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Bestplus

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32 Vermischtes BESTplus<br />

Wimmern einer weiblichen Stimme. Blank Daddy blickte Omar<br />

empört an:<br />

„Also ich höre mir das nicht unbeteiligt an. Hast du die Flak dabei,<br />

Sheikh?“<br />

„Ich bin Diplomat und immun – und Waffen in einer christlichen<br />

Kirche – ?<br />

„Na, erzähl‘ das der Forke, wenn die eine dabeihaben.“<br />

Und dann stürmte er die Steintreppe hinauf und in die Kirche<br />

hinein. Omar folgte ihm gemessenen Schritts. Eine andere Gehweise<br />

ließ seine weite Djellaba nicht zu. Infolgedessen wurde er<br />

schon auf der Außentreppe von einer schrillen Gestalt überholt.<br />

Sie trug einen knallgrünen Minirock, eine Art silberglänzender<br />

Bluse, weiße Stiefel, die bis über die Knie reichten und zinnoberrote<br />

Haare, die unverkennbar nicht die ihren waren.<br />

„Da schreit eine Schwester“, rief sie außer Atem. „Ich muss ihr<br />

helfen.“<br />

Omar erkannte die tiefe Stimme, die jedem Sarastro gut zu Gesicht<br />

gestanden hätte – er kannte sich in europäischen Opern aus –<br />

und machte bereitwillig Platz. Sie gehörte der Drag Queen, die<br />

Blank Daddy bereits angekündigt hatte und die ebenfalls an der<br />

Rallye teilnahm. Bei jedem Halt stand sie in einem zweifelhaften<br />

Mittelpunkt – und genoss es.<br />

Aber hier kam sie zu spät. Blank Daddy hatte bereits ganze Arbeit<br />

geleistet.<br />

Omar war erstaunt. Das hatte er dem Rapper nicht zugetraut.<br />

Seine Gossensprache und alles aufrührerische Gehabe hatte er<br />

bisher für PR-geführte Selbstdarstellung gehalten. Seine Fans erwarten<br />

nichts anderes von ihm, hatte er gedacht. Aber nun hatte<br />

er be¬wiesen, dass er tatsächlich blutige Straßenschlachten und<br />

Ghetto-Brutalität kannte. Im linken Arm hielt er ein verschüchtertes<br />

Mädchen mit verweinten Augen, die in diesem Augen¬blick<br />

unfähig war, noch eine weitere Träne zu vergießen, so entsetzt<br />

war sie. Vor ihr lag die Gestalt eines jungen Mannes. Und ein Alter,<br />

eher ein Greis mit weißen Haaren und einer Art Fes auf dem Kopf,<br />

saß auf dem Fußboden, offenbar starr vor Schreck.<br />

„Sheikh, hast du ein Pflaster dabei?“, fragte Blank Daddy und<br />

dann mit einer abweh¬renden Geste: „Und du rührst mich nicht<br />

an!“ Dabei grinste er und wedelte die Drag Queen, die mit einem<br />

Seidentuch in der Hand auf ihn zugeeilt war, mit einer Handbewegung<br />

zurück.<br />

„Hast du Angst, dich zu infizieren?“, fragte die tiefe Stimme mit<br />

dem Minirock. „Du solltest wissen, dass Schwulsein nicht ansteckend<br />

ist.“<br />

Auch er – oder sie – grinste.<br />

Aber die dürre Gestalt in den schwarzen Lederklamotten blutete<br />

wirklich aus einer Wunde am Arm.<br />

„Dieser weiße Arsch hat mich doch tatsächlich angestochen.“ Er<br />

schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Ein Glück, dass du die Artillerie<br />

nicht dabei hattest. Sonst müsstet ihr jetzt ‚ne Kiste zunageln.“ Er<br />

wandte sich der jungen Frau in seinem Arm zu:<br />

„Und du, Mädchen, du gehörst in eine Klinik, nicht hier in dieses<br />

Sitcom-Szenario.“<br />

Dabei schaute er sich in dem befremdlichen Interieur um.<br />

Als er vor ein paar Minuten hier hereingestürmt war, hatte er<br />

nicht auf seine Umgebung geachtet. Auch nicht dar¬auf, dass<br />

die Kirchentür eigentlich hätte verschlossen sein müssen. Aber<br />

wahrschein¬lich war sie von den abgedrehten Familienmitgliedern<br />

des Mädchens aufgebrochen wor¬den, die hier im Trockenen<br />

ihre Familienehre blutig wiederherstellen wollten. Jedenfalls<br />

befand er sich inmitten der Kirche in einer Art Pferdestall – Heu,<br />

ein Eselskopf, das Hinterteil einer Plastikkuh und drei weidende<br />

Schafe aus Gips.<br />

„Hier hat jemand den ,Sommernachtstraum’ gespielt“, sagte Omar<br />

in die entstandene Stille hinein.<br />

„Was?“, fragte die Falsettstimme des Rappers.<br />

„Vergiss es“, meinte der Bass, „uns brauchst du dein Unwissen<br />

nicht vorzuspielen. Oder kennst du Shakespeare wirklich nicht?“<br />

„Woher denn? Bei uns zu Haus weiß niemand, wer King Lear ist.“ Er<br />

grinste. „Und warum sollte ich den ,Kaufmann von Venedig’ kennen?“<br />

Und für sich fügte er hinzu: „Scheißgebildete Philistines!“<br />

Aufmüpfig grinsend äffte er die Queen nach: „Oder kennst du<br />

Shakespeare wirklich nicht? – Mann, Schwester, ich habe meine<br />

Songs bei ihm abgeschrieben.“ Schließlich sachlich:<br />

„Und Shakespeare ist natürlich Scheiße. Das hier ist eine Weihnachtskrippe!“<br />

Die junge Frau in seinem Arm fasste unter ihren Bauch, der sie<br />

nach vorn zu ziehen schien, und verzerrte schmerzhaft ihr Gesicht.<br />

Sie hörte auf zu atmen und wandte ihren Blick irgendwie nach<br />

innen. Jedenfalls schien es den versammelten Männern so.<br />

„Mädchen“, Blank Daddy kreischte es, „Mädchen, mach‘ mich<br />

nicht unglücklich. Nicht in meinem blutenden Arm und nicht in<br />

einer Kirche – hat denn niemand ein Pflaster, Mann, ich verblute<br />

hier und sie kriegt ohne Mann ein Kind. Unter den Augen von<br />

Godfather. Das halte ich nicht aus.“<br />

Der junge Mann vor ihm auf dem Fußboden bewegte sich.<br />

„Hey, Schwuchtel, hol‘ mal den Stecher, der da hinten unter der<br />

Bank liegt. Wenn der Kleine hier den zu fassen kriegt, spielt er<br />

Nine-eleven mit uns.“<br />

„Hey, Black Blank, spiel‘ hier nicht den Obama. Bring‘ dir deine eigenen<br />

Sklaven mit, wenn du willst, dass andere für dich arbeiten.“<br />

Für einen Augenblick starrten sie sich wütend an. Dann lachten sie<br />

wie auf Kommando beide gleichzeitig. Blank Daddy hob seinen<br />

blutenden rechten Arm, öffnete seine Handfläche und die Queen,<br />

die Manfred Müller hieß, schlug immer noch lachend ein. Omar<br />

unterbrach die Geste:<br />

„Bevor ihr hier Völkerverständigung feiert – was machen wir mit<br />

dem Mädchen?“<br />

„Die kriegt jetzt ihr Kind“, antwortete die Queen mit der selbstverständlichsten<br />

Bass-stimme und bückte sich nach dem Klappmesser<br />

unter der Bank.<br />

„Really?“, vergaß Blank Daddy seinen Harlem-Slang.<br />

„Really!“, antwortete der Bass und sah sich ratlos nach einer Ablage<br />

für das Messer um.<br />

Omar unterhielt sich leise mit der jungen Frau in ihrer Sprache.<br />

„Sie ist schwanger und weiß nicht, wie sie es geworden ist.“ Ein<br />

Lächeln saß in seinen Mundwinkeln. „Kein Mann habe sie je angerührt.“<br />

„Das ist ja mal was ganz Neues“, höhnte Blank Daddy, „Mann,<br />

Schwester, so wird bei uns jedes zweite Kind geboren.“<br />

Unbeeindruckt von dem Spott meinte Omar: „Die Familie kann

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