nachkommen,<br />

müssen Massnahmen und<br />

rechtliche Verfahren klar geregelt<br />

sein. Diese haben dem Kindeswohl<br />

zu dienen, denn im Zentrum aller<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Bemühungen steht letztlich immer<br />

das Kind.<br />

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Seestrasse 27 27<br />

8002 Zürich<br />

fifamuseum.com<br />

Rollenklärungen und geregelte<br />

Kooperation<br />

Partner arbeiten besser zusammen,<br />

wenn ihre Rollen klar sind. Eltern<br />

sind keine Kunden der Schule oder<br />

nur Kuchenbäcker für schulische<br />

Anlässe, sondern eigenverantwortliche<br />

Partner der Schule für die<br />

Erziehung ihrer Kinder. Diese wiederum<br />

sind aber keine reinen Objekte<br />

elterlicher Erziehung, sondern<br />

Menschen mit eigenen Vorstellungen<br />

und eigenen Motivationen, die<br />

für den Schulerfolg mit zunehmendem<br />

Alter ebenso wichtig sind wie<br />

die elterliche Fürsorge.<br />

Eine Schule ist kein käufliches<br />

Dienstleistungsangebot sondern ein<br />

professionell geführter Lernort, der<br />

von unserer Gesellschaft per Verfassung<br />

demokratisch legitimiert und<br />

kontrolliert wird. Für beide Seiten<br />

– Schule und Elternhaus – ergibt<br />

sich daraus ein Kooperationsgebot<br />

in allen Bereichen, in denen die<br />

Zuständigkeit nicht alleine bei den<br />

Schulen oder bei den Erziehungsverantwortlichen<br />

liegt.<br />

Geht es beispielsweise um die be ­<br />

rufliche Orientierung, um ge sundheitliche<br />

Präventionsmassnahmen,<br />

um Hausaufgaben oder Schulanlässe<br />

mit Elternbeteiligung, sind immer<br />

beide Seiten gefordert, ihren Beitrag<br />

zu leisten und die Bereitschaft zur<br />

Zusammenarbeit zu signalisieren.<br />

Das gilt besonders dann, wenn es<br />

darum geht, konkrete Formen und<br />

Konzepte der Zusammenarbeit zwischen<br />

Eltern und Schule zu vereinbaren,<br />

damit künftig weniger Bussen<br />

und Rekurse nötig sind.<br />

DAS SPIEL-<br />

FELD FÜR DIE<br />

GANZE FAMILIE<br />

15 INTERAKTIVE ERLEBNISSE RUND<br />

UM DIE WELT DES FUSSBALLS.<br />

November <strong>2016</strong>47


In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post<br />

Lust auf Schreiben!<br />

Der Weg zum guten Schreiben ist lang und nicht immer einfach – aber er lohnt sich. Afra<br />

Sturm erklärt, warum dies so ist und was Kinder beim Schreibenlernen motiviert und fördert.<br />

Interview: Johanna Oeschger Bild: Tim Leu<br />

Schreiben ist ein<br />

ebenso komplexer<br />

wie faszinierender<br />

Prozess.<br />

Frau Sturm, wozu muss man heute, im<br />

Zeitalter von Fotos, Videos und Emojis,<br />

überhaupt noch schreiben können?<br />

Es gibt sehr viele Situationen, in<br />

denen man schreiben können muss.<br />

In der Arbeitswelt sind die Lese- und<br />

Schreibanforderungen sogar gestiegen.<br />

Es wird auch von Produktionsmitarbeitenden<br />

oder Handwerkern<br />

verlangt, den eigenen Arbeitsprozess<br />

schriftlich zu dokumentieren. Firmen<br />

wenden Lese- oder Schreibtests<br />

an in den Ein stellungsverfahren,<br />

vieles wird protokolliert. So schnell<br />

wird man das Schreiben also nicht<br />

los!<br />

Was bereitet Kindern, die zum ersten<br />

Mal schreiben lernen, besonders<br />

Mühe?<br />

Das Schwierige am Schreiben ist,<br />

dass man dabei sehr viele Aktivitäten<br />

gleichzeitig ausführen muss: Ich<br />

überlege, was ich wem wozu und wie<br />

schreibe – ausserdem muss ich den<br />

Stift oder die Tastatur bedienen,<br />

nach dem passenden Wort suchen<br />

und es auch noch korrekt aufschreiben.<br />

All diese Aktivitäten beanspruchen<br />

das Arbeitsgedächtnis. Dieses<br />

ist aber beschränkt und kann auch<br />

nicht einfach erweitert werden.<br />

Schreibanfängerinnen und -anfänger<br />

steuern den Schreibprozess deshalb<br />

so, dass ihr Arbeitsgedächtnis<br />

nicht alles gleichzeitig schaffen muss.<br />

Aus diesem Grund schreiben sie<br />

häufig «drauflos»: Sie haben eine<br />

Idee, schreiben sie auf, haben die<br />

nächste Idee, schreiben wieder,<br />

Bild: Cavan Images / 13 Photo<br />

48 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

haben keine Idee mehr, hören auf ...<br />

Bei geübteren Schreibenden sind<br />

bestimmte Dinge automatisiert und<br />

das Arbeitsgedächtnis wird entlastet.<br />

Dann kann man auch komplexere<br />

Schreibaufgaben bewältigen.<br />

Welche Schreibfähigkeiten können<br />

Eltern bei ihren Kindern in welchem<br />

Alter voraussetzen?<br />

Das hängt vom Kompetenzbereich<br />

ab. Als Eltern sollte man sich vor<br />

allem bewusst sein, dass die Schreibentwicklung<br />

ein sehr langer Prozess<br />

ist. Die heutige Forschung weiss, dass<br />

es bis zu zwei Jahrzehnte dauert, bis<br />

jemand das Schreiben wirklich<br />

erworben hat. Das hat damit zu tun,<br />

dass das Schreiben sehr anspruchsvoll<br />

ist, viel anspruchsvoller als zum<br />

Beispiel das Sprechen oder das<br />

Lesen. Auch die Grundfähigkeiten,<br />

z.B. eine flüssige Handschrift oder<br />

die Rechtschreibung, sind bis Ende<br />

Unterstufe noch nicht vollständig<br />

entwickelt. Diese Fähigkeiten müssen<br />

in der Mittel- und Oberstufe<br />

systematisch weiter ausgebaut werden.<br />

Bei all den Kompetenzen, die das<br />

Schreiben umfasst, wird oft besonders<br />

viel Wert auf die Rechtschreibung<br />

gelegt. Zu Recht?<br />

Die Fähigkeit, korrekt zu schreiben,<br />

sagt noch nicht viel über die gesamten<br />

Schreibkompetenzen aus. Es ist<br />

möglich, dass jemand viele Rechtschreibfehler<br />

macht, aber einen tollen<br />

Text schreiben kann. Umgekehrt<br />

gibt es viele Schülerinnen und Schüler,<br />

die die Rechtschreibung perfekt<br />

beherrschen, aber ihre Botschaft<br />

nicht in einen Text bekommen. Dennoch<br />

hindern Unsicherheiten in der<br />

Rechtschreibung das Schreiben, weil<br />

ich mich ständig fragen muss, wie<br />

ich dieses oder jenes Wort korrekt<br />

schreibe. Das lenkt von der eigentlichen<br />

Schreibaufgabe ab. Eine sichere<br />

Rechtschreibung zu erwerben,<br />

lohnt sich also.<br />

Wie können Eltern ihr Kind beim<br />

Schreiberwerb unterstützen?<br />

Kinder müssen erleben, dass man<br />

mit Schrift etwas mitteilen kann.<br />

Wenn sie das erfahren, sind sie auch<br />

neugierig, Schrift selber auszuprobieren.<br />

Und wie weckt man diese Neugierde?<br />

Einerseits über das Lesen: Wenn<br />

man mit ihnen in Bilderbüchern<br />

liest, fasziniert das die Kinder. Da<br />

steht etwas – und es kommt immer<br />

dieselbe Geschichte raus! Andererseits<br />

ist es wichtig, die Kinder schon<br />

vor dem Schrifterwerb in die eigenen<br />

Schreibtätigkeiten mitzunehmen. Sie<br />

können zum Beispiel die Einkaufsliste<br />

mit Zeichnungen ergänzen,<br />

SMS mittippen, Postkarten diktieren,<br />

das Ferientagebuch mit Bildern<br />

dokumentieren …<br />

Was sollten Eltern nicht tun?<br />

Ist die Neugier für das eigene Schreiben<br />

vorhanden, können Eltern<br />

durchaus darauf eingehen: Sie können<br />

dem Kind zeigen, wie sie den<br />

eigenen Namen schreiben, oder sie<br />

einmal auf der Computer- oder Handytastatur<br />

tippen lassen. Es ist aber<br />

nicht nötig, mit den Kindern Handschrift,<br />

Tastaturschreiben oder gar<br />

Rechtschreibung zu üben. Das ist<br />

Aufgabe der Schule und muss dort<br />

systematisch geübt werden.<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie, wie<br />

Afra Sturm auf Fragen<br />

rund ums Schreiben<br />

antwortet.<br />

Johanna Oeschger<br />

ist Literatur- und Sprachwissenschaftlerin,<br />

unterrichtet Deutsch und Englisch auf der<br />

Sekundarstufe II und arbeitet als<br />

Mediendidaktikerin bei LerNetz.<br />

Zur Person<br />

Prof. Dr. Afra Sturm ist Professorin an der<br />

Pädagogischen Hochschule der FHNW und leitet<br />

dort den Schwerpunkt Schreiben am Zentrum<br />

Lesen. Sie erforscht und entwickelt den Erwerb<br />

und die Förderung von Schreiben bei Kindern und<br />

Erwachsenen.<br />

Schreibförderung<br />

Das Schreiben für Schule, Beruf und<br />

Alltag ist wichtiger denn je. Wer gut<br />

schreiben will, muss viel können – von der<br />

Handschrift über das Planen des Textes<br />

bis zur Wahl des treffenden Ausdrucks.<br />

Eine komplexe Herausforderung, die bis<br />

ins Erwachsenenalter geübt werden muss.<br />

Mit diesem Artikel starten wir die Serie<br />

Lust auf Scheiben. Wir zeigen auf, wie<br />

Eltern anhand von Tipps und Übungsideen<br />

ihrem Kind die Lust aufs<br />

Schreiben vermitteln können. Alle Artikel<br />

der Serie finden Sie auch online auf<br />

www.fritzundfraenzi.ch..<br />

Videointerviews<br />

Schreiben unsere Schülerinnen und<br />

Schüler immer schlechter? Wie bekommt<br />

mein Kind die Rechtschreibung in den<br />

Griff? Was, wenn mein Kind «nicht gerne»<br />

schreibt?<br />

Sehen und hören Sie die Antworten im<br />

Video auf www.fritzundfraenzi.ch..<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>49


Elterncoaching<br />

Mein Kind ist ein Perfektionist<br />

In der Prüfung eine Sechs, im Wettkampf der Erste. Manche Kinder wollen<br />

alles besonders gut machen, perfekt sein. Wenn sie dies aus dem Glauben<br />

heraus tun, nur so geliebt zu werden, sollten Eltern handen.<br />

Fabian Grolimund<br />

ist Psychologe und Autor («Mit<br />

Kindern lernen»). In der Rubrik<br />

«Elterncoaching» beantwortet<br />

er Fragen aus dem Familienalltag.<br />

Der 36-Jährige ist verheiratet<br />

und Vater eines Sohnes, 4,<br />

und einer Tochter, 1. Er lebt<br />

mit seiner Familie in Freiburg.<br />

www.mit-kindern-lernen.ch<br />

www.biber-blog.com<br />

Natalie strahlt übers<br />

ganze Gesicht. «Du<br />

bist ja heute gut aufgelegt!<br />

Was ist denn<br />

los?» Nathalie sieht<br />

ihre Mutter mit einem breiten Grinsen<br />

an: «Wir haben die Geo-Prüfung<br />

zurückbekommen.» Nun beginnt<br />

ein wohlorchestriertes Spiel: Die<br />

Mutter beginnt von der Note 4 nach<br />

oben zu zählen: «Eine Vier? Eine<br />

Viereinhalb? Eine Fünf?» Dabei<br />

schaut die Mutter immer erstaunter,<br />

während Natalie jedes Mal amüsiert<br />

den Kopf schüttelt. «Doch keine<br />

Sechs?», staunt die Mutter. «Doch!»<br />

Die Mutter nimmt sie in den Arm:<br />

«Dabei hast du doch gedacht, es sei<br />

so schlecht gelaufen. Und jetzt so<br />

eine Wahnsinnsnote! Du kannst<br />

stolz auf dich sein.»<br />

Szenen wie diese spielen sich<br />

regelmässig ab. Die Mutter ist sehr<br />

erleichtert, wenn ihre Tochter mit<br />

einer Sechs nach Hause kommt – bei<br />

einer Fünf, manchmal auch einer<br />

Fünfeinhalb, ist Natalie aufgelöst.<br />

Dann plagen sie Selbstzweifel,<br />

Schuld- und Schamgefühle. Dann ist<br />

alles «schlimm» und «peinlich»,<br />

Selbstorientierte Perfektionisten<br />

machen ihren Wert fast<br />

ausschliesslich von der Bewertung<br />

anderer Menschen abhängig.<br />

dann fragt sie, wie sie «nur so einen<br />

dummen Fehler machen konnte».<br />

Ihre Mutter hat das Gefühl, gegen<br />

Windmühlen zu kämpfen, wenn<br />

Natalie sich selbst abwertet, sich als<br />

dumm bezeichnet, weint, weil sie<br />

«nichts kann», sich als «doofe Nuss»<br />

beschimpft. Bei jedem «aber das ist<br />

doch gut!» und «andere wären froh,<br />

wenn sie so gute Noten hätten» wird<br />

Natalie wütender. Gut ist ihr nicht<br />

gut genug. Es muss perfekt sein.<br />

Natalie sucht nach Lob und<br />

Anerkennung, kann es jedoch kaum<br />

annehmen. Sie sucht immer nach<br />

dem «Aber» dahinter. Sie hat ein<br />

grosses Ohr für kleinste kritische<br />

Kommentare und fühlt sich auch bei<br />

gut gemeinten Verbesserungsvorschlägen<br />

entwertet und abgelehnt.<br />

Natalie ist eine Perfektionistin –<br />

und sie und ihr Umfeld kämpfen<br />

damit.<br />

Nicht jede Form von<br />

Perfektionismus ist problematisch<br />

Eltern machen sich oft Sorgen, wenn<br />

ihr Kind perfektionistisch veranlagt<br />

ist. Die Forschung zeigt jedoch, dass<br />

nicht jede Form von Perfektionismus<br />

problematisch ist.<br />

Perfektionisten haben hohe innere<br />

Standards. Sie streben gute Ergebnisse<br />

an und sind bereit, dafür viel<br />

Zeit und Energie zu investieren.<br />

Die «gesunde» Form wird als<br />

selbstorientierter Perfektionismus<br />

beschrieben. Diese Menschen stecken<br />

sich hohe eigene Ziele und<br />

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren<br />

50 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


arbeiten mit Engagement und<br />

Begeisterung daran, sich stetig zu<br />

verbessern. Sie können mit Misserfolgen<br />

umgehen und aus Fehlern<br />

lernen.<br />

Sozial orientierte Perfektionisten<br />

hingegen leiden unter ihrem Drang<br />

nach Vollkommenheit. Sie setzen<br />

sich nicht selbst Ziele – sie fühlen<br />

sich vielmehr von (vermeintlich)<br />

hohen Erwartungen anderer unter<br />

Druck gesetzt. Sie glauben, perfekt<br />

sein zu müssen, um anderen zu<br />

genügen und liebenswert zu sein. Sie<br />

machen ihren Wert als Mensch fast<br />

ausschliesslich von der Bewertung<br />

anderer abhängig. Teilweise sind sie<br />

so blockiert von Ängsten und Sorgen,<br />

dass sie kaum mehr arbeiten<br />

können. Ihre Gedanken kreisen um<br />

einen möglichen Gesichtsverlust<br />

und die Angst, dass andere enttäuscht<br />

werden könnten, schlecht<br />

über sie denken oder sich von ihnen<br />

abwenden, wenn sie keine Bestleistung<br />

erbringen.<br />

Kinder wie Natalie identifizieren<br />

sich so sehr mit ihrer Leistung, dass<br />

sich ein Misserfolg anfühlt, als würde<br />

ihnen der Boden unter den<br />

Füssen weggezogen.<br />

Der Drang nach Perfektion macht<br />

Eltern und Lehrer hilflos<br />

Eltern und Lehrpersonen sind oft<br />

ratlos, wie sie auf perfektionistische<br />

Kinder eingehen sollen. Meist versuchen<br />

sie das Selbstvertrauen des<br />

Kindes zu fördern, indem sie auf<br />

seine bisherigen Erfolge hinweisen,<br />

bei guten Noten das Kind bestärken<br />

(«Wow! Ich wusste doch, dass du es<br />

kannst!») und bei etwas weniger<br />

guten Leistungen auf die starken<br />

Punkte hinweisen.<br />

Bei Eltern und Lehrpersonen<br />

stellt sich jedoch bald das Gefühl<br />

ein, dass all das Lob und all die<br />

Ermutigung nicht auf fruchtbaren<br />

Boden fallen. Es fühlt sich an, als<br />

würde man ein Fass ohne Boden<br />

füllen. Die Anerkennung versickert<br />

nach einem kurzen Moment der<br />

Freude oder Erleichterung und<br />

scheint langfristig nur dazu zu führen,<br />

dass das Kind immer mehr<br />

davon braucht, um sich für kurze<br />

Zeit erleichtert zu fühlen. Die Selbstzweifel<br />

sind sofort wieder da.<br />

Der Versuch, das Selbstvertrauen<br />

perfektionistischer Kinder zu stärken,<br />

verstärkt oft das Problem.<br />

Denn: Jede Anerkennung für gute<br />

Leistungen und jedes Gespräch über<br />

Prüfungen, Noten, Stärken und<br />

Erfolge vermittelt ihnen indirekt<br />

und unbewusst: Es geht im Leben<br />

um Leistung und Erfolg. Jede Versicherung,<br />

dass das Kind «gut» sei, es<br />

etwas «toll gemacht» hat, signalisiert<br />

dem Kind, dass sein Wert als<br />

Mensch von seiner Leistung abhängt.<br />

Wörter wie schlecht und richtig<br />

spielen eine gewichtige Rolle<br />

Im Gedankenuniversum von Kindern<br />

wie Natalie spielen Wörter wie<br />

gut und schlecht, richtig und falsch<br />

eine zu gewichtige Rolle. Sie sind<br />

ständig dabei, Mass zu nehmen, sich<br />

und ihre Leistung kritisch zu beäugen.<br />

Als Eltern oder Lehrperson<br />

können Sie perfektionistische Kinder<br />

unterstützen, indem Sie dem<br />

Thema Leistung insgesamt deutlich<br />

weniger Beachtung schenken.<br />

Menschen wie Natalie legen<br />

immenses Gewicht auf das Ergebnis<br />

und identifizieren sich kaum mit<br />

dem Thema oder dem Arbeitsprozess.<br />

Es geht ihnen darum, eine<br />

schöne Zeichnung zu machen, eine<br />

gute Note zu schreiben, den Wettkampf<br />

zu gewinnen. Die Freude am<br />

Zeichnen, das Interesse am Stoff, das<br />

Zusammensein mit anderen beim<br />

Training zählen kaum.<br />

Als Eltern oder Lehrperson können<br />

Sie perfektionistischen Kindern<br />

helfen, diese Dimensionen stärker<br />

wahrzunehmen, indem sie diese<br />

Aspekte in den Vordergrund rücken.<br />

Anstatt zu sagen, dass die Zeichnung<br />

schön ist, könnten Sie das<br />

Kind zur verwendeten Technik<br />

befragen oder mit ihm darüber sprechen,<br />

warum dieses Motiv es ange-<br />

Bei einem Misserfolg könnten<br />

Sie das Kind fragen, was ihm<br />

nun guttun würde, anstatt über<br />

die Prüfung zu sprechen.<br />

sprochen hat. Anstatt über die Aufsatznote<br />

Ihres Kindes zu staunen,<br />

könnten Sie den Aufsatz lesen und<br />

mit ihm über das Thema sprechen.<br />

Bei einem Misserfolg könnten Sie<br />

das Kind fragen, was ihm nun guttun<br />

würde und mit ihm gemeinsam<br />

etwas unternehmen, anstatt über die<br />

Prüfung zu sprechen. Damit signalisieren<br />

Sie ihm: Wir können es auch<br />

gut miteinander haben und etwas<br />

Schönes erleben, wenn auf der<br />

«Leistungsebene» im Moment nicht<br />

alles rundläuft.<br />

Das Kind wird Widerstand leisten,<br />

um Anerkennung bitten<br />

Wenn Sie diesen Aspekten mehr Be -<br />

achtung schenken, müssen Sie sich<br />

zunächst auf Widerstand gefasst<br />

machen. Perfektionistische Kinder<br />

werden augenblicklich unsicher,<br />

wenn die Anerkennung für gute<br />

Leistungen schwächer ausfällt. Wenn<br />

Sie beispielsweise darüber sprechen,<br />

was die Zeichnung des Kindes in<br />

Ihnen auslöst und ihm Fragen stellen,<br />

wie es bestimmte Effekte hinbekommen<br />

hat, wird das Kind fragen:<br />

«Ja, aber findest du es schön!?» Kinder<br />

wie Natalie benötigen Zeit, um<br />

sich auf diese Gespräche einzulassen<br />

und stärker wahrzunehmen, was<br />

ihnen gefällt und sie interessiert.<br />

In der nächsten Ausgabe:<br />

Mein Kind gibt an. Wie soll ich reagieren,<br />

wenn es sich aufspielt?<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>51


In Zusammenarbeit mit PostFinance<br />

Erziehung & Schule<br />

Sparbatzen: Vorsorgen für die Kinder<br />

In den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes bleiben die Kosten für Krankenkasse, Nahrung und<br />

Kleider überschaubar. Ab Schuleintritt kommen Auslagen für Schulreisen, Hobbys und Haustiere dazu,<br />

und nach Schulabschluss, wenn Fahrprüfung, Ausbildung und vielleicht ein Auslandaufenthalt anstehen,<br />

steigen die Ausgaben noch einmal. Text: Oliver Ege<br />

MoneyFit-Tipp<br />

Sparziel festlegen: Welcher Betrag soll ab<br />

wann verfügbar sein?<br />

Geeignete Sparform oder eine Kombination<br />

verschiedener Formen wählen. Lassen Sie<br />

sich allenfalls von einem unabhängigen<br />

Berater unterstützen.<br />

Regelmässig (z. B. monatlich oder quartalsweise<br />

mit Dauerauftrag) einzahlen.<br />

Rechtzeitig (d. h. 8 bis 15 Jahre im Voraus)<br />

mit Sparen beginnen.<br />

Laut Schätzungen des Bundesamtes<br />

für Statistik wenden<br />

Eltern für ein Kind bis ins Alter<br />

von 12 Jahren durchschnittlich 700<br />

Franken im Monat auf. Bei 12- bis<br />

18-Jährigen sind es rund 1000<br />

Franken pro Monat. Noch höher<br />

wird der Aufwand, wenn die Eltern<br />

während der Ausbildung für einen<br />

auswärtigen Unterhalt aufkommen.<br />

Zur finanziellen Vorbereitung<br />

darauf und um den Jugendlichen<br />

Projekte wie die Fahrprüfung oder ein<br />

Auslandjahr ermöglichen zu können,<br />

gibt es für Eltern und Angehörige<br />

eine Reihe von Sparformen.<br />

Sparkonto<br />

Mit diesem geht das Sparen am<br />

unkompliziertesten. Eltern können<br />

für ihr Kind von Geburt an ein<br />

Jugendsparkonto zu speziellen<br />

Konditionen (z.B. Vorzugszins, kostenlose<br />

Kontoführung) eröffnen und<br />

regelmässig oder nur ab und zu einen<br />

Betrag einzahlen. Für Grosseltern,<br />

Götti oder Tante gibt es bei verschiedenen<br />

Banken analog dazu das sogenannte<br />

Geschenkkonto. Auf einem<br />

Sparkonto ist das Kapital sicher<br />

angelegt, ohne Börsenrisiken –<br />

dafür sind die Ertragsmöglichkeiten<br />

deutlich geringer als bei anderen<br />

Anlageformen.<br />

Sparfonds<br />

Die höchste Rendite erzielen Aktienfonds<br />

– bei ungünstiger Börsenlage<br />

sind aber Verluste möglich. Um<br />

das Risiko möglichst tief zu halten,<br />

eignen sich Strategiefonds, ein Mix<br />

aus Aktien- und Obligationenfonds.<br />

Am kostengünstigsten sind sogenannte<br />

Indexfonds, deren Verwaltung<br />

auf ein Minimum reduziert ist. Wenn<br />

das Kapital langfristig angespart wird<br />

und nicht ungeplant plötzlich zur Verfügung<br />

stehen muss, können auch<br />

Schwankungen an der Börse besser<br />

verkraftet werden.<br />

Ausbildungsversicherung<br />

Das ist eine Form der Lebensversicherung,<br />

bei der Eltern oder andere<br />

Angehörige einen Versicherungsvertrag<br />

abschliessen und über eine<br />

längere Zeit regelmässig Geld einzahlen.<br />

Am Ende der Laufzeit erhält<br />

das Kind garantiert die vereinbarte<br />

Summe ausgezahlt, auch dann, wenn<br />

der Person, die den Vertrag abgeschlossen<br />

hat, während der Laufzeit<br />

etwas zustösst. Im Vordergrund steht<br />

hier mehr das Erreichen des Sparziels<br />

als ein hoher Ertrag, deshalb<br />

müssen höhere Gebühren in Kauf<br />

genommen werden.<br />

Bei allen Sparformen ist zu<br />

bedenken, auf wessen Namen das<br />

Kapital laufen soll. Lautet es auf den<br />

Namen des Kindes, haben die Eltern<br />

aus rechtlichen Gründen nicht ohne<br />

Weiteres Zugriff auf das Geld und das<br />

Kind verfügt mit dem Erreichen der<br />

Volljährigkeit automatisch über das<br />

Vermögen.<br />

Oliver Ege<br />

ist Berater für Privatkunden und Leiter der<br />

Filiale Bern PostParc bei PostFinance.<br />

Seit über zehn Jahren setzt sich<br />

PostFinance mit kostenlosen<br />

Angeboten für die Steigerung der<br />

Finanzkompetenz der Jugend ein.<br />

Die professionell aufbereiteten<br />

Lernmedien unterstützen<br />

Lehrpersonen und Eltern bei der<br />

Erziehungsarbeit ums Thema Geld.<br />

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Bild: Fotolia<br />

52 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Rubrik<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>53<br />

Einfach ALDI.


Stiftung Elternsein<br />

Verstehe, wer wolle<br />

Ellen Ringier über Männer mit Macht und den Wert der Familie.<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />

Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat<br />

Donald Trump, in dritter Ehe<br />

verheiratet, vergreift sich, wie eine Tonaufnahme<br />

aus dem Jahre 2005 belegt, verbal<br />

an Frauen!<br />

In der Schweiz macht der frühere CVP-<br />

Präsident Christophe Darbellay der<br />

Freundin ein Kind und bestätigt Berichte<br />

erst wenige Tage vor der Geburt, sodass<br />

die Familie vom ausserfamiliären Zu -<br />

wachs nicht aus der Presse erfährt!<br />

Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand hielt<br />

seine Geliebte Anne Pingeot mit dem gemeinsamen<br />

Kind Mazarine 24 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1996,<br />

vor der Öffentlichkeit versteckt. Vor Kurzem wurden<br />

seine über 1000 (Liebes-)Briefe an seine Geliebte veröffentlicht:<br />

«Ich liebe Deinen Körper, die Freude, die mich<br />

durchströmt, wenn ich Deinen Mund nehme. Besitz,<br />

der mich verbrennt aus allen Feuern der Welt, das Sprühen<br />

meines Blutes tief in Deinem Inneren, Deine Lust,<br />

die aus dem Vulkan unserer Körper herausspringt,<br />

Flamme im Weltall, Feuersbrunst.» (Juli 1970)<br />

Kaum ein Staatspräsident, kaum ein Wirtschaftsführer<br />

und kaum ein Prominenter ohne Geliebte neben der<br />

öffentlich als heile Familie zur Schau gestellten wirklichen<br />

– oder soll ich sagen: ursprünglichen – Familie.<br />

Wer Macht hat, verliert sich im Wertekodex, glaubt<br />

mit der Zeit, darüber zu stehen, erliegt dem Anspruch<br />

auf «das Ganze», das ihm in politischer, wirtschaftlicher<br />

oder gesellschaftlicher Hinsicht schon zusteht. Warum<br />

nicht auch in Bezug auf sein Liebesleben?<br />

Unlängst sagte eine Freundin: «Wer reich ist, hat eine<br />

schöne Frau.» Logisch, wer reich, mächtig oder in gesellschaftlicher<br />

Hinsicht bedeutend ist, hat doch mindestens<br />

Anspruch auf ein grosses Haus, ein schickes Auto<br />

und so weiter und so fort und eben: auf eine schöne<br />

Frau. Das versteht doch jeder.<br />

Die Union der islamischen Gemeinden und Organisationen<br />

in Italien (UCOII) hat im Sommer, nachdem<br />

die Homo-Ehe legalisiert worden war, gefordert, Italien<br />

möge nun auch die Polygamie legalisieren. Wenn es<br />

schon so viele Scheidungen und Zweit- und Drittehen,<br />

Ehen gleichgeschlechtlicher Partner und Kinder von<br />

Leihmüttern gebe, solle man es allen Männern möglich<br />

machen, mehrere Frauen zu haben – nicht nur den Reichen<br />

und den Mächtigen! Das versteht doch jeder.<br />

Liebe Leserinnen und Leser, fällt Ihnen etwas auf?<br />

Oder finden Sie es normal, dass zumeist von Männern<br />

die Rede ist, wenn es darum geht, sich selber «optimal»<br />

zu verwirklichen?<br />

Wir Frauen wollen in Bezug auf Selbstverwirklichung<br />

endlich Chancengleichheit! Den gleichen Lohn für gleiche<br />

Leistung, eine wirklich taugliche Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf und echte Partizipation der Väter in<br />

der Kindererziehung. Wir wollen auch reich und mächtig<br />

werden, um uns einen Geliebten zu «nehmen»! Denn<br />

auch wir wissen, dass es für die Ehe keine soziale oder<br />

moralische Notwendigkeit mehr gibt!<br />

Keine Angst, liebe Leserinnen und Leser: In einer<br />

Gesellschaft, die sich den menschlichen Bedürfnissen<br />

immer mehr entzieht, wird der Stellenwert der Familie<br />

– «als Überbegriff für die liebevolle Beziehung zwischen<br />

Eltern und Kindern, entfernteren Verwandten und<br />

Geschwistern definiert» – zusehends an Bedeutung<br />

gewinnen. Sagt der dänische Familientherapeut Jesper<br />

Juul. «Eine Neuerfindung der Familie ist der einzige<br />

Weg, die menschliche Entwicklung in einer Gesellschaft<br />

zu gewährleisten, die sich von unseren Bedürfnissen<br />

wegentwickelt.»<br />

Eines ist bei aller gesellschaftlichen Verunsicherung<br />

gewiss: Kinder brauchen als Nährboden zum Erwachsenwerden<br />

emotionale Geborgenheit, Sicherheit. Diese<br />

kann nur in einem Liebesverhältnisses zwischen Kind<br />

und elterlichen Erziehern, mithin innerhalb einer Familie,<br />

wie immer die Familie in Zukunft definiert werden<br />

mag, gewährleistet werden. Wenn man das nicht mehr<br />

versteht?<br />

STIFTUNG ELTERNSEIN<br />

«Eltern werden ist nicht schwer,<br />

Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />

Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />

Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein an. Sie<br />

richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern und<br />

Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern,<br />

Kindern, Lehrern und die Vernetzung der eltern- und<br />

erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschsprachigen<br />

Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer<br />

ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch<br />

Bild: Vera Hartmann / 13 Photo<br />

54 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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-Emission <strong>11</strong>5 g/km; Treibstoffverbrauchskategorie B. Abgebildetes Modell mit Optionen: Neuer Citroën Grand C4 Picasso 1.6 THP 165 S&S EAT6 Feel<br />

Edition, Katalogpreis CHF 35’500.–; gesamt 5,6 l/100 km; CO 2<br />

130 g/km; Kategorie D. Der Durchschnittswert der CO 2<br />

-Emissionen aller immatrikulierten Neuwagen beträgt für das Jahr <strong>2016</strong> 139 g/km.


Do sier<br />

Do sier<br />

«Von den Lehrern gemobbt»<br />

«Mobbing hätte<br />

meinem Sohn fast das<br />

Leben gekostet»<br />

(Dossier «Mobbing», Heft 9/16)<br />

Bild: Bildbyran / Imago<br />

10 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

… und alle<br />

schauen weg<br />

Was gehört zu einer schönen Kindheit? Einsamkeit, Trauer und<br />

Verzweiflung sicher nicht. Warum mobben Kinder andere<br />

Kinder? Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind gemobbt wird?<br />

Und was können sie dagegen tun? Text: Fabian Grolimund<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 1<br />

«Eine Ursachen- Analyse fehlt»<br />

Anzeige<br />

In unserem Fall hat die Schule total versagt. Diese Meinung<br />

kann ich vertreten, obwohl ich selbst im Schuldienst bin. Ich<br />

bereue es noch heute, nach acht Jahren, nicht das KM und<br />

die Polizei über die Vorgänge in der Schule informiert zu<br />

haben. Damals hatte ich einfach keine Kraft mehr. Meinem<br />

Sohn kam nur ein Zufall zu Hilfe: Nachdem ihm Mitschüler<br />

abends auf dem Nachhauseweg aufgelauert hatten, um ihn<br />

wieder mal zu verprügeln, hat das Mädchen, das mit meinem<br />

Sohn unterwegs war, sich bereit erklärt, bei der Polizei<br />

auszusagen. Bislang hatten sog. «Zuschauer» vor einer<br />

Aussage bei der Polizei immer einen Rückzieher gemacht. Es<br />

kam zu einer Verhandlung, und die Mobber wurden zu bis zu<br />

80 Sozialstunden verurteilt. Die Ansage des Staatsanwaltes<br />

war für mich und meinen Sohn eine Genugtuung und eine<br />

Erlösung. Mein Sohn wechselte darauf die Schule und das<br />

Drama und der Terror hatten ein für alle Mal ein Ende.<br />

Ich denke noch oft an diese schwere Zeit zurück, die<br />

meinem Sohn (jetzt 21 Jahre) fast das Leben gekostet hätte.<br />

Als Lehrer reagiere ich seitdem extrem sensibel, wenn ich<br />

den Verdacht habe, ein Schüler würde gemobbt.<br />

Tine (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

So lernen wir.<br />

Infoabende<br />

5./6. Primar- und Sekundarstufe:<br />

8. Dezember <strong>2016</strong>, 18 Uhr<br />

Waldmannstrasse 9, 8001 Zürich<br />

Fachmittelschule und 10. Schuljahr:<br />

15. November <strong>2016</strong>, 18 Uhr<br />

Kreuzstrasse 72, 8008 Zürich<br />

Mitten<br />

in<br />

Zürich<br />

Was mir in diesem Dossier fehlt, ist eine Analyse der Ursachen<br />

und die präventive Arbeit. Mobbing wird als etwas beschrieben,<br />

das es einfach gibt. Und das muss meiner Meinung nach nicht so<br />

sein. Ich stimme zu, dass man Mobbing vermindern kann, wenn<br />

man aufmerksam ist, es anspricht und dagegen Stellung bezieht.<br />

Doch damit bekämpft man nur die Symptome. Die Ursachen sind<br />

meiner Meinung nach etwas anderes.<br />

Mobbing ist ein Zeichen dafür, dass wir immer noch in einer<br />

Kultur leben, wo es ein Richtig und Falsch gibt, und das Falsche<br />

wird aus der Gruppe verbannt. Was nicht gewünscht ist, wird<br />

ausgegrenzt und hat keinen Wert. Gewisse Personen haben das<br />

Recht, über richtig und falsch zu urteilen. Die Akteure bestimmen,<br />

wer falsch ist und deshalb erniedrigt werden darf. Diese<br />

Kultur wird auch von den Erwachsenen vorgelebt. Wo Erwachsene<br />

bestimmen, was objektiv richtig ist, ohne Respekt für das<br />

Subjekt des Kindes zu haben, schafft man Voraussetzungen für<br />

Mobbing. Immer noch (und leider wieder zunehmend) prägt die<br />

Erziehung stark diese Haltung, z. B. Belohnung und Bestrafungsmethoden.<br />

Mit dieser Art «Miteinander» wird ganz klar das<br />

Selbstwertgefühl der Kinder geschwächt.<br />

Ein gutes Selbstwertgefühl vermindert das Risiko für Täter<br />

wie Opfer. Jesper Juul schrieb in seiner Kolumne im letzten<br />

Februar genau über diese Thematik. Nämlich, dass es ganz stark<br />

um die Führung der Erwachsenen geht. Wie ist das Klima? Wie<br />

wird jeder Einzelne behandelt? Ist Verschiedenartigkeit erlaubt?<br />

Wird das Kind gesehen? Und bei diesem Satz muss ich immer<br />

wieder betonen, dass, wenn man ein Kind in seiner Integrität<br />

sieht, es nicht heisst, dass es bekommt, was es will, sondern es<br />

wird einfach in seinem Sein gesehen. Solange wir in einer<br />

Gesellschaft leben, wo es richtig und falsch gibt, wo es Belohnung<br />

und Bestrafung gibt, wird Mobbing nicht nachlassen. Viele<br />

Erwachsene leben mit einem geringen Selbstwertgefühl und<br />

wissen es von daher nicht besser.<br />

Caroline Märki, familylab.ch (per Mail)<br />

www.fesz.ch | 043 268 84 84<br />

November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Leserbriefe<br />

«Von der Ignoranz<br />

der Lehrpersonen erschüttert»<br />

Ja, das Thema Mobbing ist leider brandaktuell. Unsere kleine<br />

Tochter wurde im Kindergarten ab der ersten Woche von den<br />

anderen drei Mädchen (alle anderen waren Jungs) konsequent<br />

ausgeschlossen und gehänselt. Die Situation hat sich das ganze<br />

erste Jahr hindurch nicht verbessert. Da die Klassenlehrerin zwei<br />

Mal ein Burnout hatte, wurde die Klasse von diversen Lehrpersonen<br />

unterrichtet. Keine einzige davon hat konstruktiv reagiert,<br />

sondern die problematische Situation damit abgetan, dass unser<br />

Kind eben einzelgängerisch sei. Ich kenne mein Kind wohl etwas<br />

besser und kann mit Sicherheit sagen, dass das nicht stimmt.<br />

Unsere Tochter blieb bis zum letzten Tag ausgeschlossen, nichts<br />

wurde unternommen. Sie klagte mit der Zeit täglich über<br />

Bauchschmerzen, verlor ihre kindliche Leichtigkeit und Fröhlichkeit.<br />

Ausserdem quälten sie Alpträume, jede Nacht zum Teil bis<br />

zu fünf, sechs Mal.<br />

Mich hat die Ignoranz der Lehrpersonen erschüttert. Ich<br />

habe sehr freundlich und möglichst «unkompliziert»<br />

versucht, mit ihnen eine Lösung zu finden. Ich wollte<br />

unbedingt vermeiden, als «Gluggere» mein Kind noch mehr<br />

in Schwierigkeiten zu bringen. Aber meine Bemühungen<br />

waren umsonst. Letztlich konnten und wollten wir der<br />

Situation nicht länger zuschauen. Uns liegt viel daran, dass<br />

unsere Kinder angstfrei zur Schule gehen dürfen.<br />

Wir haben unsere Tochter aus der Schule genommen und<br />

schicken sie nun an eine private Schule, welche sich unter<br />

anderem an Montessori ausrichtet. Die Probleme unserer<br />

Tochter waren schon nach einer Woche weg. Bauchweh,<br />

Alpträume, Bedrücktheit waren wie weggeblasen.<br />

Ich möchte an dieser Stelle auf diese kleine, aber feine<br />

Schule hinweisen (www.tagesschule-sesam.ch). Im Kanton<br />

Freiburg ist sie ein Lichtblick für viele Kinder und ihre Eltern.<br />

Beste Grüsse und einen grossen Dank für das tolle Magazin!<br />

Simone Stocker (per Mail)<br />

>>><br />

bio-strath.ch<br />

erhältlich in führenden Apotheken und Drogerien Natürlich für die ganze Familie – Seit 1961<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>57


