Leseprobe: Kein Herz ohne Zweifel
Lesen Sie das erste Kapitel dieses ungewöhnlichen Liebesromans.
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hänge und trug nicht dazu bei, das Gefühl der Schläfrigkeit zu<br />
vertreiben. Er gönnte sich fünf Minuten, um den Ablauf des<br />
bevorstehenden Sonntags zu durchdenken. Die Fahrt nach Bad<br />
Wildungen dauerte von Bremen aus ungefähr drei Stunden.<br />
Wann immer es sich einrichten ließ, verbrachte Paul die Nacht in<br />
einem preiswerten Hotel in der Nähe der Klinik. Doch an diesem<br />
Wochenende war er um einen Besuch bei seinen Eltern nicht<br />
herumgekommen. Seit Tagen hatte seine Mutter ihm mit anklagendem<br />
Tonfall in den Ohren gelegen und darauf hingewiesen,<br />
dass er seine Pflichten vernachlässigte. Das tat er wirklich. Der<br />
Zustand des elterlichen Gartens war ein nicht zu leugnendes<br />
Beweisstück für massive Versäumnisse. Deswegen hatte er<br />
zähneknirschend den kompletten Samstag dafür geopfert, alle<br />
entstandenen Rückstände aufzuarbeiten.<br />
Mit einem Ächzen erhob Paul sich und schwang die Beine aus<br />
dem Bett. Obwohl sein Körper für einen Mann Mitte vierzig gut<br />
trainiert erschien, spürte er beim Aufrichten ein unangenehmes<br />
Ziehen in der rechten Schulter, das bis in den Arm ausstrahlte.<br />
Offensichtlich rächte sich das stundenlange Halten der schweren<br />
elektrischen Heckenschere. Mit der Linken knetete er für neunzig<br />
Sekunden an seinem Oberarm herum, verzog dabei schmerzhaft<br />
das Gesicht. Wenn seine Eltern hinterher wenigstens einen<br />
Hauch von Zufriedenheit zeigen würden. Aber anstatt eines<br />
Dankeschöns erhielt er immer nur eine Liste der Dinge, die beim<br />
nächsten Besuch zu erledigen waren. Mit geschürzten Lippen<br />
hatte seine Mutter lange die frisch geschnittene Hecke betrachtet,<br />
um dann zu fragen: »Hast Du sie absichtlich so dünn<br />
gemacht? Ich mag es ja lieber, wenn sie etwas dicker ist.« Paul<br />
verkniff sich zu erwähnen, dass sie beim letzten Mal genau das<br />
Gegenteil behauptet hatte. Er nickte nur stumm und verschwieg,<br />
dass er seit Jahren einen Zollstock benutzte, um die Eiben jedes<br />
Mal auf exakt dieselbe Breite zu schneiden. Fünfzig Zentimeter.<br />
Das nahm er ganz genau, damit er sich hinterher nicht fragen<br />
musste, ob er wirklich fehlerhaft gearbeitet hatte. Ein Ausbleiben<br />
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