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Fritz + Fränzi

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Dossier<br />

>>> ist es aufgegangen mit diesem<br />

Miteinander von Beruf und Familie.<br />

Kommt hinzu, dass Arbeit ohnehin<br />

etwas für das Volk war und nicht für<br />

die Elite, die ja bis heute nicht arbeitet.<br />

Wohlhabende lassen arbeiten, sie<br />

delegieren. Sie können es sich auch<br />

problemlos leisten, eine hohe Anzahl<br />

Kinder zu haben. Trotzdem stellen<br />

sie immer noch die Wächter des Systems<br />

dar, indem sie verlangen, dass<br />

Menschen, die auf Erwerbstätigkeit<br />

angewiesen sind, immer mehr arbeiten.<br />

Zudem zählt die weibliche Arbeitskraft<br />

nach wie vor nicht so viel wie die<br />

männliche ...<br />

Wo Frauen arbeiten, wird weniger<br />

verdient. Frauen sind zumeist in<br />

«zu arbeitenden» Berufen, als Verkäuferinnen,<br />

Coiffeusen und Assistentinnen,<br />

beschäftigt – also im<br />

Niedriglohnsektor. Dringen sie in<br />

Berufe vor, die vorher in Männerhand<br />

waren, wie etwa das Lehramt,<br />

die Psychologie oder die Medizin,<br />

verlieren diese Berufe an Prestige<br />

und das Lohnniveau sinkt.<br />

Die Wirtschaft ist also der Feind der<br />

Familien.<br />

Lange sind wir dem Irrglauben aufgesessen,<br />

dass Arbeit befreien soll.<br />

Das hat sich mittlerweile als ein riesiger<br />

Irrtum herausgestellt. Die<br />

Belastungsszenarien zeigen, dass<br />

neben niedrigem Verdienst die ge ­<br />

sundheitlichen Probleme zunehmen.<br />

«Dringen Frauen<br />

in Männerberufe<br />

vor, sinkt sofort<br />

das Lohnniveau.»<br />

Es ist ein neues Phänomen, dass in<br />

Amerika die Todesrate der weissen<br />

Frauen im Alter zwischen 30 und 50<br />

Jahren steigt – also just in der Zeit,<br />

wenn sie Kinder und Beruf unter<br />

einen Hut bringen müssen.<br />

«Die Arbeitswelt<br />

hat sich<br />

brutalisiert, fordert<br />

immer mehr.»<br />

Doch die meisten von uns sind auf<br />

Arbeit angewiesen. Was tun?<br />

Eine Lösung wäre, wenn sich auch<br />

Männer mitbefreien und sich sowohl<br />

in der Kinderbetreuung als auch im<br />

Haushalt engagieren würden. Doch<br />

das passiert nicht. Männer arbeiten<br />

nach wie vor Vollzeit und zementieren<br />

damit dieses Ungleichgewicht.<br />

Sie unterwerfen sich dem neoliberalen<br />

System, weil sie glauben, das sei<br />

normal.<br />

Deshalb leiden vor allem Familien<br />

unter diesen Umständen. Sie haben<br />

wenig Zeit für ihre Kinder und kaum<br />

mehr Energie. Weshalb kommt kaum<br />

Kritik aus ihren Reihen?<br />

Diejenigen, die im System sind, werden<br />

es nicht kritisieren, im Gegenteil:<br />

Sie verteidigen ihre Lebensweise.<br />

Aber innerhalb des Systems wird<br />

es nie eine Lösung geben, denn es<br />

geht immer um Macht und Geld. Das<br />

widerspricht natürlich allen Bedürfnissen<br />

nach Empathie und Sicherheit<br />

in einem Familienleben. Daher<br />

müsste man den jungen Frauen<br />

sagen: Hört auf, an das Märchen von<br />

der Karriere zu glauben, an die vermeintliche<br />

Macht, die ihr niemals<br />

haben werdet. Auch die jungen Männer<br />

müssen ihre Karriereentwürfe<br />

überdenken. Es ist ja ungeheuerlich,<br />

welche Abstriche an Lebensqualität<br />

es bedeutet, Karriere zu machen.<br />

Viele sind mit 40 oder 50 Jahren desillusioniert,<br />

glauben an ihr persönliches<br />

Versagen, was falsch ist. Die<br />

Arbeitswelt hat sich brutalisiert,<br />

fordert immer mehr. Etwa «Flexibilität»<br />

oder allzeitige Verfügbarkeit<br />

und das Eintreten für Prinzipen, die<br />

auschliesslich der Profitmaximierung<br />

dienen. Das Ganze wird dann<br />

«Fortschritt» genannt, und es wird<br />

sanktioniert, wenn dagegen opponiert<br />

wird.<br />

Welchen Stellenwert hat das Kind in<br />

unserer leistungsorientierten Gesellschaft?<br />

Die Gesellschaft fordert zwar permanent<br />

Kinder, aber kümmert sich<br />

nicht um sie. Doch die Erziehung<br />

von Kindern – das ist an sich eine<br />

Aufgabe für mehrere Menschen.<br />

Selbst zwei Personen sind im Prinzip<br />

zu wenig für ein Kind.<br />

Was wäre die Lösung für ein besseres<br />

Leben für alle?<br />

Es gibt seit den 1970er-Jahren Experimente<br />

der Lebensführung, wo man<br />

sich vieles – Kinderbetreuung,<br />

Essenszubreitung, Wäsche – teilte.<br />

Obwohl diese Lebensform sowohl<br />

Frauen als auch Männer von der<br />

Familienarbeit entlasten würde, sind<br />

«Von politischer<br />

Seite ist nicht<br />

wirklich Hilfe<br />

zu erwarten.»<br />

viele solcher Kommunen mittlerweile<br />

verschwunden. Ganz grundsätzlich<br />

gesehen kommen wir wohl nicht<br />

um eine Debatte über die sich verschärfende<br />

Arbeitswelt, also die<br />

Existenzsicherung, im Zusammenhang<br />

mit der Nachwuchsproblematik<br />

herum. Zudem muss eine Kultur<br />

des Teilens von Erwerbsarbeit und<br />

Kinderbetreuung normal werden –<br />

sonst kommen wir mit der Gleichberechtigung<br />

niemals weiter.<br />

Wie können Frauen entlastet werden?<br />

Empirisch gesehen ist das weibliche<br />

soziale Netz – Mutter, Schwestern,<br />

Freundinnen, andere Mütter – das<br />

wertvollste, um Frauen nachhaltig<br />

zu entlasten. Auch von politischer<br />

Seite ist nicht wirklich Hilfe zu<br />

erwarten, es geht ja heute nur mehr<br />

um das Schlagwort der «Vereinbar­<br />

32 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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