Do sier<br />

Do sier<br />

Leserbriefe<br />

«Blond. Blöd. Blauäugig.»<br />

«Heute erst begreife<br />

ich, was ich ihnen<br />

angetan habe!»<br />

(Dossier «Mobbing», Heft 9/16)<br />

Bild: Bildbyran / Imago<br />

10 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Ich muss zu meiner Schande zugeben: Auch ich habe in<br />

meiner Schulzeit andere gemobbt. Seit meine drei<br />

Kinder in der Schule sind, ist Mobbing immer wieder<br />

Thema im Schulhaus. Erst jetzt beginne ich zu<br />

begreifen, was ich meinen Opfern jeweils angetan habe.<br />

Ich habe auch lange überlegt, wie es dazu gekommen<br />

ist. Meine Erkenntnisse zeigen, dass vieles unbewusst<br />

von zu Hause mit einfliesst. Bei uns war ganz klar, dass<br />

wir die «Richtigen» sind, das heisst, alles, was anders<br />

oder fremd war, war falsch. Ich hoffe, meinen Kindern<br />

sehr viel Toleranz mitzugeben, und gebe mir Mühe,<br />

ihnen zu zeigen, dass innere Werte mehr zählen. Und<br />

vor allem sprechen wir viel über «Gott und die Welt»,<br />

auch völlig offen über Tabuthemen! Früher bei uns gab<br />

es nie offene Worte, aber wir Kinder spürten, dass<br />

etwas im Busch war. Ich hoffe auch, meine Opfer bald<br />

zu treffen und mich bei ihnen zu entschuldigen.<br />

Helen (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

… und alle<br />

schauen weg<br />

Was gehört zu einer schönen Kindheit? Einsamkeit, Trauer und<br />

Verzweiflung sicher nicht. Warum mobben Kinder andere<br />

Kinder? Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind gemobbt wird?<br />

Und was können sie dagegen tun? Text: Fabian Grolimund<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 1<br />

Meine Tochter wurde nicht von den Klassenkameraden gemobbt,<br />

sondern von den Lehrern. Ich sprach mit der Lehrerin, der<br />

Schulpflege und der Schulpsychologin. Bei ihr erhoffte ich mehr<br />

Hilfe, denn sie kannte meine Tochter sehr gut. Doch es wurde nur<br />

noch schlimmer für meine Tochter. Sie sagte zu mir, ich solle<br />

aufhören, das wäre nicht so schlimm. Doch ich wusste nur zu gut,<br />

wie sehr sie darunter litt. Sie liess es auch nicht zu, wenn die<br />

Lehrperson einen Mitschüler vor der ganzen Klasse blossstellte<br />

und Dummkopf nannte.<br />

Da wir in einer kleinen Gemeinde mit Gesamtschule wohnen,<br />

konnten wir nicht die Klasse wechseln, und meine Tochter wollte<br />

nicht täglich mit dem Bus nach Brugg fahren. Erst als sie in die<br />

9. Klasse kam, schrieb ich einige Schulen in der näheren<br />

Umgebung an, und eine meldete sich. Dieser Lehrer in Windisch<br />

war ein Glückstreffer. Meine Tochter liebte das Leben wieder, war<br />

fröhlich und glücklich, und das Lernen fiel ihr nicht mehr so<br />

schwer.<br />

Dann gab es leider in der Berufsschule den Mathematiklehrer,<br />

der sie «drü B» nannte: blond, blöd, blauäugig. Wenn er «drü B»<br />

rief, sah sie sich im Schulzimmer um und sagte: «Sorry, in dieser<br />

Klasse gibt es niemanden mit diesem Namen.» Und der Lehrer<br />

sagte: «Dich meine ich!» Das ging drei Jahre so. Meine Tochter<br />

färbte sich deshalb ihre Haare schwarz. Die Lehre schloss sie mit<br />

der Note 4,6 ab!<br />

Ich wünsche allen Eltern, dass ihr Kind das nicht durchmachen<br />

muss!<br />

Lucy (per Brief)<br />

Das wertvollste Getreide.<br />

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68<br />

Leben ist Wagen, und<br />

Kle tern ist ein Stück<br />

69<br />

werden.<br />

Ernährungsumste lung<br />

Ergänzungspräparate<br />

Serie<br />

Wochen ein.<br />

Sport und Bewegung<br />

<<br />

ADHS<br />

Teil 1 Leben mit ADHS<br />

Teil 2 Mein Kind hat ADHS<br />

Teil 3 Kranke Gesellschaft?<br />

Teil 4 ADHS und Recht<br />

Teil 5 ADHS und Schule<br />

Teil 6 Medikalisierung<br />

Teil 7 Diagnose<br />

Teil 8 Therapie<br />

über unsere A p.<br />

«Freilernen eignet<br />

sich nicht für alle»<br />

(«Unschooling: Jeden Tag<br />

schulfrei», Heft 9/16)<br />

Jeden Tag<br />

schulfrei<br />

Stress mit Hausaufgaben, Notendruck und Pausenplatz-Kabbeleien:<br />

A l dies kennen die drei Kinder der Familie Gantenbein nicht. Sara, Olivia<br />

und Nalin aus Herisau AR haben noch keinen einzigen Tag in einer Schule<br />

verbracht. Ihre Eltern sind die Pioniere des sogenannten Unschooling:<br />

des freiwi ligen Lernens nach Lust und Laune.<br />

Text: Claudia Landolt Bilder: Martin Mischkulnig / 13 Photo<br />

Beim Homeschooling sehe ich auch Gefahren: Wenn<br />

und weil sich Kontakte zu Gspänli nicht automatisch<br />

via Schulweg und Schule ergeben, droht Isoliertsein.<br />

Zudem könnten die Kinder später im «richtigen,<br />

wahren Leben», wenn das Lust-und-Laune-Prinzip<br />

nicht mehr funktioniert, Probleme mit der<br />

Umstellung haben. Denn das Leben bietet neben<br />

viel Schönem auch Gefahren und Risiken.<br />

Loslassen ist für Eltern wie Kinder wichtig, nötig<br />

und ein Prozess, der nicht erst mit der Einschulung<br />

beginnt, sondern unmittelbar nach der Geburt mit<br />

dem Durchtrennen der Nabelschnur. Häufig haben<br />

nicht die Kinder Mühe damit, sondern die Eltern.<br />

Eltern, die ihre Kinder dauerüberwachen, in Watte<br />

packen und vor Gefahren und Risiken bewahren<br />

wollen, erweisen ihnen einen Bärendienst und<br />

bremsen sie in der Entwicklung zu selbständigen,<br />

selbstsicheren und selbstvertrauten Mitmenschen.<br />

Doch alternative Modelle haben ihre Berechtigung,<br />

und jede Familie soll entscheiden dürfen, wie<br />

und wo sie ihre Kinder zur Schule schicken will –<br />

ohne sich stets rechtfertigen zu müssen!<br />

Andrea Mordasini (per Mail)<br />

Erziehung & Schule<br />

Freiheit: Das wei s der<br />

1-jährige Nalin, der<br />

sein Leben am liebsten<br />

drau sen verbringt.<br />

«Ich habe Heft<br />

für Heft gelesen!»<br />

(ADHS-Serie,<br />

Heft 9/15 bis 9/16)<br />

Die Erziehung und Förderung von Kindern ist eine grosse<br />

Leistung von Eltern und Lehrpersonen. Bei schwierigen<br />

Kindern, wie etwa bei Kindern mit ADHS, muss besonders<br />

behutsam vorgegangen werden. Eine multimodale Therapie<br />

ohne Medikamente so l das Problem ganzheitlich angehen<br />

und neben den Symptomen auch die Ursachen für das<br />

unerwünschte Verhalten lösen. Text: Amrei Wittwer<br />

62 September <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Herzlichen Dank, liebes Fritz+Fränzi-Team! Die<br />

interessante und ausführliche Serie über<br />

ADHS habe ich Heft für Heft gelesen und finde<br />

es eine sehr gute Idee, diese Sammlung als ein<br />

komplettes PDF-Dokument anzubieten.<br />

Tanja (via unsere Webseite)<br />

Schreiben Sie uns!<br />

E<br />

ine multimodale, an<br />

möglichst vielen Punkten<br />

ansetzende Therapie<br />

von ADHS ist heute<br />

die Norm. Allerdings<br />

wird die medikamentöse Behandlung<br />

mit Methylphenidat als therapeutischer<br />

Baustein immer noch<br />

häufig von Begi n an eingesetzt.<br />

Wegen des erhöhten gesundheitlichen<br />

Risikos und geringer therapeutischer<br />

Wirkung sollte dieser<br />

Therapiebaustein jedoch erst zum<br />

Einsatz kommen, we n sich die<br />

anderen Therapien langfristig als<br />

wirkungslos erweisen und das<br />

Kind leidet.<br />

Daher so lte die multimodale<br />

Therapie ohne Medikamente<br />

immer das erste Mi tel der Wahl<br />

für Kinder mit ADHS-Diagnose<br />

sein. Je ausgeprägter die ADHS-<br />

Symptome ausfa len, desto mehr<br />

Strategien so lten verfolgt werden.<br />

Dieser Artikel foku siert auf die<br />

wichtigsten Bausteine, die wegen<br />

ihrer wi senschaftlich erwiesenen<br />

Wirksamkeit für alle betroffenen<br />

Kinder und involvierten Erwachsenen<br />

als Grundtherapie empfohlen<br />

Familie verzichten und den Ernährungsplan<br />

umste len. Ausnahmen<br />

sind erlaubt.<br />

Bei sensitiven Kindern so lten<br />

ausserdem künstliche Farbstoffe<br />

Industrielle Lebensmi tel führen zu<br />

einem Mangel an Mikronährstoffen,<br />

ohne die Nerven schlecht<br />

funktionieren. Bei Kindern führt<br />

Mangel- oder Fehlernährung der<br />

Nerven zu ADHS-Symptomen.<br />

Leider entwickelt der Körper der<br />

Kinder Lust auf genau jene Stoffe,<br />

die Schaden kö nen: raffinierte<br />

Kohlehydrate, zucker haltige<br />

Lebensmi tel, Säfte und Fertigprodukte.<br />

Auf diese Stoffe so lte die<br />

vermieden werden. Die Faustregel<br />

lautet: I s das E sen, da schon<br />

Gro smu ter geka nt hat. Gut für<br />

gestre ste Nerven sind Nüsse, Linsen,<br />

Eier, Fisch, Gemüse und Obst.<br />

Zusätzlich zur Nahrungsumstellung<br />

sind au serdem Präparate aus<br />

der Apotheke zu empfehlen. Gut<br />

wirksam gegen ADHS-Sym ptome<br />

sind Omega-3- und -6-Fe tsäuren.<br />

Kinder, die einen Mangel an Vitaminen<br />

und Spurenelementen aufweisen,<br />

seien Vitamin-B-Komplex,<br />

Vitamin D, Biotin, Niacin, Zink,<br />

Jod, Kalium, Kupfer, Magnesium<br />

und Pantothensäure empfohlen. Es<br />

gibt diese Stoffe in Form von Kombinationspräparaten<br />

unterschiedlicher<br />

Zusammensetzung und richtiger<br />

Dosierung, die abgewechselt<br />

werden kö nen.<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig! Was machen wir gut?<br />

Was könnten wir besser machen? Lassen Sie es uns<br />

wissen! Sie erreichen uns über: leserbriefe@fritzundfraenzi.ch<br />

oder Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich.<br />

Und natürlich auch über Twitter: @fritzundfraenzi oder<br />

Facebook: www.facebook.com/fritzundfraenzi.<br />

Kürzungen behält sich die Redaktion vor.<br />

Was genau für das eigene Kind<br />

in Frage kommt, so lte man im<br />

Gespräch mit dem Apotheker, der<br />

Apothekerin klären. Die Kosten<br />

werden nicht von der Krankenkasse<br />

übernommen. Omega-3- und<br />

-6-Fe tsäuren sind für a le Kinder<br />

indiziert. Wichtig zu wi sen: Eine<br />

Verbesserung der Symptome tritt<br />

bei der Ei nahme von Nervennahrung,<br />

angewandt als drei- bis viermonatige<br />

Kur, erst nach ein bis vier<br />

Kinder haben einen gro sen Bewegungsdrang.<br />

Der Anteil an Sport in<br />

der Schule ist jedoch nur gering<br />

und so lte erhöht werden. Ein<br />

Mangel an Bewegung ka n<br />

ADHS-Symptome verursachen.<br />

Bei mehr Bewegung verschwinden<br />

ode reduzieren sich die Symptome<br />

in kurzer Zeit.<br />

Kinder mit ADHS sind manchmal<br />

wegen Unaufmerksamkeit,<br />

impulsiven Verhaltens, gerin-<br />

Für manche ist es die Mode ­<br />

diagnose unserer Zeit, für andere<br />

die häufigste psychische Störung<br />

im Kindes­ und Jugendalter:<br />

ADHS (Aufmerksamkeits defizit-<br />

Hyperaktivität störung) bzw. ADS<br />

(Aufmerksamkeitsdefizit syndrom).<br />

Betroffen sind rund 5 bis 6 Prozent<br />

a ler Kinder. Jungen deutlich öfter<br />

als Mädchen. Diagnostiziert wird<br />

die Krankheit aber weitaus<br />

häufiger.<br />

Diese 1­teilige Serie ist in<br />

Zusammenarbeit mit dem<br />

Institut für Familienforschung und<br />

­beratung der Universität Freiburg<br />

unter der Leitung von Dr. Sandra<br />

Hotz entstanden.<br />

Teil 9 ADHS und Ethik<br />

Teil 10 ADHS und Psychotherapie<br />

Teil 1 Alternative Behandlungen<br />

Die gesamte<br />

ADHS-Serie<br />

jetzt kostenlos<br />

als PDF<br />

downloaden!<br />

Dies ist die letzte Folge unserer<br />

<strong>11</strong>-teiligen Serie zu ADHS, in der<br />

Fachleute, Betro fene und<br />

Angehörige zu Wort gekommen<br />

sind. Wir haben die gesamte Serie<br />

als PDF für Sie gebündelt.<br />

Kostenloser Download auf<br />

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Gesundheit > Psychologie – oder<br />

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Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi September <strong>2016</strong> 63<br />

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Erziehung & Schule<br />

Die KESB Bern<br />

führt rund 600<br />

Beistandschaften<br />

für Kinder. Als<br />

Vater gehen<br />

Markus Engel<br />

diese Fälle nah.<br />

60


Erziehung & Schule<br />

«Wir tun so viel wie<br />

nötig und so wenig<br />

wie möglich»<br />

Sie gilt als das umstrittenste Amt der Schweiz: die Kindes- und<br />

Erwachsenenschutzbehörde KESB. Für das Schweizer ElternMagazin<br />

öffnete die KESB der Stadt Bern einen Tag lang ihre Türen.<br />

Ein Einblick in die Arbeit der Menschen, die es scheinbar niemandem<br />

recht machen können. Text: Sandra Casalini Bilder: Ruben Hollinger / 13 Photo<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>61


Erziehung & Schule<br />

«Wir lassen uns nicht von<br />

Kritik beeinflussen. Und schon<br />

gar nicht einschüchtern.»<br />

Mittwochmorgen,<br />

8.30 Uhr. Vor der<br />

Kaffeemaschine<br />

der kleinen<br />

Küche der KESB<br />

an der Berner Weltpoststrasse hat<br />

sich eine Schlange gebildet. Charlotte<br />

Christener, die Chefin, steht an<br />

wie alle anderen auch. «Charlotte,<br />

hast du kurz Zeit für Frau Sonderegger?<br />

Sie ist am Telefon.» Christine<br />

Brauchle, die Leiterin des Sekretariats,<br />

streckt den Kopf zur offenen<br />

Tür herein, kaum steht Christener<br />

zuvorderst. Sie nickt, zuckt die<br />

Schultern. Der Kaffee muss warten.<br />

Zwei Minuten später schlendert sie<br />

mit einem Headset auf dem Kopf<br />

durch die Gänge. «Ja, ich rechne<br />

auch noch mit einer Anzeige. Aber<br />

was will man machen?», sagt sie.<br />

Leute, die der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

KESB im Allgemeinen<br />

und ihrer Chefin im<br />

Besonderen nichts Gutes wünschen,<br />

gibt es zur Genüge. Kaum eine<br />

Woche vergeht ohne Schlagzeilen<br />

wie «Sozial-Irrsinn bei der KESB»,<br />

«Mahnwache gegen KESB-Willkür»<br />

oder «Schafft endlich die KESB ab».<br />

Charlotte Christener und ihr<br />

Team haben gelernt, damit zu leben.<br />

Egal ist die Kritik den Menschen, die<br />

hier täglich Entscheidungen über<br />

das Privatleben anderer Leute treffen,<br />

nicht. «Oft können wir uns nur<br />

noch aussuchen, von welcher Seite<br />

wir den Klapf wollen», wird Christeners<br />

Stellvertreter Markus Engel<br />

im Laufe des Tages sagen. Beeinflussen<br />

lassen will man sich davon nicht.<br />

Einschüchtern schon gar nicht.<br />

Meistens geht es um Konflikte<br />

in der Familie<br />

9 Uhr. Das erste Meeting des Tages.<br />

Bei der informellen interdisziplinären<br />

Sitzung diskutiert die Behörde,<br />

bestehend aus insgesamt sieben Personen<br />

– Juristinnen, Sozialarbeitern<br />

und einem Psychologen –, ihre<br />

schwierigen Fälle. Markus Engel trägt<br />

sein erstes «Sorgenkind» vor.<br />

Die Mutter, Akademikerin mit<br />

Migra tionshintergrund, und der<br />

Vater, Lebenskünstler vom Lande,<br />

haben zwar das gemeinsame Sorgerecht<br />

für das zweijährige Kind, aber<br />

sie haben dermas sen unterschiedliche<br />

Ansichten über Kindererziehung<br />

und das Leben im Allgemeinen,<br />

dass der Vater sich nach<br />

diversen Streitereien an die KESB<br />

wandte. Diese setzte für das Kind,<br />

das bei der Mutter lebt, einen begleitenden<br />

Beistand ein. Bei den meisten<br />

Kindesschutzfällen geht es um<br />

Konflikte zwischen den Eltern.<br />

Charlotte Christener lächelt: «Da<br />

haben wieder einmal zwei komplette<br />

Gegensätze zueinander gefunden.»<br />

Die Mutter hat bei der KESB<br />

einen Antrag gestellt, mit dem Kind<br />

ihre Verwandten in der Heimat<br />

besuchen zu dürfen. Der Vater<br />

erhebt Einspruch: Angst vor Kindesentführung.<br />

«Was machen wir?»,<br />

fragt Engel und schielt über seinen<br />

Brillenrand. «Die Eltern sind nicht<br />

verheiratet?», fragt Sozialarbeiterin<br />

Franziska Voegeli.<br />

Markus Engel nickt: «Mutter und<br />

Kind tragen denselben Namen und<br />

haben gültige Pässe. Wenn sie es<br />

entführen wollte, könnte sie doch<br />

einfach mit dem Kind ins Flugzeug<br />

steigen und hätte wohl kaum Vater<br />

und Beistand vorgängig informiert.»<br />

«Was sind die Fakten?», will<br />

Charlotte Christener wissen. Die<br />

Frage der Juristin. Und die unterschwellige<br />

Angst vor den Folgen<br />

eines übereilten Entscheides. «Wir<br />

können nicht einfach über den Daumen<br />

gepeilt davon ausgehen, dass<br />

die schon wieder kommt mit dem<br />

Kind. Was, wenn nicht? Dann sind<br />

wir s Poulet!» Markus Engel soll die<br />

Mutter zu den Einwänden des Vaters<br />

Stellung nehmen lassen. Dann wird<br />

nochmals über die Sache verhandelt.<br />

Eine Heimplatzierung ist vertretbar<br />

Im nächsten Fall geht es um zwei<br />

Buben, 15 und 16 Jahre alt, mit<br />

Schleppern aus Afrika in die Schweiz<br />

gekommen und bei der Tante in Bern<br />

aufgewachsen. Diese zog mit den<br />

Buben in einen anderen Kanton um,<br />

was sie aus ausländerrechtlichen<br />

Gründen nicht hätte tun dürfen. Die<br />

Buben hauten ab, möchten lieber in<br />

der Hauptstadt in einem Kinderheim<br />

leben als bei der Tante in der für sie<br />

fremden Umgebung. «Sie hat den<br />

62 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Buben mit dem illegalen Umzug den<br />

Boden unter den Füssen weggezogen»,<br />

sagt Franziska Voegeli. Das<br />

und das Einverständnis der Jungen<br />

machen eine Platzierung im Heim<br />

vertretbar.<br />

144 neue Obhutsentzüge gab es<br />

2015 im Kanton Bern. Nach Schätzungen<br />

von Charlotte Christener<br />

und ihren Kolleginnen und Kollegen<br />

hätten die Betroffenen in gut 90<br />

Prozent davon im Laufe des Prozesses<br />

die Notwendigkeit der Massnahme<br />

eingesehen. «Es ist also bei Weitem<br />

nicht so, dass wir täglich<br />

«Es ist nicht so, dass wir täglich<br />

Wohnungen stürmen und<br />

Kinder wegnehmen lassen.»<br />

Wohnungen stürmen und unbescholtenen<br />

Eltern ihre Kinder wegnehmen<br />

lassen», sagt Charlotte<br />

Christener.<br />

Zumal jeder eröffnete Fall Geld<br />

kostet. Immer wieder fällt dieser<br />

eine Satz: «Wer zahlt das?» Bern ist<br />

in dieser Hinsicht ein Sonderfall:<br />

Anders als zum Beispiel im Kanton<br />

Zürich, wo die Gemeinden für die<br />

Massnahmen aufkommen, bezahlt<br />

in Bern der Kanton selbst, was die<br />

kantonale KESB verordnet. Das verhindert<br />

manchen Konflikt mit der<br />

Stadt, heisst aber nicht, dass sich die<br />

KESB jederzeit für alles in der finanziellen<br />

Pflicht fühlt.<br />

Dass an diesem Morgen zwei von<br />

drei besprochenen Fällen Kinder<br />

betreffen, ist eine Ausnahme. In der<br />

Regel sind nur gut drei von sieben<br />

Fällen Kindesschutzfälle. >>><br />

Die Räume der<br />

Behörde sollen<br />

einladend wirken.<br />

Spielzeug steht<br />

immer bereit.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>63


Charlotte<br />

Christener ist<br />

seit Mai <strong>2016</strong><br />

Präsidentin der<br />

KESB Bern. Die<br />

Anwältin möchte<br />

helfen.<br />

>>> Beim Rest geht es meist um<br />

Beistandschaften für Erwachsene,<br />

oft für ältere Personen. Auch darum<br />

kümmert sich die KESB.<br />

Und die neusten Statistiken belegen:<br />

Seit der Einführung der KESB<br />

im Januar 2013 wurden gesamtschweizerisch<br />

1,3 Prozent weniger<br />

Kindesschutzmassnahmen pro Jahr<br />

getroffen als zuvor. Ende 2012 waren<br />

es 42 381, im Jahr 2015 nur noch<br />

40 629. «Das liegt vermutlich vor<br />

allem daran, dass heute mehr versucht<br />

wird, in freiwilligem Rahmen<br />

mit den Betroffenen nach Lösungen<br />

zu suchen. Gelingt dies, sind behördlich<br />

angeordnete Kindesschutzmassnahmen<br />

unnötig», so Charlotte<br />

Christener.<br />

«Ist das Wohl des Kindes gefährdet<br />

und sorgen die Eltern nicht von<br />

sich aus für Abhilfe oder sind sie<br />

dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde<br />

die geeigneten<br />

«Ohne Humor könnte man diesen Job kaum bewältigen»<br />

Charlotte Christener ist seit<br />

Mai <strong>2016</strong> Präsidentin der KESB<br />

der Stadt Bern. Ein Gespräch über<br />

ihre anspruchsvolle Arbeit, die<br />

Dauerkritik an ihrer Behörde und<br />

wie sie mit Schicksalen umgeht, mit<br />

denen sie täglich konfrontiert ist.<br />

Interview: Sandra Casalini<br />

Frau Christener, warum tut man sich als<br />

Anwältin, die in der Privatwirtschaft viel<br />

Geld verdienen könnte, einen Job bei einem<br />

so umstrittenen Amt wie der KESB an?<br />

Ich sehe nirgends sonst so viel Sinn hinter<br />

meiner Arbeit wie hier. Es geht darum, die<br />

schwächsten Glieder der Gesellschaft zu<br />

unterstützen, bei denen die privaten Netze<br />

nicht mehr greifen. Der Job ist sehr vielseitig.<br />

Und hie und da kann man über die Absurditäten,<br />

die das Leben manchmal mit sich<br />

bringt, auch lachen. Ohnehin könnte man<br />

diesen Job ohne Humor kaum bewältigen.<br />

Sie sind sehr überzeugt vom System der<br />

KESB. Warum scheint denn so oft so vieles<br />

schiefzulaufen?<br />

Ich war bereits vor der Einführung der KESB<br />

rund 15 Jahre lang auf diesem Gebiet tätig und<br />

kann deshalb sagen, dass sicher nicht mehr<br />

schiefläuft als vorher. Aber die mediale<br />

Präsenz hat sich erhöht. Das ist nachvollziehbar,<br />

denn von Profis erwartet man mehr als<br />

von Laien. Zudem kann das Ausgeliefertsein<br />

an eine Behörde bei Betroffenen eine gewisse<br />

Ohnmacht auslösen.<br />

Empfinden Sie die teilweise sehr harsche<br />

Kritik als belastend?<br />

Ja, sehr! Natürlich passieren auch bei uns<br />

Fehler, wie überall, wo gearbeitet wird. Wir<br />

müssen aber unter Umständen nicht nur mit<br />

veheerenden Folgen, sondern jedes Mal auch<br />

mit einem beispiellosen Bashing seitens der<br />

Medien rechnen. Unsere Klienten drohen auch<br />

oft damit. Davon darf man sich natürlich nicht<br />

beeindrucken lassen.<br />

Was erhalten Sie für Reaktionen, wenn<br />

Sie erzählen, dass Sie bei einer KESB<br />

arbeiten?<br />

Manche verwerfen die Hände, manche sind<br />

sehr interessiert. Kalt lässt das Thema<br />

offenbar niemanden.<br />

Warum hat die KESB eigentlich so einen<br />

schlechten Ruf?<br />

Wir arbeiten in einem extrem sensiblen<br />

Bereich. Niemand hört gern, dass er oder sie<br />

nicht in der Lage sei, für die eigenen Kinder zu<br />

sorgen. Die Betroffenen fühlen sich oft<br />

ungerecht behandelt und sehen die Medien als<br />

ihre einzige Waffe. Die KESB kann sich dann<br />

nur sehr schlecht öffentlich wehren, weil sie<br />

sich zu konkreten Fällen nicht äussern darf.<br />

Was geht in Ihnen vor, wenn etwas passiert<br />

wie im Fall von Flaach, wo eine Mutter ihre<br />

64 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Erziehung & Schule<br />

Massnahmen zum Schutz des Kindes.»<br />

So steht es in Artikel 307,<br />

Absatz 1 des Zivilgesetzbuches. So<br />

lautet der gesetzliche Auftrag der<br />

Kindesschutzbehörde. Wie schwierig<br />

es sein kann, diesen Auftrag auszuführen,<br />

zeigt sich in der 10-Uhr-<br />

Sitzung, in der die aktuellen<br />

Ent scheide der KESB diskutiert und<br />

formell erlassen werden. Die erste<br />

und entscheidende Frage lautet:<br />

«Machen wir überhaupt etwas?»<br />

Vermutungen sind keine Fakten<br />

Eine Gefährdungsmeldung einreichen<br />

kann jeder. Amtspersonen,<br />

welche die Gefährdung in der Ausübung<br />

ihres Amtes feststellen, sind<br />

dazu verpflichtet. So geschehen im<br />

Fall, den Franziska Voegeli vorträgt.<br />

Die Gefährdungsmeldung kam von<br />

der Schulkommission, welche häusliche<br />

Gewalt im Fall von vier Geschwistern<br />

im Alter zwischen neun<br />

«Beim Verdacht, dass Eltern<br />

regelmässig ihre Kinder<br />

verprügeln, müssen wir handeln.»<br />

und zwei Jahren vermutet. Die Kinder<br />

sind verhaltensauffällig, schlagen<br />

andere Kinder und erzählten in der<br />

Schule von Schlägen mit Stöcken<br />

und Gürteln. Die Eltern sagten bei<br />

einer Anhörung, sie würden keine<br />

Unterstützung bei der Erziehung der<br />

Kinder brauchen, allfällige Verletzungen<br />

seien auf das Spielen im Freien<br />

zurückzuführen.<br />

«Schwierig», meint Markus<br />

Engel. «Im Moment wissen wir einfach<br />

zu wenig.» Der Entscheid: Die<br />

Eltern werden angewiesen, bei einer<br />

Intensivabklärung vor Ort aktiv mitzumachen.<br />

Mehr kann und will die<br />

Behörde derzeit nicht machen.<br />

Franziska Voegeli atmet tief durch.<br />

Sozialarbeit heisst manchmal auch,<br />

Unsicherheiten aushalten zu müssen.<br />

Die Juristen wollen es genau wissen.<br />

Wenn die Vermutung naheliegt, dass<br />

Eltern regelmässig ihre Kinder verprügeln,<br />

muss man handeln. Aber<br />

eben: Vermutungen sind keine<br />

Fakten.<br />

Viele der Männer und Frauen, die<br />

hier arbeiten, sind selbst Eltern.<br />

Auch Markus Engels Bürowände<br />

zieren zahlreiche Kinderzeichnungen,<br />

die Ablagen diverse Star-Wars-<br />

Figuren. «Dass wir mehr Distanz zu<br />

den Klienten haben als vorher die<br />

Vormundschaftsbehörde, >>><br />

beiden Kinder umbrachte, um sie nicht<br />

zurück ins Heim bringen zu müssen?<br />

Totale Fassungslosigkeit, Bestürzung und<br />

Betroffenheit!<br />

Können Sie sich erklären, warum man in<br />

dem Fall nicht den Grosseltern das<br />

Sorgerecht gab?<br />

Da wir zum Glück nicht in den Fall involviert<br />

waren, ist das sehr, sehr schwer zu beurteilen.<br />

Grundsätzlich wird aber immer zuerst nach<br />

einer Lösung im familiären Umfeld gesucht.<br />

Von KESB-Gegnern wird Ihnen immer<br />

wieder Bürokratie vorgeworfen.<br />

Wir bemühen uns sehr, so unbürokratisch wie<br />

möglich zu sein. Aber ein gewisses Mass an<br />

Bürokratie ist nötig. Schliesslich müssen wir<br />

unsere Entscheide auf juristische Grundlagen<br />

stützen.<br />

Es heisst, die KESB sei total überlastet.<br />

Wir sind sehr gut ausgelastet, das stimmt.<br />

Dennoch gelingt es den KESBs, ihre Arbeit<br />

trotz der Ressourcenknappheit gut zu<br />

erledigen.<br />

Können Sie die Argumente der Gegner<br />

nachvollziehen – beispielsweise man sei<br />

einem übermächtigen Verwaltungsapparat<br />

ausgeliefert, der weit weg vom Alltag der<br />

Menschen agiere?<br />

Ein Stück weit schon. Viele können sich aber<br />

kaum vorstellen, was wir machen. Am meisten<br />

ärgere ich mich über den Vorwurf, wir seien<br />

nur an Machtausübung interessiert. Das ist<br />

das Letzte, was wir wollen. Wir sind im Übrigen<br />

sehr offen und transparent, auch den Medien<br />

und der Politik gegenüber.<br />

Wie gehen Sie privat mit den teilweise<br />

harten Schicksalen um, mit denen Sie<br />

jeden Tag konfrontiert werden?<br />

Es gibt schon Einzelfälle, die mir an die Nieren<br />

gehen. Auch Drohungen – mit Selbstmord<br />

oder gegen mich und meine Mitarbeitenden<br />

– belasten. In der Regel kann ich aber nach<br />

Feierabend gut abschalten. Das muss man in<br />

diesem Beruf können.<br />

Wie erklären Sie Ihren Kindern, was Sie<br />

beruflich machen?<br />

Ich sage ihnen, dass ich versuche, Leuten zu<br />

helfen, die sich selbst nicht helfen können. Die<br />

machen das ja nicht extra. Und ganz wichtig:<br />

Mich interessiert nicht, wer schuld ist an der<br />

Situation, sondern nur, wie die Betroffenen da<br />

wieder herauskommen.<br />

Zur Person<br />

Charlotte Christener-Trechsel ist Anwältin<br />

und seit Mai 2014 für die KESB tätig; seit<br />

<strong>2016</strong> ist sie Präsidentin der KESB der Stadt<br />

Bern. Zuvor arbeitete sie 16 Jahre lang für<br />

das Kantonale Jugendamt Bern. Sie ist<br />

verheiratet und Mutter eines zehnjährigen<br />

Sohnes und einer siebenjährigen Tochter.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>65


Erziehung & Schule<br />

Was ist die KESB?<br />

Am 1. Januar 2013 löste die professionelle<br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

die Vormundschaftsbehörden<br />

ab, bei denen Laien über das Schicksal<br />

von psychisch Kranken, Behinderten<br />

und Kindern, deren Eltern nicht für sie<br />

sorgen können, bestimmten. Interdisziplinäre<br />

Teams aus Juristen, Psychologen,<br />

Pädagogen und Sozialarbeitern<br />

sind nun für über 100 behördliche<br />

Aufgaben aus dem Kindes- und Erwachsenenschutzrecht<br />

zuständig. Schutzbedürftige<br />

erhalten eine Beistandschaft,<br />

die individuell auf sie abgestimmt ist.<br />

Das führt zu aufwendigeren Verfahren.<br />

Dies oder auch die Kosten, welche die<br />

KESB den Gemeinden auferlegt, löst<br />

teilweise massive Kritik aus.<br />

>>> stimmt und ist durchaus<br />

gewollt», erklärt er und kramt in seinen<br />

Unterlagen – in säuberlichen<br />

Stapeln aufgereiht. «Es soll nicht<br />

mehr der Nachbar über familienrechtliche<br />

Belange entscheiden können.<br />

Wir überblicken die Gesamtsituation.<br />

Nah dran sind die von der<br />

Gemeinde gestellten Beistände und<br />

Abklärenden. So ergibt sich ein<br />

ganzheitliches Bild.»<br />

Distanz zu den Fällen ist wichtig<br />

Gut 300 Kindesschutzfälle eröffnet<br />

die KESB Bern pro Jahr. «Wenn es<br />

um Kinder geht, eröffnen wir lieber<br />

«Häusliche Gewalt ist<br />

in unserer Gesellschaft<br />

Realität.»<br />

mal ein Dossier zu viel als eines zu<br />

wenig», sagt Markus Engel. Getreu<br />

dem KESB-Grundsatz «So viel wie<br />

nötig, so wenig wie möglich».<br />

Dann zieht er ein Blatt aus einer<br />

Mappe, liest, schüttelt den Kopf.<br />

«Psychische Krankheiten und häusliche<br />

Gewalt sind in unserer Gesellschaft<br />

Realität. Davon können direkt<br />

oder indirekt auch Kinder betroffen<br />

sein. Häufig erkennen psychisch<br />

angeschlagene Eltern nicht, dass sie<br />

krank sind.» Klar, als Vater betreffen<br />

ihn gewisse Schicksale mehr als<br />

andere. «Aber schlussendlich gehört<br />

es zu den Kernkompetenzen von<br />

Sozialarbeitenden, genügend Distanz<br />

zu haben.»<br />

Der Nachmittag verläuft ruhig.<br />

Charlotte Christener besucht eine<br />

Klientin in der psychiatrischen Klinik,<br />

Markus Engel bearbeitet seine<br />

66 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«Liebe KESB, Sie haben uns<br />

sehr geholfen. Ohne Sie hätten<br />

wir nicht so schnell eine Lösung<br />

gefunden. Danke.»<br />

Fälle. Es geschieht aber auch öfter,<br />

dass ein Notfall-Anruf die Tagesplanung<br />

durcheinanderbringt. So wie<br />

vor Kurzem, als in der Babyklappe<br />

des Inselspitals ein Säugling deponiert<br />

wurde. Da hiess es für Markus<br />

Engel: alles stehen und liegen lassen.<br />

Das Baby brauchte einen Namen,<br />

einen Geburtstag, ein Bürgerrecht,<br />

einen Beistand und eine Anschlusslösung<br />

an den Spitalaufenthalt.<br />

17 Uhr. Charlotte Christener und<br />

ihr Kollege Raffaele Castellani kommen<br />

zurück aus der Klinik. «Sie<br />

spricht jetzt gar nicht mehr mit uns»,<br />

meint Christener über die Klientin.<br />

Auch daran ist sie mittlerweile ge -<br />

wöhnt. Genau wie an die Tatsache,<br />

dass es die KESB niemals allen recht<br />

machen kann. Entweder sie handelt<br />

zu früh oder zu spät oder falsch oder<br />

hätte gar nicht handeln sollen.<br />

Warum Charlotte Christener sich<br />

den Job trotzdem antut? Sie lächelt<br />

und zeigt auf die Wand in ihrem<br />

Büro. Zwischen den Zeichnungen<br />

und Fotos von ihren Kindern hängt<br />

ein unscheinbarer Brief, nur ein paar<br />

Sätze: «Liebe KESB, Sie haben uns<br />

sehr geholfen. Ohne Sie hätten wir<br />

nicht so schnell eine Lösung gefunden.<br />

Danke.»


Erziehung & Schule<br />

«Ist ein Baum traurig, wenn<br />

er seine Blätter verliert?»<br />

Hat ein Salat Angst? Können Steine weise sein? Wie lange dauert die Ewigkeit? Ein<br />

Gespräch mit der Kinderphilosophin Kristina Calvert über die einfachen und komplizierten<br />

Dinge des Alltags, warum das laute Nachdenken jedem guttut und wie Eltern mit ihren<br />

Kindern ins Philosophieren kommen. Text: Claudia Füssler Bilder: Ulrike Schacht<br />

Die Kinder kichern.<br />

Kristina Calvert hatte<br />

in die Runde ge ­<br />

fragt: «Philosophieren,<br />

was ist das?»<br />

Niemand weiss eine Antwort.<br />

«Okay», sagt Kristina Calvert,<br />

«schauen wir uns das Wort mal<br />

genau an und zerlegen es. Welche<br />

Silben haben wir dann?»<br />

«Phil, oso, phier, ren», kommt es<br />

von den Kindern.<br />

«Prima. Was fällt euch dazu ein?»<br />

«Es gibt vier Jahreszeiten!», sagt<br />

Leah.<br />

«Rennen!», ruft Felix.<br />

«Aha, interessant», sagt Kristina<br />

«Nicht jede<br />

Forscherfrage ist<br />

eine philosophisch<br />

relevante Frage.»<br />

sophieren. Wisst ihr, was Philosoph<br />

bedeutet? Ein Freund der Weisheit.»<br />

Sie nimmt einen weissen Plüschpudel<br />

und zeigt ihn den Kindern.<br />

«Das ist Hubert. Er hat ein weisses<br />

Fell. Kann er deshalb weise<br />

sein?»<br />

«Ja natürlich», sagt Leah.<br />

«Spannend», sagt Kristina Calvert,<br />

«erzähl mal, wie man das feststellen<br />

könnte.»<br />

Frau Calvert, Kinder stellen ja generell<br />

viele Fragen, philosophieren sie also<br />

schon so ganz nebenbei?<br />

Das kann man so nicht verallgemeinern.<br />

Nicht jede Forscherfrage ist<br />

gleich eine philosophisch relevante<br />

Frage. Will ein Kind wissen, warum<br />

die Blätter am Baum im Herbst<br />

braun werden, ist das eine reine<br />

Naturfrage. Fragt es sich aber, ob der<br />

Baum traurig ist, wenn er seine Blätter<br />

verliert, dann kann das der<br />

Anfang für eine wunderbare kleine<br />

Philosophiestunde sein.<br />

Wie bringen Sie Kinder zum Philosophieren?<br />

Das ist gar nicht so schwierig. Ich<br />

bringe ein philosophisch relevantes<br />

Thema in die Runde ein, gebe also<br />

den ersten Impuls. Neulich habe ich<br />

gefragt: Wie kann ich werden, was<br />

Calvert. «Ich kenne da einen, der ist<br />

zwar nicht gerannt, aber mit seinen<br />

Schülern spazieren gegangen. Das<br />

war der Philosoph Aristoteles. Philosoph,<br />

das kommt uns bekannt vor,<br />

oder? Es steckt auch im Wort Philoich<br />

bin? Wir kamen sehr schnell auf<br />

das Wort «möglich», was alles möglich<br />

ist für einen selbst. Die Kinder<br />

versuchen dann, das im Gespräch<br />

weiterzubearbeiten, während ich<br />

«Ich vergleiche<br />

das Philosophieren<br />

mit der Arbeit<br />

eines Detektivs.»<br />

mich auf eine beobachtende und<br />

moderierende Position zurückziehe.<br />

Beim Philosophieren können die<br />

Kinder selber denken, miteinander<br />

denken und weiterdenken.<br />

Das klingt nach viel Kopfarbeit.<br />

Die Kinder finden das spannend und<br />

aufregend. Da kommen die interessantesten<br />

Vorschläge. Neulich haben<br />

die Kinder in der Gruppe entdeckt,<br />

dass bei «möglich» ja ein «ich» hinter<br />

«mög», von «mögen», steht, also<br />

sind Dinge möglich, die ich mag. So<br />

hatte ich das noch nie gesehen. Ich<br />

vergleiche das Philosophieren<br />

immer mit der Arbeit eines Detektivs,<br />

der die Welt genau unter die<br />

Lupe nimmt und versucht, sich<br />

68 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Sachen logisch zu erklären. Da gehen<br />

die Augen auf bei den Kindern, wenn<br />

ich das erzähle.<br />

Ist Philosophieren auch an strengend?<br />

Wenn Kinder sich in einem Leistungssystem<br />

befinden, in dem ihnen<br />

ganz genau gesagt wird, was sie tun<br />

müssen und wie die Dinge funktionieren,<br />

dann ist der Prozess des Selberdenkens<br />

für sie eine regelrechte<br />

Erschütterung. Sie, die sonst nicht<br />

gross nachdenken müssen, sollen<br />

plötzlich etwas selber generieren. Es<br />

ist anstrengend, wenn man nicht<br />

daran gewöhnt ist, sich selbst zu<br />

befragen. Da stehen viele Kinder erst<br />

einmal da und sagen etwas, von dem<br />

sie denken, dass ich das von ihnen<br />

erwarte.<br />

Wie reagieren Sie dann?<br />

Ich sage ihnen, dass die Welt nicht<br />

aus Antworten besteht, sondern aus<br />

Fragen und Theorien. Das müssen<br />

Kinder auszuhalten lernen.<br />

Wie sehr lenken Sie das Denken der<br />

Kinder?<br />

Gar nicht. Ich lasse mich darauf ein,<br />

was die Kinder als Schwerpunkt entwickeln,<br />

und registriere, welche<br />

Richtung das Gespräch nimmt. Der<br />

«Was glaubst du:<br />

Kann ein Fussboden<br />

auch ohne Gehirn<br />

weise sein?»<br />

Über das Philosophieren erfahre ich,<br />

wie ein Kind die Welt sieht. So haben<br />

wir mal mit Karten gearbeitet, auf<br />

denen das Universum zu sehen ist.<br />

Ein Junge legte eine Karte mit einem<br />

Himmelbild bei Tag an ein Himmelbild<br />

bei Nacht. Klar, dachte ich, das<br />

passt, Himmel bei Tag und Nacht.<br />

Er aber erklärte, dass er, wenn er<br />

nachts Angst habe, sich immer schon<br />

auf den nächsten hellen Tag freue.<br />

In meinem Kopf habe ich ständig ein<br />

grosses «Ah, na so etwas, das ist ja<br />

interessant», das ich den Ideen der<br />

Kinder entgegenbringe. Wenn wir<br />

etwa darüber sprechen, was weise<br />

ist, und ein Kind sagt, dafür brauche<br />

man ein Gehirn, ein anderes vorschlägt,<br />

auch ein Fussboden könne<br />

weise sei, dann wird das nicht einfach<br />

abgelehnt mit dem Hinweis<br />

darauf, dass der Fussboden kein Ge ­<br />

hirn hat. Stattdessen frage ich: Was<br />

Moderator oder die Moderatorin<br />

muss sehr gut zuhören können und<br />

das, was die Kinder sagen, aufeinander<br />

beziehen und verdichten können,<br />

ohne das eigene Konzept aufzudrängen.<br />

Das kann man lernen.<br />

Man kommt dadurch ganz anders<br />

an ein Kind heran.<br />

glaubst du, kann ein Fussboden auch<br />

Inwiefern? ohne Gehirn weise sein? >>><br />

Wenn Kinder<br />

philosophieren:<br />

Kristina Calvert<br />

mit ihren kleinen<br />

und grossen<br />

Denkern.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>69


Erziehung & Schule<br />

Kristina Calvert:<br />

«Ich möchte<br />

Kinder ein<br />

Stück weit<br />

erschüttern.»<br />

>>> Welche Themen besprechen<br />

Sie denn mit Kindern?<br />

Ich orientiere mich dabei an den vier<br />

Fragen, mit denen Kant die Philosophie<br />

definiert: Was kann ich wissen?<br />

Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?<br />

Was ist der Mensch? Ich stelle<br />

den Kindern auch sehr abstrakte<br />

Fragen wie «Was ist Glück?». So<br />

etwas interessiert schon die ganz<br />

Kleinen. Die Jüngsten, mit denen ich<br />

philosophiere, sind viereinhalb Jahre<br />

alt. Die beschäftigen sich zum<br />

Beispiel auch gerne mit der Frage<br />

nach dem Tod und dem, was nach<br />

dem Tod kommt. Ähnlich interessante<br />

Themen sind Angst, Mut oder<br />

Tapferkeit.<br />

Ist das nicht ein bisschen schwere<br />

Kost?<br />

Das sind die Fragen, die die Kinder<br />

interessieren. Darüber denkt ein<br />

Kind im Alter von fünf, sechs Jahren<br />

nach. Und wenn es niemanden hat,<br />

der mit ihm gemeinsam darüber<br />

nachdenkt, dann belässt man es in<br />

einem engen Raum. Philosophieren<br />

ermöglicht es dem Kind, da ein Stück<br />

weit herauszukommen und sich auszudrücken.<br />

Philosophieren hilft ihm,<br />

mündig zu werden und die Welt zu<br />

verstehen. Es stellt fest, was es alles<br />

kann, wenn es alles, was es im Kopf<br />

hat, einsetzen und entwickeln kann.<br />

Wirkt das Philosophieren auch über<br />

Ihre Philosophiestunde hinaus?<br />

Auf jeden Fall. Ich möchte die Kinder<br />

ein Stück weit erschüttern in<br />

dem, was sie als vermeintlich sicher<br />

annehmen. Es ist ungeheuer wichtig,<br />

dass die Personen, die sich mit Bildung<br />

beschäftigen, nicht einfach<br />

Traditionswissen an die Kinder herantragen.<br />

Sie sollten ihnen stattdessen<br />

lieber Sicherheit in Beziehungen<br />

geben, sodass sich ein Kind traut,<br />

Fragen zu stellen und Wege zu finden,<br />

diese Fragen für sich fruchtbar<br />

zu machen.<br />

Kann man auch ohne Ausbildung mit<br />

Kindern philosophieren?<br />

Unbedingt! Fangen Sie mit einmal<br />

die Woche für zehn Minuten an. Eine<br />

«Philosophieren<br />

hilft Kindern, die<br />

Welt zu verstehen.»<br />

grosse offene Frage als Impuls formulieren<br />

und sich dann aufs Zuhören<br />

einstellen. Gut ist es auch, ein<br />

Phänomen und gleich eine Frage<br />

mitzunehmen. Zum Beispiel einen<br />

Stein hinzulegen und zu fragen:<br />

Können Steine glücklich sein? Als<br />

70 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


«Hören Sie zu,<br />

fragen Sie nach,<br />

lassen Sie Ihrem<br />

Kind Zeit!»<br />

Thema eignet sich alles aus der Welt<br />

der Kinder. Hast du manchmal Mitleid<br />

mit deinem Essen? Mit dem<br />

Kaugummi? Dem Salat?<br />

Und wenn die Kinder dann sagen, der<br />

Salat hat Angst?<br />

Dann sage ich: «Aha, das ist ja interessant.<br />

Könntest du mir das beweisen?<br />

Woran erkennst du, dass der<br />

Salat Angst hat? Ist das wie bei dir?<br />

Woran merkst du, dass du Angst<br />

hast?» Ich gebe den Kindern ein paar<br />

stützende Fragen, die sie ins logische<br />

Argumentieren reinbringen. Ich<br />

arbeite viel mit Erziehern und weiss,<br />

Zur Person<br />

Kristina Calvert hat im<br />

Philosophieren mit Kindern<br />

promoviert und arbeitet als<br />

selbständige Dozentin und Autorin<br />

mit Erwachsenen sowie als<br />

Kinderphilosophin mit Kindern ab<br />

vier Jahren. Sie bildet Erzieher im<br />

Philosophieren mit Kindern aus und<br />

hat den Verein «Philosophieren mit<br />

Kindern» mitgegründet.<br />

wie schwierig es für sie ist, eine Situation<br />

so stehen zu lassen und keine<br />

Antworten zu geben und zum Beispiel<br />

zu sagen: «Nein, ein Salat hat<br />

keine Angst, weil Gemüse keine<br />

Gefühle hat.» Alle Gedanken, die<br />

von den Kindern eingebracht werden,<br />

sind hier nicht überflüssig, sondern<br />

wesentlich. Das ist der Kern des<br />

Philosophierens.<br />

>>><br />

Claudia Füssler<br />

philosophiert gerne mit dem Teenie darüber,<br />

welche inneren Widerstände ihn wohl davon<br />

abhalten, sich dem Staubsauger oder<br />

einem vollen Abfallsack zu nähern. Auch<br />

mit Freundinnen mag sie es philosophisch:<br />

Möchte der Zwetschgenkuchen mit einem<br />

Klecks Rahm liiert werden oder geht es ihm<br />

als Single besser?<br />

Buchtipps<br />

Kristina Calvert, Petra Schreiber: Selbstkompetenz<br />

stärken mit dem Bilderbuch «ich» von Philip<br />

Wächter. 40 Projektideen für die Kita. Beltz, 2015,<br />

64 Seiten, Fr. 21.90<br />

Kristina Calvert: 48 Bildkarten zum Philosophieren<br />

mit Kindern. Mit 48-seitigem Booklet. Beltz,<br />

2015, Fr. 39.90<br />

Kristina Calvert und Eva Muggenthaler: Lügen<br />

Ameisen eigentlich? Ein Bilderbuch zum Weitermalen<br />

und Philosophieren mit Kindern. Aracari,<br />

2014, 40 Seiten, Fr. 23.90<br />

Kristina Calvert und Sabine Dittmer: Wolkenbilder<br />

und Möwendreck. 16 Geschichten und 16<br />

Bilder zum Philosophieren mit Kindern. Aracari,<br />

20<strong>11</strong>, 44 Seiten, Fr. 23.90<br />

Philosophieren mit Kindern –<br />

9 Tipps für Eltern<br />

Hören Sie zu, offen, ohne mit den Gedanken<br />

schon weiter und bei Ihrer Idee zu sein.<br />

Fragen Sie nach: «Aha, erzähl mal, wie meinst<br />

du das genau? Wie stellst du dir das vor?»<br />

Verwenden Sie die Sprache und Begriffe, die<br />

Ihr Kind benutzt. Formulieren Sie damit Ihre<br />

Nachfragen.<br />

Stellen Sie die Fragen so, dass Ihr Kind sie<br />

nicht mit Ja oder Nein beantworten kann,<br />

sondern spekulieren, nachdenken muss und<br />

seiner Fantasie freien Lauf lassen kann.<br />

Widerstehen Sie der Versuchung, Antworten zu<br />

geben. Gerade am Anfang kommen die Kinder<br />

immer wieder und sagen: «Jetzt sag mir mal,<br />

wie es ist.» Sagen Sie dann: «Es geht nicht<br />

darum, wie ich das sehe, sondern wie du das<br />

siehst.»<br />

Geben Sie Ihrem Kind Zeit, um seine Antworten<br />

zu finden und zu formulieren.<br />

Nutzen Sie die kleinen Gelegenheiten<br />

zwischendurch zum Philosophieren: auf dem<br />

Weg zur Schule, beim Abendessen oder<br />

Frühstück. Oft genügen ein paar Minuten.<br />

Philosophieren Sie auch über schwierigere<br />

Themen. Wenn Sie zum Beispiel merken,<br />

dass Ihr Kind besonders ängstlich ist. Dann<br />

reden Sie aber nicht über die Angst, sondern<br />

besorgen sich ein Buch über Mut und kommen<br />

darüber ins Gespräch.<br />

Haben Sie beide Spass dabei!<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>71


Achtung, Fusspilz!<br />

Heute beobachten Dermatologen nicht nur Fusspilz bei Kindern, sondern vermehrt auch<br />

Nagelpilz. Lästig sind beide Erkrankungen, aber auch therapierbar. Text: Susanna Steimer Miller<br />

Bild: iStockphoto<br />

In feuchter, warmer und dunkler<br />

Umgebung finden Pilzsporen<br />

die besten Bedingungen,<br />

um sich zu verbreiten.<br />

So herrschen gerade in<br />

Schwimmbädern oder Gemeinschaftsduschen<br />

ideale Voraussetzungen<br />

für den Fusspilz. Ist dann<br />

noch das Immunsystem des Besuchers<br />

geschwächt oder funktioniert<br />

der Säureschutzmantel seiner Haut<br />

nicht optimal, steigt das Fusspilz­<br />

risiko beträchtlich. Im Hallenbad ist<br />

die Pilzkonzentration gerade rund<br />

um die Desinfektionsbrause besonders<br />

hoch. Dr. med. Paolo Pedrazzetti,<br />

Dermatologe aus Adliswil, rät<br />

deshalb, im Hallenbad Badeschuhe<br />

zu tragen: «Nur so ist die Benutzung<br />

der Desinfektionsmöglichkeit empfehlenswert.»<br />

Von Fusspilz sind vor allem auch<br />

jene Kinder betroffen, die verstärkt<br />

an den Füssen schwitzen, viel Sport<br />

treiben oder häufig Gummistiefel,<br />

dicke Winterstiefel, Schlittschuhe,<br />

Skischuhe oder Turnschuhe tragen,<br />

die nicht atmungsaktiv sind. Pilzsporen<br />

können auf Hautschuppen in<br />

In Hallenbädern sollte man<br />

nur in Badeschuhen<br />

die Füsse desinfizieren.<br />

72 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Ernährung & Gesundheit<br />

Schuhen, aber auch in Teppichböden,<br />

Kleidungsstücken und<br />

Handtüchern bis zu sechs Monate<br />

überleben.<br />

Die Sporen können jedoch nur<br />

dann in die Haut eindringen, wenn<br />

diese vorgeschädigt ist, also kleinste<br />

Risse aufweist, die von blossem<br />

Auge nicht sichtbar sind.<br />

Fusspilz erkennen<br />

Fusspilz äussert sich auf drei Arten.<br />

In etwa 90 Prozent der Fälle tritt die<br />

Infektion zwischen dem vierten und<br />

fünften Zeh auf. Anfangs sieht die<br />

Haut weiss und aufgeweicht aus.<br />

Meist kommen später kleine<br />

Bläschen und schmerzhafte, nässende<br />

Risse dazu. Manchmal stinkt die<br />

Haut auch – dafür verantwortlich<br />

sind Bakterien, die sich in den Wunden<br />

einnisten.<br />

Bei der zweiten Form bildet der<br />

Fusspilz Bläschen auf dem Fussgewölbe,<br />

die oft als Allergie verkannt<br />

werden. Bei der dritten Form verdickt<br />

sich die Hornhaut. Betroffene<br />

glauben, dass ihre Haut an den<br />

Füssen einfach trocken ist. Aufschluss<br />

gibt hier die Untersuchung<br />

der Haut unter dem Mikroskop oder<br />

das Anlegen einer Pilzkultur.<br />

In etwa 90 Prozent der Fälle<br />

tritt die Infektion zwischen dem<br />

vierten und fünften Zeh auf.<br />

Konsequent therapieren<br />

Dr. Pedrazzetti empfiehlt, Fusspilz<br />

immer konsequent und möglichst<br />

früh zu therapieren, um zum einen<br />

die Ansteckung von Mitmenschen<br />

zu vermeiden. Zum andern bietet die<br />

Erkrankung auch eine Eintrittspforte<br />

für diverse Erreger wie Bakterien.<br />

Der Fachmann erklärt: «Wenn zum<br />

Beispiel Streptokokken oder Staphylokokken<br />

ins Lymphsystem gelangen,<br />

kann es zu einer Blutvergiftung<br />

kommen, die im Extremfall im Spital<br />

mit Antibiotika behandelt werden<br />

muss.»<br />

Die Behandlung erfolgt durch<br />

eine Antipilzsubstanz, die es heute<br />

als Spray, Milch, Puder oder Creme<br />

gibt. Wichtig ist, die Therapie auch<br />

nach Abklingen der Symptome während<br />

mindestens einer Woche weiterzuführen.<br />

Denn bei einem zu<br />

schnellen Absetzen der Medikamente<br />

ist ein erneutes Aufflammen der<br />

Infektion möglich. Normalerweise<br />

dauert die Behandlung etwa zwei<br />

Wochen.<br />

Ursachen für Nagelpilz<br />

Fusspilz sollte auch behandelt werden,<br />

weil daraus Nagelpilz entstehen<br />

kann. Der Mikrobiologe Prof. Hans­<br />

Jürgen Tietz, Leiter des Instituts für<br />

Pilzkrankheiten in Berlin, stellt fest,<br />

dass heute immer mehr Kinder an<br />

dieser Infektion leiden. Grund dafür<br />

seien neben der Veranlagung für<br />

Andockstellen und andere genetische<br />

Faktoren vor allem nichtatmungsaktive<br />

Schuhe (beispielsweise<br />

aus Plastik) und Sportarten, die<br />

die Zehennägel stark belasten wie<br />

zum Beispiel Fussball, Tanzen oder<br />

Tennis.<br />

Begünstigend wirken auch Verletzungen<br />

der Na gelplatte, zu kleines<br />

oder zu grosses Schuhwerk oder<br />

Schläge auf den Nagel. Nagelpilz<br />

zeigt sich durch eine Abhebung der<br />

Nagelplatte, eine Farbveränderung<br />

oder eine Verdickung des Nagels.<br />

Mit der Zeit kann der Nagel brüchig<br />

werden und sich abspalten. Manchmal<br />

treten auch schmerzhafte Entzündungen<br />

im Nagelfalz auf.<br />

Die Therapie hängt vom Befall ab<br />

Auch bei Nagelpilz empfiehlt Paolo<br />

Pedrazzetti eine frühzeitige Behandlung,<br />

denn im Anfangsstadium lässt<br />

er sich einfacher und schneller<br />

behandeln als ein verschleppter Pilz.<br />

Laut dem Dermatologen hängt die<br />

Therapie vom Befall ab: «Ist die<br />

Nagelplatte verdickt, muss die infizierte<br />

Nagelmasse zuerst abgetragen<br />

und mit einer harnstoffhaltigen Salbe<br />

in Kombination mit einem >>><br />

Der sanfte Weg zur Heilung<br />

Elfi Seiler, Drogistin in der St. Peter Apotheke in<br />

Zürich, empfiehlt folgende Mittel:<br />

Tupfen Sie zehnprozentiges Teebaumöl,<br />

reines Salbeiöl oder Lavendelöl mehrmals<br />

täglich auf die befallene Stelle.<br />

Baden Sie die Füsse Ihres Kindes zweimal<br />

pro Tag zehn Minuten in:<br />

– warmem Wasser mit Thymian- oder<br />

Zinnkrauttee<br />

– Molke (Säure wirkt pilzabtötend)<br />

– Eichenrindenabsud (bei offenen Stellen)<br />

– Schwarztee (lindert Juckreiz und<br />

Schmerzen)<br />

Wichtig ist, dass die Füsse zwischen den<br />

Behandlungen trocken gehalten werden. Wenn<br />

sich ein Fusspilz stark ausbreitet oder wenn<br />

sich Entzündungen zwischen den Zehen bilden,<br />

muss das Kind zum Arzt.<br />

So vermeiden Sie Fusspilz<br />

In Schwimmbädern und in öffentlichen<br />

Duschen Badeschuhe tragen.<br />

Fussdesinfektionsbrause in öffentlichen<br />

Schwimmbädern nutzen – aber eben: nur<br />

mit Badeschuhen.<br />

Atmungsaktive und passende Schuhe tragen.<br />

Die gleichen Turnschuhe nicht an zwei<br />

aufeinanderfolgenden Tagen tragen.<br />

Leicht schwitzende Füsse trocken halten.<br />

Nach dem Duschen oder Baden<br />

Zehenzwischenräume gut trocknen.<br />

Täglich die Strümpfe oder Socken wechseln.<br />

Keine synthetischen Strümpfe oder Socken<br />

tragen. Sie fördern das Schwitzen.<br />

Socken und Handtücher bei mindestens<br />

60° C waschen.<br />

Haut an den Füssen mit einer Pflegecreme<br />

geschmeidig halten (Achtung: dies gilt nicht<br />

während der Pilzbehandlung).<br />

Füsse eventuell mit einem Puder behandeln,<br />

um Feuchtigkeit aufzusaugen.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>73


