02.11.2016 Aufrufe

11/2016

Fritz + Fränzi

Fritz + Fränzi

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Monatsinterview<br />

«Wir können viel tun, damit ein<br />

Kind in Würde sterben kann»<br />

Wenn das eigene Kind unheilbar erkrankt, steht das Leben einer Mutter, eines Vaters<br />

still. Eva Bergsträsser und Eva Cignacco fordern, diese Familien besser zu begleiten.<br />

Die Medizinerin und die Pflegewissenschafterin über Palliative Care, die letzte Zeit im<br />

Leben eines Kindes und die Nöte ihrer Eltern. Interview: Evelin Hartmann Bilder: Marvin Zilm / 13 Photo<br />

Ein regnerischer Septembertag in<br />

Zürich. Eva Bergsträsser empfängt<br />

am Eingang des Kinderspitals ihre<br />

Kollegin Eva Cignacco aus Basel. Die<br />

beiden Frauen kennen sich gut, sie<br />

haben im Rahmen einer nationalen<br />

Studie eng zusammengearbeitet.<br />

Gemeinsam gehen die Ärztin und<br />

die Pflegewissenschaftlerin zum<br />

Aufzug. Im oberen Stock: graue<br />

Böden, schmucklose Wände. Kurze<br />

Betten für kleine Patienten reihen<br />

sich auf den Fluren aneinander,<br />

stehen zum Einsatz bereit. «Ich<br />

denke, wir suchen uns einen<br />

Besprechungsraum, dort können<br />

wir uns in Ruhe unterhalten», sagt<br />

Eva Bergsträsser und lächelt.<br />

Frau Bergsträsser, Frau Cignacco,<br />

beim Begriff Palliative Care (lat. palliare,<br />

«mit einem Mantel bedecken»;<br />

engl. care, «Fürsorge, Betreuung»)<br />

denken viele sofort an Sterbebeziehungsweise<br />

Trauerbegleitung.<br />

Eva Bergsträsser: Das sind mit<br />

Sicherheit zwei wesentliche Bestandteile<br />

der Palliative Care. Palliative<br />

Care umfasst aber weit mehr als die<br />

Sterbe- und Trauerbegleitung –<br />

nämlich die Lebensgestaltung in den<br />

letzten Wochen, Monaten, ja vielleicht<br />

sogar Jahren eines Patienten.<br />

Das Ziel ist dann, dass das Leben<br />

trotz einer unheilbaren Krankheit<br />

lebenswert bleibt.<br />

Eva Cignacco: International gesehen<br />

kann man sagen, dass der Beizug<br />

spezialisierter Palliative-Care-Teams<br />

für Familien die Lebensgestaltung<br />

dieser Kinder trotz schwerer Krankheit<br />

erleichtert. Diese Unterstützung<br />

kann Spitalaufenthalte verhindern<br />

helfen und auch Therapien vermeiden,<br />

die leider nicht mehr zu einer<br />

Krankheitskontrolle und Lebensverlängerung<br />

führen. Dieser Bestandteil<br />

von Palliative Care kommt aber hierzulande<br />

in der Kindermedizin häufig<br />

noch zu kurz.<br />

«Ich würde die<br />

Mutter fragen:<br />

Warum haben Sie<br />

das Gefühl, dass<br />

Ihr Kind stirbt?»<br />

Eva Bergsträsser: Ausserdem bekamen<br />

alle Kinder in den letzten ein<br />

bis vier Lebenswochen eine sehr<br />

intensive Behandlung mit einer<br />

hohen Anzahl von Medikamenten.<br />

Viele dieser Medikamente sind notwendig,<br />

wie Schmerzmedikamente,<br />

aber die Anzahl hat uns überrascht<br />

– bis zu 45 Medikamente am Tag<br />

wurden verschrieben.<br />

Was schliessen Sie daraus?<br />

Eva Bergsträsser: Dass eine sehr<br />

intensive Medizin betrieben wird<br />

und dabei wichtige Aspekte der<br />

Betreuung am Lebensende zu kurz<br />

kommen.<br />

Fühlen sich Ärzte unsicher, wenn es<br />

um sterbende Kinder geht?<br />

Eva Cignacco: Unsere Studie deutet<br />

darauf hin. Aktiv sein, Therapien<br />

durchführen, Medikamente verschreiben<br />

hat man als Mediziner<br />

gelernt. Um den Sterbeprozess einzuleiten,<br />

bräuchte es aber einen<br />

Richtungswechsel in der Behandlung.<br />

Dieser Richtungswechsel setzt aber<br />

den Moment voraus, in dem klar ausgesprochen<br />

wurde: «Ab jetzt gibt es<br />

keine Aussicht mehr auf Heilung.»<br />

Warum tun sich Mediziner damit so<br />

schwer?<br />

Eva Cignacco: Weil sie darin zu wenig<br />

Erfahrung haben. Das Palliative, bei<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Eva Cignacco: Wir haben in einer<br />

national angelegten Studie die Krankengeschichten<br />

von 149 verstorbenen<br />

Kindern untersucht (siehe Box<br />

S. 41). Wir wollten wissen, wie Kinder<br />

an ihrem Lebensende betreut<br />

werden. Dabei wurde unter anderem<br />

deutlich, dass der überwiegende Teil<br />

dieser Kinder im Spital, auf der<br />

Intensivstation, statt zu Hause verstorben<br />

ist. Nachrichten zu übermitteln,<br />

dem es wichtig ist, Eltern schlechte<br />

>>><br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!