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Nehbergs<br />
Nervenkitzel-Reisen<br />
1970 > „Die tragischste<br />
Reise war die zum Blauen<br />
Nil (Äthiopien). Bei einem<br />
Überfall wurde mein Freund<br />
Michael aus zwei Metern Entfernung<br />
erschossen. Wir zwei Überlebenden<br />
hatten zunächst das Glück, nicht getroffen<br />
worden zu sein. Doch dann bewährten sich<br />
unsere Vorbereitungen. Noch bevor die etwa<br />
zwölf Angreifer nachladen konnten (sie hatten<br />
damals noch Repetiergewehre), konnten wir<br />
uns zur Wehr setzen. Unter unseren Hemden<br />
verborgen trugen wir Tag und Nacht einen<br />
Überlebensgürtel. Dazu gehörte ein Revolver.<br />
Schon beim ersten Schuss flohen die Angreifer<br />
in einen nahe gelegenen Wald und verschanzten<br />
sich. Mein Freund Andor und ich nutzten<br />
die Verwirrung und flohen unter Zurücklassung<br />
der Ausrüstung über den Fluss. Die Flucht<br />
dauerte fünf Tage.“<br />
1981 > „Tausend Kilometer durch Deutschland<br />
ohne Ausrüstung und Nahrung von<br />
Hamburg nach Oberstdorf. Ich lebte von<br />
meiner Fettsubstanz und später auch vom<br />
Abbau der Muskulatur und des Verstandes.<br />
Ich verlor in der Zeit 25 Pfund Lebendgewicht.<br />
Damals war ich 46 und sah aus wie 246.“<br />
1987, 1992, 2000 > „Auch meine drei<br />
Atlantiküberquerungen von Westafrika nach<br />
Brasilien waren eine besondere Herausforderung.<br />
Zum einen wegen der scheinbar<br />
ungeeigneten Fahrzeuge Tretboot, Bambusfloß<br />
und massiver Baumstamm (alle Fahrzeuge<br />
waren selbstgebaut, unzerstörbar,<br />
unsinkbar, idiotensicher. Sie haben`s überlebt<br />
und stehen jetzt als Nachruf im Technikmuseum<br />
zu Speyer). Zum andern wegen<br />
meiner Angst vor Wasser, ständiger Seekrankheit<br />
und fehlender Erfahrung mit<br />
Seenavigation. Die Angst vorm Wasser<br />
haben mir die Marinepiloten bei Cuxhaven<br />
und die Kampfschwimmer in Eckernförde<br />
abtrainiert. Die Seekrankheit musste sich<br />
der Chemie geschlagen geben, und Navigation<br />
hat mich ein pensionierter Kapitän<br />
gelehrt. Damals noch mit dem Sextanten<br />
und nicht mit GPS.“<br />
2003 > „Aufregend war es auch, als mich ein<br />
Hubschrauber im Dschungel Nordbrasiliens<br />
ausgesetzt hat und ich allein versucht habe,<br />
zurückzufinden in die „Zivilisation“. Das<br />
Besondere an der Herausforderung: Ich hatte<br />
keine Ausrüstung dabei. Nur Hose, T-Shirt,<br />
Sandalen. Ich wollte mich wie jeder Yanomami-Indianer<br />
oder jedes Tier zurechtfinden.<br />
Nur mit meinem Survival-Wissen. Das hat<br />
drei Wochen gedauert.“<br />
Kapitel II – der<br />
ABEN-<br />
TEURER<br />
Fernweh, Erholung und Bedrohung<br />
sind wie eine Symbiose, die mein<br />
Wesen ausmachen und zu meinem<br />
Adrenalinquell wurden. Ich stehe<br />
unter Dauerstrom. Weder Müßiggang<br />
noch Langeweile oder die<br />
Vokabel Rentner haben darin Platz.<br />
Wie sähe ein Ranking Ihrer größten<br />
Abenteuer aus?<br />
Fast alles war zu seiner Zeit „das<br />
Größte“, wenn ich es noch nie<br />
gemacht hatte. Müsste ich es heute<br />
noch einmal wiederholen, empfände<br />
ich es als reizlos, weil es eine<br />
Wiederholung wäre. Schlaftablette<br />
Routine. Es war für mich stets<br />
reizvoll, die denkbaren Schwierigkeiten<br />
eines jeden Vorhabens<br />
vorher bestmöglich zu analysieren<br />
und sie mit Trainings oder geistigen<br />
Vorbereitungen unter Kontrolle zu<br />
bringen. Survivalisten-Schach.<br />
Auf Ihren Reisen haben Sie auch<br />
mal Ungewöhnliches gegessen –<br />
denken Sie, dass gebratene<br />
Blindschleiche die Gastronomie<br />
Bielefelds bereichern würde?<br />
Nein, es gibt Leckereres. Heuschrecken<br />
und Mehlwürmer zum Beispiel.<br />
Vierzig Jahre war ich verrufen in<br />
Deutschland als "Würmerfresser der<br />
Nation". Damit musste ich leben. Bis<br />
ich vor zwei Jahren von der Weltgesundheitsbehörde<br />
voll rehabilitiert<br />
wurde! Sie hat höchstmenschenamtlich<br />
2.000 Insekten zur empfehlenswerten<br />
Nahrung der Zukunft erklärt.<br />
Welch ein Durchbruch! Spontan<br />
habe ich das mit einem Survivor-Sekt<br />
gewürdigt: Teichwasser mit lebenden<br />
Wasserflöhen und Mückenlarven!<br />
Prickelt total.<br />
LIEBEFELD - 30 - DAS INTERVIEW-MAGAZIN<br />
Wer erlebt das perfektere Abenteuer:<br />
der mutige, tollkühne und<br />
leichtsinnige oder der überlegte<br />
und organisierte Abenteurer?<br />
Mut ist eine wichtige Voraussetzung<br />
für jedes große Abenteuer. Ihn muss<br />
auch der überlegende Organisierer<br />
haben. Wenn Mut sich jedoch auf<br />
bloße Tollkühnheit reduziert, wird<br />
man schnell zum Selbstmordkandidaten.<br />
Tollkühnheit ist nur dann entscheidend<br />
fürs Überleben, wenn man<br />
bei Bedrohung keine Alternative<br />
mehr hat. Der Leichtsinnige sollte<br />
lieber täglich sein Testament auf den<br />
neusten Stand bringen. Der Organisierte<br />
wird unnötige Risiken durch<br />
Vorbereitungen minimieren, aber<br />
den Restrisiken eine Chance lassen.<br />
Auch ich habe mich nie zugeplant.<br />
Fairerweise habe ich dem Restrisiko<br />
immer eine Chance gelassen. Erst<br />
das macht aus einem Spaziergang<br />
ein Abenteuer. Das unplanbarste<br />
wirkliche Risiko bleibt der Mensch.<br />
Tiere und die Naturgewalten<br />
hingegen sind berechenbar.<br />
25 Überfälle überstanden, in der<br />
Gewalt von aufständischen Rebellen<br />
gewesen, Sie aßen Heuschrecken,<br />
eitrige Kaninchen, Wanderratten,<br />
um auf Ihren Trips zu überleben –<br />
Sie haben jeder Gefahr getrotzt.