Wenn mehr als drei Nägel<br />

betroffen sind, muss mit<br />

Tabletten behandelt werden.<br />

>>> Antipilzmittel behandelt werden.<br />

Bei zersetzten Nägeln wird ein<br />

Antipilzmittel in Form eines Sprays<br />

oder Lacks aufgetragen. Ist nur der<br />

vordere Teil des Nagels befallen,<br />

bringt der Lack den Pilz in 80 Prozent<br />

der Fälle zum Verschwinden.<br />

Wenn die Nagelwurzel oder mehr<br />

als drei Nägel betroffen sind, muss<br />

der Pilz mit Tabletten behandelt<br />

werden.» Die gut verträglichen Tabletten<br />

müssen während mindestens<br />

dreier Monate eingenommen werden.<br />

Danach kann die medikamentöse<br />

Therapie entweder fortgesetzt<br />

oder die noch befallene Stelle mit<br />

Lack weiterbehandelt werden, bis<br />

der Nagel gesund herausgewachsen<br />

ist. Während der Behandlung sollten<br />

Eltern betroffener Kinder alle Schuhe<br />

am besten am Ende der ersten<br />

Therapiewoche gründlich mit einem<br />

pilzabtötenden Mittel desinfizieren,<br />

um eine erneute Ansteckung zu verhindern.<br />

>>><br />

Susanna<br />

Steimer Miller<br />

ist Chefredaktorin des Elternratgebers<br />

«Baby & Kleinkind» und schreibt als freie<br />

Journalistin über Themen wie Gesundheit,<br />

Ernährung, Kinder und Tiere.<br />

Tipp: erst die Diagnose –<br />

dann die Thearpie<br />

Gerade bei Kindern handelt<br />

es sich nicht bei jeder<br />

Verfärbung der Nägel um<br />

einen Pilz. Auch Schläge auf<br />

den Nagel oder Nagellacke<br />

und Nagellackentferner auf<br />

der Basis von Aceton oder<br />

Formaldehyd können zu einer<br />

Farbveränderung führen, die<br />

keiner Behandlung bedarf.<br />

Besonders wenn die<br />

Nagelpilzbehandlung mit<br />

Tabletten erfolgen soll, muss<br />

der Arzt immer zuvor eine<br />

Nagelprobe mikroskopisch<br />

untersuchen, um eine klare<br />

Diagnose zu stellen.<br />

Immer da, wo Zahlen sind.<br />

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74 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

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Kolumne<br />

Holz aalänge!<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

Michèle Binswanger<br />

Die studierte Philosophin<br />

ist Journalistin und Buchautorin.<br />

Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />

ist Mutter zweier Kinder<br />

und lebt in Basel.<br />

Ich liebe es, mit meiner Schwester zu diskutieren. Sie ist psychologisch<br />

geschult, mir zugeneigt und doch kritisch. Deshalb wende<br />

ich mich gern an sie, wenn Konflikte mir zu schaffen machen.<br />

Doch so rational sie denkt, so irrational ist diese eine Angewohnheit.<br />

Immer wenn von Dingen die Rede ist, die in Ordnung sind,<br />

aber leicht aus dem Lot geraten könnten, sagt sie beschwörend: «Holz<br />

aalänge, gäll!» Leider haben die meisten Dinge im Leben die Neigung,<br />

irgendwann aus dem Lot zu geraten, besonders wenn Kinder involviert<br />

sind. Und deshalb sagt meine Schwester das ziemlich oft.<br />

Neulich war ich mit ihr in unserem Haus am See. Wir machten den<br />

Garten winterfertig, rechten das Laub zusammen und stapelten Feuerholz,<br />

abends kochten wir und redeten vor dem warmen Holzofen. Ich<br />

erzählte ihr vom Sohn einer gemeinsamen Bekannten, der immer sehr<br />

verschlossen gewesen und von den Eltern angeregt worden war, sich<br />

mehr zu öffnen. Dann begann er sich plötzlich für weiche Drogen, lange<br />

Nächte und abenteuerliche politische Ideen zu interessieren, nicht genau<br />

das, was die Eltern sich vorgestellt hatten, doch das war ihm egal. Er ging<br />

auf Konfrontationskurs, begann sich abzuschotten und tauchte immer<br />

seltener überhaupt noch zu Hause auf. Die Eltern machten sich Sorgen,<br />

um seinen schulischen Abschluss, ihre Beziehung, seine Zukunft.<br />

Das erzählte ich der Schwester. «Es ist ja schon schlimm genug, was<br />

die Pubertät mit Kindern anstellt, aber ist es für die Eltern nicht fast noch<br />

schlimmer?», fragte ich. «Plötzlich ist das Kind, das du ein Leben lang<br />

gekannt hast, ein Jugendlicher, der dem Teufel vom Karren gefallen ist.<br />

Wie muss das für Eltern sein, die selber nie mit dem Teufel geritten sind?<br />

Zum Glück haben wir uns nie derart zerstritten.»<br />

«Holz aalänge», meinte die Schwester und warf ein Holzscheit ins Feuer.<br />

«Ausserdem sieht man von aussen schlecht in Familien hinein.<br />

Wir wissen ja nicht, wer in dieser Geschichte mit welchen Teufeln ge ­<br />

ritten ist.»<br />

«Ich glaube nicht, dass die Eltern etwas dafür können», entgegnete ich.<br />

«Ich hatte als Teenie ja weiss Gott auch meine Dämonen, und unsere<br />

Eltern waren sicher nicht schuld daran. Manchmal denke ich, ich hatte<br />

einfach grosses Glück, dass alles gut gegangen ist.»<br />

«Holz aalänge!», rief die Schwester und warf mehr Holz aufs Feuer.<br />

«Man weiss nie, was noch kommt. Und vielleicht bist du es ja, die wegen<br />

deiner Kinder eine zweite Pubertät durchlebt», sagte sie mit spöttischem<br />

Blick auf meine Turnschuhe. «Wenn auch vielleicht eher modisch.»<br />

«Holz aalänge!», rief ich panisch und warf einen ganzen Stapel Scheite<br />

in den Ofen, so dass wir vor dem Ofen zu schwitzen begannen. Dann<br />

sagte ich: «Vielleicht ist es am besten, wir bleiben einfach hier und holzen<br />

die paar Jahre durch, bis alle ihre Pubertät hinter sich haben. Mir scheint<br />

es jedenfalls am klügsten, einfach immer in Berührung mit Holz zu sein,<br />

bis das alles vorbei ist.»<br />

Sie antwortete: «Du hast recht. Man weiss nie, wie streng der Winter<br />

werden wird.»<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>75


Ernährung & Gesundheit<br />

Knochenfutter<br />

Gesundes Essen macht stark<br />

Knochen brauchen mehr als nur Kalzium. Weder Supplemente noch angereicherte Produkte<br />

liefern das, was sie wirklich brauchen: gesundes Essen mit dem richtigen Mix aus pflanzlichen<br />

und tierischen Produkten. Text: Regula Thut Borner<br />

Knochen sind kleine<br />

Kunstwerke. Ein<br />

menschliches Skelett<br />

wiegt ungefähr zehn<br />

Kilo, das sind rund<br />

14 Prozent des Körpergewichtes.<br />

Trotz seiner Leichtbauweise ist es<br />

stärker als Stahlbeton. Erstaunlich<br />

ist auch die Regenerationsfähigkeit<br />

der Knochen. Ständig im Umbau<br />

be griffen, erneuern sie sich im<br />

Durchschnitt alle zehn Jahre von<br />

Grund auf.<br />

Stoffe, aus denen die Knochen sind<br />

Zwei Drittel eines Knochens bestehen<br />

aus Mineralien, insbesondere<br />

aus Kalzium, Phosphor und Magnesium.<br />

Sie machen die Knochen stabil<br />

und stark. Damit die Mineralstoffe<br />

aus dem Blut in den Knochen aufgenommen<br />

und eingebaut werden<br />

können, braucht es Vitamin D. Das<br />

restliche Drittel des Knochens besteht<br />

aus eiweisshaltigen Kollagenfasern.<br />

Dank ihnen sind die Knochen<br />

elastisch und biegsam.<br />

Gesunde Knochen brauchen<br />

Nahrung<br />

Alles, was eine gesunde und ausgewogene<br />

Nahrung liefert, tut auch den<br />

Knochen gut. Die Basisdiät besteht<br />

76 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Bilder: iStockphoto<br />

aus drei Portionen Milch und Milchprodukten,<br />

die nicht nur Kalzium,<br />

sondern auch Phosphor, Vitamin D<br />

und qualitativ hochwertiges Eiweiss<br />

liefern. Dazu fünf Portionen Gemüse<br />

und Obst. Sie versorgen das Knochengerüst<br />

mit Magnesium und<br />

Kalium und halten den Säure-Basen-Haushalt<br />

im Lot.<br />

Das brauchen<br />

Knochen: Sonne,<br />

Sport und<br />

gesundes Essen.<br />

Schadet zu viel Eiweiss?<br />

Innerhalb einer bestimmten Bandbreite<br />

reagiert der Körper in der<br />

Regel tolerant, wenn von einem<br />

Nährstoff zu viel oder zu wenig aufgenommen<br />

wird. Wird diese Toleranzgrenze<br />

allerdings ständig und<br />

erheblich unter- oder überschritten,<br />

kommt es zu gesundheitlichen Reaktionen.<br />

Die Wissenschaft kann belegen,<br />

dass zu hohe Mengen Eiweiss<br />

zu einer erhöhten Kalziumausscheidung<br />

führen und damit Einfluss<br />

nehmen auf das Osteoporose-Risiko.<br />

Dabei geht es jedoch nicht um die<br />

absolute Menge Eiweiss, die man isst.<br />

Ist gleichzeitig auch die Kalziumzufuhr<br />

hoch, entsteht kein Schaden.<br />

Isst man jedoch ständig sehr viel<br />

Fleisch oder Fisch, aber zu wenig<br />

Milchprodukte, ist die Eiweisszufuhr<br />

hoch und die Kalziumeinnahme tief<br />

– und das ist auf Dauer ungesund.<br />

Letztlich ist also nicht die Eiweisszufuhr<br />

insgesamt massgebend, sondern<br />

das Kalzium-Eiweiss-Verhältnis.<br />

Top-Kalziumlieferant<br />

Als Hauptlieferanten von «Knochenbaumaterial»<br />

gehören nach wie vor<br />

Milch, Milchprodukte und Käse zu<br />

den Topfavoriten. Bereits drei Portionen<br />

decken nicht nur den<br />

Tagesbedarf an Kalzium, sondern<br />

liefern auch gleich hochwertiges<br />

Eiweiss, Vitamine und andere Mineralstoffe.<br />

Wer Mühe hat mit dem<br />

Milchzucker, verwendet wenn nötig<br />

laktosefreie Milch und Jogurt und<br />

hält sich ansonsten an die grosse,<br />

natürlicherweise laktosefreie Käseauswahl.<br />

Leidlich gute Kalziumquellen<br />

sind einige Gemüsesorten wie Kohl,<br />

Brokkoli und Fenchel, ebenso ein<br />

paar Getreidesorten, Nüsse und<br />

Hülsenfrüchte. Rein rechnerisch<br />

lässt sich der Bedarf mit pflanzlichen<br />

Produkten zwar decken, aber<br />

Quantität ist nicht gleich Qualität.<br />

Die Verfügbarkeit von Milchkalzium<br />

ist wesentlich besser als die Verfügbarkeit<br />

aus pflanzlichen Quellen.<br />

Knochen brauchen Bewegung<br />

Die beste Ernährung nützt wenig,<br />

wenn die Bewegung fehlt. Knochen<br />

lagern vermehrt Kalzium ein, wenn<br />

sie durch körperliche Arbeit dazu<br />

angeregt werden. Babys sind ständig<br />

in Bewegung, später lernen sie krabbeln<br />

und gehen. Kinder hüpfen und<br />

springen gerne – solche Bewegungen<br />

sind gut für den Knochenaufbau.<br />

Erwachsene sind leider weniger diszipliniert,<br />

sitzen viel und lange – das<br />

motiviert das Skelett wenig, für einen<br />

gesunden Knochenerhalt zu sorgen.<br />

Täglich mindestens eine halbe Stunde<br />

aktive Bewegung an der frischen<br />

Luft tut den Knochen gut, kurbelt<br />

die Eigenproduktion von Vitamin D<br />

an und kräftigt die Muskulatur.<br />

Regula Thut Borner<br />

ist dipl. Ernährungsberaterin HF und<br />

Projektleiterin Fachbereich Ernährung<br />

bei Swissmilk.<br />

ernaehrungsberatung@swissmilk.ch<br />

www.swissmilk.ch<br />

Milch beugt vor<br />

Milchgegner führen immer wieder an, dass<br />

Milch nicht vor Osteoporose schütze und<br />

deshalb darauf verzichtet werden könne.<br />

Milch beziehungsweise das Kalzium<br />

aus der Milch schützt tatsächlich nicht<br />

vor Osteoporose. Osteoporose ist eine<br />

Krankheit und Milch ein Grundnahrungsmittel,<br />

kein Medikament. Die eigentliche<br />

Bedeutung von Kalzium liegt in der Prävention.<br />

Wer von Kindheit an ausreichend<br />

davon zu sich nimmt, mineralisiert seine<br />

Knochen optimal. Es ist deshalb richtig, zu<br />

sagen, dass Milch und Milchprodukte den<br />

Aufbau und Erhalt von Knochenmasse und<br />

Knochendichte unterstützen.<br />

Gut zu wissen<br />

➢Kochen und essen Sie vielseitig,<br />

abwechslungsreich und ausgewogen.<br />

➢Bereits drei Portionen Milch und Milchprodukte<br />

liefern ausreichend Kalzium.<br />

➢Verwenden Sie für sich und Ihre Familie<br />

in der lichtarmen Zeit ein Vitamin-D-<br />

Präparat. In der Apotheke kann man Sie<br />

bei der Auswahl beraten.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>77


Digital & Medial<br />

«Du willst WAS spielen?»<br />

Eine Game-Genre Übersicht für Eltern<br />

Wenn sich das Kind ein Computerspiel wünscht, wird vielen Eltern häufig klar, dass sie<br />

von dem sehr breiten Themengebiet Games wenig Ahnung haben. Wir haben für Sie<br />

einen Überblick über die wichtigsten Genres erstellt. Text: Stephan Petersen<br />

In der Frühzeit der Computerspiele<br />

– also vermutlich in der<br />

Jugend der meisten Eltern –<br />

dominierte ein einziges Genre<br />

den Markt: das Arcadespiel.<br />

In Klassikern wie Pac-Man<br />

oder Donkey Kong ging der Spieler<br />

auf Punktejagd. Mit fortschreitender<br />

Technik wurden Computerspiele<br />

dann vielfältiger und abwechslungsreicher,<br />

neue Genres entstanden.<br />

Eine allgemeingültige Genredefinition<br />

gibt es nicht, es kommt<br />

immer wieder zu Überschneidungen<br />

und Mischgenres. Zudem be -<br />

steht jedes Genre aus mehreren<br />

Unterkatego rien. Die hier aufgeführte<br />

Einordnung gibt einen Überblick<br />

über die wichtigsten Spielkategorien,<br />

ihre Unterschiede und ihre<br />

Zielgruppe. Am Ende der Genres<br />

stehen Beispiele mit der jeweiligen<br />

Altersempfehlung von PEGI.<br />

Action<br />

Bei Actionspielen sind vor allem<br />

Re aktionsschnelligkeit und Geschicklichkeit<br />

gefordert. Meistens<br />

lenkt der Spieler eine Figur oder ein<br />

Fahrzeug und muss sich gegen Gegner<br />

behaupten. Diese variieren in<br />

den unterschiedlichen Levels und<br />

erfordern verschiedene Taktiken.<br />

Oftmals wartet am Levelende ein<br />

«Bossgegner», also ein sehr schwer<br />

zu besiegender Gegner.<br />

Das Action-Genre umfasst<br />

höchst unterschiedliche Untergenres.<br />

So besiegt der Spieler in Shoo-<br />

tern und Shoot'em ups seine Gegner<br />

mit Schusswaffen, während sich in<br />

einem Beat'em up, auch «Prügelspiel»<br />

genannt, Kontrahenten in<br />

einer Art Arena im Nahkampf attackieren.<br />

Wenn in der Vergangenheit<br />

über Gewalt in Computerspielen<br />

diskutiert wurde, dienten fast immer<br />

die Shooter als Negativbeispiel. Der<br />

Gewaltgrad ist insbesondere in Ego-<br />

Shootern hoch, so dass viele Titel<br />

erst ab 18 empfohlen sind.<br />

Ein anderes Untergenre sind die<br />

Jump'n Runs, bei denen man mit der<br />

Spielfigur Hindernisse durch akrobatische<br />

Sprünge überwindet und<br />

virtuelle Punkte sammelt. Jump'n<br />

Runs sind im Kern kindgerechte<br />

Spiele mit fantasievollen Welten und<br />

skurrilen Figuren. Der Gewaltgrad,<br />

wenn überhaupt vorhanden, ist<br />

meistens sehr abstrakt.<br />

Beispiele: Super Smash Bros. (Beat'<br />

em up, ab 12), Unravel (Jump'n Run,<br />

ab 7), Splatoon (Shooter, ab 7).<br />

Für wen geeignet? Prinzipiell: für<br />

Jugendliche mit sehr schnellen Daumen<br />

und ausgeglichenem Ge müt. Da<br />

sich ein harmloses Jump'n-Run-Spiel<br />

ganz grundsätzlich von einem blutigen<br />

Shooter unterscheidet, gilt: Bei<br />

Action-Spielen genau hinsehen und<br />

PEGI- oder USK-Hinweise unbedingt<br />

beachten. Wenn sich die Angaben der<br />

Siegel unterscheiden, lieber auf die<br />

strengere Empfehlung vertrauen. Am<br />

besten vorher mal selbst Probe spielen<br />

und nachfragen, was dem Kind daran<br />

gefällt.<br />

Gerade bei Actionspielen sind<br />

die Unterschiede riesig. Also<br />

genau hinsehen und am besten<br />

selbst Probe spielen.<br />

Strategie<br />

In diesem Genre sind taktisches und<br />

strategisches Geschick gefragt. In<br />

Runden- und Echtzeitstrategiespielen<br />

steuert man Einheiten und versucht,<br />

die des Gegners zu schlagen. Häufig<br />

kommt hierbei das Schere-Stein-<br />

Papier-Prinzip zur Anwendung, so<br />

dass es keine übermächtigen Einheiten<br />

gibt. Die Spannbreite reicht von<br />

fantasyartigen bis hin zu historischen<br />

und für Kinder bedenklichen<br />

Themen wie etwa dem Zweiten<br />

Weltkrieg.<br />

Friedlicher geht es meist im<br />

Aufbauspiel zu. Hier lenkt der Spieler<br />

etwa die Geschicke eines mittelalterlichen<br />

Dorfes oder einer Stadt.<br />

Er errichtet Gebäude und sieht sich<br />

mit verschiedenen Problemen konfrontiert,<br />

die es zu lösen gilt – zum<br />

Beispiel wenn bestimmte Waren im<br />

Dorf plötzlich knapp werden und<br />

die Bewohner nicht hungern sollen.<br />

Beispiele: Toy Soldiers (Echzeitstrategie,<br />

ab 12), Anno 2205 (Aufbaustrategie,<br />

ab 7), Tropico 5 (Aufbaustrategie,<br />

ab 16).<br />

Für wen geeignet? Jugendliche mit<br />

Zeit und Geduld. Meistens gefallen<br />

diese Games Eltern gut, weil die Kin-<br />

78 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Bild: Mikael Svensson / Johner / Plainpicture<br />

der ganz nebenbei vorausschauendes<br />

Denken trainieren.<br />

Abenteuer<br />

Abenteuerspiele waren die ersten<br />

Games, die komplexe Geschichten<br />

erzählten. Auch heute noch liegt der<br />

Fokus auf der Geschichte. Im Untergenre<br />

der Adventures löst der Spieler<br />

Rätsel, indem er Objekte der Spielumgebung<br />

miteinander kombiniert<br />

und diese in der dafür vorgesehenen<br />

Weise einsetzt. Beispielsweise benötigt<br />

man für eine verschlossene Tür<br />

einen Schlüssel, der jedoch von einer<br />

Spielfigur bewacht wird. Diese muss<br />

zunächst abgelenkt werden.<br />

In Rollenspielen absolviert der<br />

Spieler Kämpfe und Aufgaben, die<br />

sogenannten Quests, in einer meist<br />

grossen Spielwelt. Durch Erfolge<br />

sammelt die Spielfigur Erfahrungspunkte,<br />

die in besondere Fähigkeiten<br />

und Talente investiert werden.<br />

Die Entscheidungen des Spielers<br />

haben also Einfluss auf die Spielwelt<br />

und dessen Charaktere, und so ist<br />

jede Spielrunde unterschiedlich. Ein<br />

weiteres Untergenre sind die Action-<br />

Adventures. Diese zeichnen sich<br />

meist durch einen unterschiedlich<br />

hohen Grad an Action-Anteilen<br />

(z. B. Springen und Schiessen) sowie<br />

an Rätseln aus.<br />

Beispiele: Deponia Doomsday<br />

(Adventure, ab 12), LEGO Star Wars<br />

– Das Erwachen der Macht (Action-<br />

Adventure, ab 7), Day of the Tenta cle<br />

Remastered (Adventure, ab 7).<br />

Für wen geeignet? Für kleine Perfektionisten,<br />

die ihre Figur zur stärksten,<br />

schönsten und schlausten werden<br />

lassen wollen – koste es so viel (Zeit),<br />

wie es wolle. Adventurs trainieren<br />

Geduld und Kombinationsgabe.<br />

Auch bei Abenteuer-Games sollten<br />

Eltern wieder darauf achten, ob und<br />

wie Gewalt dargestellt wird – die<br />

PEGI-Empfehlung hilft dabei.<br />

Sport<br />

Wie der Name schon nahelegt, kann<br />

der Spieler in diesem Genre virtuellen<br />

Sport ausüben. Von Fussball über<br />

Leichtathletik und Tennis bis hin zu<br />

Trendsportarten wie Skateboarden<br />

ist fast für jeden Sportgeschmack<br />

etwas dabei. Insbesondere Ballsportarten<br />

sind sehr häufig anzutreffen.<br />

Meist werden die Spielfiguren<br />

mit einem klassischen Controller<br />

gesteuert. Seit der Etablierung der<br />

Bewegungssteuerung gibt es auch<br />

Sportspiele, in denen der Spieler<br />

selbst aktiv wird und seine Figur<br />

mittels einer Kamera und eines<br />

Bewegungscontrollers lenkt. Bei<br />

manchen Spielen und Konsolen<br />

bleiben die Hände sogar komplett<br />

frei. Neben kurzweiligen Spassspielen<br />

gibt es auch ganze Fitnessprogramme.<br />

Beispiele: FIFA 17 (Fussball, ab 3),<br />

Mario & Sonic bei den Olympischen<br />

Spielen (diverse Sportarten, ab 7),<br />

Kinect Sports Rivals (diverse Sportarten,<br />

ab 12) >>><br />

Strategiespiele gefallen<br />

Eltern meist reicht gut. Denn<br />

hier lernen die Kinder<br />

vorauschauendes Denken.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>79


Digital & Medial<br />

Der Nachteil von Lernspielen?<br />

Die finden oft nur die Eltern<br />

richtig gut.<br />

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>>> Für wen geeignet? Sportspiele<br />

gehören zu den unbedenklichsten<br />

Games und sind auch schon oft für<br />

sehr junge Spieler freigegeben. Sie<br />

können mit Freunden gespielt werden.<br />

So wird das Rumzappeln vor<br />

dem Bildschirm zum Gemeinschaftserlebnis<br />

oder zum kleinenWettkampf.<br />

Simulation<br />

Dieses Genre umfasst eine grosse<br />

Bandbreite an Games. So lenkt der<br />

Spieler zum Beispiel in einer Flugsimulation<br />

selbst Flugzeuge. Kennzeichnend<br />

für Simulationen ist ein<br />

meist hoher Grad an Realismus<br />

unter Berücksichtigung von physikalischen<br />

Gesetzen und technischen<br />

Weil Kinder<br />

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Lieferung<br />

Gegebenheiten. In einer Marinesimulation<br />

übernimmt der Spieler<br />

das Kommando über ein Schiff oder<br />

ein U-Boot, in einer Rennsimulation<br />

sitzt man hingegen hinter dem Lenkrad<br />

eines Autos. Während sich viele<br />

Spiele dieses Genres mit der authentischen<br />

Simulierung von – oft militärischen<br />

– Fahrzeugen beschäftigen,<br />

gibt es jedoch auch ganz andere<br />

Simulation-Games: Die Lebenssimulation<br />

simuliert den Zyklus eines<br />

Lebewesens. Ein bekanntes Beispiel<br />

hierfür ist die Reihe Sims. Sehr<br />

beliebt sind aktuell auch die Landwirtschaftssimulationen,<br />

in denen<br />

der Spieler den Alltag auf einem<br />

Bauernhof meistert.<br />

Beispiele: Die Sims 3 (Lebenssimulation,<br />

ab 12), Landwirtschafts-Simulator<br />

17 (ab 3), Euro Truck Simulator<br />

2: Titanium Edition (LKW-Simulation,<br />

ab 3).<br />

Für wen geeignet? Für Mädchen und<br />

Jungen, die später am Steuer eines<br />

Flugzeugs, Schiffes oder Rennwagens<br />

sitzen und schon einmal üben möchten.<br />

Und für Stadtkinder, die von<br />

einem eigenen Bauernhof träumen.<br />

Vorsicht ist bei Lebenssimulationen<br />

bei Kindern, die leicht den Bezug zur<br />

Realität verlieren, geboten.<br />

Casuals und Lernspiele<br />

Unter Casuals versteht man Games,<br />

die eher simpel aufgebaut sind und<br />

sich somit auch für Gelegenheitsspieler<br />

eignen, die vielleicht zum<br />

ersten Mal einen Controller in die<br />

Hand nehmen. Das Angebot ist hier<br />

sehr vielfältig und reicht von Quizund<br />

Partyspielen bis zu Tanz- oder<br />

Karaokespielen. Auch die am Computer<br />

beliebten Karten- und Puzzlespiele<br />

gehören dazu. Während die<br />

Casual-Games dem kurzweiligen<br />

Zeitvertreib dienen, haben Lernspiele<br />

eine andere Zielsetzung: Sie wollen<br />

Wissen zu bestimmten Themen spielerisch<br />

vermitteln. Je nach Qualität<br />

funktioniert das sehr gut, so dass<br />

Lernspiele heutzutage auch in einigen<br />

Kindergärten und Schulen eingesetzt<br />

werden.<br />

Beispiele: Professor Layton und die<br />

Maske der Wunder (Lernspiel, ab 7),<br />

Singstar Ultimate Party (Karaoke,<br />

ab 12), Just Dance <strong>2016</strong> (Tanzspiel,<br />

ohne Altersbeschränkung).<br />

Für wen geeignet? Casual-Games<br />

sind in Familien selten ein Streitpunkt,<br />

weil Eltern sie kennen oder<br />

selbst spielen. Lernspiele gefallen<br />

Erwachsenen oft besser als ihren Kindern.<br />

Kinder wollen eben zweckfrei<br />

spielen.<br />

>>><br />

Stephan Petersen<br />

Menu and More AG<br />

Sihlquai 340<br />

8005 Zürich<br />

Tel. 044 448 26 <strong>11</strong><br />

www.menuandmore.ch<br />

ist studierter Historiker und freier Journalist.<br />

Zu seinen Themen gehören unter anderem<br />

Videospiele und Familie. Als Vater zweier<br />

technikaffiner Kinder im Alter von sechs und<br />

zehn Jahren sieht er sich täglich mit den<br />

Verlockungen und Herausforderungen der<br />

neuen Medien konfrontiert.<br />

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Mediennutzung –<br />

reflektiert und geübt<br />

Immer mehr Schulen ziehen für die<br />

Medienbildung externe Fachkräfte bei. Pro<br />

Juventute, zischtig.ch oder die Polizei bieten<br />

Unterrichtseinheiten an, und Swisscom gibt<br />

Medienkurse. Ein Einblick. Text: Michael In Albon<br />

Bild: Swisscom<br />

Zwölf- bis Neunzehnjährige<br />

in der Schweiz nutzen<br />

Medien durchschnittlich<br />

während<br />

zwei Stunden und fünf<br />

Minuten pro Tag. Zwei Stunden sind<br />

es auch bei den Siebtklässlern der<br />

Schule Frenkendorf. Das wissen sie<br />

so genau, weil sie sich während einer<br />

Projektwoche intensiv mit digitalen<br />

Medien auseinandersetzen. Die<br />

eigene Smartphone-Nutzung zu<br />

reflektieren und zu messen, gehört<br />

dazu.<br />

An diesem Freitagvormittag stehen<br />

nun vier Stunden Unterricht mit<br />

zwei externen Experten auf dem<br />

Stundenplan. Die beiden Kursleiter<br />

der Swisscom-Medienbildung interessieren<br />

sich zuerst einmal dafür,<br />

was die Jugendlichen mit ihren<br />

Smartphones tun. «Kommunizieren<br />

mit WhatsApp und Snapchat. Bilder<br />

ablegen auf Instagram. Suchen mit<br />

Google. Videos schauen auf YouTube<br />

und Filmlisten mit Playtube anlegen»,<br />

lauten die Antworten. Diese<br />

wären wohl in jeder x-beliebigen<br />

Schweizer Klasse ähnlich ausgefallen.<br />

Im Verlauf des Morgens erstellen<br />

die Schülerinnen und Schüler untereinander<br />

kurze Videointerviews mit<br />

ihren Handys zu den Chancen und<br />

Gefahren von Smartphones. Beeindruckende<br />

Interviews. Diese Ju-<br />

gendlichen nutzen ihr Smartphone<br />

wohlüberlegt.<br />

Was kommt auf uns zu?<br />

Nach den realen Chancen und Gefahren<br />

des Alltags gehen die beiden<br />

Experten zur Zukunft über. Sie zeigen<br />

den Schülerinnen und Schülern<br />

«intelligente digitale Helfer», die es<br />

in naher Zukunft wohl geben wird.<br />

Die Schüler müssen sich überlegen:<br />

«Finde ich das gut oder nicht?», und<br />

ihre Antworten begründen. Auch<br />

hier zeigt die Klasse Geschick und<br />

ein Bewusstsein dafür, was hilfreich<br />

ist beziehungsweise wo Probleme<br />

auftreten könnten.<br />

In einer weiteren Sequenz schauen<br />

sich die Schüler einige Kurzfilme<br />

an und analysieren sie anschliessend:<br />

Welcher Ton wird eingesetzt,<br />

welche Musik? Wie ist die Kameraeinstellung?<br />

Wie sind die Bilder<br />

farblich komponiert? Wie wurde der<br />

Film geschnitten? Und welche Wirkung<br />

wird damit erzielt? Mit diesem<br />

Wissen vergleichen sie danach einen<br />

Informationsbeitrag und einen Werbeclip.<br />

Sie erkennen nun genau, welche<br />

filmischen Mittel zu welchem<br />

Zweck eingesetzt werden.<br />

Zum Schluss folgt eine Einheit zu<br />

den Themen Persönlichkeitsrecht,<br />

Urheberrecht und Quellenangaben.<br />

Vor allem bei den Quellenangaben<br />

wollen es die Jugendlichen genau<br />

wissen. Etwa: «Muss ich einen Beitrag<br />

kennzeichnen, den ich umformuliere<br />

– mit eigenen Worten?»<br />

Und erfahren von den Experten:<br />

«Wenn du den Inhalt unverändert<br />

belässt, also nicht mit eigenen Ideen<br />

ergänzt, und nur die Worte neu<br />

wählst, musst du die Quelle nennen.»<br />

Alle erarbeiteten Inhalte halten<br />

die Experten auf einem Klassenplakat<br />

fest. Dieses bleibt im Schulzimmer<br />

hängen, damit der Klassenlehrer,<br />

Raffael Segna, immer wieder<br />

darauf zurückgreifen und das Ge -<br />

lernte mit der Klasse weiter vertiefen<br />

kann. «Der Start mithilfe der externen<br />

Profis ist gelungen.»<br />

Michael In Albon<br />

ist Jugendmedienschutz-Beauftragter<br />

und Medienkompetenz-Experte von<br />

Swisscom.<br />

facebook.com/michaelinalbon<br />

twitter.com/MichaelInAlbon<br />

Auf Medienstark finden Sie Tipps und interaktive<br />

Lernmodule für den kompetenten Umgang mit<br />

digitalen Medien im Familienalltag.<br />

swisscom.ch/medienstark<br />

82 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

DER SCHULWEG<br />

IST DER WEG<br />

AUS DER ARMUT.<br />

Mit CHF 20.– schicken Sie ein Kind<br />

im tibetischen Hochland oder in Nepal<br />

einen Monat lang in die Schule.<br />

JETZT GLEICH<br />

PER SMS SPENDEN:<br />

ROKPA und Betrag (Zahl bis 99)<br />

an Nummer 488<br />

(Beispiel: ROKPA 20)<br />

Mehr Das Schweizer Infos ElternMagazin unter Fritz+Fränzi www.rokpa.org<br />

November <strong>2016</strong>83


«Die Facebook-Gesellschaft vernichtet die Gegenwart, indem sie sie permanent<br />

festhält … Der Mitteilungsdrang verhindert, dass die Gegenwart<br />

tatsächlich wahrgenommen wird … Man fällt im Grunde aus der Zeit,<br />

und zwar nicht obwohl, sondern weil man diese permanent festhält.»<br />

Medien- und Kulturwissenschaftler Roberto Simanowski in seinem Buch<br />

«Facebook-Gesellschaft», Matthes & Seitz, <strong>2016</strong>, 238 Seiten, Fr. 17.90<br />

Eine kleine<br />

Philosophie<br />

der Macht<br />

Politiker sind korrupt, und auf<br />

dem Schulhof regiert der Stärkste –<br />

ist Macht also etwas Schlimmes?<br />

Oder doch etwas, nach dem man<br />

streben sollte, weil nur der Stärkere<br />

gewinnt? Der Pariser Autor<br />

Jean-Baptiste Hennequin greift<br />

zu einem umstrittenen philosophischen<br />

Buch über die Macht: Ma -<br />

chia vellis «Der Fürst», und übersetzt<br />

dessen Aussagen für seinen<br />

pubertierenden Sohn in die heutige<br />

Sprache. Herausgekommen ist<br />

ein sehr kluges Buch über Wahrheit,<br />

Lüge und Manipulation. Und<br />

ganz galant zeigt der Autor noch<br />

nebenbei, wie wichtig all die Dinge<br />

sind, die man nur aus Büchern,<br />

nicht aber in Smartphone-Games<br />

lernt. Für ältere Teenager, die die<br />

Welt verstehen möchten.<br />

Jean-Baptiste Hennequin:<br />

Machiavelli für meinen Sohn.<br />

Beltz, <strong>2016</strong>. 164 Seiten, Fr. 21.90<br />

Smartphone,<br />

Smartphone in der<br />

Hand, wer ist der<br />

Grösste …<br />

Mit der App Child-Growth können Eltern den<br />

Verlauf von Grösse, Gewicht und Body-Mass-<br />

Index (BMI) ihres Kindes verfolgen. Dank<br />

der hinterlegten Normwerte ist sofort<br />

ersichtlich, ob sich das Kind richtig entwickelt.<br />

Ein ungewöhnliches Wachstum könnte<br />

Anzeichen einer chronischen Erkrankung sein.<br />

Und mit der App hat man auch die Daten<br />

beim Kinderarzt gleich mit dabei. Das<br />

Pädiatrisch-Endokrinologische Zentrum<br />

Zürich (PEZZ) hat seine App Child-Growth in<br />

einer neuen, völlig überarbeiteten Version<br />

herausgebracht. Die App zeigt den Verlauf von<br />

Grösse, Gewicht und BMI über einen<br />

gewählten Zeitraum und vergleicht diese<br />

Werte mit jenen von gleichaltrigen Schweizer<br />

Kindern. Child-Growth ist gratis erhältlich<br />

und läuft unter iOS 8 sowie Android 4 und<br />

höher. Neben Deutsch existiert die App neu<br />

auch in Französisch und Englisch.<br />

www.pezz.ch > Apps<br />

Meine Freundin<br />

aus Syrien<br />

«Die Aisha ist immer zu spät und kommt<br />

immer mit ihrem Bruder, das ist bei denen<br />

so.» Dem beliebten deutschen<br />

Kinderbuchautor Paul Maar gelingt mit<br />

diesem Hörbuch ein kleines Kunststück:<br />

Er erzählt die Geschichte einer liebevollen<br />

Mädchenfreundschaft zwischen einem<br />

deutschen Mädchen und einem syrischen<br />

Flüchtlingsmädchen, ohne dabei Streit<br />

und Schwierigkeiten zu verschweigen,<br />

welche die beiden wegen der kulturellen<br />

Unterschiede haben. Schriftsteller<br />

Maar hat seine Geschichte aus den 80ern<br />

der heutigen Asylproblematik angepasst<br />

und kindgerecht aufgearbeitet. Die<br />

Sprecherin Natalia Wörner liest<br />

unaufgeregt und doch einfühlsam. Ein<br />

sehr schönes Hörbuch für Kinder ab<br />

sieben Jahren.<br />

Paul Maar: Neben mir ist noch Platz. Oetinger<br />

Audio, <strong>2016</strong>. 27 Minuten Spielzeit, Fr. 15.90<br />

als CD oder Fr. <strong>11</strong>.40 als Download<br />

Bilder: ZVG<br />

84 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Digital & Medial<br />

Wenn Worte kostbar sind<br />

Paul und Marie leben in einer Welt, in der Wörter ein kostbares Gut sind. Sie<br />

werden in der Wörterfabrik hergestellt und dann verkauft. Besondere Wörter sind<br />

teuer, bedeutungslose werden im Sonderangebot verscherbelt. Der kleine Paul<br />

ist arm und hat sich drei Wörter für einen ganz besonderen Moment aufgespart<br />

