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Liebefeld Magazin 11.2016

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»Rein rechnerisch ist es der größte ‚Bürgerkrieg‘ der<br />

Menschheit: die Gesellschaft gegen die Frauen, seit<br />

5.000 Jahren, 8.000 Opfern täglich und vielen Toten.«<br />

Nehberg<br />

Kapitel III – der<br />

MENSCHEN-<br />

RECHTLER<br />

Sie konzentrieren sich heute voll auf Ihre<br />

Aufgabe als Menschenrechtler – eine<br />

weitere Facette, die vor mehr als 35<br />

Jahren ihren Ursprung hatte ...<br />

1980 habe ich von brasilianischen Menschenrechtlern<br />

erfahren, dass dort im<br />

Regenwald ein Bürgerkrieg ablief, den<br />

Brasilien offiziell kleinredete. Pfeile gegen<br />

Feuerwaffen. 65.000 Goldsucher gegen<br />

eine Handvoll Yanomami-Indianer. Sie<br />

standen vor ihrer Ausrottung. Ich wollte<br />

mir einen eigenen Eindruck verschaffen<br />

und fuhr zu ihnen. Ein Fischerboot brachte<br />

mich so weit es ging die Nebenflüsse des<br />

Rio Negro hoch. Dann folgte eine Woche<br />

Fußmarsch. Nur mit Minigepäck, einer<br />

Mundharmonika und einem einzigen<br />

Satz in ihrer Sprache: „Nicht schießen,<br />

ich bin ein Freund.“<br />

Ein prägender Moment ...<br />

Ein Thema, das Sie mehr umtreibt als<br />

jede Survival-Reise?<br />

Ja. Denn die Tragödie der weiblichen<br />

Genitalverstümmelung sprengt alle meine<br />

vorherigen Erfahrungen. Wir sind<br />

Augenzeugen des Dramas geworden. Rein<br />

rechnerisch ist es der größte „Bürgerkrieg“<br />

der Menschheit: die Gesellschaft gegen die<br />

Frauen, seit 5.000 Jahren, 8.000 Opfern<br />

täglich und vielen Toten. Die Überlebenden<br />

sind ihrer Würde und Seele beraubt<br />

und können sich nicht von selbst aus der<br />

Situation befreien, weil das die Gesellschaftsstruktur<br />

nicht zulässt. Es bedarf<br />

der Hilfe von außen, der Gespräche auf<br />

Augenhöhe unter Freunden und ohne die<br />

übliche westliche oder christliche Überheblichkeit.<br />

Sie gründeten dafür Ihre Menschenrechtsorganisation<br />

TARGET. Mit welchem Ziel?<br />

Die Begegnung mit diesem allerletzten<br />

noch existierenden Urvolk des Kontinents<br />

war es, die mein Leben komplett verändert<br />

hat. Als Augenzeuge der Vernichtung<br />

wandelte ich mich ungeplant vom Abenteurer<br />

zum Aktivisten für Menschenrechte.<br />

Es entstanden TV-Filme, Bücher<br />

und medienwirksame Aktionen wie die<br />

Atlantiküberquerungen oder Konsultationen<br />

des Papstes und der Weltbank. Im<br />

Jahre 2000 war die internationale Lobby<br />

für die Yanomami ausreichend groß und<br />

sie erhielten einen akzeptablen Frieden.<br />

Seit 2000 setzen Sie sich gemeinsam<br />

mit Ihrer Frau Annette für ein Verbot der<br />

weiblichen Genitalverstümmelung ein.<br />

Nachdem wir recherchiert hatten, dass<br />

80 Prozent der Opfer Muslimas sind (die<br />

übrigen sind Christen und Andersgläubige)<br />

und die Tradition oft und falsch mit<br />

dem Koran (und der Bibel) gerechtfertigt<br />

wird, stand unsere Strategie fest, es mit<br />

der Ethik des Islam zu versuchen. Und<br />

zwar ausschließlich mit dem Islam und<br />

ausschließlich gegen weibliche Genitalverstümmelung.<br />

Wir wollten die höchsten<br />

Geistlichen davon überzeugen, den<br />

Brauch als Verbrechen einzustufen und<br />

zur Sünde zu erklären. Als deutsche<br />

Organisationen, die angeblich für Frauenrechte<br />

kämpfen, unsere Idee als absurd<br />

einstuften, haben wir unsere eigene<br />

Organisation gegründet: TARGET, die<br />

beste Idee unseres Lebens.<br />

LIEBEFELD - 32 - DAS INTERVIEW-MAGAZIN

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