Leseprobe: Kein Herz ohne Zweifel
Lesen Sie das erste Kapitel dieses ungewöhnlichen Liebesromans.
Lesen Sie das erste Kapitel dieses ungewöhnlichen Liebesromans.
- TAGS
- splitterherzen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
war vielleicht nicht der perfekte Ehemann, aber er war der perfekte<br />
Vertuscher, ein Verwischer von Spuren, ein Verdunkler<br />
von Tatsachen, der sein wahres Selbst nie zeigte, wenn das<br />
Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet war. Wie<br />
viele Geheimnisse Richard letztendlich mit in sein dunkles Grab<br />
genommen hatte, konnte Hanne nur erahnen. Im Grunde ihres<br />
<strong>Herz</strong>ens war sie sogar froh, dass er so plötzlich aus dem Leben<br />
gerissen worden war, <strong>ohne</strong> die Gelegenheit für eine letzte Beichte.<br />
Entschieden gab Hanne der immer noch offenstehenden Schublade<br />
einen kräftigen Stoß, mit dem sie die Bilder der Vergangenheit<br />
vertrieb. Der eingebaute Dämpfer fing die kraftvolle<br />
Bewegung ab, so dass nur ein kaum noch wahrnehmbarer Ton<br />
entstand, als sich das Fach schloss.<br />
Im Treppenhaus rief sie den Kater. Charles war nach dem Füttern<br />
verschwunden. Es war anzunehmen, dass er sich wie üblich im<br />
Atelier unterm Dach versteckte. Da Esther das Tier nicht mit in<br />
die Klinik nehmen durfte, war der Kater in Idar-Oberstein geblieben<br />
und zeigte sich seitdem als dankbarer Mitbew<strong>ohne</strong>r. Tagsüber<br />
schlief er, außer wenn es etwas zu fressen gab. Nachts war<br />
er ein freundlicher Gesellschafter, der die von Schlaflosigkeit<br />
geplagte Hanne auf Schritt und Tritt begleitete. Bei den ausführlichen,<br />
nächtlichen Telefonaten lag er bevorzugt schnurrend auf<br />
ihrem Schoß und ließ sich genüsslich über das schwarze Fell<br />
streicheln. Einziger Streitpunkt war die Regel, dass Charles das<br />
Haus verlassen musste, wenn Hanne nicht da war. Selbst wenn<br />
sie ihre Staffelei im Garten aufbaute, um draußen zu malen, trug<br />
sie ihn eigenhändig heraus. Das weiche Lager auf dem Liegestuhl<br />
ignorierend, saß er dann mit vorwurfsvollem Blick vor der verschlossenen<br />
Terrassentür und stieß jämmerliche Laute aus.<br />
Wahrscheinlich war er aus Angst, wieder einmal in den Garten<br />
verfrachtet zu werden, ins Dachgeschoss geflüchtet. Hanne rief<br />
ein zweites Mal seinen Namen, obwohl es unwahrscheinlich war,<br />
dass ihre lockende Stimme Eindruck auf ihn machte. Wenn er<br />
26