Leseprobe: Kein Herz ohne Zweifel
Lesen Sie das erste Kapitel dieses ungewöhnlichen Liebesromans.
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Mit vor Aufregung geröteten Wangen sah Hanne in den bodentiefen<br />
Spiegel, der eine komplette Seite des großzügigen<br />
Ankleidezimmers einnahm. Die Seidenbluse in frischem Grün<br />
betonte geschickt ihren gesunden Teint, die neue Jeans saß tadellos.<br />
Prüfend betrachtete Hanne ihr Hinterteil, und die Freude<br />
über vier verlorene Kilogramm ließ sie übermütig damit hin- und<br />
herwackeln. Dann öffnete sie fröhlich summend eine Schublade,<br />
in der sich ein umfangreiches Sortiment modischer Accessoires<br />
befand. Für einen Sonntagsspaziergang in den Weinbergen sollte<br />
der Gürtel nicht zu protzig sein. Nach kurzem Überlegen wählte<br />
Hanne ein dunkelblaues Modell, bei dem das Designerlabel so<br />
dezent angebracht war, dass nur Kenner es bemerkten.<br />
Sie griff nach dem bunten Seidenschal, drehte sich nochmals um<br />
die eigene Achse und fühlte sich wie ein Teenager. Ihre Tennisfreundinnen<br />
erkundigten sich seit einigen Wochen regelmäßig<br />
danach, welches Wundermittel für die auffallende Veränderung<br />
verantwortlich war. Die Erklärung, dass die Wechseljahre sie endlich<br />
aus dem hormonellen Klammergriff entlassen hatten und es<br />
ihr deswegen plötzlich blendend ging, glaubten nur die Wenigsten.<br />
Ein Großteil diagnostizierte hinter vorgehaltener Hand, der<br />
Grund für diesen Wandel läge in der Überwindung ihrer Trauer,<br />
in der sie fünf lange Jahre gefangen war. Hanne fühlte sich tatsächlich<br />
wie befreit und lächelte so unschuldig wie möglich,<br />
wenn die Nachfragen immer bohrender wurden und die Mutmaßungen<br />
gefährlich nah an die Wahrheit herankamen.<br />
Das Hüten von Geheimnissen fiel ihr leicht. Sie war eine Meisterin<br />
der Illusion, wenn es darum ging, anderen Menschen eine<br />
heile Welt vorzugaukeln. Diese Fähigkeit war nicht nur Basis<br />
ihrer Ehe gewesen, die ein Vierteljahrhundert gedauert hatte<br />
und niemals den Anschein erweckte, dass damit etwas nicht<br />
stimmte. Auch das harmonische Familienleben mit drei Söhnen<br />
war sorgsam inszeniert. Richard legte bis zum letzten Tag größten<br />
Wert darauf, dass nur nach außen drang, was seinem<br />
Ansehen als erfolgreicher Investment-Banker nicht schadete. Er<br />
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