11/2016
Fritz + Fränzi
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Erziehung & Schule<br />
Kristina Calvert:<br />
«Ich möchte<br />
Kinder ein<br />
Stück weit<br />
erschüttern.»<br />
>>> Welche Themen besprechen<br />
Sie denn mit Kindern?<br />
Ich orientiere mich dabei an den vier<br />
Fragen, mit denen Kant die Philosophie<br />
definiert: Was kann ich wissen?<br />
Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?<br />
Was ist der Mensch? Ich stelle<br />
den Kindern auch sehr abstrakte<br />
Fragen wie «Was ist Glück?». So<br />
etwas interessiert schon die ganz<br />
Kleinen. Die Jüngsten, mit denen ich<br />
philosophiere, sind viereinhalb Jahre<br />
alt. Die beschäftigen sich zum<br />
Beispiel auch gerne mit der Frage<br />
nach dem Tod und dem, was nach<br />
dem Tod kommt. Ähnlich interessante<br />
Themen sind Angst, Mut oder<br />
Tapferkeit.<br />
Ist das nicht ein bisschen schwere<br />
Kost?<br />
Das sind die Fragen, die die Kinder<br />
interessieren. Darüber denkt ein<br />
Kind im Alter von fünf, sechs Jahren<br />
nach. Und wenn es niemanden hat,<br />
der mit ihm gemeinsam darüber<br />
nachdenkt, dann belässt man es in<br />
einem engen Raum. Philosophieren<br />
ermöglicht es dem Kind, da ein Stück<br />
weit herauszukommen und sich auszudrücken.<br />
Philosophieren hilft ihm,<br />
mündig zu werden und die Welt zu<br />
verstehen. Es stellt fest, was es alles<br />
kann, wenn es alles, was es im Kopf<br />
hat, einsetzen und entwickeln kann.<br />
Wirkt das Philosophieren auch über<br />
Ihre Philosophiestunde hinaus?<br />
Auf jeden Fall. Ich möchte die Kinder<br />
ein Stück weit erschüttern in<br />
dem, was sie als vermeintlich sicher<br />
annehmen. Es ist ungeheuer wichtig,<br />
dass die Personen, die sich mit Bildung<br />
beschäftigen, nicht einfach<br />
Traditionswissen an die Kinder herantragen.<br />
Sie sollten ihnen stattdessen<br />
lieber Sicherheit in Beziehungen<br />
geben, sodass sich ein Kind traut,<br />
Fragen zu stellen und Wege zu finden,<br />
diese Fragen für sich fruchtbar<br />
zu machen.<br />
Kann man auch ohne Ausbildung mit<br />
Kindern philosophieren?<br />
Unbedingt! Fangen Sie mit einmal<br />
die Woche für zehn Minuten an. Eine<br />
«Philosophieren<br />
hilft Kindern, die<br />
Welt zu verstehen.»<br />
grosse offene Frage als Impuls formulieren<br />
und sich dann aufs Zuhören<br />
einstellen. Gut ist es auch, ein<br />
Phänomen und gleich eine Frage<br />
mitzunehmen. Zum Beispiel einen<br />
Stein hinzulegen und zu fragen:<br />
Können Steine glücklich sein? Als<br />
70 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi