11/2016
Fritz + Fränzi
Fritz + Fränzi
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Monatsinterview<br />
>>> chen,wie das Lebensende ich das auch. Ich weiche diesem Thema<br />
eines alten Menschen. Diese Kinder<br />
hinterlassen wichtige Spuren auf dieser<br />
Erde. Wenn man es so sieht, dass<br />
das Leben an sich zählt – unabhängig<br />
davon, wie lang es ist –, dann kann<br />
man vielleicht auch eher darauf setzen,<br />
in dieses Leben noch so viel<br />
Leben zu füllen wie möglich – statt<br />
es um jeden Preis verlängern zu wollen.<br />
Wie reagieren Eltern darauf?<br />
Eva Bergsträsser: Sehr unterschiedlich.<br />
Für manche Eltern ist es ein<br />
No-Go, dass man so etwas ausspricht.<br />
Ich würde dieses Thema auch nie<br />
beim ersten Kennenlernen ansprechen.<br />
nicht aus.<br />
Eva Cignacco: Eltern wollen eine<br />
ehrliche, authentische Kommunikation.<br />
Im Rahmen unserer Studie<br />
berichtete eine Mutter von einem<br />
Gespräch mit einer Ärztin, die eine<br />
Stunde um den heissen Brei herumgeredet<br />
hatte. Sie war drauf und dran<br />
zu sagen: «Jetzt sprichs doch aus:<br />
Mein Kind wird sterben.» Ärzte, die<br />
eine gute Palliativ-Ausbildung<br />
haben, können ein solches Gespräch<br />
hingegen in einen guten Kontext<br />
setzen, einen Kontext, der es Eltern<br />
erlaubt, einem solchen Gespräch zu<br />
folgen.<br />
Was heisst das?<br />
Eva Cignacco: Man nimmt sich Zeit,<br />
«Wir können ganz<br />
schaut nicht auf die Uhr, geht mit<br />
den Eltern in einen separaten Raum<br />
und erklärt ihnen, was alles gemacht<br />
viel dafür tun, dass<br />
wurde, um dem Kind zu helfen, wie<br />
das Kind nicht das Kind reagiert hat und warum<br />
man denkt, dass beispielsweise ein<br />
leiden muss.»<br />
Therapieabbruch der richtige Weg<br />
ist. Man bespricht mit den Eltern die<br />
Ge schichte, die man bis dahin zu -<br />
Aber je mehr ich die Familie<br />
kennenlerne, desto eher weiss ich,<br />
wie ich dieses Tabuthema ansprechen<br />
kann, und umso mehr mache<br />
sammen geteilt hat, und schaut, wie<br />
es weitergeht.<br />
Eva Bergsträsser: In diesem Gespräch<br />
darf nicht nur thematisiert werden,<br />
was alles nicht mehr getan werden<br />
kann, sondern was jetzt zu tun ist:<br />
«Wir können ganz viel dafür tun,<br />
damit das Kind nicht leiden muss,<br />
dass es würdig sterben kann, dass Sie<br />
sich verabschieden können.»<br />
«Eltern tun sich<br />
schwerer mit der<br />
Diagnose als die<br />
Kinder.»<br />
Das Schlimmste, was einem als<br />
Mutter oder Vater passieren kann,<br />
ist der Tod des eigenen Kindes.<br />
Eva Bergsträsser: Sie haben natürlich<br />
recht. Aber es ist ein langer Prozess,<br />
während dessen sich die Eltern mit<br />
diesem Gedanken vertraut machen.<br />
Manche Kinder sind vier, fünf, ja<br />
sieben Jahre in einer palliativen Situation.<br />
Wie lange betreuen Sie diese Familien<br />
nach dem Tod?<br />
Eva Bergsträsser: Das ist unterschiedlich.<br />
Bei manchen bricht der Kontakt<br />
schnell ab, andere rufe ich noch Jahre<br />
später an.<br />
«Erwarten Sie keinen Dank»<br />
Wenn ein Kind in der Familie, im Freundeskreis,<br />
der Nachbarschaft stirbt, brauchen die Eltern<br />
viel Verständnis und Unterstützung, sagen<br />
Eva Bergsträsser und Eva Cignacco. So können<br />
Sie laut den Expertinnen helfen:<br />
Ein unheilbares Kind nach Hause nehmen, verlangt<br />
von den Eltern unglaublich viel Engagement.<br />
Förderlich wäre ein grosses Netzwerk an Freunden,<br />
die sie im Alltag unterstützen: einkaufen, kochen,<br />
die Wäsche waschen, die Geschwister zum Spielen<br />
einladen, damit die Eltern Zeit haben, mit dem<br />
kranken Kind zusammen zu sein und es zu pflegen.<br />
Haben Sie Mut für diesen Kontakt. Das Schlimmste<br />
für die Familien ist, ausgesondert zu werden.<br />
Einfach fragen: Wie ist es, kann ich was tun?<br />
Und erwarten Sie keinen Dank. Ihre Dankbarkeit<br />
können Eltern in dieser Situation häufig nicht<br />
äussern.<br />
Trauer braucht Zeit – länger als ein Jahr. Würdigen<br />
Sie das.<br />
Ein No-Go sind Sätze wie diese: «Ihr seid doch<br />
noch jung – ihr könnt noch viele andere Kinder<br />
bekommen.» Dieses Kind wird durch kein anderes<br />
ersetzt. Oder: «Das kann ich mir vorstellen.» Solch<br />
existenzielle Krisen kann man sich nicht vorstellen.<br />
Schweigen Sie lieber oder sagen Sie: «Ich kann<br />
mir das überhaupt nicht vorstellen, magst du mir<br />
erzählen, wie es für dich ist?»<br />
40 November <strong>2016</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi