07.11.2016 Aufrufe

Das Leben meines Vaters bis 29 Juni 1943

Das Leben des Johannes Löhrer mit all (den meisten) Stationen. Beruf - Westfront und Ostfront von Anbeginn bis Ende 29. Mai 1945 zurück in Rheinbach - wird im Detail fortgesetzt und ist teilweise schon im Magazin "Löhrer Johannes im Krieg 1939 - 1945" enthalten im Zusammenhang mit Ehefrau Franziska.

Das Leben des Johannes Löhrer mit all (den meisten) Stationen.
Beruf - Westfront und Ostfront von Anbeginn bis Ende 29. Mai 1945
zurück in Rheinbach - wird im Detail fortgesetzt und ist teilweise schon im Magazin "Löhrer Johannes im Krieg 1939 - 1945" enthalten im Zusammenhang mit Ehefrau Franziska.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Das</strong> <strong>Leben</strong> <strong>meines</strong> <strong>Vaters</strong>.<br />

Ein Deutsches <strong>Leben</strong> im 20. Jahrhundert<br />

Heinrich Löhrer schrieb von seinem Arbeitsumfeld - Elektrifizierung der Region durch Berggeist Brühl, später RWE<br />

(Rheinisch Westfälische-Elektrizitätswerke), heute Innogy - an seine Braut Elisabeth Kerz. Die hatte ihren<br />

Arbeitsplatz als Haushaltsgehilfin bei Apotheker Saßmann in Bonn die sich dann nach Mainz begab und nochmal<br />

nach Frankfurt wechselte, immer Frau Kerz an ihrer Seite. Beide gebürtig in Bornheim-Botzdorf wo sie auch 1912<br />

heirateten. Kurz danach zogen die beiden nach Lechenich dessen umliegende Region durch Heinrich Löhrer<br />

"elektrifiziert" wurde.<br />

1913, am <strong>29</strong>. JUNI kam Johannes Löhrer als Erstgeborener in Lechenich zur Welt und verlebte seine Kindertage im<br />

Zentrum von Lechenich in der Mietwohnung die zu einer Schreinerei gehörte und auch Bestattungen durchführte.<br />

So kam es, dass Johannes mit Holz und Särgen groß wurde und dies auch sein spielerisches Umfeld wurde.<br />

Schwester Anna kam *18.1.1915 (+ 22.11.1977)... zur Welt und wurde durch einen Geburtsfehler stark behindert<br />

- ihre Beine und Füße wurden dabei sehr geschädigt, ähnlich einer Polio-Infektion. Keine Krankenkasse war bereit<br />

sie aufzunehmen und so mussten Zeitlebens die Eltern die Kosten<br />

persönlich schultern.<br />

*19.10.1920 (+ 2014) , Sohn Peter - später selbständiger<br />

Elektromeister - war geboren und die nunmehr große Familie<br />

kaufte ein Anwesen mit großem Haus 50 Meter entfernt dem<br />

Franziskaner Kloster. Hier lebte fortan die Familie Löhrer mit der<br />

dann *12.9.1926 noch geborenen Tochter Katharina die in die<br />

Bäckerei und Müllerei Heinen einheiratete und dort <strong>bis</strong> zur<br />

Übergabe selbständig blieb.<br />

Johannes erlebte eine eigentlich Sorgen freie Kindheit während des<br />

1. Weltkrieges (1914-18), auch, wenn die wirklichen Kriegsgebiete<br />

recht nahe vor der Türe lagen (Ardennen, Hürtgenwald).<br />

Auf dem undatierten Bild um 1925 ist seine Kinderkommunion<br />

Festtagsgesellschaft zu sehen. Die Schwester Katharina fehlt noch<br />

(*1926).<br />

Durch die recht neue Energieart Elektrizität war sein Elternhaus<br />

finanziell gut aufgestellt. Die Schulzeit verbrachte Johannes mit viel<br />

Freude und Ehrgeiz und Lesen wurde sein Hobby. Fotografieren<br />

reizte ihn auch und schon früh begann er dieses Hobby recht exzessiv. Vor allem waren Briefmarken seine Welt<br />

geworden. Die Vielfalt der Länder reizte ihn und jede Briefmarke hatte für ihre Ausgabe einen Anlass: hieraus


lernte Hans so viel, dass es immer wieder Anreiz war, über Bücher und andere Quellen mehr dazu zu erfahren.<br />

Sein Vater Heinrich hatte mit dem neuen Haus einen großen Garten von ca. 60 Meter Länge und gut 20 Meter<br />

Breite. Hier wurde viel Obst, vor allem Gemüse angebaut und die Seite zur Mauer zum Franziskaner Kloster hin<br />

war mit Weintrauben bepflanzt. Ein großes Bienenhaus mit über 20 Völkern stand am oberen Kopf des Gartens<br />

zur Stadtmauer hin die wiederum an den Stadt-Weiher anschloss der die Kernstadt umlief. So wurde Hans schon<br />

von Kindesbeinen an mit der natürlichen Versorgung der Familie mit allem<br />

Notwendigen vertraut. <strong>Das</strong> hat sein <strong>Leben</strong> nachhaltig beeinflusst.<br />

Wegen der enormen Kosten für die stark behinderte Schwester Anna, die sich<br />

Zeitweise auf Krücken fortbewegen konnte, blieb der Haushalt finanziell stets<br />

stark strapaziert und so war es nicht möglich, Johannes auf ein Gymnasium gehen<br />

zu lassen - trotz bester Noten und Leistungen dort. <strong>Das</strong> Schulgeld hätte jeden<br />

Rahmen gesprengt. Dank seiner besonders guten Kontakte in der Region durch<br />

seine Tätigkeit im Bereich der neuen Energie Elektrizität hatte Vater Heinrich in<br />

der sich abzeichnenden Arbeitslosigkeit Sohn Johannes mit einer Ausbildung zum<br />

Bäcker in Gymnich bei Bäckermeister Segschneider untergebracht die 1930 mit<br />

Erfolg endete. Ein Handwerk, das damals noch eine reine Knochenarbeit zu<br />

nächtlicher Zeit war - aber sicher erschien.<br />

Immer wieder kurze Beschäftigungen in der Region belasteten sehr, die Arbeitslosigkeit drohte jeden Tag neu.<br />

Dazu kam, dass, aus Lechenich kommend, nur in bestimmten Orten gearbeitet werden durfte. Stellen in Köln und<br />

Düsseldorf mussten immer wieder nach Tagen aufgegeben werden weil die Arbeitsämter das nicht zuließen.<br />

Auch, wenn der Betrieb nicht in der Lage war, jemanden aus dem Zuständigkeitsbereich einzustellen, außerhalb<br />

der Zuständigkeit des eigenen Arbeitsamtes war es untersagt!<br />

Für junge Männer der 30er Jahre war ein Anschluss an die katholischen Jungmänner die Anbindung an<br />

gemeinsame Unternehmungen mit viel organisatorischer Unterstützung durch die Kirche. Für wandernde<br />

Handwerker war Kolping eine Reichsweit gut aufgestellte Organisation. Zu beiden Mitgliedschaften entschloss<br />

sich Löhrer und war auch aktiv tätig.


Über Stationen <strong>bis</strong> Düsseldorf und südlich Andernach zum Bodensee <strong>bis</strong> Singen am Hohentwiel wo väterliche<br />

Verwandtschaft lebte, die berufsmäßig bald nach Schanghai in China übersiedeln sollten. Mit dem Fahrrad war<br />

Johannes Löhrer monatelang unterwegs. Die Massenarbeitslosigkeit forderte ihren Tribut. Aber es kam ja alles<br />

noch schlimmer - es kehrte keine verlässliche Ordnung ein und die Nationalsozialisten führten immer strengere<br />

Ordnungen, Kontrollen und Prüfung derselben an. Ohne Führungszeugnis ging gar nichts mehr.<br />

Sogar die Zeit als Säugling wurde exakt mit Wohnort beschrieben und alles Kalender genau dokumentiert. Auch<br />

die Zeit in Düsseldorf bei seinen Tätigkeiten bekam er nur dank eines Führungszeugnisses. Und die mussten<br />

immer lückenlos sein.


In der Zeit der Massenarbeitslosigkeit war es immer mit<br />

größter Mühe verbunden, überhaupt eine Beschäftigung<br />

zu finden. So war vielleicht auch der Beginn der Hitler Ära<br />

damit verbunden, Hoffnung auf Arbeit und Beschäftigung<br />

zu finden und dass Geld wieder einen Wert bekam.<br />

Natürlich störte man sich daran, Stammbäume zu<br />

recherchieren und man war froh, die Arierbestimmungen<br />

erfüllen zu können. Selbst zu glauben, man sei arischer<br />

Herkunft musste bestätigt werden.<br />

Beim damaligen Obermeister Heinrich Breuer in Rheinbach war er in Stellung und über Kolping und kath.<br />

Jungmänner immer sofort integriert und war so ins Haus Krautwig geraten, wo der Sohn Michael auch sehr aktiv<br />

war. Beide freundeten sich an und verbrachten viel der wenigen Freizeit miteinander. Die Geschwister Peter, ein<br />

Studierender mit starker Sympathie für den<br />

Nationalsozialismus, August, wie er selbst, Bäcker und Maria<br />

die in Haushalt und Geschäft mit aktriv war. Von Franziska<br />

ahnte er zunächst nichts, sie war in Köln im Haushalt Dr.<br />

Klinkenberg tätig von wo aus sie nach der Ausbildung im Haus<br />

Loreto in Simpelfeld NL gegangen war - Franziska hielt es im<br />

übrigen kaum zu Hause. 1933 lernten sie sich im Hause<br />

Krautwig in Rheinbach kennen als Franziska gerade mal aus<br />

Köln zu Besuch zu Hause war. Schnell entwickelte sich<br />

Zuneigung und mehr daraus.<br />

Schon immer war es der brennende Wunsch von Hans Löhrer<br />

(er nannte sich Hans statt Johannes. Der Name Johannes<br />

wurde in seiner Kindheit zu oft in allen Variationen gerufen, was ihn störte). sich selbständig zu machen, ein<br />

eigenes Geschäft zu betreiben. Seiner Vorstellung nach würde sich Franziska gut dazu eignen. So drängte er sie,<br />

sich in diesem Berufszweig sachkundig zu machen und zu arbeiten - nicht weiter im Haushalt.<br />

Mit Michael Krautwig und vielen bekannten Rheinbachern, wie auch Beyer, war ihr Gedankentum weit weg vom<br />

staatlich Gewünschten und so kam er auch mit dem<br />

Gesetz in Konflikt.<br />

Der Kaplan förderte und unterstütze diese<br />

Einstellungen und forderte auch dazu auf,<br />

Flugblätter zu verteilen. Während die Einen<br />

Flugblätter verteilten, suchten die Anderen (auch<br />

Peter Krautwig) nach den "Übeltätern", griffen sie<br />

auf und steckten sie in den Kallenturm der zu der<br />

Zeit der Polizei als Gefängnis diente. So kam auch<br />

Hans Löhrer in den Kallenturm. Der Kaplan ließ seine<br />

"Jungs" dabei völlig im Stich und überließ sie sich


selbst. <strong>Das</strong> hat Hans Löhrer dem Kirchenmann nie<br />

verz<br />

eihe<br />

n<br />

kön<br />

nen<br />

.<br />

<strong>Das</strong><br />

war<br />

das<br />

Flu<br />

gbl<br />

att<br />

von<br />

Pfin<br />

gst<br />

en<br />

193<br />

4:<br />

Handschriftliche Originalnotiz Hans Löhrer:<br />

Dieses Flugblatt hatten wir, Josef Beyer, Willi Frings und ich damals Nachts verteilt. Es wurde befürchtet, dass das<br />

Flugblatt von den Nazis beschlagnahmt würde. Josef Beyer, der später die Schwester von Willi Frings geheiratet hat,<br />

sprach mich an, ob ich mitmachen wollte.<br />

Beyer war damals Präfekt im Jungmänner Verein (katholische Jungmänner). Wir zogen Abends los, jeder hatte ein<br />

bestimmtes Revier. Es dauerte nicht lange entdecken wir einen regen Betrieb der SA und duckten uns immer in<br />

Straßen Ecken damit wir nicht gesehen wurden. Wir hatten alles verteilt als es morgens anfing hell zu werden.<br />

Zum Schluss traf ich am Bahnhof Willi Frings nochmal. Wir gingen heimwärts, ich hatte mich von Frings aber<br />

getrennt. Als ich die Bahnhofstraße entlang ging warf ich bei Krautwig noch ein Blatt über das Straßentor.<br />

Dann hörte ich Schritte hinter mir, aber dann waren die Schritte so nahe zu hören und dachte, denen entgegen zu<br />

gehen sei unauffälliger und machte wieder kehrt. Zu meinem Erstaunen war es der SA Mann Peter Krautwig.<br />

Da ich schon in Mutti (Anm. Franziska Krautwig später Löhrer) verliebt war, kannten wir uns sehr gut. Von ihm<br />

erfuhr ich dann, dass die SA uns schon sucht. ("Hau' ab Hans, wir suchen dich" wurde mir, dem Sohn Heinz<br />

mündlich immer wieder überliefert).<br />

Da wir nichts mehr bei uns hatten, gingen wir ein Stück weiter. An der Ecke am Wilhelmsplatz standen die SA<br />

Leute und Polizei. Als man uns sah, wurden wir ins Gewahrsam und kamen ins Polizeigewahrsam im Kallenturm.<br />

4 1/2 Stunden dauerte es, <strong>bis</strong> unser Präfekt uns durch Gespräche mit dem Ortsgruppenleiter "Wirz" frei bekam.<br />

<strong>Das</strong> kostete damals auch seine Stellung in Rheinbach: Hans Löhrer wechselte nach Verlust der Arbeit wegen<br />

"Arbeitsmangel" nach Andernach und pendelte so viel als möglich mit dem Fahrrad zwischen dort und Rheinbach.


Mit Glück konnte Hans 1936 einen Platz in der renommierten Heckmann<br />

Konditoren-Meisterschule in Köln belegen - gegen Vorlage eines<br />

Ariernachweises. Wegen der noch fehlenden Monate der praktischen<br />

Tätigkeiten (früher 5 Jahre JE Beruf) wurde die Prüfung nicht mit der<br />

Meisterehre belohnt - es gab nur eine Bescheinigung der Teilnahme.<br />

zur freien Berufsausübung, wieder nicht ohne ein Führungszeugnis.<br />

Der Konditoren-Meisterbrief ist 1988 in Gold von der HWK Köln<br />

nachgeliefert worden.<br />

Über weitere Stellen in Düsseldorf, Königswinter und Bonn kam<br />

dann die Einberufung zum Grundwehrdienst in Bergen bei Celle. Die<br />

Hoffnung auf eine kurze Militärzeit um sich dann sofort selbständig<br />

zu machen wurde erst einmal erfüllt. Wie so manch andere<br />

Hoffnung kam und wieder ging - gehen musste.<br />

Über<br />

Stellungen in<br />

Koblenz, Köln<br />

und<br />

Düsseldorf<br />

war es Löhrer<br />

möglich, in<br />

Düsseldorf<br />

die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk abzulegen. Hier waren<br />

mittlerweile die 60 Pflichtmonate schon erreicht. Ein Meisterbrief<br />

mit Hakenkreuz der Handwerkskammer Düsseldorf ist das Ergebnis<br />

auftauchten.<br />

Schon im August 1939<br />

war der Wehrdienst<br />

beendet und eine Stelle<br />

in Bonn und vielleicht<br />

auch eine<br />

Betriebsübernahme dort<br />

zeichneten sich ab - und,<br />

statt dessen: ab ging es<br />

wieder zum Militär. Die<br />

96. Inf. Div. sollte Hans Löhrer<br />

die nächsten Jahre begleiten.<br />

Hier das 10. Art. Reg. 196 unter<br />

Generaloberst Lindemann.<br />

Zunächst zur Sicherung der<br />

Landesgrenze nach Süddeutschland<br />

zum Oberrhein dann auf dem<br />

Vormarsch zur Westfront am Rhein<br />

vorbei <strong>bis</strong> Liedolsheim (Pfingsten<br />

1940). Von dort ging es über Idar<br />

Oberstein in der Pfalz und<br />

Luxemburg, Belgien hinein nach<br />

Frankreich wo die ersten zerstörten<br />

Dörfer, Brücken und Landschaften


Hier der Marsch durch Sedan in Fankreich. Gefangene wurde gemacht und<br />

mitgeführt. Zerbombte Städte, Lagern im Freien und marschieren<br />

gehörten jetzt zum Alltag. Über die Schlachtfelder des 1. Weltkrieges<br />

durch die Champagne <strong>bis</strong> Paris ging es erst einmal sehr zügig. So ein ganz<br />

wenig konnte sogar das <strong>Leben</strong> genossen werden, die Gefahr schien weit<br />

weg. <strong>Das</strong> ging so weit, dass in Paris großzügig Freizeit zur Verfügung stand<br />

für Besuche der Stadt und auch, um der Geliebten zu Hause Wünsche zu<br />

erfüllen die mit Feldpost eintreffen. Der Westfeldzug war nicht im<br />

Geringsten ein Vorgeschmack von dem, was auf die Soldaten zukommen sollte. Es gab eigentlich keinen<br />

militärischen Widerstand und man bewegte sich recht frei im Feindesland. In<br />

Paris wurde die Stadt erkundet und viel Freizeit stand zur Verfügung. Auch<br />

die Versorgung war in Ordnung und<br />

man hoffte auf ein schnelles Ende<br />

dieses Krieges. Es gab immer wieder<br />

neue Pläne sich selbständig zu<br />

machen.<br />

Franziska, die Braut von Hans, war<br />

ständig auf der Suche nach<br />

interessanten Objekten. Die<br />

Feldpost zeigt die Kommunikation<br />

aus dem Feld nach Hause und<br />

zurück. Auch Heiratspläne wurden<br />

immer weiter nach vorne<br />

geschoben. 3 Brüder von Franziska<br />

waren ebenso in den Krieg gezogen.<br />

Am 2. Juli 1941 war das "schöne<br />

<strong>Leben</strong> in Frankreich" vorbei. Es sollte<br />

in einem durch an die Ostfront<br />

gehen. Von Mezizieres ging es los.<br />

In Poix Terron wurde die ganze Truppe auf den Zug verladen und über Belgien, Holland, Deutschland ging es<br />

weiter nach Bremen, Hamburg, Lübeck, Stettin, Marienburg <strong>bis</strong> Lyck in Ostpreußen, das heute Elk (der Fluss dort)<br />

heißt. Und von da an geht es zu Fuß weiter <strong>bis</strong> Ilmensee nahe am<br />

Ladogasee südlich von Leningrad (heute Sankt Petersburg). <strong>Das</strong><br />

Tagebuch gibt den Marsch wieder der bekannte Kriegsschauplätze<br />

benennt. Im<br />

Kriegstagebuch ist alles<br />

chronologisch<br />

festgehalten und,<br />

solange das<br />

Filmmaterial reicht, mit<br />

Bildern beschrieben<br />

und dokumentiert - immer aus Sicht des Johannes Löhrer der für<br />

die Genauigkeit des Schießens mit Artilleriegeschossen<br />

verantwortlich war. Als Gefreiter, später als Unteroffizier war<br />

Löhrer als Richtkanonier hauptsächlich tätig, zumeist als "Bursche" (heute: pers. Adjutant) seines<br />

Truppenkommandeurs. Als examinierter <strong>Leben</strong>smittelhandwerker war Beschaffung und "zusätzliche wie<br />

Sonderversorgung" eine seiner auch wichtigen Aufgaben.


<strong>Das</strong> Tagebuch zeichnet alle wichtigen Vorkommnisse ein wie Wetter Schießerei, Lagerplätze, Fliegerangriffe <strong>bis</strong><br />

hin zum 12. September 1941 an dem Hans Löhrer von einem herumfliegenden Splitter an der Newa bei Leningrad<br />

getroffen wurde. Allein die Logistik, verwundete Soldaten fachgerecht medizinisch zu versorgen liest sich<br />

spannend. Die Wege, die ein Verwundeter transportiert werden musste, sind durchweg abenteuerlich und fast<br />

mit heutigen Reisen zu vergleichen: nur die Not und die Lust zur Reise unterscheidet dabei.<br />

So sieht ein Frontbrief aus der Nähe von Sankt Petersburg aus, der nach Hause zur Geliebten geschickt wird:<br />

Hier ein Brief vom 31. Dezember 1941 von Hans Löhrer an seine Franziska Krautwig, 2.500 km weit weg.<br />

Weihnachten 1941 und Jahreswechsel 41/1942 an der Front bei Leningrad. <strong>Das</strong> zu Hause links im Erdbunker, das<br />

1. Geschütz in Stellung und Blick aus dem "Laufgraben" auf das jenseitige Nevaufer ins "Feindesland" Leningrad.


Der Weihnachtsbrief von Franziska Krautwig an Hans Löhrer - irgendwo im Feld, tief drin in Russland und in<br />

täglicher <strong>Leben</strong>sgefahr. Ob er wohl überhaupt noch lebt beim Schreiben des Briefes?<br />

Wieder zurück an die Neva: die Bedienung für das 1. Geschütz, Vorposten der Infanterie an der Neva, Abschuss<br />

eines angreifenden Fliegers der Russen der "Rata" gerufen wurde, der Name für Ratte.<br />

Aber alles sollte ja noch viel schlimmer kommen .....<br />

Die Zeit nach der Verwundung, die ganzen Transporte, die Heilung der Splitterverletzung und der folgende<br />

