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Liebefeld Magazin 11.2016

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Nehbergs<br />

Nervenkitzel-Reisen<br />

1970 > „Die tragischste<br />

Reise war die zum Blauen<br />

Nil (Äthiopien). Bei einem<br />

Überfall wurde mein Freund<br />

Michael aus zwei Metern Entfernung<br />

erschossen. Wir zwei Überlebenden<br />

hatten zunächst das Glück, nicht getroffen<br />

worden zu sein. Doch dann bewährten sich<br />

unsere Vorbereitungen. Noch bevor die etwa<br />

zwölf Angreifer nachladen konnten (sie hatten<br />

damals noch Repetiergewehre), konnten wir<br />

uns zur Wehr setzen. Unter unseren Hemden<br />

verborgen trugen wir Tag und Nacht einen<br />

Überlebensgürtel. Dazu gehörte ein Revolver.<br />

Schon beim ersten Schuss flohen die Angreifer<br />

in einen nahe gelegenen Wald und verschanzten<br />

sich. Mein Freund Andor und ich nutzten<br />

die Verwirrung und flohen unter Zurücklassung<br />

der Ausrüstung über den Fluss. Die Flucht<br />

dauerte fünf Tage.“<br />

1981 > „Tausend Kilometer durch Deutschland<br />

ohne Ausrüstung und Nahrung von<br />

Hamburg nach Oberstdorf. Ich lebte von<br />

meiner Fettsubstanz und später auch vom<br />

Abbau der Muskulatur und des Verstandes.<br />

Ich verlor in der Zeit 25 Pfund Lebendgewicht.<br />

Damals war ich 46 und sah aus wie 246.“<br />

1987, 1992, 2000 > „Auch meine drei<br />

Atlantiküberquerungen von Westafrika nach<br />

Brasilien waren eine besondere Herausforderung.<br />

Zum einen wegen der scheinbar<br />

ungeeigneten Fahrzeuge Tretboot, Bambusfloß<br />

und massiver Baumstamm (alle Fahrzeuge<br />

waren selbstgebaut, unzerstörbar,<br />

unsinkbar, idiotensicher. Sie haben`s überlebt<br />

und stehen jetzt als Nachruf im Technikmuseum<br />

zu Speyer). Zum andern wegen<br />

meiner Angst vor Wasser, ständiger Seekrankheit<br />

und fehlender Erfahrung mit<br />

Seenavigation. Die Angst vorm Wasser<br />

haben mir die Marinepiloten bei Cuxhaven<br />

und die Kampfschwimmer in Eckernförde<br />

abtrainiert. Die Seekrankheit musste sich<br />

der Chemie geschlagen geben, und Navigation<br />

hat mich ein pensionierter Kapitän<br />

gelehrt. Damals noch mit dem Sextanten<br />

und nicht mit GPS.“<br />

2003 > „Aufregend war es auch, als mich ein<br />

Hubschrauber im Dschungel Nordbrasiliens<br />

ausgesetzt hat und ich allein versucht habe,<br />

zurückzufinden in die „Zivilisation“. Das<br />

Besondere an der Herausforderung: Ich hatte<br />

keine Ausrüstung dabei. Nur Hose, T-Shirt,<br />

Sandalen. Ich wollte mich wie jeder Yanomami-Indianer<br />

oder jedes Tier zurechtfinden.<br />

Nur mit meinem Survival-Wissen. Das hat<br />

drei Wochen gedauert.“<br />

Kapitel II – der<br />

ABEN-<br />

TEURER<br />

Fernweh, Erholung und Bedrohung<br />

sind wie eine Symbiose, die mein<br />

Wesen ausmachen und zu meinem<br />

Adrenalinquell wurden. Ich stehe<br />

unter Dauerstrom. Weder Müßiggang<br />

noch Langeweile oder die<br />

Vokabel Rentner haben darin Platz.<br />

Wie sähe ein Ranking Ihrer größten<br />

Abenteuer aus?<br />

Fast alles war zu seiner Zeit „das<br />

Größte“, wenn ich es noch nie<br />

gemacht hatte. Müsste ich es heute<br />

noch einmal wiederholen, empfände<br />

ich es als reizlos, weil es eine<br />

Wiederholung wäre. Schlaftablette<br />

Routine. Es war für mich stets<br />

reizvoll, die denkbaren Schwierigkeiten<br />

eines jeden Vorhabens<br />

vorher bestmöglich zu analysieren<br />

und sie mit Trainings oder geistigen<br />

Vorbereitungen unter Kontrolle zu<br />

bringen. Survivalisten-Schach.<br />

Auf Ihren Reisen haben Sie auch<br />

mal Ungewöhnliches gegessen –<br />

denken Sie, dass gebratene<br />

Blindschleiche die Gastronomie<br />

Bielefelds bereichern würde?<br />

Nein, es gibt Leckereres. Heuschrecken<br />

und Mehlwürmer zum Beispiel.<br />

Vierzig Jahre war ich verrufen in<br />

Deutschland als "Würmerfresser der<br />

Nation". Damit musste ich leben. Bis<br />

ich vor zwei Jahren von der Weltgesundheitsbehörde<br />

voll rehabilitiert<br />

wurde! Sie hat höchstmenschenamtlich<br />

2.000 Insekten zur empfehlenswerten<br />

Nahrung der Zukunft erklärt.<br />

Welch ein Durchbruch! Spontan<br />

habe ich das mit einem Survivor-Sekt<br />

gewürdigt: Teichwasser mit lebenden<br />

Wasserflöhen und Mückenlarven!<br />

Prickelt total.<br />

LIEBEFELD - 30 - DAS INTERVIEW-MAGAZIN<br />

Wer erlebt das perfektere Abenteuer:<br />

der mutige, tollkühne und<br />

leichtsinnige oder der überlegte<br />

und organisierte Abenteurer?<br />

Mut ist eine wichtige Voraussetzung<br />

für jedes große Abenteuer. Ihn muss<br />

auch der überlegende Organisierer<br />

haben. Wenn Mut sich jedoch auf<br />

bloße Tollkühnheit reduziert, wird<br />

man schnell zum Selbstmordkandidaten.<br />

Tollkühnheit ist nur dann entscheidend<br />

fürs Überleben, wenn man<br />

bei Bedrohung keine Alternative<br />

mehr hat. Der Leichtsinnige sollte<br />

lieber täglich sein Testament auf den<br />

neusten Stand bringen. Der Organisierte<br />

wird unnötige Risiken durch<br />

Vorbereitungen minimieren, aber<br />

den Restrisiken eine Chance lassen.<br />

Auch ich habe mich nie zugeplant.<br />

Fairerweise habe ich dem Restrisiko<br />

immer eine Chance gelassen. Erst<br />

das macht aus einem Spaziergang<br />

ein Abenteuer. Das unplanbarste<br />

wirkliche Risiko bleibt der Mensch.<br />

Tiere und die Naturgewalten<br />

hingegen sind berechenbar.<br />

25 Überfälle überstanden, in der<br />

Gewalt von aufständischen Rebellen<br />

gewesen, Sie aßen Heuschrecken,<br />

eitrige Kaninchen, Wanderratten,<br />

um auf Ihren Trips zu überleben –<br />

Sie haben jeder Gefahr getrotzt.

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