... Die grosse Wörterfabrik ist eine liebevoll erzählte Kinderbuch-App für<br />

iPads, iPhones und Android-Geräte, in der man sich spielerisch mit Sprache und<br />

Schrift beschäftigt. Man verbindet Silben oder ordnet Wörter bestimmten<br />

Sprachen zu – die App gibt es nämlich auf Deutsch, Englisch und Französisch.<br />

Besonders süss ist der Teil, in dem man durch Neigen des Geräts Wörter<br />

einfangen muss. Eine schöne Kinderbuch-<br />

App mit Lerneffekt, besonderen Illustrationen<br />

und einer authentischen,<br />

humorvollen Erzählstimme.<br />

Und sogar an selten gewordene<br />

Begriffe wie Firlefanz oder<br />

Bandsalat wurde gedacht.<br />

Für Primarschüler geeignet,<br />

Kostenpunkt: etwa drei<br />

Franken.<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und sehen Sie Szenen<br />

aus der Kinderbuch-<br />

App.<br />

www.diewoerterfabrik.de<br />

Diese Rezension wird mit freundlicher Genehmigung von<br />

www.enemenemobile.de veröffentlicht, der Webseite für<br />

Kinder-App-Rezensionen aus Berlin.<br />

SWISS CARD<br />

NAILCARE<br />

13 Functions, Swiss Made<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi November <strong>2016</strong>85<br />

MAKERS OF THE ORIGINAL SWISS ARMY KNIFE | ESTABLISHED 1884


Unser Wochenende …<br />

in Innerschwyz<br />

Arth<br />

Lauerzersee<br />

Vierwaldstättersee<br />

Pfäffikon<br />

E41<br />

Brunnen<br />

Morschach<br />

Flüelen<br />

Sattel<br />

Gut zu wissen …<br />

Hochstuckli<br />

Kleiner Mythen<br />

Grosser Mythen<br />

Schwyz<br />

Fronalpstock<br />

Stoos<br />

Mythenregion<br />

Muotathal<br />

… In Innerschwyz finden Sie kleine bis mittlere, überschaubare<br />

Familienwintersportorte mit einem umfassenden Familienangebot<br />

für kleine bis mittlere Budgets. Dank der zentralen<br />

Lage sind sie aus der ganzen Deutschschweiz relativ schnell<br />

erreichbar. Wintersaisonbeginn: Anfang bis Mitte Dezember.<br />

www.schwyz-tourismus.ch<br />

Erleben …<br />

… Kinderskiparks mit allem, was Ihre Familie begehrt, und<br />

mit Schweizer Skischulen finden Sie in den Destinationen<br />

Mythenregion (Skischule Einsiedeln), Stoos und Sattel-<br />

Hochstuckli. Letztere beiden bieten ausserdem Förderbänder<br />

für die Kleinsten. Auf dem Sattel lernen Ihre Kinder in<br />

Rondos Kinderwelt mit einem Zaubertunnel schnell und<br />

mit Spass Ski fahren.<br />

www.stoos-muotatal.ch, www.sattel-hochstuckli.ch,<br />

www.mythenregion.ch, www.skischule-einsiedeln.ch<br />

… Grössere Kinder und Jugendliche mit einer Vorliebe fürs<br />

Freestylen kommen in der Mythenregion und auf dem Stoos<br />

auf ihre Rechnung. Der Mythenpark liegt zwischen Grossenboden<br />

und Brünnelistock in einem abwechslungsreichen<br />

Gelände und ist auch für Anfänger geeignet. Für jedes Alter ist<br />

auch der Snowpark Shredisfaction Stoos beim Skilift<br />

Holibrig angelegt.<br />

www.mythenpark.ch<br />

Snowpark-App oder www.shredisfaction.ch<br />

… Und auch Schlittler kommen nicht zu kurz: 2 Kilometer in<br />

Stoos, 3,5 Kilometer in Sattel-Hochstuckli (rasante Pisten bis<br />

zu herrlichen Schlittelwanderwegen) oder 1,3 Kilometer in<br />

Grossenboden-Handgruobi. In diesen drei Gebieten sind an<br />

bestimmten Tagen die Pisten fürs Nachtschlitteln beleuchet<br />

(in Sattel-Hochstuckli gibt es auch Nachtskifahrten).<br />

Mythenregion: freitags und samstags, Abendkarte Fr. 13.– inkl.<br />

Schlittelbus von Schwyz Post nach Handgruobi; Schlittenmiete<br />

Fr. 6.– pro Abend und Schlitten.<br />

Stoos: samstags, am Sternegg-Skilift mitten im Dorf Stoos, von<br />

19.30 bis 22 Uhr. Schlittenmiete und Zubringer-Ticket zum<br />

Stoos: Erwachsene Fr. 32.–, Jugendliche (16–20 Jahre) Fr. 23.–,<br />

Kinder (6–16) Fr. 14.–.<br />

Sattel-Hochstuckli: Nachtschlitteln, samstags, Familiengaudi-<br />

Nachtkarte Fr. 60.– (für Eltern und ihre Kinder), Einzelpreis:<br />

Fr. 22.–/Person (Skifahren/Schlitteln), Schlittenmiete Fr. 8.–.<br />

Geniessen …<br />

… Aussichtsreiche Winterwander- und Schneeschuhtouren<br />

in allen drei Gebieten führen Sie durch die fantastischen<br />

Berg- und Seelandschaften der Zentralschweiz und zu<br />

zahlreichen Skihütten und Aussichtspunkten.<br />

… Zum Geniessen sind auch die urchigen und gemütlichen<br />

Pistenrestaurants und Skihütten in Nähe der Kinderwelten<br />

sowie auf und neben den Pisten. Als «Geheimtipp» gelten die<br />

«ächt SCHWYZ»-Restaurants, die authentische regionale<br />

Küche anbieten.<br />

www.aecht-schwyz.ch<br />

… Gemütlich geniessen können sie es bei einer Kutschenfahrt<br />

über knirschenden Schnee in Stoos. Etwas rasanter<br />

86 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


Service<br />

Gemütliche<br />

Kutschenfahrt auf<br />

dem Stoos,<br />

verkehrte Sicht vom<br />

Mythenpark auf den<br />

Vierwaldstättersee,<br />

stiebende Abfahrt in<br />

Sattel-Hochstruckli.<br />

Bilder: Schwyz Tourismus<br />

vorwärts geht es bei einer Schlittenfahrt mit sibirischen<br />

Huskys in Muotathal, wo Ihre Familie beim Winterwandern in<br />

der Husky Lodge das Tempo selber bestimmt.<br />

Kutschenfahrten: www.stoos-muotatal.ch > Winter > Familien<br />

Husky Lodge: www.erlebniswelt.ch<br />

Übernachten …<br />

… Der Familien-, Ferien- und Freizeitpark Swiss Holiday Park<br />

in Morschach setzt alles daran, den Bedürfnissen von<br />

Familien mit Kindern jeden Alters gerecht zu werden. Dank<br />

drei Preisstufen sind Familienferien oder Weekends erschwinglich.<br />

Neben vielen Freizeitaktivitäten für jedes Wetter<br />

profitieren Familien von zahlreichen Gratisleistungen. Der<br />

Swiss Holiday Park hat eine riesige Bäderlandschaft, einen<br />

eigenen Bauernhof und einen eigenen Skilift direkt vor der<br />

Haustür. Kinder bis und mit 15 Jahren fahren gratis mit allen<br />

Stoos-Bergbahnen und essen, wenn sie im Hotel und<br />

Mehrbettzimmer übernachten, gratis vom Kinderbuffet oder<br />

wählen aus der Teeniekarte aus; generell wird auf eine<br />

ausgewogene Ernährung geachtet. Bücher stehen kostenlos<br />

zur Verfügung, ebenso Spiele und Puzzles (gegen ein Depot<br />

von 20 Franken).<br />

Swiss Holiday Park, Dorfstrasse 10, Morschach. Preisbeispiel<br />

Familienzimmer mit Terrasse / Balkon: 2 Erwachsene ab<br />

Fr. 260.–, Kinder bis 2 Jahre Fr. 20.–, 3–6 Jahre Fr. 60.–,<br />

7–<strong>11</strong> Jahre Fr. 90.–, 12–15 Jahre Fr. 120.–.<br />

www.swissholidaypark.ch<br />

… Auch in Stoos können Sie erschwingliche Familienwinterferien<br />

verbringen. Vom Wellnesshotel zum rustikalen,<br />

modernen Familienhotel (Stoos Hüttä) bis hin zu einem<br />

grossen Angebot an Ferienwohnungen und Lagerhäusern<br />

findet man alles.<br />

Wellnesshotel Stoos, Ringstrasse 10, www.hotel-stoos.ch<br />

Stoos Hüttä, auf 1400 m ü. M. auf einem Hügel oberhalb des<br />

Dorfes Stoos, www.stooshutta.ch<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>87


Service<br />

Vielen Dank<br />

Finanzpartner<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

an die Partner und Sponsoren der Stiftung Elternsein:<br />

Hauptsponsoren<br />

Credit Suisse AG<br />

Rozalia Stiftung<br />

UBS AG<br />

Heftsponsor<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

16. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 <strong>11</strong><br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 01 01<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Business Development & Marketing<br />

Leiter: Tobias Winterberg,<br />

t.winterberg@fritzundfraenzi.ch<br />

Anzeigen<br />

Administration: Dominique Binder,<br />

d.binder@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich<br />

Korrektorat<br />

Brunner AG, Kriens<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2015)<br />

total verbreitet 103 920<br />

davon verkauft 17 206<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 68.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad pro Ausgabe Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Inhaltspartner<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg / Dachverband Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz / Verband Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter Schweiz / Jacobs Foundation / Forum<br />

Bildung / Elternnotruf / Pro Juventute /<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik<br />

Zürich / Schweizerisches Institut für Kinderund<br />

Jugendmedien<br />

Stiftungspartner<br />

Pro Familia Schweiz / Pädagogische Hochschule<br />

Zürich / Marie-Meierhofer-Institut für das Kind /<br />

Schule und Elternhaus Schweiz / Schweizerischer<br />

Verband alleinerziehender Mütter und Väter<br />

SVAMV / Kinderlobby Schweiz / kibesuisse Verband<br />

Kinderbetreuung Schweiz<br />

FAMILIEN-WINTERSPASS – NAH UND PREISWERT!<br />

Winterperlen im Kanton Schwyz – wo Kinder und Eltern sich wohlfühlen.<br />

Finden Sie Ihr passendes Angebot:<br />

www.schwyz-tourismus.ch/familie<br />

Bestellen Sie unser Magazin unter:<br />

www.schwyz-tourismus.ch/broschueren


Buchtipps<br />

Erstmals ist<br />

«Rastelli<br />

erzählt» 1935<br />

in der «NZZ»<br />

erschienen, nun<br />

liegt die<br />

Geschichte<br />

farbig illustriert<br />

als SJW-Heft vor.<br />

Der arme<br />

Peter<br />

Eine grosse<br />

Bühne, ein<br />

nervöses Kinderpublikum:<br />

Und dann<br />

geht endlich<br />

der Vorhang auf! Gespielt wird<br />

Heines Gedicht «Der arme Peter» –<br />

wimmlig und mit viel Humor ins Bild<br />

gesetzt von Peter Schössow.<br />

Hanser, 2013, Fr. 21.90,<br />

ab 5 Jahren<br />

Auch Stoffe, Motive und Texte der<br />

«grossen» Literatur lassen sich in<br />

der richtigen Aufmachung von Kindern<br />

und Jugendlichen gut verdauen.<br />

Ein Häppchen Weltliteratur<br />

Rastelli erzählt<br />

Wasserstadt –<br />

Träume, Geld und<br />

Wirklichkeit<br />

Der Schweizer<br />

Autor Franco<br />

Supino nahm<br />

Gotthelfs «Bartli,<br />

der Korber» als<br />

loses Vorbild und macht daraus einen<br />

modernen Jugendroman über<br />

zeitlose Themen wie Geld und Macht,<br />

Identität und Träume.<br />

Kwasi, 2013, Fr. 30.90,<br />

ab 14 Jahren<br />

Bilder: Anna Sommer / SJW Schweizerisches Jugendschriftenwerk, ZVG<br />

Kinder lesen Kinderbücher,<br />

Erwachsene<br />

«richtige» Literatur.<br />

So ist es doch – oder<br />

etwa nicht?<br />

Grenzen weichen: Bilderbücher<br />

werden für ein erwachsenes Publikum<br />

produziert, 12-Jährige und<br />

längst Erwachsene diskutieren die<br />

gleichen Fantasy-Romane, und<br />

natürlich dürfen auch Kinder und<br />

Jugendliche Texte lesen, die ur -<br />

sprünglich für ein erwachsenes<br />

Publikum gedacht waren.<br />

Zum Beispiel Walter Benjamins<br />

kurze Novelle «Rastelli erzählt». Im<br />

Jahr 1935 wurde die Geschichte, die<br />

von einem trickreichen Jongleur<br />

handelt, auf der Titelseite der NZZ<br />

erstmals abgedruckt. Und nun liegt<br />

sie als SJW-Heft vor, farbig illustriert,<br />

aber textlich unverändert. In<br />

ihrer Kürze eignet sie sich gut für<br />

einen Einstieg in die Weltliteratur,<br />

und über den rätselhaften Ausgang<br />

werden sich auch Jugendliche gerne<br />

die Köpfe zerbrechen.<br />

Die Papiercollagen von Anna<br />

Sommer sind dabei ein wichtiges<br />

Element: Die Aufführung des Jongleurs<br />

vor dem Sultan, seine ge -<br />

schmeidigen Bewegungen werden<br />

auf mehreren reinen Illustrationsseiten<br />

gezeigt. Text und Bild ergänzen<br />

sich und tragen gegenseitig zum<br />

Verständnis bei.<br />

Unter den Heften, die SJW seit<br />

über 80 Jahren herausgibt, sind<br />

immer auch Werke der Weltliteratur<br />

– so ausgewählt, dass die Texte ein<br />

ideales Häppchen grosse Literatur<br />

bieten.<br />

Walter<br />

Benjamin: Rastelli<br />

erzählt …<br />

SJW, <strong>2016</strong>, Fr. 5.–,<br />

ab 12 Jahren<br />

Nathan und seine<br />

Kinder<br />

Lessings Drama<br />

«Nathan der<br />

Weise» ist auch<br />

nach über 200<br />

Jahren vielleicht<br />

aktueller denn je.<br />

Mirjam Pressler hat das Stück als<br />

beeindruckenden Roman für Jugendliche<br />

aufbereitet.<br />

Beltz & Gelberg, 2008, Fr. 14.90,<br />

ab 14 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM.<br />

Auf www.sikjm.ch sind weitere<br />

Buchempfehlungen zu finden.<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

November <strong>2016</strong>89


Eine Frage – drei Meinungen<br />

Unsere Tochter, 14, trifft sich jeden Samstag mit ihren Freundinnen<br />

in der Stadt, um Jungs kennenzulernen. Ohne High Heels, Minirock und<br />

Make-up geht das nicht. Unserer Meinung nach ein bisschen zu viel<br />

des Guten – sie sieht mitunter ziemlich billig aus. Was sollen wir tun?<br />

Karin, 45, Bern<br />

Nicole Althaus<br />

Hmm. Wer hat Ihrer Tochter<br />

denn die High Heels und den<br />

Minirock gekauft? Bekommt<br />

sie so viel Sackgeld? Oder sah<br />

das Outfit in der Garderobe<br />

in ihren Augen weniger billig<br />

aus? Eltern haben bei den<br />

Kleidern mitzureden, zumindest<br />

solange sie sie finanzieren.<br />

Doch vergessen Sie nicht: Teenager brauchen die<br />

Freiheit, sich auszuprobieren, mit ihrer Weiblichkeit zu<br />

spielen. Das sieht für jede Elterngeneration zuweilen<br />

billig aus.<br />

Tonia von Gunten<br />

Sagen Sie Ihrer Tochter, was<br />

Sie von ihren Ausgeh-Klamotten<br />

halten. Kaufen Sie ihr<br />

Jeans, T-Shirt, Pulli, Jacke,<br />

gute Schuhe sowie Sportklamotten.<br />

Unternehmen Sie in<br />

Zukunft jeden zweiten Samstag<br />

etwas zusammen. Als<br />

Familie, mit oder auch ohne<br />

die Freundinnen. Bieten Sie zum billigen Aussehen ein<br />

neues Kontrastprogramm!<br />

Peter Schneider<br />

Sie könnten ihr ein Paar Louboutins,<br />

einen Minirock von<br />

Prada und einen dezenten<br />

Lippenstift von Dior schenken<br />

– und schon wird Ihr<br />

Töchterchen viel, viel teurer<br />

aussehen. Aber das ist vermutlich<br />

nicht das Gegenteil<br />

von dem, was sie mit «billig»<br />

meinen. Wenn Sie Ihrer Tochter mitteilen, dass sie in<br />

ihrem Outfit aussieht wie die 13-jährige Jodie Foster in<br />

«Taxi Driver», wird sie Sie vermutlich nur verständnislos<br />

anschauen. Erstens weil sie nicht weiss, wer Jodie<br />

Foster ist und was das mit Taxifahren zu tun hat; zweitens<br />

weil solche pubertäre Hypersexualisierung nur<br />

funktioniert, solange die Pubertierenden nicht wissen,<br />

was sie tun. Sparen Sie sich also Grundsatzdebatten<br />

und machen Sie allenfalls einen brauchbaren Vorschlag<br />

zu einem etwas weniger billigen Styling.<br />

Nicole Althaus, 47, ist Kolumnistin, Autorin und<br />

Mitglied der Chefredaktion der «NZZ am Sonntag».<br />

Zuvor war sie Chefredaktorin von «wir eltern» und<br />

hat den Mamablog auf «Tagesanzeiger.ch» initiiert<br />

und geleitet. Nicole Althaus ist Mutter von zwei<br />

Kindern, 16 und 12.<br />

Tonia von Gunten, 42, ist Elterncoach, Pädagogin<br />

und Buchautorin. Sie leitet elternpower.ch, ein<br />

Programm, das frische Energie in die Familien<br />

bringen und Eltern in ihrer Beziehungskompetenz<br />

stärken möchte. Tonia von Gunten ist verheiratet<br />

und Mutter von zwei Kindern, 9 und 6.<br />

Peter Schneider, 58, ist praktizierender<br />

Psychoanalytiker, Autor und SRF-Satiriker («Die<br />

andere Presseschau»). Er lehrt als Privatdozent<br />

für klinische Psychologie an der Uni Zürich und<br />

ist Professor für Entwicklungspsychologie an<br />

der Uni Bremen. Peter Schneider ist Vater eines<br />

erwachsenen Sohnes.<br />

Haben Sie auch eine Frage?<br />

Schreiben Sie eine E-Mail an:<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Bilder: Anne Gabriel-Jürgens / 13 Photo, Pino Stranieri, HO<br />

90 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi


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