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Fritz + Fränzi

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Dossier<br />

Die Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf ist eine trügerische Behauptung<br />

von Politik und Wirtschaft.<br />

>>> Deutschland», hat der Trendforscher<br />

Matthias Horx einmal<br />

geschrieben, «ist ein Wettbewerb um<br />

Anwesenheitszeiten, um kommunikative<br />

Präsenz. Wer führt, muss nach<br />

einem Acht-Stunden-Tag noch für<br />

Meetings und Absprachen an der Bar<br />

zur Verfügung stehen. Kann sein<br />

Wochenende vergessen. Muss immer<br />

erreichbar sein.»<br />

In der Schweiz ist das nicht<br />

anders. Kaum eine Mutter kann es<br />

sich leisten, zwölf Stunden bei der<br />

Arbeit auszuharren oder am Feierabend<br />

mit ihren Kollegen abzuhängen.<br />

Frauen hetzen nach Büroschluss<br />

nach Hause zu den Kindern,<br />

während es für Männer verpönt ist,<br />

um 17 Uhr wegen der Kinder das<br />

Büro zu verlassen.<br />

Zudem verdienen Männer immer<br />

noch 20 bis 30 Prozent mehr als<br />

Frauen. In «typischen Männerberufen»<br />

– wie etwa in der Banken-,<br />

Auto- oder Versicherungsbranche<br />

– ist der Lohn schon von Beginn an<br />

höher angesetzt als etwa im Pflegebereich,<br />

wo sich vermehrt Frauen<br />

um Kleinkinder, Kranke und ältere<br />

Leute kümmern.<br />

Hinzu kommt die unbezahlte<br />

Arbeit: Haushalt, Kinderbetreuung<br />

und die Pflege bedürftiger Angehöriger.<br />

2013 wurden in der Schweiz<br />

dafür 8,7 Milliarden Stunden gearbeitet,<br />

was einem Geldwert von 401<br />

Milliarden Franken entspricht, wie<br />

das Bundesamt für Statistik berechnet<br />

hat.<br />

Es sind vorwiegend Frauen (62<br />

Prozent), die diese unbezahlten<br />

Tätigkeiten ausführen, während 62<br />

Prozent der Männer bezahlter Arbeit<br />

nachgehen. Weil Frauen oft gratis<br />

arbeiten oder schlechter bezahlt<br />

sind, droht ihnen die Gefahr der<br />

Altersarmut, weil unbezahlte oder<br />

schlecht bezahlte Arbeit nicht ren­<br />

tenrelevant ist. Auch bekommen<br />

Frauen im Alter eine kleinere Pension,<br />

obwohl sie lebenslang gearbeitet<br />

haben.<br />

Mythos 6: Die emanzipierte Frau<br />

kann problemlos Beruf und Arbeit<br />

vereinbaren.<br />

Falsch: Die Karrierefrau mit Kindern<br />

ist die Ausnahme.<br />

Das Bild der beruflich erfolgreichen<br />

Mutter, die ihre Karriere verfolgt,<br />

während sie spielend drei Kinder<br />

aufzieht, ist heute genauso ideologisiert<br />

wie unlängst das überhöhte Bild<br />

der duldsamen Mutter, die sich für<br />

ihren Mann und ihre Kinder aufopfert.<br />

Beides hat mit der Realität<br />

wenig zu tun. Auch in den ehemaligen<br />

sozialistischen Ländern, in<br />

denen die Strukturen so ausgelegt<br />

waren, dass Mütter voll erwerbstätig<br />

waren, blieb die Karrierefrau mit<br />

Kindern die Ausnahme. Während<br />

Frauen vorwiegend assistierende<br />

Tätigkeiten ausführten, hatten die<br />

Männer die interessanten Jobs –<br />

Männer befahlen, Frauen dienten.<br />

Die Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf ist eine trügerische Be ­<br />

hauptung von Wirtschaft und Politik.<br />

Dieses Hin und Her zwischen den<br />

Ansprüchen der Arbeitswelt und der<br />

Familie zehrt an der Substanz – bei<br />

Vätern wie auch bei Müttern. Trotzdem<br />

werden wir dazu angehalten,<br />

immer mehr und immer länger zu<br />

arbeiten. In der Europäischen Union<br />

hat sich der Appell des «dual earner<br />

couple» – der Integration beider<br />

Elternteile in die Arbeitswelt – schon<br />

seit längerer Zeit etabliert. Beide<br />

Eltern sollen möglichst Vollzeit<br />

arbeiten, um eigenverantwortlich ihr<br />

Leben zu verdienen, während die<br />

staatlichen Leistungen ausgedünnt<br />

oder abgeschafft werden. >>><br />

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