3wöchige Genesungsurlaub liegen schon lange zurück. Die Versetzung wieder in die Truppe erfolgte Schritt für<br />

Schritt über jeweils andere Truppenteile <strong>bis</strong> dann am 19. Dezember 1941 wieder der eigene Truppenteil erreicht<br />

wurde. Über die Protzenstellung ging es direkt in die Feuerstellung. Von Weihnachten <strong>bis</strong> zum 30. Dezember war<br />

Dienst in der B-Stelle (Batterie-Beobachtungs-Stelle - B-Stelle - galt als Auge der Artillerie). Die Erkundung der B-<br />

Stelle übernahm der Batterie-Chef daher in enger Anlehnung an die zu unterstützende Kampftruppe. Wichtig war<br />

eine beherrschende Sicht über die Hauptkampflinie in die Tiefe des feindlichen Stellungsraums zu bekommen<br />

sowie eine gute Tarnung, um nicht selbst entdeckt zu werden. Ein höchst unangenehmer Dienst.


Etwas, das sicher seltsam vorkommt: Es gibt auch<br />

eine Bücherei für die Truppe - und das vor<br />

Leningrad. Diese Bücherei zu übernehmen - am<br />

31. 12.1941 - war der Befehl an Johannes Löhrer<br />

der am 2.1.1942 Vollzug meldet und am 3.1.1942<br />

war schon der 1. Ausgabetag.<br />

Zeitvertrei gehörte auch zum Alltag: Kino mit der<br />

Vorführung "Classica", später "Mustergatte". Eine<br />

"ruhige Zeit" die sich schnell änderte.<br />

Der März ließ viele Kameraden fallen, auch das 2.<br />

Geschütz war mit einem Rohrkrepierer betroffen<br />

mit 2 Toten. Heftige Auseinandersetzungen<br />

brachten Stellungswechsel und erneuten Bunkerbau mit sich - ein Finnenzelt. Am 25. 3. wird Generaloberst<br />

Lindemann verwundet und wieder Stellungswechsel und neue Bunker. Heftiger Beschuss und wieder<br />

Stellungswechsel mit Finnenzelt - Ankunft jetzt am<br />

"Russensschreck" auf dem Klosterhof. Angriffe, Wetter<br />

und leidige Zahnschmerzen - der Zahnarzt wird aufgesucht<br />

und hilft - bestimmen den Alltag. Regen, Kälte, sumpfiges<br />

Gebiet erfordern ein stabiles Immunsystem. Unterstützt<br />

durch Impfung zum Schutz vor Cholera und Typhus<br />

erfolgen wie Ersatz an Mensch, Tier und Technik. Und<br />

natürlich gibt es auch regelmäßig den Sold: die Löhnung.<br />

So ziehen sich die Wochen endlos dahin mit<br />

Stellungswechseln, Wachen in B-Stellung, Dienst in<br />

Feuerstellung wo auch der Major auftaucht. Und Mitte<br />

<strong>Juni</strong> der Stellungswechsel über Novinka nach Belogolovo,<br />

nahe dem Ladogasee. Wochenlang gibt es jetzt keine Zeit<br />

für jegliche Notiz <strong>bis</strong> in den November, als ein Lichtmesskurs angesetzt ist der wieder abgebrochen werden muss.<br />

Holz beschaffen, Stellung verlagern, Feuerstellung, Feuerüberfall widerstehen, Brückenkopf genommen und<br />

wieder aufgegeben, Versuch Urlaub zu beantragen. Platz auf<br />

der Warteliste ganz hinten. Und dann noch 1 Woche<br />

Bunkerbau im November - es scheint eine Weile am Ort<br />

bleiben zu können. Betten werden eingebaut, der Fußboden<br />

"gelegt" und wieder geht es weiter mit 3 Tagen Lichtmesskurs<br />

und Marsch zur "Messstelle grün" und Entlausung in Posselok<br />

1 und dann tags darauf mit Detlef Wolf zum Ladogasee. Der<br />

See<br />

zugefroren<br />

und die<br />

Russen<br />

haben<br />

Schienen<br />

über den See<br />

verlegt und<br />

konnten<br />

damit mit<br />

Zügen über<br />

den See<br />

fahren.<br />

(20.12.1942)<br />

.


Abgeschossene „Rata“ <strong>Das</strong> 3. Geschütz Protzenstellung in einem Schuppenbau<br />

Bunkerbau an der Neva-Front Bunker und Zugang im Winter „Feuerstellung an der Neva“ <strong>Das</strong> 1.<br />

Geschütz.<br />

Kameraden im russischen Winter Verschneiter Heldenfriedhof Hauptmann Baßermann beim Spähtrupp<br />

… vermisst im März 1942<br />

Ein Rohrkrepierer<br />

Konduja in der Hauptkampflinie (HKL)<br />

Einer der vielen<br />

russischen Opfer


Finnenzelt am Russenschreck<br />

„Schnell Essen fassen, sonst wird‘s kalt<br />

<strong>1943</strong><br />

... und immer noch kein Ende in Sicht. <strong>Das</strong> ganze Jahr ist durchgelaufen ohne dass Aussicht auf Urlaub war. Bei<br />

Stelle 176 hat das Warten angefangen, jetzt, im Januar <strong>1943</strong> ist Löhrer mit bei den Nächsten die in "Urlaub"<br />

fahren können. Mit Brief vom 2. Januar <strong>1943</strong> berichtet Hans Löhrer, dass er wohl am 10. Januar in Urlaub komme.<br />

Dann soll geheiratet werden und seine Braut Franziska im so weit entfernten Rheinland muss in dieser kurzen Zeit<br />

die Hochzeit vorbereiten .....<br />

Jeder, der weiß, was es bedeutete, an der Ostfront vor Leningrad Kriegsdienst zu leisten, kann sich denken, wie<br />

abenteuerlich dieser Plan war, die Hochzeit 14 Tage später schon zu erleben. Von Ladogaseee-Region, dem<br />

"Russenschreck" genannten Artilleriestützpunkt her die gut 2.500 km nach Rheinbach zu kommen um dann am<br />

15. Januar standesamtlich und am 16. Januar kirchlich heiraten zu wollen. Über 70 Jahre später immer noch ein<br />

kaum schaffbares Ziel.<br />

Bis 7. Januar <strong>1943</strong> im Finnenzelt untergebracht, mittags Abmarsch mit Schlitten zur Protzenstellung. Dort am 9.1.<br />

Abfahrt nach Mga, am Abend Ankunft in Toßno, am 10.1. Weiterfahrt Richtung Heimat. 5 Uhr in der Frühe des


11.1. Ankunft in Tauroggen, weiter am Abend um 5 Uhr (17:00) und gegen Mittag in Berlin angekommen, mit D-<br />

Zug weiter nach Köln. Dienstag der 12. Januar <strong>1943</strong> Beginn des Angriffs "Ladogasee". 1 Uhr nachts Ankunft in<br />

Köln, 6.30 in der Frühe in Lechenich eingetroffen. Zurück nach Köln zur neuen Einkleidung, dann nach Rheinbach<br />

zur Braut. Tags darauf, am 15. Januar <strong>1943</strong> die standesamtliche Trauung, am 16. folgte die kirchliche Trauung.<br />

Und schon geht der Kampf weiter<br />

Der schon an der Front wiederholt behandelte Zahn quälte unermesslich - in Euskirchen wurde im Lazarett am 1.<br />

2. <strong>1943</strong> der Zahn gezogen und es gab 3 Tage Urlaubsverlängerung. 14.11 am 4. Februar ging es in Köln wieder ab<br />

zur Front mit einem Aufenthalt in Tilsit tags darauf. Schon am Abend war Hans in Tauroggen. Am 9.2. in der Frühe<br />

ging es weiter mit dem Lazarettzug nach Riga. 24 Stunden später endlich in Riga eingetroffen. Dort sogar noch<br />

einen Rheinbacher getroffen (Mey hieß er). In Walk (Walk ist die <strong>bis</strong> 1920 verwendete deutsche Bezeichnung<br />

einer Stadt in der historischen Landschaft Livland im Baltikum. Heute verläuft die Staatsgrenze zwischen Estland<br />

und Lettland durch das Stadtgebiet. Der estnische Teil heißt Valga, der kleinere lettische Valka. * Wikipedia)<br />

wurde umgestiegen in die II. Klasse. Eintreffen im estnischen Tapa (deutsch: Taps) wieder am Morgen in der Früh'<br />

um 6 Eintreffen. Weiter in Narva (deutsch: Narwa) wurde Verpflegung geholt. Nachts um 2 eingetroffen in<br />

Gattschina (Gattschina (russisch ) ist eine Stadt in der russischen Oblast Leningrad und liegt 45 Kilometer<br />

südlich von Sankt Petersburg an der Europastraße und der Bahnlinie nach Pskow) aber erst um 6 ausgestiegen mit<br />

Marschbefehl nach Tuckany. Zunächst ging die Fahrt nach Ljuban, von dort am 13. 2. nach Samostje. Beim dem<br />

12. Batterie Regiment in Nowinka wurde übernachtet. Hier erfährt Löhrer von den Gefallenen: Magh, Lünebrück,<br />

Selig, Kirs, Hahn, Kümmerhoff, Grone, Nagel, Tippe und den Vermissten Lindemann, Schwarz u. a.<br />

Am 14. Februar ging es zur Stabsprotze und gegen Mittag wurde die alte Stellung wieder bezogen und es ging mit<br />

Nachtwachen weiter.<br />

Dick angestrichen Dienstag, 16. Februar <strong>1943</strong>: Panzerangriff / Gegenangriff / Fliegerangriff / Holz geholt /<br />

Schneestrum und das Sterben geht weiter. Jetzt kommen noch die Gefangenen-Wachen zu den Aufgaben.<br />

Gerade erst planmäßig zum Heiraten in 2 Tagen nach Hause, jetzt 14 Tage zurück auf vielen Umwegen und<br />

heftigsten Kämpfen bei hohem eigenen Verlust an Kameraden und Vorgesetzten.


Schießen, Reparieren, Eis aufhacken, Holz herbeischaffen, Munition übernehmen, Schnee und Schutt beseitigen,<br />

Kartenmaterial wieder herstellen und neu beschaffen, Ställe abgerissen vor Stellungswechsel, Holz beschafft zum<br />

Wege bauen im Schlamm - es blieb für nichts wirklich Zeit und immer wieder heftigste Gefechte. Der März war<br />

besonders heftig, im April kam ein wenig "Luft" in den Kriegsalltag. Und immer wieder "Platzkarten" sammeln für<br />

einen hoffentlich bevorstehenden Urlaub. Und immer wieder das Einschießen und Verbessern der Geschütze.<br />

Ende <strong>Juni</strong> war das Wetter mittlerweile sommerlich und in dem 143 km langen Flüsschen Tigoda ging es zum<br />

Baden.<br />

<strong>29</strong>. <strong>Juni</strong> <strong>1943</strong>, 30 Jahre wird Hans Löhrer an diesem Tag. Fernab der Heimat und immer ungewisser, ob das gut<br />

gehen kann und er seelisch wie leiblich wieder nach Hause kommt. 70 Platzkarten für einen nächsten Heimurlaub<br />

hat er schon gesammelt - ähnlich den Fleißkärtchen in der Schule. Stück für Stück und immer in Sorge, man könne<br />

sie verlieren. Für so manchen schönen Sommertag stand zumindest auch ein kleines Bad im Fluss auf dem<br />

Programm nach diesem mörderischen Winter/Frühjahr.<br />

Bau der Bunkerbrücke<br />

"Schlammperiode" Holzvorrat für Knüppeldämme<br />

Verschlammte Wege während der Schneeschmelze<br />

LKW werden durch den Schlamm gezogen Sammeln von Zivilisten zum Wegebaul Hilfe beim Wegebau“<br />

Russische Bauarbeiter<br />

Von der Arbeitsstelle zurück <strong>Das</strong> Mag -Tal Oberleutnant Hartmann<br />

(Mai-Schießen in der Feuerstellung


Barbara Brücke an der Tigoda Russen bringen Munition Panje Pferd Kolonne durch tiefen Matsch<br />

bei Nowinka) (Zwingna-Gori)<br />

„Munitionslieferung“ Panje Pferd Russe mit Munition<br />

Ein junger und ein alter Russe mit Munition


Hier ist die <strong>Leben</strong>sgeschichte des Johannes Löhrer am <strong>29</strong>. <strong>Juni</strong> <strong>1943</strong> angekommen - sein 30. Geburtstag im Feld.<br />

Sie wird fortgeführt.<br />

Alle Bilder selbst von Hans Löhrer fotografiert ©<br />

Alle Dokumente, Briefe, Urkunden liegen jetzt noch im Original vor.<br />

Heinz Löhrer - Stand 7. November 2016 der in diesem Krankenhaus zu Rheinbach 1946 geboren wurde, kurz<br />

nachdem das Krankenhaus in Betrieb genommen wurde - einer der ersten Geburten hier.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!