11/2016
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Dossier<br />
>>> ist es aufgegangen mit diesem<br />
Miteinander von Beruf und Familie.<br />
Kommt hinzu, dass Arbeit ohnehin<br />
etwas für das Volk war und nicht für<br />
die Elite, die ja bis heute nicht arbeitet.<br />
Wohlhabende lassen arbeiten, sie<br />
delegieren. Sie können es sich auch<br />
problemlos leisten, eine hohe Anzahl<br />
Kinder zu haben. Trotzdem stellen<br />
sie immer noch die Wächter des Systems<br />
dar, indem sie verlangen, dass<br />
Menschen, die auf Erwerbstätigkeit<br />
angewiesen sind, immer mehr arbeiten.<br />
Zudem zählt die weibliche Arbeitskraft<br />
nach wie vor nicht so viel wie die<br />
männliche ...<br />
Wo Frauen arbeiten, wird weniger<br />
verdient. Frauen sind zumeist in<br />
«zu arbeitenden» Berufen, als Verkäuferinnen,<br />
Coiffeusen und Assistentinnen,<br />
beschäftigt – also im<br />
Niedriglohnsektor. Dringen sie in<br />
Berufe vor, die vorher in Männerhand<br />
waren, wie etwa das Lehramt,<br />
die Psychologie oder die Medizin,<br />
verlieren diese Berufe an Prestige<br />
und das Lohnniveau sinkt.<br />
Die Wirtschaft ist also der Feind der<br />
Familien.<br />
Lange sind wir dem Irrglauben aufgesessen,<br />
dass Arbeit befreien soll.<br />
Das hat sich mittlerweile als ein riesiger<br />
Irrtum herausgestellt. Die<br />
Belastungsszenarien zeigen, dass<br />
neben niedrigem Verdienst die ge <br />
sundheitlichen Probleme zunehmen.<br />
«Dringen Frauen<br />
in Männerberufe<br />
vor, sinkt sofort<br />
das Lohnniveau.»<br />
Es ist ein neues Phänomen, dass in<br />
Amerika die Todesrate der weissen<br />
Frauen im Alter zwischen 30 und 50<br />
Jahren steigt – also just in der Zeit,<br />
wenn sie Kinder und Beruf unter<br />
einen Hut bringen müssen.<br />
«Die Arbeitswelt<br />
hat sich<br />
brutalisiert, fordert<br />
immer mehr.»<br />
Doch die meisten von uns sind auf<br />
Arbeit angewiesen. Was tun?<br />
Eine Lösung wäre, wenn sich auch<br />
Männer mitbefreien und sich sowohl<br />
in der Kinderbetreuung als auch im<br />
Haushalt engagieren würden. Doch<br />
das passiert nicht. Männer arbeiten<br />
nach wie vor Vollzeit und zementieren<br />
damit dieses Ungleichgewicht.<br />
Sie unterwerfen sich dem neoliberalen<br />
System, weil sie glauben, das sei<br />
normal.<br />
Deshalb leiden vor allem Familien<br />
unter diesen Umständen. Sie haben<br />
wenig Zeit für ihre Kinder und kaum<br />
mehr Energie. Weshalb kommt kaum<br />
Kritik aus ihren Reihen?<br />
Diejenigen, die im System sind, werden<br />
es nicht kritisieren, im Gegenteil:<br />
Sie verteidigen ihre Lebensweise.<br />
Aber innerhalb des Systems wird<br />
es nie eine Lösung geben, denn es<br />
geht immer um Macht und Geld. Das<br />
widerspricht natürlich allen Bedürfnissen<br />
nach Empathie und Sicherheit<br />
in einem Familienleben. Daher<br />
müsste man den jungen Frauen<br />
sagen: Hört auf, an das Märchen von<br />
der Karriere zu glauben, an die vermeintliche<br />
Macht, die ihr niemals<br />
haben werdet. Auch die jungen Männer<br />
müssen ihre Karriereentwürfe<br />
überdenken. Es ist ja ungeheuerlich,<br />
welche Abstriche an Lebensqualität<br />
es bedeutet, Karriere zu machen.<br />
Viele sind mit 40 oder 50 Jahren desillusioniert,<br />
glauben an ihr persönliches<br />
Versagen, was falsch ist. Die<br />
Arbeitswelt hat sich brutalisiert,<br />
fordert immer mehr. Etwa «Flexibilität»<br />
oder allzeitige Verfügbarkeit<br />
und das Eintreten für Prinzipen, die<br />
auschliesslich der Profitmaximierung<br />
dienen. Das Ganze wird dann<br />
«Fortschritt» genannt, und es wird<br />
sanktioniert, wenn dagegen opponiert<br />
wird.<br />
Welchen Stellenwert hat das Kind in<br />
unserer leistungsorientierten Gesellschaft?<br />
Die Gesellschaft fordert zwar permanent<br />
Kinder, aber kümmert sich<br />
nicht um sie. Doch die Erziehung<br />
von Kindern – das ist an sich eine<br />
Aufgabe für mehrere Menschen.<br />
Selbst zwei Personen sind im Prinzip<br />
zu wenig für ein Kind.<br />
Was wäre die Lösung für ein besseres<br />
Leben für alle?<br />
Es gibt seit den 1970er-Jahren Experimente<br />
der Lebensführung, wo man<br />
sich vieles – Kinderbetreuung,<br />
Essenszubreitung, Wäsche – teilte.<br />
Obwohl diese Lebensform sowohl<br />
Frauen als auch Männer von der<br />
Familienarbeit entlasten würde, sind<br />
«Von politischer<br />
Seite ist nicht<br />
wirklich Hilfe<br />
zu erwarten.»<br />
viele solcher Kommunen mittlerweile<br />
verschwunden. Ganz grundsätzlich<br />
gesehen kommen wir wohl nicht<br />
um eine Debatte über die sich verschärfende<br />
Arbeitswelt, also die<br />
Existenzsicherung, im Zusammenhang<br />
mit der Nachwuchsproblematik<br />
herum. Zudem muss eine Kultur<br />
des Teilens von Erwerbsarbeit und<br />
Kinderbetreuung normal werden –<br />
sonst kommen wir mit der Gleichberechtigung<br />
niemals weiter.<br />
Wie können Frauen entlastet werden?<br />
Empirisch gesehen ist das weibliche<br />
soziale Netz – Mutter, Schwestern,<br />
Freundinnen, andere Mütter – das<br />
wertvollste, um Frauen nachhaltig<br />
zu entlasten. Auch von politischer<br />
Seite ist nicht wirklich Hilfe zu<br />
erwarten, es geht ja heute nur mehr<br />
um das Schlagwort der «Vereinbar<br />
32 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi