Leseprobe: Kein Herz ohne Zweifel
Lesen Sie das erste Kapitel dieses ungewöhnlichen Liebesromans.
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nicht ständig etwas kaputt machen würde, sobald er alleine im<br />
Haus war, hätte Hanne an diesem Sonntagmorgen Gnade walten<br />
lassen. Aber bisher musste sie ihre Weichherzigkeit immer<br />
wieder bereuen. Deswegen stieg sie nach kurzem, hoffnungsvollem<br />
Warten die Treppe hinauf und sah sich suchend um.<br />
Ihr Blick streifte das unvollendete Bild auf der Staffelei. Sie<br />
betrachtete den kräftigen, dornigen Rosenzweig, an dem schwermütig<br />
eine fast verwelkte Blüte in dunklem Weinrot hing, während<br />
schräg dahinter eine neue Knospe zaghaft erste leuchtende<br />
Farbe zeigte. Hanne plante, dieses Gemälde in der nächsten<br />
Woche fertigzustellen. Doch sie wusste bereits, dass ihr der Mut<br />
fehlen würde, ihm diese Arbeit zu zeigen. Dabei interessierte er<br />
sich über alle Maßen für ihre Kunstwerke, wie er Hannes Bilder<br />
voller Bewunderung nannte. Sie erläuterte gerne, woran sie<br />
arbeitete, manchmal besprachen sie sogar Ideen für zukünftige<br />
Projekte. Nur bei dem Rosenzweig machte sie eine Ausnahme,<br />
denn die Botschaft des Bildes war viel zu offensichtlich. Im<br />
Gegensatz zu den Menschen, die in ihren Werken nur belanglose<br />
Pinseleien sahen, würde er verstehen, was mit diesem Arrangement<br />
aus Vergänglichkeit und Neubeginn gemeint war. Er<br />
wusste, dass Hanne den Drang, ihre Gefühle auf eine Leinwand zu<br />
bringen, nur schwer bezwingen konnte. Fred würde auf den<br />
ersten Blick wissen, was dieses Bild bedeutete. Die Aussage der<br />
sterbenden Blüte, des sich lösenden Blattes, das nicht fallen<br />
wollte, obwohl sein dunkles Rot schon in ein totes Braun überging,<br />
würde ihm sofort ins Auge springen. Doch weil sie sich stillschweigend<br />
darauf geeinigt hatten, die Augen vor der grausamen<br />
Wahrheit zu verschließen, durfte er das Bild nicht zu Gesicht<br />
bekommen.<br />
Der Kater verkroch sich immer an der gleichen Stelle hinter dem<br />
Sofa. Hanne schob ihm die Hände unter den Bauch und hievte das<br />
schwere Tier ächzend über die Lehne.<br />
»Entweder hörst du auf, dich da zu verstecken, oder ich setze<br />
dich auf Diät.«<br />
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